Klimawandel in der EU 04/2013 - Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt? Sophia Isabel Schuldis ...

Die Seite wird erstellt Linus-Maximilian Eichhorn
 
WEITER LESEN
Passauer Jean Monnet Papiere

                                       Klimawandel in der EU

                               Findet eine Versicherheitlichung durch die
                                  Generaldirektion für Klimapolitik statt?

                                                   Sophia Isabel Schuldis

                                                             04/2013
Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt?                       Seite 1

Abstract:                                                      Inwiefern findet eine Versicherheitlichung des
Anhand der von Barry Buzan et al. aufgestellten                Klimawandels durch die Generaldirektion für
Sekuritisierungstheorie wird die diskursive                    Klimapolitik statt?
Konstruktion einer klimabedingten Bedrohung
durch die Europäische Union bzw. die                           Das Forschungsinteresse überschneidet sich wei-
Generaldirektion für Klimapolitik untersucht.                  terhin mit von Barry Buzan et al. aufgeworfenen
Nach dem Transfer der theoretischen Prämissen                  theoretischen Forschungslücken. Die Übertra-
auf das Politikfeld „Umwelt“ werden Indika-                    gung der Versicherheitlichung auf den Umwelt-
toren zur Identifikation einer Versicherheit-                  sektor wurde durch die Autoren lediglich allge-
lichung aufgestellt und im Rahmen einer                        mein und ohne konkreten Bezug zur politischen
Sprechaktanalyse das Vorhandensein eines Ver-                  Praxis ausgeführt. Im Rahmen der Beantwortung
sicherheitlichungsprozesses untersucht. Dieser                 der Forschungsfrage soll daher die Theorie auch
kann mit wenigen Einschränkungen aufgezeigt                    konkret und im Detail auf eine nicht-militärische
werden, wobei die Bedrohungsetablierung als                    Materie angewandt und das Erklärungspotenzial
noch nicht abgeschlossen zu bezeichnen ist.                    der Theorie für dieses Politikfeld überprüft wer-
                                                               den. Dieses zweite Forschungsinteresse bildet
1. Einleitung                                                  den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Von
                                                               bisherigen wissenschaftlichen Auseinanderset-
„The Arab Spring and Climate Change“ lautet                    zungen mit der Thematik unterscheidet sich die
der Titel einer neu veröffentlichten US-                       Arbeit auch in ihrer methodologischen Vorge-
amerikanischen Studie des Think Tanks „Center                  hensweise. Es werden die von Buzan et al. aufge-
for American Progress“, welche im Rahmen                       stellten theoretischen Prämissen ausführlich em-
einer umfassenden Untersuchung einen Zusam-                    pirisch überprüft sowie die Vereinbarkeit des
menhang zwischen Missernten, erhöhten Le-                      Ansatzes mit der EU als supranationaler Akteur
bensmittelpreisen und politischen Unruhen                      sui generis, dezidiert mit der DG CLIMA, disku-
nachwies (Schmitz 2013). Paradox erscheint,                    tiert.
dass zwar solche und andere (natur)wissen-
schaftliche Erkenntnisse das vom Klimawandel                   Zur Beantwortung der Leitfrage wird im Theorie-
ausgehende Bedrohungspotenzial als alarmierend                 teil, nach einer theoretischen Einordnung der KS,
deklarieren (vgl. Werrell 2013), Klimapolitik                  die Sekuritisierungstheorie nach Buzan et al.
jedoch trotzdem selten den Schwerpunkt nationa-                vorgestellt. Relevante theoretische Fachtermini
ler und internationaler sicherheitspolitischer                 sollen definiert sowie theoretische Prämissen für
Agenden und Beschlüsse ausmacht. Wie geht die                  eine Versicherheitlichung determiniert werden.
Europäische Union (EU) mit der sicherheitspoli-                Anschließend werden die zur Detektion einer
tischen Herausforderung Klimawandel um? Fin-                   diskursimmanenten Sekuritisierung notwendigen
det überhaupt eine Bedrohungswahrnehmung                       linguistischen und rhetorischen Indikatoren defi-
von politischer Seite statt?                                   niert. Im folgenden dritten Teil wird zunächst
                                                               ausführlich die Eingrenzung des Forschungsfel-
Im Folgenden soll mit Hilfe der Kopenhagener                   des begründet sowie evaluiert, ob die Vorausset-
Schule (KS) das Paradoxon erklärt werden. Die                  zungen eines Versicherheitlichungsakteurs durch
Sekuritisierungstheorie von Barry Buzan et al.                 die DG CLIMA sowie die eines Referenzobjek-
setzt sich mit der diskursiven Konstruktion von                tes empirisch erfüllt werden. Im vierten Teil wird
Sicherheit durch die Etablierung von Bedro-                    detailliert untersucht, ob die DG CLIMA ver-
hungswahrnehmungen auseinander. Mithilfe                       sicherheitlichend tätig ist und von einem sozialen
dieses theoretischen Ansatzes soll analysiert                  Prozess der Versicherheitlichung insgesamt die
werden, inwiefern innerhalb der EU eine von                    Rede sein kann. Aufgrund der Komplexität der
wissenschaftlicher Seite konstatierte Bedrohung                dafür benötigten Sprechaktanalyse liegt hier auch
durch den Klimawandel als solche auch wahrge-                  der Schwerpunkt der Arbeit. Im Fazit werden die
nommen, kommuniziert, mit Maßnahmen adres-                     Ergebnisse zusammengefasst, das theoretische
siert und als Teil des Sicherheitskonzeptes kon-               Erklärungspotential hinsichtlich des obigen For-
zeptualisiert wird. Um den Untersuchungsradius                 schungsinteresses kritisch beleuchtet und For-
einzugrenzen, werden sich die folgenden Ausfüh-                schungsdesiderata aufgezeigt.
rungen auf die Generaldirektion für Klimapolitik
(Directorate-General Climate Action, DG CLI-
MA) beschränken. Die Forschungsfrage lautet
daher:
Seite 2                                                           Passauer Jean Monnet Papiere 04/2013

2. Theoretische Grundlagen:                          chung wurde 1998 in „Security: A New Frame-
Kopenhagener Schule                                  work for Analysis“, einem der Hauptwerke der
                                                     KS, erstmals umfassend definiert (vgl. Williams
2.1. Einordnung und Forschungsbericht                2013: S.71-76) und seitdem in verschiedene
                                                     Richtungen weiterentwickelt. Da eine Versicher-
Die „Security Studies“ als Disziplin der Interna-    heitlichung nach dem Verständnis von Buzan
tionalen Beziehungen lassen sich in eine europäi-    geprüft werden soll, dient diese Publikation,
sche und eine US-amerikanische Denkschule            neben ergänzenden Schriften der Autorenge-
unterteilen. Letztere differenziert zwischen einem   meinschaft, insbesondere im zweiten Kapitel, als
offensiv-realistischen und einem defensiv-           maßgebliche Quelle.
realistischen Verständnis der „Security Studies“
und soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt    Die Abwendung der sicherheitspolitischen
werden (vgl. Wæver 2004: S.5). Die europäische       Fachwelt vom bisherig geläufigen, eindimensio-
Theorienlandschaft erstreckt sich hingegen neben     nalen Sicherheitsbegriff Ende der 80er/Anfang
der KS über die „Critical Security Studies“, den     der 90er beeinflusste auch die KS. Der traditio-
polit-soziologischen Ansätzen der Pariser Schule     nelle, staatlich-militärische Sicherheitsbegriff
und eher traditionell-realistischen bzw. radikal     wurde vertikal um Ebenen und Akteure sowie
post-moderne sowie feministische Positionen          horizontal um diverse zusätzliche Sicherheitsbe-
(vgl. Wæver 2004). Zur besseren Eingrenzung          reiche, u.a. auch den Umweltsektor, expandiert
der KS sollen kurz die verschiedenen Schulen         (vgl. Gärtner 2005: S.127f und Daase 2010:
und ihre zentralen Annahmen vorgestellt werden.      S.2).1 Besonderheit der KS ist dabei die sozial-
                                                     konstruktivistische, diskursive Konzeptualisie-
Die „Critical Security Studies“ oft auch als         rung des Sicherheitsbegriffs und die ontologische
Aberystwyth oder Waliser Schule bezeichnet,          Beschränkung auf den „modus operandi“ der
wurde maßgeblich durch Keith Krause und Mike         Versicherheitlichung2 (vgl. Buzan 1998: S.33-35
Williams, aber auch durch Ken Booth und              und Williams 2013: S.71-76).
Richard Wyn Jones geprägt. Im Sinne des eman-
zipatorischen Gedankens der Waliser Schule soll      Im Folgenden sollen nun die wichtigsten Begriffe
Sicherheit nicht aus staatlicher, sondern indivi-    definiert und Prämissen herausgearbeitet werden,
dualisierter Perspektive untersucht werden. Zent-    anhand welcher geprüft werden kann, ob eine
ral sind daher nicht mehr staatlich deklarierte,     Sekuritisierung stattfindet.
sondern reale, objektive Bedrohungen. Die Pari-
ser Schule, geprägt u.a. durch Didier Bigo und       2.2. Definition der theoretischen Fachtermini
Jef Huysmans, steht für eine soziologische An-       und Prämissen
näherung an Sicherheit. Ihr Fokus liegt auf der
empirischen Untersuchung der Handlungsmuster         Die KS versteht Sicherheit als das Ergebnis eines
und Verhaltensweisen von Verwaltungseinheiten,       sozialen Prozesses, im Verlauf dessen eine kol-
welche zur Konstruktion von Sicherheit führen.       lektiv verstandene, existentielle Bedrohung eines
Die Pariser Schule ist damit akteurs- und nicht      designierten Objektes konstruiert wird (vgl.
diskursorientiert und inkludiert auch die Idee der   Buzan 1998: S.21). Der dabei stattfindende Pro-
Konstruktion von Unsicherheit. Die radikalen         zess wird als Sekuritisierung bzw. Versicherheit-
Post-Modernisten stellen Sicherheit insgesamt in     lichung bezeichnet.3 Er führt dazu, dass die be-
Frage und fordern das Vermeiden der Etablie-         drohte Angelegenheit als im besonderen Maße
rung von Sicherheitskonzepten. Aufgrund dieser       sicherheitsrelevant perzipiert wird. Zur Bewälti-
utopischen theoretischen Forderung wird ihr          gung des so entstandenen Sicherheitsproblems
Ansatz als realitätsfern kritisiert (vgl. Wæver      werden außergewöhnliche Maßnahmen (Not-
2004).
                                                     1
                                                        Neben „erweiterter Sicherheitsbegriff“ ist auch der
Die KS bezieht sich zunächst auf eine Publikati-     Ausdruck „umfassender Sicherheitsbegriff“ geläufig. In
onsserie des Forscherensembles “European             Anlehnung an Meier et al. 2008 (S.123 und S.452) wer-
Security” am Kopenhagener Institut für Friedens-     den die beiden Begriffe gleichgesetzt; auf eine Differen-
                                                     zierung wird verzichtet.
forschung. Seit 1985 sind hier insbesondere Bar-     2
                                                       Neben sozialkonstruktivistischen, werden dem Sicher-
ry Buzan und Ole Wæver, aber auch Jaap de            heitsbegriff der KS auch neoinstitutionalistische und
Wilde und Pierre Lemaitre, oft auch gemein-          realistische Elemente zugeschrieben(vgl. Williams 2003).
                                                     3
schaftlich publizierend tätig (vgl. Wæver 2004).       Buzan et al. verwenden im Englischen den Begriff
Die KS umfasst drei konvergierende Konzepte:         „securitization“. Im Deutschen ist sowohl der Anglizis-
                                                     mus „Sekuritisierung“ als auch der eingedeutschte Be-
Versicherheitlichung, Sektorenanalyse und regi-
                                                     griff „Versicherheitlichung“ geläufig. Um eine linguisti-
onale Sicherheitskomplexe, wobei ersteres als        sche Monotonie zu vermeiden, wird in der vorliegenden
zentraler Ansatz zu gelten hat. Versicherheitli-     Arbeit auf beide Begriffe zurückgegriffen.
Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt?                             Seite 3

fallmaßnahmen), welche über die Regeln und                        „It is the utterance itself that is the act. By
Maßnahmen nicht-sekuritisierter Bedingungen                       saying the words, something is done.”
hinausgehen, als notwendig deklariert und ge-                     (Wæver 2004: S.12)
rechtfertigt. Versicherheitlichung wird daher                  Durch eine Äußerung wird folglich eine Hand-
auch als extreme Form von Politisierung verstan-               lung vorgenommen. Übertragen auf den Versi-
den. Darunter versteht man eine Thematik, die                  cherheitlichungsprozess, bedeutet dies:
Teil der öffentlichen Debatte und Gegenstand
                                                                  „It is by labelling something a security issue
von Entscheidungen und Ressourcenallokationen                     that it becomes one – not that issues are se-
ist. Das Sicherheitsproblem besitzt, aufgrund der                 curity issues in themselves […].“(Wæver
von ihm ausgehenden, existentiellen Bedrohung                     2004: S.12)
Priorität und ist somit zentraler Bestandteil der
öffentlichen Debatte (vgl. Buzan 1998: S.23f).                 Durch die Kommunikation einer Angelegenheit
                                                               als bedrohlich und sicherheitsrelevant wird diese
Versicherheitlichungen folgen dabei der subjek-                zum Sicherheitsproblem. Jeder sicherheitspoliti-
tiven Logik des jeweiligen Versicherheitli-                    sche Sprechakt wird von Buzan et al. als „securi-
chungsakteurs. Es existieren keine objektiven,                 tizing move“ bezeichnet, welche kumuliert in
universellen Bedrohungen (vgl. Buzan 1998:                     ihrer Gesamtheit einen Diskurs ergeben, in wel-
S.40) und auch die Grenze zwischen existentiel-                chem die Bedrohungsetablierung stattfindet
len und weniger drängenden Bedrohungen ist                     (Buzan 1998: S.24-25). Man spricht daher auch
von der jeweils akteursspezifischen Bedro-                     von einer diskursiven Konstruktion von Bedro-
hungswahrnehmung abhängig (vgl. Buzan 1998:                    hung (vgl. Williams 2013: S.71-76). Sicherheits-
S.22-25). Versicherheitlichung ist somit eine                  politischen Sprechakten ist dabei die Verwen-
politische Entscheidung des Versicherheitli-                   dung einer spezifischen rhetorischen Struktur
chungsakteurs (vgl. Buzan 1998: S.32). Als Ver-                immanent, auf welche im Kapitel 2.3 näher ein-
sicherheitlichungsakteur kommen, dank der Er-                  gegangen wird.
weiterung des Sicherheitsbegriffs, diverse Akteu-
re in Frage, wobei Staaten sowie deren Institutio-             Eine erfolgreiche Sekuritisierung setzt weiter
nen und politische Eliten (vgl. Wæver 1995:                    voraus, dass Rezipienten, d.h. die Zielgruppe der
S.55) als primäre Akteure gelten (vgl. Buzan                   Sekuritisierung, diese außergewöhnlichen Maß-
1998: S.36-40). Das jeweils in seiner Existenz als             nahmen akzeptieren und legitimieren, denn „if no
bedroht wahrgenommene Objekt wird als Refe-                    signs of such acceptance exist, we can talk only
renzobjekt bezeichnet. Dem Referenzobjekt wird                 of a securitizing move“ (Buzan 1998: S.25).
von einem Kollektiv (vgl. Buzan 1998: S.36-40)                 Sekuritisierung wird daher auch als intersubjektiv
ein mehrheitlich legitimierter und anerkannter                 bezeichnet (vgl. Buzan 1998: S.29-31). Sie darf
Überlebensanspruch zugesprochen. Die Gefähr-                   allerdings nicht den Rezipienten aufoktroyiert
dung des Weiterbestehens des Referenzobjektes                  werden, weswegen weitere Voraussetzung eine
ist Antrieb für die Versicherheitlichung.                      liberal-demokratische Gesellschaft bzw. Staat ist
                                                               (vgl. Buzan 1998: S.24).5 Hinsichtlich der Frage,
Die Konstruktion der Sicherheitsbedrohung ge-                  ob die durch öffentliche Akzeptanz legitimierten
schieht mithilfe sicherheitspolitischer Sprechakte             Maßnahmen letztendlich auch ausgeführt werden
(vgl. Buzan 1998: S.26). In Anlehnung an die                   müssen, um von einer erfolgreichen Sekuritisie-
Sprechakttheorie von John R. Searle und John                   rung zu sprechen, nimmt die KS eine eher mode-
Austin wird Sprache, hier auch jeglichen anderen               rate Haltung ein:
Kommunikationsformen4, eine performative,                         „We do not push the demand so high as to
kreierende Wirkung zugeschrieben:                                 say that an emergency meassure has to be
                                                                  adopted, only that an existential threat has
                                                                  to be argued and just gain enough reso-
4
  Searle und Austin als Begründer der Sprechakttheorie            nance for a platform to be made from which
schließen Textmaterial als Grundlage einer Sprechakt-             possible to legitimize emergency measures
analyse nicht explizit aus, dennoch ist „[…] Sprechhand-          or other steps that would not have been pos-
lungsanalyse […] als Sprachanalyse und nicht als Schrift-         sible had the discourse not taken the form of
textanalyse entwickelt worden.“ (Wagner 1997: S.79-81)            existential threats, point of no return, and
Im Folgenden soll eine Versicherheitlichung seitens eines
institutionellen Akteurs (DG CLIMA) untersucht werden,
                                                               5
dessen bürokratische Beschaffenheit ihn daran hindert,           Ursprünglich war lediglich das Vorhandensein von
sich im ursprünglichen Sinne zu verbalisieren. Daher ist       Sprechakten ausreichend für eine Versicherheitlichung.
es methodisch zu vertreten, dass schriftliche Texte,           Erst ab 1998 wurde die Prämisse der Akzeptanz einer
welche im Namen der Institution geäußert werden, dieser        Versicherheitlichung durch die Rezipienten verlangt (vgl.
im gleichen Maße zuzuordnen sind, wie „direkte“ verbale        Williams 2013: S.71-76). Dieser Punkt wird im Folgen-
Äußerungen designierter Vertreter. Seitens Buzan et al         den nicht anhand der Argumentationsstruktur der DG
wurden diesbezüglich auch keinerlei Einwände erhoben.          CLIMA geprüft (Begründung in Kapitel 3.1.).
Seite 4                                                           Passauer Jean Monnet Papiere 04/2013

   necessity.“ (Buzan 1998: S.26, eigene Her-          zugesprochenen Überlebensanspruch resultiert
   vorhebung)                                          der Antrieb für eine Versicherheitlichung. Es
Die Umsetzung der Notfallmaßnahmen ist folg-           besteht eine Handlungsnotwendigkeit und Dring-
lich nicht zwingend notwendig, aber sollte zu-         lichkeit (Indikator IX). Aufgrund der Bedrohung
mindest grundsätzlich möglich und legitimiert          wird der Angelegenheit Sicherheitsrelevanz (In-
sein. Zu beachten gilt allerdings, dass a priori nur   dikator VII) konstatiert; sie besitzt damit Hand-
abgeschätzt werden kann, inwiefern Notfallmaß-         lungspriorität (Indikator X) und wird zu einer
nahmen letztenendes durchsetzbar sind. Aber            existentiellen Bedrohung (vgl. Buzan 1998:
                                                       S.27). Eine Konfliktbewältigung nach regulären
   „[…] the exact definition and criteria of se-
                                                       Maßstäben kommt, aufgrund der Außergewöhn-
   curitisation is the intersubjective establish-
   ment of an existential threat with a saliency
                                                       lichkeit der Thematik, nicht mehr in Frage (vgl.
   sufficient to have substantial political ef-        Buzan 1998: S.26). Notfallmaßnahmen (Indika-
   fects.“ (Wæver 2004: S.10)                          tor XII) müssen angekündigt werden bzw. die
                                                       Intention deren Planung und Durchführung muss
Versicherheitlichung muss folglich politische          artikuliert und gerechtfertigt werden. Sicherheits-
Auswirkungen haben, gleich welcher Intensität.         argumentationen besitzen des Weiteren eine
                                                       hypothetische Komponente (Indikator IV). Sie
Buzan führt zudem zwei den Versicherheitli-            sind zukunftsbezogen und beinhalten zwei Vor-
chungsprozess unterstützende Faktoren („facilita-      hersagen: Eine Prognose des Szenarios ohne das
ting conditions“) ein, die beide auch als Bedin-       geforderte Handeln und ein Prognose des zu
gung für eine Versicherheitlichung verstanden          Erwartenden nach dem Agieren (vgl. Buzan
werden (vgl. Buzan 1998: S.31-33). Neben den           1998: S.31-33).
in Kapitel 2.3 ausgeführten, internen, sprachlich-
grammatikalischen Faktoren umfassen die exter-         Spezifisch für die Sicherheitslogik umwelt- und
nen, kontextuellen und sozialen Faktoren das           damit auch klimapolitischer Versicherheitlichun-
sogenannte soziale Kapital des Versicherheitli-        gen ist, dass die Bedrohung Konsequenz mensch-
chungsakteurs. Er muss, um als „generally accep-       lichen Handelns ist, folglich die Menschheit
ted voices of security“ gelten zu können (Buzan        (teilweise) Verantwortung für die bisherige sowie
1998: S.31-33), über Sekuritisierungsmacht ver-        zukünftige Entwicklung trägt (Indikator I) (vgl.
fügen (vgl. Wæver 1995: S.514). Dies beinhaltet        Buzan 1998: S.75-79).
neben (offizieller) Autorität das Innehaben einer
sozialen Position, welche an die Rezipienten           3. Empirische Analyse der Versicherheitli-
gerichtete Sprechakte ermöglicht.                      chung
2.3. Indikatoren sicherheitspolitischer                Zur Beantwortung der Leitfrage muss zunächst
Sprechakte                                             geprüft werden, ob die theoretischen Prämissen
                                                       einer Versicherheitlichung erfüllt werden, d.h. ob
Im Folgenden sollen nun Indikatoren zur Analyse        die DG CLIMA die geforderten Akteurs-
der den Sprechakten immanenten Sicherheitsrhe-         qualitäten besitzt und für das Referenzobjekt,
torik aufgeführt werden. Neben rein linguisti-         inklusive seiner benötigten Eigenschaften, ein
schen Nuancen (Indikator XIII), mit dramatisie-        Äquivalent gefunden werden kann. Nur falls dies
render bzw. alarmierender Funktion (vgl. Wæver         gegeben ist, kann von einer Versicherheitlichung
1995), weist die Rhetorik eines Sicherheitsdis-        im theoretischen Sinne von Buzan et al. gespro-
kurses eine bestimmte Argumentationslogik auf.         chen werden.
Im Wesentlichen umfasst dies:
   „[…] a plot that includes existential threat,       3.1. Die Generaldirektion für Klimapolitik als
   point of no return, and a possible way out -        Versicherheitlichungsakteur
   the general grammar of security as such
   plus the particular dialects of the different       Grundgedanke der Arbeit ist die Analyse einer
   sectors, such as […] sustainability in the en-      Versicherheitlichung des Klimawandels inner-
   vironmental sector […].“ (Buzan 1998:               halb der EU. Diese kommt zwar, dank der Erwei-
   S.33)                                               terung des Sicherheitsbegriffs der KS, grundsätz-
Neben der Wahrnehmung einer existenziellen             lich als Versicherheitlichungsakteur in Frage.
Bedrohung (Indikator VI) und des „point of no          Eine Untersuchung des Gesamtkomplexes EU
returns“ (Indikator XI) macht sich eine versi-         jedoch erweist sich als problematisch, da die
cherheitlichende Sprechhandlung weiterhin durch        einzelnen, das Institutionengeflecht der EU bil-
die Reklamation der Gefährdung des Überlebens          denden Entitäten eine hohe Selbstständigkeit im
des Referenzobjektes (Indikator V) bemerkbar.          Sinne eigener Zielsetzungen, Funktionen und
Aus diesem, dem Referenzobjekt mehrheitlich            Aktivitäten aufweisen. Eine Disaggregation der
Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt?                         Seite 5

EU in ihre einzelnen Organe ist daher, auch unter              reich alleinverantwortlich Leitlinien und Prioritä-
Berücksichtigung der Kapazitäten der vorliegen-                ten (vgl. Centrum für Europäische Politik o.J.).
den Arbeit, unvermeidbar.6 Der Forschungs-                     Zu deren Umsetzung und Ausgestaltung ist ihm
schwerpunkt wird daher auf die DG CLIMA                        eine Generaldirektion unterstellt, deren administ-
gelegt.7 Die Auswahl dieser Untersuchungsein-                  rative Leitung ein Generaldirektor übernimmt
heit lässt sich wie folgt begründen.                           (vgl. Dinan 1999: S.215).9 Zu dessen Aufgaben-
                                                               bereich zählt die kommissionsinterne und
Da Versicherheitlichungsakteure als „generally                 -externe Repräsentation der Direktion sowie die
accepted voices of security“ (Buzan 1998: S.31-                Herstellung einer Verbindung zwischen Kom-
33) gelten sollen, wurde die Untersuchungsein-                 missar und Direktion (vgl. Nugent 2002: S.139).
heit innerhalb der Institutionen ausgewählt, deren
Zuständigkeitsbereiche designiert sicherheits-,                Zu den Aufgaben der DG CLIMA zählt die Lei-
außen- oder verteidigungspolitische Inhalte um-                tung internationaler klimapolitischer Verhand-
fassen (vgl. Hauser 2010: S.43-46). Hierzu zählt               lungen, die Etablierung und Koordination bi- und
u.a. die EU-Kommission, welche als „genuin                     multilateraler Partnerschaften sowie die Entwick-
europäische Instanz“ (Weidenfeld et al. 2011:                  lung und Implementierung von kosteneffizienten
S.292), neben der geforderten Außenkompetenz,                  nationalen und europäischen klimapolitischen
über weitreichende supranationale Befugnisse                   Richtlinien und Strategien (vgl. DG CLIMA-
verfügt. Die Kommission konstituiert sich aktuell              Homepage 2011). Hierdurch werden der DG
aus dem Kommissionspräsidenten José Manuel                     CLIMA gewisse machtpolitische Kapazitäten
Barroso, den beiden Vizepräsidentinnen sowie 24                übertragen, welche ihr eine Plattform bieten, für
weiteren Kommissaren und den ihnen unterstell-                 die Legitimierung von (Notfall)maßnahmen zu
ten Verwaltungsbehörden (vgl. Weidenfeld et al.                werben und diese potenziell auch durchzusetzen.
2011: S.148ff). In Anlehnung an die methodische                Die Prämisse der Möglichkeit einer politischen
Vorgehensweise Philippe Bourbeaus8 sollte die                  Einflussnahme ist somit erfüllt. Weiterhin wird
Untersuchungseinheit zudem idealerweise über                   die DG CLIMA durch diese Befugnisse in eine
eine dezidiert klimapolitische Zielsetzung verfü-              soziale Position manövriert, in welcher sie ihre
gen (vgl. Bourbeau 2011: S.19f). Innerhalb der                 Anliegen nach außen öffentlich artikulieren kann.
Europäischen Kommission fiel somit die Wahl                    Weiterhin kann die DG CLIMA, wie alle Gene-
auf die Kommissarin für Klimaschutz Connie                     raldirektionen, das Initiativrecht der Kommission
Hedegaard sowie die ihr unterstellte DG CLIMA                  auch direkt selbst ausüben (vgl. Kopp-Malek et
unter der Leitung des Generaldirektors Jos Del-                al. 2009). Auch europaintern ist somit Sekuriti-
beke. Die Zuständigkeiten der DG CLIMA sollen                  sierungsmacht und Zugang zu Rezipienten gege-
nun im Hinblick darauf untersucht werden, ob                   ben. Der Aufgabenbereich der Generaldirektion
die Generaldirektion als möglicher Versicherheit-              umfasst weiterhin eine Überwachung der Erfül-
lichungsakteur in Frage kommt.                                 lung der Emissionsreduktionsziele in den Mit-
                                                               gliedsstaaten sowie eine Überwachung der Be-
Jeder Kommissar definiert für seinen Politikbe-                rücksichtigung der Klimapolitik in der EU (vgl.
                                                               DG CLIMA-Homepage 2011). Durch diese Kon-
6
   Buzan et al. warnen jedoch vor einer wiederholten           trollkompetenz sowie interdirektional stattfin-
Disaggregation von Kollektiven in Untereinheiten, da           dende Koordinations- und Kooperationsprozesse
sonst die Handlungslogik der Organisation insgesamt            (vgl. Nugent 2002: S.243) ist eine weitere natio-
verloren gehen könnte (vgl. Buzan 1998: S.40).                 nale sowie unionsinterne Einflussnahme möglich.
7
  Allerdings kann die Bezeichnung der DG CLIMA als             Als explizit für Klimapolitik zuständige Einheit
Versicherheitlichungsakteur a priori nur postuliert wer-
                                                               verfügt sie für diesen Politikbereich auch über
den, da noch nicht geprüft wurde, ob eine Versicherheit-
lichung seitens der Generaldirektion stattfindet. Aufgrund     genügend Autorität. Kritisch anzumerken gilt
dieses analytischen Dilemmas ist im Folgenden die De-          allerdings, dass die Generaldirektion nicht über
signation unter Vorbehalt zu verstehen.                        eine dezidiert festgelegte Informationspflicht
8
  Bourbeau stellte zur Untersuchung der Versicherheitli-       gegenüber der gesamteuropäischen Öffentlichkeit
chung von Migration einem institutionellen Indikator und       verfügt. Allerdings arbeitet sie mittels ihrers
einen praktischen Indikator auf. Letzterer umfasst direkte     Internetauftritts stark öffentlichkeitsorientiert,
sicherheitsbezogene Handlungen zur Eindämmung der
Migrationsproblematik. Der institutionelle Indikator           wie sich bspw. an den „Citizen’s Summar(ies)“
umfasst einen rechtlichen Indikator, welcher zunächst          (vgl. Kapitel 3.3) erkennen lässt.
rein quantitativ verabschiedete Beschlüsse und Maßnah-
men mit migrationspolitischen Bezügen sowie Einrich-           Die in Kapitel 2.2 theoretisch formulierten An-
tungen, Organisationen oder Regime mit migrationspoli-         forderungen an einen Versicherheitlichungsak-
tischer Zielsetzung registriert. Anschließend werden
politische Aussagen daraufhin untersucht, inwiefern eine
                                                               9
Verbindung zwischen Sicherheit und Migration konstru-             Zum Verhältnis zwischen Kommissar             und
iert wird (vgl. Bourbeau 2011: S.19).                          Generaldirektion vgl. S.144f in Nugent (2002).
Seite 6                                                        Passauer Jean Monnet Papiere 04/2013

teur werden durch die DG CLIMA erfüllt. Die         3.2. Referenzobjekte Klima und Zivilisation
vorliegende Arbeit folgt dabei der Tendenz jün-
gerer Studien, welche den Forschungsfokus auf       Bei der Versicherheitlichung von umweltpoliti-
einzelne Generaldirektionen legen (vgl. Kopp-       schen Sachverhalten wird zwischen einem (na-
Malek et al. 2009: S.46). Ihnen wird ein gewisser   tur)wissenschaftlichen, seitens nichtstaatlicher
Grad an Selbstständigkeit zugeschrieben, denn       Forschungsinstitutionen geprägten Diskurs und
sie verfügen über einen eigenen                     einem primär staatlich bzw. zwischenstaatlich
   „approach to policy, their own ways of           geprägten politischen Diskurs unterschieden.
   working and their own political and organi-      Letzterer besteht aus öffentlichen Entschei-
   sation objectives“ (Cini 2000: S.76).            dungsprozessen und Maßnahmen der politischen
                                                    Praxis, stützt sich aber auf (natur)wissen-
Eine von der zuständigen Kommissarin unabhän-
                                                    schaftliche Argumente. Unter Berücksichtigung,
gige Untersuchung ist somit vertretbar, denn
                                                    dass eine stringente Trennung beider Diskurse
aufgrund Hedegaards Leitlinienkompetenz ist
                                                    nicht möglich ist, wird der Forschungsfokus auf
von einer hohen Konvergenz der Argumentati-
                                                    die politische Agenda gelegt (vgl. Buzan 1998:
onsstrukturen auszugehen. Des Weiteren wird
                                                    S.71-75).
während regelmäßiger Strategiesitzungen Hede-
gaards und Delbekes die Grundrichtung der Ge-
                                                    Bei der Definition eines umweltpolitischen Refe-
neraldirektion gemeinsam bestimmt (vgl. Cent-
                                                    renzobjekts muss gemäß Buzan et al. berücksich-
rum für Europäische Politik o.J.). Delbeke wie-
                                                    tigt werden, dass neben der Umwelt als solche
derrum äußert sich bis auf einige wenige Aus-
                                                    bzw. einzelner ihrer Segmente auch der Erhalt
nahmen nicht öffentlich und wird aus diesem
                                                    des erreichten Zivilisationsniveaus als Referen-
Grund von der Analyse ausgeklammert. Insge-
                                                    zobjekt postuliert werden kann. Die menschliche
samt soll lediglich ein Ausschnitt des gesamten
                                                    Zivilisation wird so in ihrer bisherigen Form als
postulierten Versicherheitlichungsprozesses in-
                                                    im Fortbestehen bedroht wahrgenommen, wobei
nerhalb der EU analysiert werden.
                                                    die Bedrohung von Veränderungen der Umwelt,
                                                    hier spezifischer durch Veränderungen des Kli-
Die Prämisse der Akzeptanz des Versicherheitli-
                                                    mas, ausgeht.
chungsprozesses wird daher nicht geprüft wer-
den, da nicht direkt nachvollziehbar ist, ob und       „If we define environmental security in
inwiefern Akzeptanz innerhalb der europäischen         terms of sustaining ecosystems that are nec-
Öffentlichkeit durch die DG CLIMA forciert             essary for the preservation of achieved lev-
wurde. Eine solche Evaluation kann nur für den         els of civilization, it follows that when and
                                                       where this security fails, the conflicts will be
Gesamtprozess in der EU vorgenommen werden
                                                       over threats to these levels of civilization -
und übersteigt daher den Umfang der Arbeit. Da
                                                       that is, threats to nonenvironmental existen-
allerdings dann lediglich von der Untersuchung         tial values. The environment, […] sets the
von „securitization moves“ (Buzan 1998: S.25)          conditions for sociopolitical-economic life.
gesprochen werden kann, ist die Fragestellung in       When these conditions are poor, life is
diesem Sinne auszulegen. Sie lautet modifiziert:       poor.” (Buzan 1998: S.84)
Inwiefern findet eine Versicherheitlichung des
Klimawandels durch die Generaldirektion für         Buzan et al. trennen beide Referenzobjekte dezi-
Klimapolitik statt? Diese Adjustierung hat keine    diert voneinander, merken allerdings an, dass nur
weiteren methodischen Implikationen.                durch die Bedrohung des Klimas auch die Zivili-
                                                    sation bedroht wird; eine Bedrohung der Zivilisa-
Die Analyse stützt sich auf Äußerungen, Publika-    tion jedoch nicht zur Bedrohung des Klimas führt
tionen und Schriften, welche auf Seiten des offi-   (vgl. Buzan 1998: S.75-79). In letzter Konse-
ziellen Internetauftritts der Generaldirektion      quenz müsste aber zudem aus diesem Zusam-
veröffentlicht wurden. Die DG CLIMA wurde im        menhang geschlossen werden, dass es sich um
Februar 2010 erstmals neu eingerichtet. Der Zeit-   eine dependente Kette von Referenzobjekten
rahmen der Untersuchung begrenzt sich somit         handelt. Klima an sich soll primär geschützt wer-
auf drei Jahre.                                     den, um dann durch den Erhalt der Lebensgrund-
                                                    lage der Zivilisation, in zweiter Instanz, die Zivi-
                                                    lisation als solche zu schützen. Eine Versicher-
                                                    heitlichung wird daher für beide Referenzobjekte
                                                    gemeinsam geprüft. Klimawandel stellt folglich
                                                    die Bedrohung dar; Klima und analog die Zivili-
                                                    sation die Referenzobjekte. Welches Interesse hat
                                                    allerdings die DG CLIMA an einer Versicher-
                                                    heitlichung des Klimawandels?
Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt?                          Seite 7

Das Interesse der DG CLIMA besteht zum einen                   3.3. Analyse des
darin, ihr eignes Fortbestehen zu sichern. Hand-               Versicherheitlichungsprozesses
lungsnotwendigkeit in Sachen Klimawandel
begründet die Weiterfinanzierung der DG CLI-                   Die Sprechakte der DG CLIMA werden nun auf
MA. Je dringlicher und wichtiger folglich der                  die in Kapitel 2.3 aufgestellten Indikatoren hin
Klimawandel verstanden wird, desto mehr Rele-                  überprüft. Um eine bessere Übersichtlichkeit zu
vanz wird folglich auch der DG CLIMA inner-                    gewährleisten, wurde eine Tabelle angelegt, aus
halb der Kommission zugeschrieben. Zum ande-                   welcher die Sprechakte ersichtlich werden, die
ren ist davon auszugehen, dass die DG CLIMA                    das Vorhandensein des jeweiligen Indikators
aufgrund ihres dezidiert klimapolitischen Organi-              belegen. In der folgenden Ausführung wird auf
sationszweckes (vgl. DG CLIMA-Homepage                         die in der Tabelle aufgeführten Belege Bezug
2011) ein Interesse am generationenübergreifen-                genommen und lediglich nur noch einzelne Bele-
den, nachhaltigen Schutz der klimabedingten                    ge explizit angeführt. An dieser Stelle soll betont
Lebensgrundlagen hat. Versicherheitlichung                     werden, dass nicht der Anspruch einer vollstän-
ermöglicht eine beschleunigte Durchsetzung von                 digen Analyse aller Sprechakte erhoben werden
Interessen, was zu einer Erweiterung des politi-               soll.
schen Handlungsspielraumes führt. Eine Versi-
cherheitlichung ist somit als politisches Instru-              Zur Analyse der Versicherheitlichung der DG
ment für die DG CLIMA „as a way to obtain                      CLIMA wurden zunächst Teile der Homepage,
sufficient attention for environmental problems“               zwei dezidiert von der Generaldirektion verfasste
(Buzan 1998: S.29) erstrebenswert10.                           Publikationen sowie drei Citizen’s Summaries
                                                               auf ihre Sicherheitsrhetorik hin untersucht. Letz-
Aufgrund des Organisationszweckes (General-                    tere sind eine Reihe unter dem Motto „EU initia-
direktion für Klimapolitik) wird davon ausgegan-               tives made simple“ veröffentlichter Erklärungen,
gen, dass alle von der DG CLIMA getroffenen                    welche EU-Bürger über Initiativen der Kommis-
Aussagen auf das Klima bzw. den Klimawandel                    sion, hier der DG CLIMA, informieren sollen.
zu beziehen sind. Eine Differenzierung zwischen                Allen verwendeten Quellen ist der direkte Adres-
Aussagen mit und ohne klimapolitischen Bezug                   sat „europäische Öffentlichkeit“ gemeinsam.
erübrigt sich somit. Nichtsdestotrotz soll das der             Dies ist insofern relevant, als dass die Möglich-
Arbeit immanente, anthropogene Verständnis                     keit besteht, durch den Versicherheitlichungspro-
von Klimawandel kurz definiert werden. Hierfür                 zess die von den Rezipienten benötigte Anerken-
wird auf die der DG CLIMA zugrunde liegenden                   nung zu gewinnen.
Definition des Ratssekretariats zurückgegriffen.
Klimawandel ist demnach:                                       Klimawandel wird zunächst als anthropogen
     „A change of climate which is attributed di-              verursacht verstanden (vgl. Indikator I, bspw.
     rectly or indirectly to human activity that al-           „However, humans are having an increasing
     ters the composition of the global atmos-                 influence on our climate […].“ DG CLIMA
     phere and which is in addition to natural                 2010b). Dadurch entstehen für den Menschen
     climate variability observed over compara-                diverse Handlungsoptionen, alle mit der Ambiti-
     ble time periods.“ (General Secretariat of                on, den Klimawandel zu verhindern. In Konse-
                              11
     the Council 2011: S.18.                                   quenz beziehen sich auch die Sprechakte jeweils
                                                               auf verschiedene Themen. Daher werden diese,
                                                               meist zu Anfang der jeweils untersuchten Doku-
10
                                                               mente, stark simplifiziert erklärt und in einen
   Die KS bezieht dabei jedoch normativ Stellung: Die
                                                               Zusammenhang mit dem Klimawandel gebracht:
sektorenübergreifende Verbreitung von Versicherheitli-
chung wird abgelehnt, da nicht mehr normale Konflikt-             „‘Greenhouse’ gases emitted by human ac-
bewältigungsstrategien angewandt werden, sondern                  tivities are warming the Earth and causing
politische Entscheidungen unter legitimierter Ausgren-            changes in the global climate.“ (DG CLIMA
zung der öffentliche Sphäre auf einen Expertenkreis bzw.          2012b: S.1- vgl. Indikator II).
politische Eliten beschränkt werden. Bevorzugt wird
daher Desekuritisierung (vgl. Wæver 2004). Umstrittene         Im Anschluss werden die bisherigen negativen
Ausnahme bildet hierbei der Umweltsektor (vgl. Buzan           Auswirkungen sowie zukünftig potenziell zu
1998: S.33-35).                                                erwartenden Entwicklungstendenzen (Indikator
11
   Obwohl zwar eine klimaskeptische Debatte besteht,           III) dargestellt:
erübrigt sich es, diese auszuführen. Denn in der KS ist es
irrelevant, ob der anthropogene Klimawandel als natur-            „Climatic changes will lead to increased
wissenschaftlich ausreichend fundiert verstanden werden           risk of disturbances through storms, fire,
darf und tatsächlich stattfindet. Wichtig ist nur, wie der        and outbreaks of pests and diseases with im-
Klimawandel wahrgenommen wird. Auf detaillierte                   plications for forest growth and production.
Angaben zum empirischen Forschungsstand des Klima-                This will affect the economic viability of for-
wandels wird daher verzichtet.
Seite 8                                                         Passauer Jean Monnet Papiere 04/2013

   estry, mainly in southern areas, and the ca-      Existenz bedroht dargestellt, denn
   pacity of forests to provide environmental           „(i)n the longer term, these changes threat-
   services, including the carbon sink func-            en to cause serious damage to our econo-
   tion.“ (DG CLIMA-Homepage 2009: Frage                mies and the environment we depend on,
   15)                                                  putting the lives of millions of people in
Um das Ausmaß der Bedrohung besser darzustel-           danger […].“ (DG CLIMA 2012b: S.4)
len, werden die Ausführungen oft numerisch           Das     Vorhandensein      einer    existentiellen
untermalt. Damit die dabei angegebenen Fakten        Bedrohung wird allerdings, und dies ist
beurteilbar bleiben, werden diese oft in einen       entscheidend, überwiegend langfristig konstatiert
Vergleich gesetzt. („The warming effect […] on       („Reining in climate change carries a cost, but
the atmosphere is up to 23,000 times stronger        doing nothing would be far more expensive in
than carbon dioxide.“ DG CLIMA 2012a: S.1).          the long run.“ DG CLIMA-Homepage 2010 oder
An dieser Stelle beinhaltet das Argumentations-      „Early action will save costs later“ DG CLIMA
gefüge auch zur Genüge hypothetische Kompo-          2012b: S.5- vgl. Indikator VI).
nenten (Indikator IV), wie bspw. im folgenden
Sprechakt ersichtlich wird:                          Nach Buzanscher Logik müsste nun der
   „The more we reduce emissions today, the          Klimawandel als Teilaspekt des Sicherheits-
   less our societies will have to spend on          konzeptes kommuniziert werden (Indikator VII).
   adapting to the adverse impacts of climate        Eine explizite Referenz des Klimawandels als
   change in the future.“(DG CLIMA 2012a:            sicherheitsrelevant kommt zwar nur an wenigen
   S.1)                                              Stellen vor. Als Beispiel soll angeführt werden:
Die Argumentationsstrategie müsste nach Buzan           „Through its impact on water resources and
et al. nun zur weiteren Etablierung einer               food production, climate change could
Bedrohung Bezug auf die Referenzobjekte                 threaten regional and international security
(Indikator V) nehmen. Für das Referenzobjekt            by triggering or exacerbating conflicts, fam-
Zivilisation findet dies zwar in ausgewählten           ines and refugee movements.“ (DG CLIMA
Beispielen statt:                                       2012b: S.3)
   „These changes pose a serious threat to hu-       Dies stellt jedoch nicht zwingend eine
   man lives, to economic development and to         Versicherheitlichung in Abrede. Denn Buzan et
   the natural world on which much of our            al. fordern keine explizite Äußerung des Wortes
   prosperity    depends.”   (DG     CLIMA-          Sicherheit (vgl. Buzan 1998: S.33-35), eine
   Homepage 2012)                                    „metaphorical security reference“ (Buzan 1998:
Allerdings ist eine solche direkte Referenz eher     S.27) ist ausreichend. Ein Sicherheitsproblem
selten. Vielmehr steht das Klima als solches im      wird dabei lediglich subtil und indirekt
Mittelpunkt, mit indirekter Referenz auf die         argumentiert:
Gefährdung der Zivilisation. So wird bspw.              „An increase of 2° C above the temperature
durch die Referenz auf Luftverschmutzung („Air          in pre-industrial times […] is seen […] as
pollution would be drastically reduced […].“ DG         the threshold beyond which there is a much
CLIMA 2011: S.1) oder Katastrophen                      higher risk that dangerous and possibly cat-
(„Temperatures are rising, rainfall patterns are        astrophic changes in the global environment
shifting, glaciers are melting, sea levels are          will occur.“ (DG CLIMA-Homepage 2012)
getting higher and extreme weather resulting in      Dies kann durch die mangelnde zeitliche
hazards such as floods and droughts is becoming      Proximität erklärt werden: Seitens der DG
more common.“ DG CLIMA-Homepage 2012)                CLIMA wird zwar eine existentielle Bedrohung
als Folgen des Klimawandels indirekt sub-            wahrgenommen, aber auf lange Sicht. Dies wird
sumiert, dass diese auch negative Implikationen      dadurch bestätigt, dass die Umsetzung der EU-
für den Rezipienten beinhalten. Folglich wird        Ziele erst für 2020 anberaumt ist. Der
dem Klima als Referenzobjekt und seinen              Klimawandel ist somit auch lediglich auf lange
Bestandteilen, wie Luft und Temperaturen, durch      Sicht sicherheitsrelevant. Sicherheit wird als
die bereits beobachteten oder drohenden              „area of competing actors“ (Buzan 1998: S.36-
Veränderungen, bspw. Luftverschmutzung oder          40) verstanden. Es besteht folglich zwischen
Anstieg des Durchschnittsniederschlags, der          diversen Akteuren Konkurrenz um die
Normalzustand und damit der bisherige Lebens-        Etablierung der jeweils eigenen Angelegenheit
standard gefährdet. Durch die Attribuierung einer    und Priorität als sicherheitsrelevant. Wenn nun
Gefährdung wird ihnen ein Überlebensanspruch         die anderen Generaldirektionen auch als Akteure
in ihrer bisherigen Form zugeschrieben. Sie          mit einer versicherheitlichenden Ambition
werden durch die zu erwartenden Veränderungen        verstanden werden, besteht interdirektional
(bei gleichbleibender Politik) als in der weiteren
Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt?                             Seite 9

Konkurrenz um eine höhere Sicherheitspriorität                 behauptet werden kann.
des eigenen Referenzobjektes. Zwar argumentiert
die DG CLIMA eine Bedrohung und ein                            Die extensiven Beschreibungen und Erklärungen
Sicherheitsproblem, kann sich jedoch nicht gegen               der von der EU geplanten Maßnahmen sowie
die anderen Akteure durchsetzen. Klimawandel                   deren Rechtfertigung, die einen Großteil des
ist daher selten dominierender Bestandteil                     Inhalts der untersuchten Quellen ausmachen,
sicherheitspolitischer Agenden. Verstärkt wird                 können somit auch erklärt werden (vgl. Indikator
dies durch die Kurzlebigkeit des medialen                      XII). Um die Anerkennung der Notwendigkeit
Interesses        gegenüber       klimabedingten               klimapolitischer Maßnahmen muss noch
Umweltkatastrophen (vgl. Endres 2012) und die                  geworben werden. Dies könnte bereits ein Indiz
mangelnde        Konvergenz      klimapolitischer              innerhalb der Argumentationsstrategie der DG
Prioritätensetzung in den Mitgliedsstaaten (vgl.               CLIMA sein, dass auf das mangelnde
Buanz 23-27). Aufgrund der aktuellen                           Vorhandensein einer Anerkennung schließen
Finanzlage Europas dominieren wirtschaftliche                  lässt. Die als notwendig deklarierten Maßnahmen
Themen, wie bspw. aktuell die Zypernkrise, in                  werden zudem ohne eine Umgehung des
den öffentlichen Debatten. Das eingangs                        geltenden      Rechts    und      der   regulären
aufgeworfene Paradoxon kann somit anhand der                   Vorgehensweisen geplant oder bereits umgesetzt.
KS erklärt werden.                                             Sie sind daher nicht unter der Kategorie
                                                               Notfallmaßnahmen zu subsumieren.12 Die
Belegt wird dies dadurch, dass die                             geforderten politischen Auswirkungen können
Argumentation der Versicherheitlichung des                     aber eindeutig anhand der diversen, gegenwärtig
Klimawandels mit ökonomischen Argumenten                       debattierten      oder    bereits     umgesetzten
angereichert wird (Indikator VIII):                            Maßnahmen, wie bspw. dem Emissions-
   „Joint EU action can: [...] create economies                handelssystem, diagnostiziert werden.
   of scale so measures cost less and don’t dis-
   rupt Europe's single market. Taking further                 Abschließend sollen nun die verwendete
   action would give incentives to strengthen                  Rhetorik und linguistischen Mittel untersucht
   Europe's early investment in green technol-                 werden (Indikator XIII). Klimawandel ist,
   ogy [...].” (DG CLIMA 2010a: S.1)                           aufgrund       seines      naturwissenschaftlichen
Somit kann auch begründet werden, warum eine                   Fundaments, für eine neutrale, objektive
Handlungsnotwendigkeit zwar repetitiv betont                   Ausdrucksweise        prädestiniert,   was     eine
wird (Indikator IX):                                           exorbitant dramatisierende Wortwahl nur schwer
                                                               damit vereinbar macht. Dieser Indikator ist daher
   „(A)ction is needed today.“ (DG CLIMA                       zu relativieren und eine Versicherheitlichung
   2012a: S.1)                                                 lediglich anhand subtiler, linguistischer Nuancen
   „(Climate change) […] will become dan-                      auszumachen. So wird die oben demaskierte
   gerous withought urgent action.“ (DG CLI-                   Bedrohungsetablierung durch die geschickte
   MA 2012b: S.2)                                              Verwendung eines bedrohungsetablierenden
   „[…] many countries are already enduring                    Vokabulars feinjustiert. Beispielhaft anzuführen
   the impact of climate change. There is an                   sind Ausdrucksweisen wie „fight against climate
   urgent need to improve their resilience                     change“ (DG CLIMA 2010a: S.2), „risk of large-
   […].“ (DG CLIMA-Homepage 2009: Frage                        scale, irreversible changes“ (DG CLIMA 2012b:
   3).                                                         S.2), „destructive course“ (DG CLIMA 2012b:
Von Handlungspriorität (Indikator X), wie in den               S.2) sowie „dangerous and possibly catastrophic
folgenden beiden Beispielen,                                   changes“ (DG CLIMA-Homepage 2012).
                                                               Teilweise wurden auch typographisch bestimmte
   „Climate change is one of the priorities for
                                                               Textpassagen         durch      bspw.      Schrift-
   the EU's current multi-annual financial
   framework (2007-2013) […].“ (DG CLIMA-
   Homepage 2009: Frage 3)                                     12
                                                                   Wie eingangs erläutert wird auf diesen Punkt nicht
   „Preventing dangerous climate change is a                   weiter eingegangen. Angemerkt sei allerdings, dass die
   strategic priority for the European Union.“                 geforderten Innovationen, wirtschaftswissenschaftlich als
   (DG CLIMA-Homepage 2010)                                    „Bezeichnung […] für die mit technischem, sozialem und
                                                               wirtschaftlichem Wandel einhergehenden (komplexen)
sowie eines „point of no return“ („There is                    Neuerungen.“ (Gabler Wirtschaftslexikon o.J.) definiert
unequivocal evidence that the Earth’s climate is               werden. Sie erfüllen das Charakteristikum der
warming.“ DG CLIMA 2012b: S.2-vgl. Indikator                   Außergewöhnlichkeit, denn die Komponente der Neuheit
XI) tendenziell aber selten die Rede ist. Die                  impliziert etwas vorherig nicht Dagewesenes. Die
                                                               Prämisse der Ergreifung außergewöhnlicher Maßnahmen
mangelnde Gegenwärtigkeit der Bedrohung führt
                                                               ist, obwohl nicht zwingend notwendig, zumindest in
auch dazu, dass Dringlichkeit nicht glaubwürdig                dieser Hinsicht teilweise erfüllt.
Seite 10                                                            Passauer Jean Monnet Papiere 04/2013

auszeichnungen im Fettdruck akzentuiert (vgl.            dadurch erklären, dass der Klimawandel als
DG CLIMA 2012a).                                         langfristig existentielle Bedrohung durch
                                                         unmittelbarere     Bedrohungen      von      der
4. Fazit                                                 Sicherheitsagenda verdrängt wird. Angesichts der
                                                         Tatsache, dass die DG CLIMA als ursprünglicher
Es     findet      ein    sozialer     Prozess     der   Teil der Generaldirektion für Umwelt, erst im
Bedrohungsetablierung statt: Seitens der DG              Februar des Jahres 2010 herausgetrennt wurde,
CLIMA besteht eine Wahrnehmung des                       kann zukünftig eine weitere Intensivierung des
Klimawandels als Bedrohung für beide                     Versicherheitlichungsprozesses oder auch eine
Referenzobjekte.           Diese         Bedrohungs-     Stagnation nicht ausgeschlossen werden.
wahrnehmung wird unter Verwendung einer
Sicherheitsrhetorik als solche kommuniziert. Die         Zum        Abschluss      soll     auf      einige
Argumentationsstruktur          beinhaltet   negative    Forschungsdesiderata      hingewiesen    werden,
Auswirkungen sowie Zukunftsszenarien, mit                welche sich im Laufe der Untersuchung
welchen ohne ein politisches Einschreiten zu             aufgezeigt haben. Auf der Hand liegt eine
rechnen      ist.      In    Konsequenz        werden    umfassende Analyse des gesamteuropäischen
entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen und                Versicherheitlichungsprozesses. Da nach Buzan
umgesetzt;        die     geforderten      politischen   et al. (S.40-42) gilt: „the analyst is obliged to
Auswirkungen          können       daher    eindeutig    question the succes or failure of the securitizing
diagnostiziert werden. Allerdings ist die                speech act“ bietet sich anschließend eine
Versicherheitlichung in diversen Punkten noch            Evaluierung des Versicherheitlichungsprozesses
an Intensität und Frequenz zu steigern. So wird          an. Zu untersuchen wäre in diesem
bspw. eine Sicherheitsrelevanz überwiegend               Zusammenhang auch, inwiefern Interessen-
indirekt kommuniziert, Handlungsnotwendigkeit            divergenzen innerhalb der Mitgliedsstaaten eine
wird zwar als bestehend konstatiert, jedoch selten       Versicherheitlichung beeinflussen. Inwiefern
eine Handlungspriorität und ein „point of no             findet eine Sekuritisierung der Finanzkrise statt?
return“ argumentiert. Nichtsdestotrotz kann eine         Falls, ja, welche Auswirkungen hat dies auf die
Versicherheitlichung seitens der DG CLIMA, im            Versicherheitlichung      des      Klimawandels?
Sinne von „securitization moves“, als gegeben            Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch
betrachtet werden, da sich sämtliche Indikatoren         eine Untersuchung der Veränderung des
zumindest         ansatzweise       innerhalb      des   Versicherheitlichungsprozesses nach und vor der
untersuchten Textmaterials finden lassen.                Nuklearkatastrophe von Fukushima. Inwiefern ist
Weiterhin gilt hierbei zu berücksichtigen, dass          eine mangelnde Integration der Klimapolitik in
die DG CLIMA, neben vielen anderen Akteuren,             die Sicherheitsagenden sozialpsychologisch mit
leidglich      einen       Teil     des     gesamten     dem Phänomen der Verantwortungsdiffusion
klimapolitischen Versicherheitlichungsprozesses          (vgl. Bierhoff 2003: S.338) zu begründen? Zu
vornimmt. Durch die Akkumulation aller                   guter Letzt bleibt auch zu beantworten, welche
„securitization moves“, bspw. auch seitens der           weiteren Strategien verwendet werden könnten,
Generaldirektion für Umwelt, kann eine                   um      Klimapolitik     verstärkt    Gegenstand
Versicherheitlichung noch intensiviert werden.           sicherheitspolitischer Debatten zu machen. Oder,
                                                         um es mit den Worten Bertrand Russells
Um eine Versicherheitlichung im umfassenden              auszudrücken: „Die Frage ist heute, wie man die
Sinne zu konstatieren, müsste die Anerkennung            Menschheit überreden kann, in ihr eigenes
der Bedrohungsetablierung untersucht werden.             Überleben einzuwilligen.“ (Fuchs 2000: S.947)
Zwar ist eine umfassende Prüfung dergleichen
nicht mehr Bestandteil der vorliegenden Arbeit,
aber anhand der Argumentationsstrategie
zeichnet sich diese Anerkennung, aufgrund der
Betonung      wirtschaftlicher   Vorteile  des
Klimawandels, als noch nicht umfassend
gegeben ab. Auch die extensiven Erläuterungen
der benötigten Maßnahmen lassen darauf
schließen, dass für eine Bedrohungsetablierung
noch     geworben       werden    muss.    Der
Versicherheitlichungsprozess ist noch nicht
abgeschlossen.

Das Paradoxon der mangelnden politischen
Berücksichtigung des Klimawandels lässt sich
Findet eine Versicherheitlichung durch die Generaldirektion für Klimapolitik statt?                      Seite 11

Literaturverzeichnis                                                   sche Union (Hrsg). o.O. Online abrufbar
                                                                       unter
Bierhoff, Hans-Werner (2003): Prosoziales Ver-                         http://ec.europa.eu/clima/publications/do
        halten. In Wolfgang Stroebe (Hrsg.): So-                       cs/factsheet_climate_change_2012_en.p
        zialpsychologie.     Eine     Einführung.                      df, zuletzt aufgerufen am 24/03/2013.
        4.Auflage. Berlin [u.a.]: Springer                     DG CLIMA (2013): The EU Emissions Trading
        (Springer-Lehrbuch), S.319-349.                                System (EU ETS). o.O. Online abrufbar
Bourbeau, Philippe (2011): The securitization of                       unter
        migration. A study of movement and or-                         http://ec.europa.eu/clima/publications/do
        der. Milton Park, Abingdon, Oxon, Eng-                         cs/factsheet_ets_2013_en.pdf,       zuletzt
        land, New York: Routledge (Security                            aufgerufen am 25/03/2013.
        and governance series).                                DG CLIMA - Homepage (2009): Policies - Adap-
Buzan, Barry /Wæver Ole /de Wilde Jaap (1998):                         tation to climate change - FAQ. o.O. On-
        Security. A new framework for analysis.                        line             abrufbar            unter
        Boulder, Colo: Lynne Rienner.                                  http://ec.europa.eu/clima/policies/adaptat
                                                                       ion/faq_en.htm, zuletzt aufgerufen am
Centrum für Europäische Politik (o.J.): Die Zu-
                                                                       25/03/2013.
        sammensetzung        der    Europäischen
        Kommission. o.O. Online abrufbar unter                 DG CLIMA - Homepage (2010): Policies - Cli-
        http://www.cep.eu/eu-fakten/organe-                            mate Change in brief - What is the EU
        und-institutionen/organe-der-                                  doing about climate change? o.O. Online
        eu/kommission/zusammensetzung/, zu-                            abrufbar                             unter
        letzt aufgerufen am 27/03/2013.                                http://ec.europa.eu/clima/policies/brief/e
                                                                       u/index_en.htm, zuletzt aufgerufen am
Daase, Christopher (2010): Der erweiterte Si-
                                                                       26/03/2013.
        cherheitsbegriff. Frankfurt a.M. Online
        abrufbar                             unter             DG CLIMA - Homepage (2011): About us -
        http://www.sicherheitskultur.org/fileadm                       What we do. o.O. Online abrufbar unter
        in/files/WorkingPapers/01-Daase.pdf,                           http://ec.europa.eu/dgs/clima/mission/in
        zuletzt aufgerufen am 12/03/2013.                              dex_en.htm, zuletzt aufgerufen am
                                                                       27/03/2013.
DG CLIMA (2010a): CITIZEN'S SUMMARY.
        Analysis of options for reducing the                   DG CLIMA - Homepage (2012): Policies - Cli-
        EU's greenhouse gas emissions by 30%                           mate Change in brief - What are the con-
        by 2020. o.O. Online abrufbar unter                            sequences of climate change? o.O.
        http://ec.europa.eu/clima/summary/docs/                        Online             abrufbar          unter
        greenhouse_gas_2020_en.pdf,         zuletzt                    http://ec.europa.eu/clima/policies/brief/c
        aufgerufen am 25/03/2013.                                      onsequences/index_en.htm,           zuletzt
                                                                       aufgerufen am 25/03/2013.
DG CLIMA (2010b): Policies - What's causing
        climate change? o.O. Online abrufbar                   Dinan, Desmond (1999): Ever closer union. An
        unter                                                          introduction to European integration.
        http://ec.europa.eu/clima/policies/brief/c                     2.Auflage. Boulder, Verlag: Rienner.
        auses/index_en.htm, zuletzt aufgerufen                 Endres, Alexandra (2012): Hurrikan Sandy: Haiti
        am 29/03/2013.                                                 ist die schlechtere Show. ZEIT ONLINE
DG CLIMA (2011): CITIZEN'S SUMMARY.                                    (Hrsg.). Hamburg. Online abrufbar unter
        EU plan for a competitive low-carbon                           http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-
        economy by 2050. o.O. Online abrufbar                          11/Haiti-Sandy-New-York-
        unter                                                          Aufmerksamkeit, zuletzt aufgerufen am
        http://ec.europa.eu/clima/summary/docs/                        26/03/2013.
        roadmap_2050_en.pdf, zuletzt aufgeru-                  Fuchs, Rolf (2000): Zitate ohne Tabus. Der größ-
        fen am 25/03/2013.                                             te und aktuellste provokative Zitaten-
DG CLIMA (2012a): CITIZEN'S SUMMARY.                                   schatz. 1.Auflage, Berlin: Frieling.
        Reducing emissions of climate-warming                  Gabler Wirtschaftslexikon (o.J.): Stichwort Inno-
        fluorinated gases. o.O. Online abrufbar                        vation. Gabler Verlag (Hrsg). o.O. Onli-
        unter                                                          ne              abrufbar             unter
        http://ec.europa.eu/clima/summary/docs/                        http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Defin
        f-gas_en.pdf, zuletzt aufgerufen am                            ition/innovation.html, zuletzt aufgerufen
        23/03/2013.                                                    am 26/03/2013.
DG CLIMA (2012b): Climate Change. Europäi-                     Gärtner, Heinz (2005): Internationale Sicherheit.
Sie können auch lesen