PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS

Die Seite wird erstellt Hortensia-Luzy Wichmann
 
WEITER LESEN
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
PaulusRundbrief
Afgiftekantoor 1150 Brussel – P900350
Tervurenlaan 221, 1150 Bxl
verantw. uitgever: W. Severin

                                                                N°486

                                                                              bimestriel
                                                      Dezember 2017 – Januar 2018

                                        T
                                        e
                                        i
                                        l
                                        e
                                        n
       St. Martin: Das                         Wie wir teilen              Teilen auf
       Pferd kam später                           lernen                Social Media
       Seite 10 ff.                               Seite 13 f.                Seite 25 ff.
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
EDI TORIAL                                                                 IN H ALT                                                                                                                                                           Ein Wort voraus
Liebe Leserinnen,                                  Ein Wort voraus                     3
   liebe Leser des PaulusRundbriefs!               Thema: Teilen                       5

M      an muss sein Glück teilen, um es zu         Der Begriff „Teilen“                 5
       multiplizieren, geteilte Freude ist         Teilen und die Bibel                 7
doppelte Freude, geteiltes Leid ist halbes         Das Pferd kam später                10
Leid ... die Liste von Lebensweisheiten und        Wie wir teilen lernen               13
Sprichwörtern rund um das Teilen ließe sich        Globalisierung und Teilen I         15
problemlos fortsetzen und zeigt gleichzeitig,
wie vielfältig dieser Begriff ist. Einiges davon   Globalisierung und Teilen II        17
möchten wir im voliegenden PaulusRund-             Gedicht: Die Teilung der Erde       19
brief näher beleuchten.                            Brot teilen                         20
Im Anschluss an die vielen sprachlichen            Geteiltes Leid ist halbes Leid?     22
Facetten des Begriffs Teilen begeben wir uns       Teilen auf Social Media             25
auf Spurensuche zum Teilen in der Bibel.           Den Weg teilen                      29
Die historische Person, die bei uns vor allem      Adventskalender zum Teilen          30
mit Teilen in Verbindung gebracht wird, ist
der heilige Martin, dessen Lebensgeschich-         Unsere Gottesdienste                32
te an dieser Stelle nicht fehlen darf. Doch        Kurz notiert                        34
Teilen will gelernt sein, wie ein Blick in die

                                                                                                                                                                                             Liebe Gemeindemitglieder,
Pädagogik zeigt. Im Zuge der Globalisierung        Rückblick                           36

                                                                                            Titelbild: St. Martin und der Bettler, El Greco, um 1600, Art Institute of Chicago © Wikipedia
bekommt weltweites Teilen ein anderes              Neues aus dem KGR                   36
Gewicht, einige Aspekte davon kann man             Vorstellung von G. Vásárhelyi       37
zwei weiteren Artikeln und einem Gedicht
entnehmen.                                         Kinderwochenende                    38
                                                   Jugendwochenende                    39
Im Zentrum der Eucharistie steht das               Ausstellung E. Weissenberger        40
Teilen des Brotes, das in St. Paulus eine                                                                                                                                                    für alle diejenigen unter Ihnen, die schon einmal eine größere Veranstaltung (irgend-
besondere, der Urkirche nachempfundene             Firming 2017                        42
Ausprägung hat. Dem Teilen von Zeit und            Laternenbasteln                     43                                                                                                    etwas zwischen Kindergeburtstag oder internationaler Konferenz) organisiert und vorbe-
und Zuwendung hat sich die Hospizgruppe            Vorschau                            44                                                                                                    reitet haben, wird es ein bekanntes Phänomen sein: Bis kurz vor Beginn – oder noch über
unserer deutschsprachigen Gemeinden
                                                   Mini-Nikolausfeier/Adventssingen/                                                                                                         diesen hinaus – hat man tausend Sachen im Kopf, die noch bedacht werden müssen und
verschrieben, deren wertvolle Arbeit eben-                                                                                                                                                   versucht, dies und das noch zu regeln. Dabei die Sorge, dass auch alle Beteiligten mehr
falls vorgestellt wird. Dem Zusammenhang           Kinderchristmette                   44
zwischen Teilen im traditionellen Sinne und        Sternsinger/Mini-Wochenende         45                                                                                                    oder weniger das tun, was sie tun sollten, und schließlich fallen einem siedend heiß Dinge
dem Teilen auf Social Media widmet sich ein        Lebenswoche/Skiferizeit             46                                                                                                    ein, die man vergessen hat, für die es jetzt aber zu spät ist.
weiterer Beitrag.                                  Christbäume/Miniaturkrippen         47
Unser thematischer Schwerpunkt schließt            Adventsmusik/Kaminabende            48                                                                                                    Das beschreibt auch in etwa meinen Zustand, kurz nach dem Beginn des Firmgottesdiens-
mit einer Meditation zum Teilen des Weges          Gebetswoche/Neujahrsempfang         49                                                                                                    tes im Oktober und vermutlich auch den von vielen anderen, die an dem Gottesdienst
sowie einem kleinen Adventskalender mit
                                                   Katholikentag/Ökiki                 50                                                                                                    teilgenommen haben: Das Chaos zuhause vor der Abfahrt in die Kirche, die hektische
Impulsen zum Teilen für jeden Tag.                                                                                                                                                           Parkplatzsuche noch im Kopf und dazu die Sorge um das anschließende Familienfest.
Ich wünsche Ihnen eine                             Aus der Emmausgemeinde              51                                                                                                    Der Einzug hatte geklappt wie geprobt, die ersten Begrüßungsworte an den Abt waren
anregende Lektüre!                                 Zehn Fragen                         53                                                                                                    gesprochen und wir hatten das erste Lied gesungen: „Ich bin frei“. Und dann hat Abt Alo-
Ihre                                               Interna                             55                                                                                                    ysius mit seiner Einführung kurz die Zeit angehalten:
                                                   Gruppen & Kreise                    56
                                                   Termine im Überblick                58                                                                                                    Er hat die Gemeinde gebeten, gemeinsam durchzuschnaufen – atmete selbst ein
                                                                                                                                                                                             Pffffft ins Mikrofon – und dann gemeinsam zu sagen „Ich bin frei“. Das hat nicht jeder
      (A. Dohet-Gremminger)                        Kontakt                             59                                                                                                    sofort mitgemacht, weil man sich ja doch etwas merkwürdig fühlt, mit ein paar hundert
2                                                                                                                                                                                                                                                                                    3
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Ein Wort voraus                                                                                                                                          Thema: teilen
Menschen gemeinsam in der Kirche Atemübungen zu machen, aber der Abt hat so lange
nicht locker gelassen bis hinterm Altar ein kräftiges „Ich bin frei!“ aus der Gemeinde an-          Ein Begriff so alt wie die Menschheit
kam. Das hat er dann während der Predigt und zum Schluss noch einmal wiederholt, und
so wurde es zu einer Art Motto über dieser Firmfeier.                                                        „teilen“ aus sprachwissenschaftlicher Sicht
Mir geht es seitdem immer wieder durch den Kopf. Situationen im Alltag, in denen man          In der Häufigkeitsliste der Wörter kommt      Erde. Denn wo ein Ganzes ist, ist auch ein
den Kopf voll hat und nicht weiß, wo man jetzt eigentlich anfangen soll mit all dem… da-      aus der Wortfamilie „teilen“ das Substan-     Teil. Wo Leben ist, muss auch geteilt wer-
von gibt es ja genug. Und äußere Zwänge kennt jeder von uns – im Beruf, in der Familie,       tiv „das Teil“ als häufigstes Wort vor. Das   den. Die Tiere teilen: Sie teilen ihre Jagd-
in der Freizeit. Da ist das Gefühl der Freiheit oft nicht besonders groß. Umso wichtiger      Substantiv ist wahrscheinlich auch das        bereiche auf sowie ihre Beute, manchmal
scheint es mir, sich von Zeit zu Zeit dieses Durchatmen zu gönnen, in Gedanken oder auch      älteste Element der Wortfamilie „teilen“.     sogar ganz unbewusst, wenn z.B. Aasgeier
ganz wörtlich, und sich der eigenen Freiheit zu versichern.                                   Dies würde ganz der Beobachtung Wilhelm       an den von Raubtieren abgenagten Kno-
                                                                                              von Humboldts über die Sprachentwick-         chen noch Reste finden, um überleben zu
Dass Abt Aloysius diesen Einfall hatte, kam vermutlich nicht von ungefähr. Schließlich gön-   lung entsprechen. Laut Humboldt steht         können. Auch seit Beginn der Menschheit
nen sich die Benediktiner mehrmals täglich diese inneren Auszeiten beim Psalmengebet.         zu Beginn die isolierende Sprache mit der     wird geteilt. Die Jäger und Sammler teil-
Egal, was einen gerade beschäftigt, wer gerade noch was will oder was die Nachrichten         Bezeichnung von Wörtern und Dingen. Mit       ten ihre Beute unter der Familie oder dem
bringen: Um 12 Uhr ist Mittagshore. Manchmal fällt es sicher auch den Mönchen schwer,         zunehmender Sprachkompetenz werden            Stamm; mit Beginn der Sesshaftigkeit der
sich bei den Gebetszeiten auf die Psalmen zu konzentrieren und nicht in Gedanken bei          diese verknüpft, Verben oder Adjektive        Menschen wird zudem auch der Grund, die
dem zu bleiben, was gerade vorher war oder was nachher kommt. Aber auch da helfen             gebildet, die Verben je nach Sprache kon-     Erde selbst aufgeteilt und eingeteilt, erst in
das regelmäßige Atmen beim Gesang und die Texte, die immer wieder wiederholen, was            jugiert. Und durch Präfixe, wie im Deut-      fruchtbares, gerodetes Land und ungero-
Gottes Wille für uns Menschen ist: Dass wir in seiner Liebe frei sind.                        schen, werden Wörter sukzessive auch er-      detes Land, später in Parzellen, die dem ei-
                                                                                              gänzt und spezifiziert.                       nen oder anderen gehören. Besitztum ent-
Möglicherweise ist das für Sie auch ein Gedanke, der Sie durch die Adventszeit begleiten          Wenn man die Wortfamilie „teilen“ nä-     steht und macht damit neue Formen des
kann, wenn Sie zwischen Weihnachtsfeiern, Plätzchen-Backen und Deadlines sich manch-          her betrachtet, wird man eine große Zahl an   Teilens notwendig. Mit zunehmender Ent-
mal fragen, worauf es eigentlich ankommt: Ich bin frei, frei – Dir, Gott, zu singen, dir zu   Wörtern finden, in welchen das Wort „Teil“    wicklung der Menschheit nimmt der Besitz
dienen, Gutes zu tun – ich bin frei!                                                          steckt. Es sind viele Substantive, Verben,    von Dingen zu, es kann also immer mehr
                                                                                              aber auch Adjektive oder Adverbien. Das       verteilt oder geteilt werden. Das Teilen
Eine gesegnete Adventszeit und eine anregende Lektüre wünscht Ihnen                           Wort „Teil“ lässt sich etymologisch auf das   nimmt andere Ausprägungen an, gewinnt
                                                                                              germanische Wort daili- zurückführen, das     neu an Bedeutung. Handwerkszeug, Häu-
                                                                                              dieselbe Bedeutung trug (vgl. Friedrich       ser, Tiere werden gemeinsam genutzt und
                                                                                              Kluge, Etymologisches Wörterbuch der          somit geteilt. Der Besitz eines Menschen
                                                                                              deutschen Sprache, Berlin 1999).              wird oft auch erst nach dessen Tod geteilt.
                                                                                                                                            Mit zunehmender Entwicklung werden
                                                                                              Wo ein Ganzes ist, ist auch ein Teil          nicht nur Dinge, aber auch immer mehr
                                                                                                  Das Verb „teilen“ wird ganz einfach       Aufgaben geteilt, aufgeteilt und zugeteilt.
                                                                                              durch das Anhängen der Verbendung „-en“       Niemand macht mehr alles: Die einen ja-
                                                                                              an das Substantiv „Teil“ gebildet. Das Sub-   gen, die anderen bauen Getreide an, die
                    Wer ungetrübt und heiter sein will,                                       stantiv wird somit einfach zum Verbstamm.     dritten kümmern sich um das Vieh. Wo das
                         der muss eines besitzen:                                             Das Wort in seiner Grundbedeutung muss        Teilen praktiziert wird, machen Menschen
                                                                                              in der Sprache der Menschen schon seit        immer etwas gemeinsam – man könnte sa-
                        das ist die innere Freiheit.                                          Beginn enthalten gewesen sein. Denn das       gen, wo geteilt wird, herrscht Einigkeit und
                                                           Meister Eckhart                    Teilen ist, so meine Behauptung, so alt wie   Frieden.
                                                                                              die Menschheit, sogar so alt wie unsere
4                                                                                                                                                                                       5
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                                             Teilen

                                                                                                                             Teilen und die Bibel
                                                                                                    Was die Bibel zum Teilen sagt                   Vaters (Lk15, 11-32), der seine Hälfte des
                                                                                                    Teilen – eine christliche Selbstverständlich-   Erbes mit dem Bruder teilen soll, nachdem
                                                                                                    keit, ein Dauerbrennerthema, nicht nur zu       dieser Bruder seine eigene verprasst hat.
                                                                                                    St. Martin. Dazu muss es doch auch in der       Mal gern wie die Urkirche, deren Anfän-
                                                                                                    Bibel so einiges geben, oder? In der Tat fin-   ge von recht kommunistisch anmutenden
                                                                                                    den sich nicht so enorm viele Textstellen,      Ideen geprägt scheinen: Und alle, die gläu-
                                                                                                    in denen der Begriff „Teilen“ vorkommt.         big geworden waren, bildeten eine Ge-
                                                                                                    Geteilt wird vor allem das Land: Das ver-       meinschaft und hatten alles gemeinsam.
                                                                                                    heißene Land, verteilt unter den zwölf          Sie verkauften Hab und Gut und gaben da-
                                                                                                    Stämmen (im Geschichtsbuch Josua na-            von allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.
                                                                                                    türlich, die Landnahme Israels, aber auch       (Apg 2,44f)
                                                                                                    in einigen Prophetenbüchern wird darauf             Großzügig und uneigennützig geteilt
                                                                                                    Bezug genommen). An einigen Stellen geht        hat natürlich der barmherzige Samariter
                                                                                                    es um den Erbteil, wem welcher zusteht,         (Lk 10,25-32). Dass Teilen sogar Überfluss
Die Wortfamilie teilen   © Annick Dohet-Gremminger
                                                                                                    wer was kriegt – unter Menschen, oder           in Fülle produzieren kann, erzählt uns die
Der Wortstamm entwickelt sich weiter                 wir etwas aus, verteilen wir etwas, vertei-    auch von Gott. (Die Bücher Numeri, Deu-         Geschichte von der Speisung der 5000
    Die Sprache der Menschen entwickelt              len wir etwas um, teilen wir etwas auf, tei-   teronomium und Josua sprechen viel vom          (Mk 6,35-44). Wenig gab es da zu teilen,
sich parallel zu dieser Entwicklung der              len wir etwas neu ein, teilen wir jemandem     Erbteil.) Das Erbe, das verteilt wird, nach     fünf Brote und zwei Fische für eine große
Menschheit, aus einer einfachen Sprache              etwas zu, …                                    Maßstäben und gemäß unterschiedlicher           Menschenmenge. Jesus fing an, das We-
zu einer immer komplexeren, so auch die                   Auch Bedeutungen im übertragenen          Vorstellungen von Gerechtigkeit.                nige auszuteilen – eigentlich eine absurde
deutsche Sprache. Reicht anfangs das Wort            Sinne kommen hinzu. Mit der Informati-             Geteilt wird in der Bibel wie im Leben:     Idee – und diese Geste motivierte anschei-
„teilen“, kommen mit der Zeit immer neue             onsweitergabe der Menschen gewinnt das         mal widerstrebend, wie der „brave“, da-         nend viele, das, was sie hatten, allen zur
Wortvarianten mit kleineren und größeren             Verb „mitteilen“ an Bedeutung oder auch        heim arbeitende Sohn des barmherzigen           Verfügung zu stellen.
Bedeutungsunterschieden hinzu. Dabei                 „erteilen“. Es wird nichts Materielles ge-
gehört das Verb „teilen“ in der deutschen            teilt, sondern Wissen. Durch Mitteilen wer-
Sprache zu den Verben, welche durch Prä-             den Wissen, Informationen geteilt oder, in-
fixe (Vorsilben) erweitert und somit verän-          dem das Wort jemandem erteilt wird, kann
dert werden können. Bei einem Teil dieser            er sich anderen mitteilen.
Verben werden anschließend beim Kon-                      Während andere Sprachen für jede
jugieren Wortstamm und Präfix getrennt               Bedeutung neue Wörter finden müssen,
(z.B. „ich teile auf“), andere bleiben zusam-        bedient sich die deutsche Sprache u.a. der
men (z.B. „ich verteile“). Dieses Phänomen           Präfixe und bleibt so ganz in der Wortfami-
der trennbaren und untrennbaren Verben               lie. D.h. auch das Wort „Teil“ oder „teilen“
kennt auch die niederländische Sprache.              teilt sich durch die Anfügung von Präfixen
    Durch die verschiedenen Präfixe ent-             in viele Bedeutungen auf. Verschiedene
stehen neue Bedeutungen, aber viele die-             Wörter teilen sich so einen Wortstamm
ser Bedeutungen behalten weiterhin einen             und werden zu einer Wortfamilie!
engen Zusammenhang mit der Grundbe-                                               Birgitta Pabsch
deutung „teilen“. Wenn wir teilen, teilen
6                                                                                                                                                                                              7
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                                            Teilen
    Jesus hat grundsätzlich viel geteilt. Sei-   lichen Amt betraut ist. Eine Gruppe von              Leben jeder Christin und jedes Christen ha-        Hier kommt eine besonders wertvolle
nen Weg, mit den Jüngerinnen und Jün-            Menschen findet sich zusammen und nä-                ben kann und sollte. Und zwar nicht nur so,    Dimension des Teilens zum Tragen: Wenn
gern. Seine Erfahrungen mit Gott, seinem         hert sich gemeinsam einem Textabschnitt.             wie es von Priestern in Katechesen ausge-      alle ihre Erfahrungen und Gedanken und
Vater, teilte er mit allen Menschen, denen                                                            legt wird, sondern auch in einer unmittel-     Gefühle in Bezug auf einen biblischen Text
er begegnete und die ihn hören wollten.                                                               baren Begegnung. Genau diese ermöglicht        mitteilen, entsteht daraus eine Fülle, aus
Seine Tränen teilte er mit den Weinenden,                                                             das Bibel-Teilen. Denn es kommt hier nicht     der alle sich etwas mitnehmen können in
seine Heilkraft verteilte er an die Lei-                                                              auf das Können und Verstehen an, sondern       ihr privates Leben.
denden. Seine Gedanken teilte er, seine                                                               vielmehr darauf, sich ganz persönlich im ei-                             Karin Gotthardt
Gebete, sein Bild von Gott. Das Brot teilte                                                           genen Lebenskontext mit einem biblischen
er beim Pessachmahl, unmittelbar vor sei-                                                             Text zu konfrontieren und sich davon be-
nem Tod, um damit zugleich sein Leben,                                                                rühren zu lassen. Bewegend, bereichernd
sich selber, zu teilen.                                                                               und vielleicht auch motivierend sind natür-
                                                                                                      lich besonders auch die Beiträge der ande-
       Gott hat nur eine Freude:                 Bibel-Teilen in einem afrikanischen Dorf   © Image
                                                                                                      ren Teilnehmenden.
               Auszuteilen.
    Also ist der am willkommensten,                  Die Bibel als Wort Gottes war lange
                                                 Zeit den „Gelehrten“ vorbehalten und in
        der am meisten braucht!                  der Theologie vor allem Gegenstand der
                         Sören Kierkegaard
                                                 Wissenschaft. Die historisch kritische Bi-
                                                 belexegese, derzufolge man die Worte der                                       7 Schritte des Bibel-Teilens
                                                 heiligen Schriften nicht mehr als wortwört-
Bibel-Teilen                                     lich zu verstehende auffasste, war eine              1. Einladen/Sich öffnen
    Nichts Überraschendes, wenn wir die          große Errungenschaft. Die Texte werden in               In einem Gebet oder Lied lädt die Gruppe den Herrn ein, unter ihnen zu sein, und
Bibel nach dem „Teilen“ durchforsten. In-        Abschnitte und in einzelne Verse zerlegt,               öffnet sich für ihn.
teressant und durchaus überraschend              man sucht nach den genauen Umständen                 2. Lesen
kann es jedoch werden, wenn wir die Bibel        der Entstehung, Verfasser und Autoren-                  Ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin liest den Text laut vor.
teilen. Nicht im Sinne von Vorlesen, Wei-        gruppen werden unterschieden, Überset-               3. Verweilen/Vertiefen
tergeben, Verschenken, sondern in einem          zungen verglichen, außerbiblische Doku-                 Jede und jeder kann einzelne Wörter oder kurze Satzabschnitte mehrmals
sehr persönlichen Sinn.                          mente nach parallelen und zusätzlichen                  kommentarlos laut aussprechen; anschließend wird der Text erneut vorgelesen.
    Bibel-Teilen ist eine Methode der Bi-        Informationen durchforstet... mit einer              4. Schweigen
bellektüre, die in den 70er Jahren in Süd-       Textstelle von einigen Versen kann man so               Für einige Minuten in Stille überdenken die Teilnehmenden erneut den Text und
afrika entwickelt wurde und von dort aus         ganze Bücher füllen. Zweifellos war diese               was er für sie und ihr Leben bedeutet.
weltweite Verbreitung fand. Vor allem in         Methode, die zu Beginn in kirchlichen Krei-          5. Mitteilen
afrikanischen und lateinamerikanischen           sen höchst umstritten war und geradezu                  Jeder teilt den anderen seine Überlegungen mit.
Basisgemeinden wurde nach der 7-Schrit-          als ketzerisch galt, ein großer Gewinn für           6. Austauschen
te-Methode, wie das Bibel-Teilen auch ge-        das Verständnis der biblischen Texte und                Im Gespräch suchen die Teilnehmenden nach der Bedeutung des Textes für die
nannt wird, in der Bibel gelesen und, vor        ist heute, zumindest in der christlichen                Gemeinschaft und für den und die einzelnen; neue Vorsätze zum Handeln können
allem, über den Text nachgedacht und ihm         Theologie (Kreationisten ausgenommen),                  formuliert und ältere reflektiert werden.
auf spirituelle Weise nachgespürt. Für die-      selbstverständlich und unverzichtbar.                7. Beten
se spirituelle und sehr persönliche Art, die         Die Ebene der Wissenschaft ist das eine             Das Bibel-Teilen wird mit einem Gebet, Lied oder Segensspruch abgeschlossen.
Bibel zu lesen, braucht man weder Fach-          – und daneben steht aber immer auch die
leute noch jemanden, der mit einem kirch-        Bibel als Wort Gottes, das Relevanz für das
8                                                                                                                                                                                            9
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                                         Teilen
                                                                                                folgenden Nacht erscheint Christus dem           ab, um dem Armen zu helfen. Er bleibt
                        Das Pferd kam später                                                    Martin im Traum und verkündet: „Martin,          oben, die Distanz bleibt erhalten. Auch ist
                                                                                                der noch Katechumene ist, hat mich [also         wichtig, dass Martin sein Schwert nimmt,
     Der heilige Sankt Martin und was aus ihm (gemacht) wurde                                   Christus] mit diesem Gewand bedeckt.”            um den Mantel zu teilen. Ein Instrument
                                                                                                und er fügt hinzu: „Wahrhaft eingedenk           des Tötens verwandelt sich in ein Werk-
Heilige haben ihr Schicksal. Die einen sind      verehrt und wurde am 11. November un-          seiner [Christi] Worte [...] ‘Was immer          zeug der Barmherzigkeit und Nächsten-
total vergessen, andere wiederum fristen         ter großer Anteilnahme der Bevölkerung         ihr einem meiner dieser Geringsten getan         liebe so wie die Schwerter, die beim Pro-
ihre Existenz in irgendwelchen Ecken in der      beigesetzt. Zahllose Legenden ranken sich      habt, das habt ihr mir getan.’” Der Akt des      pheten Amos zu Pflugscharen werden. Die
Regel barocker Kirchen und zumeist in süd-       um sein Wirken. Jener besagte Sulpicius        Teilens war also im Kern Dienst an Gott und      Tatsache, dass Martin Soldat ist, macht die
europäischen Ländern. Eine dritte Gruppe,        Severus, ein Zeitgenosse und Landsmann,        Teil der Verheißung auf einen Platz später       Tat ebenso bemerkenswert, denn Soldaten
sehr viel kleiner, hat zumindest hierzu-         hat ihm dann mit seiner Vita Sancti Martini    im Himmelreich. Severus weiter: „Durch           waren damals und noch lange danach auch
lande ein spezielleres Los ereilt, nämlich       ein Denkmal gesetzt, das prägend war für       diese Vision ließ sich der glückselige Mann      bei der eigenen Bevölkerung eher gefürch-
Heilige speziell für Kinder zu werden. Ein       zahllose andere Heiligenviten im Mittel-       [nicht der Bettler] nicht zur Begierde nach      tet und nicht gerade für karitative Hand-
Beispiel hierfür ist der heilige Nikolaus, ein   alter. Severus macht Martin zu dem Hei-        menschlichem Ruhm hinreißen, sondern             lungen bekannt.
anderes der heilige Martin.                      ligen schlechthin, bei dem alle Gaben des      erkannte in seinem Werk die Güte Gottes;             Durch die Jahrhunderte kam es zu zahl-
                                                 Geistes zusammenkommen, wie Paulus sie         so beeilte er sich, als er achtzehn Jahre war,   losen bildlichen Darstellungen der Mantel-
Das Leben des Martin von Tours                   im Korintherbrief 1,28-30 aufzählt: Pro-       die Taufe zu empfangen.” Man könnte fast         teilungsszene, die in unvergleichlich kom-
     Wer war eigentlich dieser Martin oder       phetische Kräfte, Lehrer, Wunderbewirker,      meinen, Gott habe Martin den Bettler vor         pakter, kondensierter Form die Botschaft
genauer Martin von Tours, einer Stadt an         Krankenheiler, Spender mildtätiger Gaben       die Füße gelegt, um seinen Weg ins Heil zu       des Teilens und der christlichen Barm-
der Loire? Geboren wurde er dort nicht,          und nicht zuletzt das Reden „in allen Zun-     beschleunigen. Martin begeht im übrigen          herzigkeit ausdrückt. Ein Beispiel hierfür
vielmehr kam er um 316 in Pannonien,             gen” (vgl. S. Severus, Vita sancti Martini.-   seine gute Tat nicht als Bischof (da gab es      ist der sogenannte Bassenheimer Reiter,
dem heutigen Ungarn bzw. der Slowakei,           Stuttgart, Reclam 2010).                       noch viele andere Wundertaten), sondern          ein frühgotisches Sandsteinrelief, das ur-
als Sohn eines römischen Offiziers zur Welt.                                                    noch in seiner Zeit als sehr junger Soldat       sprünglich um 1240 für den Mainzer Dom
Sohn eines Soldaten zu sein, bedeutete da-       ... und er teilte seinen Mantel                und im Rahmen der Vorbereitung auf sei-          erstellt wurde und heute in der Pfarrkirche
mals, ebenfalls Soldat werden zu müssen.              Wie vielsprachig der heilige Martin       ne Taufe. Die aus damals christlicher Sicht      von Bassenheim bei Koblenz zu sehen ist.
Wider willen, schreibt sein Biograph Sul-        war, ist nicht so recht überliefert, sein      bedenkliche Jugend als Soldat galt es durch
picius Severus, denn Martin bekannte sich        wohltätiges Wirken für die Armen um so         passende Zeugnisse eines bereits schon
schon in seiner Jugend zum Christentum.          mehr. Und damit sind wir auch bei dem          damals vorbildlichen Lebenswandels aus-
Angeblich weigerte er sich sogar einmal, in      Ereignis angelangt, ohne dass der heilige      zugleichen.
die Schlacht zu ziehen mit dem Argument,         Martin eventuell nicht mehr so bekannt             Interessant ist, dass das Pferd erst im
er sei nun ein miles Christi, ein Soldat Chri-   und verehrt wäre. Es handelt sich um die       10. Jahrhundert in den bildlichen Darstel-
sti, und nicht mehr ein miles Caesaris, ein      Szene, bei dem Martin im strengen Winter       lungen auftaucht. Dies hatte inhaltliche
Soldat des Kaisers. Sein Dienst in der kai-      dem Bettler begegnet und für ihn seinen        Vorteile. Pferde konnten sich nur Reiche
serlichen Palastgarde brachte ihn nach           Mantel teilt. Die Bedeutung des Mantels        leisten oder waren dem Adel vorbehalten,
Nordfrankreich und damit in die Gegend           für das Überleben wird übrigens schon          somit bekommt das Bild ein klare Zielrich-
seines zukünftigen Wirkens. Als Bischof          im Buch Exodus hervorgehoben, wo es            tung, von wem hier ein Almosen verlangt
von Tours zeichnete er sich durch große          heißt: „Nimmst von einem Mitbürger den         wurde („Eher geht ein Kamel durch ein
Tatkraft und Askese aus. Er schreckte auch       Mantel zum Pfand, dann sollst du ihn bis       Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich
nicht davor zurück, sich mit seinem frühe-       Sonnenuntergang zurückgeben; denn es ist       Gottes gelangt”, Mk 10,25). Auf der an-                                        © Lothar Spurzem

ren Arbeitgeber, dem Kaiser, anzulegen,          seine einzige Decke, der Mantel, mit dem       deren Seite bleiben die gesellschaftlichen
als es um innerkirchliche Angelegenheiten        er seinen bloßen Leib bedeckt. Worin soll      Verhältnisse gewahrt, denn der Reiter               Gänzlich anders ist ist die Interpretati-
ging. Am 8. November 397 starb er hoch-          er sonst schlafen?” (Ex 22, 25-26). In der     steigt auf den meisten Darstellungen nicht       on der Martinsgeschichte bei El Greco. Hier
10                                                                                                                                                                                            11
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                                         Teilen
                     handelt es sich um         wurden geschlachtet. Zum anderen bedeu-
                     ein 1598 von einem         tete der Martinstag das Ende des bäuer-                                 Wie wir teilen lernen
                     gewissen Martin Ra-        lichen Wirtschaftsjahres, wo der Kirchen-
                     mirez für die Sankt        zehnt entrichtet, die Knechte entlohnt, der
                     Josefs-Kapelle in To-      erste Wein probiert und viele Rechtsge-          Auch wenn wir in der gegenwärtigen poli-           „Von den Drei- bis Vierjährigen waren
                     ledo in Auftrag gege-      schäfte geregelt wurden. Zu Martini zeigte       tischen Weltlage den Eindruck bekommen,        weniger als zehn Prozent zum Teilen bereit,
                     benes Gemälde. Man         es sich also, ob das Jahr erfolgreich war.       dass Eigensinn und Egoismus oft die Ober-      gleich, ob sie sich aus einer Kindergarten-
                     mag noch akzeptie-         Dementsprechend gab es auch Martins-             hand gewinnen und die am meisten selbst        gruppe kannten oder nicht. Bei den Fünf-
                     ren, dass der heilige      feuer, Martinsjahrmärkte, Martinsessen           bezogenen Menschen in Debatten als             bis Sechsjährigen waren knapp zwanzig
                     Martin in der Gestalt      (wo dann die Martinsgans verzehrt wurde)         Sieger vom Platz gehen, sind wirklich we-      Prozent, bei den sieben- bis achtjährigen
© Wikipedia

                     eine spanischen Edel-      und sogenannte Heischebräuche, bei de-           sentliche Entwicklungen der Menschheit         Schulkindern aber schon fast die Hälfte
                     mannes daherkommt.         nen Kinder von Haus zu Haus zogen und            oft nur durch gemeinsames abgestimmtes         und sogar annähernd achtzig Prozent zum
Fast befremdlich ist indes die Darstellung      um Gaben bettelten. Die Sitte, am 11.11.         Handeln und das Teilen von Ressourcen          Teilen bereit, sofern der potentielle Partner
des Bettlers, der mit seinem athletischen       die Karnevalssaison einzuläuten, scheint         hervorgebracht worden. Nur wenn wir be-        aus derselben sozialen Gruppe kam. Vor
und fast unnatürlich in die Vertikale ge-       erst im frühen 20. Jahrhundert aufgekom-         reit sind, etwas von unserem Überschuss        allem Jungen neigten offenbar dazu, ihre
zerrten Körper wie ein Hinweis auf die          men zu sein.                                     abzugeben und unsere Mitmenschen teil-         Süßigkeiten mit Mitgliedern aus der eige-
Traumszene gelesen werden kann, in der              Im 19. Jahrhundert begann man das            haben lassen, machen wir gesellschaftliche     nen Gruppe – weniger mit fremden – zu tei-
Christus in der Gestalt des Bettlers dem        eher spontane und etwas wilde, volks-            Fortschritte und sind in der Lage, größere     len. Einzelkinder übrigens legten eine deut-
heiligen Martin erscheint. Fast sieht es aus,   tümliche Martinsbrauchtum zu ordnen.             Vorhaben anzugehen. Wenn wir Ideen tei-        lich größere Bereitschaft zum Teilen an den
als würde sich dieser, man muss es sagen,       Insbesondere erkannte man in kirchlichen         len und unsere Mitmenschen dazu bewe-          Tag als Geschwisterkinder.“
Jüngling zum Himmel erheben. Interessant        Kreisen, dass sich die Person des heiligen       gen können, bei gemeinsamen Vorhaben
ist auch, dass der Mantel die Farbe Grün        Martin und die von ihm so prägnant prak-         mitzumachen, erreichen wir mehr als viele
als Zeichen der Hoffnung hat anstatt des        tizierte Nächstenliebe in der Legende mit        Einzelkämpfer.
üblichen Rot, das für Liebe steht.              dem Bettler gut für die katechetisch-päda-           Schon sehr früh lernen wir und beloh-
                                                gogische Unterweisung der Kinder eignete.        nen Teilen zwischen Kindern. Sprichwörter
Brauchtum um St. Martin                                                                          wie: „Geteiltes Leid ist halbes Leid!“, „Ge-
    Um den 11. November, dem Tag des                                                             teilte Freude ist doppelte Freude!“ kon-
heiligen Martin, haben sich im Laufe der                                                         ditionieren uns zu einem sorgsamen und
Jahrhunderte eine große Anzahl von Bräu-                                                         aufmerksamen Miteinander. Starke Legen-
chen herausgebildet. Erst im 19. Jahrhun-                                                        den von Heiligen wie z.B. Sankt Martin, der
dert wurden sie mit der Person und den                                                           seinen Mantel mit dem Bettler teilt, gelten
Taten des Bischofs Martin von Tours selber                                                       geradeheraus als Vorbilder für unsere Ju-
in Verbindung gebracht wurden. Lange                                                             gend.
                                                                                 © Nina Müller
Zeit bedeutete der Tag im November ei-
nen wichtigen Einschnitt im Kalenderjahr.       Nun kommt es auch zu dem noch vieler-            Gibt es einen Automatismus, eine
Zum einen markiert der Tag in byzantinisch      orts praktizierten Martinsumzug mit Bett-        Programmierung, die uns dazu bringt zu             Die Psychologinnen Nadia Chernyak
beeinflussten Gebieten den Anfang der           ler und Mantelteilung mit anschließender         teilen?                                        und Tamar Kushnir von der Cornell Uni-
Fastenzeit vor Weihnachten. Zu Martini          kleiner Bescherung und einem Martinsfeu-             Eine Gruppe Schweizer Experimental-        versity attestierten ihren drei- und vier-
konnte demnach noch einmal so richtig           er. Kinder ziehen anschließend durch den         ökonomen um Ernst Fehr von der Universi-       jährigen Probanden „Wenn sich die Kinder
geschlemmt werden. Ein Teil der Tiere, die      Ort und bitten beim sogenannten Martins-         tät Zürich untersuchte 229 nicht miteinan-     einmal zum Teilen durchgerungen hatten,
man nicht lebend durch den Winter brin-         singen um Süßigkeiten.                           der verwandte Drei- bis Achtjährige und        zeigten sie sich später großzügiger“. Jene
gen konnte, wie zum Beispiel die Gänse,                                    Ulrich Hüschen        fand folgendes heraus:                         Kinder, die zuvor zum Teilen aufgefordert
12                                                                                                                                                                                        13
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                                       Teilen
worden waren oder die einfachere Wahl          warten. Natürlich geht es auch hier nicht
zwischen Teilen oder Wegwerfen gehabt          ganz ohne Ermahnungen ab, aber die Frei-                  Globalisierung heißt auch teilen!
hatten, behielten durchschnittlich mehr        willigkeit führt zu den besten Ergebnissen
Dinge für sich. Übrigens sei auch die Aus-     wie auch der soziale Effekt, dass derjenige,   „Eure Lebensweise hat etwas mit unserem Lebensalltag zu tun“
sicht auf Belohnung keine nachhaltige Mo-      der teilt, mehr Mitmenschen für sich und
tivation fürs Teilen. Bleibe die Belohnung     seine Sache gewinnt. Und im Alter von sie-     Ende September 2017 besuchte Bischof            Globalisierung auf mehreren Ebenen
nämlich einmal aus, könne auch die Bereit-     ben bis acht funktioniert das dann eigent-     Kubi Paul Ponen aus Bangladesch unsere               Ja, was hat dies denn nun mit mir zu
schaft zum Teilen schnell verschwinden.        lich ganz gut.                                 Familie hier in Brüssel. Bei den vielfältigen   tun? Sicher, wir leben in einer sogenann-
    Beiden Studien gemeinsam ist, dass             Nur, warum verlieren wir die Fähigkeit     Gesprächen, die wir mit ihm geführt ha-         ten „globalisierten Welt“. Aber was bedeu-
Teilen erst ab einem bestimmten Alter          dann später im Leben wieder – im Wirt-         ben, fiel ein Satz, der mir ganz besonders      tet dies eigentlich genau?
funktioniert. Vor dem dritten bis vierten      schaftsleben, als Nachbar, in der Familie      in Erinnerung geblieben ist: „Es muss Euch           Unter dem Begriff der Globalisierung
Lebensjahr z.B. erscheint das unrealistisch.   oder der Politik? Vielleicht hilft dann wie-   schon klar sein, dass Eure Lebensweise          wird ein Prozess verstanden, bei dem welt-
Etwa um das zweite Lebensjahr hat das          der die Mahnung „Wenn Ihr nicht werdet         auch etwas mit unserem Lebensalltag in          weite Beziehungen in zahlreichen Ebenen
Kind erst sein Ich im Spiegelbild entdeckt:    wie die Kinder …“ (Matt 18,3), um zu früh      Bangladesch zu tun hat.“                        intensiviert werden . Dabei entsteht eine
Ich bin jemand Eigenständiges und unter-       erlernten Mustern und Verhaltensweisen             Kubi Paul Ponen ist seit 2006 Bischof       weltumfassende Verflechtung in Bereichen
scheide mich von den Anderen. Dieses Ich       zurückzufinden. Wie oft wäre uns Erwach-       der Diozöse Mymensingh im Nordosten             wie Wirtschaft, Politik, Kultur und Um-
hat noch keine klaren Grenzen. So kann         senen das zu wünschen.                         von Bangladesch. Die Diozöse ist 16.500         welt. Bereits in historisch zurückliegenden
das Kuscheltier durchaus noch als Teil der                              Matthias Rollmann     km² gross, und es leben dort ungefähr 18        Zeiten konnten immer wieder solche Ten-
eigenen Persönlichkeit angesehen wer-                                                         Millionen Menschen, 76.000 davon sind           denzen der Verflechtungen erkannt wer-
den. Entsprechend existenziell wäre die                                                       Katholiken. Die meisten Bewohner dieser         den. Beispielhaft sind in der Antike die grie-
Bedrohung, wenn das Kind sein geliebtes                                                       Region leben als arme Bauern oder Tage-         chischen Fernhandelsbeziehungen nach
Kuscheltier mit jemandem teilen müsste.                                                       löhner. Ihr Alltag ist bestimmt von der dra-    Eurasien. Es erscheint wohl sinnvoll, Glo-
Das aber hat mit dem Eigentumsdenken                                                          matischen Veränderung ihrer Lebensum-           balisierung nicht als ein Ereignis, sondern
von Erwachsenen wenig zu tun.                                                                 stände. Die ungeheure Überbevölkerung           als einen laufenden Prozess anzusehen mit
                                                                                              ist Ursache für die landwirtschaftliche Nut-    den historisch entstandenen Handelsver-
Teilen will geübt sein                                                                        zung von immer mehr Bodenfläche. Die            flechtungen als Motor.
    Und doch können schon früh Anlagen                                                        damit einhergehende starke Abholzung                 Sinnvollerweise muss der allgemeine
gefördert werden, die später das Teilen                                                       der Wälder führt zu großer Bodenerosion         Begriff der Globalisierung unterteilt wer-
erleichtern. In der Montessori-Erziehung                                                      in der Regenzeit. Der Klimawandel bedingt       den in eine wirtschaftliche Globalisierung,
wird mit sehr einfachen, aber wirkungs-                                                       eine Veränderung der Jahreszeiten und           eine politische Globalisierung und zuneh-
vollen Mitteln das Teilen geübt. Jeden Tag                                                    eine Zunahme der Regenmengen. Über-             mend wohl auch in eine kulturelle Globa-
bringt jedes Kind ein beliebiges Obst mit                                                     schwemmungen, die große Teile der Ernte         lisierung. Sieht man eine wirtschaftliche
in den Kindergarten (Die Rede ist von 3-6                                                     vernichten und das Leben in den Dörfern         Verflechtung von Gesellschaften als trei-
jährigen Kindern), das es in einen gemein-                                                    ungeheuer belasten, sind die Folge. Bereits     bende Kraft des Prozesses, so hat in den
samen Fruchtkorb legt. Später am Tag kann                                                     die Perspektivlosigkeit der Menschen auf        letzten Jahrzehnten ein politischer Prozess
jedes Kind davon nehmen, was es möchte.                                                       dem Land lässt die städtische Bevölkerung       eingesetzt, der das weltweit komplizierte
Die Kinder schneiden das Obst und teilen                                                      ansteigen. Die Bekleidungsindustrie in          Wirtschaftsgeflecht begleitet. Staaten
es untereinander.                                                                             Bangladesch hat sich zudem in den letzten       müssen heute intensiv zusammenarbei-
    Alle Spiel- und Übungsmaterialien gibt                                                    zwei Jahrzehnten derartig entwickelt, dass      ten und durch Übereinkommen und In-
es immer nur einmal. Es entstehen also                                                        viele Bengalen in den Fabriken der größe-       stitutionen den internationlen Austausch
unentwegt Situationen, in denen das Kind                                                      ren Städte ihre Zukunft suchen.                 flankieren. Ein weiterer Faktor dieses Aus-
bereit sein muss abzugeben, zu teilen, zu                                                                                                     tausches und der starken internationalen
14                                                                                                                                                                                       15
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                                                                               Teilen
Zusammenarbeit ist eine große Vereinheit-
lichung von Lebensverhältnissen. Essen,
                                                             Die Zahl der weltweit agierenden Hilfs-
                                                         werke ist umfangreich. Die Bereitschaft
                                                                                                                                                     Und wie teilen wir weltweit?
Kleidung, digitaler Konsum – es ist sicher               der europäischen Bevölkerung für die Not                                                 Was Elefanten mit der Globalisierung zu tun haben
notwendig, auch teilweise von kultureller                und das Elend von Menschen am anderen
Globalisierung zu sprechen.                              Ende der Welt zu spenden ist sehr groß.           Globalisierungsgegner argumentieren sehr                                   mensentwicklung in den Jahren 1988 bis
                                                         Die Zahl der jungen Menschen, die einen           häufig, dass die Verteilung von Vermögen                                   2008 vergleicht. Bei seiner Analyse fasst
Die persönliche Verantwortung jedes                      Freiwilligendienst weltweit verrichten und        und Einkommen durch die Globalisierung                                     Milanović die Einkommensperzentile welt-
einzelnen Christen                                       sogar einen Teil ihrer Lebenszeit teilen, ist     immer ungleicher werde. Nach Schät-                                        weit zusammen und untersucht deren je-
   Ja, aber inwieweit beinhaltet denn die-               so hoch wie noch nie! Aber die weltweiten         zungen von Oxfam besaßen 2016 die acht                                     weilige über 20 Jahre kumulierte Einkom-
se allgemein sich entwickelnde Globalisie-               Probleme sind eben auch gewaltig! Mit             reichsten Menschen der Erde genauso                                        mensentwicklung. Das Ergebnis ist die sog.
rung eine Verantwortung für mich, mich                   den einhergehenden weltweiten Verflech-           viel wie die ärmere Hälfte der Weltbe-                                     Elefantenkurve, weil mit einigen ergän-
noch mehr mit dem Gedanken des Teilens                   tungen wachsen auch weltweite Verant-             völkerung, im Vorjahr waren es noch die                                    zenden Strichen ein Rüsseltier entsteht –
zu beschäftigen? Gibt es nicht bereits eine              wortungen. Papst Franziskus hat Ende Ok-          62 reichsten. Vergleicht man zudem das                                     wobei der Rüssel ein großes Problem dar-
gute Reaktion weltweit auf die beschrie-                 tober in einer bemerkenswerten Rede zu            durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in                                    stellt (aber dazu später mehr).
benen Prozesse der Globalisierung und                    Europa auf einen wesentlichen Kerninhalt          den ärmsten Ländern mit dem der wohl-                                          Aus der Elefantenkurve lässt sich able-
der damit auch weltweit erkennbaren Pro-                 der christlichen Botschaft hingewiesen:           habendsten, so kommt man schnell zu der                                    sen, dass der überwiegende Teil der welt-
bleme der Not und des Elends?                            „Zu erkennen, dass der andere vor allem           Annahme, die Menschen auf der südlichen                                    weiten Haushaltsgruppen sein Einkommen
                                                         eine Person ist, bedeutet, das wertzuschät-       Erdhalbkugel, insb. in Afrika, gehörten                                    während der beobachteten 20 Jahre stei-
                    Faith App                            zen, was mich mit ihm verbindet. Das Per-         zu den Verlierern der Globalisierung, ein                                  gern konnte. Die Gewinner der Globalisie-
                                                         sonensein bindet uns an die anderen, lässt        Grund für die zunehmende Migration.                                        rung sind vor allem in den Perzentilen 20
                                                         uns Gemeinschaft werden. �…� Die Christen                                                                                    bis 70 zu finden. Eine genauere Analyse er-
                                                         erkennen , dass ihre Identität vor allem re-      Einkommensentwicklung weltweit                                             gibt, dass es sich dabei um die neuen Mit-
               Fifty-fifty –                             lational ist. Sie sind als Glieder eines Leibes
                                                         �…�, in dem jeder mit seiner Identität und
                                                                                                              Dem widerspricht eine groß angelegte
                                                                                                           Studie des ehemaligen Weltbank-Öko-
                                                                                                                                                                                      telschichten der Schwellenländer, allen vo-
                                                                                                                                                                                      ran China und Indien handelt. Hier stiegen
  so teilt Martin mit dem Bettler.                       Eigenart frei am gemeinsamen Aufbau teil-         nomen Branko Milanović, die die Einkom-                                    die Realeinkommen (abzüglich Inflation)
 Warum nur den halben Mantel?,                           nimmt.“ Somit muss ich mir immer wieder
                                                         verantwortungsbewusst deutlich machen,
       fragen die Theoretiker                            für welche Gemeinschaft ich als Christ
          der Nächstenliebe.

                                                                                                             Steigerung des Realeinkommens in %
                                                         eben auch Verantwortung trage.
        Die Praktiker wissen:                                                  Friederike Ladenburger
             Fifty-fifty lässt
      dem Gebenden und dem
   Empfangenden seine Würde.
 Fifty-fifty lässt Raum für Zukunft.
     Denn fifty-fifty sind immer
             100 Prozent –
   an Liebe, an Wärme, an Zeit.
                                                                                                                                                          Perzentil der globalen Verteilung der Haushaltseinkommen
                                                                                                           Die Elefantenkurve: Veränderung des Realeinkommens zwischen 1988 und 2008 bei verschiedenen globalen
 ©Bild: Image, picture alliance/Godang/Philippe Lissac                                                     Haushaltsgruppen © Ch. Lakner & B. Milanović, http://documents.worldbank.org/curated/en/914431468162277879/pdf/WPS6719.pdf

16                                                                                                                                                                                                                               17
PAULUSRUNDBRIEF N 486 - DEZEMBER 2017 - JANUAR 2018 - ST. MARTIN: DAS PFERD KAM SPÄTER - SANKT PAULUS
Thema:                                                                                                                                                             Teilen
um bis zu knapp 80 %. Der Einkommens-          zählt, führt die Einkommensspreizung vor         Die Teilung der Erde
zuwachs dieser globalen Mittelschicht ist      allem in den USA, aber auch in Europa
vor allem auf die weltweite Produktion         sowie in vielen Schwellenländern bei den         »Nehmt hin die Welt!« rief Zeus von seinen Höhen
und das damit verbundene Outsourcing           weniger Glücklichen zu einem Gefühl des          Den Menschen zu. »Nehmt, sie soll euer sein!
jener Industriearbeitsplätze zurückzufüh-      Abgehängtseins und zu erheblicher Un-            Euch schenk ich sie zum Erb und ewgen Lehen,
ren, die aus den Industrieländern abge-        zufriedenheit und birgt großen sozialen          Doch teilt euch brüderlich darein.«
wandert sind.                                  Sprengstoff. Sicher, ein gewisses Maß an
    Aber auch sehr vielen Armen im un-         Ungleichheit ist notwendig, ja sogar för-              Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten,
teren Drittel der Elefantenkurve geht es       derlich, um die Leistungsbereitschaft der              Es regte sich geschäftig jung und alt.
spürbar besser, über 500 Mio. Menschen         Menschen zu wecken und zu erhalten. Al-                Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
konnten sich aus einem Leben am Exi-           lerdings ist darauf zu achten, dass soziale            Der Junker pirschte durch den Wald.
stenzminimum (< 1,25$ pro Tag) befreien.       Härten abgemildert werden und Bildungs-
Allerdings bekommt der ärmste Teil der         gerechtigkeit, d.h. gleiche Bildungschan-        Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Weltbevölkerung noch immer nur sehr we-        cen für alle, gewährleistet ist, damit der so-   Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
nig vom größer werdenden Kuchen ab.            ziale Aufstieg nach wie vor möglich bleibt.      Der König sperrt die Brücken und die Straßen
    Eine zweite Gruppe von Haushalten, die                                                      Und sprach: »Der Zehente ist mein.«
nur geringe Einkommenssteigerungen ver-        Migration ist nahezu unvermeidlich
buchen konnten, befindet sich im oberen            Insgesamt sind sich die Wirtschaftswis-            Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
Drittel der Haushalte. Hier sind vor allem     senschaftler weitgehend einig, dass die                Naht der Poet, er kam aus weiter Fern;
Menschen der unteren und mittleren Ein-        Globalisierung die Ungleichkeit des Einkom-            Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,
kommensklassen aus den Industriestaaten        mens der Menschen weltweit verringert                  Und alles hatte seinen Herrn!
angesiedelt. Im weltweiten Vergleich sind      hat, und dass sich dieser Prozess auch fort-
sie zwar durchaus wohlhabend, jedoch           setzen wird. Absolut betrachtet bleiben die      »Weh mir! so soll ich denn allein von allen
stagnieren ihre Einkommen, während die         Einkommensunterschiede jedoch nach wie           Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?«
Einkommen der Gutverdiener in der ersten       vor auf sehr hohem Niveau, ein Deutscher         So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
Welt im Schnitt beträchtlich gewachsen         hat z.B. im Monat durchschnittlich noch          Und warf sich hin vor Jovis Thron.
sind. Am allermeisten profitierten jedoch      immer das Fünffache eines Bulgaren oder
die Menschen an der Spitze des Elefan-         Chinesen zur Verfügung, von den Be-                    »Wenn du im Land der Träume dich verweilet«,
tenrüssels, d.h. das reichste Prozent der      wohnern des südlichen Afrikas ganz zu                  Versetzt der Gott, »so hadre nicht mit mir.
Weltbevölkerung von der Globalisierung.        schweigen. Selbst wenn also jemandem                   Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?« –
Zu diesen gehören, sowohl in den USA als       aus einem der mittleren Länder der soziale             »Ich war«, sprach der Poet, »bei dir.
auch in Europa, allerdings nicht nur weni-     Aufstieg gelingt, so wird er doch niemals
ge Superreiche, sondern auch die oberste       der Wohlstand der Bewohner der reichen           Mein Auge hing an deinem Angesichte,
Mittelschicht, also Leute, die zusätzlich zu   Länder erlangen. Die einzige wirkliche           An deines Himmels Harmonie mein Ohr –
ihrem Erwerbseinkommen noch hohe Ka-           Chance, um die persönliche Lage zu ver-          Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
pitaleinkünfte haben. Diese verstärken das     bessern, besteht im Verlassen der Heimat         Berauscht, das Irdische verlor!«
Auseinanderdriften zwischen Reichen und        und der Migration in wohlhabendere Län-
Normalbevölkerung nochmals.                    der. Die eigentliche Herausfoderung der                »Was tun?« spricht Zeus. »Die Welt ist weggegeben,
                                               nächsten Jahre wird sein, hier geeignete               Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Wahrung des sozialen Friedens                  Lösungsansätze zu finden.                              Willst du in meinem Himmel mit mir leben:
   Da für die Menschen vor allem der Ein-                       Annick Dohet-Gremminger               So oft du kommst, er soll dir offen sein.«
kommensvergleich innerhalb eines Landes                                                                                                       Friedrich Schiller

18                                                                                                                                                                     19
Thema:                                                                                                                                                                      Teilen
                                 Brot teilen:                                                „das Volk erhält kleinere gestanzte Hostien
                                                                                             aus ungesäuertem Brot, eher geschmacks-
                                                                                                                                             Wie ginge es richtig?
                                                                                                                                                  Wie aber müsste „biblisch verantwor-
              Das tun wir schon seit fast zwanzig Jahren…                                    arm, manchmal so dünn, dass sie am Gau-         tet“ das Herrenmahl gefeiert werden?
                                                                                             men kleben bleiben und mühsam mit der           Dazu bringt die Theologin konkrete Vor-
(MK) Als ein kleiner Kreis, der mit dem Neubau unserer St. Pauluskirche vor etwa 20          Zunge wieder gelöst werden müssen.“             schläge: Das eucharistische Mahl sollte ein
Jahren beauftragt war, auch die Form der Kommunion in unserer Gemeinde diskutier-                                                            echtes Essen und Trinken sein – mit Brot,
te, kamen wir nach ausführlicher theologischer Diskussion zu der aktuellen Form des          Auf „Esst und trinkt“ folgt lange nichts        das man miteinander brechen und essen
Kommunionkreises. Die Kommunion als Brot und Wein für alle, gemeinsam im Kreis                   Hecht kritisierte, dass den Einsetzungs-    kann. Hecht wies darauf hin, dass beim
stehend kommunizieren und die Tatsache, dass es länger dauert, als «meditativen              worten „Esst und trinkt“ keine entspre-         Jesus-Wort „Das ist mein Leib“ nicht das
Moment» bewusst in die Feier aufnehmen. Diese Sichtweise wurde nicht von allen               chenden Handlungen folgen. „Man be-             Brot, sondern dessen Brechen gemeint
Gemeindemitgliedern fraglos angenommen, aber mit der Zeit ist diese Form der Kom-            kommt da noch lange nichts, weil zwischen       sei: „Es verdeutlicht Jesu Hingabe bis ins
munion «unsere Form» geworden. Dass sie nicht ganz «theologisch fragwürdiger Ei-             der Aufforderung Jesu und dem Essen noch        Gebrochensein im Tod.“ Es sollte einen
genbau» (so eine Wortmeldung in der damaligen Debatte) und abwegig ist, sondern              eine Menge stattfindet: ein Hochgebet, ein      Tisch geben, um den man sich versam-
der erste richtige Schritt zu einem neuen Verständnis der Kommunion, wird aus fol-           Vaterunser mit Einschub des Priesters vor       melt, keinen Altar mit einem einzigen Brot
gendem Artikel deutlich, den wir dankenswerter Weise vom Informationsdienst der              dessen Schlusslob, ein Gebet um Frieden         und einem einzigen Kelch. „Dafür bräuchte
KATHPRESS übernehmen dürfen.                                                                 und Friedensgruß, das Agnus Dei, das Ge-        es überschaubare Mahlgemeinschaften,
                                                                                             bet zur Vorbereitung der Kommunion, häu-        die von Gemeinschaft nicht nur sprechen,
06.10.2017 (KAP-ID) „Vom Brotbrechen           ändern an unserer Weise, Eucharistie und      fig die Priesterkommunion, eventuell auch       sondern sie in einer überschaubaren sozi-
zum Steh-Imbiss?“ – Auch als Frage ver-        Abendmahl zu feiern.                          die Kommunion der Kommunionhelfer.“             ologischen Größe auch spüren können.“
harmlost klingt dieser Titel eines Artikels        Doch zurück ad fontes, zu den Vor-            Und auch dann folge weder ein wirk-         Das sei angesichts der an das Zölibats-
über den üblichen Kommunionempfang             gaben der Bibel: Bei Paulus, im ältesten      liches Essen noch ein Trinken, weil i.d.R.      priestertum gebundenen Eucharistiefeier
in der Eucharistiefeier noch provokant.        Bericht vom eucharistischen Mahl (1 Kor       die Gläubigen nicht aus dem Kelch trinken       aufgrund des Priestermangels allerdings
Und auch was Anneliese Hecht vom deut-         10,16f), wird laut Hecht „deutlich, dass      dürfen, der Priester hingegen den Wein          schwer realisierbar. Das Mahl selbst sollte
schen Katholischen Bibelwerk in der Folge      es eine österliche Feier und ein wirkliches   vor den Augen der Gemeinde trinkt. „Ist         laut Hecht wieder mehr Raum einnehmen,
ausführt, mag manch frommes Gemüt zu-          Mahl war“. Der Völkerapostel fordere die      so etwas ein Mahl, das Gemeinschaft aus-        Wort und Zeichen sollten enger beieinan-
mindest irritieren. Ihre Kernthese, die sie    Mahlteilnehmenden ausdrücklich zum Es-        drücken soll mit Jesus Christus und unterei-    der sein: nach dem Brot- und Kelchwort
auf der theologischen Feuilleton-Website       sen und Trinken auf. „Erst durch beides ist   nander?“, so die rhetorische Frage Hechts.      unmittelbares Essen und Trinken.
feinschwarz.net (29.9.) darlegt, lautet: Die   es ein echtes Mahl.“                          Sie zitierte ein enttäuschtes kleines Mäd-           Für die Autorin ist klar, dass eine lan-
heutige Art und Weise, Eucharistie und             Eine „verheerende Entwicklung“ habe       chen aus einem der Bibelwerkskurse: „Der        ge, vielen kostbare Praxis nicht radikal ge-
Abendmahl zu feiern, hat sich weit von den     eingesetzt, als nach und nach – „je größer    Priester lügt immer in der Messe. Er sagt:      ändert werden kann. „Aber es sind nicht
biblischen Ursprüngen und der frühkirch-       der Graben zwischen Amt und Laien wur-        ‚Esst alle davon‘, und wir Kinder bekommen      wenige, denen die gegenwärtige Form zu
lichen Tradition des Herrenmahles entfernt;    de“ – dem Gottesvolk die volle Teilhabe am    nichts. Und ‚Trinkt alle daraus‘, und ihr Er-   schaffen macht.“ Den behutsamen und
die liturgische Einladung zur Mahlgemein-      regelmäßigen und vollen Mahl vorenthal-       wachsenen erhaltet auch nichts.“                beachtenswerten Versuch einer Änderung
schaft erscheint geradezu als leere Formel     ten worden sei. Als extremste Ausformung          Ein Festmahl nimmt man heute – so           sieht Hecht in der Praxis, im Gottesdienst
ohne allzu viel Realitätsgehalt, nimmt man     erinnerte Hecht an die bloße „Augenkom-       Hecht – um einen festlich gedeckten Tisch       Stehkreise zu bilden, in denen Brot und
das geschmacklose „Brot“ und den meist         munion“ mit dem Anschauen eines Bildes.       sitzend ein, bei der Eucharistiefeier dage-     Wein geteilt werden. Damit werde die Ge-
unzugänglichen Kelch als Maßstab. Schlan-      Bis zum Zweiten Vatikanum habe der zele-      gen erfolge das Essen des Brotes im Stehen      meinschaft zeichenhaft spürbar, der Emp-
ge stehen zum Kommunionempfang sei             brierende Priester das Brot dem Volk zwar     oder gar im Gehen. „Denn viele lassen sich      fang des Abendmahls dauert etwas an. Je-
eine „absurde Praxis“ gemessen an dem          gezeigt, es dann aber allein gegessen. „Und   die Hostie in die Hand geben und stecken        denfalls soll laut Hecht gelten: „So wie es
ursprünglich Gemeinten und Praktizierten,      bis heute bricht und isst in der Regel nur    sie dann im Weggehen in den Mund, um            ist, sollte es nicht bleiben.“
so das Urteil der wissenschaftlichen Mitar-    der Priester die ihm vorbehaltene größere     dem Nächsten Platz zu machen, damit alles
beiterin des Bibelwerks. Einiges müsse sich    Hostie“, wies die Bibelwerks-Expertin hin;    möglichst schnell vonstatten geht.“
20                                                                                                                                                                                     21
Thema:                                                                                                                                                                  Teilen
                                                                                              Kommunikation. Es ist unmöglich, einem           In den sich daran anschließenden in-
              Geteiltes Leid ist halbes Leid?                                                 anderen sein Sterben oder seine Trauer       ternen Seminaren konnten die HORZIONT-
                                                                                              abzunehmen, doch das ist kein Grund, ihn     Mitglieder entsprechende Gesprächssi-
      Über die Arbeit der Hospizgruppe HORIZONT in Brüssel                                    allein zu lassen. Wir können präsent sein,   tuationen üben. Gegenseitiges Vertrauen
                                                                                              körperlich wie geistig. Wir können aktiv     und Offenheit sind die Grundlage dieser
„Ich will mich mit dem Thema Sterben und           In regelmäßigen Abständen trifft sich      zuhören, also die Botschaften, die die Ge-   Treffen. Sie bieten Raum für Berichte über
Tod befasst haben, wenn es in meinem Um-        die Gruppe für Austausch und Weiterbil-       fühle des anderen betreffen, aufnehmen.      gelungene und misslungene Besuche, über
feld einen Todesfall gibt oder ich selbst be-   dung. Es gibt Fragen denen wir uns stellen.   Wir können uns Mühe geben, diese Ge-         gute, aber auch über die Schwierigkeit, ein
troffen bin.“ Das ist die häufigste Antwort     Kann man das Gefühl der Hilflosigkeit an-     fühle auszuhalten. Wir können es zulassen    Familienmitglied in Gelassenheit zu beglei-
auf meine Frage, warum die Mitglieder von       gesichts eines Leidenden oder Sterbenden      mitzufühlen – und mit etwas Glück teilen     ten.
HORIZONT sich als SterbebegleiterInnen          überwinden? Wie kann man sich der Angst       wir einen Moment der Nähe. Nähe, die             Vor einem guten Jahr fassten das öku-
haben ausbilden lassen.                         vor dem eigenen Tod oder der vor dem          den aktiven Prozess des Trauerns oder Ab-    menische Besuchsteam und HORIZONT
                                                Verlust eines geliebten Menschen stellen?     schiednehmens unterstützen kann.             den Beschluss zusammenzuarbeiten. Die
Unsere Ziele                                    Was können wir überhaupt leisten? Es gibt         Diese Ansätze lassen sich bei der Hos-   beiden Gruppen laden sich gegenseitig zu
    Vor 20 Jahren, im Herbst 1997, grün-        immer neue Fragen und neue Antworten.         pizarbeit anwenden, aber auch im Umgang      Sitzungen und Fortbildungen ein und or-
dete Heidi Mauthner in Brüssel eine                                                           mit Demenz- und Alzheimerpatienten.          ganisieren gemeinsam Veranstaltungen.
deutschsprachige Hospizgruppe. Ziel ist es                                                    Wohl durch den Anstieg der Lebenser-         HORIZONT bleibt dabei ein unabhängiger,
bis heute, kranke und sterbende deutsch-                                                      wartung steigt deren Anzahl beständig.       überkonfessioneller eingetragener Verein
sprachige Menschen in Brüssel zu besu-                                                        HORIZONT hat deshalb in den vergange-        in Belgien
chen. Auch für die Angehörigen wollen                                                         nen beiden Jahren zu seinen öffentlichen                             Friederike Gänßlen
die Hospizhelfer Ansprechpartner sein.                                                        Veranstaltungen Referentinnen zum The-
Über öffentliche Vorträge soll HORIZONT                                                       ma Demenz und Alzheimer eingeladen.
zudem zu einem offenen Umgang mit Ster-
ben, Tod und Trauer beitragen. Das Thema
Sterbehilfe, die in Deutschland diskutiert                                                            Was uns bewegt hat mitzumachen
und in Belgien unter bestimmten Bedin-
gungen möglich ist, bleibt vom Katalog der                                                                               Stimmen aus dem Team
Vorträge und Arbeitsbereiche ausgeschlos-
sen. Dafür gibt es in Belgien andere Ein-                                                                          Meine Motivation, Horizont beizutreten war,
richtungen wie die Palliativverbände, an                                                                        mich mit dem Thema ‚Sterben‘ auseinandersetzen.
die Anfragen weitergeleitet werden. Trotz                                                     Ich hatte Erfahrungen mit dem Sterben         Ich finde es wichtig, mich dem Thema
dieser Einschränkung: Es sind große Ziele                                                     im Familien- und Freundeskreis unter zu stellen und beispielsweise bei Krank-
für einen Kreis von maximal zwei Handvoll       Das Horizont-Team © privat                    schweren Umständen: Krebs, Sterben von heitsfällen, die sicher zum Tode führen,
aktiven ehrenamtlichen Mitarbeitern.                                                          Kindern, Unfälle, Suizid, Verlangen nach und bei Trauerfällen nicht auszuweichen.
    Es gibt eine Website, ein Facebookpro-      Unsere Arbeitsweise                           Euthanasie, Dahinsiechen im Alter und Zuzuhören und anwesend zu sein bedeu-
fil und eine Emailadresse, aber die Kon-            Die Beschäftigung mit dem Sterben         gewaltsamer Tod. Mein Umgang damit tet, dem anderen die Möglichkeit zu eröff-
taktaufnahme mit HORIZONT geschieht             eines anderen kann helfen, im eigenen Le-     war teilweise hilflos. Im Näherrücken an nen, sein Leid mit-zu-teilen. Es ist wichtig
großteils über die Mobiltelefonnummer.          ben andere Schwerpunkte zu setzen – und       den eigenen Tod wächst mir der Gedanke, sich bewusst zu sein, dass man dem ande-
In den letzten Jahren kamen Anfragen um         das Bewusstsein um die eigene Sterblich-      beim eigenen Sterben nicht alleingelassen ren das Leid nicht abnehmen und es auch
Unterstützung häufig in einer späten Phase      keit kann den Austausch mit Menschen          zu werden und gleichzeitig das Bedürfnis, nicht schmälern kann.
des Sterbeprozesses, so dass die Unterstüt-     am Ende ihres Weges ermöglichen. Es geht      aus der eigenen Lebenskraft heraus ande-
zung der Verbliebenen mehr Zeit einnahm.        wie fast in allen Bereichen des Lebens um     ren beistehen zu wollen.
22                                                                                                                                                                                 23
Sie können auch lesen