Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen

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Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
Das Magazin zur Langen Nacht der Kirchen 2021
                                                                                            in Kooperation mit unserem Medienpartner

                                                           in
                                                     Nachts der Kirche
Foto © Alexander Müller | www.alexander-mueller.at

                                                                                                                               wiens Kirchen
                                                                                                                               kennenlernen
                                                                                                                               Ein Streifzug durch berühmte
                                                                                                                               und weniger bekannte Kirchen
Foto © Siegfried Adlberger

                                                                                                                               spaziergänge
                                                                                                                               Unterwegs mit unseren
                                                                                                                               Hearonymus-Audio-Guides
                                                      von Glocke                     Die Schöpfung
                                                       bis Orgel                     wertschätzen                              Gewinnspiel
                                                        Die ungewöhnlichen           Was haben Kirchturmtiere mit              Ihre persönliche
                                                        und außerordentlichen        Schöpfungsverantwortung zu tun?           Exklusiv-Führung
                                                       Instrumente unserer Kirchen   Und was heißt das eigentlich?             gewinnen!

                                                                                                                                                              1
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
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    kannst die Gegend mit dem Stadtplan erkunden oder dich in Echtzeit über
    Unwetterwarnungen, Events und vieles mehr informieren. Der WienBot in der
    Stadt Wien App beantwortet dir Fragen zur Stadt – von Kurzparkzonen bis zu
    Amtswegen und Veranstaltungen. Was ganz Wien bewegt, erzählt dir unser
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                                                                 digitales.wien.gv.at/produkte
                                                           @ wien.at   @ stadtwien       @ Stadt_Wien
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Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
Wir laden Sie ein!                                                    inhalt
        Mit dieser Einladung habe ich Sie in den
    vergangenen Jahren in den Programmheften                              Schwerpunkt schöpfung
    der Langen Nacht der Kirchen begrüßt. Heuer
    ist alles anders: Deshalb halten Sie zum ers-
    ten Mal in der 17-jährigen Tradition unserer                          5      wir und unser gemeinsames Haus
    Veranstaltung kein Programmheft, sondern                                     Schöpfungsverantwortung – was ist das eigentlich?
    ein Magazin in den Händen. Damit wollen wir                           7      projekt Kirchturmtiere
    Sie aber auch einladen: Blättern Sie durch die                               Werden Sie Wissenschaftler*in!
    Seiten und planen Sie Ihre nächsten Kirchen-
    besuche. Wir hoffen immer noch, dass – zwar                           8      Die Welt mit Kinderaugen sehen
    eingeschränkt, aber doch – am 28. Mai einiges                                Tipps aus dem Kindergartenalltag • Rezept Gänseblümchensalbe
    in den Kirchen möglich sein wird.

       Gewisse Themen interessierten Sie bei un-
    seren Langen Nächten immer besonders, die
                                                                          von Heiligen, Glocken und Orgeln
    haben wir auch in dieses Magazin aufgenom-
    men. Wir erzählen über Glocken, Orgeln und                            14	ein hoch auf das Leben
    Heilige, und wollen Ihnen auch einen Besuch in                               Was die Glocken der Linzer Martin-Luther-Kirche erzählen
    einer der vielen Kirchen Wiens ans Herz legen
    – wir haben eine Auswahl getroffen, die Ihnen
                                                                          24     mit dem Smartphone auf Erkundungstour
                                                                                 Drei beliebte Lange-Nacht-Spaziergänge per App selbst erleben
    sicher einige Entdeckungen beschert. Diese
    Geschichten sind in einer Kooperation mit un-                         28     Fromm sein heisst nicht, fad sein
    serem Medienpartner Kurier entstanden.                                       Autorin Bernadette Spitzer über die Heiligen von Wien

       Ein weiteres Highlight der Langen Nächte                           32     Orgel! Retro … oder doch cool?
    haben wir in ein neues Format verpackt. Die                                  Warum uns Orgeln so faszinieren
    beliebten Spaziergänge, die Mag. Julia Strobl,
    Kunsthistorikerin und Austria-Guide, lange
    Jahre für uns organisiert hat, gibt es jetzt als                      Wiens Kirchen kennenlernen
    App-Angebot – als besonderes Highlight verlo-
    sen wir eine Exklusiv-Führung mit der Autorin!
                                                                          9      Stephansdom
        Der Bibelspruch „Du sendest Finsternis                                   St. Stephans alte Steine
    und es wird Nacht, dann regen sich alle Tiere
    des Waldes“ weist auf unser Schwerpunkt-                              12     Auferstehungskirche

                                                                                                                                                        o n li n e
    thema heuer hin – es geht nach wie vor um                                    Das Farbenspiel im Wohnhaus                                                         TI PP
    die Bewahrung der Schöpfung, dazu können                              17     russisch-orthodoxe Kirche
    Sie auch einiges lesen. Doch auch unser Mot-                                 Prächtigster Lagerraum der Stalin-Zeit                                    Tipps & Hinweise
    to „heuer sicher anders“ ist ganz maßgeblich:                                                                                                          zu verschiedenen
    Die Sicherheit hat oberste Priorität und des-                         18     rosenkranzkirche
                                                                                                                                                           Veranstaltungen
    halb gibt es vieles, das in diesem Jahr ganz                                 Radikal schlicht, radikal modern
                                                                                                                                                           finden Sie im ganzen
    anders als sonst stattfindet, nämlich im virtu-                       20 Jesuitenkirche                                                                Heft – achten Sie auf
    ellen Raum.                                                                  Siegreich im Sinnesrausch                                                 das Online-Tipp-Zeichen!

       Ich bleibe also auch heuer dabei: Wir laden                        22     Donaucity-Kirche                                               Alle Infos zu Live- und Online-
                                                                                                                                                                                Programm:
    Sie ein! Flanieren Sie durch die geöffneten Kir-                             Licht auch in düsteren Zeiten                                                gen  achtde   rki rche n.at
                                                                                                                                                www.l an
    chen – ob mit oder ohne Veranstaltungen, ob
    real oder virtuell. Lassen Sie sich berühren von
                                                                          26     Christkönigskirche
                                                                                 Juwel mit schwieriger Vergangenheit
    der Atmosphäre, schöpfen Sie Kraft im Gebet
    oder genießen Sie die Programmangebote!                               30 Redemptoristenkirche
    Und vor allem lassen Sie sich anstecken von                                  Der Bäcker predigt, die Polizei lauscht mit
    der Hoffnungsbotschaft, die alle Kirchen ver-
    künden!
                                                                          36     Johann-Nepomuk-Kirche
                                                                                 Das Medienhaus in der Praterstraße
        Ihr Bischofsvikar
        P. Dariusz Schutzki CR
                                                                          4 Daten und Fakten zur Langen Nacht der Kirchen • 23 Neue
                                                                          Kulturinitiative vernetzt Kirchen und Chöre • 38 Tipps & Hinweise

Impressum: Herausgegeben im Auftrag von und für den Inhalt verantwortlich: Vikariat Wien-Stadt, Wollzeile 2, 1010 Wien in Kooperation mit KURIER. Redaktion:
Mag. Michaela Speringer, Mag. Benjamin Koffu, Dipl.Theol.in Univ. Maria Krone. Die Beiträge von Michael Huber, Thomas Trenkler und Marco Weise sind – mit einem
Teil der verwendeten Fotos – im Rahmen einer Serie im KURIER erschienen. • Illustrationen: Nina Capitao, www.dreamingofmidsummer.com • Grafik und Layout: Vera
Rieder • Druckerei: Johann Sandler GmbH., Druckereiweg 1, 3671 Marbach/Donau.

                                                                                                                                                                                      3
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
die lange nacht der kirchen

                                                                                                         16
    in zahlen & daten
               350.000
           10.000
           vor allem ehrenamtlich tätige
                                                       Besucherinnen und Besucher
                                                          kommen alljährlich zur
                                                        Langen Nacht der Kirchen
                                                                                                        mal       wurde
                                                                                                       die Veranstaltung
                                                                                                       bisher mit großem
                                                                                                      Erfolg durchgeführt
           Mitwirkende organisieren das

                                                                      2005
             Programm in den Kirchen

                       800                                                                                      6

                                                                                                                            Nachbar-
                   etwa

                                                                                                                            Länder
                                                                         hat zum 1. Mal die
                                                                       Langen Nacht der Kirchen
                                                                      in Österreich stattgefunden
                     Kirchen sind Jahr für Jahr in                        – damals nur in Wien
                      ganz Österreich mit dabei                                                                 von Österreich und
                                                                                                               darüber hinaus haben

          10                                          180
                                                                                                                 sich bisher an der
                                                                                                              Veranstaltung beteiligt

          Minuten
        Glockengeläut eröffnet
                                                ca.
                                                 Kirchen nehmen jedes Jahr
                                                allein in Wien teil und öffnen
                                                 ihre Türen für Interessierte
                                                                                           3000 Programmpunkte
                                                                                          bereiten die teilnehmenden
        jedes Jahr um 17:50 Uhr                                                          Kirchen jedes Mal mit großem
           die Lange Nacht                                                               Engagement für die Nacht vor

       Lange Nacht der Kirchen | Noc Kostelu | Noc Kostolov | TEMPLOMOK ÉJSZAKÁJA | LUNGA
         NOTTE DELLE CHIESE | KIRIKUTE ÖÖ | Notg Lunga Da Las Baselgias | nuit des Eglises …
         das sind die Bezeichnungen für die Lange Nacht der Kirchen in den bisher kooperierenden Partnerländern.

    Nach der Langen Nacht ist vor der Langen Nacht!
       Mit diesen Worten hat Bernhard Linse, einer der          alisiert hat, ist einzigartig. Die Absage der Langen
    Gründungsväter der Langen Nacht der Kirchen in              Nacht im Jahr 2020 war für Bernhard – obwohl er
    Wien, die Arbeit des Organisationsteams immer               durch seine Krankheit nicht mehr hauptverant-
    gerne kurz und knapp umrissen. Seine Initiative,            wortlich für diese Entscheidung war – ein schwe-
    diese Aktion in Wien einzuführen, war der Beginn            rer Schlag. Schließlich hat er den Kampf gegen die
    einer österreichweiten, ja europaweiten Erfolgsge-          Krankheit verloren. Bernhard Linse ist am 26.
    schichte. Bis zuletzt war er dieser Initiative verbun-      Jänner 2021 verstorben. Unser Mitgefühl gilt
    den und hat sie koordiniert, begleitet und seit 2005        seiner Frau und seinen beiden Töchtern.
    gemeinsam mit einem großartigen Team fünfzehn-                 Die Lange Nacht verliert mit Bernhard
    mal durchgeführt.                                           einen großartigen Koordinator, aber
       Mehr als 20 Jahre hat er – bis zu seiner Pension         wir haben mit ihm jetzt einen großen
    im Jahr 2020, die er durch seine Krebserkrankung            Fürsprecher bei Gott. Mit der Langen
    erzwungen früher als geplant antreten musste – das          Nacht der Kirchen 2021 – die in unge-
    Vikariat und auch die Lange Nacht der Kirchen zu-           wöhnlicher Form durchgeführt wird
    sammen mit drei Bischofsvikaren durch gute und              und wieder ein kräftiges Lebenszei-
    weniger gute Zeiten geleitet. Was er da alles auf           chen der Kirche sein soll – hätte er
                                                                                                                                        Foto © EDW

    die Beine gestellt, organisiert, koordiniert und re-        bestimmt große Freude!

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Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
Schöpfungsverantwortung. Man hört gerade wieder öfter davon.
                                                             Aber was ist das eigentlich? Warum der etwas sperrige Begriff sehr zeitgemäß ist,
                                                               was er mit Naturschutz zu tun hat, und was das für unseren Lebensstil heißt.

                                                               Wir und unser
                                                                               gemeinsames
                                                                                                        Haus
Fotos © pexels.com/David Bartus; pixabay.com; Montage vr

                                                           I
                                                              m christlichen Weltbild sind Himmel und Erde         schichte gibt es drei ausschlaggebende
                                                              nicht von allein oder gar zufällig entstanden.       und eng miteinander verbundene Bezie-
                                                              „Schöpfung hat mit einem Plan der Liebe Gottes       hungen, auf denen das menschliche Dasein
                                                           zu tun, wo jedes Geschöpf einen Wert und eine Be-       gründet: die Beziehung zu Gott, zu seinen Mitmen-
                                                           deutung besitzt“, schreibt Papst Franziskus 2015 in     schen und zur Erde. Die Schöpfung ist daher alles:
                                                           seiner Enzyklika Laudato si’. Die Erde ist uns Men-     Zeit, Raum, unsere Mitwelt und ihre Geschöpfe, wir
                                                           schen demnach anvertraut – wir dürfen sie bebauen       miteingeschlossen. Jede Pflanze und jedes Tier hat in
                                                           und sollten sie hüten.                                  dieser Geschichte, nach seiner Art, einen Platz und
                                                                                                                   ist wichtig im Gefüge der Erde. Und so war es gut.
                                                              Die Schöpfung ist in diesem Verständnis also kei-
                                                           neswegs ein einmaliger und abgeschlossener Vor-            In der christlichen Tradition bildet die Mensch-
                                                           gang. Sie ist in vielerlei Hinsicht das, was wir Men-   heit eine „Schöpfungsgemeinschaft“ mit ihrer Mit-
                                                           schen täglich aus ihr machen. Wir sind eingeladen,      welt, mit der sie sich denselben Ursprung teilt. Da-
                                                           gemeinsam an der Weiterentwicklung dieses „ge-          raus ergibt sich ein spiritueller Grundauftrag – die
                                                           meinsamen Hauses“, wie Papst Franziskus die Erde        Anerkennung des Eigenwertes der Natur – unabhän-
                                                           nennt, mitzuarbeiten und seine Zukunft aktiv zu ge-     gig von dessen Nutzen für uns Menschen.
                                                           stalten und zu bewahren.                                   Nur leider wurde diese paradiesische Harmonie
                                                              In biblischen Erzählungen der Schöpfungsge-          gestört – von uns Menschen.

                                                                                                                                                                           5
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
Wir werden gerade Zeugen unseres Wirkens auf            schaftliche Krisen mit der ökologischen Belastung
                                              die Schöpfung. Es zeigt sich im Klimawandel, in            und Gefährdung der Umwelt zusammenhängen?
                                              Artensterben und Wasserknappheit, in Umweltka-                Leben kann nur gelingen, wo ein Miteinander in
                                              tastrophen und Lebensraumverlust von Mensch                Gegenseitigkeit stattfindet und Entwicklung nicht
                                              und Tier. Und der Druck des kapitalistischen Wirt-         nur eindimensional betrachtet wird. Krisen löst man
                                              schaftssystems, der globalen Landwirtschaft und ge-        nur gemeinsam. Die derzeitige Pandemie macht uns
                                              sellschaftlicher Einzelinteressen auf den Natur- und       die Abhängigkeit vom Innen und Außen einmal mehr
                                              Umweltschutz nimmt weiter zu. Das Konsum- und              deutlich. Krankheiten können die Menschheit in
                                              Freizeitverhalten reicher Nationen entwickelt sich         dieser Form nur bedrohen, weil die Mitwelt und der
                                              so, als hätten wir drei Planeten zur Verfügung – es        Lebensraum von Wildtieren immer mehr zurückge-
                                              gibt aber nur diesen einen Garten, dieses eine ge-         drängt werden; bis ein Ausweichen nicht mehr mög-
                                              meinsame Haus. Und dafür trägt der Mensch eine             lich ist …
                                              besondere Verantwortung.
                                                 Im christlichen Sinn                                                                 Der freie Wille eröffnet
                                              wird er als Ansprechperson                                                           uns jeden Tag die Mög-
                                              Gottes im Heilsgeschehen –                                                           lichkeit, uns so oder so zu
                                              als Ebenbild Gottes – zum            Jede Pflanze und jedes Tier                     entscheiden. Egal ob Nah-
                                              Beauftragten der Schöp-               hat in dieser Geschichte,                      rungsmittel,      Kleidung,
                                              fung. Beauftragt, alles, was                                                         Fortbewegung,      Technik
                                              dem Leben dient, zu för-
                                                                                         nach seiner Art,                          oder die Befriedigung an-
                                              dern und das Todbringende            einen Platz und ist wichtig                     derer Bedürfnisse – wir
                                              zu verhindern.
                                                                                      im Gefüge der Erde.                          könnten uns ganz oft
                                                                                                                                   schöpf u ngsf reu nd l icher
                                                 Gelebte Schöpfungsver-                                                            verhalten.
                                              antwortung und aufrich-                                                                 Vor allem kirchliche In-
                                              tige Nächstenliebe nehmen Abstand von der Aus-             stitutionen, die den Anspruch erheben, als morali-
                                              beutung natürlicher Ressourcen anderer Kontinente          sche Instanz und als Wertekanon wahrgenommen
                                              oder zukünftiger Generationen und beinhalten einen         zu werden, unterliegen einer besonderen Verantwor-
    Foto © SAMT/Müller

                                              rücksichtsvollen Umgang mit dem Geschenkten vor            tung. Kirchliche Entscheidungsträger sind einmal
                                              Ort. Individueller Konsum wird zu einer morali-            mehr gefordert, die Umweltkrise nicht aus den Augen
                                              schen Handlung mit Weltverbesserungspotenzial.             zu verlieren und sich ihrer Möglichkeiten bewusst zu
                                              Regionaler, saisonaler und ressourcenschonender            werden. In Laudato si’ hat ein Papst zum ersten Mal
                                              Verbrauch sind oft gehörte Schlagworte – aber als          ökologische Fragestellungen in den Mittelpunkt ei-
                                              gelebte Praxis haben sie große Wirkung. Denn billig        nes verbindlichen päpstlichen Dokuments gestellt
                                              für uns selbst bedeutet meistens teuer für jemand          und sich an „alle Menschen guten Willens“ gewandt.
                                              anderen.
                                                                                                            Wir stellen 2021 die Lange Nacht der Kirchen un-
    Kathrin Muttenthaler                          Die Begrenztheit der Erde zwingt uns zu einer          ter das Motto Achtung Welt mit dem Themenschwer-
    Bakk. Bio. MSc., Biolo-
                                              neuen Auseinandersetzung darüber, wie gutes Leben          punkt Schöpfungsverantwortung. „Du sendest Fins-
    gin, seit 2018 Leiterin des
                                              für alle in Frieden nachhaltig und gerecht möglich         ternis und es wird Nacht; dann regen sich alle Tiere
    Referates für Umwelt
    und Nachhaltigkeit der                    ist. Kann man die Augen noch davor verschließen,           des Waldes“ (Ps 104,2) – hoffentlich noch für viele
    Erzdiözese Salzburg                       dass in der globalisierten Welt von heute, viele gesell-   Generationen!

                         Gärtnern für Klima und Artenvielfalt                                               Fragile Schöpfung
                         Der Klimawandel und die Gefährdung der Artenvielfalt gehören zu den größ-          Das Dom Museum Wien widmet dem zerrütteten
                         ten Herausforderungen unserer Zeit. In einem naturnahen Garten kann man            Verhältnis zwischen Mensch und Natur eine um-
                         beidem entgegenwirken: Bäume spenden Schatten und Kühlung, Sträucher               fangreiche Ausstellung: Die epochenübergreifende
                         und Kletterpflanzen sorgen für ein angenehmes Mikroklima, Wasser darf ver-         Schau „Fragile Schöpfung“ ist nicht primär eine Kli-
                         sickern oder wird in Regentonnen gesammelt und zum Gießen verwendet.               makunstausstellung, die sich auf Endzeitdystopien
                         Heimische Pflanzen, blühende Kräuter und wilde Ecken bieten Lebensraum             fokussiert. Es geht vielmehr darum, die Vielgestaltig-
                         und Nahrung für nützliche Insekten und Vögel. Das ganze Jahr über gibt es          keit des menschlichen Verhältnisses zur Umwelt aus-
                         hier etwas zu beobachten und zu bestaunen, denn die Schönheit der Schöp-           zuloten und die destruktiven Aspekte ebenso auf-
                         fung zeigt sich oft im Detail. Mit etwas Hintergrundwissen, Tipps und Tricks       zuzeigen wie die versöhnlichen Anhaltspunkte, die
                         und viel Gelassenheit kann jeder Garten zu einer Oase der Vielfalt werden.         mögliche Auswege aus der Krise eröffnen könnten.

                              Führung: Was wächst, blüht und summt im Pfarrgarten?                               Führung: Fragile Schöpfung
                                                                                                                                                           o n li n e

          TiPP                                                                                           TiPP
                              Pfarre Grinzing, 1190 Wien, 17:00–17:45, nur bei Schönwetter.                      Dom Museum Wien, dommuseum.at                          TI PP

6
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
Projekt Kirchturmtiere:
Werden Sie Wissenschaftler*in!
In der Kirche ist Leben. Das stimmt allein schon wegen der vielen Tiere
und Pflanzen, die in Sakralbauten ihr Zuhause haben. Bei einem Mitmach-
projekt kann jeder dabei helfen, die Fauna in und um heimische Kirchen zu
erforschen.

J
     edes Jahr, wenn die Natur wieder           katholischen und evangelischen Kirche
     erwacht, beginnt es in vielen Sa-          mit BirdLife Österreich und dem Natur-
     kralbauten zu wuseln. Denn viele           schutzbund Österreich.
Kirchen, ihre Türme und Nebengebäude,              Und so funktioniert es: Beobachten
umliegende Friedhöfe, Pfarrgärten und           Sie Tiere in, an und rund um Kirchtürme
naturbelassene Wege in der Nähe sind            – in einem Radius von 100 Metern – und
ideale Lebensräume. Sie sind das Zuhau-         melden Sie Ihre Beobachtungen. Mit Hilfe
se von Mehlschwalben, Fledermäusen,             dieser Daten soll das Wissen über die Be-
Dohlen, Mauerseglern, Zauneidechsen,            siedelung von Kirchen durch Vögel und
Zitterspinnen und vielen anderen.               andere Tierarten verbessert werden. So
   Was diesen besonderen Lebensraum             können, zum Beispiel bei Sanierungen,
ausmacht? Zum einen sind es die zumeist         bessere Schutzmaßnahmen für gefährde-
alte Bausubstanz und die biologischen           te Tiere erarbeitet werden.
Baumaterialien, die darin verarbeitet              Das Melden von „Kirchturmtieren“
wurden. Nicht zuletzt ist es aber der Um-       funktioniert ganz einfach: Dazu einfach

                                                                                                       o n li n e
stand, dass Kirchen ruhiger sind als an-        die kostenlose App naturbeobachtung.at                              TI PP
dere Gebäude. Kein Wunder, dass sich            installieren, anmelden und Projekt
viele gebäudebewohnende Tierarten dort          „Kirchturmtiere“ auswählen. Dann Tiere
so wohl fühlen.                                 beobachten, fotografieren und melden –

                                                                                                                                Foto © naturbeobachtung.at/August Falkner
   Wie vielfältig das Leben dort ist, do-       fertig.
kumentiert das Projekt „Kirchturmtiere“.           Kamerafotos können auch direkt über
Das Wissen, das dabei gesammelt wird,           die Website www.kirchturmtiere.at hoch-
entsteht durch die Beteiligung vieler, je-      geladen werden (auch dort zuerst an-
                                                                                                       ir th

der kann dazu beitragen. Das Projekt ist        melden und dann Beobachtung melden)
                                                                                                     eu w
                                                                                                    ot N

eine Kooperation des Vereins zur För-           oder mit Standort, Datum und Uhrzeit an
                                                                                                ern

derung kirchlicher Umweltarbeit der             office@schoepfung.at gesendet werden.
                                                                                             ©G
                                                                                           F o to

Klassische „Kirchturmtiere“
   Fledermaus – Sehen mit den Ohren.               Turmfalke – nomen est omen. Bei
28 verschiedene Fledermausarten gibt es in      Turmfalken sind Brutplätze an Kirchtürmen
Österreich. Die Kleine Hufeisennase, das Gro-   und Gebäuden besonders beliebt. Sie bauen,
ße Mausohr, die Breitflügelfledermaus und       wie alle Falken, keine eigenen Nester und ja-
                                                                                                                                Foto © pixabay.com

das Graue Langohr: Sie alle sind angewiesen     gen nach Mäusen, Fröschen und Reptilien.
auf geschützte und ruhige Rückzugsorte.         Es ist ein besonderes Vergnügen, eine frisch
Fledermäuse nutzen oft mehrere Quartiere        ausgeflogene Turmfalken-Familie zu beob-
übers Jahr verteilt und benötigen neben dem     achten, wenn circa ab Mai, mehrere Jung-
Tagesquartier ausreichend Nahrung in Form       vögel und beide Elternteile die Türme, Firste
                                                                                                                                Foto © Lauermann

von Insekten und Spinnen. Sie halten Winter-    und Nistkästen in der Nähe von Sakralbauten
schlaf und ziehen ihre Jungen gerne auf Dach-   bevölkern. Oft über viele Generationen. Hier
böden, in sogenannten Wochenstuben, groß.       sind die Jungen vor Wind und Wetter, über-
Sie zeigen große Treue zu den einmal ausge-     mäßiger Sonne, aber auch vor Räubern gut
wählten Unterkünften und kehren ihr Leben       geschützt.
lang zu ihnen zurück. Wenn der Mensch sie          Details zum Projekt Kirchturm-
lässt.                                             tiere auf: www.kirchturmtiere.at

                                                                                                                            7
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
Die welt
                                                         mit Kinderaugen sehen
                                      Kinder haben einen besonderen Blick auf unsere Welt. Wir haben Tamara                        die St. Nikolausstiftung
                                      Kloucek, Pädagogin und Leiterin des Pfarrkindergartens St. Josef der St.                        der Erzdiözese Wien ist
                                      Nikolausstiftung im 2. Bezirk gefragt, wie man das Thema Schöpfungsver-                      eine innovative Trägerorga-
                                      antwortung auch mit Kindern daheim aufgreifen kann.                                          nisation mit rund 90 Kin-
                                                                                                                                   dergärten und Horten. Sie
                                        Tipps aus dem Kindergartenalltag                                                           beschäftigt über 1.150 Mitar-
                                         • Bei Wanderungen oder Ausflügen sich nicht nur auf das Ziel konzentrie-                  beiter*innen und bildet und
                                          ren. Den Weg bewusst erleben, selber stehen bleiben und über Pflanzen                    betreut circa 6.350 Kinder.
                                           oder Tiere staunen, sich bewusst Zeit nehmen und darauf einlassen.                      Die Standorte sind in allen
                                           • Eine Naturschatzkiste anlegen und damit die Natur auch in den Raum                    Wiener Bezirken vertreten.
                                            holen.                                                                                 Ein gelebtes Miteinander,
                                            • Fotos von Blumen, Tieren, Pflanzen im Wald wiederfinden.                             Erziehungs- und Bildungs-
                                             • Kindern die Möglichkeit geben, Pflanzen, Tiere, Steine, … in der Natur              partnerschaft sowie ein In-
                                              selber zu fotografieren: „Was ist dir wichtig? Warum ist es dir wichtig?“            teresse an den individuellen
zdemir

                                               • Mit den Kindern Samen (Tomatenpflanzen, Kräuter, …) einsetzen,                    Lebensentwürfen der Kinder
 amze Ö

                                                das Kind dabei unterstützen, sich um die Pflanzen zu kümmern, ver-                 und ihrer Familien zeichnen
                                                schiedene Stadien der Pflanze betrachten, besprechen und ggf. foto-                die pädagogische Arbeit aus.
    com/G

                                                 grafieren, gemeinsam ernten und gemeinsam essen usw.                              nikolausstiftung.at
     pexels.

                                                                                                              1
         Foto ©

                  Ein Tiegel
                  voller Kraft                                                                                                             2
                                                                                            Nachdem du die Gänseblümchen
                                                                                            gepflückt hast, gibst du sie in eine
                                                                                            Glasschüssel und leerst das Öl dazu.

                                                                                                                          Die Glasschüssel stellst du in ein ca.
                  Gänseblümchensalbe selbst gemacht
                                                                                                                          30–40 Grad warmes Wasserbad und
                  Die Salbe wirkt heilend bei Schürfwunden

                                                                                                              3
                                                                                                                          lässt dort die Gänseblümchen ca. eine
                  und kühlend bei Prellungen.
                                                                                                                          Stunde ziehen. Immer wieder umrühren.

                  Das brauchst du:
                                                                                           Nach ca. einer Stunde sind die wertvollen
                  20 g frische Gänseblümchen (im Ganzen)
                                                                                           Inhaltsstoffe im Öl (das erkennst du
                  100 ml Oliven- oder Sonnenblumenöl
                                                                                           daran, dass die Blüten am Boden der

                                                                                                                                           4
                  10 g Bienenwachs oder Kakaobutter
                                                                                           Schüssel sind) und du kannst das Öl durch
                  Topf für das Wasserbad
                                                                                           das Sieb in ein neues Glasgefäß abseihen.
                  Glasschüssel
                  Sieb
                  Waage
                                                                                                                          Zum Ölauszug kommt nun das Bienen-
                  Kleine Tiegel
                                                                                                                          wachs. Das Wasserbad ca. auf 60 Grad
                                                                                                                          erwärmen, sodass das Wachs schmel-

                                                                                                                  5
                  Was Kinder dabei lernen: Beim Pflücken der Gänseblümchen wird                                           zen kann. Gut verrühren.
                  neben dem Benennen und Erkennen der Blume auch die Feinmoto-
                  rik sowie die Kraftdosierung geschult. Durch das Wiegen kann mit
                  Gewicht und Menge experimentiert werden. Durch das Kochen und
                  Herstellen der Salbe werden Reihenfolgen und Abläufe gefestigt.            Die noch warme und flüssige Salbe kann in
                  Außerdem erfahren die Kinder dabei, welche Schätze die Natur zu            kleine saubere Tiegel gefüllt werden, aus-
                  bieten hat und dass Pflanzen auch Heilkräuter sein können.                 kühlen lassen und dann erst verschließen.
    8
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
St. Stephans
                                                     alte Steine

                                                                Rund um den Stephansdom spielt es sich
                                                        seit dem Mittelalter ab. Das Wiener Wahrzeichen
                                                               hat seither viel erlebt und steht wie ein Fels
                                                          in der Brandung inmitten der Stadt. Aber die Zeit
                                                                       hat ihre Spuren am Dom hinterlassen.
                                                                 Gut, dass er laufend in Schuss gehalten wird.
Foto © Alexander Müller | www.alexander-mueller.at

                                                                                                                 9
Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
struktions-
                                                                                         onen werden die Kon
                                                                   Schritt 1: Von Schabl                  gen
                                                                                     den  Ste in übe rtra
                                                                   zeichnungen auf

                                        E
                                               s ist kein Geheimnis, aber in dieser Geschichte müssen wir
                                               hier ansetzen: Der Stephansdom gehört einfach zu Wien,
                                               und das schon sehr lange. Wie Wien ist er immer wieder
                                        gewachsen und wie die Stadt, in deren Zentrum er steht, verän-
                                        dert er sich stetig. Der Stephansdom ist mehr als Postkartenmo-
                                        tiv und Wahrzeichen. Er ist Zeuge der wechselhaften Geschichte
                                        seiner Umgebung, und natürlich ist er selbst ein Teil davon.
                                           Die Erweiterung der Stadt im 12. Jahrhundert über die rö-
                                        mischen Lagermauern hinaus und seine Gründung sind eng
                                        miteinander verbunden. Es ist darum kein Wunder, dass der
                                        Stephansdom auch als Geschichtsbuch der Stadt gilt.
                                           Aber: So viel Geschichte inmitten einer Metropole hinterlässt
                                        ihre Spuren.

                                           Die stürmische Entwicklung der Stadt ermöglichte und för-
                                        derte einerseits den Dombau. Gleichzeitig trug sie durch Um-
                                        weltverschmutzung einen wesentlichen Teil zur Erosion der Stei-
                                        ne des Domes bei. Schwefelverbindungen in der Luft greifen den
                                        Kalk des Natursteines an, wandeln ihn in wasserlöslichen Gips
                                        um – und zerstören so seine Struktur. Dazu kommen Schäden,
                                        die etwa Taubenkot und Straßensalz über lange Zeit anrichten.
     Fotos © Verein Unser Stephansdom
                                           Abgesehen von diesen – erheblichen – menschlichen Beiträ-
                                        gen ist es ein natürlicher Prozess, dass Stein langsam zerfällt.
                                        An den feinen von Steinmetzen und Bildhauern geschaffenen
                                        Strukturen des Domes ist das allerdings viel schneller sichtbar
                                        als in der Natur. Entsprechend verändert Erosion, wie der Dom
                                        aussieht – und wie sicher er ist.

                                           Ein Bauwerk seiner Größe bedarf also nicht nur nach gro-
                                        ßen Katastrophen, die schwere Schäden verursachten – wie die
                                        Türkenbelagerung 1683 oder der Brand 1945 – der Wiederher-
                                        stellung. Es braucht ständige Überwachung, Pflege und Restau-
                                        rierung. Der routinemäßig durchgeführte Restaurierzyklus für
                                        den ganzen Dom dauert rund 40 Jahre. Die Arbeiten – und damit
                                        auch die den Blick störenden Gerüste – wandern in dieser Zeit
                                        um den Dom und befinden sich manchmal an eher unauffälligen
                                        Teilen, manchmal aber auch an sehr prominenten Stellen am
                                        Dom.
                                           Die Hauptansicht des Domes – der Südturm und die Süd-
                                        fassade des Langhauses – war die vergangenen zwanzig Jahre
                                        Schwerpunkt der Arbeiten. 2021 wurden die Gerüste in diesem
                                        Bereich schließlich abgebaut. Die Ostseite des Turmes kam als
                                        neuer Restaurierabschnitt dazu. Ihre geschützte, der Wettersei-

10
Schrit t 2:
                     Der neue
         wird in da           Teil
                     s Werkstü
                               ck eingep
                                         asst
                                                                               werden aus dem
                                                        Schritt 3: Die Details
                                                        Stein herausgearbeitet

te abgewandte Lage, macht sie besonders interessant: Denn ne-
ben Schäden, wie es sie am gesamten Dom gibt, finden sich hier               Der Verein
beispielsweise auch noch Brandspuren von 1945. Und unter den                 „Unser Stephansdom“
Schmutzschichten haben sich über 500 Jahre alte Farbschichten                setzt sich für die Erhaltung unseres Wahr-
erhalten – Teile der ursprünglichen Oberfläche.                              zeichens ein. Jährlich werden etwa 2,2
                                                                             Millionen Euro für die Instandhaltungs-
   Immer wenn der Stephansdom während seiner langen Ge-                      arbeiten benötigt. Nur mit Ihrer Unter-
schichte umgebaut oder restauriert wurde, geschah das unter                  stützung können wir unseren „Steffl“ vor
dem Gesichtspunkt, das Vorhandene nicht völlig zu ersetzen,                  Umwelteinflüssen schützen – bitte spen-       Arch. Dipl. Ing. Wolfgang
sondern es bestehen und gelten zu lassen. Die Dombauhütte St.                den Sie hier AT29 1919 0000 0020 3000         Zehetner, Dombaumeis-
Stephan führt die Erhaltungsmaßnahmen größtenteils durch.                                                                  ter Stephansdom
Sie besteht seit fast 900 Jahren und wendet immer noch teils
mittelalterliche Techniken, die auch für die Errichtung des Do-
mes in Gebrauch waren, an.
   Nach der sorgfältigen Reinigung der Oberfläche wird sicht-
bar, was man erhalten kann und was ergänzt oder ausgetauscht
werden muss. Die Form zerstörter Teile wird nach erhaltenen
Vorbildern am Dom und den mittelalterlichen Konstruktions-
prinzipien zuerst auf Schablonen gezeichnet, dann auf den Stein
übertragen. Die Ausarbeitung erfolgt mit Hammer und Eisen –
jener Methode, die den Stein am wenigsten belastet.

   Die Dombauhütte als Bewahrerin dieser über Jahrhunderte
entwickelten Technik ist heute Teil des heimischen immateri-
ellen Kulturerbes. Seit 2020 ist sie außerdem – gemeinsam mit
anderen europäischen Bauhütten – als gutes Praxisbeispiel zur
Erhaltung immateriellen Kulturerbes gelistet.
   Der Einsatz von Naturstein, Kalkmörtel und die Anwendung
der traditionellen Techniken ermöglicht eine authentische Re-
staurierung, auch wenn Einzelteile des Domes ersetzt werden.
Die aktuell verwendeten Natursteine aus dem Leithagebirge
entsprechen den originalen Steinen aus dem Mittelalter weitge-
hend.
   Die Dombauhütte verwendet natürlich auch moderne Mate-
rialien, um originale Bauteile zu erhalten. Sie ist beteiligt an der
Forschung nach neuen Materialien und Techniken, etwa in ei-
nem EU-Projekt zu den Möglichkeiten von NANO-Technologien
zur Festigung von Natursteinen.
   In den meisten Fällen ist die handwerkliche Technik aber die
effizienteste Methode, St. Stephan in seiner Komplexität, die von
der wunderschönen riesigen Nadel des Turmes zu den kleins-
ten Krabben reicht, zu erhalten. Und den nächsten Generationen                Eines der laufend erneuerten Stücke am Dom
weiterzugeben.

                                                                                                                                                       11
Fotos © Gilbert Novy/KURIER
     Das Farbenspiel
         im Wohnhaus                                                                                    von Marco Weise

           „D          as Schlichte ist in allen Künsten das
                       Schönere“, soll Martin Luther einst ge-
                       sagt haben. Der Theologieprofessor und
            Reformist hätte seine Freude mit dem Gotteshaus,
                                                                    Der Eingang zur Kirche befindet sich hinter der
                                                                  Fassade eines Wohnhauses zwischen Säulen und
                                                                  besteht aus großen Holzflügeltüren. Bereits im Ein-
                                                                  gangsbereich fällt auf, dass hier vieles anders ist, an-
            welches sich hinter einer schmucklosen Fassade in     ders als bei katholischen Kirchen – einfacher, funkti-
            der Lindengasse 44 verbirgt. Von außen betrachtet     onaler. Es ist eine Alltags- und keine Sonntagskirche.
            weist hier nämlich nur wenig darauf hin, dass sich    Soll heißen: „Das soziale Miteinander, der Gemein-
            an dieser Adresse eine Auferstehungskirche befin-     degedanke ist stärker ausgeprägt“, sagt die Frem-
                                                                          denführerin Brigitte Roth und macht auf eine
                                                                          Broschüre aufmerksam, die im Eingangsbe-
     Auferstehungskirche. Das evan-                                       reich aufliegt. „Kirche für LGBTIQ“ steht da-
                                                                          rauf geschrieben. Man erfährt nicht nur, was
     gelische Gotteshaus kommt ohne                                       die Abkürzung bedeutet, sondern auch, dass

     Turm, Prunk und Kreuzigung aus                                       alle willkommen sind: Gleichgeschlechtliche
                                                                          Paare erhalten hier Gottes Segen und Homo-
                                                                          sexuelle sind völlig gleichgestellt.
            det. Die Heimstätte der Evangelischen Gemeinde
            von Neubau/Fünfhaus ist ein Bau von Friedrich            Diese Gleichstellung spiegelt sich auch in der Ar-
            Rollwagen und Henry Lutz, der zwischen 1959 und       chitektur wider. Die Kirchen suchen die Solidarität
            1962 errichtet wurde. Er ist eine Hallenkirche, die   mit den gewöhnlichen Lebensvollzügen und ver-
            weder Turm noch Glocken hat und sich in die dor-      zichten daher auf jeglichen Triumphalismus. Die oft
            tigen Wohnblöcke unauffällig einfügt. Das war auch    „spezielle“ Bauweise hat ihren Ursprung im 17. Jahr-
            das Ziel der Planung, die den Unterschied zwischen    hundert, wie Brigitte Roth erklärt: „Zu dieser Zeit war
            „sakral“ und „profan“ aufheben wollte.                der Großteil der Wiener Bevölkerung zwar evange-

12
lisch, aber es gab in der Stadt so gut wie                                Der Taufstein hat einen zentralen
keine evangelischen Gottesdienste und                                 Platz. Er ist kreisrund, einerseits eine
Gotteshäuser.“                                                        Anspielung auf den Stein, der vom Grab
   Die Protestanten mussten darum in                                  Christi weggerollt wurde. Andererseits
die Vorstädte ausweichen. Geändert                                    steht die Form für die Dynamik inner-
wurde dies erst durch das Toleranzpa-                                 halb der Evangelischen Kirche.
tent von Joseph II. aus dem Jahr 1781                                     Das optische Highlight ist die „Cur-
– der Kaiser stellte der evangelischen Kirche                     tain Wall“. Eine sich über die volle Länge zie-
ein säkularisiertes Kloster in der Dorotheergas-               hende Glasfensterwand mit Lebensbildern von
se im Zentrum Wiens zur Verfügung. Doch die                    Jesus – gestaltet von Maler Dietmar Tadler. Sie
Toleranz des Kaisers hatte Grenzen: Die Kirchen                leuchtet in Grün, Blau und Gelbtönen. Die zwölf
hießen offiziell Gebetshäuser, durften äußerlich               gezeigten Themen sind: die Geburt, die Taufe,
nicht wie Kirchen aussehen, sondern wie Bür-                   die Rettung des sinkenden Petrus, die Totener-
gerhäuser – so waren zum Beispiel Rundfenster                  weckung, der Einzug in Jerusalem, das Abend-
nicht gestattet.                                               mahl, der Ölberg, der Verrat, vor Gericht, die
   Außerdem mussten sie zumindest 50 Meter                     Verleugnung, der Kreuzweg und die Kreuzigung.
von einer Hauptstraße entfernt liegen und einen
abgewandten Eingang haben. Und sie durften                        „Wenn die Sonne scheint, wird das Licht un-
keinen Turm besitzen. Das prägte die Architek-                 terschiedlich gebrochen. Es ist ein umwerfen-
tur. Es ist aber nicht der einzige Faktor, der Pro-            des Farbenspiel“, schwärmt Roth. „In einer Kir-
testanten und Katholiken trennt. Sie beten zwar                che für alle“, wie sie betont. Es gibt hier keinen
zum selben Gott, leben aber in verschiedenen                   Beichtstuhl, keine frontale Predigt von oben he-
Glaubenswelten: keine Marien-, keine Heiligen-                 rab, sondern eine vertrauliche Zwiesprache.
verehrung, kaum Bilder an den Wänden, kein Prunk,            „Das habe ich immer sehr geschätzt. Ich handha-
keine Kreuzigung.                                         be das bei meinen Führungen ähnlich. Es gibt keine
                                                          Belehrung, keinen Monolog, die Teilnehmer werden
   Zurück in die Lindengasse: Gleich nach dem Ein-        stets in meine Führungen einbezogen“, sagt Roth.
gangsbereich kommt man in ein großes Foyer. Im            Es geht ihr um Partizipation und Teilhabe. Martin
Kircheninnenraum strahlt die holzverkleidete Decke        Luther hätte das gefallen.
Wärme aus und sorgt für eine tolle Akustik. Zwi-
schen zwei Holzbankblöcken zieht sich ein Weg zum
Altarbereich, der von einer großen Christusfigur an
der Altarwand dominiert wird, welche von Bildhau-
er Heinz Glawischnig gestaltet wurde und den Auf-
erstandenen darstellen soll. Die Christusfigur wird
durch natürliches Licht, das durch eine im Dach ein-
gezogene Glaskonstruktion dringt, „erleuchtet“.
   Im Altarraum befindet sich nach drei Stufen ein
breites Podest, auf dem links die Kanzel und rechts
der Taufstein stehen. Um weitere zwei Stufen erhöht,
steht in der Mitte der Altar, umgeben von Grünpflan-
zen. „Die Kanzel wurde wie ein Buchrücken gestal-
tet. Eine Anspielung auf das gesprochene Wort, das
in der evangelischen Kirche eine wichtige Rolle ein-
nimmt“, sagt Brigitte Roth.

  Themenspaziergänge im 7. Bezirk
  Moderierte Spaziergänge, die zum Diskutieren anregen sollen, führen durch den Bezirk
  und möchten aktuelle Probleme ebenso wie die derzeitigen Lösungsansätze sichtbar ma-
  chen: von Naturdenkmälern über Urban-Gardening-Hochbeete bis zur verkehrsberuhigten
  Neubaugasse. Der Natur auf der Spur – Naturjuwele im 7. Bezirk macht z.B. auf kleine,
  feine Details der städtischen Flora aufmerksam. Was wir essen, was wir entsorgen rückt
  Lebensmittel und Abfallwirtschaft in den Fokus. Wie wir uns bewegen thematisiert Sied-
  lungsstruktur und Verkehr. Burning down the house – Stadtklima der Zukunft in Wien
  steht ganz im Zeichen der Klimakrise.
                                                                                                Auferstehungskirche: Lindeng. 44a,
       spaziergänge: Start um 18:00, 19:00, 20:00 und 21:00                                     1070 Wien. Anfahrt: U3 (Neubaugasse)
TiPP
       Evangelische Auferstehungskirche Neubau/Fünfhaus, 1070 Wien                              www.evang-neubau.at

                                                                                                                                       13
Foto © Ilir Morina
      EIN HOCH
     auf das Leben

                            Wenn die Glocken der Martin-Luther-Kirche
                        über der geschäftigen Linzer Landstraße läuten,
              ist das immer eine gute Gelegenheit, kurz innezuhalten.
      Aber wie sieht es da aus, wo die imposanten Klänge herkommen?
                                                 Ein Besuch ganz oben.

14
D
von Maria Krone                 er Weg hinauf ist ein kleines Aben-                    de nach langem Bemühen ein schlichtes
& Siegfried Adlberger           teuer, das Rosi Hagmüller schon                        Bethaus zugesagt. Entsprechend der da-
                                oft erlebt hat. Es beginnt jedes Mal                   maligen Gesetzeslage sollte es sich un-
                        hinter der Orgel und heute nimmt uns die                       auffällig ins Stadtbild einfügen und wur-
                        Referentin der evangelischen Pfarrge-                          de fünfzig Meter hinter den Straßenrand
                        meinde Linz – Innere Stadt dazu mit. Ge-                       der Landstraße versetzt gebaut. Ein Um-
                        meinsam wollen wir dahin, wo jeden Tag                         stand, dem die heutige Pfarrgemeinde
                        die Glocken läuten: in den Kirchturm der                       Linz – Innere Stadt einen großzügigen,
                        Linzer Martin-Luther-Kirche.                                   einladenden Vorplatz inmitten einer der
                                                                                       belebtesten Fußgängerzonen Österreichs
                           Stufe um Stufe stapfen wir nach oben.                       verdankt.
                        Auf der engen, steinernen Wendeltreppe
                        kann einem beinahe schwindlig werden,                             Erst zwanzig Jahre später wird auch
                        aber von dort aus ist es nicht mehr weit. Die                  der Turmbau genehmigt. 1859 werden
                        letzten Meter des Weges geht es noch über                      schließlich drei Glocken geweiht. Das
                        Holzstiegen. Dann sind wir da, hoch oben                       heutige Geläut stammt aus dem Jahr 1927.
                        über der Stadt. Hier hängen sie also: die                      Die vier Glocken überlebten als einziges
                        vier Glocken der Martin-Luther-Kirche.                         Geläut der Salzburger Firma Oberascher
                           Ihr Geläut zu den Tageszeiten und an                        den Zweiten Weltkrieg. Die meisten Glo-
                        Festtagen schlägt eine spannende Brü-                          cken wurden während des Krieges einge-
                        cke zwischen alter christlicher Tradition                      schmolzen, weil das Material für Kriegs-
                        und dem modernen Alltag in der Stadt.                          gerät knapp war und religiöse Symbolik
                        Es passt also sehr gut, dass die Inschrift                     als verzichtbar und staatsgefährdend an-
                        auf einer der Glocken „Jesus Christus,                         gesehen wurde.
                        gestern und heute und derselbe auch in                            Seit knapp hundert Jahren schlagen
                        alle Ewigkeit“ lautet. Die Glocken hier                        sie also hier. Der Weg in den Glockenstuhl
                        oben sind Begleiterinnen durch die Zei-                        ist nicht ungefährlich und man geht ihn
                        ten, Konstanten im Fluss des Großstadt-                        am besten, wenn die Glocken schweigen.
                        lebens.                                                        Schon der leise Schall der kleinsten der
                           Doch dass sie das wurden, war so ei-                        vier ist spürbar, als Rosi Hagmüller sie
                        gentlich nicht geplant: Der 1834 gegrün-                       mit dem Klöppel anschlägt. Ein beein-
                        deten Evangelischen Gemeinde Linz wur-                         druckendes Instrument, das Wohlklang
                                                                                       über weite Distanzen verbreitet. „Die
                                                                                       Glocken sind ein Bild dafür, dass Gottes
                                                                  Foto © Ilir Morina

                                                                                          Zuckersüßes Engagement. Der dama-
                                                                                          lige Gemeindevorsteher und einer der
                                                                                          hartnäckigen Antragsteller um Ge-
                                                                                          meindegründung war der Zuckerbä-
                                                                                          cker Johann Konrad Vogel. Ihm
                                                                                          wird die Erfindung der weltbekannten
                                                                                          Linzer Torte nachgesagt – jedenfalls
                                                                                          hat er sie populär gemacht. Neben sei-
                                                                                          ner köstlichen Tätigkeit zur Freude der
                                                                                          wohlhabenden Bevölkerung war ihm
                                                                                          auch die Armenversorgung in der Stadt
                                                                                          ein besonderes Anliegen.
                                                                                                                                    Foto © pexels.com/Nataliya Vaitkevich

                                                                                                                                                                            15
Liebe in den Menschen klingen und etwas      Musik aus dem Kirchturm
                                               zum Schwingen bringen will“, sagt Frau          Die Kirche weiht und verwendet Glocken
                                               Hagmüller.                                   zum gottesdienstlichen Gebrauch, sie sind so-
                                                  Die kleinste Glocke der Martin-Luther-    mit fixer Bestandteil kirchlichen Lebens und
                                               Kirche ist die Vater-Unser-Glocke. Den       Stimme der Verkündigung nach außen. Glo-
                                               Anfang dieses Gebetes können wir auf         cken laden ein zu Gebet und Gottesdienst,
                                               der Glocke lesen. Sie läutet immer, wenn     mahnen aber auch, sich zu besinnen und per-
                                               in der Kirche das Vaterunser gebetet wird.   sönlichen Momenten Zeit zu geben.
                                               Auch viele andere Botschaften schicken          Kirchenglocken halfen den Menschen, be-
                                               die Glocken über die Stadt: Feiere mit uns   vor es Armbanduhren und Handys gab, den
                                               Gottesdienst. Begrüße mit uns ein neues      Tag zu strukturieren. Bis heute wird mit dem
                                               Gemeindemitglied, das gerade getauft         Uhrschlagen der Fortgang der Zeit im Hinblick
                                               wird. Freue dich mit den beiden, die heute   auf die Endlichkeit menschlichen Lebens ange-
                                               heiraten. Nimm Abschied von jemandem,        zeigt.
                                               der nicht mehr in unserer Mitte weilt. Für      Glocken sind Heiligen gewidmet, tragen Na-
                                               jeden Anlass klingt dieses Instrument        men und sind der Zeit entsprechend kunstvoll
                                               anders.                                      verziert. Sie gelten auch als Friedenssymbol.
                                                                                            Alle Feste der Kirche und besondere Ereignisse
                                                  Wolfgang Ernst, einer der beiden Pfar-    im Leben der Gläubigen werden mit dem Klang
                                               rer der Gemeinde, wohnt direkt neben der     der Glocken angezeigt. In einer Läuteordnung
                                               Kirche. Zu den Glocken vor der Haustür       wird bestimmt, wann und wie lange eine Glo-
                                               sagt er: „Die Glocken der Kirche sind mir    cke erklingt. Unterschiedliche Zusammenstel-
                                               immer liebe Begleiterinnen durch meinen      lungen mehrerer Glocken ergeben Läutmotive
                                               Tag und rufen auch mich manchmal aus         z.B. Gloria, Te Deum, Salve Regina usw. Je nach
                                               der Hektik der Stadt in die Ruhe, die bei    Motiv und Art des Läutens soll man erkennen
                                               Gott herrscht.“                              können, was in der Kirche gefeiert wird.
     Foto © Ilir Morina

                          Der Name ist Programm. Die Vater-Unser-Glocke – die kleins-
                          te im Geläut der Linzer Martin-Luther-Kirche – erklingt immer
                          dann, wenn in der Kirche das Vaterunser gebetet wird.

                          In manchen Kirchen können die Glocken auch noch von Hand
                          geläutet werden – so zum Beispiel in St. Salvator in der Wiener
                          Innenstadt. Wenn die kleinen und großen Glöckner an den Sei-
                          len ziehen und damit die Glocken zum Schwingen und Klingen
                          bringen, ist das immer ein Highlight, auch in der Langen Nacht
                                                                                                                                              Foto © Michaela Speringer

                          der Kirchen. Erwachsene und Kinder werden eingeschult und
                          können sogar ein Glöckner-Diplom erwerben.

                              Glockenläuten in St. Salvator
       TiPP
                              Pfarre St. Salvator, Wipplingerstraße 6, 1010 Wien

16
Prächtigster Lagerraum
der Stalin-Zeit                                          von Thomas Trenkler

D
        ie russisch-orthodoxe Kathed-            Wie es sich für eine russisch-ortho-
        rale, dem heiligen Nikolaus ge-       doxe Kirche gehört, besteht sie aus deren
        weiht, liegt in der Jaurèsgasse       zwei: Ebenerdig betritt man die gedrun-
– direkt hinter der russischen Botschaft.     gene Unterkirche; sie ist dem National-
Den besten Blick auf die pittoreske Kir-      helden Alexander Newski geweiht, der im
che hat man, wenn man, von der linken         16. Jahrhundert heiliggesprochen wurde.
Bahngasse kommend, den Steg über die             In die Oberkirche mit den Granitsäu-
Gleisanlage nimmt. Dort treffen wir Aline     len und den fünf Kuppeln gelangt man
Panajotov.                                    über ein vorgelagertes Treppenhaus. Das
   Die Fremdenführerin weist gleich auf       Glasfenster am Ende der Stufen zeigt den
die fünf Zwiebeltürme, deren vergoldete       Patron, den heiligen Nikolaus. Es über-
Hauben bei Sonnenschein glit-
zern: Sie stehen für Jesus Chris-
tus und die vier Evangelisten.       Russisch-orthodoxe Kirche.
   Die Kathedrale wurde von          Die Kathedrale ist erst seit zwölf
1893 bis 1899 im neurussischen,
späthistoristischen Stil nach
                                     Jahren mit Fresken geschmückt
Plänen von Grigorij Iwano-
witsch Kotow erbaut. Doch nur 15 Jahre
lang konnten Messen gefeiert werden: Mit
Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die
Kirche geschlossen und der Obhut des
neutralen Spanien unterstellt.
   In Russland kam es zur Revolution, die
Habsburger-Monarchie zerfiel. Erst 1924

                                                                                                                                     Foto © Gilbert Novy/KURIER
nahmen die Sowjetunion und Österreich
diplomatische Beziehungen auf; die Kir-
che aber blieb in der Stalin-Zeit zu und
wurde als Lagerraum zweckentfremdet.
„In der NS-Zeit war sie Sitz der Reichsmu-
sikhochschule und Wohnheim für Mit-
glieder der Hitlerjugend“, erzählt Aline
Panajotov. „Erst nach dem Zweiten Welt-
krieg wurde sie wieder geöffnet – nach 31
Jahren Schließzeit.“

   Lange fristete die Kathedrale ein ärm-
liches Dasein. Die Rote Armee stiftete
zwar 1948 die neue Hauptglocke, aber
für eine Renovierung bzw. Vollendung          dauerte – zusammen mit zwei weiteren
fehlte das Geld. Sie erfolgte erst 2003 bis   – den Zweiten Weltkrieg; alle anderen
2008: Die Türme wurden vergoldet, ka-         barsten bei einer Bombendetonation in
putte Majolika-Fliesen ausgetauscht. Und      der Nähe.
Archimandrit Zinon, ein Meister seines           Die zweireihige Ikonostase mit den
Fachs, malte mit seinen Mitarbeitern den      drei Türen trennt den irdischen Raum
kahl gebliebenen Innenraum im byzanti-        vom Allerheiligsten – und die vielen Iko-
nischen Stil aus: in die Apsis den Christus   nen sind eine Art Verbindungsstück zwi-     Russ.-Orth. Kathedrale: Jaurèsgasse 2,
Pantokrator, den Weltenherrscher, und in      schen dem Betenden und dem Göttlichen.      1030 Wien. Anfahrt: S1, S2, S3, S7, S15,
die Kuppel einen Thron für die zweite An-     Die fünf prächtigen Kronleuchter sind       71 (Rennweg) • www.russischekirche.at
kunft von Jesus.                              übrigens ein Geschenk des Zaren.

                                                                                                                                     17
Foto © Gilbert Novy/KURIER
     Radikal schlicht
      radikal modern                                                                       von Thomas Trenkler

                        P
                              iroska Mayer-Sebestyén war sofort       mit der Zeit zu klein gewordene – Kapelle
                              bereit, uns die Rosenkranzkirche        des Schlosses als Kirche. 1893 kam es zur
                              in Hetzendorf zu erklären. Denn         Gründung des Kirchenbauvereins. Weih-
                        die Fremdenführerin, auf Architektur          bischof Godfried Marschall bestimmte
                        spezialisiert, wusste, dass diese Kirche      den Baugrund weit entfernt vom Orts-
                        heraussticht: Sie ist radikal schlicht. Und   kern – und verewigte sich. Denn die Kir-
                        radikal modern.                               che liegt am Marschallplatz.
                           Mitbeteiligt an der Neugestaltung war         Und der in Hetzendorf ansässige
                        Friedrich Achleitner, der große Architek-     Jung-Architekt Hubert Gangl bot sich an,
                                                                      die Pläne gratis zu zeichnen. Er entwarf
     Rosenkranzkirche. Die purifizierte                               eine neuromanische „Gottesburg“, wie
                                                                      mit einem Steinbaukasten aus verschie-
     „Gottesburg“ in Hetzendorf beeindruckt                           denen geometrischen Formen zusam-

     mit einem Triptychon von Ernst Fuchs                             mengesetzt.

                                                                         Die Basilika, 1908/’09 realisiert, hat-
                        turkritiker. An der späthistorischen Fas-     te eine reiche Innenausstattung: Franz
                        sade mit Jugendstilelementen lässt sich       Zelezny, für Adolf Loos der größte Holz-
                        das nicht ablesen. Umso größer sind beim      schneider der damaligen Zeit, schuf u. a.
                        erstmaligen Betreten Überraschung und         die Kreuzwegreliefs, die Kanzel und Al-
                        Wirkung.                                      täre sowie einen riesigen Luster mit einer
                                                                      Madonna.
                          Weil Hetzendorf zur Pfarre Atzgers-            Am 17. Oktober 1944, ein halbes Jahr
                        dorf gehört hatte, diente viele Jahre die –   vor Kriegsende, traf eine Bombe die Kir-

18
che beim Stiegenturm; darunter, im Luft-     bert Baum eine üble Hetzschrift über
schutzraum, starben 16 Menschen. 1949        die Freimaurer und „Die Blasphemien
erfolgte eine notdürftige Instandsetzung.    von Wien-Hetzendorf“; sie verfehlte ihre
Und Joseph Ernst Mayer, Pfarrer seit         Wirkung nicht: Im September 1979 riss
1946, dachte, durch die Kriegsschäden        ein Mann die drei Gemälde herunter,
quasi legitimiert, über einen tiefgreifen-   zerschnitt sie – und konnte gerade noch
den Umbau nach.                              davon abgehalten werden, den Haufen in
                                             Brand zu stecken. Der Attentäter wurde
   Mayer kam aus dem „Bund Neuland“.         von der Polizei festgenommen. Er woll-
Der katholischen Jugendbewegung ent-         te, wie er gesagt haben soll, den Frevel
sprungen, strebte der Verein ab 1919 eine    an der Muttergottes sühnen. Denn Ernst
Modernisierung der Liturgie an. Nach         Fuchs hätte Maria als Hure dargestellt.
dem Zweiten Weltkrieg prägten etliche        Das Gericht erklärte den Mann für unzu-
Bund-Neuland-Persönlichkeiten Öster-         rechnungsfähig.
reich mit, darunter Kardinal Franz König
und Monsignore Otto Mauer.                      Viele Jahre war Hans Michael Bens-
   Zusammen mit Mauer, der 1954 die Ga-      dorp Pfarrer der Kirche. Über das Tripty-
lerie nächst St. Stephan gründete, ersann    chon lässt er nichts kommen: „Der junge
Mayer das Konzept für die Kirche. Die        Fuchs nähte die Ziegenhäute mit einem
Mehrheit der Gemeinde wünschte sich je-      Stich zusammen, den auch die alten
doch keine „purifizierende Neuinterpre-      Meister verwendet haben. Das heißt: Er
tation“, sondern eine Restaurierung. Und     hat sein Bestes geben wollen. Und er hat
so entspann sich eine heftige Debatte.       sich intensiv mit der Bibel beschäftigt.“
1957 aber gab König als neuer Erzbischof        Bensdorp rühmt die „feine Malerei“,
seinen Sanctus für die Umgestaltung          die hohe Symbolkraft, die vielen Ver-
nach dem Entwurf von Friedrich Achleit-      weise. Und dann liest er eine Passage aus
ner und Johann Georg Gsteu.                  der Offenbarung des Johannes vor. Tat-
                                             sächlich: Fuchs malte nur, was geschrie-
   Ein Jahr später trauten die Menschen      ben steht. Er verwendete hauptsächlich
ihren Augen nicht: Die Gläubigen stan-       Blau, Türkis, Orange und Gold, ließ sich
den plötzlich in einem nackten, weiß         für sein Meisterwerk von der Ikonenma-
getünchten, dunkel asphaltierten Raum.       lerei inspirieren oder mittelalterlichen
Die Glasfenster in der halbrunden Apsis      Buchillustrationen. Die Ablehnung setz-
waren zugemauert, sämtliche Reliefs ab-      te ihm zu: „Fuchs war so gekränkt, dass
geschlagen worden, auch die Kapitäle der     er sich von der Kirche abgewandt hat“,
Säulen, die nun Pfeiler waren. Mayer fass-   sagt Bensdorp. Erst sehr spät, wenige
te es so zusammen: „Aller unechte Zierrat    Jahre vor dessen Tod im Jahr 2015, hätte
wurde entfernt und der Raum auf große,       es eine Versöhnung gegeben.
einfache, feierliche Formen und Linien          Die Gemälde wurden restauriert, die
gebracht.“                                   Schnittstellen sind fast nicht auszuma-
   Parallel zu den Umbauarbeiten schrieb     chen. Und eine Frage bleibt: Was passier-
Otto Mauer einen künstlerischen Wettbe-      te mit der originalen Ausstattung? Hat
werb aus. Ernst Fuchs, Mitbegründer der      man sie tatsächlich einfach zerstört?
Wiener Schule des Phantastischen Rea-
lismus, gewann ihn mit seinem Tripty-         Beim Sonderpostamt des Briefmarkenver-
chon „Die Geheimnisse des hochheiligen        eins St. Gabriel können Sie spezielle Mar-
Rosenkranzes“. Die drei Gemälde – jedes       ken bewundern: Die Sondermarken zieren
etwa drei mal drei Meter auf zusammen-        Werke aus drei Künstlergenerationen der
genähten Ziegenhäuten – wurden ab 1960        Malerfamilie Fuchs. Exklusiv kommt auch
an Alu-Standarten aufgehängt.                 ein eigens für den Anlass hergestellter Son-
                                              derstempel zum Einsatz.
   Das Unverständnis war gewaltig: Das
sei doch keine Kunst, sagte man, sondern             Sonderpostamt des Briefmarken-
                                             TiPP
                                                     vereins St. Gabriel, 16:00–20:00
„Pseudokunst“! In der Verkündigungs-
                                                                                             Foto © Gilbert Novy/KURIER

szene z. B. sieht man eine schwangere
Maria; und im Fastentuch-Hintergrund
                                               pfarre hetzendorf: Marschallplatz 6,
der Kreuzigungsszene glaubte man einen
                                               1120 Wien. Anfahrt: 63A (Marschallplatz)
Hampelmann erkennen zu können.
                                               www.pfarre-hetzendorf.at
   1976 veröffentliche ein gewisser Her-

                                                                                                                          19
Siegreich im                                                                                                    von Michael Huber

          Sinnesrausch
                        D
                                as Zeitalter des Barocks hat ein                                 Zuerst war die Kirche am Hof die
                                üppiges Vokabular entwickelt, um                              Heimstatt der Brüder der „Gesellschaft
                                dem Sieg über Herausforderun-                                 Jesu“. Doch als sie die Lehrstühle der hu-
                        gen – Seuchen, Belagerungen und nicht                                 manistischen, philosophischen und theo-
                        zuletzt der Bedrohung des Katholizismus                               logischen Disziplinen an der Universität
                        – Form zu verleihen.                                                  übernahmen und ihr eigenes Kollegium
                            Die Jesuitenkirche ist jener Ort in                               an die Institution angliederten, erhielt
                        Wien, an dem sich diese Siegesrhetorik                                der papsttreue Orden seinen definitiven
                        in einmaliger Dichte und Komplexität                                  Fußabdruck in Wien. Die „Universitäts-
                        erleben lässt: mit einer atemberaubend                                kirche“ entstand zwischen 1627 und 1631
                        prunkvollen Architektur, meisterhafter                                als Teil eines Bildungscampus, wie man
                        Illusionsmalerei, herausragender Aus-                                 heute wohl sagen würde. Ihre volle Pracht
                        stattung und einem Bildprogramm, das                                  erhielt sie erst später.
                        auch Feinspitzen im Fachbereich der Iko-
                        nografie einiges zum Kiefeln aufgibt.                                    Leopold I., der nach der Pestepidemie
                                                                                              1679 die Dreifaltigkeitssäule am Graben
                                                                                              gestiftet hatte, holte dazu den Archi-
     Jesuitenkirche. Das barocke Meister-                                                     tekten, Maler und Jesuitenpater Andrea
                                                                                              Pozzo nach Wien. Im Tonnengewölbe der
     werk zieht alle Register der Überwälti-                                                  Kirche realisierte dieser ein monumen-

     gung – und erzählt zahllose Geschichten                                                  tales Bildprogramm, das den Sieg Gottes
                                                                                              zum Inhalt hat. Herzstück ist eine Schein-
                                                                                              kuppel, die sich von einem hellen Stein im
                           „Die Jesuiten waren stets für die Ausbil-                          Mittelgang der Kirche aus der exakt rich-
                        dung zuständig“, erzählt Fremdenführe-                                tigen Perspektive erschließt.
                        rin Orsolya Illés. „Als Kaiser Ferdinand I.                              Der Glaube sitzt da als allegorische
                        1550 die ersten von ihnen nach Wien hol-                              Frauenfigur am Rand und blickt schein-
                        te, hat der Ordensgründer Ignatius von                                bar in die Kuppel hinauf, in deren Laterne
                        Loyola noch gelebt.“                                                  das Lamm Gottes hereinlugt. Evangelis-
                                                                                              ten und Kirchenväter flankieren die Sze-
                                                                                              nerie. In den Gewölbeabschnitten vor und
                                                                                              hinter der Scheinkuppel sind Engelsturz
                                                                                              und die Engelsglorie, die Verbannung des
                                                                                              Bösen also, dargestellt; das Programm
                                                                                              gipfelt in einer „Himmelfahrt Mariae“
                                                                                              über dem Hochaltar.

                                                                                                 „Leopold I. wollte ein Signal setzen,
                                                                                              dass es unter ihm einen Aufschwung,
                                                                                              auch für die Bildung, gab“, erklärt Illés.
                                                                                              Der Kaiser, der selbst von Jesuiten für den
                                                                                              geistlichen Stand erzogen worden war,
                                                                                              bevor er nach dem frühen Tod seines Bru-
                                                                                              ders Ferdinand IV. die Krone übernahm,
                                                                                              war ein Kunstfreund, komponierte selbst
                                                                 Foto © Gilbert Novy/KURIER

                                                                                              Musik, förderte das Theater und führte
                                                                                              Schulreformen ein.
                                                                                                 In der Universitätskirche zeigte sich
                                                                                              der Bildungsanspruch auch insofern, als
                                                                                              je eine Seitenkapelle der theologischen

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Jesuitenkirche: Dr.-Ignaz-Seipel-Platz 1,
  1010 Wien. Anfahrt: U3 (Stubentor)
  www.jesuitenwien.at

und philosophischen Fakultät geweiht
wurden. Für die Entschlüsselung der
Bildprogramme in den Kapellen – neben
den Kirchenvätern sind u. a. die Legen-
den der Heiligen Leopold, Josef, Anna
sowie des polnischen Jesuiten Stanislaus
Kostka dargestellt – ist ein theologisches
Wissensfundament unabdingbar. Dieses
war an der Universität zu Wien gewiss
vorhanden.

   Laien bleibt das Staunen über die „Ver-
mittlung des Glaubens durch Erfahrun-
gen mit allen Sinnen“, die laut Website
der Kirche auch noch heute deren Selbst-
verständnis kennzeichnet. Ob über die
geschmückten Reliquien an den Seiten-
altären oder die Finesse, mit denen die
Holzintarsien auf den Bänken oder an
                                               Foto © Alexander Müller | www.alexander-mueller.at

der Kanzel ausgeführt ist: Die Kirche ist
ein Schmuckkästchen und außerdem ein
Kompendium der vielen Techniken, mit
denen im Barock Prunk suggeriert wurde.
   Denn was wie Gold glänzt, ist vergol-
deter, polierter Stuck. Und an den teils
geraden, teils geschraubten Säulen wurde
nicht echter Marmor, sondern Stuckmar-
mor verwendet: Mit gefärbtem, immer
wieder verdichtetem Gips ahmte man
so verschiedenste Sorten Marmor nach
– keine zwei Säulen in der Kirche sind        eingebaut: Nach dem Ringtheaterbrand                  Auch moderne Kunst findet immer wieder Platz
gleich.                                       von 1881 wurden auch Sicherheitsfragen                in der Jesuitenkirche.
                                              verstärkt mitbedacht.
   Das Entzücken über die barocke
Pracht sollte über die Zeit hinweg aller-        Spätere Vertreter des Jesuitenordens
dings erlahmen. Leopold I. starb kurz         haben wiederholt die Verbindung zur
nach Fertigstellung der Kirche, seine         zeitgenössischen Kunst gesucht. So dach-
Nachfolger hatten weniger enge Bezie-         te die Gruppe Steinbrener, Dempf & Huber
hungen zu den Jesuiten. 1773 schließlich      2015 die Illusionskunst in die Gegenwart
hob Papst Clemens XIV. den Orden auf,         weiter und ließ einen riesigen – aus leich-
Kirche und Kollegium wanderten in die         tem Kunststoff gefertigten – Felsbrocken
                                                                                                                                                   Foto © LANGE NACHT DER KIRCHEN/Vera Rieder

Obhut des Staates. 1814 wurde der Orden       scheinbar in der Kirche schweben.
wieder eingesetzt, doch erst 1852 stellte        Im gegenüber der Kirche liegenden
Kaiser Franz Joseph I. die „Gesellschaft      „Jesuitenfoyer“ werden stets auch die Ar-
Jesu“ für die ganze Monarchie wieder her.     beiten der Otto-Mauer-Preisträger und
Unter ihm, erzählt Illés, kam es Ende des     Preisträgerinnen ausgestellt. Der Wert
19. Jahrhunderts auch zu einer umfas-         sinnlicher Erfahrung will hochgehalten
senden Restaurierung der Wiener Kirche.       werden – ganz besonders dann, wenn man
Unter anderem wurden zwei zusätzliche         über die Schwierigkeiten, die heute unser
Türen links und rechts des Hauptportals       Leben bestimmen, triumphieren will.

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