Neue Hoffnung oder erneute Enttäuschung? - Die Palästinensischen Gebiete und die Biden-Administration - Konrad ...
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Mai 2021
Auslandsbüro Palästinensische Gebiete
Neue Hoffnung oder
erneute Enttäuschung?
Die Palästinensischen Gebiete und die Biden-Administration
Steven Höfner
Die Wahl des neuen US-Präsidenten im November 2020 wurde in den Palästinensischen
Gebieten aufmerksam verfolgt. Nach vier Jahren Trump-Administration mit aus
palästinensischer Sicht katastrophalen Entwicklungen schienen die Wahlen auch eine
Abstimmung über die Zukunft der Palästinenser zu sein. Die Wahl von Joe Biden war sodann
mit Erleichterung, aber auch Hoffnungen verbunden. Die ersten 100 Tage scheinen diese
Hoffnungen zu beflügeln, entscheidend werden jedoch die nächsten 100 Tage werden.
Die Präsidentschaft Donald Trumps ist für etablierten Kommunikationskanäle
viele Palästinenser vor allem mit einem zwischen Fatah und Hamas dar.
endgültigen Ende des
Nahostfriedensprozesses verbunden, Wirtschaftshilfen als dringend benötigte
zumindest unter Vermittlung der USA. Die Stütze
Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Die größten Hoffnungen mit Bezug auf die
die Einstellung von Hilfszahlungen und die Biden-Administration liegen in der
juristische Anerkennung von israelischen Wiederaufnahme von wirtschaftlichen
Siedlungen im Westjordanland haben Hilfen für die Palästinenser. Unter Präsident
deutlich gemacht, auf welcher Konfliktseite Barack Obama erhielten die Palästinenser
die USA sich verorten. jährlich zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. US-
Dollar. Präsident Trump hat diese
Die mit der neuen US-Administration Zahlungen, die hauptsächlich über die
verbundene Rückkehr zu einer Diplomatie, Behörde USAID (United States Agency for
die auch die Palästinenser wieder anspricht, International Development) liefen oder
ist mit Hoffnungen im wirtschaftlichen direkt an das Hilfswerk der Vereinten
Sektor verbunden, obgleich die Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA)
Erwartungen an einen tatsächlichen gingen, nahezu vollständig gestoppt.
Fortschritt im Friedensprozess gering sind.
Die palästinensische Bevölkerung ist in der Die Einstellung der Zahlungen an die
Einschätzung der neuen US-Administration Palästinensische Autonomiebehörde (PA)
daher gespalten. Laut einer im März 2021 steht in Zusammenhang mit dem 2018 vom
landesweit durchgeführten Umfrage US-Kongress verabschiedeten Taylor Force
erhoffen sich 41 % der Befragten eine Act. Dieser untersagt der US-Regierung
differenzierte US-Politik gegenüber Israel Zahlungen an die PA, solange diese
und den Palästinensern im Vergleich zur Geldtransfers an Palästinenser oder deren
Trump-Administration. 51 % teilen diese Familien vornimmt, die an Angriffen gegen
Hoffnung jedoch nicht. Israelis beteiligt waren und daraufhin
verletzt, getötet oder verhaftet wurden. Die
Politisch schien die Ablehnung der Trump- Biden-Administration hat bereits verkündet,
Administration hingegen die den Taylor Force Act und den
palästinensischen Fraktionen, insbesondere übergreifenden Anti-Terrorism Clarification
Fatah und Hamas, zu einer neuen Einheit zu Act (ACTA) zu respektieren. Auf
führen. Der Umgang mit dem Wechsel im palästinensischer Seite gab es daher
Weißen Haus stellt daher gleichermaßen Bestrebungen, die sogenannten „Märtyrer-
auch einen Belastungstest für die neu Zahlungen“ auf einen internationalKonrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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unabhängigen Bankkreislauf umzustellen, PA und den amerikanischen
was bislang stets scheiterte. Derzeit läuft Geheimdiensten. Obgleich nicht offiziell, so
ein Versuch, Empfänger von Transfers auf war der Dialog auf Arbeitsebene weiterhin
die Gehaltslisten der palästinensischen vertrauensvoll und von gegenseitigem
Sicherheitskräfte zu setzen. Ob diese Informationsaustausch geprägt. Als stets
offensichtliche Umgehung der übergeordnetes Ziel beider Seiten galt die
Beschränkungen jedoch ausreicht, ist Wahrung von Stabilität, insbesondere in
fraglich. Letztlich ist es eher wahrscheinlich, Form der Verhinderung von terroristischen
dass die PA auf direkte Hilfszahlungen Angriffen auf israelische Ziele. Die USA
verzichten würde, sollten die USA (aber bedienten damit israelische
auch andere Staaten) den neuen Sicherheitsinteressen, die von der Fatah-
Mechanismus nicht akzeptieren, denn die geführte PA konnte sich im Gegenzug
Aufrechterhaltung der „Märtyrer- politischer Gegner der Hamas oder linker
Zahlungen“ ist unbestrittener nationaler Gruppierungen entledigen. Die Fatah
Konsens in den Palästinensischen Gebieten. konnte dadurch ihre sicherheitspolitische
Machtbasis im Westjordanland stärken. Die
Dennoch wurden bereits im März 2021 von breite palästinensische Öffentlichkeit stand
der US-Regierung 15 Mio. US-Dollar an dieser Sicherheitskooperation zwar
Hilfen für Palästinenser zugesagt. Diese skeptisch gegenüber, akzeptierte sie jedoch
Zahlungen sollen hauptsächlich über auch in einem gewissen Maße, da sie den
katholische Hilfsorganisationen zur einzig belastbaren Kommunikationskanal zu
Bekämpfung der Corona-Pandemie den USA darstellte.
abgewickelt werden. Weitere Hilfsgelder
wurden in Aussicht gestellt. Zudem Der Austausch mit der neuen US-Führung
verkündete die Biden-Administration fand sodann auch zunächst ausschließlich
Anfang April, die Zahlungen an UNRWA, die über die Sicherheitskanäle statt. Erst
sich unter Obama auf mehrere hundert stückweise wurden direkte diplomatische
Millionen US-Dollar pro Jahr beliefen, Verbindungen wiederaufgebaut. Dennoch
wiederaufzunehmen. Veranschlagt wurden wird die Sicherheitskooperation ein Pfeiler
dafür 150 Mio. US-Dollar für UNRWA sowie der Zusammenarbeit bleiben, auch wenn
75 Mio. US-Dollar indirekte eine finanzielle Unterstützung durch den
Wirtschaftshilfen und 10 Mio. US-Dollar für Taylor Force Act nicht in größerem Umfang
Palästina-bezogene Maßnahmen von generiert werden kann. Selbst bei einer
USAID. Insgesamt bedeutet jede finanzielle neuen Zusammensetzung der PA-Regierung
Hilfe eine Besserung der Bedingung für die im Zuge von möglichen Wahlen bzw. der
Palästinenser und entlastet weitere Hinzunahme von Hamas-Vertretern und
Geldgeber wie Deutschland. einem daraus folgenden erneuten Abbruch
der wirtschaftlichen und diplomatischen
Allein die indirekten Hilfen für die Gespräche, bliebe der Sicherheitsdialog
Palästinenser würden den Druck auf den wohl in begrenztem Umfang stabil.
PA-Haushalt mindern, der sich auch in Folge
der Corona-Pandemie weiter der Die Wiederaufnahme diplomatischer
Zahlungsunfähigkeit näherte. Das Beziehungen
Haushaltsdefizit für 2021 beläuft sich auf Die Verlegung der US-Botschaft nach
ein Rekordhoch von 1 Mrd. US-Dollar. Mit Jerusalem unter Donald Trump und die
der teilweisen Rückkehr von US-Hilfen damit einhergehende Fusion mit dem US-
scheint der finanzielle Kollaps der PA Generalkonsulat für die Palästinensischen
zumindest abwendbar. Gebiete sowie die Schließung des PLO-
Büros in Washington, D.C., führte zu einem
Sicherheitskooperation als Machtfaktor vollständigen Abbruch der offiziellen
Selbst in den schwersten Stunden der diplomatischen Beziehungen zwischen den
amerikanisch-palästinensischen USA und den palästinensischen Vertretern
Beziehungen unter US-Präsident Trump gab von PA und PLO (Palestine Liberation
es fortlaufende Kontakte zwischen dem Organization als offizieller völkerrechtlicher
palästinensischen Sicherheitsapparat der Vertreter der Palästinenser). DennochKonrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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existierte innerhalb der US-Botschaft eine dieses Vorgehen Zeit und Mühen
Abteilung für palästinensische aufwenden möchte.
Angelegenheiten, die weiterhin politische
Kontakte pflegte und konsularische Dienste Der Umgang mit der Hamas
erfüllte. Dies allerdings in personell nur Die ersten 100 Tage von Joe Biden als US-
sehr begrenztem Umfang und unter Präsident haben bislang bis auf
hierarchischen Schwierigkeiten innerhalb symbolische Annäherungen keine
der Botschaftsstrukturen. grundlegenden Veränderungen im
Verhältnis der USA zu den Palästinensern
Noch während des US-Wahlkampfes gezeigt. Entscheidender werden jedoch die
versprachen Biden und sein Team die nächsten 100 Tage sein.
Wiederaufnahme der Beziehungen mit den
Palästinensern, einschließlich der Eröffnung Mit den Wahlen in den Palästinensischen
eines neuen Generalkonsulats und der Gebieten könnten sich die
Wiederzulassung eines PLO-Büros in den Machtverhältnisse oder zumindest die
USA. Die Verlegung der US-Botschaft nach Zusammensetzung von PA-Regierung und
Jerusalem soll davon unberührt bleiben. PLO verändern. Die bereits im Gaza-Streifen
Obgleich die Ankündigungen nach der regierende Hamas könnte auch im
Amtsübernahme bestätigt wurden, Westjordanland wieder an einer Regierung
erfordern die Wiedereinrichtungen der beteiligt werden. Durch die von den USA
Strukturen langwierige bürokratische und der EU vorgenommene Einstufung der
Hürden, an deren Beginn jedoch politische Hamas als Terrororganisation müssten bei
Verhandlungen zwischen PA/PLO und den Beibehaltung dieses Status offizielle direkte
USA stehen. Diese Verhandlungen genießen Gespräche und Hilfszahlungen eingestellt
jedoch auf beiden Seiten derzeit keine hohe werden.
Priorität. Die USA sind mit innenpolitischen
Themen, wie vor allem der Bekämpfung der Nach den letzten Parlamentswahlen 2006
Corona-Pandemie, und anderen führte eine solche Situation zu
außenpolitischen Akteuren (China, Iran) bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Gaza-
beschäftigt, die Palästinenser blicken am 22. Streifen und einer politischen Spaltung von
Mai ihren ersten Parlamentswahlen nach 15 Westjordanland und Gaza-Streifen, die bis
Jahren entgegen. heute die Palästinensischen Gebiete
politisch lähmt. Aktuelle Umfragen sehen
Ein Austausch über die Qualität möglicher Fatah und Hamas landesweit annähernd
Beziehungen wird daher erst mit der neuen gleichauf. Eine dritte Kraft, angeführt von
Zusammensetzung der palästinensischen den ehemaligen Fatah-
Regierung möglich sein. Die angestrebten Führungspersönlichkeiten Nasser al-Qudwa
palästinensischen Präsidentschaftswahlen und Marwan Barghouti, könnte der Fatah
am 31. Juli sowie die Neuzusammensetzung allerdings die entscheidenden Stimmen
des Nationalrats der PLO am 31. August zum Wahlsieg kosten. Doch unabhängig
könnten den Prozess weiter verzögern. vom Ausgang der Wahl haben sich Fatah
Doch selbst wenn politische Gespräche zu und Hamas bereits im Vorfeld auf die
einer Wiederaufnahme der Strukturen Bildung einer Einheitsregierung geeinigt.
führen würden, wäre eine Neueröffnung Nur dadurch war es überhaupt möglich, die
eines von der US-Botschaft unabhängigen gegenseitige jahrelange Blockade zu
Generalkonsulats für die Palästinenser überwinden.
keineswegs konfliktentscheidend. Der
symbolische Charakter eines solchen Die Durchführung der Wahlen ist allerdings
Schritts hätte noch keinen Effekt auf den keinesfalls gesichert. Doch die Formierung
Friedensprozess. Mit Blick auf die einer Einheitsregierung soll auch im Falle
administrative Lage in Jerusalem und einer einer Verschiebung oder Absage der Wahl
nötigen Zustimmung der israelischen auf der Agenda stehen. Die vorsichtigen
Behörden scheint eine Wiedereröffnung gar Annäherungsversuche zwischen der PA und
Konfliktbestandteil zu werden, wobei den USA stünden beim Zustandekommen
fraglich ist, ob die Biden-Administration für einer Hamas-Beteiligung an den PA-Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Strukturen vor einer ernsthaften Abhängigkeit von internationalen
Belastungsprobe. Die im Westjordanland Hilfsleistungen, die Aussichten auf eine
regierende Fatah wird sich angesichts international getragene Friedenslösung sind
dessen vor die Frage gestellt sehen, wie viel jedoch gering. Es bleiben somit allein
nationale Einheit ihr das Verhältnis zu den Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Die
USA wert ist. Aufgrund des Drucks von den Zukunft der Palästinenser liegt dabei jedoch
USA sowie weiterer Staaten erscheint in längst nicht mehr in den Händen des US-
dem Zusammenhang auch eine von beiden Präsidenten.
Seiten getragene (offiziell unabhängige)
Expertenregierung möglich.
Die Zukunft des Nahost-
Friedensprozesses
Obgleich viele Israelis eine Neuauflage des
Nahost-Friedensprozesses unter Präsident
Biden befürchten, hat die palästinensische
Bevölkerung bei diesem Thema keine allzu
hohen Erwartungen an die neue US-
Regierung. Lediglich 44 % unterstützten im
März 2021 eine neue Verhandlungsinitiative
unter der Moderation der USA, 48 % lehnen
dies komplett ab. Größte Euphorie auf
palästinensischer Seite entfachte daher
lediglich das endgültige Aus für den
sogenannten Trump-Plan.
Mit dessen Ende ist auch die vorerst letzte,
von Palästinensern sowieso abgelehnte
Diskussionsgrundlage obsolet.
Zwar betont die palästinensische Führung
im Westjordanland ihre
Gesprächsbereitschaft für neue
Friedensverhandlungen, allerdings eben
nicht mehr unter alleiniger Vermittlung der
USA. Vielmehr setzt man auf das Nahost-
Quartett (EU, Russland, VN, USA) plus
weiterer Staaten wie China, die Türkei,
Jordanien und Ägypten. Eine derartige
internationale Konferenz scheint derzeit
jedoch aufgrund mangelnder Bereitschaft
sowie konkurrierender Interessen und
Prioritäten aussichtslos. Größere
Zugeständnisse oder gar Initiativen zur
Lösung des Konflikts sind zudem sowohl
von der israelischen wie auch der
palästinensischen Führung nicht zu
erwarten. Befördert wird der Stillstand von
einem zunehmenden Desinteresse der US-
Politik am Nahen Osten.
All dies trifft sich mit den mittlerweile
geringen Erwartungen, die die Palästinenser
an eine konstruktive Unterstützung durch
die internationale Staatengemeinschaft
haben. Zwar besteht eine hochgradigeKonrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Steven Höfner
Leiter des Auslandsbüros
Palästinensische Gebiete
www.kas.de/palaestinensische-gebiete
steven.hoefner@kas.de
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