PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - Gesellschaft für Pädiatrische ...

 
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AUSGABE 04 / 2017

PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE
                                                                                  IN KLINIK UND PRAXIS

TOPIC                       TOPIC                        UMWELTMEDIZIN            ELTERNRATGEBER
Biologika in der Therapie   Natürliche Biologika – das   Digitale Medien und      Untersuchung der
des Asthma bronchiale       Mikrobiom bei allergischen   Gesundheit von Kindern   Lungenfunktion – Teil II
                            Erkrankungen                 und Jugendlichen
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Liebe Leserinnen und Leser!
In der Allergologie kennen wir uns mit      Flora auf und im menschlichen Körper,         Dieses Heft erscheint wieder pünktlich
Naturstoffen − den Allergenen, die eine     die wir hier − wenn sie denn einst tatsäch­   zum diesjährigen Deutschen Allergie­
allergische Reaktion auslösen können −      lich relevante therapeutische Qualität        kongress, der dieses Mal in Wiesbaden
natürlich sehr gut aus. Wir haben in den    ­erreichen sollten − als natürliche Biolo­    unter Federführung des ÄDA stattfindet.
letzten 15 Jahren darüber hinaus sehr       gika bezeichnen wollen. Hier gibt es ei­      Das aktuelle Motto ist: Gemeinsam die
viel über die Pathophysiologie der Aller­   nige vielversprechende Beobachtungen          ­Allergologie stärken – Forschung, Fort­
gien, aber vor allem die Regulation des     darüber, wie die auf Haut und Schleim­        bildung, Versorgung. „Hohe Wissenschaft,
Immunsystems gelernt. Seit geraumer         häuten lebenden Bakterien­populationen        neueste Erkenntnisse aus den allergolo­
Zeit sind wir in der Phase der Anwendung    in die Ätiologie und Pathophysiologie von     gischen Laboren dieser Welt umsetzbar
dieser Erkenntnisse angelangt: der Ein­     entzündlichen Erkrankung eingreifen. Im       zu machen für Ihre praktische Fortbildung
satz von Biologika in der Medizin!          zweiten Topic-Artikel wird der Stand des      und die Versorgung unserer Patienten“,
                                            Wissens in Sachen Allergologie speziell       so die Präsidenten Prof. ­Klimek und Prof.
Biologika sind biotechnologisch her­        betrachtet.                                   Wehrmann: Die Allergologie im Lichte
gestellte Eiweißmoleküle, die vom bio­                                                    translationaler Medizin, von der „Bench“
logischen Modell abgeleitet werden. Wir     Aus unseren Ressorts: Volker Wahn             zur „Bedside“. Diese Perspektive steht in
versuchen, damit die biologischen Sys­      stellt ein sehr interessantes, wenn auch      allen Fachgebieten ganz oben auf der Ta­
teme, insbesondere das Immunsystem,         seltenes, neues Syndrom mit einem             gesordnung. Die GPA ist selbstverständ­
vor allem bei entzündlichen Reaktionen,     schweren Immundefekt vor, die SIFD.           lich − wie man auch an diesem Heft erken­
aber auch bei onkologischen Erkran­         Susanne Büsing und Jens-Peter Banzer          nen kann – ganz vorne mit dabei.
kungen gezielt zu beeinflussen. In der      beschreiben die überraschende Ursa­
Medizin ist das aktuell eines der mo­       che für einen Stridor. Frank Friedrichs       Ihnen eine gute Lektüre und mit
dernsten Themen − in diesem Heft stellt     berichtet über Neues zum Autoinjek­           den ­besten Grüßen,
es unser Topic mit zwei Artikeln.           tor in Hessen und geht kritisch auf den
                                            KBV-Medikationskatalog für Erwach­                                        Ihr Albrecht Bufe
Die Biologika sind fester Bestandteil       sene ein. Michael Gerstlauer und Tobi­
professioneller Asthmatherapie gewor­       as Ankermann beantworten Fragen an
den, wie Philippe Stock in seinem Arti­     den Allergologen zu folgenden Themen:
kel ausführt. Da sich aber die naturwis­    Hundeallergie    und   Notfall-Adrenalin­       Prof. Dr. med. Albrecht Bufe
senschaftlichen Erkenntnisse über die       pen − erforderlich? und: Ritalin und Im­
Bedeutung verschiedener Zytokine und        muntherapie – schließt sich das aus?
Zellsignale nicht eins zu eins in die Be­   Bernhard Sandner verschafft uns einen
handlung überführen lassen, wird in die­    Überblick zum Umgang mit Digitalen
sem Bereich noch viel experimentiert.       Medien und deren Konsequenzen für die
Mit Anti-IgE- und Anti-IL-5-Antikörpern     Gesundheit. Im Journal Club berichten
ist man in der Asthmatherapie bereits       wir von einer präventiven Studie zur frü­
sehr weit vorangekommen und hat ent­        hen Einführung von Hühnerei. Abschlie­
sprechend bereits Leitlinienkompetenz       ßend beschreibt Michael Gerstlauer im
                                                                                            Experimentelle Pneumologie
erreicht. Etwas anders ist es mit den       Elternratgeber spezielle Untersuchun­
                                                                                            Ruhr Universität Bochum | 44780 Bochum
­Erkenntnissen zum Humanen Mikro­           gen der Lungenfunktion, Teil II, etwa die       albrecht.bufe@rub.de
biom, der Gesamtheit der mikrobiellen       Bodyplethysmografie.
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INHALT / IMPRESSUM
TOPIC                                                                                                            WEITERE THEMEN

6    Biologika in der Therapie des                       10 Natürliche Biologika − Das Mikrobiom                 17 Der Pneumologische Fall
     Asthma bronchiale                                      bei allergischen Erkrankungen                             Stridor im ersten Lebensjahr −
     	Asthma bronchiale wird weiterhin häufiger:             	Das Mikrobiom im Gastrointestinaltrakt, in den        Laryngomalazie?
     Inzwischen sind jeder 12. Erwachsene und                 Atemwegen und auf der Haut hat nachweislich
                                                                                                                 20 Gesundheitspolitik
     jedes 10. Kind betroffen. Rund 60 % der Kinder           große Bedeutung für Gesundheit und Krankheit
                                                                                                                      Aktuelles zur Pharmakotherapie allergischer
     mit Asthma bronchiale erleiden akute Asthma­             des Menschen. Es lebt in einer Symbiose mit
                                                                                                                      und pneumologischer Erkrankungen im
     anfälle, an deren Folgen in den USA 185 Kinder           dem menschlichen Organismus und nimmt
                                                                                                                      Kindes- und Jugendalter
     und 3262 Erwachsene im Jahr 2007 gestorben               erheblichen Einfluss auf die frühe Entwicklung
     sind. Vor diesem Hintergrund ist eine spezi­             des Menschen, vor allem auch dessen Immun­         23 Frage an den Allergologen
     fische Therapie, die über die übliche Behand­            system. Eine Dysbalance in der Diversität des           Allergische Reaktion bei Kontakt mit
     lung nach dem Stufenschema hinausgeht,                   Mikrobioms auf Haut und Schleimhäuten ist               Hunden − ist ein Notfallpen erforderlich?
     für manche Patienten unabdingbar. Hier setzt             assoziiert mit der Entstehung und dem Verlauf
                                                                                                                 24 Neue Immundefekte
     die zielgerichtete Therapie mit Biologika an,            von Asthma bronchiale, Atopischer Dermatitis
                                                                                                                      SIFD (sideroblastic anemia with immuno­-
     von denen einige Wirkstoffe bereits erprobt              sowie zahlreichen Autoimmunerkrankungen.
                                                                                                                      deficiency, fevers and developmental delay)
     sind.                                                    Entsprechend wird seit geraumer Zeit versucht,
                                                              verschiedenste Strategien für die Modulation       28 Serie Quartheft
                                                              und Manipulation des Mikrobioms im Sinne                Spricht Therapie mit Ritalin gegen eine SIT?
                                                              von Präventions- und Therapiemaßnahmen
                                                                                                                 29 Umweltmedizin
                                                              zu entwickeln und bekannte Produkte unter
                                                                                                                      Digitale Medien und Gesundheit von
                                                              den neuen pathophysiologischen Erkennt­
                                                                                                                      Kindern  / Jugendlichen
                                                              nissen zu evaluieren. Das Mikrobiom reüssiert
                                                              damit zu einem aus der Natur isolierbaren
                                                                                                                 JOURNAL CLUB
                                                              Biologikum.
                                                                                                                 26 Allergieprophylaxe: Frühe Einführung
                                                                                                                      von Hühnerei ohne positiven Effekt

                                                                                                                 ELTERNRATGEBER
                                                                                                                 33 Lungenfunktionsuntersuchung Teil II

                                                                                                                 VERANSTALTUNGEN
                                                                                                                 36 Termine

Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, 20. Jg / Nr. 4

Herausgeber:                                             Ressortschriftleiter:                                   Bildnachweis:
Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie               Dr. med. Peter J. Fischer, 73525 Schwäbisch Gmünd       Fotos: Dr. S. Büsing: S. 18 | Prof. A. Bufe: S. 3,
und Umweltmedizin e. V., Rathausstraße 10,               (Elternratgeber); Dr. med. Frank Friedrichs, 52072      S. 12 oben | Fotolia: Titelseite: Andrey Kiselev,
52072 Aachen, Tel. 02 41/98 00-4 86,                     Aachen (Gesundheitspolitik); Dr. med. Michael           S. 14: GordonGrand, S. 20: kozorog, S. 22: ajilatan,
Fax 02 41/98 00-2 59, gpa.ev@t-online.de,                Gerstlauer, Klinikum Augsburg, Klinik für Kinder und    S. 23: nuzza11, S. 26: Markus Mainka, S. 30: antic,
E www.gpau.de                                            Jugendliche, 86156 Augsburg (Fragen an den Aller­       S. 31: svetaorlova, S. 36: Picture-Factory |
                                                         gologen); Dr. med. Thomas Lob-Corzilius, Wielandstr.    Dr. M. Gerstlauer: S.33
Verlag:                                                  15, 49078 Osna­brück (Umweltmedizin); PD Dr. med.
iKOMM • Information und Kommunikation im                                                                         Anzeigenleitung:
                                                         Hagen Ott, Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER
Gesundheitswesen GmbH, Friesenstraße 14,                                                                         iKOMM GmbH, Albrecht Habicht.
                                                         BULT, 30173 Hannover (Pädiatrische Dermatologie),
53175 Bonn, Tel. 02 28 /37 38 41, Fax 02 28 /37 38 40,                                                           Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3 vom 1. Oktober 2016
                                                         Prof. Dr. med. Jürgen Seidenberg, Elisabeth-Kinder­
info@ikomm.info, E www.ikomm.info                        krankenhaus, 26133 Oldenburg (Pädiatrische Pneu­        Erscheinungsweise:
Verlagsleitung: Dr. Ulrich Kümmel                        mologie); Prof. Dr. med. Volker Wahn, Charité Campus    Die Pädiatrische Allergologie in Klink und Praxis er-
                                                         Virchow, Klinik m. S. Pädiatrische Pneumologie und      scheint vierteljährlich jeweils zu Beginn des Quartals.
Schriftleitung:                                          Immuno­logie, 13353 Berlin (Pädiatrische Immuno­
Prof. Dr. med. Albrecht Bufe, Experimentelle Pneumo­                                                             Bezugspreise:
                                                         logie)
logie, Ruhr Universität Bochum, 44780 Bochum,                                                                    Einzelheft (eJournal): 15,00 Euro, Jahresabonnement:
albrecht.bufe@rub.de;                                    Redaktion:                                              42,00 Euro, Jahresabonnement für Studenten
Dr. med. Armin Grübl, Kinderklinik München-              Dr. med. Susanne Meinrenken, Am Schäferhof 3,           (bei Vorlage einer Bescheinigung): 31,50 Euro
Schwabing, Klinik und Poliklinik f. Kinder- und          28759 Bremen, susanne.meinrenken@sprachzeug.de          Layout: kippconcept gmbh, Bonn
Jugendmedizin der TUM, Kölner Platz 1,
80804 München, armin.gruebl@tum.de                       Hinweis: Bei Berufsbezeichnungen sind immer             ISSN: 2364-3455
                                                         beide Geschlechter gemeint, also Kinder- und
                                                         Jugendärztinnen bzw. Kinder- und Jugendärzte.
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6     Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic

TOPIC

Biologika in der Therapie
des Asthma bronchiale
Philippe Stock, Hamburg

Asthma bronchiale wird weiterhin häufiger: Inzwischen sind jeder 12. Erwachsene und jedes 10. Kind betroffen. Rund 60 % der Kinder mit
Asthma bronchiale erleiden akute Asthmaanfälle, an deren Folgen in den USA 185 Kinder und 3262 Erwachsene im Jahr 2007 gestorben
sind. Vor diesem Hintergrund ist eine spezifische Therapie, die über die übliche Behandlung nach dem Stufenschema hinausgeht, für
manche Patienten unabdingbar. Hier setzt die zielgerichtete Therapie mit Biologika an, von denen einige Wirkstoffe bereits erprobt sind.
In Zukunft wird es erforderlich sein, noch weitere Biomarker zu entdecken, um passende weitere Biologika entwickeln zu können.

Epidemiologie                                     Kortikosteroide bei schwer therapier­
                                                  ­                                            unerwünschten Wirkungen zunimmt. Also
                                                  barem Asthma bronchiale nur bis zu ei­       ist bei milden bis moderaten Formen des
Aktuelle Zahlen belegen, dass die An­             nem gewissen Grad zu einer verstärkten       Asthma bronchiale durch die Therapie
zahl von Patientinnen und Patienten mit           Wirksamkeit führt. Wie bereits 1998 in ei­   mit inhalativen Kortikosteroiden, Betami­
Asth­ma bronchiale − wenn auch nicht              ner Metaanalyse gezeigt werden konnte,       metika, Leukotrienrezeptor-­Antagonisten
mehr so schnell wie in den vergangenen            sind bei steigenden Tagesdosierungen         oder Anticholinergika eine gute Symp­
Jahren − weiterhin zunimmt. Während               von inhalativem Budesonid sowohl die         tomkontrolle erreichbar. Bei schweren
im Jahr 2001 jeder 14. US-Bürger (ca. 20          Verbesserungen der Lungenfunktions­          steroidrefraktären Formen des Asthma
Millionen, 7 % der Bevölkerung) unter             parameter als auch die klinische Symp­       bronchiale hingegen sind weitere thera­
Asthma bronchiale litt, war dies im Jahr          tomatik nur bis zu einem gewissen Grad       peutische Möglichkeiten mithilfe von ge­
2009 bereits jeder 12. (ca. 25 Millio­            steigerbar [1]. Im Unterschied hierzu        zielt und an der Pathogenese o
                                                                                                                            ­ rientiert
nen, 8 % der Bevölkerung). Asthma war             scheint bei weiterer Erhöhung inhalativer    wirkenden Präparaten notwendig.
bei Kindern mit einem von zehn Kin­               Kortikosteroide (über 500 µg Fluticason­
dern ­häufiger als bei Erwachsenen, und           propionat Tagesdosis) ein systemischer       Pathophysiologisch
57 % der be­troffenen Kinder hatten im            Effekt zuzunehmen, messbar mittels           orientierte Therapie
Jahr 2008 ­einen akuten Asthmaanfall­             auffälligem ACTH-Test als Zeichen einer      beim Asthma bronchiale
(Erwachsene: 51 %) [6].                           Nebennierenrindensuppression [18].
                                                                                               Bei der Entstehung des Asthma bron­chiale
Allein im Jahr 2010 hatten 3 von 5                Brauchen wir Biologika                       kann heute von drei wesentlichen Mecha­
asth­
    ma­
      tischen Kindern einen akuten                beim Asthma bronchiale?                      nismen ausgegangen werden (Abb. 1):
Asthma­anfall. In 2007 starben in den
Vereinigten Staaten von Amerika 185               Wie die epidemiologischen Daten der          ❙❙ Dendritische Zellen sind für die Aus­
Kinder und 3262 Erwachsene an den                 vergangenen Jahre zeigen, ist eine gute        differenzierung von Th0-Zellen zu
­Folgen ihres Asthmas bronchiale. Aktu­           ­Asthmakontrolle weiterhin dringend not­       Th2-Zellen verantwortlich, hierfür ist
elle Schätzungen gehen davon aus, dass            wendig; es gibt auch weiterhin Formen          ein Milieu bestehend aus Interleukin-4,
die Anzahl von Menschen mit Asthma                des therapierefraktären Asthma bron­           Interleukin-13 und Interleukin-5 not­
bronchiale weltweit bis 2025 auf über             chiale, die zu rezidivierenden Asthma­         wendig. Folge ist eine eosinophile
100 Millionen ansteigen wird [3].                 anfällen und ggf. sogar vereinzelt zu          Inflammation.
                                                  Todes­fällen führen. Wir haben außerdem      ❙❙ Unter dem Einfluss von Interleukin-6,
Bekannter Plateaueffekt                           gelernt, dass die Dosissteigerungen einer      TGF-β, Interferon-γ, IL-17 und TNF-α

der inhalativen Steroide                          antientzündlichen Dauertherapie der un­        kommt es zu Ausdifferenzierung von
                                                  teren Atemwege nur bis zum Erreichen ei­       Th17- und Th1-Zellen, welches zu
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass              nes spezifischen Plateaus sinnvoll ist und     einer   neutrophilen   Inflammations­
eine Erhöhung der Dosis der inhalativen           darüber hinaus dann lediglich das Maß an       reaktion führt.
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - Gesellschaft für Pädiatrische ...
Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic     7

                                                                                                                                              ten. Hier war eine erneute Asthma-Exazer­
  Abbildung 1. Für die Entstehung von Asthma bronchiale sind im                                                                               bation in der Omalizumab-Gruppe signi-
  Wesentlichen die 3 Mechanismen des Remodelling und der neutrophilen                                                                         fikant reduziert. Außerdem ließ sich
  und eosinophilen Inflammationsreaktion bedeutsam                                                                                            die   Exazerbationsrate       besonders     bei
                                                                                                                                              den­jenigen Kindern senken, die hohe
                                                                                                                     Remodelling              Do­
                                                                                                                                                sierungen      von    inhalativen    Kortiko-
                                                                               Wachstumsfaktoren                                              steroiden sowie Betamimetika be­nötigten
                                                                               (TGF-b, GM-CSF)
                                                                                                                                              (Fluticasonproprionat 500 µg / Salmeterol
   Allergene, Viren, Toxine, Oxidanzien

                                                                               CCL11, CCL5
                                              Makrophagen
                                                                                                                                              50 µg 2-mal tgl.). Bei Patienten mit leich­
                                                                               IL-6, TGF-b, INF-       Neutrophile Inflammation               teren Formen des ­Asthma bronchiale war
                                                                               g, IL-17, TNFa
                                                                                                                                              der protektive Effekt von Omalizumab
                                                                                                                                              nicht statistisch signifikant. Interessanter­
                                                                                            TH17       TH1
                                                                                                                                              weise konnte in dieser Studie die Anzahl
                                                                                                                                              von IgE-Rezeptoren auf plasmozytoiden
                                                                                  IL-4, IL-13,         Eosinophile Inflammation
                                                                   TH0            IL-5                                                        dendritischen Zellen (pDC), den Schlüssel-
                                          Dendritische Zelle                                                                                  zellen einer antiviralen Immunantwort,

                                                                                         TH2
                                                                                                                                              ­signifikant reduziert werden. Somit konn­
                                                                                                   B
                                                                                                                                              te eine anti­virale Immunantwort, vor allem
                                               ILC                                                                                            mittels ­Interferon-α, wieder hergestellt­
                                                                                                                                              werden [11, 12, 20].
                                                                                                                       modifiziert nach [9]

                                                                                                                                              Eine aktuelle Übersichtsarbeit bietet ei­
❙❙ Makrophagen sind beteiligt an der In­                                           und Jugendlichen mit moderatem bis                         nen hervorragenden Überblick über die
  duktion von den Wachstumsfaktoren                                                schwerem Asthma konnte zeigen, dass                        Ergebnisse aus klinischen Studien und
  TGF-β und GM-CSF, sowie CCL11 und                                                insbesondere die mit Infektionen assozi­                   Anwendungsbeobachtungen bei Kindern
  CCL5; das Resultat sind Vorgänge des                                             ierte saisonale Exazerbationsrate durch                    und Jugendlichen mit unkontrolliertem
  interstitiellen Remodelling, was zur                                             Hinzunahme von Omalizumab signifikant                      allergischem Asthma bronchiale [7].
  Entstehung des Asthma bronchiale                                                 reduziert werden konnte [4].
  beiträgt [8, 9].                                                                                                                            Anti-IL 5
                                                                                   Ausgehend von diesen Daten wurde in                        Im Jahr 2014 konnten 2 Phase-3-Studien
Pathogenese-orientierte                                                            einer prospektiven randomisierten Kon­                     zur Behandlung von schwerem eosino­

Therapie der eosinophilen                                                          trollstudie (RCT) in zwei verschieden syn­                 philem Asthma bronchiale mit dem In­

Inflammation                                                                       chronisierten Kohorten in den Herbstmo­                    terleukin-5-spezifischen        monoklonalen
                                                                                   naten 2012 und 2013 an 8 Studienzentren                    Antikörper Mepolizumab veröffentlicht
Anti-IgE                                                                           der präventive Effekt einer präsaisonalen                  werden [2, 15]. Mepolizumab wurde entwe­
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass der                                           Therapie mit Omalizumab untersucht                         der intravenös oder subkutan verabreicht
mononukleäre                              Antikörper           gegen     IgE       (PROSE-Studie). Insgesamt wurden 478                       und zeigte insbesondere in Bezug auf die
(Omalizumab) eine signifikante Reduk­                                              Innenstadtkinder            mit    persistierendem         Reduktion von Exazerbationen hochsig­
tion der Asthma-Exazerbationen (um                                                 allergischem Asthma bronchiale rando­                      nifikante Effekte (i. v.: Reduktion um 47 %,
43 %) bewirkt. In derselben Studie konnte                                          misiert und erhielten eine präsaisonale                    subkutan: Reduktion um 53 %). Im Jahr
gezeigt werden, dass in einer Reduktions­                                          Intervention entweder mit inhalativen                      2015 konnte der Nutzen bei Patientinnen
phase der systemischen Steroide 18,2 %                                             Kortikostero­
                                                                                               iden oder mit Omalizumab                       und Patienten mit eosinophilem Asthma
der mit Omalizumab behandelten Kinder                                              4−6 Wochen vor Schulbeginn [20]. Die Be­                   bronchiale (n=1707 kumuliert) in einer
aufgrund einer Exazerbation eine Steroid­                                          obachtungszeit nach dem Schulstart be­                     Cochrane-Analyse gezeigt werden [17].
verdopplung brauchten, wohingegen dies                                             trug 90 Tage. Hier konnte gezeigt werden,
bei Kindern ohne Omalizumab in 38,5 %                                              dass insbesondere diejenigen Kinder von                    Für    Resilizumab      konnten       ebenfalls
der Fälle notwendig war [13, 14]. Eine                                             der Therapie mit Omalizumab profitierten,                  2 Phase-3-Studien (multizentrisch, dop­
Anwendungsbeobachtung bei Kindern                                                  die kürzlich eine Exazerbation erlitten hat­               pelblind, placebokontrolliert) bei Patien­
PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - Gesellschaft für Pädiatrische ...
8       Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic

tinnen und Patienten mit Asthma bron­
chiale (12 − 75 Jahre) zeigen, dass die                                 Zielorte der Therapie mit Biologika bei Asthma bronchiale

Exazerbationsrate, Lungenfunktionswer­
                                                                      Anti-IgE                                             Omalizumab
te sowie die Lebensqualität günstig be­
einflusst wurden [5]. Mepolizumab ist als                             Anti-IL 5                                            Mepolizumab, Resilizumab
Add-on-Therapie bei schwerem refrak­
                                                                      Anti-IL 13                                           Lebrikizumab
tärem eosinophilem Asthma bronchiale
ab dem 18. Lebensjahr für die subkutane                               Anti-IL 4 und Anti-IL 13                             Pitrakinra
Anwendung (alle 4 Wochen) zugelassen.
                                                                      Neutrophile Entzündungsreaktion                      Mögliche Optionen, bisher ohne
                                                                                                                           positive Daten: Secunkimumab,
Anti-IL 13
                                                                                                                           Etanercept, Golimumab, Infliximab
Nach initial wenig versprechenden Er­
gebnissen wurde im Jahr 2011 eine ran­
domisierte,         doppelblinde,         placebokon­               Anti-IL4                                              cher IL-4-Rezeptor) konnten bisher keine
trollierte Studie mit 219 erwachsenen                               Die Effekte der rekombinanten Protein­                ­klinischen Effekte nach­gewiesen werden.
Patienten mit inadäquat kontrolliertem                              variante Pintrakinra, welche antagonis­
Asthma bronchiale publiziert, die den                               tisch gegen Interleukin 4 und Interleukin             Neutrophile Entzündungsreaktion
monoklonalen Anti-IL-13-Antikörper Le­                              13 wirkt, sind abhängig vom Genotyp des               Für die Therapie einer neutrophilen Ent­
brikizumab monatlich subkutan über                                  Interleukin-4-Rezeptors, wie 2012 gezeigt             zündungsreaktion stehen monoklonale
6 Monate erhielten: Hier profitierte insbe­                         wurde [19, 21]. Untersucht wurden 407                 Interleukin-17-Antikörper in der klini­
sondere die Subpopulation an Patienten                              Probanden mit moderatem bis schwerem                  schen Erprobung. Insgesamt kann dem
signifikant von Lebrikizumab, die hohe                              Asthma, 12 Wochen Therapie unter Ent­                 Anti-IL-17-Antikörper Secunkinumab bis­
Mengen an Periostin (extrazelluläres Ma­                            zug von langwirksamen Betamimetika                    her in einer Phase-2-Studie noch kein
trixprotein, induziert durch Interleukin 4                          und inhalativen Kortiko­
                                                                                           steroiden. Das                 ­signifikanter Effekt zugesprochen wer­
und Interleukin 13 in Atemwegsepithelzel­                           klinische Ansprechen auf Pitrakinra kor­              den. Für die Blockade von TNF-alpha mit
len und in Lungenfibroblasten) aufwiesen                            relierte eindeutig mit 2 Polymorphismen               löslichem Rezeptor (Etanercept) oder
[10]. Mit Anrukinzumab und Tralokinumab                             im Interleukin-4-Rezeptor alpha. Für die              neutralisierenden Antikörpern (Golimu­
sind weitere monoklonale Antikörper ge­                             Anti-IL 4 neutralisierenden Therapeutika              mab, Infliximab) ließen sich bisher keine
gen Interleukin 13 in der Entwicklung.                              Pascolizumab und Altrakincept (lösli­                 signifikanten Daten zeigen.

    Abbildung 2. Verschiedene monoklonale Antikörper und ihre Zielorte                                                    Zusammenfassung

                                                                                                                          Milde bis moderate Verlaufsformen stel­
                                                                                                    Neutrophil
                                                                        IL-17 AK                                          len die Mehrheit bei allen Patientinnen
                                                                     • Secukinumab

                                                                                                                          und Patienten mit Asthma bronchiale dar.
                                                                       IL-17                                              Bei diesen Patienten lässt sich mit den
                                         TH17                                                  Neutrophil
                                                                                                                          verbreiteten und unspezifisch wirkenden
                                                                   IL-13 AK                         Eosinophil
                                  IL-4 Varianten
                                  • Pitrakinra
                                                                • Lebrikizumab                                            Therapieformen in aller Regel eine ausrei­
                                                                • Tralokinumab
                                                                   T
      Allergen                    • Anrukinzumab                                                           IgE - AK
                                                                • Anrukinzumab
                                                                                                      • Omalizumab        chende Therapiekontrolle erreichen.

                                         IL-4                        IL-13
                           TH0                        TH2                          B Zelle
                                                                                                                          Bei schweren Verlaufsformen, die teilwei­
                                    IL-5 AK                                                                               se nicht auf Steroide ansprechen, ist ne­
      Dendritische Zelle         • Mepolizumab           IL-5                        IL-9 AK
                                 • Resilizumab
                                                                                 • MEDI-528                               ben einer gründlichen Überprüfung der
                                 • Benralizumab

                                                                                                                          Diagnose die Evaluation pathogenetisch
                                                                                       IL-9                               orientierter, spezifischer Therapieformen
                                                   Eosinophil           TH9
                                                                                               Mastzelle                  notwendig. Hierfür ist es erforderlich,
                                                                                                                          spezifische Biomarker zu identifizieren
                                                                                                  modifiziert nach [16]   (Abb. 3). Mit den bereits bekannten Mög­
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Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic               9

lichkeiten der Differenzierung verschie­
dener pathogenetischer Mechanismen                            Abbildung 3. Therapeutisches Vorgehen bei Asthma bronchiale

des Asthma bronchiale (IgE, Eosinophi­
lie,   Periostin,       IL-4R-Polymorphismen
etc.) stehen wir erst am Anfang einer                                                                   Asthma bronchiale
zielgerichteten Therapie. Die Zukunft der
erfolgreichen Behandlung solcher For­
                                                                      Anamnese / Befunde / Evaluation (Krankheitsbeginn und -verlauf, Exazer­bationen,
men des schweren, therapierefraktären                                        andere Atopien, Symptome, Lungenfunktionsuntersuchungen)
Asthma bronchiale liegt in der Identifi­
zierung zuverlässiger Biomarker sowie in
                                                                           Therapie gemäß Leitlinie                                          Stufe 4 – 6
der (standespolitischen) Diskussion über
die Kosten neuer Therapieformen.
                                                                                                                           Nicht ausreichend kontrolliertes Asthma
                                                                                                                              bronchiale (individuelle Therapie)

   Prof. Dr. med. Philippe Stock                                                    Stufe 1 – 3
                                                                                                                              Therapiewechsel basierend auf
                                                                                                                          dem Endotyp (FeNO, Eosinophile, Periostin,
   AKK Altonaer Kinderkrankenhaus gGmbH
                                                                           Gut kontrolliertes Asthma                             IgE und andere Biomarker
   Bleickenallee 38 | 22763 Hamburg
   philippe.stock@kinderkrankenhaus.net

                                                                                                                             Verbesserte Wirksamkeit aufgrund der
                                                                                                                         zielgerichteten Wirkung und damit Reduktion
                                                                                                                                 der Symptome und des Risikos
Interessenkonflikt:
Der Autor gibt an, dass keine
Interessenkonflikte bestehen.                                                                                                                              modifiziert nach [22]

Literatur
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                                                            10 Corren J, Lemanske RF, Hanania NA et al. Lebriki­       18 Randell TL, Donaghue KC, Ambler GR, Cowell
 3 Bousquet J, Dahl R, Khaltaev N. Global alliance
                                                               zumab treatment in adults with asthma. N Engl               CT, Fitzgerald DA, van Asperen PP. Safety of the
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                                                               J Med 2011; 365: 1088-98
   62: 216-23                                                                                                              Paediatr Drugs 2003; 5: 481-504
                                                            11 Durrani SR, Montville DJ, Pratt AS et al. Innate
 4 Busse WW, Morgan WJ, Gergen PJ et al. Rando-               immune responses to rhinovirus are reduced by            19 Slager RE, MD BAO, PhD GAH et al. IL-4 receptor
   mized trial of omalizumab (anti-IgE) for asthma in          the high-affinity IgE receptor in allergic asthmatic        polymorphisms predict reduction in asthma exa-
   inner-city children. N Engl J Med 2011; 364: 1005-15        children. J Allergy Clin Immunol 2012; 130: 489-95          cerbations during response to an anti-IL-4 receptor

 5 Castro M, Zangrilli J, Wechsler ME et al. Reslizu-      12 Gill MA, Bajwa G, George TA et al. Counterregulati-        α antagonist. J Allergy Clin Immunol 2020;
                                                               on between the FcepsilonRI pathway and antiviral            130: 516-522.e4
   mab for inadequately controlled asthma with ele-
   vated blood eosinophil counts: results from two             responses in human plasmacytoid dendritic cells.         20 Teach SJ, Gill MA, Togias A et al. Preseasonal
                                                               J Immunol 2010; 184: 5999-6006                              treatment with either omalizumab or an inhaled
   multicentre, parallel, double-blind, randomised,
                                                            13 L anier B, Bridges T, Kulus M, Taylor AF, Berhane          corticosteroid boost to prevent fall asthma exa­
   placebo-controlled, phase 3 trials. The Lancet
                                                               I, Vidaurre CF. Omalizumab for the treatment of             cerbations. J Allergy Clin Immunol 2015; 136:
   Respiratory Medicine 2015; 3: 355-66
                                                               exacerbations in children with inadequately con­            1476-85
 6 Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
                                                               trolled allergic (IgE-mediated) asthma. J Allergy Clin   21 Wenzel S, Wilbraham D, Fuller R, Getz EB, Longphre
   Hepatitis C virus infection among adolescents and
                                                               Immunol 2009; 124: 1210-6                                   M. Effect of an interleukin-4 variant on late phase
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   Morb Mortal Wkly Rep 2011; 60: 537-41                                                                                   hmatic patients: results of two phase 2a studies.
                                                               of childhood asthma with anti-immunoglobulin E
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PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - Gesellschaft für Pädiatrische ...
10        Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic

TOPIC

Natürliche Biologika
Das Mikrobiom bei allergischen Erkrankungen
Albrecht Bufe, Bochum

Das Mikrobiom im Gastrointestinaltrakt, in den Atemwegen und auf der Haut hat nachweislich große Bedeutung für Gesundheit und
Krankheit des Menschen. Es lebt in einer Symbiose mit dem menschlichen Organismus und nimmt erheblichen Einfluss auf die frühe
Entwicklung des Menschen, vor allem auch dessen Immunsystem. Eine Dysbalance in der Diversität des Mikrobioms auf Haut und
Schleimhäuten ist assoziiert mit der Entstehung und dem Verlauf von Asthma bronchiale, Atopischer Dermatitis sowie zahlreichen
Autoimmunerkrankungen, z. B. Multiple Sklerose oder dem Morbus Crohn. Entsprechend wird seit geraumer Zeit versucht, verschie­
denste Strategien für die Modulation und Manipulation des Mikrobioms im Sinne von Präventions- und Therapiemaßnahmen zu
entwickeln und bekannte Produkte unter den neuen pathophysiologischen Erkenntnissen zu evaluieren. Das Mikrobiom reüssiert
damit zu einem aus der Natur isolierbaren Biologikum.

Was ist ein Mikrobiom?                                       2012 publizierte das internationale                         Einfluss auf die Entwicklung
                                                             „Human Micobiome Project Consor­                            des Menschen und seines
Bisher wurden die mit Menschen und                           tium“ die Summe von 4788 Spezi­                             Immunsystems
den Infektionskrankheiten assoziierten                       es bei 242 gesunden Erwachsenen
Mikro­ben in der Mikrobiologie durch die                     (129 Männer, 113 Frauen) identifiziert,                     Entwicklung des Mikrobioms
Linse einzelner Spezies, ihrer Struktur,                     gescreent und phenotypisiert [2]. Die                       beim Kind
­Eigenschaften und ihrer Umwelt betrach­                     Bakterienproben wurden bei Männern                          Die intrauterine Umwelt galt bisher als
tet [12]. Aus der modernen Perspektive                       an 15, bei Frauen an 18 Körperregionen                      steril. Jüngste Studien konnten allerdings
lässt sich hingegen die Gesamtheit der                       (body-habitats) gesammelt und analy­                        mit DNA-basierten Methoden bakterielle
bakteriellen Zellen beobachten und be­                       siert. Auffälligstes Merkmal des Mikro-                     Kontamination in der Gebärmutter, in der
schreiben. Mikrobiom bedeutet demnach                        bioms ist dessen Diversität bezogen                         Amnionflüssigkeit von Frühgeborenen
die Summe aller Mikroben und ihrer ge­                       auf die jeweilige Körperregion. Dabei                       und im Mekonium nachweisen [12]. In­
nomischen Elemente in einer gegebenen                        wird Diversität definiert als die Vertei­                   wieweit diese Studien tatsächlich bele­
ökologischen Nische, im Falle des hu­                        lung der Spezies und deren jeweilige                        gen, dass diese Nischen nicht steril sind,
manen Mikrobioms die Nische Mensch                           Fülle (Quantität). α-Diversität bedeutet                    muss aus methodischen Gründen noch
[7]. Die Gesamtperspektive wurde erst                        dieselbe innerhalb einer Probe oder ei­                     offen bleiben. Wichtig ist, dass Stuhlpro­
möglich, als anstelle von oder ergänzend                     ner Region, β-Diversität die Verteilung                     ben von 4 Tage alten Neugeborenen und
zu Kultivierungsmethoden die jeweilige                       und Quantität der unterschiedlichen                         4 Monate alten Säuglingen, die per via
Bakterienspezies und dessen Gattung                          Spezies beim Vergleich zwischen ver­                        naturalis geboren wurden, taxonomisch
und Familie (Taxon) aus den ­Proben                          schiedenen Proben und Regionen.                             der Mikroflora des mütterlichen Darms
mittels moderner und schneller Gen-­ Die sogenannte Signatur im Sinne von                                                und deren Vagina glichen. Bei Kindern,
Sequenzierungstechniken                  identifi­ziert      Diversität und Fülle des Mikrobioms                         die durch Kaiserschnitt geboren wurden,
werden konnte. Mit Taxon beschreibt                          in jeder Körperregion variiert bei Ge­                      besteht diese Übereinstimmung nur be­
man dabei eine Gruppe von Bakterien,                         sunden erheblich. Man beobachtete                           dingt. Weiterhin ist zu beobachten, dass
deren 16S rRNA (ribosomale RNA) hoch­                        allerdings eine strenge Nischenspezi­                       das kindliche Mikrobiom in seiner Diver­
homolog ist und damit einer Spezies­                         alisierung sowohl intra- als auch inter­                    sität in den frühen Lebensmonaten stark
gruppe zugeordnet werden kann1.                              individuell (Abb. 1).                                       expandiert, diese Expansion sich aber

1
    Zur Bakterienklassifikation / Taxonomie unterscheidet man (1) Ordnungen: Gracilicutis (meist gramnegativ), Firmicutis (meist grampositiv), Tenericutis (z. B. Mycobakterien)
    und Mendosicutis (sog. Archaeobakterien); (2) Familien: z. B. Enterobacteriaceae oder Streptococcaceae; (3) Gattungen: z. B. Eschericha oder Streptococcus; (4) Spezies:
    z. B. Eschericha coli oder Streptococcus pneumoniae
Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic   11

                                                                                                                                                                                       des Immunsystems in Sachen peripherer
  Abbildung 1. Diversität und Fülle des menschlichen Mikrobioms                                                                                                                        Toleranz im frühen Kindesalter haben.
  bei Gesunden                                                                                                                                                                         So konnte für den Darm gezeigt werden,
                                                                                                                                                                                       dass sich Immuntoleranz peripher, lokal,
               Lactobacillus
                                                                                                                                                                                       individuell unterschiedlich und spezi­
                                                                                                                                                                                       fisch entwickelt [10]. Dies geschieht über
           Propionibacterium
              Streptococcus
                Bacteroides
           Corynebacterium                                                                                                                                                             2 Wege:
             Staphylococcus
                  Moraxella                                                                                                                                                            ❙❙ Einerseits wird eine bestimmte Popu­
               Haemophilus
                  Prevotella                                                                                                                                                              lation von T-Zellen − die T-regulatori­
                  Veilionella

                                                                                           MUND und RACHEN                                               VAGINA
                                                                                                                                                                                          schen Zellen (Tregs) − durch die mikro­
                    Nasenöffnung                                Wange – Zahnfleisch – Gaumen – Speichel – Rachen – Zunge – Tiefes Zahnfleisch    Mitte – Fornix – Introitus

                                                  Hinterm Ohr
                                                                                                                                                                                          biellen Antigene im Darm induziert
                                                                                                                                                                                          und spezifisch über ihr T-Zell-Rezep­
                                                                                                                                                                                          torrepertoire selektiert. Diese Tregs
                                                                                                                                                                                          erkennen über ihre Rezeptorspezifität
                                                                                                                            Stuhl (Darminhalt)
                                   Kubitalfalte
                                                                                                                                                                                          (gerichtet gegen mikrobielle Antigene)
                                                                                                                                                                                          die sich im Darm ansiedelnden Bakte­
                                                                                                                                                                                          rien, unterdrücken durch bestimmte
                                                                                                                                                                                          Zytokine (IL-10 und TGF-β) eine stimu­
                                                                                                                                                                modifiziert nach [2]      lierende und entzündliche Immunant­
                                                                                                                                                                                          wort und sorgen so für Immuntoleranz.
zwischen dem 1. und 5. Lebensjahr ver­                                                         (z. B. Folate im Kindesalter), Fermen­                                                     Die Besonderheit ist, dass die Tregs
langsamt, um sich dann in der Adoles­                                                          tation der Darmflora, Verdauung von                                                        nur lokal zwischen Darmschleimhaut
zenz auf einem vermeintlichen Erwach­                                                          Proteinen, Zuckern und Fettsäuren, Bio­                                                    und den mesenterialen Lymphknoten
senniveau zu stabilisieren.                                                                    synthese von Steroiden und RNA-Ab­                                                         zirkulieren und sich damit die Immun­
                                                                                               bau [12]. Die Bakterien sind außerdem                                                      toleranz nur auf den Darm und das
Während in der Präadoleszenz im Darm                                                           beteiligt an der chemischen Transfor­                                                      entsprechende Individuum bezieht [6].
Familien wie Anaerovorax, Bifidobakteri­                                                       mation von xenobiotischen Substanzen                                                    ❙❙ Andererseits werden in der Darm­
en und Faecalibakterien dominieren, än­                                                        wie Nahrungsmitteln, industriellen Zu­                                                     schleimhaut, speziell in den Peyer-Pla­
dert sich die Verteilung bei Erwachsenen                                                       satzstoffen und Arzneimitteln [9]. Diese                                                   ques IgA-Antikörper produziert, die
zugunsten von Bacteroides und Firmicu­                                                         Transformation wird zumeist durch die                                                      durch das Epithel in das Darmlumen
tes, geringeren Mengen an Actino-, Pro­                                                        mikrobiellen Enzyme der verschiedenen                                                      transportiert werden können und sich
teo- und Verrucobakterien sowie Methan                                                         Spezies reguliert, ist dabei wesentlich                                                    gleichsam gegen die Antigene des Mi­
produzierende Archaea. Während die                                                             komplexer als die epitheliale Enzym­                                                       krobioms richten und dieselben neu­
großen Bakterienfamilien bei Erwachse­                                                         ausstattung des Menschen und steht un­                                                     tralisieren, wenn diese die Darmwand
nen im Vergleich zu Kindern relativ stabil                                                     ter einem erheblichen Selektionsdruck                                                      durchtreten wollen.
sind, variieren die Gattungen und die ein­                                                     der Mikroflora selbst, die abhängig von
zelnen Spezies individuell und bezogen                                                         der Diversität des Mikrobioms ist. So                                                   Je diverser also das Mikrobiom ist, desto
auf das Lebensalter erheblich. Letztlich                                                       kann eine bestimmte Darmflora die Bio­                                                  breiter wird die Toleranzantwort durch
ist das Mikrobiom eines jeden Menschen                                                         verfügbarkeit von Steroiden und anderen                                                 Tregs und IgA-Antikörper [10]. Viele die­
also einzigartig.                                                                              Pharmaka signifikant beeinflussen und                                                   ser antimikrobiellen IgA-Antikörper kön­
                                                                                               die Toxizität xenobiotischer Substanzen                                                 nen eine hohe Kreuzreaktivität mit vielen
Einfluss der bakteriellen Substanzen                                                           ggf. erhöhen oder herabsetzen.                                                          xenobiotischen Epitopen (z. B. Allerge­
Seit man Bakterien im 19. Jahrhun­                                                                                                                                                     nen) aufweisen.
dert identifiziert hat, weiß man, dass                                                         Erziehung des Immunsystems durch
die Mikroflora maßgeblich an Stoff­                                                            das Mikrobiom                                                                           Dysbalance des Mikrobioms
wechselprozessen                   der            Schleimhäute,                                Es gibt klare Hinweise dafür, dass das
insbesondere im Darm teilhat. Dies be­                                                         Mikrobiom und seine Diversität einen                                                    Die wohl interessanteste Beobachtung
trifft Prozesse wie Vitaminbiosynthese                                                         wesentlichen Einfluss auf die Erziehung                                                 im Zusammenhang mit der Möglichkeit,
12        Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic

                                                                                                                        oder Folge von chronisch polygenen
     Abbildung 2. Schema für die Aktivierung der Dendritischen Zelle (DC)                                               Erkrankungen wie Asthma bronchia­
     zur Immunisierung                                                                                                  le, Morbus Crohn, Multiple Sklerose,
                                                                                                                        Insulinresistenz,       Atherosklerose       und
             LPS: niedrige Dosis                           LPS: wiederh. hohe Dosis               IRAK-M                Adipositas ist, um nur einige der Erkran­
                                                                                                (Negativ-Regulator)

                        ALLERGEN                                             ALLERGEN             Reduktion             kungen in diesem Zusammenhang zu
               TLR4                                                 TLR4

                                                                                                   TNF-                 nennen.
                                                                                                Proinflammation

                                                                                                                        Mikrobiom, Allergie
                                                                                                  Protektion
             DC                                                   DC
                                            Allergie
                                                                                                  Allergie              und Asthma

                                                                                                                        Es ist seit geraumer Zeit bekannt, dass
     Schema für die Aktivierung der Dendritischen Zelle von 2 Molekülen durch Aufnahme des Allergens
                                                                                                                        Kinder, die im 1. Lebensjahr einer Stall­
     und Aktivierung durch das Gefahrensignal LPS. Dies ist Voraussetzung für die Immunisierung und
     damit Aktivierung einer adaptiven Immunantwort inkl. Antikörperproduktion bei IgE-Produktion, dann                 umgebung gegenüber exponiert sind,
     Sensibilisierung. (a) Bei niedriger Dosis des LPS wird eine Sensibilisierung gegen das Allergen und eine           im Vergleich zu solchen, die nicht regel­
     Atopie induziert. LPS bindet dabei an den Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4). (b) Bei wiederholter hoher Dosis
                                                                                                                        mäßig von den Müttern in den Kuhstall
     des LPS wird intrazellulär das Signal­molekül IRAK-M aktiviert, das seinerseits die Signalwege für eine
     Aktivierung der Dendritischen Zelle und die Auslösung einer Immunisierung und proinflammatorischen                 mitgenommen werden, deutlich weni­
     Antwort und damit eine Atopie­antwort verhindert.                                                                  ger Sensibilisierungen gegen inhalative
                                                                                                                        Allergene, Heuschnupfen und Asthma
                                                                                                            © A. Bufe   in den späteren Jahren entwickeln [16].
                                                                                                                        Sehr schnell konnte eine Korrelation
das Mikrobiom eines Menschen zu ana­                           Modulation der Schleimhaut, die sich                     ­zwischen hohen Endotoxinwerten in der
lysieren, ist die Assoziation zwischen                         pathogenetisch,          sogar      systemisch           Umgebung der Kinder und der vermin­
einer Dysbalance oder Dysbiosis des                            auswirkt.                                                derten Allergieprävalenzen, insbesonde­
Mikrobioms und der Prävalenz von po­                                                                                    re Asthma belegt werden [1]. Es zeigte
lygenen chronischen Erkrankungen [12].                     Diese potenziellen Mechanismen wur­                          sich, dass die erhöhte Endotoxinexposi­
Dysbalance des Mikrobioms bedeutet in                      den jüngst unter dem Begriff „Common                         tion v. a. zu einer Endotoxintoleranz bei
dem Fall die Verminderung der Diversität                   Ground“-Hypothese zusammengefasst,                           den Kindern führt (Abb. 2). Dies war ein
und das auffällig vermehrte Wachstum                       um der Frage gerecht zu werden, ob die                       erster Hinweis darauf, dass bakterielle
spezifischer Gattungen oder Spezies.                       Dysbalance des Mikrobioms Ursache                            Produkte die frühe Immunantwort der
Ursachen für die jeweilige Erkrankung
können hier unterschiedlich sein:
❙❙ Unspezifische            Umweltfaktoren        wie         Abbildung 3. Zwei Mikroben isoliert von traditionell geführten Bauernhöfen

     z. B. chronische Infektionen oder un­
     gesunde Diäten lösen die Dysbalance
     der Mikrobiota aus, pathogene Keime
     können überwuchern, bewirken eine
     intestinale Entzündung und erzeugen
     eine durchlässige Schleimhaut.
❙❙ Ein bestehendes genetisches Risiko
     begünstigt die Expansion eines be­
     stimmten opportunistischen Keims
     und dessen pathogenetische Transi­
     tion.
❙❙ Ein pathologischer Keim mit Wachs­
     tumsvorteil produziert ein pathologi­                    Lactococcus lactis G121                                     Acinetobacter Iwoffii F78
     sches Genprodukt und bewirkt so eine
     morphologische                oder   funktionelle                                                                            Debany J et al. JACI (2007) 119: 1514-21
Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic        13

Kinder beeinflussen können, aber kein         mit Asthma bronchiale bei Kindern eine                 auf diese Substanzen mit einer Immun­
Beweis dafür, dass Endotoxin der eigent­      Studie, die zwei genetisch-reproduktiv                 antwort, die Immuntoleranzentwicklung
liche Schutzfaktor ist.                       isolierte Populationen mit gleichem Le­                reflektiert [19].
                                              bensstil bezüglich der Faktoren, die die
In weiteren Analysen konnten zunächst         Asthmaentwicklung beeinflussen, aber                   Inwieweit hier die Diversität des Mikro­
2 Indikatorkeime aus den Bauernhöfen          zwei unterschiedlichen bäuerlichen Tra­                bioms eine Rolle spielt, muss noch be­
von geschützten Kindern isoliert werden:      ditionen vergleicht: die Amish people (tra­            antwortet werden.
Acinetobacter lwoffii und Lactococcus         ditionelle Landwirtschaft mit z. B. Pferde­
­lactis G121 [3] (Abb. 3). Beide erwiesen     pflug) aus der Schweiz und die Hutteriten              Therapeutische Beein­
sich im Tiermodell intranasal appliziert      aus Böhmen und Südtirol (Nutzung mo­                   flussung des Mikrobioms
als protektiv bzgl. einer Allergie. Insbe­    derner Geräte, wie Traktoren etc.); beide
sondere der L.lactis G121 hat therapeu­       sind Anfang des 18. Jahrhunderts nach                  Infektionskrankheiten und
tische / ­allergiepräventive Perspektiven,    Amerika ausgewandert. Es zeigte sich,                  chronische Inflammation
da er ­anders als der Acinetobacter lwoffii   dass die unterschiedliche Umgebung,                    Die   wohl    weitestgehende          Beeinflus­
grampositiv und damit LPS-frei ist und        gemessen an vergleichbar hergestellten                 sung des Mikrobioms ist sicher die
keine LPS-vermittelte Entzündungsreak­        Staubextrakten aus den Häusern der bei­                Stuhl-Transplantation         bei    Clostridium
tion aus­löst.                                den Populationen bei den Amish people                  difficile-Infektion     mit         chronischem
                                              zu einer Toleranz-äquivalenten Antwort                 Durchfall und Antibiotikaresistenz. Die­
In 2 großen europäischen Kohorten fand        des angeborenen Immunsystems ge­                       ses Verfahren ist bei exakter Indika­
sich eine Korrelation zwischen anstei­        führt hat und diese besser vor Allergien               tion mit 90 % erfolgreich [12]. Weiterhin
gender Diversität des Bauernhof-Mikro­        geschützt sind als die Hutteriten. Diese               führt die Therapie mit Probiotika, z. B.
bioms und einer abfallenden Prävalenz         Kinder haben auch deutlich mehr Endoto­                Mutaflor (E.coli Nissle 1917), Lactoba­
des Asthma bronchiale [5]. Der Kreis          xin und Allergene gesehen und reagieren                zillus GG oder Perenterol (Hefeextrakt)
wurde für die eine Kohorte (Gabriela)
insofern geschlossen, da mittlerweile
gezeigt werden konnte, dass die Diver­          Abbildung 4. Vergleich von Mikrobenfülle und Allergenexposition
sität der Mikrobiota in der Nase bei den
Kindern mit nachgewiesenem Asthma
bronchiale deutlich erniedrigt ist und bei
diesen Kindern eine deutliche Z
                              ­ unahme
von Keimen der Moxarella-­
                         Familie be­
steht [4].

In einer amerikanischen Studie aus dem
Jahre 2014 fand sich eine interessante
Beobachtung, die darauf verweist, dass
man nicht nur das Mikrobiom, sondern
auch die entsprechende Allergenexpo­
sition bei der Betrachtung des Allergie­
risikos anschauen muss [13]. Es zeigte
sich, dass diejenigen Kinder in den Städ­
ten am besten vor Allergien geschützt
                                                Vergleich von Mikrobenfülle und Allergenexposition in der Umgebung von gesunden Kindern, Kindern
sind, die sowohl eine hohe Allergen- als
                                                mit Diagnose Asthma, Diagnose Atopie oder beides. Die letzten drei Gruppen unterscheiden sich mit
auch Bakterienexposition in der Umge­           einer Wahrscheinlichkeit von p (wie jeweils angegeben) von den Gesunden. Einmal wurden alle TAXA
bung erleben (Abb. 4).                          (links), einmal nur ausgewählte häufige TAXA gemessen. Bei Kindern ohne Atopie und ohne Asthma
                                                sind Mikrobiomfülle und Allergenexposition hoch (rot).

Bestätigung für die „Common Ground“-
Hypothese liefert in dem Zusammenhang                                                                                              modifiziert nach [13]
14    Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic

bei   Antibio­
             tika-assoziierter      Diarrhoe      [14]. Die Effekte auf die primären End­    Die orale Probiotikagabe bei Schwan­
zur signifikanten Verkürzung der Durch­           punkte wie Eosinophilie in der Lunge       geren und Neugeborenen erwies sich in
fallzeiten. Probiotika werden außerdem            sind signifikant, aber die Atemwegs­       den Proof-of-concept-Studien zunächst
erfolgreich bei der Behandlung von Coli­          hyperreaktivität ließ sich nicht beein­    auch als sehr überzeugend [8]. Sehr
tis ulcerosa und Morbus Crohn als anti­           flussen. Zusammengenommen exis­­           schnell wurde allerdings klar, dass sich
inflammatorische Substanz eingesetzt              tieren zurzeit keine Strategien der        die Effekte einzig auf die inflammato­
und erwiesen sich in klinischen Studien           Asth­mabehandlung, die nachweislich        rischen Aspekte der Atopischen Derma­
als genauso effektiv wie nichtsteroi­dale /       mit der Modulation des Mikrobioms          titis beziehen. Eine Immunmodulation
anti-inflammato­rische (NSAI) Substan­            zu tun haben. Die Probiotika scheinen      im Sinne der Reduktion der Sensibili­
zen (z. B. Sulfasalazin) bei nahezu keinen        hier im Wesentlichen anti-entzündliche     sierung ließ sich durch orale Probiotika
Nebenwirkungen [15].                              Effekte zu haben, die aber nicht an die    nicht darstellen. Weitere Pivotalstudien
                                                  gängigen Therapien wie z. B. mit inhala­   zeigten dann nur geringe präventive
Allergiebehandlung                                tiven Kortikosteroiden heranreichen.       Effekte für Probiotika, und wenn, dann
Bei der Allergiebehandlung mit Pro­                                                          nur in Subgruppen, in denen ein Eltern­
biotika,    z. B.   der    Behandlung     der     Allergieprävention mit Pro-                teil das genetische Risiko für Atopische
­Atopischen Dermatitis, sind die Be­              und Präbiotika                             Dermatitis mitbringt [11].
handlungserfolge          anekdotisch    und      Die größten Hoffnungen auf die Möglich­
halten     einer    klinisch-wissenschaftli­      keit der Beeinflussung des Mikrobioms      Die aktuelle Leitlinie Allergiepräven­
chen Überprüfung bisher nicht stand.              durch Mikrobiota sind bisher in deren      tion [17] kommt somit für die Pro­
Wirksamkeit von speziellen Probiotika             Wirksamkeit bei der Allergieprävention     biotika folgerichtig zu dem Schluss:
konnte bisher nur in präklinischen Tier­          gesetzt worden. Das hängt v. a. mit den    „Ein präventiver Effekt von Probiotika
modellen gezeigt werden, so z. B. bei             epidemiologischen und präklinischen        konnte bislang nur für das atopische
der intranasalen Applikation von gen­             Daten aus Tiermodellen zusammen, die       Ekzem dargestellt werden. Eine Emp­
technisch modifiziertem Lactococcus               den Mikrobiota und deren Substanzen        fehlung hinsichtlich konkreter Präpara­
lactis, die transgen IL-10 als anti-­             den größten potenziellen Erfolg bei der    te, ­Applikationsformen und Dauer und
inflammatorisches Zytokin produzieren             Allergieprävention zuschreiben.            Zeitpunkt der Gabe kann aufgrund der
Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic                                                                      15

Heterogenität    der   Bakterienstämme
und der Studiendesigns nicht gegeben           Abbildung 5. Schema der intranasalen Behandlung mit L.lactis G121

werden. (1a  – 2b)“.                           in einem Allergie / Asthma-Tiermodel der Maus

Gleiches gilt für Präbiotika, die nach­                  Allergen/Alum intraperitonal                                                                                  Allergen intranasal
weislich einen modulierenden Effekt auf                               Sensibilisierung                                                                                                  Provokation

das Wachstum der kommensalen Darm­
flora und damit die Diversität der Mik­
robiota haben: „Ein präventiver Effekt                       0                                                       14                                                        28                     38                             41
von Präbiotika konnte bislang nur für                                                                                Behandlung

das atopische Ekzem dargestellt wer­                                                                                                                                                                                       Analyse
den. Eine Empfehlung kann aufgrund                                                                          L.lactis G121 intranasal
der geringen Anzahl und der Heteroge­
                                                        a)   Entzündung (Eosinophile, BAL)                                     b)            Sensibilisierung (IgE, BAL)                          c) Immunmodulation (IL-5, Milz)
nität der Studien nicht gegeben werden.                      80

                                                                     ns       ***       ***       ***       ***
                                                                                                                                     25000                                                               1600     ns        **        ***       ***       ***

                                                                                                                                     20000

(1b − 2b).“
                                                             60                                                                                                                                          1200
                                                                                                                                                   ns        *       ***        *       *

                                                                                                                          Units/ml
                                                                                                                                     15000

                                                                                                                                                                                                 pg/ml
                                                         %   40                                                                                                                                           800

                                                                                                                                     10000

                                                             20                                                                                                                                           400

Wahl des Geburtswegs
                                                                                                                                      5000

                                                                 0                                                                       0                                                                  0

Wie oben bereits dargestellt, ist die Ent­
                                                                          6         7         8         8        9                                      6        7         8        8        9                         6         7          8         8        9
                                                                     10       10        10 5x10             10                                    10        10       10 5x10            10                        10       10        10 5x10              10

                                                 Behandlung: PBS              L.lactis G121                                              PBS                L.lactis G121                                   PBS            L.lactis G121

wicklung des kindlichen Mikrobioms
durch den Geburtsweg mitbestimmt.
                                               Oben: Schema der intranasalen Behandlung mit L.lactis G121 in einem Allergie / Asthma-Tiermo-
Zitat aus der Leitlinie Allergiepräventi­      del der Maus, in dem die Sensibilisierung durch Gabe eines Allergens (Ovalbumin) zusammen mit
on [17]: „Es gibt Hinweise darauf, dass        Aluminiumhydroxid intraperitoneal und die Allergenprovokation anschließend mit Allergen (Ovalbumin)
Kinder, die durch Kaiserschnitt auf die        intranasal erfolgte. Unten: Ergebnisse für unterschiedliche Behandlungsdosen L.lactis G121: (a) die
                                               Entzündungsreaktion = Anzahl der Eosinophilen Zellen (EOS) in der Bronchoalveolären Lavage (BAL),
Welt kommen, ein erhöhtes Allergierisi­
                                               (b) die Sensibilisierung = IgE-Titer in der BAL und (c) die Immunmodulation (= Interleukin 5 (IL-5)
ko haben. Dies sollte bei der Wahl des         Freisetzung) der Milzzellen (hauptsächlich T-Zellen) nach Stimulation mit Allergen (Ovalbumin).
Geburtsverfahrens berücksichtigt wer­          PBS = Phosphate buffered saline als sogenannte Negativkontrolle.

den, sofern keine medizinische Indikati­
on für einen Kaiserschnitt besteht. (B)“.
Eventuelle Strategien einer Vaginalflora­    schnupfen und allergischem Asthma                                                                              aber keine Sensibilisierung mit IgE-Pro­
transplantation von der Mutter zum Kind      geschützt sind [3]. Präklinische Modelle                                                                       duktion angeregt wird [18]. Gleichzeitig
sind bisher weder öffentlich diskutiert,     haben einen dosiswirkungsabhängigen                                                                            konnte die Reduktion der Zytokinant­
geschweige denn durchgeführt worden.         präventiven Effekt für alle 3 Aspekte,                                                                         wort der DCs insgesamt nachgewiesen
                                             die Sensibilisierung, die Entzündung                                                                           werden, so wie es bei den geschützten
Intranasale Applikation                      und die Hyperreagibilität in den Asthma­                                                                       Bauernkindern nach LPS-Exposition zu
von Lactococcus lactis G121                  modellen gezeigt (Abb. 5).                                                                                     beobachten war. Entscheidend scheint
Die aktuell wohl interessanteste Stra­                                                                                                                      der Applikationsweg über die Atemwege
tegie bei der Allergieprävention ist der     L.lactis G121 ist frei von toxischen oder                                                                      zu sein, zumal die Sensibilisierung ge­
Versuch der unspezifischen Immunmo­          anderen unerwünschten Wirkungen, wie                                                                           gen inhalative Allergene nicht nur früh
dulation mit lebend produzierten Bakte­      zahllose orale Applikationen beim Men­                                                                         im Lebensalter, sondern auch haupt­
rien, appliziert über die Atemwege, als      schen und standardisierte, reproduzier­                                                                        sächlich über die Atemwege vonstatten
Nasentropfen bei Neugeborenen über           bare präklinisch toxikologische Untersu­                                                                       gehen soll. Interessant aber unklar ist,
einen längeren Zeitraum, mindestens          chungen belegt haben. Im Übrigen ließ                                                                          inwieweit bei den Neugeborenen durch
für 6 Monate einmal täglich. Diese Stra­     sich der Wirkmechanismus in vitro und                                                                          die regelmäßige Gabe des L.lactis G121
tegie reflektiert die Tatsache, dass der     in vivo im Tiermodell aufklären, indem                                                                         die Diversität des nasalen Mikrobioms
L.lactis G121 in den traditionellen Kuh­     gezeigt wurde, dass L.lactis G121 intra­                                                                       beeinflussbar wäre, insbesondere weil –
ställen zu finden ist, in denen die Kin­     zellulär über die Aktivierung von TLR-8                                                                        wie oben zitiert – diese bei Kindern mit
der, wenn der Stallumwelt regelmäßig         (TLR-13 in der Maus) die DCs so modu­                                                                          Asthma deutlich reduziert und mit Moxa­
exponiert, vor Sensibilisierungen, Heu­      liert, dass lediglich eine Immunisierung,                                                                      rella überlagert erschien.
16        Pädiatrische Allergologie » 04 / 2017 » Topic

Selbstverständlich muss jetzt der klini­                      für     offene        biologische          Systeme,­
                                                                                                                              Prof. Dr. med. Albrecht Bufe
sche Beweis der Wirksamkeit geführt                           die v. a. zirkulär und über komplexe
werden.                                                       Feedback-Mechanismen funktionieren.
                                                                                                                              Experimentelle Pneumologie
                                                                                                                              Ruhr-Universität Bochum
Aussicht                                                      Etwaige effektive Interventionsmöglich­                         44780 Bochum
                                                              keiten, wie sie sich der Praktiker wünscht,                     albrecht.bufe@rub.de

Dieser Artikel sollte deutlich gemacht                        liegen zum größeren Teil noch in der Zu­
haben,        dass       mit     der     Möglichkeit          kunft. Wie zu Zeiten, als die Komplexität
der präziseren und umfänglicheren                             des Immunsystems und dessen zahl­
Identifikation und Analyse des Mikro­                         losen Mediatoren deutlich wurde, war
bioms eine neue Perspektive für das                           noch nicht abzusehen, dass eines Ta­
Verständnis der Symbiose zwischen                             ges die Biologika, wie in dem Artikel von
Mensch und mikrobieller Welt ent­                             ­Philippe Stock (     E S. 6) dargestellt, ein­
standen ist. Diese Perspektive ist aber                       mal klinisch so relevant werden sollten
noch lange nicht klar genug, als dass                         wie zur Zeit. Deshalb können wir sicher
alle Ebenen der Interaktion der ver­                          noch die eine oder andere Überraschung
schiedenen Biome und Biosysteme                               bei der Bedeutung des Mikrobioms für                         Interessenkonflikt:
ausreichend verstanden sind. Es gel­                          Gesundheit, Krankheit, Prävention und                        Der Autor gibt an, dass keine
ten hier sicher die Interaktionsregeln                        Therapie des Menschen erwarten.                              Interessenkonflikte bestehen.

Literatur

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                                                               8 Kalliomaki M, Salminen S, Poussa T, Arvilom-                a murine model. Clinical and Experimental Allergy
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     486: 207-14                                                 ­placebo-controlled trial. The Lancet 2003; 361:          15 Rembacken BJ, Snelling AM, Hawkey PM, Chalmers
                                                                 1869-71                                                      DM, Axon ATR. Non-pathogenic Escherichia coli
3 Debarry J, Garn H, Hanuszkiewicz A et al. Acineto-                                                                         versus mesalazine for the treatment of ulcerative
     bacter lwoffli and Lactococcus lactis strains isola-      9 Koppel N, Maini Rekdal V, Balskus EP. Chemical              colitis: a randomised trial. The Lancet 1999; 354:
     ted from farm cowsheds possess strong allergy-­             transformation of xenobiotics by the human gut               635-39
     protective properties. Journal of Allergy and Clinical      microbiota. Science (New York, N.Y.) 2017; 356
     Immunology 2007; 119: 1514-21                               (6344)                                                    16 Riedler J, Braun-Fahrlander C, Eder W et al. Ex­
                                                                                                                              posure to farming in early life and development of
4 Depner M, Ege MJ, Cox MJ et al. Bacterial micro-           10 L athrop SK, Bloom SM, Rao SM et al. Periphe-               asthma and allergy: a cross-sectional survey. The
     biota of the upper respiratory tract and childhood          ral education of the immune system by colonic                Lancet 2001; 358: 1129-33
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     2017; 139: 826-34                                                                                                     17 S chäfer T, Bauer CP, Beyer K et al. S3-Guideline on
                                                              11 L au S, Gerhold K, Zimmermann K et al. Oral appli-          allergy prevention: 2014 update: Guideline of the
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     Environmental Microorganisms and Childhood                  risk of atopic dermatitis in children with 1 atopic          nology (DGAKI) and the German Society for Pediat-
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