Music and Healing - Festival 17.-26.3.23 Robin Ticciati Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
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Willkommen Welcome 3 Editorial ›Music and Healing‹ haben wir unser Festival We gave our festival the English title ‘Music and genannt. Warum ein englischsprachiger Titel, Healing’. Why not a German one, you might ask. 5 Konzert I am 17. März könnten Sie nun fragen. Zum einen, weil Robin On the one hand, because Robin Ticciati, our Ticciati, unser britischer Chefdirigent, das British Music Director, initiated the project and 9 Konzert II am 18. März Projekt initiiert und die Programme der vier developed the programmes for the four evenings; Abende entwickelt hat. Und zum andern, weil and on the other hand, because the English term 15 Konzert III am 25. März der Begriff »healing« im Englischen einen viel “healing” offers a much wider range of associa größeren Assoziationsraum öffnet als das tions than the German word “Heilung” does. 19 Konzert IV am 26. März deutsche Wort »Heilung«. In addition to the medical connotations, this Da schwingen neben medizinischen Fragen also encompasses philosophical and sociological 25 Was kann Musik? auch philosophische und soziologische Aspekte aspects, including the healing of social upheavals. Interview mit Robin Ticciati mit bis hin zur Heilung gesellschaftlicher Ver- And we are convinced that music can help in werfungen. Und Musik kann, davon sind wir dealing with this – when it resonates with people, 27 Symposium I am 18. März überzeugt, im Umgang damit helfen. Wenn when it initiates mental processes and releases sie nachklingt bei den Menschen, wenn sie emotional tension. “Music for a while shall all 28 Apolls Gabe gedankliche Prozesse anstößt, emotionale Ver- your cares beguile,” it says in an aria by composer Essay von Eckart Altenmüller spannungen löst. »Music for a while shall all Henry Purcell. your cares beguile«, heißt es in einer Arie des With this festival, Robin Ticciati wants to encour 31 Symposium II am 25. März Komponisten Henry Purcell: »Möge die Musik age reflection. Our Music Director has long been für einen Moment deine Sorgen vertreiben.« concerned with the extent to which classical mu 32 Musik hilft?! Robin Ticciati möchte mit dem Festival zur sic can become a sanctuary, a shelter or refuge. Interview mit Melanie Wald-Fuhrmann Reflexion anregen. Seit langem bewegt unseren What the audience experiences in the concert Chefdirigenten die Frage, inwieweit Klassik hall can help to restore and renew, maybe even 36 Musik auf Rezept zum »sanctuary«, zum Schutzraum werden give the impulse to develop new perspectives and kann. Was das Publikum im Saal erlebt, kann creativity. Many classical music fans perceive the 38 Einfach sein zur Regeneration beitragen, ja vielleicht sogar harmonies of bygone eras as healing – especially Kolumne von Mirna Funk Anstoß geben, neue Perspektiven und Kreativi compared to the noise that constantly surrounds tät zu entwickeln. Viele Klassikfans empfinden city dwellers. However, contemporary music, too, 40 Die Künstler:innen die Harmonien vergangener Zeiten als heilsam can have this beneficial effect, especially when it – verglichen mit dem Lärm, der Großstadtbe- is spiritually grounded, like many of the works of 46 Das Orchester wohner:innen ständig umgibt. Doch auch zeit- ‘Music and Healing’ are. genössische Musik kann diese wohltuende Religion plays an important role when it comes to 50 Impressum Wirkung haben, besonders dann, wenn sie mental health, to spiritual salvation. The festival Editorial 3
spirituell grundiert ist, wie viele Werke bei ›Music and Healing‹. showcases different aspects of spirituality, from the medieval mystic, medicinal herb expert, and Music and Healing I Religion spielt eine wichtige Rolle, wenn es um composer Hildegard von Bingen, to the devout Robin Ticciati die psychische Gesundheit geht, ums Seelenheil. Protestant Johann Sebastian Bach, to the Rus Nicolas Altstaedt – Violoncello Das Festival zeigt unterschiedliche Aspekte von sian synaesthete Alexander Scriabin, who was Asya Fateyeva – Altsaxophon Spiritualität, angefangen von der mittelalter- convinced that he could save the whole world Martin Frink – Jazzschlagzeug lichen Mystikerin, Heilkräuter-Expertin und through music. Gareth Lubbe – Obertongesang Komponistin Hildegard von Bingen über den In addition, Robin Ticciati wants to showcase the Fr 17.3.23, 20 Uhr, Philharmonie glaubensstarken Protestanten Johann Sebastian spiritual sources from other cultures that have in Harrison Birtwistle 1934–2022 Bach bis zum russischen Synästhetiker Alex- spired composers of today. The spectrum ranges ›Panic‹ für Altsaxophon, Jazzschlagzeug und Orchester (1995) ander Skrjabin, der davon überzeugt war, die from Balinese gamelan music for Ondřej Adámek, ganze Welt durch Musik retten zu können. to that of the Russian Orthodox Church for John John Dowland 1563–1626 Darüber hinaus will Robin Ticciati zeigen, Tavener and Arvo Pärt, to Indian philosophy for ›Semper Dowland, semper dolens‹ (1604), Fassung für Streichorchester welche spirituellen Quellen aus anderen Kul- Jonathan Harvey. turkreisen Komponist:innen von heute inspiriert Grief and consolation, pain and joy, love and des Ernest Bloch 1880–1959 haben. Da reicht das Spektrum von der baline peration, aggressiveness, and silence – you will ›Schelomo‹. Hebräische Rhapsodie für Violoncello und Orchester (1915/16) sischen Gamelanmusik bei Ondřej Adámek über encounter all of this at ‘Music and Healing’, which Lento moderato – Allegro moderato – Andante moderato die der russisch-orthodoxen Kirche bei John will be meditative, wildly archaic, and provocat Tavener und Arvo Pärt bis hin zur indischen ive. In music, too, shocking experiences can lead PAUSE Philosophie bei Jonathan Harvey. to cathartic results, to the “cleansing effect” that Trauer und Trost, Schmerz und Freude, Liebe Aristotle once ascribed to Greek tragedy. In addi Igor Strawinsky 1882–1971 und Verzweiflung, Aggressivität und Stille – all tion, there will be exciting lectures for which we ›Le sacre du printemps‹ (Das Frühlingsopfer) das wird Ihnen begegnen bei ›Music and Heal- were able to win over experts from the fields of Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen (1913) ing‹, es wird meditativ zugehen, wild-archaisch medical and psychological research. Erster Teil: Die Anbetung der Erde und provokativ. Schockerlebnisse können auch Welcome now, dear guests, to this truly extra Introduktion – Die Vorboten des Frühlings. Tanz der jungen Mädchen – Entführungsspiel – in der Musik zu kathartischen Ergebnissen ordinary festival! Step out of everyday life, open Frühlingsreigen – Stammeswettspiele – Aufzug der Weisen – Der Weise – Tanz der Erde führen, zur »reinigenden Wirkung«, wie sie your eyes, your ears, and your heart – and let – Obertongesang – Aristoteles einst der griechischen Tragödie our Music Director Robin Ticciati and his healing zuschrieb. Hinzu kommen spannende Vorträge, hands restore you. Zweiter Teil: Das Opfer für die wir Expert:innen aus der medizinischen Introduktion – Geheimnisvolle Kreise der jungen Mädchen – Verherrlichung der Auserwählten – wie auch psychologischen Forschung gewinnen Yours, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Anrufung der Ahnen – Rituelle Handlung der Ahnen – Opfertanz. Die Auserwählte konnten. – Obertongesang – Seien Sie uns nun willkommen, liebe Gäste, zu diesem wahrlich außergewöhnlichen Festival! Dauer: Birtwistle ca. 18 min / Dowland ca. 6 min / Bloch ca. 23 min / Treten Sie heraus aus dem Alltag, öffnen Sie Obertongesang je ca. 4 min / Strawinsky ca. 35 min Augen, Ohren und Herzen – und lassen Sie sich kurieren von unserem Chefdirigenten Robin Ticciati und seinen heilenden Händen. Liveübertragung ab 20.03 Uhr: UKW 89,6 / DAB+ / online / App Im Anschluss zum Nachhören im DSO PLAYER → dso-player.de Ihr Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 4 5
Charaktere, buchstäblich Verderben bringt und Verbote sprengt«, schreibt der Komponist in einem Kom- schwärmte sein Zeitgenosse William Shakespeare. Dowland war der bekannteste Barde Emotionen mentar zu seinem provokanten seiner Zeit, dessen Ruhm bis Werk. Die Musik beschreibt heute nachhallt. Sein persön also das Gefühl von Ekstase und liches lateinisches Motto lautete: Schrecken, »die die Tiere nachts »Semper Dowland, semper dol- beim Klang von Pans Musik em- ens«, was anzeigen soll, dass der Text: Frederik Hanssen pfinden«. Dieser Gott spielt bei Künstler stets ein Trauernder Birtwistle nicht bukolisch auf war. Sogar eines seiner Stücke, einer Flöte, sondern tritt als Consort-Musik für Streicher mit moderner Freejazzer auf, der sein Lautenbegleitung, nannte er so. Saxophon aufs Heftigste trak- Der erste Konzertabend beginnt mit einer Schocktherapie, tiert. Cool Britannia! Veröffentlichung 1604 in ›Lachrimæ or Seaven Teares‹, einer mit einem Bad in der akustischen Eistonne. ›Panic‹ nennt ›Le sacre du printemps‹, Anfangsszene der Originalproduktion, Ausstattung von Nicholas Roerich Sammlung instrumentaler Ensemblemusik, Sir Harrison Birtwistle seine Komposition für Altsaxophon, »Eine Musik, die gedruckt von John Windet in London Jazzschlagzeug und Orchester – und genau dieses Gefühl dürfte das Stück bei den meisten Zuhörer:innen auslösen. einem den Zugang Der 1880 geborene Schweizer Die musikwissenschaftlichen Exegeten rühmen den 2022 nicht leicht macht, Komponist Ernest Bloch – nicht verstorbenen Briten zwar als einen Mann, der es sich zum die Scharfsinn und zu verwechseln mit dem nahezu Ziel gesetzt hat, »die Musiksprache von Grund auf neu zu gleichalten deutschen Philoso erfinden«. Paul Driver schwärmt gar von der »archaischen Wachsamkeit erfor- phen Ernst Bloch – machte nach Kraft der musikalischen Gesten«, vom »streng kontrollier- dert, die man sich dem Studium in Brüssel, Frank- ten Ungestüm« sowie von Strukturen »von ungeheuerlicher, verdienen muss. Das furt und München Karriere in den labyrinthartiger Komplexität«. Das Publikum allerdings hört: USA. Die Hebräische Rhapsodie pures Chaos. Ein Altsaxophon feuert eine gute Viertelstunde ist – nach meinem für Violoncello und Orchester lang kakophonische Salven in den Saal, begleitet von den Dafürhalten – ein ›Schelomo‹ wurde zu seinem Detonationen der Bläser und Schlagwerker. Kein Wunder, sehr schöner Ruh- ersten großen Erfolg in der Neuen dass die Uraufführung von ›Panic‹ 1995 zum Skandal wurde. Welt und ist bis heute sein bekann- Denn das drastische Werk kam nicht etwa bei einem Festival mestitel.« testes Werk. für zeitgenössische Musik heraus, sondern bei der populären Pierre Boulez über Birtwistle ›Last Night of the Proms‹. Besonders die Zuschauer:innen Das Soloinstrument übernimmt der Fernsehübertragung Wir bleiben auf der Insel, sprin- hier die Rolle des weisen Salomo, Uraufführung reagierten damals not gen aber 400 Jahre zurück, zur Sohn D avids und dritter König am 16. September 1995 bei der ›Last Night of amused: Ein telefonischer »elisabethanischen Melancho Israels, während das Orchester the Proms‹ in der Royal Albert Hall London mit dem BBC Symphony Orchestra unter Sir Andrew Shitstorm fegte über die lie«. In der Spätrenaissance die ihm umgebende Welt reprä Davis; Saxophon: John Harle BBC hinweg. wagten es die Künstler, ihre sentiert. Gleich zu Beginn hat privaten Gefühle in den Mittel das Cello einen langen Monolog, Andererseits: Könnte es nicht auch sein, dass es sich bei punkt zu stellen. Schmerz und der von jenen berühmten Worten diesem kuratierten Krach um ein brillantes Beispiel des Schwermut wurden zur kreativen Inspira- Besonders berührend vermochte der Dichter und Lautenist Salomos inspiriert ist, die in Luthers Über- berühmten englischen Humors handelt? Im Titel ›Panic‹ ver- tionsquelle, über Herzensangelegenheiten John Dowland die dunklen Seiten der Seele auszuleuchten, setzung so lauten: »Es ist alles ganz eitel. steckt sich laut Harrison Birtwistle nämlich ein griechischer durfte ausgiebig gesprochen, geschrieben bis hin zur Todessehnsucht. »Du gibst dich Dowlands Was hat der Mensch für Gewinn von aller Gott: Pan. »Der Saxophonist wird mit Pan gleichgesetzt, der und gesungen werden. Melodien hin, von ihres Zaubers Wohlklang eingehüllet«, seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? 6 Konzert I 7
Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt ewiglich.« Mal erscheint Salomo als Rufer in der Wüste, dann wieder umgibt ihn lautes Weltgetöse, wenn das Uraufführung auf das Pariser Publikum. Der Tanzabend mit Szenen aus dem vorchrist- lichen Russland, die darin gipfeln, dass sich Music and Healing II Orchester geradezu filmmusikhaft aufrauscht – eine Asso ein junges Mädchen zu Tode tanzt, um den ziation, die natürlich nur aus heutiger Sicht entstehen kann, Frühlingsgott gnädig zu stimmen, erschien denn der Tonfilm begann erst ein Jahrzehnt nach der ›Sche vielen im Saal als so radikal, dass es zu Tu- Robin Ticciati lomo‹-Uraufführung, sich langsam durchzusetzen. multen kam. Am Ende wurden 27 Verletzte Hugo Ticciati – Violine gezählt. Bundesjugendchor – Anne Kohler (Einstudierung) Doch die Holly- Chorsolist:innen: Uraufführung wood-Komponisten am 3. Mai 1917 in der New Yorker Carnegie Hall Uraufführung Anna Schote – Sopran, Yongbeom Kwon – Alt durch die New Yorker Philharmoniker unter späterer Jahrzehnte am 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Élysées Jo Holzwarth – Tenor, Konstantin Ingenpaß – Bass der Leitung von Artur Bodanzky; in Paris durch die Ballets Russes; musikalische Leitung: Martin Baer – Lichtkonzept Solist: Alexandre Barjanskyhaben sich bei Ernest Pierre Monteux; Choreografie: Vaclav Nijinsky Sa 18.3.23, 21 Uhr, Philharmonie Bloch einiges abge Konzert ohne Pause lauscht. Bis auf eine einzige Melodie – die ungefähr in der Mittlerweile ist Strawinskys Meister- Mitte des Stücks als Ruf des Schofar-Horns erklingt, einem werk längst als Klassiker der Moderne Hildegard von Bingen 1098–1179 im Alten Testament häufig erwähnten Instrument – ver- anerkannt. Die Partitur, die Archaik und ›Vos flores rosarum‹. Responsorium an die Märtyrer (nach 1141) wendet Ernest Bloch keine traditionellen Weisen aus dem Avantgarde auf faszinierende Art vereint, Fassung für Chor und Orchester von Johannes Marmén jüdischen Kulturraum. Er pflegte ein durchaus kritisches verströmt aber auch heute noch eine un- Verhältnis zur Religion und definierte sich weder als Gläu- geheure Vitalität, dank ihrer kraftvollen Arvo Pärt *1935 bigen noch als Atheisten: »Was mich wirklich interessiert, Rhythmen, scharfen Dissonanzen und ›Fratres‹ (1977), Fassung für Violine, Streichorchester und Schlagzeug (1992) ist die hebräische Seele. Diese komplexe, feurige, unruhige schillernden Klangfarben. Seele, die die Bibel in mir zum Schwingen bringt.« Blochs John Tavener 1944–2013 Musiksprache ist dabei zentraleuropäisch-spätromantisch ›Mother of God, here I stand‹ geprägt, in der Klangfarbenpalette aber finden sich bei aus ›The Veil of the Temple‹ für Chor a cappella (2002) ›Schelomo‹ nahöstliche Einfärbungen, ähnlich wie in Richard Arrangement für Chor und Streichorchester von Hugo Ticciati Strauss’ Oper ›Salome‹. Pēteris Vasks *1946 Der Obertongesang ist eine faszinierende Stimmtechnik, ›Vientuļais eņģelis‹ (Einsamer Engel) bei der eine Person zwei Stimmen gleichzeitig singen kann. Meditation für Violine und Streichorchester (1999) Zu hören sind dann nasale Grundtöne in unterer Lage sowie gläserne, pfeifende Töne in sehr hoher Lage. So entsteht das Johann Sebastian Bach 1685–1750 Paradoxon der polyphonen Solostimme. Vor allem in den zen- Kantate ›Christ lag in Todes Banden‹ tralasiatischen Ländern rund um das Altaigebirge wird der für Chor und Orchester zum Ersten Osterfeiertag (um 1707) Oberton- oder Kehlgesang traditionell praktiziert. Mit der Sinfonia – Versus 1–7 New-Age-Bewegung gewann er in den 1960er-Jahren auch in westlichen Staaten manche Anhänger:innen. Heute Abend Dauer: Bingen ca. 6 min / Pärt ca. 13 min / Tavener ca. 7 min / Vasks ca. 12 min / Bach ca. 23 min wird der Obertongesang von Gareth Lubbe präsentiert. Eine ähnlich schockierende Wirkung wie Harrison Birt Übertragung am Samstag, 25. März ab 20.03 Uhr: UKW 92,4 / Kabel 95,35 / DAB+ / online / App wistles ›Panic‹ für heutige Zuhörer:innen hatte Igor Stra Im Anschluss zum Nachhören im DSO PLAYER → dso-player.de winskys B allettmusik ›Le sacre du printemps‹ 1913 bei der In Zusammenarbeit mit Mit freundlicher Unterstützung 8 9
Gesungener Text Johann Sebastian Bach ›Christ lag in Todes Banden‹ Versus 1 (Chor) Versus 5 (Bass) Hildegard von Bingen ›Vos flores rosarum‹ Christ lag in Todes Banden Für unsre Sünd gegeben, Hie ist das rechte Osterlamm, Davon Gott hat geboten, Er ist wieder erstanden Das ist hoch an des Kreuzes Stamm Und hat uns bracht das Leben. In heißer Lieb gebraten, Vos flores rosarum, Blühende Rosen, Des wir sollen fröhlich sein, Das Blut zeichnet unser Tür, qui in effusione sanguinis vestri selig seid ihr Gott loben und ihm dankbar sein Das hält der Glaub dem Tode für, beati estis durch das Verströmen eures Blutes. Und singen Halleluja, Der Würger kann uns nicht mehr schaden. in maximis gaudiis redolentibus Und eure jubelnden Freuden, sie duften Halleluja. Halleluja. et sudantibus in emptione und sprossen que fluxit aus der Erlösung, Versus 2 (Sopran, Alt) Versus 6 (Sopran, Tenor) de interiori mente die da entsprang dem Ratschluss Den Tod niemand zwingen kunnt So feiren wir das hohe Fest consilii manentis ante evum des innersten Herzens vor allem Zeitenbeginn Bei allen Menschenkindern; Mit Herzensfreud und Wonne, Das macht’ alles unsre Sünd, Das uns der Herr erscheinen lässt. in illo, in ihm, Kein Unschuld war zu finden. Er ist selber die Sonne, in quo non erat constitutio der da war Davon kam der Tod so bald Der durch seiner Gnaden Glanz a capite. ohne Anfang. Und nahm über uns Gewalt, Erleuchtet unsre Herzen ganz, Hielt uns in seinem Reich gefangen. Der Sünden Nacht ist verschwunden. Sit honor in consortio vestro, Ehre sei eurer Gemeinschaft! Halleluja. Halleluja. qui estis instrumentum ecclesie Euch, die ihr seid Werkzeug der Kirche et qui in vulneribus vestri durch den Blutstrom Versus 3 (Tenor) Versus 7 (Chor) sanguinis undatis: der Wunden: Jesus Christus, Gottes Sohn, Wir essen und leben wohl An unser Statt ist kommen In rechten Osterfladen. In illo, in ihm, Und hat die Sünde weggetan, Der alte Sauerteig nicht soll in quo non erat constitutio der da war Damit dem Tod genommen Sein bei dem Wort der Gnaden, a capite. ohne Anfang. All sein Recht und sein Gewalt; Christus will die Koste sein. Da bleibet nichts denn Tods Gestalt, Und speisen die Seel allein, Den Stachel hat er verloren. Der Glaub will keins andern leben. John Tavener ›Mother of God, here I stand‹ Halleluja. Halleluja. nach einem Gebet von Michail Lermontow (1814–1842) Versus 4 (Chor) Es war ein wunderlicher Krieg, Mother of God, here I stand now praying, Mutter Gottes, hier stehe ich nun betend Da Tod und Leben rungen; Before this ikon of your radiant brightness, vor diesem Bild deiner strahlenden Helligkeit, Das Leben behielt den Sieg, Not praying to be saved from a battlefield; nicht um Rettung betend aus einem Kampf, Es hat den Tod verschlungen. Not giving thanks, nor seeking forgiveness for the nicht dankend oder nach Vergebung suchend, Die Schrift hat verkündiget das, sins of my soul, nor for all the souls weder für meine Seele noch für all die stumpfen, Wie ein Tod den andern fraß, Numb, joyless and desolate on earth; freudlosen und verzweifelten Seelen auf Erden, Ein Spott aus dem Tod ist worden. but for her alone, whom I wholly give you … betend nur für sie allein, für die ich mich dir ganz hingebe … Halleluja. 10 Konzert II 11
Selig sind die schen Text »Vos flores rosarum«, Das sich anschließende ›Mother of zu Deutsch: »Blühende Rosen, God, here I stand‹ (Mutter Gottes, selig seid ihr«. Der religiöse hier stehe ich) von John Tavener Friedfertigen Gesang erklingt nicht unbeg- ist ein winziger Ausschnitt aus leitet, wie es im Mittelalter dem Meisterwerk des 2013 ver- üblich war, sondern in einem storbenen britischen Komponisten. Arrangement für Chor und Ganze sieben Stunden dauert ›The Orchester, bei dem Horn und Veil of the Temple‹ (Der Vorhang Text: Frederik Hanssen Flöte zudem die Position von des Tempels), ein Werk, bei dessen Solist:innen einnehmen. Aufführung Interpret:innen wie Publikum gemeinsam eine ganze Niederschrift erstmals nach 1141 in Hildegards Visionsschrift Nacht verbringen sollen. Wie Arvo ›Scivias‹, deren letztes Exemplar seit dem Zeiten Pärt war John Tavener Mitglied Weltkrieg als verschollen gilt; heute als »Für mich ist jedes Konzert eine Reise«, sagt Hugo Ticciati. Abschrift erhalten im ›Riesenkodex‹ des der russisch-orthodoxen Kirche, Die traditionelle Abfolge, bei der ein Stück nach dem Klosters Rupertsberg bei Bingen wie sein estnischer Kollege strebte anderen erklingt, ist ihm ein Graus. Wenn der Bruder des er danach, so einfach wie möglich DSO-Chefdirigenten mit seinem eigenen O/Modernt Cham- Hugo Ticciati geht es im ersten zu schreiben. Sein Credo lautete: ber Orchestra Programme konzipiert, versucht er stets, Teil des Programms um das »Sobald ich beginne nachzudenken einen musikalischen Fluss zu erzeugen, eine stringente dialogische Prinzip. So wie in der oder auf Schwierigkeiten stoße, Werkzusammenstellung mit Sogwirkung für das Publikum. Fassung von ›Fratres‹, das der verwerfe ich alles. Das ist genau das Und so werden auch heute Abend – wenn Hugo Ticciati estnische Komponist Arvo Pärt Gegenteil der westlichen Komposi- als Violinsolist zu erleben ist – die ersten vier Stücke nahtlos für den lettischen Geiger Gidon tionsidee: dass jemand sich abmüht, ineinander übergehen, ohne dass zwischendurch Applaus Kremer und dessen damalige damit eine Sache gelingt.« ›Die Seherin‹, Miniatur des Rupertsberger ›Scivias‹-Kodex, um 1175 aufbranden kann. »Attacca« heißt das in der Musiksprache, Frau, der Pianistin Elena Bashki- und das gewünschte Ergebnis dabei ist ein Narrativ, eine rova, geschaffen hat. Aus dem Uraufführung des Oratoriums ›The Veil of the Temple‹ am 27. Juni Klangerzählung, die es den Leuten im Saal ermöglicht, zunächst für Instrumentalquin- 2003 in der Londoner Temple Church, mit dem Choir beim Zuhören durchgehend konzentriert zu bleiben. »Heute tett angelegten Stück macht er of the Temple Church und den Holst Singers unter der Leitung von Stephen Layton geht es um eine Reise ins Innere«, erklärt Hugo Ticciati das ein Wechselspiel zwischen dem Konzept für seinen Beitrag zum ›Music and Healing‹-Festi Solisten und dem Orchester, bei val. »Denn jeder Heilungsprozess beginnt ja im Inneren.« dem das Kollektiv die Ewigkeit ›Mother of God, here I stand‹ wird Kontemplative Stücke hat er ausgewählt, mit spirituellem repräsentiert und die Violine das oft einzeln aufgeführt. Hugo Ticciati Inhalt. Das Gebet steht im Mittelpunkt, in verschieden- menschliche Individuum. hat eine Fassung ausgewählt, die sten künstlerischen Ausformungen, in vokaler wie instru- wiederum den Dialog von Mensch mentaler Fassung, als gemeinsam gesungener Choral wie Uraufführung und Gott in den Vordergrund stellt: der ursprünglichen Fassung für Violine und als wortloses Zweigespräch mit Gott. Hugo Ticciati möchte Klavier am 17. August 1980 bei den Salzburger Die Strophen werden abwechselnd eine intime Atmosphäre kreieren, einen Abend, der geprägt Festspielen mit Gidon und Elena Kremer vom Bundesjugendchor gesungen ist von Ruhe und Stille. Die Orchesterbesetzung ist deutlich und vom DSO gespielt, als Anti- reduziert im Vergleich zu den anderen Festival-Abenden, Der gregorianische Gesang war phon, also als religiöser Wechsel- das Symphonische tritt in den Hintergrund zugunsten des eine entscheidende Inspirations gesang. Chorgesangs und der Solo-Geige. quelle für Arvo Pärt, nachdem er in den 1970er-Jahren in eine Schaffenskrise adäquat, um sich künstlerisch auszudrücken. Nach langer Das abschließende Werk im Zyklus des Am Beginn steht ein gregorianischer Choral, komponiert im geraten war. Die Modelle der Nachkriegs Suche entwickelte der tiefgläubige Komponist seine höchst ersten Konzertteils stammt von Pēteris 12. Jahrhundert von Hildegard von Bingen, auf den lateini avantgarde erschienen ihm nicht mehr individuelle Klangsprache der maximalen Einfachheit. Vasks, einem Komponisten, mit dem 12 Konzert II 13
Hugo Ticciati eine ebenso enge Künstlerfreundschaft ver- bindet wie mit Arvo Pärt. Vasks wurde 1944 in Lettland geboren, studierte zunächst Kontrabass in Riga und war Uraufführung vermutlich am Ostersonntag des Jahres 1707 in der Divi-Blasii-Kirche im thüringischen Mühlhausen Music and Healing III als Profimusiker in diversen O rchestern aktiv. Ab 1973 Die Komposition entstand um 1707, als absolvierte er dann auch noch ein Kompositionsstudium. der junge Bach Organist in Mühlhausen Wegen seiner Religiosität war er bis zum Ende der Sowjet war. »Diese frühe Kantate hat eine echte union staatlichen Repressalien ausgesetzt, erst in den ver- Frische«, schwärmt Hugo Ticciati. »Auf gangenen Jahrzehnten wurde Vasks Musik international die transzendenten Stücke folgt ein Werk, bekannt. das uns als Hörer wieder erdet, uns zurück- Robin Ticciati bringt ins Leben.« Von der geistigen, teil- Veronika Eberle – Violine Uraufführung 2006 widmete er Gidon weise fast esoterischen Ebene der ersten Sa 25.3.23, 20 Uhr, Philharmonie am 3. Juli 2006 im Dom zu Riga durch Gidon Kremer seine Meditation Konzerthälfte mit ihrem spirituellen Flow Kremer als Solist und die Kremerata Baltica ›Einsamer Engel‹. Der geht es zurück zum Konkreten, zum Körper- Olivier Messiaen 1908–1992 schier endlose Melodie lichen, das Bach mit polyphoner Eloquenz ›Le tombeau resplendissant‹ (1931) bogen der Geige erhebt sich dabei über den flirrenden Klang- feiert. »Jede heilende Reise beginnt mit Vif flächen eines Streichorchesters. »Ein Engel schwebt über einer inneren Transformation«, resümiert der Welt und betrachtet den Zustand der geschundenen Erde Hugo Ticciati. »Aber dann muss man sie Alban Berg 1885–1935 mit Tränen in den Augen«, beschreibt Vasks seine Vision: ausleben, ins Leben integrieren.« Konzert für Violine und Orchester ›Dem Andenken eines Engels‹ (1935) »Aber eine beinahe unmerkliche, liebevolle Berührung mit seinen Flügeln bringt Trost und Heilung. Dieses Stück ist I. Andante – Allegretto eine Antwort auf den Schmerz.« Hugo Ticciati bevorzugt II. Allegro – Adagio eine andere Lesart: Er sieht die menschliche Natur in Gegen PAUSE überstellung mit der zeitlosen Ewigkeit. Das Orchester stellt mit seinem choralhaften Spiel die Natur dar, die Violine Ondřej Adámek *1979 übernimmt die Rolle des fragenden, zweifelnden Subjekts. ›Shiny or Shy‹ für Orchester (2005/06) »Die meisten Men- Nach diesem weit gespann De loin, comme un rêve mystérieux ten Bogen aus vier intro- schen haben heute vertierten Werken folgt Alexander Skrjabin 1872–1915 keinen Glauben, als Finale eine Kantate von ›Le poème de l’extase‹ (1905–08) keine Liebe und kei- Johann Sebastien Bach, die überschäumt von posi- ne Ideale mehr. Die tiver Lebensenergie. Auch geistige Dimension Dauer: Messiaen ca. 16 min / Berg ca. 25 min / Adámek ca. 12 min / Skrjabin ca. 20 min wenn der Titel anderes ver- geht verloren. Ich muten lässt. Doch ›Christ lag in Todes Banden‹, will der Seele Nah- komponiert auf einen Text Übertragung am Dienstag, 28. März ab 20.03 Uhr: UKW 89,6 / DAB+ / online / App rung geben. Das Martin Luthers, ist ein Im Anschluss zum Nachhören im DSO PLAYER → dso-player.de predige ich in mei- Werk, das für die Feierlich- keiten am Ostersonntag nen Werken.« gedacht ist. Pēteris Vasks 14 15
Wut, Trauer, resplendissant‹ zeigt, wie vir- nerung an glückliche Momente. tuos der Franzose schon als Im zweiten Teil des Kopfsatzes Mittzwanziger die Kunst der webt Alban Berg eine Kärntner Ekstase Orchestrierung beherrschte. Volksweise ein, verwendet Länd- ler- und Walzeranklänge, gibt die Spielanweisungen »wiene »All jenen, die wegen risch« und »scherzando«, um meiner so genannten die fröhliche, lebensbejahende Text: Frederik Hanssen Dissonanzen aufjau- Seite der Manon Gropius zu zei- gen. Wie komplex Bergs Denken len, sage ich klipp und funktioniert, ist im zweiten Satz klar, dass ich nicht zu spüren, wenn er den Choral Die Ouvertüre des heutigen Abends bietet: einen veritablen dissonant bin. Sie ›Es ist genug‹ aus Bachs Kantate Wutanfall. Hier tobt ein »angry young man«, er scheint ›O Ewigkeit, du Donnerwort‹ völlig die Kontrolle über sich verloren zu haben. Welle um mögen sich ihre in seine zwölftönige Komposi- Welle rollt durchs Orchester, viereinhalb Minuten lang – bis Ohren waschen!« tion einwebt – und ihn dann so der junge Mann eine Verschnaufpause braucht. Über her- Olivier Messiaen raffiniert variiert, als ob er »einen ben, schmirgelnden Streicherbewegungen erheben sich Blick hinter den Tod« werfen die Holzbläser in einsamen, erratischen Soli. Dann geht das Fühlte Messiaen nur Phantom- wolle, wie es Dietmar Holland Manon Gropius, Zeichnung von unbekannter Hand Wüten wieder los, noch furioser, entfesselter als zu Anfang. schmerzen über den Verlust der formuliert. Bis endlich, nach einem letzten, dumpfen Schlag der großen Jugend, so haben Trauer und Trommel, die Erschöpfung eintritt. Wie der Seufzer, der sich Verzweiflung in Alban Bergs »Sie verbreitete Scheu, aus der Brust eines Verzweifelten entringt, steigt eine end- Violinkonzert eine reale Ursache: mehr noch als lose, todtraurige Melodie auf, kreist um sich selbst und ver Hier ist der Schmerz über den klingt schließlich im Nichts. frühen Tod von Manon Gropius, Schönheit um sich, der Tochter seiner F reund:innen eine Engels-Gazelle Uraufführung 23 Jahre jung war Olivier Alma Mahler und Walter Gropius, vom Himmel.« Messiaen, als er im Som- am 12. Februar 1933 in der Salle Pleyel in Paris mit dem Orchestre Symphonique de Paris unter zur tönenden Klage geronnen. Elias Canetti über Manon Gropius mer 1931 ›Le tombeau der Leitung von Pierre Monteux Gerade 18-jährig, war sie 1935 resplendissant‹ kompo an Kinderlähmung gestorben. nierte. Gerade hatte er seine erste Festanstellung ange ›Dem Andenken eines Engels‹ Der Komponist und Dirigent nommen, an der Pariser Kirche La Trinité, als jüngster Titu- lautet der Untertitel, fragil ist die Ondřej Adámek ist ein Künst- larorganist Frankreichs. Das »leuchtende Grab« war für ihn Grundstimmung der Partitur. ler mit weitem musikalischen selbst bestimmt, wie er im Vorwort zur Partitur schreibt: Horizont. Der 1979 geborene »Meine Jugend ist tot. Ich habe sie getötet. Zorn, wo führst Uraufführung Tscheche, der in Prag und Paris du mich hin?« Wer nur den reifen Olivier Messiaen kennt, am 19. April 1936 in Barcelona unter der Leitung studiert hat und seit 2010 Wahl- von Hermann Scherchen; Solist war Louis als sanften Christenmenschen und Vogelstimmensammler, Krasner, der das Werk bei Berg in Auftrag berliner ist, greift in seinen wird von dieser Musik schier umgehauen. Denn hier bricht gegeben hatte. Werken gedanklich bis in fernste sich eine Kraft Bahn, die man dem tiefgläubigen Katholiken Weltregionen aus. ›Shiny or Shy‹ gar nicht zutrauen würde. In der Tat hat er das wildbewegte Berg beweist hier, dass sich emotionale bar zu berühren, denn der Komponist zeigt beide Seiten ist von balinesischer Gamelanmusik inspi Jugendwerk später zwar nicht unterdrückt, aber doch wenig Einfühlung und Zwölftontechnik nicht der Trauerarbeit: Zum einen ist da die Erkenntnis, dass riert. Begeistert berichtet Adámek von der für seine Verbreitung getan. Erst 1997, fünf Jahre nach zwangsläufig ausschließen. Dieses Violin man den Schmerz zulassen muss, um ihn verarbeiten zu vielfältigen, asiatischen Instrumentenfami Messiaens Tod, erschien die Partitur im Druck. ›Le tombeau konzert vermag die Hörer:innen unmittel können. Genauso hilfreich aber ist auch die bewusste Erin- lie, deren Klang schon Claude Debussy bei 16 Konzert III 17
der Pariser Weltausstellung von 1889 faszinierte. Als Gong werden auf Bali beispielsweise nur die tiefsten Exemplare dieser Metallophone bezeichnet. Sehr reich sind auch die Uraufführung am 10. Dezember 1908 in New York durch das Russian Symphony Orchestra unter Leitung von Modest Altschuler Music and Healing IV Traditionen, nach denen die Instrumente untereinander ver- Der russische Komponist war zu Lebzeiten stimmt werden, um Interferenzen zu erzeugen, bei der sich vor allem als Pianist bekannt. Doch er inte die Klangwellen überlagern. Entscheidend ist dabei das Ver- ressierte sich auch für Politik, vor allem Robin Ticciati hältnis von Impuls und Echo, erklärt Adámek. Darauf bezieht für den Marxismus, und für philosoph- Michael Weinius – Tenor (Tristan) sich auch der Titel ›Shiny or Shy‹. Die wörtliche deutsche ische Konzepte von Nietzsche bis zum Dorothea Röschmann – Sopran (Isolde) Übersetzung mit »glänzend oder schüchtern« greift zu kurz. Buddhismus. Als er sich 1905 schließlich John Relyea – Bass (Marke) »Strahlend oder schattig« gefällt ihm besser. ans ›Poème de l’extase‹ machte, war er Claudia Mahnke – Mezzosopran (Brangäne) überzeugt, die Welt durch Musik erlösen Shenyang – Bassbariton (Kurvenal) Jan Remmers – Tenor (Melot) Uraufführung Für Ondřej Adámek ist zu können, ja, er träumte von einem synäs- Joo-hoon Shin – Tenor (Ein Hirte) ›Shiny or Shy‹ absolute am 27. Juni 2006 in Paris mit dem Orchestre des thetischen Gesamtkunstwerk aus Klängen, Lauréats des Conservatoires unter der Leitung Mathis Koch – Bass (Ein Steuermann) von Lionel Bringuier Musik, also ein Werk, Düften und Farben. Man muss seinen hoch- So 26.3.23, 20 Uhr, Philharmonie das für sich steht, keine fliegenden Träumen nicht folgen, um diese Geschichte erzählt. Den sympathischen Komponisten stört klanglich so üppige, hyperromantische, mit Jonathan Harvey 1939–2012 es aber nicht, wenn das Publikum beim Hören Bilder vor eigenwilliger Harmonik gewürzte Partitur ›...towards a Pure Land‹ (2005) Augen hat: »Es ist sehr schön, wenn jede:r Zuhörer:in seine genießen zu können – in der nicht von unge- eigene Welt erschafft.« Die Spielanweisung »Von Ferne, fähr das in den Blechbläsern intonierte Richard Wagner 1813–1883 wie ein mysteriöser Traum«, die sich am Anfang der Partitur »Thema der Selbstbehauptung« am glän- ›Tristan und Isolde‹. Handlung in drei Aufzügen (1857–59) findet, lädt ja auch dazu ein. Leicht lässt sich das Schwir- zendsten funkelt. Dritter Aufzug (konzertante Aufführung) ren von Insekten, die Atmosphäre eines Dschungels oder Tristans Burg in der Bretagne eines Regenwaldes empfinden. Es gab sogar schon Hörer- :innen, die überzeugt davon waren, dass im wild bewegten Erste Szene: Hirt: Kurwenal! He! Sag, Kurwenal! – Tristan: Dünkt dich das? letzten Drittel des Stücks Tsunamiwellen dargestellt seien. Ich weiß es anders – Tristan: Isolde kommt! – Kurwenal: Mein Herre! Tristan! Schrecklicher Zauber! – Zum Ende hin beruhigt sich dann alles wieder, zarte Klänge Tristan: Das Schiff? Siehst du’s noch nicht? – Tristan: Kurwenal, treuester Freund! wandern durchs Orchester. Wie »Erinnerungen an eine Zeit, die nicht mehr existiert«, sagt Adámek. Zweite Szene: Tristan: O diese Sonne! – Isolde: Ich bin’s, ich bin’s, süßester Freund! Der Titel kann leicht in die Irre führen: In seinem ›Poème de Dritte Szene: Hirt: Kurwenal! Hör! Ein zweites Schiff – Isolde: Mild und leise wie er lächelt l’extase‹ geht es Alexander Skrjabin nicht um Erotik. Son- dern um die berauschende Wirkung der Tatkraft. Wenn es dem Individuum gelingt, sich aufzuraffen und kreativ zu Dauer: Harvey ca. 16 min / Wagner ca. 75 min werden, vermag es höchste Erfüllung zu erleben. Das lange Gedicht, das Skrjabin als Vorstufe zu seiner Komposition schrieb, kulminiert in den Worten: »Und es hallte das Weltall Liveübertragung ab 20.03 Uhr: UKW 92,4 / Kabel 95,35 / DAB+ / online / App Im Anschluss zum Nachhören im DSO PLAYER → dso-player.de vom freudigen Rufe: Ich bin!« 18 19
Visionen Ebenso intensiv wie mit den Das Stück beginnt mit amorphen Strömungen der zeitgenössi Klängen, bald lassen sich auch schen Musik hat sich der Naturgeräusche ausmachen. ›Tristan und Isolde in Umarmung‹, Radierung von Rogelio de Egusquiza, 1896 vom Glück 2012 verstorbene Komponist Dieser stehende Sound hat Span- stets auch mit philosophi nung, aber keine klare Form. schen Konzepten beschäftigt, Schließlich schält sich ein er- mit christlichem, theosophi ster Rhythmus heraus, taucht schem, hinduistischem und dann aber wieder ab in die Stille. buddhistischem Gedanken- Die Struktur bleibt ungreifbar, Text: Frederik Hanssen gut. Mystik und Meditation kurze Aufwallungen vergehen ins waren ihm ebenso wichtig Nichts. Ein Rauschen, Rascheln, wie die neuesten technischen mal ein Knackgeräusch, mattes Errungenschaften, die sich für Licht von hohen Streichern – drei Wer war Jonathan Harvey? Die erste, spontane Antwort elektronische Musik nutzen Minuten dauert die Anti-Klimax, könnte lauten: eine geradezu einschüchternde intellektuelle ließen. dann dringen Zivilisationsge Kapazität. Er studierte am St. John’s College in Cambridge räusche ein, in der Ferne scheinen sowie in Princeton, erschloss sich die Zwölftontechnik »Jonathan Harvey war ein Autos zu fahren, Maschinen zu Arnold Schönbergs, arbeitete mit den Avantgardisten Karl- Reisender«, schreibt die Wis- arbeiten. Immer mehr Orchester heinz Stockhausen und Pierre Boulez zusammen, erwarb senschaftlerin Suzanne Josek in instrumente treten hinzu, ver einen Doktortitel und erhielt zudem die Ehrendoktorwürde ihrer Monografie über den Kom- dichten sich zum aggressiv der Universitäten von Southampton, Sussex, Bristol und ponisten. »Seine lebenslange pulsierenden Krach. Dann kehrt Huddersfield. Als Professor für Musik lehrte Harvey an Reise war die einer spirituellen erneut Ruhe ein, die Nacht sinkt der University of Sussex, in Stanford und am Imperial Col- Suche. Die Musik war das Boot, herab, der Blick schweift hinauf lege London. In seinem Werk ›…towards a Pure Land‹ zeigt Erkenntnisdrang und Kommu zum wolkenlosen Himmelszelt – sich der 2012 verstorbene Jonathan Harvey aber weder nikationsbedürfnis waren der wo Sterne von der Unendlichkeit als verkopfter Theoretiker noch als stacheliger Neutöner. stete Wind in den Segeln.« des Universums künden. Im Gegenteil: Die 2005 für das BBC Scottish Symphony Orchestra entstandene Komposition ist leicht zugänglich, Mit seinen Werken aber strebte Wach ist der Geist nach Jonathan verlangt keine Vorkenntnisse. Nur Neugier. Mit dem »Pure er ein großes Ziel an: die Linde Harveys akustischer Achtsam Land« des Titels, dem reinen Land, ist ein Ort der Glück- rung des menschlichen Leidens. keitsübung, offen für den dritten seligkeit gemeint, der in den verschiedensten Kulturen die Denn der Musik wohnt nach Aufzug von ›Tristan und Isolde‹. verschiedensten Namen trägt. Paradiesisch ist das Dasein Jonathan Harveys Überzeugung Alle Sinne sind sensibilisiert für dort, Harvey entwirft in seinem Vorwort zur Partitur eine eine verbindende und heilende die »gefährliche Faszination« Landschaft nach dem Kraft inne. Sie transzendiert die von Richard Wagners Musik- Uraufführung Vorbild buddhistischer Dualität von Subjekt und Objekt drama, die schon Friedrich Ni- am 19. Januar 2006 in Glasgow mit dem BBC Literatur: »Wer hier lebt, – und letztlich auch uns selbst: etzsche berauschte. Es geht um Scottish Symphony Orchestra unter Ilan Volkov kennt weder das Altern »Wir und die Musik werden Nacht und Tod, um Lieben, das noch Krankheit oder an- eins.« Das Faszinierende an Har- nur Sehnen kennt, aber keine deres Leiden. Es gibt keine Armut und keine Konflikte.« Von veys Vision der idealen Welt in ›… Erfüllung. Schwer verwundet ist Bergen und Seen umgeben, öffnet sich den Betrachter:innen towards a Pure Land‹ ist: Das Werk hat eine zum vollständigen Verlöschen des Klangs. Hier überlässt der Tristan auf die Burg Kareol an der breto ein Garten mit üppiger Vegetation, erfüllt vom Klang der Vo- Leerstelle in der Mitte, fast drei Minuten Komponist also bewusst der Fantasie der Zuhörer:innen das nischen Küste zurückgekehrt, nachdem gelstimmen. Dieses »Pure Land«, so Harvey, sei das Modell lang passiert akustisch quasi nichts, agiert Feld: Jede und jeder im Saal kann sich seine Paradiesland- König Marke ihn in flagranti mit seiner einer Welt, nach der es sich zu streben lohnt. das riesig besetzte Orchester an der Grenze schaft ausmalen. Gattin Isolde erwischt hatte. Tristan war 20 Konzert IV 21
Brautwerber für Marke gewesen, doch Brangäne, Isoldes Vertraute, hatte den beiden einen Liebestrank verabreicht. Mit fataler Wirkung. Im Fieberwahn fantasiert Tristan vom Schiff, das Isolde zu ihm bringen werde, die Einzige, die seine Wunde schließen kann. Sein treuer Freund Kurwenal kann ihm nur ein mitleidender Zuhörer sein. Als Isolde tat- sächlich erscheint, taumelt Tristan ihr in die Arne und stirbt. Mit einem zweiten Schiff kommt Marke, der Tristan nun nicht mehr vergeben kann. Im Kampf strecken sich Melot und Kurwenal gegenseitig nieder, Isolde dagegen stirbt den Liebestod. Aus Opernhäusern, Uraufführung »Das Drama Wagners ist Philharmonien der gesamten Oper am 10. Juni 1865 im eine dramatische Sym- Münchner Hoftheater unter der Leitung und Konzertsälen. Hans von Bülows phonie, die unmöglich zu Konzerte, spielen ist und die durch die Darstellung nichts gewinnt«, war der französische Mu- sikliterat Romain Rolland vor fast 100 Jahren überzeugt. In jeden der Tat entfaltet Wagners Musikdrama seine Kraft auch in einer konzertanten Aufführung. Denn das Orchester weiß viel mehr von den Gedanken und Gefühlen der handelnden Per- Abend. sonen als diese selbst. Und die Musik spricht deren Geheim- nisse aus, in Form der Leitmotive, die für das Publikum wie Schlüsselbegriffe funktionieren. Musikalisch bietet der dritte Jederzeit. Aufzug eine Quintessenz der ganzen Oper: Alle Herrlich- keiten der vorangegangenen Aufführungsstunden scheinen hier noch einmal auf, Tristan durchlebt im Schwebezustand zwischen Leben und Tod »Dieser Tristan wird Qualen und Freuden, bis hin zu dem, was der was Furchtbares. Philosoph Friedrich Dieser letzte Akt! Ich Schlegel den »Enthu- fürchte, die Oper wird siasmus der Wollust« nennt. Und Isolde tut verboten. Nur mittel- es ihm schlussendlich mäßige Aufführungen gleich, in ihrem finalen können mich retten! Monolog, der zu den größten M omenten der Vollständig gute müs- Musikgeschichte zählt. sen die Leute verrückt machen.« In der Dlf Audiothek App, Wagner in einem Brief an im Radio über DAB+ und UKW Mathilde Wesendonk, 1859 deutschlandfunkkultur.de/ konzerte 22
Was kann KUL T U R . auf tagesaktuelle, sondern vor allem auf solche, die den Grundakkord unseres Lebensgefühls mitbestimmen? Musik? Spannende Fragen. Wie lauten Ihre Antworten? Musik formuliert in der Regel keine bündigen Antworten, sondern fächert Fragen eher nach ihren verschiedenen Aspekten auf. Man kann dies als Mangel empfinden. Doch der Verzicht auf Eindeutigkeit enthält auch einen großen R T. Vorzug: In einem musikalischen Werk, in einem Konzert Ö Interview: Robin Ticciati und Frederik Hanssen GE H programm durchwandern wir gleichsam Gedanken um Gedanken und erleben deren verschiedene Facetten. Robin, mit ›Music and Healing‹ setzen Sie einen Besonders ist ja schon die Aufführungssitua besonderen Akzent in dieser Saison. An zwei tion. Wer sich in einen Konzertsaal begibt, lässt aufeinander folgenden Wochenenden realisieren die Hektik des Alltags hinter sich. Denn dort Sie vier verschiedene anspruchsvolle Programme gehen die Uhren anders. K T. mit dem DSO. Was für eine künstlerische Moti- Der allbekannten Erfahrung des Zeitdrucks setzt die U N ENEFOHREN WERDEN vation steckt dahinter? Musik eine Eigenzeit ihres Verlaufs entgegen. »Ent G Die kleinen Festivals, die wir alle zwei Jahre veranstalten, schleunigung« ist dafür kein zureichender Begriff. Denn geben der jeweiligen Saison ein gedankliches Zentrum. Musik nimmt nicht woanders Tempo raus, sondern setzt Mehrere Linien unserer Arbeit werden an den zwei Wo ihr eigenes Zeitmaß. Das wird bisweilen als Zumutung chenenden zusammengeführt und genauer beleuchtet – empfunden – bei Schuberts »himmlischen Längen«, bei nicht nur durch Musik. Wir beziehen andere Künste, Wis repetitiven Prozessen etwa in der Minimal Music, bei senschaften, Gesprächsforen mit ein. Die ersten beiden angespannten Zonen der Stille in manchen Partituren aus Festivals widmeten wir Komponisten, die Musik, Kultur- den letzten 60 Jahren. Musik bietet durch ihre Existenz und allgemeines Geistesleben weit über ihre Ära hinaus ein Gegenüber zu dem, was die Alltagswelt beschäf prägten und bis heute Anlass für produktive Kontroversen tigt und prägt. Sie ist die vitale Erinnerung daran, dass geben: Johannes Brahms und Richard Wagner. Das zweite es Alternativen gibt. Der Philosoph Theodor W. Adorno DEI fiel leider der Pandemie zum Opfer. meinte, sie vertrete »jenes Andere«, das wir nicht kennen N. Für das dritte Festival haben Sie sich jetzt ein N MACHE extrem weit gefächertes Thema vorgenommen. AUGE Die Idee dazu entstand schon vor geraumer Zeit bei Überlegungen zum Gesellschaftsbezug unseres Tuns. Die heutigen Generationen sind zunehmend psychischem Stress ausgesetzt – durch die Urbanisierung der Welt und das forcierte Leben in den Städten, durch die moderne Kommunikation und die Eigendynamik ihrer Systeme, durch die Pandemie, die uns in den letzten Jahren enorm forderte. Was kann Musik, was kann klassische Musik in diesen Zusammenhängen bewirken? Bietet sie ein Refugium, Entspannung und Regeneration, vielleicht sogar Kreativkraft? Wie verhalten wir uns als kulturelle Institution, die ihre Berechtigung aus ihrer gesellschaft lichen Resonanz bezieht, zu wesentlichen Zügen unserer Epoche? Wie reagieren wir auf Zeitfragen, nicht allein Interview Robin Ticciati 25
und das uns als Wunsch und Sehnsucht doch eigentüm nist:innen, die ihren künstlerischen Weg erst lich vertraut erscheint. Die einen füllen es mit religiösen durch die Hinwendung zur Spiritualität gefun- Inhalten, wieder andere mit mythischen, ideologischen den haben. oder fantastischen. Es gibt viele intellektuelle und emo Das erste Konzert am 17. März wirft solche Fragen auf. tionale Arten, sich mit dem vertrauten Unbekannten Das religiöse Erlebnis, das aus dieser Welt hinausführt, Musik, Körper zu beschäftigen und so durch krisenhafte Situationen vermittelte sich für Olivier Messiaen als Ereignis von hindurchzufinden. Wie haben Komponist:innen sich damit Licht und Klang. Für Alexander Skrjabin, der zeitweise auseinandergesetzt? Welche Rolle spielen dabei Traditio der Theosophie nahestand, kulminierte es in der Ekstase. nen, greifbare und lebendige, aber auch solche, die uns Das dritte Programm am 25. März berührt wie dann und Geist nicht mehr bewusst sind oder geografisch und historisch auch das letzte die Grenze zwischen Leben und Jenseits. in weiter Ferne liegen? Dass Alban Berg sein Violinkonzert mit Variationen über einen Bachchoral abschloss, stellt auch den Versuch dar, Wie manifestieren sich diese Gedanken nun musikalisch den Übergang in eine andere Welt zu finden. konkret in den Konzertprogrammen? Sinnbildlich wird dies in der Versöhnung von tonaler und Das erste Konzert am 17. März wirft solche Fragen auf. zwölftöniger Komposition, die einander nach weit verbrei Alte Mythen und Erzählungen stehen im Hintergrund der Werke. Harrison Birtwistles Saxophon-Schlagzeug- teter Auffassung ausschließen. Symposium I Konzert ›Panic‹ bezieht sich auf Gefühle von Ekstase und Zum Finale gibt es den Dritten Aufzug aus Schrecken, die Tiere in der Nacht beim Klang von Pans ›Tristan und Isolde‹. Aber nicht nur. Musik befallen, so sagt es der Komponist in Anspielung Welche medizinische und therapeutische Bedeutung hatte Das letzte Programm am 26. März stellt zwei Verklä auf die griechische Mythologie. Es bildet den Gegenpol zu rungserzählungen einander gegenüber. Jonathan Harvey Musik im Laufe der Geschichte? Gab es in der Vergangenheit Strawinskys ›Sacre‹, dessen Szenario auf alte russische versucht in ›… towards a Pure Land‹ durch eine fließende, auch negative Erfahrungen, welche Patient:innen kamen in den Sagen zurückgeht. Seine Musik ist wie ein Ritual kompo sich stetig wandelnde Musik ein Ebenbild jenes Zustands Genuss einer solchen Therapie, und welcher Musik wurde über- niert und wirkt auch ohne Szene. Wir stellen ihr Kehlkopf zu schaffen, den die einen als Nirwana, andere als Para haupt eine heilsame Wirkung zugeschrieben? Wie wirkt sich die gesang zur Seite, aus der Region Tuwa, im Süden Sibiriens, dies oder Elysium bezeichnen. Und die Musik am Ende Einbeziehung von Musik auf das tägliche Leben aus? direkt an der Grenze zur Inneren Mongolei gelegen. Dort von Wagners ›Tristan und Isolde‹ ist eine Musik der Ent wird die Kunst, mit der eigenen Stimme nicht nur einen rückung, gleichsam der Transformation der Liebe in eine Antworten gibt das Rahmenprogramm zum Festival ›Music and Ton, sondern gleichzeitig mit ihm mehrere Obertöne zu andere, ihr nicht mehr feindliche Welt. Sie spricht nicht Healing‹. Im ersten Symposium gehen Prof. Dr. Stefan Willich erzeugen, bis heute kultiviert. Den so generierten Klängen von einem Ende. (Berlin), Prof. Dr. Mazda Adli (Berlin) und Dr. Andrea Korenjak wurde einst magische Wirkung zugesprochen. Ihre kulti (Wien) der heilenden Wirksamkeit von Musik auf die Spur. sche Faszination bewahren sie bis heute. Warum trägt dieses Berliner Festival eigentlich einen englischsprachigen Titel? Sa 18.3.23, 17–20 Uhr , Musikinstrumenten-Museum Ganz anders geartet präsentiert sich der Wir haben den Gesamttitel bewusst in englischer Spra n ächste Abend. che belassen, zum einen, weil das Wort »healing« einen Kostenlose Anmeldung und weitere Informationen: Kontemplativ, meditativ ist das zweite Programm am ungleich größeren Bedeutungsradius besitzt als das 18. März gehalten, ein Nachtkonzert zu später Stunde. → dso-berlin.de/mah deutsche Wort »Heilung«, zum anderen, weil Letzteres Arvo Pärt und Pēteris Vasks erlebten noch die Zeit der durch völkische Deutung von den Nationalsozialisten um In Kooperation mit politischen Gängelung durch das Sowjetregime und standslos in ihre Rassenideologie eingeschmolzen wurde. gehörten zu jener leisen Revolution, die das musikalische »Healing« umschließt in Andeutungen auch das, was im Bewusstsein auch im Westen veränderte. Die Einheit von Deutschen als »Versöhnung« oder »Erlösung« bezeichnet Kunst und Glauben ist bei John Tavener, unserem Zeit wurde. Wir denken bei unserem Motto nicht nur in Analo genossen, nicht weniger eng als vor Jahrhunderten bei gie zur Medizin an eine Heilung, die möglichst den Status Bach und Hildegard von Bingen. quo wiederherstellt, sondern vielmehr an einen Prozess, an eine Transformation, aus der Neues entsteht. Musik ist für viele Menschen zum Religionser- satz geworden. Andererseits gibt es Kompo- 26 Symposium I 27
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