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Institut für den öffentlichen Sektor

Public

                                              Ausgabe Herbst / Winter 2017
Governance
ZEITSCHRIFT FÜR ÖFFENTLICHES MANAGEMENT

Digitale Verwaltung:
Behörden unter Handlungsdruck
Gastkommentar
Christian Rupp
Sprecher der Plattform Digitales Österreich

 Bürgerkonten und das Projekt
„The Once-Only Principle”

Big Data: Herausforderungen bei der
Datenanalyse

Beschaffung strategisch ausrichten

Kontrolleur oder Mitgestalter?
Zur Rolle des Aufsichtsrats bei der
Unternehmensstrategie

Gefördert durch
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Inhalt

     Editorial
3    Zeitenwende

     Gastkommentar
4    E-Government in Europa – warum es in Österreich gut funktioniert

     Schwerpunktthema
6    Digitale Verwaltung: Behörden unter Handlungsdruck
11   Interview mit Dr. Markus Richter, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

     Im Fokus
12 	Bürgerkonten und das Projekt „The Once-Only Principle”

16   Big Data: Herausforderungen bei der Datenanalyse
19   Beschaffung strategisch ausrichten
23   Kontrolleur oder Mitgestalter? Zur Rolle des Aufsichtsrats bei der Unternehmensstrategie

     Standpunkt
26 	Wirkungsorientiertes Nachhaltig­keitsmanagement – „Luft nach oben“ für Kommunen

     Nachruf
29 	Professor Dr. Hannes Rehm

      ktuelles aus Verwaltungswirtschaft
     A
     und öffentlichen Unternehmen
30 Corporate Governance
	Doppelmandatierte bei Konzessionsvergaben nicht automatisch befangen (und Weiteres)

30 Verwaltungsmodernisierung
	IT-Planungsrat legt Standard für E-Rechnungen fest

    Öffentliche Finanzwirtschaft
31 	
     Kommunaler Investitionsrückstand wird erstmals kleiner (und Weiteres)

32 Haushalts- und Rechnungswesen
	Unterschiede bei dem Verbreitungsgrad der kommunalen Doppik

32    nergiewirtschaft
     E
     Bundesregierung reformiert Netzentgeltstruktur (und Weiteres)

33    esundheitswirtschaft
     G
     Öffentliche Krankenhäuser arbeiten weniger effizient als private

   Recht und Steuern
33	
     BGH beendet „Schulnotenstreit“ in der Angebotswertung (und Weiteres)

     In eigener Sache
34 	Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Institut diskutiert Zukunftsthemen der öffentlichen Hand (und Weiteres)

     Service
35   Abonnement PublicGovernance, Impressum, Ansprechpartner

                                                                                      © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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3

Editorial

Zeitenwende
                                                                            im E-Government heutiger Tage bereits          deutschen Verwaltung. Unter dem Stich-
                                                                            erkennbar. Leider steht Deutschland nach       wort „Big Data“ wird deutlich, welches
                                                                            übereinstimmender Aussage der Sach-            Potenzial die erheblichen Datenbestände
                                                                            verständigen nicht an der Spitze der           haben, über die die öffentliche Verwal-
                                                                            ­Bewegung. Österreich hingegen hat eine        tung verfügt. In effektiver Weise analy-
                                                                             Vielzahl beeindruckender Schritte ein­        siert, könnten sie die Dienstleistungen der
                                                                             geleitet, die unser Gastkommentator           öffentlichen Verwaltung erheblich verbes-
                                                                             Christian Rupp, Sprecher der Plattform        sern, ausweiten sowie Risiken für Staat
                                                                             Digitales Österreich, in seinen Ausführun-    und Bürger begrenzen.
                                                                             gen zu E-Go­vernment in Europa näher
                                                                             skizziert. Wir danken ihm an dieser Stelle    Die Digitalisierung zeigt auch neue Wege
                                                                             sehr herzlich für seinen Beitrag.             bei der Umgestaltung der Beschaffung
                                                                                                                           auf – ein Bereich, der trotz des erhebli-
                                                                            In unserem Schwerpunktbeitrag greifen          chen Volumens des öffentlichen Einkaufs
                                                                            wir das Thema noch einmal auf und              oft nicht die erforderliche Aufmerksam-
                                                                            ­beleuchten die Digitalisierung der öffent-    keit genießt. In einem Artikel stellen wir
                                                                             lichen Verwaltung aus unterschiedlichen       entsprechende Perspektiven vor.
                                                                             Perspektiven. Besondere Faszination
                                                                             dürfte dabei die Aussicht auslösen, künf-     Darüber hinaus gewährt uns in der vorlie-
                                                                             tig Entscheidungsprozesse der öffentli-       genden Doppelausgabe Oliver Haubner
Mit der vorliegenden Ausgabe müssen                                          chen Hand zu automatisieren und so            von der Bertelsmann Stiftung einen exter-
wir einen schmerzlichen Verlust für unser                                    ­angesichts des demografischen Wandels        nen Blick auf wirkungsorientiertes Nach-
Institut vermelden. Am 1. September ver-                                      und der steigenden Anforderungen das         haltigkeitsmanagement. Schließlich stel-
starb zu unserer Erschütterung unser lang-                                    erreichte Leistungsniveau halten zu kön-     len wir wie üblich aktuelle Informationen
jähriges Beiratsmitglied Prof. Dr. Hannes                                     nen. Ein erster Schritt in diese Richtung    aus dem Aufgabenbereich der Aufsichts-
Rehm. Treuen Lesern unserer Zeitschrift                                       sind digitale Assistenzsysteme, wie sie      räte öffentlicher Unternehmen bereit.
werden seine fachkundigen Beiträge bei                                        derzeit etwa von KPMG entwickelt             Dieses Mal widmen wir uns der Rolle
uns noch in Erinnerung sein. Mit ihm ver-                                     werden. Wir sind sehr dankbar, dass­
                                                                              ­                                            des Überwachungsorgans bei der Ent-
lieren wir einen Berater mit außerordent-                                     Dr. Markus Richter, der CIO des Bundes-      wicklung und Umsetzung von Unterneh-
lichem Erfahrungsschatz, der sich in viel-                                    amts für Migration und Flüchtlinge, für      mensstrategien.
fältiger Weise aktiv in unsere Arbeit ein-                                    uns seine Digitalisierungsansätze zur
gebracht hat. Mit einem Nachruf erinnern                                      ­Bewältigung der aktuellen Zuwanderungs-     Mit der vorliegenden Ausgabe nähert
wir an ihn und sein Wirken.                                                    welle schildert. Eine Herausforderung       sich auch das Jahr 2017 seinem Ende.
                                                                               ganz eigener Art stellt auch die Umset-     Vorstand und Team des Instituts für den
In Hannes Rehms Sinne verfolgen wir                                            zung des „Once-Only-Prinzips“ dar, nach     öffentlichen Sektor wünschen Ihnen ein
unsere Zielsetzung weiter und machen                                           dem der Bürger seine Daten dem Staat        gesegnetes Weihnachtsfest und ein in
uns auch in dieser Ausgabe Gedanken                                            nur noch einmal zur Verfügung stellt, und   ­jeder Hinsicht glückliches neues Jahr!
um die Fortentwicklung des öffentlichen                                        diese Informationen anschließend für
Sektors. Dieser steht vor einer umwälzen-                                      alle weiteren Anwendungen und Bedarfe
den Entwicklung, die man mit Recht als                                         ­genutzt werden können.
Zeitenwende bezeichnen kann. Noch ist
nicht zu ermessen, wie der Staat im                                         Eine aktuelle Studie, an der unser Institut    Ulrich Maas
­digitalen Zeitalter konkret gestaltet sein                                 beteiligt war, beleuchtet den momenta-         Vorsitzender
 wird, einzelne Ansätze sind aber auch                                      nen Status von Datenanalysen in der            Institut für den öffentlichen Sektor e. V.

                                                                                                                                  Public Governance Herbst / Winter 2017
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4

gastkommentar

E-Government in Europa – warum es
in Österreich gut funktioniert
Technischer Fortschritt, insbesondere durch das Internet, ermöglicht gänzlich neue Kommunika-
tions- und Interaktionswege. Das gilt nicht zuletzt für die Kommunikation zwischen Bevölkerung
und Behörden. Die Vorteile dabei: vereinfachte, schnellere und oft automatisierte Abläufe, höhere
Transparenz und weniger Bürokratie – sei es bei der Beantragung eines Ausweises, einer
Geburtsurkunde oder bei der Beantwortung einer Anfrage. So steht es auf den Regierungsseiten
zum „Digitalgipfel“ der Staats- und Regierungschefs der EU, der Ende September 2017 in Tallinn
stattfand. Das klingt eigentlich ganz einfach, oder doch nicht?

                                                 Der E-Government Monitor 2017 der Ini-          weist die Familienbeihilfe ohne vorheri-
                                                 tiative D211 zeigt einen langfristigen Trend    gen Antrag auf ein Konto der Eltern. Soll-
                                                 steigender Nutzung von E-Government             ten dabei noch Informationen fehlen, wie
                                                 in Österreich und in der Schweiz, wäh-          etwa die Bankverbindung, werden die El-
                                                 rend die Nutzerzahlen in Deutschland auf        tern ersucht, die Daten bekannt zu geben.2
                                                 vergleichsweise geringem Niveau stag­
                                                 nieren.                                          Ein Grund für die geringe Nutzung von
                                                                                                  E-Government-Services ist in vielen Län-
                                                 Mit ein Grund für die zunehmende Nut-            dern deren mangelnde Bekanntheit. So
                                                 zung in Österreich könnten schlicht finan-       kann man zum Beispiel in Wien die aktu-
                                                 zielle Anreize sein: Bei elektronischer          ellen Wartezeiten in den Passämtern 3 im
                                                 Antragstellung können hier bis zu 40 Pro-       Internet nachschauen oder gleich online
                                                 zent der Gebühren eingespart werden.            einen Termin reservieren. Diesen Online-
                                                 Zur Abgabe einer elektronischen Steuer-         Service benötigt man allerdings nur alle
                                                 erklärung werden die Bürger mit einer           zehn Jahre und gerade dann muss einem
                                                 Gutschrift motiviert, die im Anschluss in-      Nutzer der Name der entsprechenden
                                                 nerhalb einer Woche ausbezahlt wird.            ­Inter­netseite einfallen. Besser wäre hier
                                                 Geringere Gebühren und schnellere Bear-          ein automatischer Erinnerungsservice, der
Christian Rupp, CMC, Univ.-Lektor
                                                 beitung sind also möglicherweise die             darauf hinweist, wann ein amtliches Do-
Sprecher der Plattform Digitales Österreich im
                                                 Haupttreiber. Oder machen wir es gleich          kument abläuft und unter welcher Web-
Bundeskanzleramt, Österreich, Sonder­beauf­
                                                 so wie Estland oder Dänemark: Dort               site ein Termin zur Verlängerung reserviert
tragter Digitalisierung der Wirtschaftskammer
                                                 herrscht Zwang per Gesetz. Alle Bürge­           werden kann. Dies ist allerdings leider aus
                                                 rinnen und Bürger müssen ihre Behörden-          Datenschutzgründen nicht möglich.
                                                 gänge elektronisch erledigen. Oder man
                                                 macht es so wie in Schweden und Öster-          Zudem hängt die Einführung und Nutzung
                                                 reich: Das Finanzamt erstellt die Steuer-       von E-Government-Lösungen stets auch
                                                 erklärung für die Bürgerinnen und Bürger        mit digitaler Bildung zusammen. Daher
                                                 ganz automatisch und schickt diese ein-         sollten die berühmten Digital Skills (inklu-
                                                 fach zu. Ähnliches gilt in Österreich bei der   sive Internetsicherheit) bereits ab dem
                                                 Geburt eines Kindes: Die Familienbeihilfe       Kindergarten trainiert werden, in alle
                                                 muss nicht mehr beantragt werden. Statt-        ­Er­­wach­senenbildungsprogramme und
                                                 dessen prüft die Finanzverwaltung alle
                                                 Voraussetzungen automatisch und über-           2   Antragslose Familienbeihilfe bei Geburt eines Kindes in Österreich
                                                                                                     seit 2015: www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/8/
                                                                                                     Seite.080711.html#Verfahrensablauf
                                                 1   Vgl. www.egovernment-monitor.de             3   Vgl. www.wien.gv.at/wartezeiten/passservice/

Public Governance Herbst / Winter 2017
                                                                                                                  © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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gastkommentar 5
     Abbildung: Perspektiven bei der Implementierung von
     Digitalstrategien

                                Change Management – Organisation + Recht

                    Politischer                                                              Gesetzlich
                       Wille                                                                  erlaubt
                                                                            G2G
                                                                                                                                                                E-Government. Beim Patentamt beant-

                                                                      @
       eID, eSig                                                                                    Marketing                                                   wortet beispielsweise Albert  11 Fragen zu
     CyberSecurity                                                                                   eSkills
                                                                                                                                                                Patenten und der WienBot  12 liefert über
                                                   G2B                            G2C                                                                           den Facebook Messenger derzeit Ant-
                      Technisch                                                                Kunden-                                                          worten auf knapp 250 Fragen, etwa zu
                       möglich                                                                 wunsch
                                                                                                                                                                Bezirksämtern, Veranstaltungen oder zum
                                    Zielgruppenadäquate Portale                                                                                                 Thema Parken.
                          Lebenssituationen in der Sprache der NutzerInnen
                                       Open Government Data
                                                                                                                                                                Das österreichische Portal für offene
     Quelle: Christian Rupp
                                                                                                                                                                Daten13 hat bereits 2014 den UN Public
                                                                                                                                                                Service Award gewonnen und aktuell wird
                                                                                                                                                                überlegt, wie die Blockchain-Technolo-
­ nternehmerschulungen integriert sein
U                                                                                      Dienstleistungen vorzugsweise digital                                    gie14 die Datenqualität von Open Govern-
und insbesondere in den Behörden selbst                                                erbringen (und dazu auch maschinen-                                      ment Data (OGD) steigern kann.
gelehrt werden. Österreich hat dazu be­                                                lesbare Informationen bereitstellen).
reits seit 20 Jahren in den Verwaltungs­                                            –– „Einmalige Erfassung“ (Once Only):                                       Bei der Implementierung einer Digital-
akademien einen E-Government-Schwer­                                                   Öffentliche Verwaltungen sollen sicher-                                  strategie (vergleiche Abbildung) bewegen
punkt 4 etabliert. Die Veranstaltungs-                                                 stellen, dass die Menschen und Unter­                                    wir uns nach meiner Erfahrung immer
serie digital.now (ehemals „TELEFIT“) zu                                               ­nehmen dieselben Informationen nur                                      zwischen vier Fragen:
E-Government und E-Business für Unter-                                                  einmal übermitteln. Soweit zulässig,                                    –– Was ist technisch möglich oder was
nehmen gibt es seit 1997.5                                                              sind diese Daten unter vollständiger                                        wollen wir mit Technologie bezwe-
                                                                                        Beachtung der Datenschutzvorschrif-                                         cken?
Eine Nutzungsbarriere ist auch die feh-                                                 ten intern (bzw. EU-weit) mehrmals zu                                   –– Was ist rechtlich erlaubt oder wie flexi-
lende Durchgängigkeit. Dazu braucht es                                                  verwenden, um eine unnötige zusätz-                                         bel sind wir, den gesetzlichen Rahmen
gemeinsame Standards, einheitliche Ver-                                                 liche Belastung der Bürgerinnen und                                         auszuschöpfen?
fahren und die Nutzung der gleichen Infra-                                              Bürger sowie der Unternehmen zu                                         –– Gibt es einen politischen Willen, die-
struktur. Die in Österreich verpflichtende                                              vermeiden.9                                                                 sen zu ändern, und ist die Organisation
elektronische Akte (ELAK 6 ) in allen Bun-                                                                                                                          reif für die digitale Transformation?
desministerien wurde dort bereits 2001                                              Letzteres ist in Österreich im Register­                                    –– Wie viele Services haben wir und
gestartet und der Portalverbund 7 besteht                                           gesetz schon seit Längerem geregelt.                                            ­welche nutzen unsere Kunden bzw.
schon seit dem Jahr 2003.                                                           Be­­hörden sind verpflichtet, auf die vorhan-                                    haben wir diese schon einmal danach
                                                                                    denen Daten von Betroffenen aus elektro-                                         gefragt?
Jetzt kommt die E-Government-Agenda                                                 nischen Registern eines Auftraggebers
der EU als neue Herausforderung auf die                                             des öffentlichen Sektors zurückzugreifen.                                   Der gesellschaftliche und der technolo­
EU-Mitgliedsländer zu: Die Behörden und                                             Bestimmte Daten (wie etwa Geburts­                                          gische Wandel fordern den öffentlichen
sonstigen öffentlichen Stellen in der Euro-                                         urkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis,                                       Sektor immens. Im Zuge dessen muss
päischen Union sollen bis 2020 offene,                                              Melde­  zettel oder Firmenbucheinträge)                                     sich dieser kontinuierlich neuen Fragen
effiziente und inklusive Einrichtungen wer-                                         müssen somit nicht mehr von den Betrof­                                     und Herausforderungen stellen. Eine
den, die grenzübergreifende, personali-                                             fenen vorgelegt werden, sondern von der                                     ­davon ist etwa, wie wir mithilfe neuer
sierte, nutzerfreundliche und – über alle                                           Behörde mit Zustimmung der Betroffenen                                       Methoden (zum Beispiel Design Thinking,
Abläufe hinweg – vollständig digitale öf-                                           oder aufgrund einer gesetzlichen Ermäch­                                     Rapid Prototyping, Gameification) E-Ser-
fentliche Dienste für alle Menschen und                                             tigung direkt bei einem elektronischen                                       vices gemeinsam erdenken können.
Unternehmen in der EU anbieten. Das                                                 Register angefragt werden. Das E-Govern-                                     ­Österreich hat dafür als Experimentierflä-
heißt: Standards (zum Beispiel eIDAS-Ver-                                           ment-Gesetz ist in Österreich im Übrigen                                      che das sogenannte GovLabAustria15 für
ordnung 8 ) müssen grenzüberschreitend                                              seit 1.3.2004 in Kraft. Ganz neu seit Novel-                                  Verwaltung und Gesellschaft zusammen
in ganz Europa nutzbar gemacht werden                                               lierung 2017 gilt zudem das „Recht auf                                        mit der Wissenschaft gegründet.
und neue Grundprinzipien sollen gelten:                                             elektronischen Verkehr“ mit Gerichten
–– „Standardmäßig digital“ (Digital First):                                         und Verwaltungsbehörden.                                                    Auf der digitalen Reise muss die Verwal-
    Öffentliche Verwaltungen sollen ihre                                                                                                                        tung mit bestem Beispiel vorangehen und
                                                                                    Ask Siri or Alexa – E-Government:                                           innovativ handeln, auch wenn dies nicht
                                                                                    It’s a journey not a destination!                                           unmittelbar dem Naturell der öffentlichen
4      Vgl. www.oeffentlicherdienst.gv.at/vab/seminarprogramm/­
       index_2016.html                                                              Seit einigen Monaten gibt es in Öster-                                      Hand entspricht.
5      Vgl. www.telefit.at
                                                                                    reich die ersten Chatbots10 im Bereich
6      Vgl. www.digitales.oesterreich.gv.at/der-elektronische-akt-elak-
                                                                                                                                                                11   Vgl. www.patentamt.at/de/albert
7      Alle zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden vereinbarten
       Standards werden auf dem Referenzserver veröffentlicht. Der Portal-                                                                                      12   Vgl. www.facebook.com/wienbot
       verbund 1.0, erstellt am 30.1.2003, siehe www.ref.gv.at/
                                                                                                                                                                13   Vgl. www.data.gv.at
       Portalverbund.577.0.html                                                         9    Vgl. EU-Projekte unter www.scoop4c.eu und http://toop.eu/
                                                                                                                                                                14   Vgl. www.blockchain-austria.gv.at
8      eIDAS steht für “electronic IDentification, Authentication and trust             10   Chatbot ist ein zusammengesetztes Wort aus dem englischen „chat“
       Services“.                                                                            (Unterhaltung) und „bot“ für Roboter.                              15   Vgl. http://govlabaustria.gv.at

                                                                                                                                                                          Public Governance Herbst / Winter 2017
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6

schwerpunktthema

Digitale Verwaltung:
Behörden unter Handlungsdruck
Verliert Deutschland international den Anschluss bei der Digitalisierung seiner öffentlichen Ver-
waltung? Und warum schreitet das Thema E-Government hierzulande nur so schleppend voran?
Diese Fragen standen im Zentrum des „Zukunftspanels Staat und Verwaltung 2017“. Die Ergeb-
nisse der groß angelegten Behördenbefragung zeigen, dass das Thema immer stärker ins
Blickfeld der Behördenleitungen rückt. Dennoch werden wesentliche Maßnahmen nur zögerlich
umgesetzt. Die Umfrageergebnisse legen auch offen, welche Unterstützung deutsche Ver­
waltungen von politischen Entscheidungsträgern erwarten, damit die Zukunft der Amtsstuben
digital wird.

                                                          Der Weg ins Digitalzeitalter ist gepflastert mit Initiativen, Gesetzen und Projekten:
                                                          ­Bereits im Jahr 2000 hat sich die Bundesregierung mit dem Programm „BundOnline
                                                           2005“ dazu bekannt, alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung
                                                           ­online zu stellen. Im Jahr 2003 haben sich Bund und Länder auf gemeinsame Infra-
                                                            strukturen und Standards geeinigt und 2006 wurde der „Aktionsplan Deutschland-
                                                            Online“ beschlossen. Es folgten der „IT-Staatsvertrag“ (2010), das „E-Government-
                                                            Gesetz“ des Bundes (2013) und die „      ­ Digitale Agenda 2014 – 2017“. Und dennoch:
                                                            Trotz dieser vielen Initiativen und Programme steht es heute nicht gerade gut um die
                                                                                    Digitalisierung deutscher ­Behörden. In dem 2017 von der EU
                                                                                    veröffentlichten „Index für die digitale Wirtschaft und Gesell-
    Die Studie „Zukunftspanel Staat und Verwaltung 2017“                            schaft“ (DESI) 1 landet Deutschland im Bereich Online-Behör-
    Beim „Zukunftspanel Staat und Verwaltung 2017“ der Hertie School of Governance  dendienste nur auf Platz 20 – von insgesamt 28 Ländern. Hier
    und der Wegweiser GmbH handelt es sich um eine deutschlandweite Behörden­       besteht also eindeutig Nachholbedarf.2
    befragung zum Thema Digitalisierung und Einführung von E-Government in der
    deutschen Verwaltung.2 Seit dem Jahr 2013 findet sie jährlich unter wissenschaft­               Die Ergebnisse des „Zukunftspanels Staat und Verwaltung
    licher Leitung von Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid statt. Im Frühjahr 2017 wurden                2017“ zeigen, dass die Befragten lediglich den E-Government-
    1.346 Behördenleiter und Entscheidungs­träger in den Bereichen Digitali­sierung                 Gesetzen des Bundes und der Länder mit 45 bzw. 44 Prozent
    und Ver­­wal­tungs­modernisierung um ihre Einschätzung gebeten. Die Rücklaufquote               Zustimmung eine starke oder sehr starke Wirksamkeit beschei-
    betrug 25,7 Prozent (346 Antwortende). Berücksichtigt wurden alle Ministerien der               nigen (vergleiche Abbildung 1). Vergleichs­weise positiv beurtei-
    Bundes- und Länderverwaltung, ausgewählte nachgeordnete Dienststellen auf                       len sie auch noch die Cyber-Sicherheitsstrategie der Bundes­
    Bundes- und Länder­ebene sowie auf der Kommunalebene 294 Kreis­verwaltungen                     regierung (30 Prozent). Besonders kritisch wird hingegen das
    der Landkreise und 673 Städte und Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern.                     Gesetz zum elektronischen Personalausweis oder das De-Mail-
                                                                                                    Gesetz gesehen.

                                                              Beim Blick hinein in die Behörden wird klar, dass nur eine Minderheit wesentliche
                                                              ­E-Government-Anwendungen tatsächlich auch einsetzt (vergleiche Abbildung 2). Das
                                                               gilt zum Beispiel für die E-Vergabe (34 Prozent), die rechtssichere E-Mail-Kommuni­
                                                               kation De-Mail (31 Prozent) sowie die elektronische Akte und das Einscannen von
                                                               ­Akten-Eingängen (23 Prozent). Den elektronischen Personalausweis haben sogar
                                                                erst 14 Prozent der Befragten umgesetzt. Klar wird aber auch: An vielen Anwendun-

                                                              1   https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/desi
                                                              2   Die Studie ist verfügbar unter www.hertie-school.org und www.wegweiser.de.

Public Governance Herbst / Winter 2017
                                                                                                                                               © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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Schwerpunktthema 7

gen wird aktuell noch gearbeitet, wobei hier Maßnahmen zur IT-Sicherheit (53 Pro-
zent) sowie die elektronische Akte (43 Prozent) im Vordergrund stehen. Weitere
­mögliche Anwendungsfelder von IT-Lösungen zeigen sich bei der Digitalisierung von
 ­Arbeitsprozessen in der öffentlichen Verwaltung (vergleiche Textkasten „Entwick-
  lungsfeld Arbeitsprozesse“, Seite 8).

Die Frage nach den Gründen für die digitale Zurückhaltung lässt sich laut der
­Untersuchung auf einen Ursachenkomplex von vier Faktoren zurückführen. Der erste
 betrifft mangelnde Kooperation: Rund ein Drittel der befragten Behördenleiter sehen
 die Ursache in einer zu geringen Zusammenarbeit von Behörden zur Entwicklung ge-
 meinsamer Lösungen. Faktor zwei dreht sich um die Kosten der Digitalisierung: Für
 rund 30 Prozent der Befragten ist die Verwaltungsdigitalisierung angesichts der gege-
 benen Finanzlage schlicht zu teuer. Faktor drei betrifft rechtliche Unsicherheit, ausge-
 löst zum Beispiel durch unklare rechtliche Anforderungen (24 Prozent). Faktor vier
 spiegelt die Zustände in den Verwaltungen selbst wider: Gut ein Viertel der Befragten
 sehen eine sicherheitsorientierte und innova­tionsskeptische Kultur im eige­nen Haus.

     Abbildung 1: Wirkung politischer Programme und Initiativen im Bereich Digitalisierung
     Frage: „In den letzten 15 Jahren gab es zahlreiche politische Programme, Strategien und Initiativen, um E-Government und die Digitalisierung
     der Verwaltung voranzutreiben. Wie beurteilen Sie rückwirkend die Wichtigkeit und Wirksamkeit folgender Ansätze?“ (N = 297– 339). Es wurden
     lediglich die Antworten jener Befragten berücksichtigt, die angaben, diese Maßnahmen auch zu kennen.

                                      E-Government-Gesetz des Landes                                             45,2 %                                29,1 %                        25,7 %

                          E-Government-Gesetz des Bundes (2013)                                                  43,9 %                                 33,8 %                           22,3 %

                                       Die Cyber-Sicherheitsstrategie der
                                                                                                        30,0 %                              35,7 %                               34,3 %
                                              Bundesregierung (2011/16)
                     Der IT-Staatsvertrag 2010 zur Errichtung des
                                                                                                      26,8 %                             36,4 %                                 36,8 %
                                                 IT-Planungsrats
              Ausgabe des elektronischen Personalausweises
                                                                                                      26,0 %                    20,5 %                               53,5 %
                                                (eID) (2010)

      Die Digitale Agenda 2014– 2017 der Bundesregierung                                             23,3 %                              42,0 %                                  34,7 %

                     Die Einrichtung eines Beauftragten für IT der
                                                                                                17,0 %                        32,6 %                                   50,4 %
                                        Bundesverwaltung (2007)

                            Nationaler Aktionsplan Open Data (2014)                             16,8 %                        33,6 %                                    49,6 %

                                                            De-Mail-Gesetz (2011)              15,9 %                21,3 %                                      62,8 %

           „BundOnline 2005“-Programm zur Digitalisierung
                                                                                             11,6 %                   33,0 %                                        55,3 %
                                      auf Bundesebene
          E-Government-Aktionsplan „Deutschland-Online“
                                                                                             8,9 %                29,5 %                                         61,6 %
                                                 (2003)

                                                                                         0                           25                           50                      75                       100

          (Sehr) stark wirksam (4+5)                                   Teilweise (3)   (Sehr) wenig wirksam (1+2)

                                                                                                               Quelle: Hertie School of Governance / Wegweiser GmbH: Zukunftspanel Staat & Verwaltung 2017

                                                                                                                                                           Public Governance Herbst / Winter 2017
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8 Schwerpunktthema

                                                   Darüber hinaus spielen gemäß den Ergebnissen der Behördenbefragung auch feh-
                                                   lende Akzeptanz/Nachfrage bei Bürgern und Unternehmen (21 Prozent) sowie der
                                                   grassierende Fachkräftemangel im IT-Bereich (20 Prozent) eine Rolle.

                                                   In Anbetracht der enormen politischen Bedeutung des Themas ist es nachvollziehbar,
                                                   dass sich vor Ort mittlerweile Handlungsdruck aufbaut: Die Ergebnisse des „Zukunfts­
                                                   panels Staat und Verwaltung 2017“ zeigen, dass das Thema E-Government / Digitali-
                                                   sierung aus Sicht der Behördenleitungen inzwischen klar an der Spitze all jener Kern-
                                                   punkte steht, die in den kommenden fünf Jahren angepackt werden müssen. Mehr
                                                   als die Hälfte (58 Prozent) aller befragten Behördenleiter nennen dies als zentrale
                                                   ­Herausforderung, direkt gefolgt von IT-Sicherheit (31 Prozent). Vor dem Hintergrund
                                                    der öffentlichen Diskus­sion um Cyberangriffe (85 Prozent der Befragten sehen diese
                                                    als realistische Bedrohung an) ist diese Einschätzung kaum verwunderlich.

   Entwicklungsfeld Arbeitsprozesse:
   Die Digitalisierung operativer Entscheidungen
  Sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch    Durch die Beschleunigung der Entscheidungs-       geringem Schulungsaufwand erlernbar und
  in Unternehmen werden täglich zahlreiche          prozesse kann außerdem insgesamt ressour-         schafft die Voraussetzung für eine direkte und
  komplexe Entscheidungen getroffen. Die            censchonender gearbeitet werden.                  eindeutige Kommunikation zwischen IT und
  Grundlage hierfür bilden in der Regel Gesetze,                                                      Fachbereich. Letzterer wird in die Lage ver-
  Richtlinien und Arbeitsanweisungen, die von       Die Grundlage für regelbasierte digitale Assis-   setzt, ausführbare Entscheidungsmodelle im
  den jeweils zuständigen Mitarbeitern nach         tenzsysteme bilden die Entscheidungsmodelle       Standard DMN selbst zu modellieren, zu über-
  bestem Wissen angewendet werden. Eine             der jeweiligen Verwaltungseinheit oder des        wachen und zu warten. Im Ergebnis können
  digitale Unterstützung dieser oft nicht einfa-    Fachbereichs. Bislang sieht der Prozess so        digitale Assistenzsysteme deutlich schneller
  chen Regelanwendung und der darauf basie-         aus: Die Fachbereiche verfassen in „norma-        umgesetzt werden, da die enthaltenen Regel-
  renden Entscheidungsfindung fehlt jedoch          ler“ Sprache ihre spezifischen Anforderungen      werke vom Fach­bereich erstellt und verant-
  meist. Hier kommen digitale Assistenzsysteme      und stellen so ihre Entscheidungsprozesse         wortet werden.
  ins Spiel. Sie beschleunigen nicht nur die        dar. Diese werden dann von der IT-Abteilung
  Entscheidungsprozesse, sondern erleichtern        als Basis für die Umsetzung des digitalen         Digitale Assistenzsysteme auf Basis des Stan-
  auch die Befolgung von Regeln und stellen         Assistenzsystems genutzt. Das Vorgehen ist        dards DMN sind im Ergebnis nutzerfreund­
  eine nachvollziehbare Dokumentation sicher.       allerdings sehr zeitintensiv und darüber hinaus   licher und können die tägliche Arbeit von Ver-
                                                    verwenden die Entwickler auch Programmier-        waltungsmitarbeitern in den unterschied­
  Diese Tools zur digitalen Entscheidungsfindung    sprachen, die für den Fachbereich in der ­Regel   lichsten Bereichen wirkungsvoll unterstützen.
  sind insbesondere dort relevant, wo sehr viele    schwer verständlich sind. Aufgrund dieses         Sie generieren aber noch einen ­weiteren
  operative Entscheidungen getroffen werden.        Medienbruchs sowie der Mehrdeutigkeit der         Mehrwert, da die getroffenen Entscheidun-
  Dies trifft auf zahlreiche Aufgabengebiete der    Sprache kommt es immer wieder zu Miss­            gen strukturiert und digital erfasst werden
  öffentlichen Verwaltung zu, beispielhaft seien    verständnissen und damit zu einem erhöhten        können. Auf dieser Grundlage kann zum Bei-
  hier nur die Ausführung der Sozialgesetzbücher    Abstimmungsbedarf zwischen den Abtei­             spiel analysiert werden, ob ­bestimmte Fall­
  und der Bereich Steuerverwaltung genannt          lungen.                                           szenarien besonders häufig auftreten. Auch
  (vergleiche auch Interview auf Seite 11). Eine                                                      die Transparenz der Entscheidungsfindung
  Unterstützung durch digitale Assistenz­           Neue Möglichkeiten bieten Assistenzsys-           wird deutlich erhöht. ­Daraus könnten dann
  systeme kann die Mitarbeiter in die Lage ver-     teme, die auf einer Sprache basieren, die für     wiederum Erkenntnisse abgeleitet werden,
  setzen, regelbasierte Entscheidungen gleich-      Fachbereich und IT gleichermaßen verständ-        wie sich bestimmte Entscheidungsprozesse
  zeitig konsistenter und schneller zu treffen.     lich ist. Bei dieser Sprache handelt es sich um   verbessern lassen.
  Im Gesamtergebnis führt dies zu einer höhe-       den internationalen Notationsstandard DMN                                            Nicolas Barz
  ren Qualität der getroffenen Entscheidungen.      (Decision Model and Notation). Dieser ist mit

Public Governance Herbst / Winter 2017
                                                                                                                  © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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Schwerpunktthema 9

Angesichts der eher kritischen Beurteilung vieler bisheriger politischer Programme
und Initiativen stellt sich die Frage, welche Erwartungen die Behördenleiter mit Blick
auf künftige Maßnahmen haben. Sie wurden daher nach Empfehlungen an politische
Entscheidungsträger für die Bundestagswahl 2017 gefragt, um E-Government und
Verwaltungsmodernisierung effektiv voranzutreiben. Das Ergebnis ist relativ eindeu-
tig: Die Befragten wünschen sich vor allem eine stärkere Standardisierung und ver­
bind­liche Vor­gaben (40 Prozent) sowie eine bessere personelle und budgetäre Aus-
stattung (29 Prozent). In Bezug auf Organisation wird darüber hinaus eine bessere
­föderale Zusammenarbeit (29 Prozent) gefordert (vergleiche hierzu auch Textkasten
 „Entwicklungsfeld Organisation“, Seite 10). Die Antworten lassen erkennen, dass die
 Behörden vor allem auf kommunaler Ebene unter einem „Flickenteppich“ nicht mit­
 einander verzahnter Initiativen und einer stark fragmentierten IT-Landschaft leiden.

     Abbildung 2: Umsetzungsstand von E-Government-Maßnahmen
     Frage: „In welchem Umfang sind in Ihrer Verwaltung folgende E-Government-Anwendungen bzw. Maßnahmen der Digitalisierung bereits
     umgesetzt?“ (N = 302– 341)

                           Soziale Medien zur Kommunikation mit den
                                                                                                                     40,4 %                              13,9 %            17,6 %                   28,1 %
                                                      BürgerInnen

                                                                              E-Vergabe                           33,5 %                                 28,8 %                         26,7 %                  11,0 %

                  Rechtssichere E-Mail-Kommunikation (De-Mail)                                               30,5 %                          18,7 %                      27,1 %                        23,7 %

                          Maßnahmen zur Erhöhung der IT-Sicherheit                                           30,1 %                                               53,1 %                                  13,6 %      3,2

                      Schnittstellen mit anderen Verwaltungen zum
                                                                                                            27,9 %                              26,4 %                        23,9 %                      21,8 %
                       elektronischen Austausch von Informationen

                Digitalisierung Rechnungswesen / Budgetsystem                                               27,8 %                              26,3 %                              35,0 %                      10,9 %

                            Elektronische Bezahlfunktion (E-Payment)                                      23,3 %                    17,7 %                           34,1 %                            24,9 %

                                      Elektronische Akte und Scannen von
                                                                                                          22,9 %                                   43,1 %                                     27,0 %               7,0 %
                                                        Akten-Eingängen

                    Digitale Signatur zur Dokumenten-Verifizierung                                       21,4 %                     20,7 %                            35,9 %                            22,0 %

                                                                        IT-Konsolidierung                20,8 %                                 41,3 %                                 23,4 %                14,5 %

                                  Digitalisierung der Personalverwaltung                                 19,6 %                        29,3 %                                 32,5 %                       18,6 %

                                                           Online-Diskussionsforen                   17,6 %            9,0 %           15,0 %                                       58,5 %

                                        Mobile Government-Anwendungen                                17,5 %                   19,4 %                        27,8 %                               35,3 %

                                                                        Cloud Computing             16,9 %                 15,3 %                20,5 %                                  47,4 %

       Elektronisches Einreichen von Nachweisen und Doku-
                                                                                                   14,4 %                          31,9 %                                     38,0 %                        15,6 %
       menten bei der Nutzung von elektronischen Verfahren
                                Anwendungen für neuen elektronischen
                                                                                                   13,6 %            13,3 %                     27,6 %                                    45,5 %
                                                    Personalausweis

                          Elektronische Rechnung im Auftragswesen                                 10,7 %                   27,0 %                                      46,2 %                               16,0 %

                                                                        Online-Petitionen        7,6 % 5,3%         12,5 %                                               74,6 %

                                                            Big Data-Anwendungen                 7,3 %       15,6 %                     26,2 %                                         51,0 %

                                                                                             0                                25                             50                          75                              100

          Umgesetzt                         In Umsetzung                     In Planung           Nicht geplant                                            Abweichungen zu 100 Prozent sind rundungsbedingt.

Quelle: Hertie School of Governance / Wegweiser GmbH: Zukunftspanel Staat & Verwaltung 2017

                                                                                                                                                                         Public Governance Herbst / Winter 2017
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10 Schwerpunktthema

                                                       Eine Sonderauswertung der Umfragedaten zeigt, dass sich im Vergleich zu den Unter-
                                                       suchungsteilnehmern aus Bundes- und Landesbehörden vor allem die befragten Be-
                                                       hördenleiter aus Landkreisen, Städten und Gemeinden eine stärkere Standardisierung
                                                       und einheitliche Vorgaben wünschen.

                                                       Die Ergebnisse des Zukunftspanels machen deutlich, dass sowohl auf der Ebene der
                                                       übergeordneten Organisation von E-Government als auch auf der Ebene der Arbeits-
                                                       prozesse eine hohe Entwicklungsdynamik besteht.
                                                                                                   Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid, Christian Raffer

   Entwicklungsfeld Organisation:
   Herausforderungen bei der Konsolidierung von IT-Dienstleistern
  IT-Dienstleistungen gelten in vielen Unterneh-       von Dienstleistern der Ultima Ratio bei Min-       ein umfassendes und konkretes Bild der
  men als Bereich, in dem Skalenerträge realisiert     derleistung: Eine Zusammenarbeit kann nur          Leistungs­erbringung zeichnen können. Ergeb-
  werden können. Der Grund: Mit steigendem             noch dann beendet werden, wenn es noch             nisse der Leistungsmessung sollten auto­
  Output werden (standardisierte) ­Produkte            ­andere geeignete Teilnehmer am „Markt“            matisiert und tagesaktuell auftraggeberüber-
  ­immer kostengünstiger. Ein Versprechen, dem          gibt. Diese fehlenden Ausweichmöglichkeiten       greifend konsolidiert, ausgewertet und der
   auch die öffentliche Hand folgt, indem sie           gelten ebenso bei Insolvenz eines etwaigen        Aufsichtsebene zur Verfügung gestellt wer-
   ­zunehmend IT-Services bei zentralen Dienst-         privaten Dienstleisters oder bei technischen      den. Hierzu sind umfangreiche fachliche
    leistern konsolidiert. Beispiele für derartige      Krisen – etwa bei einem Cyberangriff.             Ressourcen notwendig.
    ­Zusammenführungen gibt es auf allen Ver­
     waltungsebenen. So sollen im Rahmen des           Geringere Steuerbarkeit durch die                 – Aufsichtsfunktion zur Steuerung des
     Vorhabens „IT-Konsolidierung Bund“ bis            Auftrag­geber: Ein ausgegliederter Dienst­          Dienst­leisters schaffen: Die Aufsicht und
     zum Jahr 2022 Betrieb und Dienste der unmit-      leister ist durch seine Position „zwischen den      Steuerung sollte durch eine ebenfalls ver­
     telbaren Bundesverwaltung vereinheitlicht         Hierarchien“ den konventionellen Steuerungs-        waltungsübergreifend aufgebaute administ-
     werden. Vorteilhaft solle sich dann etwa aus-     mechanismen - fachlich, disziplinarisch und         rative Einheit mit eindeutigem Mandat
     wirken, dass die Abstimmung über das IT-          haushälterisch - der Verwaltung teilweise ent-      und entsprechender Systemunterstützung
     Leistungsangebot nur noch mit wenigen             zogen. Durch diese Unabhängigkeit ist ein           erfolgen, die ihrerseits den Auftraggebern
     ­zentralen IT-Dienstleistern und nicht mehr mit   ­solcher Dienstleister zwangsläufig weniger         Rechenschaft schuldet. Die verwaltungs-
      zahllosen Behörden erfolgen muss. Dieselben       empfänglich für die Bedarfe seiner zahlreichen     übergreifende Ansiedlung reduziert Zielkon-
      Vorteile erhofft man sich auf der Ebene der       Kunden als ein Dezernat oder eine nachgeord-       flikte und erhöht die Schlagkraft der Steue-
      Bundesländer und Kommunen im Rahmen              nete Behörde, die die Steuerungsstrukturen          rung.
      ähnlicher Vorhaben.                              und Ziele ihrer Mutter teilen.
                                                                                                         – Leistungsorientierte Steuerung des
  Die Gründung von gemeinsamen, teilweise              Um trotzdem positive Skaleneffekte erzielen         Dienstleisters: Einen Anreiz für die Leis­
  länderübergreifenden IT-Dienstleistern führt         zu können, muss diesen beiden Dynamiken             tungs­orientierung können beispielsweise
  zwar einerseits zu einer prozessvereinfachen-        entgegengewirkt werden. Aus den Erfahrun-           Vergütungsbestandteile für die Leitungs-
  den Vereinheit­lichung. Diese führt anderer-         gen der Privatwirtschaft und des öffentlichen       ebene darstellen, die die Einhaltung oder
  seits jedoch zu monopolartigen Strukturen,           Sektors mit IT-Outsourcing-Projekten lassen         Über­erfüllung der SLAs bedingen.
  die neue Probleme mit sich bringen. Auch aktu-       sich probate Gegenmaßnahmen ableiten:
  elle Konsolidierungsprojekte auf sämtlichen                                                            Diese Grundsätze zu implementieren, geht
  Verwaltungsebenen sind von den folgenden             – Leistungen eindeutig festlegen: Hierfür        nicht ohne ein radikales Umdenken in der
  Problemen betroffen:                                   bedarf es detaillierter Service Level Agree-    verwaltungsübergreifenden Zusammen­arbeit:
                                                         ments (SLAs), die alle Leistungs- und Preis­    weg von konsensorientierter Arbeitsgrup­
   Verringerter Wettbewerbsdruck: Beim                   dimensionen genau festlegen.                    pendiplomatie hin zu einer schlagkräf­tigen
  Zusammenschluss bisher unabhängiger                                                                    Governance im Sinne eines datengestützten
  ­IT-Dienstleister gehen Vergleichswerte für          – Leistungserbringung kontinuierlich nach-       IT-Service-Managements.
   die Auftraggeber verloren. Ferner berauben            verfolgen, konsolidieren und bewerten:                                            Inga Karrer
   sich diese durch zunehmende Konzentration             Ein kennzahlenbasiertes Controlling muss

Public Governance Herbst / Winter 2017
                                                                                                                      © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
Schwerpunktthema 11

       Nichts für Individualisten: Digitale Transformation
       gelingt nur bereichsübergreifend
       Interview                                                                                                Dr. Markus Richter, Leiter Infrastruktur / IT,
                                                                                                                Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
       Herr Dr. Richter, Sie wurden im Juni 2017 als „European CIO of                                           (BAMF)
       the Year“ in der Kategorie „Public Sector“ ausgezeichnet. Dies
       zeugt davon, dass auch die Bundesverwaltung in puncto digitaler

                                                                                                © BAMF | HaGe
       Innovationsfähigkeit vorne mitspielen kann. Können Sie einige
       Beispiele für Projekte nennen, die im BAMF seit der Hochphase
       der Flüchtlingskrise 2015 umgesetzt wurden?
       Dr. Markus Richter: Dass das Infrastruktur- und IT-Team des
       BAMF heute als einer der Schlüsselfaktoren für das Gelingen der        Situa­tionen, bei denen es auf gemeinsame Lösungen ankam.
       Flüchtlingssituation gilt, ist keine Selbstverständlichkeit. Aus       Da waren Nacht- und Wochenendarbeiten genauso normal wie
       der Not heraus haben wir neue Wege bei der Skalierung unserer          der Einsatz von Helikoptern und Sonderflügen zur unmittelbaren
       Systeme und bei der Implementierung von Projektergebnissen             Anlieferung von erforderlicher Hardware.
       beschreiten müssen. Das BAMF hat sich eine Digitalisierungs-
       agenda mit 28 Projekten gegeben. Alle diese Projekte sind ange-         Im Zuge der Flüchtlingskrise wurden im BAMF IT-Systeme zur
       stoßen, zehn davon befinden sich in der Pilotphase und neun            ­ utomatisierten Entscheidungsunterstützung eingeführt. Welche
                                                                              a
       sind bereits abgeschlossen. Beispielsweise haben wir mit „Asyl         Entscheidungsprozesse werden damit optimiert und welches
       online“ eine Plattform geschaffen, über die Behörden aus Bund,         Potenzial hat die technologische Entscheidungsunterstützung für
       Ländern und Kommunen biometrische Daten miteinander aus-               die öffentliche Verwaltung insgesamt?
       tauschen.                                                              Wir haben die Schwierigkeit, dass viele geflüchtete Menschen
                                                                              kaum Möglichkeiten haben, ihre Identität zügig plausibel dar­
       Was bedeutet es in operativer Hinsicht, so viele IT-Projekte gleich-   zustellen. Wir haben zwar ein Kerndatensystem aufgebaut, in das
       zeitig abzuwickeln, die letztlich zahlreiche interne Prozesse und      die Daten der Registrierten einfließen. Wenn die Personen aber
       Arbeitsabläufe verändern?                                              das erste Mal nach Deutschland kommen, fehlen Daten, gegen
       Die Digitalisierung in Behörden lässt sich nicht allein durch die IT   die wir diese prüfen könnten. Da helfen uns technische Assistenten,
       realisieren. Im Gegenteil: Die enge Einbindung der Fachseiten ist      die wir seit September 2017 im Einsatz haben. Sie können zwar
       essenziell für das Gelingen. IT muss heute viel stärker Führungs-      keine mensch­lichen Entscheidungen ersetzen, geben aber Indi-
       aufgabe in allen Fachbereichen werden. Im BAMF erreichen               zien. Beispielsweise können wir Rückschlüsse von Akzenten
       wir einen Digitalisierungsgrad der Prozesse von bis zu 84 Prozent.     zu Herkunfts­regionen ziehen, wir sehen eine Bildbiometrie sowie
       Somit hat jede fachliche Entscheidung unmittelbar IT-Projekte          eine ent­sprechende Auswertung von Bildern vor und setzen
       zur Folge. Fachlichkeit kann heutzutage also nicht mehr ohne IT        ­unter anderem den Namen in Beziehung zu Herkunftsregionen.
       gedacht werden und umgekehrt. Im BAMF haben wir mit agilen              Auch das Auslesen von Handydaten ist ein Hilfsmittel.
       Teams gute Erfahrungen gesammelt. In diesen Teams arbeiten
       neben der IT ebenso Vertreter der Fachseiten mit. Statt getrennte      Vielfach wird kritisiert, dass Verfahren beschleunigt wurden, aber
       Wege zu gehen und der anderen Partei ein fertiges Konzept vor-         die Qualität von Asylbescheiden gesunken sei. Was kann die IT
       zusetzen, entsteht so viel schneller ein gemeinsames Verständ-         leisten, um hier für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und Folge­
       nis. Dies erhöht die Qualität der Arbeitsergebnisse und erleich-       belastungen für das BAMF, etwa durch Klagen, vorzubeugen?
       tert den Prozess der Implementierung.                                  Zunächst ist festzuhalten, dass wir seit zwei Jahren kommunizie-
                                                                              ren, dass die Klagezahlen steigen werden. Dort, wo mehr bear-
       Welche Herausforderungen und Widerstände gilt es als „digitaler        beitet wird, kommt auch mehr bei den Gerichten an. Die Erfolgs-
       Reformer“ zu meistern – vor allem unter dem außergewöhn­lichen         quote des BAMF in den Gerichtsverfahren ist aber sehr konstant.
       Zeit- und Problemdruck wie der Flüchtlingskrise?                       Dennoch gibt es Herausforderungen bedingt durch die hohe
       Es gibt nicht „den digitalen Reformer“. Digitale Transformation        Zahl von Vorgängen. Unsere IT-Agenda sieht drei Stufen vor, in
       kann nur mit bereichsübergreifenden Teams gelingen. Das hat            denen wir Prozesse digitalisieren. In allen Projekten sorgen wir
       die Flüchtlingssituation gezeigt. Viele engagierte Kolleginnen und     zunächst für eine elektronische Datenhaltung, dann folgt die Digi-
       Kollegen im BAMF und in anderen beteiligten Behörden wie               talisierung der jeweiligen Workflows. In der dritten Stufe folgen
       dem Bundeskriminalamt, dem Bundesverwaltungsamt sowie in               Steuerungsinstrumente. Zum Beispiel digitalisieren wir den Post-
       den Ländern und Kommunen haben sich zusammengefunden,                  eingang beim BAMF. Damit erhalten wir keine Papierbriefe mehr,
       um schutzsuchenden Menschen schnell, sicher und qualitativ             sondern automatisch einlesbare Digitaldokumente. Die Effektivi-
       hochwertig zu helfen. Ich erinnere mich noch gut an zahlreiche         tät steigt dadurch erheblich.

                                                                                                                       Public Governance Herbst / Winter 2017
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im fokus

 Bürgerkonten und das Projekt
„The Once-Only Principle”
Die Digitalisierung schreitet stetig voran. Sie hat inzwischen alle Teile der Gesellschaft erfasst,
insbesondere Bürger und Unternehmen. Die öffentliche Verwaltung sowohl auf europäischer als
auch auf nationaler Ebene unterstützt diese Entwicklung durch vielfältige Maßnahmen. Hierzu
gehören sowohl gesetzliche Vorgaben und die Standardisierung von Übermittlungsformaten als
auch die Förderung von und die Beteiligung an entsprechenden Projekten. Das auf dem Once-Only-
Prinzip basierende Projekt TOOP 1 und die Bereitstellung von Bürgerkonten sind zwei herausra-
gende Maßnahmen aus diesen Bereichen.

Das Once-Only-Prinzip 1                                             Die politische Realität in Europa steht ak-   form sollen nationale und grenzüber-
Um den Bürokratieabbau durch grenz-                                 tuell jedoch einer zeitnahen und reibungs-    schreitende Onlinedienste in mindestens
überschreitende Verwaltungsvernetzung                               losen Umsetzung von OOP entgegen: Es          zwei Sprachen angeboten werden, die
zu ermöglichen, hat die EU-Kommission                               herrschen unterschiedliche Interpretatio-     Unternehmen und Bürger direkt von die-
das Once-Only-Prinzip (OOP) als Grund-                              nen des Prinzips und es gibt verschie-        ser aus einleiten können. Am 2.5.2017
satz der einmaligen Erfassung im Rahmen                             dene Ansätze zur Umsetzung von staat­         hat die EU-Kommission einen Vorschlag
des E-Government-Aktionsplans 2016 –                                lichen Dienstleistungen. Auf technischer      für eine entsprechende Verordnung vor-
2020 2 formuliert. Dies bedeutet, Daten –                           Ebene erschweren die differierenden           gelegt.6
unter Einhaltung der jeweiligen Gesetze                             Informationssysteme einen Datenaus-
und Rahmenbedingungen – lediglich ein-                              tausch, während auf juristischer Ebene         Die Europäische Union bemüht sich paral­
malig (engl. „once only“) zu erheben und                            die verschiedenen Auffassungen von             lel, hierzu weitere rechtliche Grundlagen
dann für alle weiteren Zwecke zu (ver-)tei-                         regu­ lativen Einschränkungen (Daten-          für die Nutzung des Once-Only-Prinzips
len. Hierbei stehen verschiedene Möglich­                           schutzgesetze) dem Projekt entgegenste-        zu schaffen. Einen Ansatz bietet zum Bei-
keiten des Informationsaustauschs im                                hen. Eine EU-weite (einheitliche) Umset-       spiel die Europäische Datenschutz-Grund-
Fokus. Diese beziehen sich sowohl auf                               zung von OOP ohne rechtliche Änderun-          verordnung (DSGVO) 7. In Artikel 20 der
den Datenaustausch zwischen den jewei-                              gen auf EU-Ebene erscheint daher kaum          Verordnung wird Personen das Recht ein-
ligen Verwaltungseinrichtungen (G2G 3)                              denkbar. Bis entsprechende EU-Regelun-         geräumt, ihre personenbezogenen Da-
als auch auf die Kommunikation der Ver-                             gen, die zurzeit noch in Vorbereitung sind,    ten 8 (zum Beispiel Name, Kennnummer
waltung mit Unternehmen (G2B 4) und                                 geschaffen werden, kann das OOP recht-        etc.), die sie einem Verantwortlichen 9
Bürgern (G2C 5). Das Prinzip fußt auf dem                           lich wohl vorerst nur auf den nationalen      (zum Beispiel Behörde, Einrichtung etc.)
politischen Ziel, die wirtschaftliche Schlag-                       Ebenen umgesetzt werden.                      bereitgestellt haben, in einem strukturier-
kraft der Europäischen Union durch Initia-                                                                        ten, gängigen, maschinenlesbaren und
tiven wie den Aufbau des „Digital Single                            Die Umsetzung des Once-Only-Prinzips          interoperablen Format zu erhalten und
Market“ zu stärken. Dem OOP liegt die                               geht einher mit dem geplanten Aufbau          ­einem anderen Verantwortlichen zu über-
Annahme zugrunde, dass die Sammlung                                 des „Single Digital Gateway“ – auch zen-       mitteln. Der ursprüngliche Inhaber der
von Informationen kostenintensiver ist                              trales digitales Zugangstor genannt. Hier-     Daten kann die Verantwortlichen dazu
als das Teilen und Übertragen von bereits                           mit sollen künftig Unternehmen und Bür-        auffordern, interoperable Formate zu ent-
gesammelten Informationen.                                          ger über einen zentralen digitalen Zugang      wickeln, die die Datenübertragbarkeit
                                                                    EU-weit auf Verwaltungsverfahren, Infor-
                                                                    mationen und Servicedienstleistungen
                                                                    zugreifen können. Dazu beabsichtigt die       6   Vorschlag für eine Verordnung über die Einrichtung eines zentralen
                                                                                                                      ­digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und
1    The Once-Only-Principle Project (TOOP): www.toop.eu
2    E-Government-Aktionsplan 2016–2020, Grundsatz der einmaligen
                                                                    EU-Kommission gemeinsam mit den Mit-               ­Problemlösungsdiensten vom 2.5.2017, COM(2017) 256 final
                                                                                                                  7   Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der
     ­Erfassung (COM/2016/0179 final), Grundsatz Nr. 2 (S. 4)
                                                                    gliedstaaten, einen Onlinezugang zu den           Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr
3    Government to Government (G2G)-Kommunikation                                                                     (Datenschutz-Grundverordnung)
4    Government to Business (G2B)-Kommunikation
                                                                    wichtigsten und am häufigsten genutz-         8   Artikel 4, Nr. 1, Datenschutz-Grundverordnung
5    Government to Citizen (G2C)-Kommunikation                      ten Verfahren einzurichten. Über die Platt-   9   Artikel 4, Nr. 7, Datenschutz-Grundverordnung

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                                                                                                                                   © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
im fokus 13

­ rmöglichen. Des Weiteren hat sich die
e                                                                                 nikation zwischen Behörden und Unter-                         1.	
                                                                                                                                                   Die Entwicklung einer föderalen IT-
Europäische Kommission im Rahmen des                                              nehmen bzw. der Behörden untereinan-                             Architektur zur Vernetzung von 60 In-
E-Government-Aktionsplans verpflichtet,                                           der. Die Kommunikation zwischen Behör-                           formationssystemen in den teilneh-
das Once-Only-Prinzip auf europäischer                                            den und Privatpersonen wird im Rahmen                            menden Staaten steht im Zentrum der
Ebene und insbesondere in der ganzen                                              des TOOP-Projekts nicht berücksichtigt.                          Anstrengungen.
Union weiter voranzutreiben.10                                                    Des Weiteren sollen Treiber und Hinder-
                                                                                  nisse identifiziert werden, um festzustel-                    2.	Die Nutzung und Erprobung der IT-­
Aus dem Prinzip OOP folgt das                                                     len, welche künftig für die breite Imple-                        Architektur im Rahmen von Pilotpro-
Projekt TOOP                                                                      mentierung sowie bei der Reglementie-                            jekten in drei Themengebieten für die
Aufgrund der besonderen Bedeutung des                                             rung zu berücksichtigen sind.                                    Dauer von mindestens zwölf Monaten
Once-Only-Prinzips für die Wirtschaft und                                                                                                          unter realen Bedingungen:
Gesellschaft haben die EU-Kommission                                              Das Projektkonsortium im Rahmen von                              a.	Länderübergreifende E-Dienstleis-
und die EU-Mitgliedstaaten am 1.1.2017                                            TOOP umfasst 51 Organisationen – aus                                 tungen, insbesondere Ausschrei-
das Projekt TOOP („The Once-Only Prin-                                            19 EU-Staaten sowie zwei europäischen                                bungen;
ciple“) gestartet, das auf einen Zeitraum                                         Ländern außerhalb dieses Verbunds –                              b.	Aktualisierung von länderübergrei-
von 30 Monaten angelegt ist. Aufgabe                                              und plant, 60 Informationssysteme über                               fenden Daten in Firmenbüchern11;
des TOOP-Projekts ist es, die Umsetzung                                           Grenzen hinweg zu vernetzen. Deutsch-                                und
der oben dargestellten Ziele voranzutrei-                                         land beteiligt sich mit einem sogenann-                          c.	Online-Schiffs- und -Crewzertifi-
ben. Dies geschieht vorrangig mittels                                             ten nationalen Konsortium, das aus dem                               kate.
mehrerer erweiterbarer und langfristig                                            Bundesverwaltungsamt, der Metropol­
betreibbarer Pilotverfahren unter Nutzung                                         region-Rhein-Neckar und der Universität                       3.	
                                                                                                                                                   Durchführung einer Evaluierung der
einer föderalen IT-Architektur. Dadurch                                           Koblenz-Landau besteht.                                          Pilotprojekte sowie Identifizierung von
wird die länderübergreifende Zusammen-                                                                                                             Treibern und Hindernissen für das
arbeit auf EU-Ebene ermöglicht. Der                                               Das Hauptziel von TOOP liegt in der Er-                          OOP, um die weitere Nutzbarmachung
Schwerpunkt liegt hierbei auf der Kommu­                                          probung und Untersuchung der Umsetz-                             zu ermöglichen.
                                                                                  barkeit des Once-Only-Prinzips. Hierfür
10     E-Government-Aktionsplan 2016–2020, Beschleunigung der Digitali-           gilt es eine Reihe von Subzielen zu errei-
       sierung der öffentlichen Verwaltung (COM/2016/0179 final), Maß-                                                                          11    Zum Beispiel: Handelsregister, Genossenschaftsregister, Partner-
       nahme 6                                                                    chen:                                                               schaftsregister oder Unternehmensregister

Abbildung 1: Aktivitäten im Projekt „The Once-Only Principle“ (TOOP-Projekt)

                                                                                                                                                                   Architektur und
                                                                                                                                                                   Building Block­-
                                                                                                                                                                    Entwicklung

                                                                                                           Benutzer­
                                                                                                          anforderung
                                                                                                               1
                            Folgen-
                        ­a bschätzung

                                                                                                                                      Design der                                    Nutzung der
                                                                             Evaluierung,                                                                                          Anreize, Über­
                                                                                                                                   zu pilotierenden
                                                                            Nachhaltigkeit                                                                                          windung der
                                                                                                                                    Anwendungs-
                                                                            und Übergabe                                                                                            Hindernisse
                                                                                                                                          fälle
                                                                                  5
                                                                                                        Dissemination                       2
                                                                                                         Verbreitung
                                                                                                       and Exploitation
                                                                                                         und Nutzung

                                                                                                                                                                                    Rechtliche
                                                                                                                           Technisches                                              Grundlagen
                                                                                                                            Design und
                                                                                             Betrieb
                                                                                                                          Umsetzung der
                                                                                               4
                                                                                                                             Piloten
                                                                                                                                3

                                                                                                                                                               Entwicklung
                                                                                                                                                                    der
                                                                                                                                                               Evaluierungs­
                                                                                                                                                                 methode

Quelle: TOOP-Projekt, 2017

                                                                                                                                                           Public Governance Herbst / Winter 2017
© 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
14 im fokus

Bürgerkonten als Bestandteil des                                               Bundes und der Länder, die Anleitungen                                         Deutschland hatte der Bund mit dem
Once-Only-Prinzips                                                             zur Integration von elektronisch basierten                                     Gesetz zur Förderung der elektronischen
Für die Umsetzung des Once-Only-                                               Systemen für Behörden vorgeben13. Die                                          Verwaltung im Sommer 2013 die Voraus-
Prinzips können Bürgerkonten, auch                                             Umsetzung der Strategie, bei der auch die                                      setzungen für den weiteren Ausbau zeit-
E-Service­konten genannt, als „Daten-                                          Nutzung der eID-Funktion zur Einrichtung                                       und ortsunabhängiger Verwaltungs-
sammler“ (Aggregatoren 12) eine wichtige                                       möglich ist, hat 2015 begonnen. Zwi-                                           dienste in Form von E-Government-­
Komponente sein. Sie dienen dazu, in der                                       schenzeitlich bieten verschiedene öffent-                                      Lösungen geschaffen.15 Diesem Gesetz
Interaktion zwischen Bürgern und öffent-                                       liche und private Dienstleister entspre-                                       folgten die jeweiligen E-Government-
licher Verwaltung die Authentisierung zu                                       chende E-Servicekonten an.14                                                   Gesetze der Länder zur weiteren Spezifi-
übernehmen und zu vereinfachen. Zur                                                                                                                           zierung. Ein zentraler europäischer Bau-
Einrichtung eines Bürgerkontos ist ein-                                        Ein E-Mail-Konto oder ein anders gearte-                                       stein ist die sogenannte eIDAS-Verord-
malig der Personalausweis mit eID-Funk-                                        ter Kommunikationskanal (zum Beispiel                                          nung 16, die die bisher geltende Signatur-
tion zu erfassen, danach ist es ausrei-                                        De-Mail) innerhalb der Bürgerkonten                                            richtlinie aufgehoben hat. Die Verordnung
chend, wenn nur noch das Pseudonym                                             ermöglicht einen sicheren Austausch                                            schafft europaweit die rechtliche Basis
ausgelesen wird. Somit müssen dann nur                                         zwischen Bürgern und Verwaltung. Diese                                         für elektronische Identifizierungsmittel
noch die eingegebenen Daten ausgele-                                           Möglichkeiten entstehen aber wie Bürger-                                       und Vertrauensdienste sowie für elektro-
sen und nicht alle persönlichen Daten                                          konten-Anwendungen in Deutschland bis-                                         nische Signaturen, Siegel und Zeitstem-
erneut eingegeben werden. Für Unter-                                           her von unten nach oben. Dies bedeutet,                                        pel. Auch elektronische Dokumente,
nehmen funktioniert der Prozess auf dem                                        dass es eine dezentrale Entwicklungs-                                          Dienste für die Zustellung elektronischer
gleichen Weg mithilfe der eID einer oder                                       strategie gibt, in der die Kommunen und                                        Einschreiben und Zertifizierungsdienste
mehrerer Personen in der Unternehmens-                                         Länder ihre eigenen Konzepte und Pro-                                          für die Website-Authentifizierung fallen
verwaltung.                                                                    gramme (zum Beispiel für die Aktualisie-                                       darunter. Zusammen bilden diese Vor-
                                                                               rung von Behördendaten bei Umzug oder                                          schriften den Rechtsrahmen für interope-
In Deutschland ist der „Neue Personal-                                         Sitzverlegung) einführen. Eine bundes-                                         rable Bürger- und E-Servicekonten.
ausweis“ mit eID-Funktion essenziell für                                       weite Strategie wurde mit der eID-Stra-
die Zwei-Faktor-Authentifizierung. Diese                                       tegie zwar entworfen, aber bisher noch                                         Auch außerhalb Deutschlands geht der
stellt sicher, dass die Person, die sich für                                   nicht wirkungsvoll umgesetzt. Die Vernet-                                      Aufbau der entsprechenden technischen
das Bürgerkonto einloggt, auch diejenige                                       zung dieser dezentral erschaffenen Kon-                                        und organisatorischen Infrastruktur wei-
ist, auf die das Konto ausgestellt ist. Zur                                    ten ist aktuell noch eine größere Heraus-                                      ter voran. Nachfolgend finden sich einige
Aktivierung des Bürgerkontos ist jedoch                                        forderung, da die Systeme untereinander                                        Beispiele aus anderen EU-Mitgliedstaa-
nicht zwingend ein Personalausweis                                             oft noch nicht kompatibel sind. Eine gene-                                     ten.
erforderlich. Allerdings ist das Vertrauens-                                   relle Lösung zur Optimierung dieses Pro-
niveau einer Authentifizierung ohne Per-                                       zesses gibt es zurzeit noch nicht.                                             Österreich
sonalausweis deutlich niedriger. Dies                                                                                                                         Das österreichische Bürgerkonten-Modell
begründet, weshalb für Konten, auf die                                         Sowohl auf nationaler als auch europäi-                                        ist die Bürgerkarte bzw. die Handy-Signa-
auf diese Weise zugegriffen wird, weni-                                        scher Ebene werden zurzeit die beglei-                                         tur als mobile Variante der Bürgerkarte.
ger Services zur Verfügung stehen. Bür-                                        tenden Rechtsgrundlagen entwickelt: In                                         Beide Varianten sind an eine Form der
ger- bzw. E-Servicekonten sind Teil der                                                                                                                       Bürgerkarte, die e-card, also die österrei-
eID-Strategie des IT-Planungsrats des                                          13   eID-Strategie: Gesamtstrategie für den Einsatz elektronischer Identifi-
                                                                                    zierungs- und Signaturverfahren im E-Government, verfügbar unter:
                                                                                    www.it-planungsrat.de/DE/Projekte/Steuerungsprojekte/eIDStrate-
                                                                                    gie/eID_strategie_node.html                                               15   E-Government-Gesetz vom 25.7.2013, (BGBl. I S. 2749)
12   Ein Aggregator ist eine Software oder ein Dienstleister, der (digitale)
     Medieninhalte sammelt, aufbereitet und gegebenenfalls abschlie-           14    Beispiele auf Basis einer Umfrage zur Marktübersicht, verfügbar          16   Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und
     ßend kategorisiert, Quelle: Wikipedia, Duden                                   ­unter: www.oeffentliche-it.de/buergerkonto                                    Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt

Public Governance Herbst / Winter 2017
                                                                                                                                                                               © 2017 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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