Nachts Kirche in der - Lange Nacht der Kirchen
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Das Magazin zur Langen Nacht der Kirchen 2021 in Kooperation mit unserem Medienpartner in Nachts der Kirche Foto © Alexander Müller | www.alexander-mueller.at wiens Kirchen kennenlernen Ein Streifzug durch berühmte und weniger bekannte Kirchen Foto © Siegfried Adlberger spaziergänge Unterwegs mit unseren Hearonymus-Audio-Guides von Glocke Die Schöpfung bis Orgel wertschätzen Gewinnspiel Die ungewöhnlichen Was haben Kirchturmtiere mit Ihre persönliche und außerordentlichen Schöpfungsverantwortung zu tun? Exklusiv-Führung Instrumente unserer Kirchen Und was heißt das eigentlich? gewinnen! 1
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Wir laden Sie ein! inhalt Mit dieser Einladung habe ich Sie in den vergangenen Jahren in den Programmheften Schwerpunkt schöpfung der Langen Nacht der Kirchen begrüßt. Heuer ist alles anders: Deshalb halten Sie zum ers- ten Mal in der 17-jährigen Tradition unserer 5 wir und unser gemeinsames Haus Veranstaltung kein Programmheft, sondern Schöpfungsverantwortung – was ist das eigentlich? ein Magazin in den Händen. Damit wollen wir 7 projekt Kirchturmtiere Sie aber auch einladen: Blättern Sie durch die Werden Sie Wissenschaftler*in! Seiten und planen Sie Ihre nächsten Kirchen- besuche. Wir hoffen immer noch, dass – zwar 8 Die Welt mit Kinderaugen sehen eingeschränkt, aber doch – am 28. Mai einiges Tipps aus dem Kindergartenalltag • Rezept Gänseblümchensalbe in den Kirchen möglich sein wird. Gewisse Themen interessierten Sie bei un- seren Langen Nächten immer besonders, die von Heiligen, Glocken und Orgeln haben wir auch in dieses Magazin aufgenom- men. Wir erzählen über Glocken, Orgeln und 14 ein hoch auf das Leben Heilige, und wollen Ihnen auch einen Besuch in Was die Glocken der Linzer Martin-Luther-Kirche erzählen einer der vielen Kirchen Wiens ans Herz legen – wir haben eine Auswahl getroffen, die Ihnen 24 mit dem Smartphone auf Erkundungstour Drei beliebte Lange-Nacht-Spaziergänge per App selbst erleben sicher einige Entdeckungen beschert. Diese Geschichten sind in einer Kooperation mit un- 28 Fromm sein heisst nicht, fad sein serem Medienpartner Kurier entstanden. Autorin Bernadette Spitzer über die Heiligen von Wien Ein weiteres Highlight der Langen Nächte 32 Orgel! Retro … oder doch cool? haben wir in ein neues Format verpackt. Die Warum uns Orgeln so faszinieren beliebten Spaziergänge, die Mag. Julia Strobl, Kunsthistorikerin und Austria-Guide, lange Jahre für uns organisiert hat, gibt es jetzt als Wiens Kirchen kennenlernen App-Angebot – als besonderes Highlight verlo- sen wir eine Exklusiv-Führung mit der Autorin! 9 Stephansdom Der Bibelspruch „Du sendest Finsternis St. Stephans alte Steine und es wird Nacht, dann regen sich alle Tiere des Waldes“ weist auf unser Schwerpunkt- 12 Auferstehungskirche o n li n e thema heuer hin – es geht nach wie vor um Das Farbenspiel im Wohnhaus TI PP die Bewahrung der Schöpfung, dazu können 17 russisch-orthodoxe Kirche Sie auch einiges lesen. Doch auch unser Mot- Prächtigster Lagerraum der Stalin-Zeit Tipps & Hinweise to „heuer sicher anders“ ist ganz maßgeblich: zu verschiedenen Die Sicherheit hat oberste Priorität und des- 18 rosenkranzkirche Veranstaltungen halb gibt es vieles, das in diesem Jahr ganz Radikal schlicht, radikal modern finden Sie im ganzen anders als sonst stattfindet, nämlich im virtu- 20 Jesuitenkirche Heft – achten Sie auf ellen Raum. Siegreich im Sinnesrausch das Online-Tipp-Zeichen! Ich bleibe also auch heuer dabei: Wir laden 22 Donaucity-Kirche Alle Infos zu Live- und Online- Programm: Sie ein! Flanieren Sie durch die geöffneten Kir- Licht auch in düsteren Zeiten gen achtde rki rche n.at www.l an chen – ob mit oder ohne Veranstaltungen, ob real oder virtuell. Lassen Sie sich berühren von 26 Christkönigskirche Juwel mit schwieriger Vergangenheit der Atmosphäre, schöpfen Sie Kraft im Gebet oder genießen Sie die Programmangebote! 30 Redemptoristenkirche Und vor allem lassen Sie sich anstecken von Der Bäcker predigt, die Polizei lauscht mit der Hoffnungsbotschaft, die alle Kirchen ver- künden! 36 Johann-Nepomuk-Kirche Das Medienhaus in der Praterstraße Ihr Bischofsvikar P. Dariusz Schutzki CR 4 Daten und Fakten zur Langen Nacht der Kirchen • 23 Neue Kulturinitiative vernetzt Kirchen und Chöre • 38 Tipps & Hinweise Impressum: Herausgegeben im Auftrag von und für den Inhalt verantwortlich: Vikariat Wien-Stadt, Wollzeile 2, 1010 Wien in Kooperation mit KURIER. Redaktion: Mag. Michaela Speringer, Mag. Benjamin Koffu, Dipl.Theol.in Univ. Maria Krone. Die Beiträge von Michael Huber, Thomas Trenkler und Marco Weise sind – mit einem Teil der verwendeten Fotos – im Rahmen einer Serie im KURIER erschienen. • Illustrationen: Nina Capitao, www.dreamingofmidsummer.com • Grafik und Layout: Vera Rieder • Druckerei: Johann Sandler GmbH., Druckereiweg 1, 3671 Marbach/Donau. 3
die lange nacht der kirchen 16 in zahlen & daten 350.000 10.000 vor allem ehrenamtlich tätige Besucherinnen und Besucher kommen alljährlich zur Langen Nacht der Kirchen mal wurde die Veranstaltung bisher mit großem Erfolg durchgeführt Mitwirkende organisieren das 2005 Programm in den Kirchen 800 6 Nachbar- etwa Länder hat zum 1. Mal die Langen Nacht der Kirchen in Österreich stattgefunden Kirchen sind Jahr für Jahr in – damals nur in Wien ganz Österreich mit dabei von Österreich und darüber hinaus haben 10 180 sich bisher an der Veranstaltung beteiligt Minuten Glockengeläut eröffnet ca. Kirchen nehmen jedes Jahr allein in Wien teil und öffnen ihre Türen für Interessierte 3000 Programmpunkte bereiten die teilnehmenden jedes Jahr um 17:50 Uhr Kirchen jedes Mal mit großem die Lange Nacht Engagement für die Nacht vor Lange Nacht der Kirchen | Noc Kostelu | Noc Kostolov | TEMPLOMOK ÉJSZAKÁJA | LUNGA NOTTE DELLE CHIESE | KIRIKUTE ÖÖ | Notg Lunga Da Las Baselgias | nuit des Eglises … das sind die Bezeichnungen für die Lange Nacht der Kirchen in den bisher kooperierenden Partnerländern. Nach der Langen Nacht ist vor der Langen Nacht! Mit diesen Worten hat Bernhard Linse, einer der alisiert hat, ist einzigartig. Die Absage der Langen Gründungsväter der Langen Nacht der Kirchen in Nacht im Jahr 2020 war für Bernhard – obwohl er Wien, die Arbeit des Organisationsteams immer durch seine Krankheit nicht mehr hauptverant- gerne kurz und knapp umrissen. Seine Initiative, wortlich für diese Entscheidung war – ein schwe- diese Aktion in Wien einzuführen, war der Beginn rer Schlag. Schließlich hat er den Kampf gegen die einer österreichweiten, ja europaweiten Erfolgsge- Krankheit verloren. Bernhard Linse ist am 26. schichte. Bis zuletzt war er dieser Initiative verbun- Jänner 2021 verstorben. Unser Mitgefühl gilt den und hat sie koordiniert, begleitet und seit 2005 seiner Frau und seinen beiden Töchtern. gemeinsam mit einem großartigen Team fünfzehn- Die Lange Nacht verliert mit Bernhard mal durchgeführt. einen großartigen Koordinator, aber Mehr als 20 Jahre hat er – bis zu seiner Pension wir haben mit ihm jetzt einen großen im Jahr 2020, die er durch seine Krebserkrankung Fürsprecher bei Gott. Mit der Langen erzwungen früher als geplant antreten musste – das Nacht der Kirchen 2021 – die in unge- Vikariat und auch die Lange Nacht der Kirchen zu- wöhnlicher Form durchgeführt wird sammen mit drei Bischofsvikaren durch gute und und wieder ein kräftiges Lebenszei- weniger gute Zeiten geleitet. Was er da alles auf chen der Kirche sein soll – hätte er Foto © EDW die Beine gestellt, organisiert, koordiniert und re- bestimmt große Freude! 4
Schöpfungsverantwortung. Man hört gerade wieder öfter davon. Aber was ist das eigentlich? Warum der etwas sperrige Begriff sehr zeitgemäß ist, was er mit Naturschutz zu tun hat, und was das für unseren Lebensstil heißt. Wir und unser gemeinsames Haus Fotos © pexels.com/David Bartus; pixabay.com; Montage vr I m christlichen Weltbild sind Himmel und Erde schichte gibt es drei ausschlaggebende nicht von allein oder gar zufällig entstanden. und eng miteinander verbundene Bezie- „Schöpfung hat mit einem Plan der Liebe Gottes hungen, auf denen das menschliche Dasein zu tun, wo jedes Geschöpf einen Wert und eine Be- gründet: die Beziehung zu Gott, zu seinen Mitmen- deutung besitzt“, schreibt Papst Franziskus 2015 in schen und zur Erde. Die Schöpfung ist daher alles: seiner Enzyklika Laudato si’. Die Erde ist uns Men- Zeit, Raum, unsere Mitwelt und ihre Geschöpfe, wir schen demnach anvertraut – wir dürfen sie bebauen miteingeschlossen. Jede Pflanze und jedes Tier hat in und sollten sie hüten. dieser Geschichte, nach seiner Art, einen Platz und ist wichtig im Gefüge der Erde. Und so war es gut. Die Schöpfung ist in diesem Verständnis also kei- neswegs ein einmaliger und abgeschlossener Vor- In der christlichen Tradition bildet die Mensch- gang. Sie ist in vielerlei Hinsicht das, was wir Men- heit eine „Schöpfungsgemeinschaft“ mit ihrer Mit- schen täglich aus ihr machen. Wir sind eingeladen, welt, mit der sie sich denselben Ursprung teilt. Da- gemeinsam an der Weiterentwicklung dieses „ge- raus ergibt sich ein spiritueller Grundauftrag – die meinsamen Hauses“, wie Papst Franziskus die Erde Anerkennung des Eigenwertes der Natur – unabhän- nennt, mitzuarbeiten und seine Zukunft aktiv zu ge- gig von dessen Nutzen für uns Menschen. stalten und zu bewahren. Nur leider wurde diese paradiesische Harmonie In biblischen Erzählungen der Schöpfungsge- gestört – von uns Menschen. 5
Wir werden gerade Zeugen unseres Wirkens auf schaftliche Krisen mit der ökologischen Belastung die Schöpfung. Es zeigt sich im Klimawandel, in und Gefährdung der Umwelt zusammenhängen? Artensterben und Wasserknappheit, in Umweltka- Leben kann nur gelingen, wo ein Miteinander in tastrophen und Lebensraumverlust von Mensch Gegenseitigkeit stattfindet und Entwicklung nicht und Tier. Und der Druck des kapitalistischen Wirt- nur eindimensional betrachtet wird. Krisen löst man schaftssystems, der globalen Landwirtschaft und ge- nur gemeinsam. Die derzeitige Pandemie macht uns sellschaftlicher Einzelinteressen auf den Natur- und die Abhängigkeit vom Innen und Außen einmal mehr Umweltschutz nimmt weiter zu. Das Konsum- und deutlich. Krankheiten können die Menschheit in Freizeitverhalten reicher Nationen entwickelt sich dieser Form nur bedrohen, weil die Mitwelt und der so, als hätten wir drei Planeten zur Verfügung – es Lebensraum von Wildtieren immer mehr zurückge- gibt aber nur diesen einen Garten, dieses eine ge- drängt werden; bis ein Ausweichen nicht mehr mög- meinsame Haus. Und dafür trägt der Mensch eine lich ist … besondere Verantwortung. Im christlichen Sinn Der freie Wille eröffnet wird er als Ansprechperson uns jeden Tag die Mög- Gottes im Heilsgeschehen – lichkeit, uns so oder so zu als Ebenbild Gottes – zum Jede Pflanze und jedes Tier entscheiden. Egal ob Nah- Beauftragten der Schöp- hat in dieser Geschichte, rungsmittel, Kleidung, fung. Beauftragt, alles, was Fortbewegung, Technik dem Leben dient, zu för- nach seiner Art, oder die Befriedigung an- dern und das Todbringende einen Platz und ist wichtig derer Bedürfnisse – wir zu verhindern. im Gefüge der Erde. könnten uns ganz oft schöpf u ngsf reu nd l icher Gelebte Schöpfungsver- verhalten. antwortung und aufrich- Vor allem kirchliche In- tige Nächstenliebe nehmen Abstand von der Aus- stitutionen, die den Anspruch erheben, als morali- beutung natürlicher Ressourcen anderer Kontinente sche Instanz und als Wertekanon wahrgenommen oder zukünftiger Generationen und beinhalten einen zu werden, unterliegen einer besonderen Verantwor- Foto © SAMT/Müller rücksichtsvollen Umgang mit dem Geschenkten vor tung. Kirchliche Entscheidungsträger sind einmal Ort. Individueller Konsum wird zu einer morali- mehr gefordert, die Umweltkrise nicht aus den Augen schen Handlung mit Weltverbesserungspotenzial. zu verlieren und sich ihrer Möglichkeiten bewusst zu Regionaler, saisonaler und ressourcenschonender werden. In Laudato si’ hat ein Papst zum ersten Mal Verbrauch sind oft gehörte Schlagworte – aber als ökologische Fragestellungen in den Mittelpunkt ei- gelebte Praxis haben sie große Wirkung. Denn billig nes verbindlichen päpstlichen Dokuments gestellt für uns selbst bedeutet meistens teuer für jemand und sich an „alle Menschen guten Willens“ gewandt. anderen. Wir stellen 2021 die Lange Nacht der Kirchen un- Kathrin Muttenthaler Die Begrenztheit der Erde zwingt uns zu einer ter das Motto Achtung Welt mit dem Themenschwer- Bakk. Bio. MSc., Biolo- neuen Auseinandersetzung darüber, wie gutes Leben punkt Schöpfungsverantwortung. „Du sendest Fins- gin, seit 2018 Leiterin des für alle in Frieden nachhaltig und gerecht möglich ternis und es wird Nacht; dann regen sich alle Tiere Referates für Umwelt und Nachhaltigkeit der ist. Kann man die Augen noch davor verschließen, des Waldes“ (Ps 104,2) – hoffentlich noch für viele Erzdiözese Salzburg dass in der globalisierten Welt von heute, viele gesell- Generationen! Gärtnern für Klima und Artenvielfalt Fragile Schöpfung Der Klimawandel und die Gefährdung der Artenvielfalt gehören zu den größ- Das Dom Museum Wien widmet dem zerrütteten ten Herausforderungen unserer Zeit. In einem naturnahen Garten kann man Verhältnis zwischen Mensch und Natur eine um- beidem entgegenwirken: Bäume spenden Schatten und Kühlung, Sträucher fangreiche Ausstellung: Die epochenübergreifende und Kletterpflanzen sorgen für ein angenehmes Mikroklima, Wasser darf ver- Schau „Fragile Schöpfung“ ist nicht primär eine Kli- sickern oder wird in Regentonnen gesammelt und zum Gießen verwendet. makunstausstellung, die sich auf Endzeitdystopien Heimische Pflanzen, blühende Kräuter und wilde Ecken bieten Lebensraum fokussiert. Es geht vielmehr darum, die Vielgestaltig- und Nahrung für nützliche Insekten und Vögel. Das ganze Jahr über gibt es keit des menschlichen Verhältnisses zur Umwelt aus- hier etwas zu beobachten und zu bestaunen, denn die Schönheit der Schöp- zuloten und die destruktiven Aspekte ebenso auf- fung zeigt sich oft im Detail. Mit etwas Hintergrundwissen, Tipps und Tricks zuzeigen wie die versöhnlichen Anhaltspunkte, die und viel Gelassenheit kann jeder Garten zu einer Oase der Vielfalt werden. mögliche Auswege aus der Krise eröffnen könnten. Führung: Was wächst, blüht und summt im Pfarrgarten? Führung: Fragile Schöpfung o n li n e TiPP TiPP Pfarre Grinzing, 1190 Wien, 17:00–17:45, nur bei Schönwetter. Dom Museum Wien, dommuseum.at TI PP 6
Projekt Kirchturmtiere: Werden Sie Wissenschaftler*in! In der Kirche ist Leben. Das stimmt allein schon wegen der vielen Tiere und Pflanzen, die in Sakralbauten ihr Zuhause haben. Bei einem Mitmach- projekt kann jeder dabei helfen, die Fauna in und um heimische Kirchen zu erforschen. J edes Jahr, wenn die Natur wieder katholischen und evangelischen Kirche erwacht, beginnt es in vielen Sa- mit BirdLife Österreich und dem Natur- kralbauten zu wuseln. Denn viele schutzbund Österreich. Kirchen, ihre Türme und Nebengebäude, Und so funktioniert es: Beobachten umliegende Friedhöfe, Pfarrgärten und Sie Tiere in, an und rund um Kirchtürme naturbelassene Wege in der Nähe sind – in einem Radius von 100 Metern – und ideale Lebensräume. Sie sind das Zuhau- melden Sie Ihre Beobachtungen. Mit Hilfe se von Mehlschwalben, Fledermäusen, dieser Daten soll das Wissen über die Be- Dohlen, Mauerseglern, Zauneidechsen, siedelung von Kirchen durch Vögel und Zitterspinnen und vielen anderen. andere Tierarten verbessert werden. So Was diesen besonderen Lebensraum können, zum Beispiel bei Sanierungen, ausmacht? Zum einen sind es die zumeist bessere Schutzmaßnahmen für gefährde- alte Bausubstanz und die biologischen te Tiere erarbeitet werden. Baumaterialien, die darin verarbeitet Das Melden von „Kirchturmtieren“ wurden. Nicht zuletzt ist es aber der Um- funktioniert ganz einfach: Dazu einfach o n li n e stand, dass Kirchen ruhiger sind als an- die kostenlose App naturbeobachtung.at TI PP dere Gebäude. Kein Wunder, dass sich installieren, anmelden und Projekt viele gebäudebewohnende Tierarten dort „Kirchturmtiere“ auswählen. Dann Tiere so wohl fühlen. beobachten, fotografieren und melden – Foto © naturbeobachtung.at/August Falkner Wie vielfältig das Leben dort ist, do- fertig. kumentiert das Projekt „Kirchturmtiere“. Kamerafotos können auch direkt über Das Wissen, das dabei gesammelt wird, die Website www.kirchturmtiere.at hoch- entsteht durch die Beteiligung vieler, je- geladen werden (auch dort zuerst an- ir th der kann dazu beitragen. Das Projekt ist melden und dann Beobachtung melden) eu w ot N eine Kooperation des Vereins zur För- oder mit Standort, Datum und Uhrzeit an ern derung kirchlicher Umweltarbeit der office@schoepfung.at gesendet werden. ©G F o to Klassische „Kirchturmtiere“ Fledermaus – Sehen mit den Ohren. Turmfalke – nomen est omen. Bei 28 verschiedene Fledermausarten gibt es in Turmfalken sind Brutplätze an Kirchtürmen Österreich. Die Kleine Hufeisennase, das Gro- und Gebäuden besonders beliebt. Sie bauen, ße Mausohr, die Breitflügelfledermaus und wie alle Falken, keine eigenen Nester und ja- Foto © pixabay.com das Graue Langohr: Sie alle sind angewiesen gen nach Mäusen, Fröschen und Reptilien. auf geschützte und ruhige Rückzugsorte. Es ist ein besonderes Vergnügen, eine frisch Fledermäuse nutzen oft mehrere Quartiere ausgeflogene Turmfalken-Familie zu beob- übers Jahr verteilt und benötigen neben dem achten, wenn circa ab Mai, mehrere Jung- Tagesquartier ausreichend Nahrung in Form vögel und beide Elternteile die Türme, Firste Foto © Lauermann von Insekten und Spinnen. Sie halten Winter- und Nistkästen in der Nähe von Sakralbauten schlaf und ziehen ihre Jungen gerne auf Dach- bevölkern. Oft über viele Generationen. Hier böden, in sogenannten Wochenstuben, groß. sind die Jungen vor Wind und Wetter, über- Sie zeigen große Treue zu den einmal ausge- mäßiger Sonne, aber auch vor Räubern gut wählten Unterkünften und kehren ihr Leben geschützt. lang zu ihnen zurück. Wenn der Mensch sie Details zum Projekt Kirchturm- lässt. tiere auf: www.kirchturmtiere.at 7
Die welt mit Kinderaugen sehen Kinder haben einen besonderen Blick auf unsere Welt. Wir haben Tamara die St. Nikolausstiftung Kloucek, Pädagogin und Leiterin des Pfarrkindergartens St. Josef der St. der Erzdiözese Wien ist Nikolausstiftung im 2. Bezirk gefragt, wie man das Thema Schöpfungsver- eine innovative Trägerorga- antwortung auch mit Kindern daheim aufgreifen kann. nisation mit rund 90 Kin- dergärten und Horten. Sie Tipps aus dem Kindergartenalltag beschäftigt über 1.150 Mitar- • Bei Wanderungen oder Ausflügen sich nicht nur auf das Ziel konzentrie- beiter*innen und bildet und ren. Den Weg bewusst erleben, selber stehen bleiben und über Pflanzen betreut circa 6.350 Kinder. oder Tiere staunen, sich bewusst Zeit nehmen und darauf einlassen. Die Standorte sind in allen • Eine Naturschatzkiste anlegen und damit die Natur auch in den Raum Wiener Bezirken vertreten. holen. Ein gelebtes Miteinander, • Fotos von Blumen, Tieren, Pflanzen im Wald wiederfinden. Erziehungs- und Bildungs- • Kindern die Möglichkeit geben, Pflanzen, Tiere, Steine, … in der Natur partnerschaft sowie ein In- selber zu fotografieren: „Was ist dir wichtig? Warum ist es dir wichtig?“ teresse an den individuellen zdemir • Mit den Kindern Samen (Tomatenpflanzen, Kräuter, …) einsetzen, Lebensentwürfen der Kinder amze Ö das Kind dabei unterstützen, sich um die Pflanzen zu kümmern, ver- und ihrer Familien zeichnen schiedene Stadien der Pflanze betrachten, besprechen und ggf. foto- die pädagogische Arbeit aus. com/G grafieren, gemeinsam ernten und gemeinsam essen usw. nikolausstiftung.at pexels. 1 Foto © Ein Tiegel voller Kraft 2 Nachdem du die Gänseblümchen gepflückt hast, gibst du sie in eine Glasschüssel und leerst das Öl dazu. Die Glasschüssel stellst du in ein ca. Gänseblümchensalbe selbst gemacht 30–40 Grad warmes Wasserbad und Die Salbe wirkt heilend bei Schürfwunden 3 lässt dort die Gänseblümchen ca. eine und kühlend bei Prellungen. Stunde ziehen. Immer wieder umrühren. Das brauchst du: Nach ca. einer Stunde sind die wertvollen 20 g frische Gänseblümchen (im Ganzen) Inhaltsstoffe im Öl (das erkennst du 100 ml Oliven- oder Sonnenblumenöl daran, dass die Blüten am Boden der 4 10 g Bienenwachs oder Kakaobutter Schüssel sind) und du kannst das Öl durch Topf für das Wasserbad das Sieb in ein neues Glasgefäß abseihen. Glasschüssel Sieb Waage Zum Ölauszug kommt nun das Bienen- Kleine Tiegel wachs. Das Wasserbad ca. auf 60 Grad erwärmen, sodass das Wachs schmel- 5 Was Kinder dabei lernen: Beim Pflücken der Gänseblümchen wird zen kann. Gut verrühren. neben dem Benennen und Erkennen der Blume auch die Feinmoto- rik sowie die Kraftdosierung geschult. Durch das Wiegen kann mit Gewicht und Menge experimentiert werden. Durch das Kochen und Herstellen der Salbe werden Reihenfolgen und Abläufe gefestigt. Die noch warme und flüssige Salbe kann in Außerdem erfahren die Kinder dabei, welche Schätze die Natur zu kleine saubere Tiegel gefüllt werden, aus- bieten hat und dass Pflanzen auch Heilkräuter sein können. kühlen lassen und dann erst verschließen. 8
St. Stephans alte Steine Rund um den Stephansdom spielt es sich seit dem Mittelalter ab. Das Wiener Wahrzeichen hat seither viel erlebt und steht wie ein Fels in der Brandung inmitten der Stadt. Aber die Zeit hat ihre Spuren am Dom hinterlassen. Gut, dass er laufend in Schuss gehalten wird. Foto © Alexander Müller | www.alexander-mueller.at 9
struktions- onen werden die Kon Schritt 1: Von Schabl gen den Ste in übe rtra zeichnungen auf E s ist kein Geheimnis, aber in dieser Geschichte müssen wir hier ansetzen: Der Stephansdom gehört einfach zu Wien, und das schon sehr lange. Wie Wien ist er immer wieder gewachsen und wie die Stadt, in deren Zentrum er steht, verän- dert er sich stetig. Der Stephansdom ist mehr als Postkartenmo- tiv und Wahrzeichen. Er ist Zeuge der wechselhaften Geschichte seiner Umgebung, und natürlich ist er selbst ein Teil davon. Die Erweiterung der Stadt im 12. Jahrhundert über die rö- mischen Lagermauern hinaus und seine Gründung sind eng miteinander verbunden. Es ist darum kein Wunder, dass der Stephansdom auch als Geschichtsbuch der Stadt gilt. Aber: So viel Geschichte inmitten einer Metropole hinterlässt ihre Spuren. Die stürmische Entwicklung der Stadt ermöglichte und för- derte einerseits den Dombau. Gleichzeitig trug sie durch Um- weltverschmutzung einen wesentlichen Teil zur Erosion der Stei- ne des Domes bei. Schwefelverbindungen in der Luft greifen den Kalk des Natursteines an, wandeln ihn in wasserlöslichen Gips um – und zerstören so seine Struktur. Dazu kommen Schäden, die etwa Taubenkot und Straßensalz über lange Zeit anrichten. Fotos © Verein Unser Stephansdom Abgesehen von diesen – erheblichen – menschlichen Beiträ- gen ist es ein natürlicher Prozess, dass Stein langsam zerfällt. An den feinen von Steinmetzen und Bildhauern geschaffenen Strukturen des Domes ist das allerdings viel schneller sichtbar als in der Natur. Entsprechend verändert Erosion, wie der Dom aussieht – und wie sicher er ist. Ein Bauwerk seiner Größe bedarf also nicht nur nach gro- ßen Katastrophen, die schwere Schäden verursachten – wie die Türkenbelagerung 1683 oder der Brand 1945 – der Wiederher- stellung. Es braucht ständige Überwachung, Pflege und Restau- rierung. Der routinemäßig durchgeführte Restaurierzyklus für den ganzen Dom dauert rund 40 Jahre. Die Arbeiten – und damit auch die den Blick störenden Gerüste – wandern in dieser Zeit um den Dom und befinden sich manchmal an eher unauffälligen Teilen, manchmal aber auch an sehr prominenten Stellen am Dom. Die Hauptansicht des Domes – der Südturm und die Süd- fassade des Langhauses – war die vergangenen zwanzig Jahre Schwerpunkt der Arbeiten. 2021 wurden die Gerüste in diesem Bereich schließlich abgebaut. Die Ostseite des Turmes kam als neuer Restaurierabschnitt dazu. Ihre geschützte, der Wettersei- 10
Schrit t 2: Der neue wird in da Teil s Werkstü ck eingep asst werden aus dem Schritt 3: Die Details Stein herausgearbeitet te abgewandte Lage, macht sie besonders interessant: Denn ne- ben Schäden, wie es sie am gesamten Dom gibt, finden sich hier Der Verein beispielsweise auch noch Brandspuren von 1945. Und unter den „Unser Stephansdom“ Schmutzschichten haben sich über 500 Jahre alte Farbschichten setzt sich für die Erhaltung unseres Wahr- erhalten – Teile der ursprünglichen Oberfläche. zeichens ein. Jährlich werden etwa 2,2 Millionen Euro für die Instandhaltungs- Immer wenn der Stephansdom während seiner langen Ge- arbeiten benötigt. Nur mit Ihrer Unter- schichte umgebaut oder restauriert wurde, geschah das unter stützung können wir unseren „Steffl“ vor dem Gesichtspunkt, das Vorhandene nicht völlig zu ersetzen, Umwelteinflüssen schützen – bitte spen- Arch. Dipl. Ing. Wolfgang sondern es bestehen und gelten zu lassen. Die Dombauhütte St. den Sie hier AT29 1919 0000 0020 3000 Zehetner, Dombaumeis- Stephan führt die Erhaltungsmaßnahmen größtenteils durch. ter Stephansdom Sie besteht seit fast 900 Jahren und wendet immer noch teils mittelalterliche Techniken, die auch für die Errichtung des Do- mes in Gebrauch waren, an. Nach der sorgfältigen Reinigung der Oberfläche wird sicht- bar, was man erhalten kann und was ergänzt oder ausgetauscht werden muss. Die Form zerstörter Teile wird nach erhaltenen Vorbildern am Dom und den mittelalterlichen Konstruktions- prinzipien zuerst auf Schablonen gezeichnet, dann auf den Stein übertragen. Die Ausarbeitung erfolgt mit Hammer und Eisen – jener Methode, die den Stein am wenigsten belastet. Die Dombauhütte als Bewahrerin dieser über Jahrhunderte entwickelten Technik ist heute Teil des heimischen immateri- ellen Kulturerbes. Seit 2020 ist sie außerdem – gemeinsam mit anderen europäischen Bauhütten – als gutes Praxisbeispiel zur Erhaltung immateriellen Kulturerbes gelistet. Der Einsatz von Naturstein, Kalkmörtel und die Anwendung der traditionellen Techniken ermöglicht eine authentische Re- staurierung, auch wenn Einzelteile des Domes ersetzt werden. Die aktuell verwendeten Natursteine aus dem Leithagebirge entsprechen den originalen Steinen aus dem Mittelalter weitge- hend. Die Dombauhütte verwendet natürlich auch moderne Mate- rialien, um originale Bauteile zu erhalten. Sie ist beteiligt an der Forschung nach neuen Materialien und Techniken, etwa in ei- nem EU-Projekt zu den Möglichkeiten von NANO-Technologien zur Festigung von Natursteinen. In den meisten Fällen ist die handwerkliche Technik aber die effizienteste Methode, St. Stephan in seiner Komplexität, die von der wunderschönen riesigen Nadel des Turmes zu den kleins- ten Krabben reicht, zu erhalten. Und den nächsten Generationen Eines der laufend erneuerten Stücke am Dom weiterzugeben. 11
Fotos © Gilbert Novy/KURIER Das Farbenspiel im Wohnhaus von Marco Weise „D as Schlichte ist in allen Künsten das Schönere“, soll Martin Luther einst ge- sagt haben. Der Theologieprofessor und Reformist hätte seine Freude mit dem Gotteshaus, Der Eingang zur Kirche befindet sich hinter der Fassade eines Wohnhauses zwischen Säulen und besteht aus großen Holzflügeltüren. Bereits im Ein- gangsbereich fällt auf, dass hier vieles anders ist, an- welches sich hinter einer schmucklosen Fassade in ders als bei katholischen Kirchen – einfacher, funkti- der Lindengasse 44 verbirgt. Von außen betrachtet onaler. Es ist eine Alltags- und keine Sonntagskirche. weist hier nämlich nur wenig darauf hin, dass sich Soll heißen: „Das soziale Miteinander, der Gemein- an dieser Adresse eine Auferstehungskirche befin- degedanke ist stärker ausgeprägt“, sagt die Frem- denführerin Brigitte Roth und macht auf eine Broschüre aufmerksam, die im Eingangsbe- Auferstehungskirche. Das evan- reich aufliegt. „Kirche für LGBTIQ“ steht da- rauf geschrieben. Man erfährt nicht nur, was gelische Gotteshaus kommt ohne die Abkürzung bedeutet, sondern auch, dass Turm, Prunk und Kreuzigung aus alle willkommen sind: Gleichgeschlechtliche Paare erhalten hier Gottes Segen und Homo- sexuelle sind völlig gleichgestellt. det. Die Heimstätte der Evangelischen Gemeinde von Neubau/Fünfhaus ist ein Bau von Friedrich Diese Gleichstellung spiegelt sich auch in der Ar- Rollwagen und Henry Lutz, der zwischen 1959 und chitektur wider. Die Kirchen suchen die Solidarität 1962 errichtet wurde. Er ist eine Hallenkirche, die mit den gewöhnlichen Lebensvollzügen und ver- weder Turm noch Glocken hat und sich in die dor- zichten daher auf jeglichen Triumphalismus. Die oft tigen Wohnblöcke unauffällig einfügt. Das war auch „spezielle“ Bauweise hat ihren Ursprung im 17. Jahr- das Ziel der Planung, die den Unterschied zwischen hundert, wie Brigitte Roth erklärt: „Zu dieser Zeit war „sakral“ und „profan“ aufheben wollte. der Großteil der Wiener Bevölkerung zwar evange- 12
lisch, aber es gab in der Stadt so gut wie Der Taufstein hat einen zentralen keine evangelischen Gottesdienste und Platz. Er ist kreisrund, einerseits eine Gotteshäuser.“ Anspielung auf den Stein, der vom Grab Die Protestanten mussten darum in Christi weggerollt wurde. Andererseits die Vorstädte ausweichen. Geändert steht die Form für die Dynamik inner- wurde dies erst durch das Toleranzpa- halb der Evangelischen Kirche. tent von Joseph II. aus dem Jahr 1781 Das optische Highlight ist die „Cur- – der Kaiser stellte der evangelischen Kirche tain Wall“. Eine sich über die volle Länge zie- ein säkularisiertes Kloster in der Dorotheergas- hende Glasfensterwand mit Lebensbildern von se im Zentrum Wiens zur Verfügung. Doch die Jesus – gestaltet von Maler Dietmar Tadler. Sie Toleranz des Kaisers hatte Grenzen: Die Kirchen leuchtet in Grün, Blau und Gelbtönen. Die zwölf hießen offiziell Gebetshäuser, durften äußerlich gezeigten Themen sind: die Geburt, die Taufe, nicht wie Kirchen aussehen, sondern wie Bür- die Rettung des sinkenden Petrus, die Totener- gerhäuser – so waren zum Beispiel Rundfenster weckung, der Einzug in Jerusalem, das Abend- nicht gestattet. mahl, der Ölberg, der Verrat, vor Gericht, die Außerdem mussten sie zumindest 50 Meter Verleugnung, der Kreuzweg und die Kreuzigung. von einer Hauptstraße entfernt liegen und einen abgewandten Eingang haben. Und sie durften „Wenn die Sonne scheint, wird das Licht un- keinen Turm besitzen. Das prägte die Architek- terschiedlich gebrochen. Es ist ein umwerfen- tur. Es ist aber nicht der einzige Faktor, der Pro- des Farbenspiel“, schwärmt Roth. „In einer Kir- testanten und Katholiken trennt. Sie beten zwar che für alle“, wie sie betont. Es gibt hier keinen zum selben Gott, leben aber in verschiedenen Beichtstuhl, keine frontale Predigt von oben he- Glaubenswelten: keine Marien-, keine Heiligen- rab, sondern eine vertrauliche Zwiesprache. verehrung, kaum Bilder an den Wänden, kein Prunk, „Das habe ich immer sehr geschätzt. Ich handha- keine Kreuzigung. be das bei meinen Führungen ähnlich. Es gibt keine Belehrung, keinen Monolog, die Teilnehmer werden Zurück in die Lindengasse: Gleich nach dem Ein- stets in meine Führungen einbezogen“, sagt Roth. gangsbereich kommt man in ein großes Foyer. Im Es geht ihr um Partizipation und Teilhabe. Martin Kircheninnenraum strahlt die holzverkleidete Decke Luther hätte das gefallen. Wärme aus und sorgt für eine tolle Akustik. Zwi- schen zwei Holzbankblöcken zieht sich ein Weg zum Altarbereich, der von einer großen Christusfigur an der Altarwand dominiert wird, welche von Bildhau- er Heinz Glawischnig gestaltet wurde und den Auf- erstandenen darstellen soll. Die Christusfigur wird durch natürliches Licht, das durch eine im Dach ein- gezogene Glaskonstruktion dringt, „erleuchtet“. Im Altarraum befindet sich nach drei Stufen ein breites Podest, auf dem links die Kanzel und rechts der Taufstein stehen. Um weitere zwei Stufen erhöht, steht in der Mitte der Altar, umgeben von Grünpflan- zen. „Die Kanzel wurde wie ein Buchrücken gestal- tet. Eine Anspielung auf das gesprochene Wort, das in der evangelischen Kirche eine wichtige Rolle ein- nimmt“, sagt Brigitte Roth. Themenspaziergänge im 7. Bezirk Moderierte Spaziergänge, die zum Diskutieren anregen sollen, führen durch den Bezirk und möchten aktuelle Probleme ebenso wie die derzeitigen Lösungsansätze sichtbar ma- chen: von Naturdenkmälern über Urban-Gardening-Hochbeete bis zur verkehrsberuhigten Neubaugasse. Der Natur auf der Spur – Naturjuwele im 7. Bezirk macht z.B. auf kleine, feine Details der städtischen Flora aufmerksam. Was wir essen, was wir entsorgen rückt Lebensmittel und Abfallwirtschaft in den Fokus. Wie wir uns bewegen thematisiert Sied- lungsstruktur und Verkehr. Burning down the house – Stadtklima der Zukunft in Wien steht ganz im Zeichen der Klimakrise. Auferstehungskirche: Lindeng. 44a, spaziergänge: Start um 18:00, 19:00, 20:00 und 21:00 1070 Wien. Anfahrt: U3 (Neubaugasse) TiPP Evangelische Auferstehungskirche Neubau/Fünfhaus, 1070 Wien www.evang-neubau.at 13
Foto © Ilir Morina EIN HOCH auf das Leben Wenn die Glocken der Martin-Luther-Kirche über der geschäftigen Linzer Landstraße läuten, ist das immer eine gute Gelegenheit, kurz innezuhalten. Aber wie sieht es da aus, wo die imposanten Klänge herkommen? Ein Besuch ganz oben. 14
D von Maria Krone er Weg hinauf ist ein kleines Aben- de nach langem Bemühen ein schlichtes & Siegfried Adlberger teuer, das Rosi Hagmüller schon Bethaus zugesagt. Entsprechend der da- oft erlebt hat. Es beginnt jedes Mal maligen Gesetzeslage sollte es sich un- hinter der Orgel und heute nimmt uns die auffällig ins Stadtbild einfügen und wur- Referentin der evangelischen Pfarrge- de fünfzig Meter hinter den Straßenrand meinde Linz – Innere Stadt dazu mit. Ge- der Landstraße versetzt gebaut. Ein Um- meinsam wollen wir dahin, wo jeden Tag stand, dem die heutige Pfarrgemeinde die Glocken läuten: in den Kirchturm der Linz – Innere Stadt einen großzügigen, Linzer Martin-Luther-Kirche. einladenden Vorplatz inmitten einer der belebtesten Fußgängerzonen Österreichs Stufe um Stufe stapfen wir nach oben. verdankt. Auf der engen, steinernen Wendeltreppe kann einem beinahe schwindlig werden, Erst zwanzig Jahre später wird auch aber von dort aus ist es nicht mehr weit. Die der Turmbau genehmigt. 1859 werden letzten Meter des Weges geht es noch über schließlich drei Glocken geweiht. Das Holzstiegen. Dann sind wir da, hoch oben heutige Geläut stammt aus dem Jahr 1927. über der Stadt. Hier hängen sie also: die Die vier Glocken überlebten als einziges vier Glocken der Martin-Luther-Kirche. Geläut der Salzburger Firma Oberascher Ihr Geläut zu den Tageszeiten und an den Zweiten Weltkrieg. Die meisten Glo- Festtagen schlägt eine spannende Brü- cken wurden während des Krieges einge- cke zwischen alter christlicher Tradition schmolzen, weil das Material für Kriegs- und dem modernen Alltag in der Stadt. gerät knapp war und religiöse Symbolik Es passt also sehr gut, dass die Inschrift als verzichtbar und staatsgefährdend an- auf einer der Glocken „Jesus Christus, gesehen wurde. gestern und heute und derselbe auch in Seit knapp hundert Jahren schlagen alle Ewigkeit“ lautet. Die Glocken hier sie also hier. Der Weg in den Glockenstuhl oben sind Begleiterinnen durch die Zei- ist nicht ungefährlich und man geht ihn ten, Konstanten im Fluss des Großstadt- am besten, wenn die Glocken schweigen. lebens. Schon der leise Schall der kleinsten der Doch dass sie das wurden, war so ei- vier ist spürbar, als Rosi Hagmüller sie gentlich nicht geplant: Der 1834 gegrün- mit dem Klöppel anschlägt. Ein beein- deten Evangelischen Gemeinde Linz wur- druckendes Instrument, das Wohlklang über weite Distanzen verbreitet. „Die Glocken sind ein Bild dafür, dass Gottes Foto © Ilir Morina Zuckersüßes Engagement. Der dama- lige Gemeindevorsteher und einer der hartnäckigen Antragsteller um Ge- meindegründung war der Zuckerbä- cker Johann Konrad Vogel. Ihm wird die Erfindung der weltbekannten Linzer Torte nachgesagt – jedenfalls hat er sie populär gemacht. Neben sei- ner köstlichen Tätigkeit zur Freude der wohlhabenden Bevölkerung war ihm auch die Armenversorgung in der Stadt ein besonderes Anliegen. Foto © pexels.com/Nataliya Vaitkevich 15
Liebe in den Menschen klingen und etwas Musik aus dem Kirchturm zum Schwingen bringen will“, sagt Frau Die Kirche weiht und verwendet Glocken Hagmüller. zum gottesdienstlichen Gebrauch, sie sind so- Die kleinste Glocke der Martin-Luther- mit fixer Bestandteil kirchlichen Lebens und Kirche ist die Vater-Unser-Glocke. Den Stimme der Verkündigung nach außen. Glo- Anfang dieses Gebetes können wir auf cken laden ein zu Gebet und Gottesdienst, der Glocke lesen. Sie läutet immer, wenn mahnen aber auch, sich zu besinnen und per- in der Kirche das Vaterunser gebetet wird. sönlichen Momenten Zeit zu geben. Auch viele andere Botschaften schicken Kirchenglocken halfen den Menschen, be- die Glocken über die Stadt: Feiere mit uns vor es Armbanduhren und Handys gab, den Gottesdienst. Begrüße mit uns ein neues Tag zu strukturieren. Bis heute wird mit dem Gemeindemitglied, das gerade getauft Uhrschlagen der Fortgang der Zeit im Hinblick wird. Freue dich mit den beiden, die heute auf die Endlichkeit menschlichen Lebens ange- heiraten. Nimm Abschied von jemandem, zeigt. der nicht mehr in unserer Mitte weilt. Für Glocken sind Heiligen gewidmet, tragen Na- jeden Anlass klingt dieses Instrument men und sind der Zeit entsprechend kunstvoll anders. verziert. Sie gelten auch als Friedenssymbol. Alle Feste der Kirche und besondere Ereignisse Wolfgang Ernst, einer der beiden Pfar- im Leben der Gläubigen werden mit dem Klang rer der Gemeinde, wohnt direkt neben der der Glocken angezeigt. In einer Läuteordnung Kirche. Zu den Glocken vor der Haustür wird bestimmt, wann und wie lange eine Glo- sagt er: „Die Glocken der Kirche sind mir cke erklingt. Unterschiedliche Zusammenstel- immer liebe Begleiterinnen durch meinen lungen mehrerer Glocken ergeben Läutmotive Tag und rufen auch mich manchmal aus z.B. Gloria, Te Deum, Salve Regina usw. Je nach der Hektik der Stadt in die Ruhe, die bei Motiv und Art des Läutens soll man erkennen Gott herrscht.“ können, was in der Kirche gefeiert wird. Foto © Ilir Morina Der Name ist Programm. Die Vater-Unser-Glocke – die kleins- te im Geläut der Linzer Martin-Luther-Kirche – erklingt immer dann, wenn in der Kirche das Vaterunser gebetet wird. In manchen Kirchen können die Glocken auch noch von Hand geläutet werden – so zum Beispiel in St. Salvator in der Wiener Innenstadt. Wenn die kleinen und großen Glöckner an den Sei- len ziehen und damit die Glocken zum Schwingen und Klingen bringen, ist das immer ein Highlight, auch in der Langen Nacht Foto © Michaela Speringer der Kirchen. Erwachsene und Kinder werden eingeschult und können sogar ein Glöckner-Diplom erwerben. Glockenläuten in St. Salvator TiPP Pfarre St. Salvator, Wipplingerstraße 6, 1010 Wien 16
Prächtigster Lagerraum der Stalin-Zeit von Thomas Trenkler D ie russisch-orthodoxe Kathed- Wie es sich für eine russisch-ortho- rale, dem heiligen Nikolaus ge- doxe Kirche gehört, besteht sie aus deren weiht, liegt in der Jaurèsgasse zwei: Ebenerdig betritt man die gedrun- – direkt hinter der russischen Botschaft. gene Unterkirche; sie ist dem National- Den besten Blick auf die pittoreske Kir- helden Alexander Newski geweiht, der im che hat man, wenn man, von der linken 16. Jahrhundert heiliggesprochen wurde. Bahngasse kommend, den Steg über die In die Oberkirche mit den Granitsäu- Gleisanlage nimmt. Dort treffen wir Aline len und den fünf Kuppeln gelangt man Panajotov. über ein vorgelagertes Treppenhaus. Das Die Fremdenführerin weist gleich auf Glasfenster am Ende der Stufen zeigt den die fünf Zwiebeltürme, deren vergoldete Patron, den heiligen Nikolaus. Es über- Hauben bei Sonnenschein glit- zern: Sie stehen für Jesus Chris- tus und die vier Evangelisten. Russisch-orthodoxe Kirche. Die Kathedrale wurde von Die Kathedrale ist erst seit zwölf 1893 bis 1899 im neurussischen, späthistoristischen Stil nach Jahren mit Fresken geschmückt Plänen von Grigorij Iwano- witsch Kotow erbaut. Doch nur 15 Jahre lang konnten Messen gefeiert werden: Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Kirche geschlossen und der Obhut des neutralen Spanien unterstellt. In Russland kam es zur Revolution, die Habsburger-Monarchie zerfiel. Erst 1924 Foto © Gilbert Novy/KURIER nahmen die Sowjetunion und Österreich diplomatische Beziehungen auf; die Kir- che aber blieb in der Stalin-Zeit zu und wurde als Lagerraum zweckentfremdet. „In der NS-Zeit war sie Sitz der Reichsmu- sikhochschule und Wohnheim für Mit- glieder der Hitlerjugend“, erzählt Aline Panajotov. „Erst nach dem Zweiten Welt- krieg wurde sie wieder geöffnet – nach 31 Jahren Schließzeit.“ Lange fristete die Kathedrale ein ärm- liches Dasein. Die Rote Armee stiftete zwar 1948 die neue Hauptglocke, aber für eine Renovierung bzw. Vollendung dauerte – zusammen mit zwei weiteren fehlte das Geld. Sie erfolgte erst 2003 bis – den Zweiten Weltkrieg; alle anderen 2008: Die Türme wurden vergoldet, ka- barsten bei einer Bombendetonation in putte Majolika-Fliesen ausgetauscht. Und der Nähe. Archimandrit Zinon, ein Meister seines Die zweireihige Ikonostase mit den Fachs, malte mit seinen Mitarbeitern den drei Türen trennt den irdischen Raum kahl gebliebenen Innenraum im byzanti- vom Allerheiligsten – und die vielen Iko- nischen Stil aus: in die Apsis den Christus nen sind eine Art Verbindungsstück zwi- Russ.-Orth. Kathedrale: Jaurèsgasse 2, Pantokrator, den Weltenherrscher, und in schen dem Betenden und dem Göttlichen. 1030 Wien. Anfahrt: S1, S2, S3, S7, S15, die Kuppel einen Thron für die zweite An- Die fünf prächtigen Kronleuchter sind 71 (Rennweg) • www.russischekirche.at kunft von Jesus. übrigens ein Geschenk des Zaren. 17
Foto © Gilbert Novy/KURIER Radikal schlicht radikal modern von Thomas Trenkler P iroska Mayer-Sebestyén war sofort mit der Zeit zu klein gewordene – Kapelle bereit, uns die Rosenkranzkirche des Schlosses als Kirche. 1893 kam es zur in Hetzendorf zu erklären. Denn Gründung des Kirchenbauvereins. Weih- die Fremdenführerin, auf Architektur bischof Godfried Marschall bestimmte spezialisiert, wusste, dass diese Kirche den Baugrund weit entfernt vom Orts- heraussticht: Sie ist radikal schlicht. Und kern – und verewigte sich. Denn die Kir- radikal modern. che liegt am Marschallplatz. Mitbeteiligt an der Neugestaltung war Und der in Hetzendorf ansässige Friedrich Achleitner, der große Architek- Jung-Architekt Hubert Gangl bot sich an, die Pläne gratis zu zeichnen. Er entwarf Rosenkranzkirche. Die purifizierte eine neuromanische „Gottesburg“, wie mit einem Steinbaukasten aus verschie- „Gottesburg“ in Hetzendorf beeindruckt denen geometrischen Formen zusam- mit einem Triptychon von Ernst Fuchs mengesetzt. Die Basilika, 1908/’09 realisiert, hat- turkritiker. An der späthistorischen Fas- te eine reiche Innenausstattung: Franz sade mit Jugendstilelementen lässt sich Zelezny, für Adolf Loos der größte Holz- das nicht ablesen. Umso größer sind beim schneider der damaligen Zeit, schuf u. a. erstmaligen Betreten Überraschung und die Kreuzwegreliefs, die Kanzel und Al- Wirkung. täre sowie einen riesigen Luster mit einer Madonna. Weil Hetzendorf zur Pfarre Atzgers- Am 17. Oktober 1944, ein halbes Jahr dorf gehört hatte, diente viele Jahre die – vor Kriegsende, traf eine Bombe die Kir- 18
che beim Stiegenturm; darunter, im Luft- bert Baum eine üble Hetzschrift über schutzraum, starben 16 Menschen. 1949 die Freimaurer und „Die Blasphemien erfolgte eine notdürftige Instandsetzung. von Wien-Hetzendorf“; sie verfehlte ihre Und Joseph Ernst Mayer, Pfarrer seit Wirkung nicht: Im September 1979 riss 1946, dachte, durch die Kriegsschäden ein Mann die drei Gemälde herunter, quasi legitimiert, über einen tiefgreifen- zerschnitt sie – und konnte gerade noch den Umbau nach. davon abgehalten werden, den Haufen in Brand zu stecken. Der Attentäter wurde Mayer kam aus dem „Bund Neuland“. von der Polizei festgenommen. Er woll- Der katholischen Jugendbewegung ent- te, wie er gesagt haben soll, den Frevel sprungen, strebte der Verein ab 1919 eine an der Muttergottes sühnen. Denn Ernst Modernisierung der Liturgie an. Nach Fuchs hätte Maria als Hure dargestellt. dem Zweiten Weltkrieg prägten etliche Das Gericht erklärte den Mann für unzu- Bund-Neuland-Persönlichkeiten Öster- rechnungsfähig. reich mit, darunter Kardinal Franz König und Monsignore Otto Mauer. Viele Jahre war Hans Michael Bens- Zusammen mit Mauer, der 1954 die Ga- dorp Pfarrer der Kirche. Über das Tripty- lerie nächst St. Stephan gründete, ersann chon lässt er nichts kommen: „Der junge Mayer das Konzept für die Kirche. Die Fuchs nähte die Ziegenhäute mit einem Mehrheit der Gemeinde wünschte sich je- Stich zusammen, den auch die alten doch keine „purifizierende Neuinterpre- Meister verwendet haben. Das heißt: Er tation“, sondern eine Restaurierung. Und hat sein Bestes geben wollen. Und er hat so entspann sich eine heftige Debatte. sich intensiv mit der Bibel beschäftigt.“ 1957 aber gab König als neuer Erzbischof Bensdorp rühmt die „feine Malerei“, seinen Sanctus für die Umgestaltung die hohe Symbolkraft, die vielen Ver- nach dem Entwurf von Friedrich Achleit- weise. Und dann liest er eine Passage aus ner und Johann Georg Gsteu. der Offenbarung des Johannes vor. Tat- sächlich: Fuchs malte nur, was geschrie- Ein Jahr später trauten die Menschen ben steht. Er verwendete hauptsächlich ihren Augen nicht: Die Gläubigen stan- Blau, Türkis, Orange und Gold, ließ sich den plötzlich in einem nackten, weiß für sein Meisterwerk von der Ikonenma- getünchten, dunkel asphaltierten Raum. lerei inspirieren oder mittelalterlichen Die Glasfenster in der halbrunden Apsis Buchillustrationen. Die Ablehnung setz- waren zugemauert, sämtliche Reliefs ab- te ihm zu: „Fuchs war so gekränkt, dass geschlagen worden, auch die Kapitäle der er sich von der Kirche abgewandt hat“, Säulen, die nun Pfeiler waren. Mayer fass- sagt Bensdorp. Erst sehr spät, wenige te es so zusammen: „Aller unechte Zierrat Jahre vor dessen Tod im Jahr 2015, hätte wurde entfernt und der Raum auf große, es eine Versöhnung gegeben. einfache, feierliche Formen und Linien Die Gemälde wurden restauriert, die gebracht.“ Schnittstellen sind fast nicht auszuma- Parallel zu den Umbauarbeiten schrieb chen. Und eine Frage bleibt: Was passier- Otto Mauer einen künstlerischen Wettbe- te mit der originalen Ausstattung? Hat werb aus. Ernst Fuchs, Mitbegründer der man sie tatsächlich einfach zerstört? Wiener Schule des Phantastischen Rea- lismus, gewann ihn mit seinem Tripty- Beim Sonderpostamt des Briefmarkenver- chon „Die Geheimnisse des hochheiligen eins St. Gabriel können Sie spezielle Mar- Rosenkranzes“. Die drei Gemälde – jedes ken bewundern: Die Sondermarken zieren etwa drei mal drei Meter auf zusammen- Werke aus drei Künstlergenerationen der genähten Ziegenhäuten – wurden ab 1960 Malerfamilie Fuchs. Exklusiv kommt auch an Alu-Standarten aufgehängt. ein eigens für den Anlass hergestellter Son- derstempel zum Einsatz. Das Unverständnis war gewaltig: Das sei doch keine Kunst, sagte man, sondern Sonderpostamt des Briefmarken- TiPP vereins St. Gabriel, 16:00–20:00 „Pseudokunst“! In der Verkündigungs- Foto © Gilbert Novy/KURIER szene z. B. sieht man eine schwangere Maria; und im Fastentuch-Hintergrund pfarre hetzendorf: Marschallplatz 6, der Kreuzigungsszene glaubte man einen 1120 Wien. Anfahrt: 63A (Marschallplatz) Hampelmann erkennen zu können. www.pfarre-hetzendorf.at 1976 veröffentliche ein gewisser Her- 19
Siegreich im von Michael Huber Sinnesrausch D as Zeitalter des Barocks hat ein Zuerst war die Kirche am Hof die üppiges Vokabular entwickelt, um Heimstatt der Brüder der „Gesellschaft dem Sieg über Herausforderun- Jesu“. Doch als sie die Lehrstühle der hu- gen – Seuchen, Belagerungen und nicht manistischen, philosophischen und theo- zuletzt der Bedrohung des Katholizismus logischen Disziplinen an der Universität – Form zu verleihen. übernahmen und ihr eigenes Kollegium Die Jesuitenkirche ist jener Ort in an die Institution angliederten, erhielt Wien, an dem sich diese Siegesrhetorik der papsttreue Orden seinen definitiven in einmaliger Dichte und Komplexität Fußabdruck in Wien. Die „Universitäts- erleben lässt: mit einer atemberaubend kirche“ entstand zwischen 1627 und 1631 prunkvollen Architektur, meisterhafter als Teil eines Bildungscampus, wie man Illusionsmalerei, herausragender Aus- heute wohl sagen würde. Ihre volle Pracht stattung und einem Bildprogramm, das erhielt sie erst später. auch Feinspitzen im Fachbereich der Iko- nografie einiges zum Kiefeln aufgibt. Leopold I., der nach der Pestepidemie 1679 die Dreifaltigkeitssäule am Graben gestiftet hatte, holte dazu den Archi- Jesuitenkirche. Das barocke Meister- tekten, Maler und Jesuitenpater Andrea Pozzo nach Wien. Im Tonnengewölbe der werk zieht alle Register der Überwälti- Kirche realisierte dieser ein monumen- gung – und erzählt zahllose Geschichten tales Bildprogramm, das den Sieg Gottes zum Inhalt hat. Herzstück ist eine Schein- kuppel, die sich von einem hellen Stein im „Die Jesuiten waren stets für die Ausbil- Mittelgang der Kirche aus der exakt rich- dung zuständig“, erzählt Fremdenführe- tigen Perspektive erschließt. rin Orsolya Illés. „Als Kaiser Ferdinand I. Der Glaube sitzt da als allegorische 1550 die ersten von ihnen nach Wien hol- Frauenfigur am Rand und blickt schein- te, hat der Ordensgründer Ignatius von bar in die Kuppel hinauf, in deren Laterne Loyola noch gelebt.“ das Lamm Gottes hereinlugt. Evangelis- ten und Kirchenväter flankieren die Sze- nerie. In den Gewölbeabschnitten vor und hinter der Scheinkuppel sind Engelsturz und die Engelsglorie, die Verbannung des Bösen also, dargestellt; das Programm gipfelt in einer „Himmelfahrt Mariae“ über dem Hochaltar. „Leopold I. wollte ein Signal setzen, dass es unter ihm einen Aufschwung, auch für die Bildung, gab“, erklärt Illés. Der Kaiser, der selbst von Jesuiten für den geistlichen Stand erzogen worden war, bevor er nach dem frühen Tod seines Bru- ders Ferdinand IV. die Krone übernahm, war ein Kunstfreund, komponierte selbst Foto © Gilbert Novy/KURIER Musik, förderte das Theater und führte Schulreformen ein. In der Universitätskirche zeigte sich der Bildungsanspruch auch insofern, als je eine Seitenkapelle der theologischen 20
Jesuitenkirche: Dr.-Ignaz-Seipel-Platz 1, 1010 Wien. Anfahrt: U3 (Stubentor) www.jesuitenwien.at und philosophischen Fakultät geweiht wurden. Für die Entschlüsselung der Bildprogramme in den Kapellen – neben den Kirchenvätern sind u. a. die Legen- den der Heiligen Leopold, Josef, Anna sowie des polnischen Jesuiten Stanislaus Kostka dargestellt – ist ein theologisches Wissensfundament unabdingbar. Dieses war an der Universität zu Wien gewiss vorhanden. Laien bleibt das Staunen über die „Ver- mittlung des Glaubens durch Erfahrun- gen mit allen Sinnen“, die laut Website der Kirche auch noch heute deren Selbst- verständnis kennzeichnet. Ob über die geschmückten Reliquien an den Seiten- altären oder die Finesse, mit denen die Holzintarsien auf den Bänken oder an Foto © Alexander Müller | www.alexander-mueller.at der Kanzel ausgeführt ist: Die Kirche ist ein Schmuckkästchen und außerdem ein Kompendium der vielen Techniken, mit denen im Barock Prunk suggeriert wurde. Denn was wie Gold glänzt, ist vergol- deter, polierter Stuck. Und an den teils geraden, teils geschraubten Säulen wurde nicht echter Marmor, sondern Stuckmar- mor verwendet: Mit gefärbtem, immer wieder verdichtetem Gips ahmte man so verschiedenste Sorten Marmor nach – keine zwei Säulen in der Kirche sind eingebaut: Nach dem Ringtheaterbrand Auch moderne Kunst findet immer wieder Platz gleich. von 1881 wurden auch Sicherheitsfragen in der Jesuitenkirche. verstärkt mitbedacht. Das Entzücken über die barocke Pracht sollte über die Zeit hinweg aller- Spätere Vertreter des Jesuitenordens dings erlahmen. Leopold I. starb kurz haben wiederholt die Verbindung zur nach Fertigstellung der Kirche, seine zeitgenössischen Kunst gesucht. So dach- Nachfolger hatten weniger enge Bezie- te die Gruppe Steinbrener, Dempf & Huber hungen zu den Jesuiten. 1773 schließlich 2015 die Illusionskunst in die Gegenwart hob Papst Clemens XIV. den Orden auf, weiter und ließ einen riesigen – aus leich- Kirche und Kollegium wanderten in die tem Kunststoff gefertigten – Felsbrocken Foto © LANGE NACHT DER KIRCHEN/Vera Rieder Obhut des Staates. 1814 wurde der Orden scheinbar in der Kirche schweben. wieder eingesetzt, doch erst 1852 stellte Im gegenüber der Kirche liegenden Kaiser Franz Joseph I. die „Gesellschaft „Jesuitenfoyer“ werden stets auch die Ar- Jesu“ für die ganze Monarchie wieder her. beiten der Otto-Mauer-Preisträger und Unter ihm, erzählt Illés, kam es Ende des Preisträgerinnen ausgestellt. Der Wert 19. Jahrhunderts auch zu einer umfas- sinnlicher Erfahrung will hochgehalten senden Restaurierung der Wiener Kirche. werden – ganz besonders dann, wenn man Unter anderem wurden zwei zusätzliche über die Schwierigkeiten, die heute unser Türen links und rechts des Hauptportals Leben bestimmen, triumphieren will. 21
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