NICCOLÒ MACHIAVELLI UND DIE REZEPTION SEINES POLITISCHEN DENKENS IM ZEITALTER DER EXTREME
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NICCOLÒ MACHIAVELLI UND DIE REZEPTION SEINES POLITISCHEN DENKENS IM ZEITALTER DER EXTREME Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie/ eines Magisters der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Christoph DE MARINIS, MA Bakk.phil. am Institut für Romanistik Begutachterin Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Susanne KNALLER Graz, 2021
2 INHALTSVERZEICHNIS Niccolò Machiavelli: Einleitung .............................................................................. 3 1. Die Entwicklung der politischen Theorie bei Niccolò Machiavelli .................... 8 1.1 Die Entwicklung des politischen Denkens bei Machiavelli vor Il Principe und I Discorsi ............................................................................. 10 1.1.1 Schriften zur Toskana........................................................................ 12 1.1.2 Schriften zur Miliz ............................................................................ 14 1.1.3 Schriften zu anderen Nationen .......................................................... 16 1.2 I Discorsi und Il Principe ............................................................................. 22 1.2.1 I Discorsi ........................................................................................... 22 1.2.2 Il Principe.......................................................................................... 25 2. Die Rezeption der politischen Schriften von Niccolò Machiavelli bis zum 20. Jahrhundert .................................................................................................. 29 3. Machiavellis Werk als intertextueller Faden der politischen Theorie des 20. Jahrhunderts ................................................................................................ 34 4. Machiavelli im Zeitalter der Extreme ............................................................... 42 4.1 Methodik, Programm und Motiv .................................................................. 43 4.2 Die Beziehung zwischen Tugend (virtù), Glück (fortuna) und Moral ......... 47 4.3 Die ,Natur‘ des Menschen und die Rahmenbedingungen menschlichen Zusammenlebens .......................................................................................... 49 4.4 Der Souverän: Fürst oder Volk ..................................................................... 56 4.5 Gesetz, Staat, Nation und Vaterland ............................................................. 61 Zusammenfassung und Diskussion ........................................................................ 71 Bibliografie ............................................................................................................ 76
3 NICCOLÒ MACHIAVELLI: EINLEITUNG Anlass dieser Arbeit ist das persönliche Interesse an den hier vorgebrachten Thematiken, die gleichsam als Schnittmenge meiner beiden Studiendisziplinen Romanistik/Italienisch und Soziologie angesehen werden können: Für den Romanisten beinhalten die Texte von Niccolò Machiavelli und ihre Rezeptionsgeschichte eine lange, intensive Tradition in der gesamten romanischen Literatur und wirken in vielfältiger Weise auf ihre literarischen Erzeugnisse. Machiavellis Texte, ihre Konzepte und ihre Rezeption sind ein häufiger Bezugspunkt wesentlicher Beiträge zur romanischen Literatur. Ein tiefgehendes Verständnis der Interpretationslinien ermöglicht es, Bezüge und Referenzen in anderen Texten zu entdecken, Nuancen in der Argumentation wahrzunehmen und neue Bedeutungen zu generieren. Für den Soziologen hingegen sind Fragen zum gesellschaftlichen Zusammenleben, der Diskussion seiner Bedingungen und Möglichkeiten seiner Stabilisierung wesentliche Problemstellungen seiner Disziplin. Die Rezeption von Machiavellis politischen Schriften bietet einen unerschöpflichen, spannenden Diskurs dieser Themen, die Machiavelli zu Beginn des 16. Jahrhunderts pointiert und provozierend formuliert und zugleich für sich beantwortet hat. Auf Basis der Diskussion seiner Konzepte von Tugend (virtù), Staat (stato) oder Vaterland (patria) haben sich zahlreiche Dialoge über das ‚gute‘ Zusammenleben entwickelt und diese Dialoge selbst können uns über die zentralen Herausforderungen ihrer Zeit informieren.
4 In Abschnitt 1, Die Entwicklung der politischen Theorie bei Niccolò Machiavelli werden die zentralen Themen seines literarischen Lebenswerks präsentiert. Eine entsprechende thematische Einführung ist für das Verständnis der Rezeptionsgeschichte notwendig. Auch wenn Kommentare zu Machiavellis Texten aufgrund der posthumen Veröffentlichung seiner Hauptwerke De Principatibus (Il Principe) und Discorsi sopra la prima Deca di Tito Livio (I Discorsi) erst nach seinem Ableben in Schwung kommen, so sind sie dennoch stets eng mit der politischen Person des einstigen Segretario della Seconda Cancelleria della Repubblica di Firenze verbunden. Die Kritik seiner Werke beschränkte sich aufgrund ihres provozierenden Inhalts nicht auf die Qualität seiner literarischen Erzeugnisse, der Charakter des Autors selbst wurde von Rezipient*innen verurteilt. Seine Texte wurden um kolportierte (geheime) politische Agenden des Florentiners erweitert und beeinflussten damit die weitere Rezeptionsgeschichte. Die administrativen Schriftstücke, welche in der Zeit seiner diplomatischen Tätigkeit verfasst wurden, entwickeln bereits die thematischen und konzeptionellen Grundlagen für Machiavellis Hauptwerke Il Principe und I Discorsi und führen in jene Motive ein, die später auch von seinen Rezipient*innen aufgenommen wurden. Die Rezeption von Machiavellis Texten beschäftigte sich bis zum 20. Jahrhundert vorrangig mit den ‚wahren‘ Intentionen des Autors und kritisierte entweder seine Motive, seine politischen Konzepte oder beides. Zudem beschränkte sich die Lektüre seiner Rezipient*innen größtenteils auf Il Principe und bereits viel seltener I Discorsi. In Abschnitt 2, Die Rezeption der politischen Schriften von Niccolò Machiavelli bis zum 20. Jahrhundert wird die lange Traditionsgeschichte kursorisch präsentiert. Die verschiedenen Autor*innen lassen sich dabei mehr oder weniger eindeutig bestimmten Rezeptionsströmungen zuordnen und bilden damit jene Interpretationslinien, die für alle weiteren Rezipient*innen wichtige Bezugspunkte darstellen.
5 Als methodische Basis für die Aufarbeitung der Rezeption von Machiavellis Texten wurde eine intertextuelle Betrachtung gewählt. Mit Hilfe dieser Perspektive können Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Rezipient*innen entdeckt und strukturiert werden. Die intertextuelle Analyse wird von folgender Forschungsfrage geleitet: Welche Bedeutungen ziehen die Autor*innen aus den Texten Machiavellis in Hinblick auf traditionelle Interpretationslinien und ihrer eigenen Position in diesem Diskursfeld? Machiavellis Werke zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche Stellung in Bezug zu Text und Kontext seiner Zeit und ihre vielfältige Rezeptionsgeschichte aus. Sie sind mit ambivalenten und traditionsreichen Konzepten, Begriffen und Ideen gespickt, die eine intertextuelle Betrachtung notwendig machen, um sie in Bezug zu ihren Ursprüngen und Rezeptionen positionieren zu können. Durch den, für den Autor typischen Einsatz von Sarkasmus und Ironie, öffnet Machiavelli Leerstellen für unterschiedliche Interpretationen der Rezipient*innen. Und nicht zuletzt haben seine Hauptwerke politische, teils täuschend hinterlistige Strategieführung zum Thema und einige Rezipient*innen vermuteten eine entsprechende verborgene Strategie unter der Textoberfläche seiner Werke. In Abschnitt 3, Machiavellis Werk als intertextueller Faden der politischen Theorie des 20. Jahrhunderts werden die Grundlagen der Intertextualitätstheorien besprochen und darauf eingegangen, wie dieses Konzept für die vorliegende Arbeit nutzbar gemacht wird. Für die vorliegende Untersuchung bilden ausgewählte Autor*innen des 20. Jahrhunderts den Analyserahmen. Die politischen Umwälzungen des Zeitalters der Extreme (Hobsbawn 1995) versprechen eine intensive Auseinandersetzung über Fragen des sozialen Zusammenlebens, stabiler Regierungsformen, Souveränität, Volk und Nation auf Basis divergierender politischer Vorstellungen. Die Rezeption von Machiavellis Texten kann als Verbindungsfaden der teilweise diametralen Perspektiven genutzt werden und ermöglicht somit eine Analyse der präsentierten Konzepte. Bei der Auswahl der Texte wurde auf eine gewisse Homogenität bei der Betrachtung von Machiavellis Werk geachtet. Die Rezipient*innen verbindet eine
6 theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit den Bedingungen des gesellschaftspolitischen Zusammenlebens im Allgemeinen, wobei sie Machiavellis Texte als argumentative Ankerpunkte verwenden, um sie auf Basis ihrer Vorstellungen zu beurteilen. Ausgespart wurde die konkrete Rezeption Machiavellis unter Autor*innen des Nazi-Faschismus, wenn auch Francesco Ercoles Ausführungen diese wesentlich beeinflussten. Die Rezeption von Machiavellis Theorien im Nazi-Faschismus stellt dennoch einen aus meiner Sicht separaten Diskursrahmen dar (siehe dazu z. B. Krull 1993, Rauscher 2001, Taurek 2010). Die Texte, die in dieser Arbeit herangezogen wurden, sind in den Jahren nach ihrer Verfassung die zentralen Werke der Rezeption von Machiavellis politischer Theorie bzw. wurde teilweise erst Jahre später veröffentlicht und rezipiert. Am Ende des Zeitalters der Extreme (Ende der 1970er, 1980er-Jahre) verlagert sich die Aufmerksamkeit der Rezipient*innen verstärkt auf historische und linguistische Studien (De Camilli 2001: 171ff), während der politische Gehalt von Machiavellis Texten in der Rezeption an Bedeutung verliert. Aktuell gibt es eine Reihe von komparativen Zusammenfassungen der Rezeption von Machiavellis Texten bis zum 20. Jahrhundert (z. B. Del Lucchese 2015, Angolo 2005 oder De Camilli 2000), bis dato fehlt aber eine Zusammenschau zwischen den Positionen der Rezipient*innen des Zeitalters der Extreme. In der vorliegenden Literatur finden sich einzelne Abschnitte zu Autoren (sic!) des 20. Jahrhunderts wie Chabod, Gramsci oder Strauss, es fehlt aber eine intensive, intertextuelle Auseinandersetzung. Ihre Ausführungen werden vorwiegend isoliert voneinander präsentiert. Diese Arbeit möchte diese Forschungslücke in Abschnitt 4, Machiavelli im Zeitalter der Extreme füllen und Texte anhand einer intertextuellen Kritik miteinander in Verbindung bringen. Zu diesem Zwecke werden ihre Beziehungen anhand einer thematischen Struktur aufgearbeitet, die von der ‚Natur‘ des Individuums bis hin zur Idee des ‚Vaterlandes‘ reicht. Die Auswahl der Autor*innen wurde anhand ihrer Verbundenheit zu gesellschaftspolitischen Fragen des 20. Jahrhunderts gewählt. Ihre Positionen, die anhand ihrer Machiavelli-
7 Rezeption illustriert werden, trugen nicht nur zur Entwicklung der literarischen Interpretation bei, sondern allgemein zum gesellschaftspolitischen Diskurs ihrer Zeit. Damit spannt die vorliegende Arbeit einen Bogen von grundlegenden Fragen des sozialen Zusammenlebens, wie sie Machiavelli am Übergang vom 15. ins 16. Jahrhundert aufgeworfen hat, zu ihrer Diskussion inmitten der Dynamiken des Zeitalters der Extreme, in dem neuerlich die Möglichkeit stabiler Gesellschaftsformen diskutiert wird. In der Zusammenfassung und Diskussion werden die Ergebnisse der intertextuellen Betrachtung summiert und gezeigt, wie das neu entstandene Textgewebe einen Beitrag zur Sinngenerierung der Ur-Texte sowie der referierenden Texte leisten konnte. Damit war es möglich Autor*innen, die diverse Perspektiven auf die selben Ausgangstexte einnehmen, miteinander in einen Dialog treten zu lassen und konkreten Momente zu benennen, an denen ihre politische Theorie zu unterschiedlichen Bewertungen der Ursprungstexte führte.
8 1. DIE ENTWICKLUNG DER POLITISCHEN THEORIE BEI NICCOLÒ MACHIAVELLI Niccolò Machiavelli (*1469) wird in einer angesehenen florentinischen Familie großgezogen und erfährt eine umfassende humanistische Bildung. Anders als es die familiäre Tradition von Juristen erwarten ließe, schließt Machiavelli kein Studium ab, womöglich aufgrund ökonomischer Einschränkungen oder seines unkonventionellen und unbändigen Charakters (Bruscagli 2008: 11). In Florenz regiert zu dieser Zeit die Familie der Medici, die jedoch in den folgenden Jahrzehnten ihre politische Macht immer stärker den Balìe, der kommunalen Justizbehörde, abtreten muss. Im Jahr 1494 werden die Medici, dank eines Zusammenschlusses der alten Aristokratie und des Gemeinvolks, aus Florenz vertrieben. Die Bevölkerung von Florenz will in Zukunft die Republik am Wohl aller ausrichten und sich auf verlorene Werte zurückbesinnen. Zu diesem Zwecke müssen strenge Gesetze eine neue moralische und politische Grundlage bilden (Reinhardt 2012: 45). Dies ebnet dem Dominikanermönch Girolamo Savonarola die politische Bühne von Florenz für knapp vier Jahre. Er predigt von Buße, Läuterung und Besserung oder der bevorstehenden unbarmherzigen Strafe Gottes, sollte sich Florenz nicht bekehren lassen. Dabei macht sich Savonarola durch seine ausschweifende Kritik der bestehenden Verhältnisse auch zahlreiche Feinde in der katholischen Kirche. Machiavelli steht den Lehren des Bußpredigers von Anfang an kritisch gegenüber, sieht den Einsatz von Religion bei Savonarola als Instrument der Beherrschung und Unterdrückung. Im Jahr 1498 verändert sich die politische Lage in Florenz, Savonarola hatte sich ins Abseits manövriert und mangels politischer Unterstützung wird er wegen Häresie festgenommen und schließlich auf der Piazza della Signoria verbrannt.
9 Im Frühjahr 1498, nach der Hinrichtung Savonarolas, tritt Machiavelli in den Beamtendienst der Republik von Florenz ein, indem er zum Segretario della Seconda Cancelleria della Repubblica fiorentina (Sekretär der Zweiten Kanzlei) gewählt wird. Die zweite Kanzlei beschäftigt sich vorrangig mit innenpolitischen Angelegenheiten, während die Aufgabe der ersten Kanzlei die Außenpolitik darstellt. Aufgrund der unsicheren außenpolitischen Lage von Florenz wird Machiavelli bald aber auch als mandatario mit diplomatischen Agenden betraut. Dies auch dank seiner guten Beziehung zu Piero Soderini, welcher 1502 zum gonfaloniere a vita gewählt wird. Im Rahmen seiner Tätigkeiten verfasst Machiavelli eine Reihe von formalen und bürokratischen Texten und entwickelt Teile jener wissenschaftlichen Konzepte, die sich später in seinen Hauptwerken wiederfinden werden (Bruscagli 2008: 16). Mit der Rückkehr der Medici 1512 und der damit einhergehenden Absetzung Soderinis, muss auch Machiavelli seinen Posten räumen. Er gilt als versteckter Widersacher der Medici und wird in weiterer Folge sogar eines Komplotts beschuldigt. Machiavelli wird eingesperrt, gefoltert und nach 22 Tagen freigelassen. Nach seiner Freilassung muss sich Machiavelli auf den Familiensitz in San Casciano zurückziehen. Eine Rückkehr in politische Ämter bleibt ihm, trotz einiger Anstrengungen, bis zu seinem Tod (†1528) verwehrt. Dieser kurze Abriss von Machiavellis Lebensgeschichte zeigt bereits, woraus sich seine politischen Ideen speisen bzw. auf welchen Säulen die Produktion seiner späteren politischen Hauptwerke fußt. Die Entwicklung seiner Theorien baut auf drei unterschiedliche Momente auf, nämlich die Zeit der Kindheit und Jugend, in der Machiavelli auf die umfangreiche Bibliothek des Vaters zurückgreifen konnte und im (1) Selbststudium mit den Werken antiker Klassiker in Berührung kommt. Die politischen Umwälzungen in Florenz und seine Verbindungen verschaffen ihm einen (2) administrativen Posten in der Stadtverwaltung und durch seine zahlreichen diplomatischen Missionen und reflektierten Korrespondenzen sammelt il Segretario eine Vielzahl von Erfahrungen und
10 Erkenntnissen. Nach der Rückkehr der Medici wendet sich das Blatt für Machiavelli und er ist gezwungen auf dem Gutshof seiner Familie, mit direktem Blick auf den Dom von Florenz, seiner politischen Karriere nachzutrauern und über seine Erkenntnisse zu philosophieren. Das Ergebnis sind u.a. seine (3) Hauptwerke Il Principe und I Discorsi. Niccolò Machiavelli hinterlässt uns ein umfangreiches literarisches Werk, welches De Camilli (2000: 20f) in fünf unterschiedliche Textsorten gliedert: (1) relazioni e comunicazioni epistolari (2) scritti politici (3) opere del carattere storico (4) testi d’invenzione (5) corrispondenza privata In dieser Masterarbeit wird es um die Rezeption seiner politischen Schriften gehen. In der ausgedehnten literarischen Diskussion, die unmittelbar nach dem posthumen Erscheinen seiner Hauptwerke Il Principe und I Discorsi entstand, finden die anderen Texte Machiavellis eine geringfügige bis gar keine Berücksichtigung. Diese Texte werden erst allmählich bei tiefergehenden Analysen von seinen Rezipient*innen dazu herangezogen, seinen Theorien bestimmte Bedeutungen zu entlocken und Entwicklungen nachzuzeichnen. 1.1 Die Entwicklung des politischen Denkens bei Machiavelli vor Il Principe und I Discorsi Eine diachrone Gliederung von Machiavellis politischen Schriften ist nützlich, um die thematische Entwicklung seiner Arbeit wahrzunehmen. Obwohl sich seine politischen Texte sehr stark nach Stand der Ausarbeitung, Übermittlungsform und Ausgangsmotivation voneinander unterscheiden, gibt Marchand (1975) einen
11 überzeugenden Rahmen vor, indem er sie nach seinen drei Hauptaktivitäten als Beamter in Florenz aufgliedert1: (1) Schriften zur Toskana: interne Verwaltung des florentinischen Herrschaftsgebiets (2) Schriften zur Miliz: Organisation und Strukturierung einer Miliz (3) Schriften zu anderen Nationen / zur Außenpolitik: diplomatische Aufträge in Italien und Europa Tabelle 1: Machiavellis politische Schriften vor Il Principe und I Discorsi (Gliederung nach Marchand 1975 und Bruscagli 2008) Schriften zur Toskana Schriften zur Miliz Schriften zu anderen Nationen / zur Außenpolitik Discorsi sopra Pisa (1499) La cagione dell’ordinanza … Discursus de pace inter (1506) imperatorem et regem (1501) De rebus Pistoriensibus (1502) Provisione della ordinanza 2. Teil der Parole di dirle sopra (1506) la provisione del danaio (1503) 1. Teil der Parole di dirle sopra Discorso sulla milizia a cavallo De natura Gallorum (1503) la provisione del danaio (1503) (1510) Del modo di trattare i popoli L’ordinanza de’ cavalli (1510-2) Il tradimento del duca Valentino della Valdichiana ribellatti (1503) (1503) Provvedimenti per la riconquista Ghiribizio circa Iacopo Savello Rapporto delle cose della Magna di Pisa (1509) (1511) (1508) Ai Palleschi (1512) Discorso sopra le cose della Magna e sopra l’Imperatore (1509) Ritratto di cose di Francia (1512) Ritratto delle cose della Magna (1512) 1 Bruscagli (2008: 16f) folgt ebenfalls größtenteils dieser Gliederung und erweitert sie um Machiavellis Erfahrungen in Frankreich und Deutschland als separate Kategorie. Die Zuteilung von Machiavellis einzelnen kleineren politischen Schriften zwischen 1499 und 1512 zeigt Tabelle 1.
12 Im Folgenden werden die theoretischen Inhalte der drei Kategorien kurz umrissen und die wichtigsten konzeptionellen Themen in Machiavellis theoretischem Denken angesprochen. Diese Themen finden sich in einer systematischeren Ordnung in seinen Hauptwerken wieder. 1.1.1 Schriften zur Toskana In den Schriften zur Toskana kommentiert Machiavelli im Allgemeinen die politische Ausrichtung von Florenz in der Zeit seiner Anstellung als Segretario della Seconda Cancelleria della Repubblica di Firenze. Besonderes Augenmerk gibt er in diesen Texten der Beziehung zwischen Herrschenden und ihren Untergebenen, welche stets durch das Binom Liebe-Gewalt geprägt ist. Für Machiavelli kann das Vertrauensverhältnis zwischen Herrscher und Untergebenen ausschließlich auf liebevoller Zuneigung oder respektvoller Stärke basieren. Er scheint in seinen Texten jedoch meist eine Politik der Stärke und Repression zu empfehlen und wurde daher als hart und herzlos kritisiert. Marchand (1975: 318) argumentiert, dass Machiavelli in seinen Texten die Vorteile von friedfertigem Handeln anspricht, in seinen Analysen aber nach Prüfung aller pazifistischen Optionen oftmals zu dem Schluss gelangt, dass ein Vorgehen mit Härte die einzige Lösung darstelle. Für Machiavelli ist der Einsatz von Gewalt kein repressives Mittel, sondern dient als vertrauensbildende Maßnahme in Hinblick auf Untergebene, um ein Klima der Sicherheit zu schaffen. Puòssi per questa deliberazione considerare, come i Romani nel giudicare di queste loro terre ribellate pensarono che bisognasse o guadagnare la fede loro con benefizi, o trattarli in modo che mai più ne potessero dubitare; e per questo giudicarono dannosa ogni altra via di mezzo che si pigliasse. (Machiavelli 2011: 381)
13 Der Einsatz von Härte und Gewalt muss für jede politische Situation neu abgewogen werden, denn die Beziehung zwischen Herrscher und Untergebenen ist von einer gegenseitigen Verpflichtung gekennzeichnet. Für Machiavelli führt ein zu großes Maß an Autonomie lediglich zu Unordnung und dazu, dass die Bevölkerung leichter für aufständische Einflüsse empfänglich ist. Eine friedfertige Vorgehensweise ist zu bevorzugen und der Einsatz von Stärke nur dann und nur so lange gerechtfertigt, solange sie der Verteidigung der Untergebenen dient. Hier kristallisiert sich auch Machiavellis Abneigung gegenüber einer inkonsequenten politischen Haltung, einer via di mezzo ab, die er als typische politische Haltung der florentinischen Regierung seiner Zeit wahrnimmt (Bruscagli 2008: 16). Ein weiterer Aspekt seiner frühen politischen Texte zur Toskana ist Machiavellis Verständnis von Geschichte als didaktische Quelle. Er startet seine Entwicklung mit der Prämisse, dass sich geschichtliche Ereignisse wiederholen und es daher so etwas wie historische Präzedenzfälle gäbe. Machiavelli bedient sich dieser historischen Ereignisse, um Handlungsentscheidungen abzuleiten, Beispiele von Vorgehensweisen in Situationen mit ähnlichen Rahmenbedingungen zu geben und schließlich auch, um Geschichte als allgemeingültiges Modell zu konzipieren. Für ihn wird dadurch Geschichte in seiner zyklischen Vorstellung zu einer sich wiederholenden Anreihung von ähnlichen Ereignissen. Dieses Modell macht eine Wissenschaft der Politik auf Grundlage von Ursache und Wirkung erst möglich und das Studium antiker Autoren nützlich. Machiavellis Vorstellung beruht auf seiner Annahme der Unveränderlichkeit bestimmter Phänomene, wie jenes des menschlichen Wesens, ihrer Leidenschaften, ihrer sozialen Bedingungen, Beziehungen und Verhaltensweisen.
14 In Bezug zu den Beziehungen von Florenz mit dem ‚Ausland‘ sind für Machiavelli zwei Dinge entscheidend: Zum einen die Unmöglichkeit auf schnelle Hilfe von außen zu hoffen, die nicht mit egoistischen Interessen der Unterstützer einhergeht, zum anderen die daraus resultierende Notwendigkeit, interne Probleme mit eigenen Kräften zu bewältigen. Hinzu ist Machiavelli der Meinung, dass eine stabile Beziehung zwischen zwei Nationen nur über gegenseitigen Respekt hinsichtlich ihrer militärischen Stärken bestehen kann. Daher plädiert Machiavelli für eine mutigere Politik, indem er auch von einem Fall der Republik warnt. Et di nuovo vi replico che, sanza forte, le città non si mantengono, ma vengono al fine loro. El fine è o per desolatione, o per servitù. Voi sete stati preso, questo anno, ad l’uno et l’altro; et vi ritornerete, se non mutate sententia. Io ve lo protexto. (Machiavelli 2011: 378) 1.1.2 Schriften zur Miliz In Machiavellis Schriften zur Ordnung von Florenz und der damit verbundenen Formierung einer eigenen Miliz wird der Einsatz von militärischer Kraft (forza) von einer konkreten Handlungsanweisung für bestimmte Situationen, zu einer grundlegenden Basis für die Stabilität eines Staates. Für Machiavelli sind hierarchische Beziehungen zwischen Menschen in jedem Entwicklungsstadium von Gesellschaften notwendig und diese Hierarchie beruht auf dem Verhältnis von Stärke. Dieses Konzept überträgt er auf die Makroebene der Beziehung zwischen Staaten und setzt sich deshalb für die Formierung einer nationalen Miliz ein, im Gegensatz zur seinerzeit üblichen Rekrutierung von illoyalen Söldnertruppen. Seine Argumentation verläuft zunächst nur entlang der Verurteilung von Söldnern, die für einen Staat entweder eine stete Bedrohung darstellen oder sich durch höchste Ineffizienz auszeichnen würden. Diese Darlegungen werden nach und nach mit den Vorteilen einer eigenständigen Miliz angereichert. Eine nationale Miliz zeichne sich vor allem durch ihre Disziplin und innere Kohäsion sowie durch ihre Motivation aus, den eigenen Besitz bis zuletzt zu verteidigen. Machiavelli verknüpft mit diesem
15 Konzept von Stärke (forza) die Vorteile einer Miliz auf der Makroebene – Sicherheit nach Außen sowie Ansehen gegenüber anderen Staaten – mit jenen auf der Mikroebene – Sicherheit im Inneren, vor allem im Kampf gegen revolutionäre Kräfte und damit Stabilität der Republik. […] cognosciuto quanta poca speranza si possi avere nelle genti e arme esterne e mercenarie, perché se sono assai e reputate, non sono o insopportabili o sospette, e se sono poche o sanza reputazione, non sono d’alcuna utilità, giudicano esser bene d’armarsi d’arme proprie, e d’uomini suoi proprii, […] (Machiavelli 2011: 410) Eng mit der Formierung einer eigenständigen Miliz und somit der Bewaffnung der eigenen Bevölkerung, geht die Frage nach dem Vertrauen in die Untergebenen einher. Die ausgehändigten Waffen könnten zu privaten Zwecken und im schlimmsten Fall zu einer Rebellion genützt werden. Für Machiavelli hingegen würde die Bewaffnung der Bevölkerung das Risiko eines Aufstandes verringern, denn eine nationale Miliz würde die menschlichen und bürgerlichen Werte wiederbeleben. Die Wertschätzung und das Vertrauen, das die Formierung einer Miliz ausdrücken würde, werde eine Zusammenarbeit der Herrscher und Beherrschten ermöglichen, denn ein Klima der Gerechtigkeit würde der Bevölkerung die Angst nehmen und somit aufbegehrenden Kräften den Boden entziehen. Die Sicherheit der Bevölkerung war vor allem zu Beginn der Formierung einer Miliz von höchster Bedeutung. Machiavelli legt deshalb zunächst sehr viel Wert auf die genaue Darstellung der Ausbildung, Ordnung und Disziplinierung der Truppen. Die Einflussbereiche und Macht der Miliz werden, auf parlamentarischen Druck hin, klar abgegrenzt und stark eingeschränkt. Et vi adverdrete anchora a’ vostri dì che differentia è havere de’ vostri cittadini soldati per electione et non per corruptione, come havete al presente; perché, se alcuno non ha voluto ubbidire al padre, allevatosi su per li bordelli, diverrà soldato; ma uscendo dalle squole honeste et dalle buone educationi, potranno honorare sé et la patria loro. (Machiavelli 2011: 410).
16 Einmal diese Leitlinien definiert, scheint das Risiko einer eigenen Miliz nicht mehr als vordergründiges Thema wahrgenommen zu werden. Die Schriften zur Miliz sind Machiavellis einziger Versuch, seine politischen Prinzipien mit der realen Situation in der Toskana in Einklang zu bringen. Sie sind weder Grundsätze einer utopischen Gesellschaft noch Ausdruck rein militärischer Ambitionen (Marchand 1975: 422). 1.1.3 Schriften zu anderen Nationen In den Schriften zu anderen Nationen interessiert sich Machiavelli für die innere Struktur und Organisation dieser, beschäftigt sich aber auch mit den Persönlichkeiten der Souveräne jener Länder, die er als Sekretär bereisen konnte. Dabei gehen seine Reflexionen bereits über einen momentanen Nutzen für die ihm aufgetragenen Missionen hinaus. Machiavelli geht seiner Neugier nach, wenn er versucht die Charakteristika zusammenzutragen, die einen Staat stark bzw. schwach machen. Er geht stets nach dem gleichen Schema vor: Zunächst werden die Einzelfälle deskriptiv beschrieben, dann analytisch miteinander in Beziehung gesetzt und schlussendlich werden in vielen Fällen normative Schlüsse gezogen, die in diesen Schriften noch nicht in allen Aspekten komplett ausgereift sind. Seine Texte beinhalten für die Figur des Souveräns noch keine einheitlichen, normativen Handlungsanweisungen. Machiavelli zeigt lediglich anhand einiger Beispiele auf, dass Souveräne im Allgemeinen die Tendenz pflegen, sich nicht besonders um Gerechtigkeit zu kümmern, sondern viel öfters eine Politik des persönlichen Vorteils, der Stärke und vollendeten Tatsachen verfolgen. Anhand von Cesare Borgia (Il Duca Valentino) beschreibt Machiavelli (2011: 374-7) die beispielhafte Entwicklung, wie ein Souverän eine ausweglose Situation in einen totalen Triumpf verwandeln kann, wenn er über die nötigen Eigenschaften verfügt: Zum ersten die Fähigkeit, die Gelegenheiten (occasioni) zu ergreifen, die ihm das Glück (fortuna) verschafft. Zum zweiten die Fähigkeit zu täuschen (simulare e dissimulare), zum dritten die nötige Kraft und Stärke (forza, virtù) und zum vierten
17 die Fähigkeit im Geheimen zu agieren. Die Fähigkeit zu täuschen und seine Handlungen geheim zu halten, sorgen für eine größere Effizienz beim Einsatz von Stärke. In Machiavellis Ausführungen zum Heiligen Römischen Reich kritisiert er Souveräne, die nicht über diese Eigenschaften verfügen und stattdessen improvisieren, nicht resolut vorgehen und dazu noch inkompetent sind, so wie Maximilian I. L'imperatore non chiede consiglio a persona, ed è consigliato da ciascuno; vuol fare ogni cosa da sé, e nulla fa a suo modo, perché non ostante che non iscuopra mai i suoi segreti ad alcuno sponte, come la materia gli scuopre, lui è svolto da quelli ch’egli ha intorno e ritirato da quel suo primo ordine: e queste due parti, la liberalità e la facilità, che lo fanno laudare a molti, sono quelle che lo ruinano. (Machiavelli 2011: 438) Diese Beschreibungen von Einzelfällen werden miteinander in Beziehung gebracht und verglichen. Zunächst nur untereinander, erst später mit dem unpersönlichen, zeitlosen Modell des idealen Souveräns. Machiavelli reflektiert in diesen Schriften auch über die Rolle der Zwischenmächte, die zwischen dem Souverän und seinem Volk stehen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass eine zu große Autonomie der Aristokratie in Bezug zum Souverän das Haupthindernis für das Schaffen eines starken Staates darstellt. Das Fehlen einer starken zentralen Macht verhindert zum einen imperialistische Aktionen, zum anderen lässt es einen offenen Kampf zwischen den einzelnen Interessensgruppen zu. Für Machiavelli ist klar, dass eine Ausschaltung dieser Zwischenkräfte einen Hauptgrund für die Stärke eines Staates darstellt. In der innenpolitischen Organisation des Staates werden die Freiheiten der einzelnen Fürsten wieder aufgegriffen. Eine schwache Zentralmacht lässt Neid zwischen den Interessensgruppen entstehen und die Diversität der Institutionen behindert die Koordination ihrer Aktionen, selbst wenn der Souverän und die Fürsten das gleiche Ziel verfolgen. Für Machiavelli hängt somit der Erfolg eines Staates nicht von einem Ausverhandeln zwischen Autoritäten ab, sondern wird durch eine zentralisierte Politikstruktur gewährleistet, die Kontrolle über lokale
18 Machthaber ausübt. Als Beispiel dafür bringt Machiavelli Frankreich, wo der König in allen Bereichen – Besteuerung, Rechtssystem, Administration, Verteidigung – präsent ist. „Le terre suddite alla corona non hanno fra loro altro ordine che quello che li fa el re in fare danari o pagare dazii, ut supra.” (Machiavelli 2011: 432). Hier verliert Machiavelli kein Wort mehr über den Charakter des Souveräns. Das erweckt den Anschein, als ob ein Staat, der eine gewisse Homogenität erreicht hat, keine Notwendigkeit für einen Souverän besitzt, der über spezielle Eigenschaften verfügt. Die Stabilität der Struktur und die Kontinuität der Dynastie scheinen zumindest für die innere Ordnung ausreichend. Die Organisation des Militärs ist zunächst nie zentraler Fokus von Machiavellis Analysen, das Heer wird stets als Mittel beschrieben, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Erst später entwickelt er ein Interesse für seine Organisation, wenn er Frankreichs Beispiel erläutert, das kaum Geld für die Verteidigung des Landes ausgeben muss, dessen Soldaten aber nur gegen großzügige Bezahlung auf ein Schlachtfeld gehen. Weiters interessiert sich Machiavelli für die Art und Weise, wie der Souverän auf das Heer zugreifen kann und plädiert für eine direkte Unterstellung. Die militärische Struktur sollte die politische wiederspiegeln. Ferner beschäftigte sich Machiavelli auch mit den ‚technischen‘ Aspekten von Militär und Kriegsführung, in dem er z. B. die kämpferischen Qualitäten von bestimmten Völkern, Truppen oder Ausrüstungen beschreibt. Dabei liefert er sowohl technische als auch psychologische Erklärungsversuche. Le fanterie che si fanno in Francia non possono essere molto buone, perché è gran tempo che non hanno avuto guerra, e per questo non hanno esperienzia alcuna. E di poi sono per le terre tutti ignobili e gente di mestiero; e stanno sottoposti a’ nobili e tanto sono in ogni azione depressi che sono vili. (Machiavelli 2011: 428) In diesen Schriften kann noch keine einheitliche Theorie eines ,idealen‘ Staates herausgelesen werden. Vielmehr handelt es sich um eine erste Phase des Studiums der besten Organisationsformen für verschiedene Arten politischer Herrschaft. Vom aufstrebenden, neuformierenden Staat in der Romagna,
19 dem Staat mit etablierten Strukturen im Heiligen Römischen Reich, in dem jedoch große Teile dem Einfluss des Souveräns entweichen, bis hin zum Staat in seiner letzten Phase der Konsolidierung am Beispiel Frankreichs, analysiert Machiavelli die Staatsstrukturen in jeder Kategorie. Als Chef der zweiten Kanzlei beschäftigt sich Machiavelli vorwiegend mit der Innenpolitik von Florenz und beschränkt sich oftmals auf eine praktische Anwendbarkeit seiner Analysen. Er verfügt zwar nur über eine eingeschränkte Autonomie, dürfte aber als Teil der administrativen Körperschaft von Florenz über Innen- sowie Außenpolitik äußerst gut informiert gewesen sein. Langsam entwickelt sich auf Grundlage dieser Erfahrungen ein objektiveres und allgemeineres Verständnis der politischen Ereignisse, die über eine lebhafte Diskussion mit seiner Kollegenschaft weiter geschult wird. Zunächst betreibt Machiavelli noch eine traditionelle, vernunftgeleitete und bewertende Analyse, von der er sich aber im Zuge seiner außenpolitischen Missionen in Frankreich und der Romagna befreien wird. In Frankreich lernt Machiavelli die Wichtigkeit einer stabilen Staatsstruktur kennen. Machiavelli ist beeindruckt von der Stärke des französischen Staates, hält aber bereits an dem Glauben fest, dass eine solche Stabilität auch von einem italienischen Staat erreicht werden kann. Am Hofe Cesare Borgia hingegen kommt Machiavelli zu dem Schluss, dass Staaten bzw. Fürsten über gewisse Charakteristika verfügen müssen, wenn sie ihre Unabhängigkeit erreichen oder behalten wollen: Die Ereignisse in Senigallia2 haben gezeigt, dass Stärke, List und die Fähigkeit zur Täuschung sowie eine rasche Analyse und Entscheidungsfindung essenziell für den politischen Erfolg sind. Er analysiert die gesamte Vorgeschichte des Massakers in Senigallia inklusive der notwendigen Voraussetzungen für ihr Gelingen. Machiavelli beschreibt beispielhafte Modelle aus der Vergangenheit und stellt somit erstmals eine kontinuierliche Verbindung zwischen antiker Geschichte 2 Cesare Borgia lädt seine Feinde unter dem Vorwand nach Senigallia ein, einen Friedenspakt beschließen zu wollen. Stattdessen werden seine Gegner eingesperrt und in weiterer Folge hingerichtet.
20 und aktuellen Ereignissen her. In einem nächsten Schritt münzt er seine Erkenntnisse auf die politische Situation von Florenz um. Dabei orientiert sich Machiavelli größtenteils an einer traditionellen Analyse, geht aber in einigen Aspekten auch darüber hinaus: Anders als die traditionelle Vorstellung ist die Schwäche von Florenz für Machiavelli keine unveränderliche Konstante. Die Unterordnung unter eine Schutzmacht wie Frankreich führe zu ineffizienten Entscheidungen. Ohne eine politische und militärische Stärkung sei Florenz dem Gutdünken anderer ausgeliefert und werde früher oder später untergehen. In Bezug auf die staatlichen Institutionen wurden traditionell die Gründe für Probleme bei den Personen gesucht, die diese Positionen bekleiden. Machiavelli stellt hingegen erstmals die Effizienz der Institutionen als solche in Frage. Wie bereits bei anderen kontemporären Autoren ist für Machiavelli die Geschichte eine Lehrmeisterin, bei ihm wird diese Vorstellung über die Prämisse der Unveränderbarkeit der menschlichen Leidenschaften aber beinahe auf ein wissenschaftliches Fundament gestellt. Traditionell wurde das Glück als eine heidnische Göttin angesehen, die den Menschen schicksalshaft Möglichkeiten bereitet. Machiavelli vertritt jedoch die Vorstellung, dass der Mensch durch energisches und resolutes Handeln Einfluss auf sein Glück nehmen bzw. den Handlungsspielraum einschränken kann. Weiters nutzt Machiavelli die Vernunft nicht nur zu bestimmten Analysen, sondern durchgehend. Sie stellt den einzigen Weg zu gesicherter Erkenntnis dar. Vernunft und Kraft, nämlich die Kraft, die durch Vernunft erzielten Erkenntnisse durchzusetzen, gehen Hand in Hand. Machiavelli ist sich sicher, dass alles über die Vernunft analysierbar ist. Die weiteren geschichtlichen Ereignisse – nämlich der Triumpf von Julius II. und der Fall von Cesare Borgia – lassen Machiavellis Sicherheiten einstürzen. Julius II. war ohne große Vorbereitung und mit nur wenigen Männern nach Perugia gereist und hatte triumphiert, während die Baglionis entgegen aller Regeln, die Möglichkeit zu einer Handlung wie in Senigallia nicht genutzt haben. Dieser Erfolg
21 von Julius II. widerspricht allen Glaubenssätzen Machiavellis und er ist von dieser Irrationalität überwältigt, versucht aber dennoch die Ereignisse zu analysieren. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass sich die Zeiten geändert hätten. Der Grund, warum Menschen mit denselben Handlungen zweitweise Pech, zeitweise Erfolg haben, ist in den veränderten Umständen zu suchen. Weil sich aber die Zeiten ändern, die Menschen jedoch nicht, regiert stets das Glück. Um das Glück zu beherrschen sind Intuition, Kühnheit und Mut gefragt. Mit der nötigen Initiative kann der Mensch sein Schicksal also selbst in die Hand nehmen. Das ist eine Erweiterung über das sture Lernen von historischen Präzedenzfällen hinaus, die Durchsetzungskraft des Menschen unter den herrschenden Umständen wird zum treibenden Motor. In weiterer Folge entfernt sich Machiavelli von der Vorstellung einer Politikwissenschaft, die rein auf Erfahrung beruht. Er geht auf die Suche nach den fundamentalen Grundsteinen für die Existenz von Staaten und findet sie in der militärischen Kraft und seiner Ordnung. Zunächst sind für Machiavelli noch Kraft (forza) und Klugheit (prudentia) gleichbedeutend für die staatliche Ordnung. Diese Begrifflichkeiten entwickeln sich hin zu Gerechtigkeit (giustizia) und Waffen bzw. Militär (armi). Machiavelli verliert zunehmend das Vertrauen in den Verstand als Werkzeug, das alles ordnen kann. Er spricht sich daher für Gerechtigkeit aus, verstanden als resolute Anwendung der Gesetze auf Grundlage der Unfähigkeit des Menschen, die gesamte Komplexität von politischen Problemen zu begreifen. Bei seiner Analyse der Niederlage von Maximilian I. gegen die schwächeren Venezianer geht Machiavelli nicht nur auf militärische, sondern auch auf die politischen, sozialen, ökonomischen und historischen Gründe ein. Dabei ist für ihn die Autorität Maximilian I. im Verhältnis zu jener der Feudalherren und der damit einhergehende Zugriff auf das Militär ein wesentliches Merkmal. […] perché chi non ardisce farli guerra, ardisce negarli aiuti; e chi non ardisce negargnene, ha adire, promissi che li ha, non li osservare, e chi non ardisce ancora questo, ardisce differire tanto le promisse che non sono in tempo che se ne vaglia: e tutte queste cose impediscono e perturbano e disegni. (Machiavelli 2011: 443)
22 Machiavelli definiert das Erbschaftsrecht, die absolute Macht und die direkte Unterstellung des Militärs unter die Autorität des Souveräns, die Eliminierung aller Feudalherren, die Zentralisierung aller Kräfte und Ressourcen, das Bestehen eines großen, reichen und privilegierten Hofstaates sowie die Sicherheit der Grenzen als wichtigste Charakteristika eines starken Staates. In den politischen Texten hin zu I Discorsi und Il Principe haben sich Machiavellis Interessen von einem Studium des Fürsten, auf ein Studium der politischen Strukturen, die unabhängig von den Qualitäten des Souveräns für eine maximale Stabilität und Macht des Staates sorgen, verlagert. Machiavellis Texte sind zwar von keiner eindeutigen, geradlinigen Entwicklung seiner Vorstellungen getragen, dennoch lässt sich grob eine Evolution nachzeichnen. Nachdem Machiavelli zunächst alle Hoffnungen in die Kraft der Vernunft gelegt hatte, fügt er später der Vernunft die machtvolle Durchsetzungsfähigkeit hinzu. In seinen späteren Texten beschreibt er die militärische Macht und die staatliche Struktur als wesentliche Aspekte für einen erfolgreichen Staat. 1.2 I Discorsi und Il Principe Die beiden posthum erschienenen Hauptwerke Niccolò Machiavellis, Discorsi sopra la prima Deca di Tito Livio und Il Principe (ursprünglich De principatibus), haben eine intensive, bis heute andauernde Diskussion über die ‚wahren‘ Absichten des Autors nach sich gezogen. 1.2.1 I Discorsi Die Discorsi sopra la prima Deca di Tito Livio (I Discorsi) sind laut Capata (2011: 4) Machiavellis Hauptwerk, obwohl sie nicht die Rezeption von Il Principe erfahren. In diesem Werk legt Machiavelli eine Gesamtschau auf das organische Leben von Republiken, den notwendigen zivilen Gründungsvoraussetzungen, den institutionellen Rahmenbedingungen und ihren Untergang. I Discorsi werden 1531 posthum veröffentlicht.
23 Das Werk umfasst drei Büchern, die sich thematisch in (1) Angelegenheiten der Innenpolitik einer Republik (I Libro), (2) Angelegenheiten außerhalb und zur Erweiterung der Republik (II Libro) und (3) die Qualitäten berühmter römischer Persönlichkeiten (III Libro) einteilen lassen. Sie entsprechen in ihrer Struktur nicht dem klassischen Kommentar eines antiken Textes, denn Machiavelli gibt die chronologische Struktur immer wieder für thematische Referenzen auf andere Bücher des Titus Livius auf. Ob dies der Tatsache geschuldet ist, dass I Discorsi in verschiedenen Phasen geschrieben wurden, oder es eine bewusste Entscheidung des Autors war, ist Gegenstand von Diskussion (vgl. dazu Richardson 1973, Gilbert 1953). Für Machiavelli ist vor allem die Qualität des Gründungsakts eines republikanischen Staates von essenzieller Bedeutung für dessen Fortbestand. Zu diesem Zeitpunkt muss die absolute Tugend (virtù) in Form eines außergewöhnlichen Gründervaters bei der Gestaltung der Institutionen wirken. Sobald Ordnung und Regeln hergestellt sind, ist es an der Zeit für den Herrscher abzudanken, nur für diese Einsicht benötige es ein seltenes Maß an Selbstlosigkeit. Debbi bene in tanto essere prudente e virtuoso [der Gründervater], che quella autorità che si ha presa non la lasci ereditaria a un altro: perché, sendo gli uomini più pronti al male che al bene, potrebbe il suo successore usare ambiziosamente quello che virtuosamente da lui fusse stato usato. Oltre a di questo, se uno è atto a ordinare, non è la cosa ordinata per durare molto, quando rimanga sopra le spalle d’uno. (Machiavelli 2011: 75) Als Beispiel für eine ‚goldene Zeit‘ der Republik dienen Machiavelli die dreieinhalb Jahrhunderte der römischen Republik nach der Vertreibung des Tyrannenkönigs Tarquinius, in denen die Geschicke Roms von den tüchtigsten Menschen geleitet wurden (Reinhardt 2012: 263). Die eingeführten Institutionen und Ordnungen würden mit der Zeit immer stärker der Korruption und dem Niedergang verfallen, wenn die partikulären Interessen der einzelnen Amtsträger die öffentliche Sache zu ihrer privaten machen. Für die Stabilität der Republik sei es unverzichtbar, den persönlichen gesellschaftlichen Status von den
24 administrativen Funktionen zu trennen und die Bürger*innen arm zu halten, während die Staatskassen gefüllt sind. Die ewig gleiche Natur des Menschen, getrieben von seiner Gier und Missgunst, sei der Grund für den dauerhaften zyklischen Charakter der Geschichte und den daraus folgenden organischen Phasen der Geburt, des Wachstums und des Niedergangs von Staaten und Staatsformen. […] perché nessuno rimedio può farvi, a fare che non sdruccioli nel suo contrario, per la similtudine che ha in questo caso la virtute ed il vizio. (Machiavelli 2011: 61) E questo è il cerchio nel quale girando tutte le republiche si sono governate e si governano. (Machiavelli 2011: 63) Dieser Niedergang ließe sich durch die regelmäßige Erneuerung und Rückbesinnung auf die originären Werte und Tugenden verzögern, jedoch nicht vermeiden. Machiavelli stellt sich die zentrale Frage, ob Florenz zu einer solchen Erneuerung überhaupt fähig ist und war bis zuletzt zwischen Pessimismus und Hoffnung hin- und hergerissen (Reinhardt 2012: 266). Am Beispiel der römischen Verfassung demonstriert Machiavelli, wie die Vor- und Nachteile der Staatsformen kombiniert werden können, um dem natürlichen Untergang zu entgehen. Für den Niedergang von Florenz macht Machiavelli auch die Kirche verantwortlich: Sie habe jede Hingabe und jede Religion verloren und würde darüber hinaus die Vereinigung Italiens verhindern. Die christliche Religion, wie sie das Papsttum lehrt, ist schädlich und Päpste handeln ohnehin konträr zu ihren eigenen Idealen. Die Kirche würde Menschen verherrlichen, die jede Abscheulichkeit, jede Unterdrückung passiv ertragen, anstatt Kraft und Tapferkeit zu loben. Die Religion müsse sich den Bedürfnissen der Republik unterstellen, so wie es im Römischen Reich praktiziert wurde: E veramente, mai fu alcuno ordinatore di leggi straordinarie in uno popolo che non ricorresse a Dio; perché altrimenti non sarebbero accettate. (Machiavelli 2011: 79) […] in ogni azione loro importante, o civile o militare; né mai sarebbero iti ad una espedizione, che non avessono persuaso ai soldati che gli Die promettevano loro la vittoria. (Machiavelli 2011: 83)
25 Diese harte Verurteilung hätte, so De Camilli (2002: 30), zum Bruch zwischen Machiavelli und der katholischen Kirche geführt. Religion ist ein Herrschaftsinstrument, das Legitimation für Ordnung und Gesetze erzeugen kann. Da sie diese Funktion in Italien nicht erfüllt, wäre sie unnütz (Reinhardt 2012: 269). Das Funktionieren eines Staates bedingt weiters den offenen Kampf zwischen Adeligen und dem Plebs, an dem sich die tüchtigsten Personen verdient machen. In diesem Zusammenhang ist es nötig, dass Mächtige zu jederzeit und von jedem angeklagt werden können. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Anklage und Verurteilung unrechtmäßig sind, ist die Tatsache nützlich, dass die Großen sich vor den Mechanismen des Staates fürchten müssen. I Discorsi stellen in dieser Form ein breites „laboratorio teorico-politico” (Capata 2011: 3) dar, dass ausgehenden von einigen Kommentaren zu Titus Livius Texten weitreichendere Argumente verfolgt. 1.2.2 Il Principe Machiavelli schreibt sein bekanntestes Werk De principatibus (Il Principe) in wenigen Monaten im Jahr 1513 und widmet es den Medici, mit der Motivation sich die Gunst dieser zu sichern und wieder ein politisches Amt in Florenz bekleiden zu dürfen. Capata (2011: 2) betont den politischen und biografischen Kontext, in dem Il Principe verfasst wurde, denn dieser wurde und werde von vielen Interpretationen nicht berücksichtigt (vgl. dazu De Camilli 2000: 22). Das Werk kursiert lange Zeit als Manuskript bevor es 1532 posthum veröffentlicht wird. Es reiht sich in die Tradition der Fürstenspiegel ein, welche bis dato als Anleitung zur guten Herrschaft dem Fürsten Tugenden wie Milde, Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit lehren sollten (Reinhardt 2012: 251f). Machiavelli betont jedoch, dass er einen anderen Weg einschlagen möchte. E molti si sono immaginati republiche e principati che non si sono mai visti né conosciuti in vero essere. Perché gli è tanto discosto da come si vive a come si doverrebbe vivere, che colui che lascia quello che si fa, per quello che si doverrebbe fare, impara più presto la ruina che la perservazione sua. (Machiavelli 2011: 33f)
26 Für Reinhardt (2012: 261) ist der Inhalt des Principe eine Zusammenfassung seiner früheren politischen Schriften, in ihrer Zusammenstellung und Konzentration würden sie jedoch einen überwältigenden Eindruck bei den Lesenden hinterlassen. Machiavelli wählt lateinische Kapitelüberschriften, ganz der Gattungstradition folgend, verfasst den Inhalt aber auf Italienisch. Dies würde bereits darauf hindeuten, dass Il Principe nicht für die Gelehrtenkreise bestimmt, sondern an jene gerichtet war, die täglich Politik betrieben (De Camilli 2000: 23f). Die 26 Kapiteln lassen sich in folgende Themengebiete gliedern: Die Kapitel 1 bis 11 sind der Einteilung von verschiedenen Kategorien von Fürsten gewidmet, je nach der Art und Weise, wie sie zu ihrem Reich gelangt sind. Machiavelli unterscheidet zwischen vererbten, neuen, gemischten und kirchlichen Fürstentümern. Je nach Entstehungsgeschichte des Fürstentums sind andere Herausforderungen zu bewältigen und andere Mitteln zu wählen, damit der Fürst seine Macht ausüben und für Stabilität sorgen kann. Hier treffen wir wieder auf Cesare Borgia als ersten Prototypen des idealen Fürsten. […] Cesare Borgia, chiamato dal vulgo duca Valentino, acquistò lo stato con la fortuna del padre e con quella lo perdé, non ostante che per lui si usassi ogni opera e facessinsi tutte quelle cose che per uno prudente e virtuoso uomo si doveva fare […] Se adunque si considerrà tutti e’ progressi del duca, si vedrà lui aversi fatti grandi fondamenti alla futura potenza; e’ quali non iudico superfluo discorrere perché io non saprei quali precetti mi dare migliori, a uno principe nuovo, che lo esemplo delle azioni sue. (Machiavelli 2011: 17) Die kirchlichen Fürstentümer sind für Machiavelli ein Sonderfall. Sie werden durch die Religion zusammengehalten, gleich wie sich ihre Fürsten anstellen. Obwohl sie nicht verteidigt werden, bleiben sie bestehen und ihre Bevölkerung bleibt gehorsam, obwohl sie nicht regiert wird. In den Kapiteln 12 bis 14 widmet sich Machiavelli der Organisation der militärischen Macht, die seiner Ansicht nach sehr eng mit dem Fürsten und dem Staat verbunden sein sollte. „Debbe dunque uno principe non avere altro obietto né altro pensiero né prendere cosa alcuna per sua arte, fuora della guerra e ordini e disciplina di essa” (Machiavelli 2011: 32). Er spricht sich deutlich gegen den
27 Einsatz von Söldnertruppen aus und führt hierfür Beispiele aus den jüngsten Invasionsfeldzügen in Italien an. Die darauffolgenden Kapitel bis hin zum Kapitel 23 beschäftigen sich mit der Beschreibung von Verhaltensregeln für einen Fürsten, wenn er oder sie die Führung seines Fürstentums behalten möchte. Dabei spricht Machiavelli von einer Perspektive der verità effetuale (Machiavelli 2011: 33ff) im Gegensatz zu jenen Autoren, die utopische Vorschläge propagieren würden. In diesen Kapiteln werden die notwendigen Charaktereigenschaften, Kompetenzen und Methoden dargelegt, die einen erfolgreichen Fürsten ausmachen. Machiavelli beginnt mit der Analyse der Beherrschten und ihren Eigenschaften, mit denen der Fürst umgehen muss und der daraus ableitbaren Frage, ob es besser für den Fürsten ist, geliebt oder gehasst zu werden? „Rispondesi che si vorrebbe essere l’uno e l’altro; ma perché e’ gli è difficile accozzarli insieme, è molto più sicuro essere temuto che amato, quando si abbi a mancare dell’uno de’ dua” (Machiavelli 2011: 36). Auf diesen Prinzipien baut laut Reinhardt (2012: 254) das Konzept der Staatsräson auf: Die Kategorien der Moral und Ethik sind nicht auf den Staat anwendbar, wenn sie damit seine Existenz bedrohen. Vermeintlich ethische Maximen wie die Überschrift von Kapitel 19 In che modo si abbia a fuggire lo essere sprezzato e odiato sind lediglich in ihrer Funktion zur Erhaltung der Macht zu verstehen (Reinhardt 2012: 255). Das Kapitel 24 rekapituliert die Gründe für die schwache politische Position der italienischen Staaten, die auf die mangelhaften Fähigkeiten der heimischen Fürsten zurückzuführen sei. Pertanto questi nostri principi, e’ quali erano stati molti anni nel loro principato, per averlo di poi perso, non accusino la fortuna, ma la ignavia loro: perché, non avendo mai ne’ tempi quieti pensato ch’e’ possino mutarsi […] quando poi vennono e’ tempi avversi, pensorno a fuggirsi non a defendersi […]. (Machiavelli 2011: 51)
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