Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur

Die Seite wird erstellt Laurin Opitz
 
WEITER LESEN
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Rundbrief 2022
NABU Holzminden

Gemeinsam
  Für Mensch und Natur
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
impressum

© 2022, NABU Holzminden

NABU (Naturschutzbund Deutschland)
Kreisgruppe Holzminden e.V.
Oberbachstraße 47, 37603 Holzminden
Telefon: (05531) 700 432
E-Mail: info@NABU-Holzminden.de
Internet: www.NABU-Holzminden.de

Spendenkonto:
Braunschweigische Landessparkasse
BIC: NOLA DE 2HXXX
IBAN: DE13 2505 0000 0027 6400 10

Spenden sind steuerlich absetzbar.

Gestaltung
Stefanie Beyer, Bodenwerder

Aus sprachlichen Gründen wird auf die Differenzierung von
weiblicher und männlicher Schreibweise weitgehend ver-
zichtet.

Druck
Auflage: 1.600
Gemeindebriefdruckerei, Groß Oesingen

Bezug
Den Rundbrief erhalten Sie im NABU-Umweltladen,
Oberbachstraße 47, 37603 Holzminden.

Titelfoto
Singendes Rotkehlchen (H. Niehaus)
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Liebe Leserinnen und Leser,
Vogel, Orchidee oder Libelle – es lohnt sich immer, die Tier- und
Pf lanzenarten, die von verschiedenen Institutionen zur „Natur des Jah-
res“ gewählt wurden, näher zu betrachten. In diesem Rundbrief stellen
wir Ihnen viele davon mit regionalem Bezug vor. Keine Art steht für
sich allein, sondern immer stellvertretend für eine ganze Lebensgemein-
schaft. Auch die Ansprüche, die eine Art an ihren Lebensraum stellt,
sind komplex.

Für den Schmetterling des Jahres 2022, den Kaisermantel (S. 16), reicht
ein Blütenangebot im Sommer nicht aus – wenn die Raupenfutter-
pf lanzen aussterben, verschwindet auch der Falter. Und das gilt für
viele andere Insekten auch, denen mit Blühstreifen in der Landschaft
und bunten Blumenbeeten in Gärten und Parks allein nicht geholfen
wird. Lebensräume müssen durch ein Netz aus schonend gepf legten
Wegrainen, Gewässerrandstreifen und Hecken miteinander verbunden
werden. Im Siedlungsbereich lässt sich selbst auf kleinen Flächen durch
die Pf lanzung heimischer Gehölze statt Thuja und Kirschlorbeer und
etwas mehr „Wildwuchs“ statt Schotter viel für die Natur erreichen.

Vernetzung von Lebensräumen ist auch ein wesentlicher Aspekt des
LIFE BOVAR-Projektes: 2021 wurden Artenschutzmaßnahmen im Hom-
burgwald umgesetzt, von denen nicht nur Amphibien profitieren. Lesen
Sie dazu den Bericht auf Seite 23.

Praktischer Einsatz für die Natur kann viel Spaß machen, wie einige
Schüler und Schülerinnen letztes Jahr in der Weseraue und im Hellental
erfahren konnten (S. 33). Das wissen die Mitglieder unserer NAJU-Grup-
pe natürlich längst und würden das auch gerne an noch mehr große
und kleine Naturinteressierte weitergeben. Ab Seite 36 erzählt die NAJU
von ihren vielfältigen Aktivitäten im NEST und auf der Streuobstwiese.

Im vergangenen Jahr sind leider wegen der Corona-Pandemie einige
unserer Veranstaltungen ausgefallen. Doch in diesem Jahr möchten wir
unsere Mitgliederversammlung wenn möglich wieder im gewohnten
Rahmen abhalten – der 2020 ausgefallene Vortrag über den Feuer-
salamander wird nachgeholt (S. 25 und S. 50). Bitte informieren Sie sich
über aktuelle Termine vorher auf unserer Internetseite.

Viel Spaß beim Lesen!

Tanja Frischgesell
                                                                           1
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Inhalt

    Vogel des Jahres 2022 – Der Wiedehopf ....................................................3
    Orchidee des Jahres 2022 – Die Braunrote Stendelwurz..........................5
    Blume des Jahres 2022 – Die Einbeere ......................................................7
    Baum des Jahres 2022 – Die Rotbuche ....................................................10
    Schmetterling des Jahres 2022 – Der Kaisermantel ...............................16
    Weitere Natur des Jahres 2022.................................................................20
    EU-Projekt LIFE BOVAR des NABU Niedersachsen –
    weitere lebensraumverbessernde Maßnahmen bei Stadtoldendorf ......23
    Vortragsankündigung: Der Feuersalamander in Gefahr ........................25
    Der Satanspilz im Landkreis Holzminden ...............................................26
    Mauersegler-Kolonie in Stadtoldendorf erneut ausgebaut .....................28
    Schwalben willkommen im Landkreis Holzminden ..............................31
    NABU und Schule – gemeinsam gegen invasive Arten ..........................33
    Wir sind die NAJU, wir treffen uns im NEST… ......................................36
    Neues aus dem NABU-Umweltladen ........................................................40
    Ehrungen ...................................................................................................43
    Kurz notiert ...............................................................................................45
    Einladung zur Mitgliederversammlung ..................................................50
    Kassenbericht für das Jahr 2021 ..............................................................51
    Ansprechpersonen bei speziellen Fragen ................................................52
    NABU Holzminden – Vorstand und Beirat ..............................................55
    Beitrittsformular .......................................................................................56

2
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Vogel des Jahres 2022 – Der Wiedehopf

Der Wiedehopf kommt als wärme-        Garten am westlichen Ortsrand
liebende Art nur in wenigen           von Neuhaus aufhielt (siehe Foto).
Regionen Deutschlands vor und
gilt mit geschätzten 800-950          Aus dem benachbarten Kreis
Brutpaaren als gefährdet. In          Höxter wurden in den letzten
Niedersachsen wurde er noch in        10 Jahren insgesamt acht
der Roten Liste von 2005 als aus-     Wiedehopf-Beobachtungen bei
gestorben geführt, dank gezielter     www.ornitho.de gemeldet, z.B.
Schutzmaßnahmen gibt es landes-       aus Fürstenau, Höxter, Nieheim,
weit wieder etwa 35 Brutpaare –       Warburg und Willebadessen. Da-
schwerpunktmäßig in trockenen,        runter war die früheste Sichtung
sandigen Gebieten wie der Lüne-       auf dem Zug in die Brutgebiete am
burger Heide und dem Wendland.        29. März 2020 in Steinheim, die
Aber auch in Ostfriesland gab es      späteste vom 29. August 2020 aus
in den vergangenen Jahren Wiede-      Borgentreich.
hopf-Beobachtungen während der
Brutzeit, woraufhin der NABU          Der Wiedehopf lebt von größe-
Wiesmoor-Großefehn ein Arten-         ren Insekten und ihren Larven
schutzprojekt startete.               und sucht seine Nahrung vor
                                      allem am Boden. Dabei ist er auf
Im Landkreis Holzminden lassen        niedrige Vegetation und offene
sich Wiedehopfe nur zur Zugzeit       Bodenstellen angewiesen und
beobachten und auch das nur
sehr selten. Auf der Internetplatt-
form www.ornitho.de wurden
seit ihrem Bestehen nur zwei
Beobachtungen eingestellt: 2013
am Brückfeld bei Boffzen und
2014 am Westrand von Eschers-
hausen, beide von Mitte August,
also auf dem Zug der Wiedehopfe
vom Brutgebiet ins afrikanische
Winterquartier. Außerdem ist
eine Beobachtung aus Meinbrexen
aus dem Jahr 2019 bekannt sowie
ein Wiedehopf, der sich Ende Mai
2010 über mehrere Tage in einem       Foto: Wiedehopf in Neuhaus am 28.05.2010
                                      (U. Frischgesell)

                                                                                 3
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
profitiert daher besonders von   Sommern anhält, kann der Wiede-
    extensiver Beweidung von Grün-   hopf sein Verbreitungsgebiet
    land und Streuobstwiesen. Auch   möglicherweise weiter ausdehnen.
    lichte Wälder und Weinberge      Vorausgesetzt, es sind ausreichend
    zählen zu seinen Lebensräumen.   Großinsekten als Nahrungsgrund-
    Wenn der durch den Klimawandel   lage und alte Bäume mit Brut-
    verursachte Trend zu höheren     höhlen vorhanden.
    Temperaturen und trockeneren
                                     Autorin: Tanja Frischgesell

4
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Orchidee des Jahres 2022 – Die Braunrote Stendel­
wurz (Epipactis atrorubens (Hoffmann ex Besser))
Die Braunrote Stendelwurz wurde      Sepalen und den zwei inneren
von den Vorständen der Arbeits-      Petalen. Die spiegelsymmetrischen
kreise Heimischer Orchideen          Blüten können durch einen gene-
(AHO) zur „Orchidee des Jahres       tisch bedingten Ausfall der roten
2022“ gewählt. Der lateinische       Anthocyane und der Überlagerung
Artname „atrorubens“ bezieht sich    durch das grüne Chlorophyll teils
auf die Farbe (Anthocyan) der        grünlich, gelblich bis hellrot er-
Blütenblätter und bedeutet über-     scheinen. Epipactis atrorubens wird
setzt „braunrot“ oder „dunkelrot“.   als Nektar-führende Orchidee von
Die älteren, kaum noch geläu-        nahrungssuchenden Insekten,
figen Namen „Vanillen-Orchis“        zum Beispiel Hummeln, meist
oder „Strandvanille“ bringen den     fremd bestäubt. Ab Anfang Juni
zarten bis intensiven, vanille-      bis Ende Juli kann diese wärme-
artigen Duft der Pf lanze zum Aus-   liebende Orchidee blühend an
druck.

Epipactis atrorubens gehört zur
Gattung der Stendelwurzarten,
welche sich durch eine ähnliche
Blütenform auszeichnen. Die 20
bis 70 cm hohe Pf lanze mit be-
haartem, rötlich überlaufenem
Stängel und länglich, eiförmi-
gen Blättern weist einen bis zu
23 cm langen Blütenstand aus
zahlreichen rot-braunen, weit
geöffneten Blüten mit hellem
Inneren auf. Die bis zu acht
Millimeter lange Blütenlippe
(Labellum) teilt sich in eine mit
warzigen Höckern (Kalli) be-
setzte herzförmige Vorderlippe
(Epichil) und eine napfförmige,
Nektar-führende Hinterlippe
(Hypochil). Umrahmt wird diese
eigentümliche Blütenlippe durch
fünf weitere, einfach gestaltete
Blütenblätter, den drei äußeren      Foto: Braunrote Stendelwurz (Dr. K. Hofmann)

                                                                                    5
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
In Niedersachsen ist diese Orchi-
                                                        dee jedoch als gefährdet (Rote
                                                        Liste 3) eingestuft, da sie hier
                                                        meist auf die Kalkgebiete des
                                                        Hügel- und Berglandes beschränkt
                                                        ist und in der norddeutschen Tief-
                                                        ebene nur sehr selten anzutreffen
                                                        ist. Daher ist es wichtig, sich für
                                                        den Erhalt ihrer Lebensräume
                                                        einzusetzen. Im Landkreis Holz-
                                                        minden gibt es teils noch statt-
                                                        liche Vorkommen mit mehreren
                                                        Hundert Pf lanzen in stillgelegten,
             Foto: Blüten der Braunroten Stendelwurz
                                     (Dr. K. Hofmann)
                                                        kalkhaltigen Steinbrüchen und an
                                                        Wegrändern. Langfristig sollten
                                                        die Fundorte jedoch aufmerksam
       sonnigen Standorten, wie Halb-                   beobachtet werden, da Eutrophie-
       trockenrasen, Gebüschen und lich-                rung und die natürliche Sukzes-
       ten Wäldern meist auf Kalkböden                  sion eine Gefahr für die Bestände
       angetroffen werden, besiedelt als                darstellen können.
       Pionierart aber auch Sekundär-
       standorte wie Steinbrüche, Sand-                 Sollten Sie Interesse an der
       gruben sowie Weg- und Straßen-                   Mithilfe beim Pf legen der
       ränder. Damit gehört Epipactis                   Orchideen-Flächen im Landkreis
       atrorubens bundesweit eher zu den                Holzminden oder an weiteren In-
       weniger gefährdeten Orchideen.                   formationen haben, wenden
                                                        Sie sich bitte an
                                                        Walter Sorge
                                                        (sorge.walter@gmail.com),
                                                        Dr. Kai Hofmann
                                                        (Kai_Hofmann@kabelmail.de)
                                                        oder direkt an den Arbeitskreis
                                                        Heimische Orchideen (AHO) e.V.:
                                                        www.aho-niedersachsen.de

                                                        Autor: Dr. Kai Hofmann

    Foto: Hummel beim Blütenbesuch (Dr. K. Hofmann)

6
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
Blume des Jahres 2022 – Die Einbeere

Die Einbeere wurde von der Loki-
Schmidt-Stiftung zur Blume des
Jahres 2022 gewählt. „Als Loki
Schmidt Stiftung haben wir die Ein­
beere zur Blume des Jahres 2022 ge­
wählt, um zum dringenden Schutz der
alten, naturnahen und wilden Wälder
aufzurufen, die der Einbeere und an­
deren Pflanzen und Tieren langfristig
einen Lebensraum geben und die für die
Ausbreitung notwendige Zeit“, begrün­
det Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki
                                          Foto: Einbeerenblüte (S. Beyer)
Schmidt Stiftung, die Wahl.“ Quelle:
https://loki-schmidt-stiftung.de/
                                          mathematisch strengen Symmet-
blume-des-jahres/2022
                                          rie: Oberhalb eines Quirls von vier
                                          überkreuz angeordneten Blättern
Auf der genannten Internetseite
                                          sitzt auf einem kurzen Stiel eine
findet sich auch ein Link, unter
                                          einzelne karge Blüte, gebildet aus
dem eine sehr gehaltvolle, schöne
                                          vier schmalen äußeren unterhalb
Broschüre über diese exotisch
                                          von vier fast fadenförmigen inne-
anmutende Art geladen werden
                                          ren grünlichen Blütenblättern und
kann. (Auf einen Irrtum der
                                          acht grellgelben Staubblättern.
Broschüre sei hier hingewiesen:
                                          Ähnlich wie sich in Paris 12 Stra-
Die Einbeere kommt in Nieder-
                                          ßen in vollendeter Harmonie im
sachsen nicht „nur punktuell“
                                          Triumphbogen treffen, so weisen
vor, sondern in sicherlich über
                                          alle 20 Strukturen der Blätter und
50% der Kartenblätter im Ver-
                                          der Blüte der Einbeere nach innen
breitungsatlas).
                                          auf einen kugelförmigen, dunkel
                                          weinroten Fruchtknoten, der als
Karge Schönheit: Symmetrie pur
                                          Krone eine vierzipf lige Narbe
Die besondere Ästhetik der Ein-           trägt: Ins Zentrum von „Paris
beere erschließt sich erst beim           quadrifolia“ wird der Blick geführt.
genauen Hinsehen: Sie verdankt            Und dort „kulminiert“ auch das
ihre Schönheit nicht etwa bunten          Geschehen: Hier treffen sich die
Blütenblättern oder großer Far-           Fliegen, die diese Blüte bestäuben
benpracht sondern der Reduktion           sollen. Später entwickelt sich aus
auf das Wesentliche und einer             dem Fruchtknoten eine einsame

                                                                                 7
Rundbrief 2022 NABU Holzminden - Für Mensch und Natur
profitiert jedenfalls offenbar da-
                                                   von, dass in ihren Wurzelrinden-
                                                   Zellen Pilze leben („Arbusculäre
                                                   Mykorrhiza“)!

                                                   Die Botschaft der Einbeere – ein
                                                   fundamentaler Schlüssel zum
                                                   Überleben unserer Artenvielfalt
                                                   Einbeeren wachsen in mehr oder
                                                   weniger feuchten Wäldern, jedoch
                                                   nicht in allen geeignet erscheinen-
            Foto: Fruchtende Einbeere (S. Beyer)   den feuchten Wäldern wachsen
                                                   Einbeeren. Warum nicht? So
    „Einbeere“, schwarz gefärbt und                wie einige andere Pf lanzen-
    meist bläulich bereift wie Heidel-             arten finden wir sie fast nur in
    beeren oder Zwetschen.                         „historisch alten Wäldern“. Was
                                                   ist das? „Historisch alte Wälder“ sind
    Nicht essen!                                   Wälder auf Waldstandorten, die nach
    So lecker diese Frucht auch aus-               Hinweisen aus historischen Karten,
    sieht: Die Einbeere enthält, wie               Bestandesbeschreibungen oder auf­
    ihr einziger näherer Verwandter                grund sonstiger Indizien mindestens
    in Deutschland, die Alpenpf lanze              seit mehreren hundert Jahren kontinu­
    Weißer Germer, Giftstoffe. Also                ierlich existieren“ (Definition aus:
    nicht verwechseln mit der Heidel-              NNA-Berichte, 7. Jahrgang /1994,
    beere, die allerdings völlig andere            Heft 3: Bedeutung historisch alter
    Standorte bevorzugt.                           Wälder für den Naturschutz). Was
                                                   zeichnet diese Wälder aus? Fangen
    Ein Parasit?                                   wir mal von hinten an, aus der
                                                   Perspektive der Bewohner!
    In einer Veröffentlichung von
    2020 beschreiben Giesemann
                                                   1. Ich muss irgendwann einmal dort
    und andere (genaue Angaben
                                                   hingekommen sein. Also müssen
    in der Broschüre), dass ein gro-
                                                   meine Ansprüche zu jener Zeit
    ßer Teil der Kohlenhydrate der
                                                   dort erfüllt gewesen sein.
    Einbeere von Mykorrhiza-Pilzen
    stammt. Das Zusammenleben
                                                   2. Meine Ansprüche müssen seit­
    von Pf lanzenwurzeln und Pilzen
                                                   dem kontinuierlich dort erfüllt
    ist eine uralte Errungenschaft,
                                                   sein. Die Umwelt muss seit Jahr-
    die mal mehr als Symbiose, mal
                                                   hunderten so sein, dass ich dort
    mehr als Parasitismus betrachtet
                                                   überleben und mich fortpf lanzen
    werden kann. Egal, die Einbeere
                                                   kann und konnte.

8
Wenn ich auch in jungen Wäldern       Schlussfolgerungen für alte Wälder:
ausreichend zu finden bin, habe
ich keine Probleme, und der Bio-      y schützen und erhalten
diversitätsschutz kann mich           y bestehende Wälder wildnisartig
in Ruhe lassen. Wenn ich aber           sich selbst überlassen
ein „typischer“ und fast aus-         y Vernetzungen erhalten und
schließlicher Bewohner alter            schaffen
Wälder, eine „Zeigerart“ bin, fehle
ich in jungen Wäldern, denn sonst     Der letzte Punkt ist für alle ge­
wäre ich ja keine Zeigerart der       fährdeten Arten, egal an welchen
alten.                                Lebensraum sie gebunden sind,
                                      überlebenswichtig.
Offenbar habe ich also Mühe, neu
entstehende geeignete Lebens-         Auch viele Naturschützer haben
räume zu besiedeln. Warum?            dies noch immer nicht richtig ver-
                                      standen.
Weil ich zu denen gehöre, die
nicht besonders mobil sind. Weite     Autor: Karsten Dörfer
Strecken können meine Früchte,
Samen oder Jungen nicht zurück-
legen.

Was macht mir außerdem Pro-
bleme? In unserer Zeit wechseln
die Verhältnisse so schnell,
greift die gestalterische Dynamik
menschlicher Nutzungen so tief in
meine Lebensräume ein, dass ich
an vielen Stellen nicht weiterleben
kann. Aber: Wo ich erst weg bin,
komme ich so schnell nicht wie-
der. Und das war es dann.

                                      Foto: Knospende Einbeere (S. Beyer)

                                                                            9
Baum des Jahres 2022 – Die Rotbuche

      Der Titel „Baum des Jahres“                    Wer weiter gehendes Interesse
      wird regelmäßig von der                        hat, findet einen sehr ausführli-
      „Baum des Jahres Dr. Silvius                   chen Artikel über die Rotbuche
      Wodarz-Stiftung“ verliehen. In                 bei Wikipedia:
      diesem Jahr erhielt die Rotbuche               https://de.wikipedia.org/wiki/
      (Fagus sylvatica) nach 1990 zum                Rotbuche
      zweiten Mal dieses Prädikat. Auf               Dort werden auch zahlreiche im
      der Webseite der Stiftung sind für             Internet zugängliche Quellen zum
      beide Jahre Beschreibungen der                 „vertieften Studium“ des Themas
      Buche zu finden                                genannt.
      (2022: https://baum-des-jahres.de/
      baum-des-jahres/,                              Rotbuche in Zahlen und Stich­
      1990: https://baum-des-jahres.                 worten
      ternum-dev.de/wp-content/
                                                     Die Buche erreicht in Extrem-
      uploads/2020/10/1990_Buche.pdf).
                                                     fällen ein Lebensalter von 400 bis
                                                     500 Jahren, eine Höhe von knapp
      Besonders der jüngere Text bietet
                                                     50 m und einen Durchmesser bis
      viele interessante Informationen,
                                                     ca. 150 cm. Wenn möglich, wach-
      die hier kurz zusammengefasst
                                                     sen ihre Wurzeln in die Tiefe.
      und um Interessantes, Anekdo-
                                                     Wenn der Standort dies nicht zu-
      tisches und Regionales ergänzt
                                                     lässt, steigt die Windwurfgefahr.
      werden sollen.
                                                     Die Belaubung im Buchenwald
                                                     ist dicht, die Deckung an die
                                                     100%. Der Wasserverbrauch eines
                                                     Buchenbestandes ist erheblich
                                                     geringer als der eines Douglasien-
                                                     bestandes. Buchenwälder sind
                                                     CO2-Speicher. In welchem Um-
                                                     fang unter welchen Bedingungen
                                                     wird aufgrund unterschiedlicher
                                                     Untersuchungsergebnisse kontro-
                                                     vers diskutiert, insbesondere die
                                                     Frage, ob genutzte Wälder mehr
                                                     CO2 speichern als ungenutzte. Zu-
                                                     mindest wenn das genutzte Holz
                                                     als Brennstoff verwendet wird
     Foto: Wunderschöne Rotbuche im Hasselbachtal    (Kaminholz, Pellets, Holzkohle),
                                  (Dr. K. Hofmann)
                                                     ist dies offenbar nicht der Fall.

10
Verbreitung und Dominanz – der
europäischste aller Bäume
Gründe für die Wahl der Rotbuche
(„rot“ wegen des leicht rötlichen
Holzes) scheinen auf der Hand zu
liegen: Die Buche – nicht verwech-
seln mit der nicht näher verwand-
ten Hainbuche (= Weißbuche) mit
hellerem Holz! – wäre von Natur
aus die bei weitem dominante und
häufigste Waldbaumart Deutsch-
lands und Mittel- bis Westeuropas.   Foto: Im Mai ist das Buchenlaub noch hellgrün. Später wird
                                     es deutlich dunkler und lässt nur noch wenig Licht auf den
Und: Laut Stiftung sind jüngere      Waldboden durchdringen (S. Beyer)
Buchen anscheinend in der Lage,
sich auch dort den veränderten       Osten (Polen, Ukraine…) und
Bedingungen anzupassen, wo           Süden (Mittelmeergebiet) werden
ältere Exemplare deutliche Schä-     weniger durch konkurrierende
den aufweisen.                       Baumarten als durch diese Fakto-
                                     ren bestimmt.
Die Buche ist sehr schatten-
tolerant: Jungpf lanzen wachsen      In den Höhenlagen der Abruzzen
im Schatten der dicht belaubten      wanderte ich an der Waldgrenze
Altbäume oft nur minimal, lauern     durch Buchenwälder, die hier an
dort aber quasi auf Lücken in den    der Grenze ihrer Möglichkeiten
Kronen und schließen diese sehr      sehr exotisch und ungewohnt
schnell durch starkes Höhen-         wirkten. Mit kleinen, manchmal
wachstum, sobald sie mehr Licht      weit unten verzweigten Stämmen,
erhalten. Nur wenige andere          die von vielen Krustenf lechten
Baumarten können in dichten,         bunt verziert waren, könnten sie
schattigen Buchen-Hochwäldern        Tolkiens Geschichten entsprungen
überleben, z.B. Eiben und Stech-     sein. Besonders, wenn Nebel-
palmen. Auf fast allen Standorten    schwaden Wald und Berge durch-
kann die Buche wachsen und ist       ziehen, scheint es hier jederzeit
dort anderen Baumarten über-         möglich, dass eine Schar Elben
legen. Empfindlich reagiert sie      mit fremdartigen Liedern die
auf nasse und sehr saure Böden,      Wipfel durchwandert.
auf Trockenheit und auf starken
Frost, besonders auf Spätfrost.      Eine besondere, regionale und
Auch die Verbreitungsgrenzen         seltene Form ist die krumm-
nach Norden (Südskandinavien),       wüchsige „Süntelbuche“.

                                                                                            11
Einwanderung nach der Eiszeit –       zwar harten, aber dünnen, glatten
     the winner takes it all               Borke auch auf direkte Sonnen-
                                           bestrahlung des Stamms, z. B.
     Rotbuchenwälder sind in Mittel-
                                           wenn Buchen plötzlich freigestellt
     europa ein sehr junges Phänomen.
                                           werden („Sonnenbrand“). Junge
     Die Buche begann erst vor ca.
                                           Buchen scheinen aber in der
     6.000 Jahren, ihr heutiges Areal
                                           Lage zu sein, sich an veränderte
     zu erobern, was ihr innerhalb von
                                           Bedingungen erheblich besser
     nur 2.000 Jahren gelang – also
                                           anzupassen als alte. Die waldbau-
     sehr schnell, wenn man die riesige
                                           lichen Prognosen sind auch bei
     Fläche bedenkt. Die schnelle
                                           fortschreitender Klimaerwärmung
     und massive Eroberung unserer
                                           bei uns recht günstig, wie Unter-
     Wälder durch die Rotbuche er-
                                           suchungen für Bayern zeigen.
     innert an die Erfolgsgeschichten
     invasiver Neophyten. Selbst-
                                           Die Steinbuche – eine Antwort auf
     verständlich ist sie kein Neophyt.
                                           manche Probleme?
     Trotzdem spricht vieles dafür, dass
     Menschen ungewollt, vor allem         Die „Steinbuche“ ist eine Form
     durch Rodung zuvor bestehender        mit dickerer, grober, rissiger
     Mischwälder und spätere Aufgabe       Rinde. Diese Erscheinung kann
     der gerodeten Flächen, bei der        entweder durch äußere Reize
     Ausbreitung der Buche geholfen        verursacht sein und beschränkt
     haben.                                sich dann meist auf Teilbereiche
                                           der Borke oder sie ist genetisch
     Es scheint paradox: Obwohl der        fixiert und betrifft dann den ge-
     Buchenwald bei uns also eigent-       samten Stammbereich („echte
     lich eine recht junge Erscheinung     Steinbuche“, F. sylvatica var.
     ist, erscheint er uns oft als Inbe-   quercoides). Als ich meine erste
     griff von „Urnatur“, was auch         „echte Steinbuche“ in einem der
     naturschutzrechtlich gewürdigt        nördlichsten Rotbuchenwälder
     wird: Viele Buchenwaldtypen sind      Europas, auf dem Tafelberg
     – aus guten Gründen – europaweit      „Omberg“ am zweitgrößten See
     geschützt.                            Schwedens, dem Vättern, mitten
                                           zwischen „normalen“ Buchen sah,
     Perspektiven – gibt es bald keine     glaubte ich anfangs, eine andere
     Buchenwälder mehr?                    Art vor mir zu haben: Die Borke
                                           war bis zur Krone gleichmäßig
     Auch die Rotbuche wird verstärkt
                                           grobrissig, eher wie bei einer
     von Krankheiten heimgesucht,
                                           Eiche („quercoides“ = eichenähn-
     was nicht nur klimatische Ur-
                                           lich). Diese Form ist schon lange
     sachen hat (z. B. Buchenkom-
                                           bekannt, sie wächst auch bei uns
     plexkrankheit). Empfindlich
                                           vereinzelt. M. Joemann befasste
     reagiert die Rotbuche mit ihrer

12
sich 2018 in seiner Bachelorarbeit
ausführlich mit dieser Variante,
und empfahl unter anderem, zu
untersuchen, ob die Steinbuche
vielleicht unempfindlicher gegen-
über bestimmten klimabedingten
Stressfaktoren sein könnte.

Nutzung – was Glas und Eisen mit
Buchen zu tun haben
Hier sollen nur stichwortartig        Foto: Pilzkonsolen an einer toten Steinbuche im Hils bei
einige Nutzungen erwähnt              Ammensen (K. Dörfer)
werden: Das Holz wurde vor
                                      Der Buchenwald als Lebens­
allem als Brenn-, weniger auch als
                                      gemeinschaft – eine noch junge
Möbel- und Bauholz verwendet.
                                      „Biozönose“
Verbreitet gab es früher „Mittel-
wälder“, in denen ein- und diesel-    In drei hessischen Buchenwald-
be Pf lanze immer wieder genutzt      gebieten (ca. 50 bis 75 ha) wurden
wurde (nachtreibende Stämme).         ca. 1.600 bis 2.300 Tierarten ge-
In unserer Region gab es zahl-        zählt, eine respektable Zahl zwar,
reiche Waldglashütten, die einen      aber die Untersucher hätten für
hohen Holzverbrauch hatten, als       Gebiete vergleichbarer Größe
Brennstoff und zur Gewinnung          5.000 bis 6.000 Arten geschätzt.
von Pottasche für die Glasher-        Die Gesamtzahl an Tierarten im
stellung. Pottasche wurde auch        Buchenwald wird auf ca. 6.700
in Haushalten zur Herstellung         geschätzt, von denen ca. 1.800
von Waschlauge verwendet. Auch        streng an diesen Waldtyp ge-
Kohlenmeiler zur Holzkohle-           bunden sein sollen. Englische
gewinnung für Hochöfen waren          und deutsche Untersuchungen
häufig. Im industriellen Maßstab      kommen zu dem Schluss, dass
wird die Holzkohleerzeugung aus       der – vergleichsweise! – geringere
Buchenholz seit über 100 Jahren       Artenreichtum des Buchenwaldes
im „ProFagus“-Werk in Bodenfelde      darauf zurückzuführen ist, dass
betrieben. Bucheckern wurden für      diese Lebensgemeinschaft bei uns
die Schweinemast genutzt, in Not-     noch recht jung ist. Auch die An-
jahren – erhitzt, um leicht giftige   zahl am und im Baum nachgewie-
Stoffe zu zerstören – auch als Nah-   sener pf lanzenfressender Insekten
rungsmittel für Menschen, zuletzt     und Milben ist relativ gering: Bei
nach dem Zweiten Weltkrieg.           Weiden (Salix) lag sie in diesen
                                      Untersuchungen deutlich über
                                      700, bei Eichen (Quercus) etwas

                                                                                                 13
niedriger (ca. 700), bei Buchen                    Blütenteppiche im Frühjahr –
            waren es nicht einmal 300! Be-                     Buchenwald und Steppe?
            sonders die Bedeutung der Weiden
                                                               Wo der Boden nicht zu sauer ist,
            für Insekten wird oft ignoriert
                                                               verwandeln sich unsere Buchen-
            oder stark unterschätzt.
                                                               wälder im Frühjahr in ein duf-
                                                               tendes und summendes Blüten-
            Ein Blick in den Keller – unsichtbare
                                                               meer: Buschwindröschen, Gelbes
            Welten
                                                               Windröschen, Lerchensporn,
            Auch wenn dies eigentlich be-                      Bärlauch und andere bilden oft
            kannt ist, muss es immer wieder                    dichte, farbenfrohe Teppiche, an
            in Erinnerung gebracht werden:                     manchen Stellen durchzogen von
            Pilze begleiten Leben und Ster-                    den grünlich blühenden Flächen
            ben der Buche. Ihre Feinwurzeln                    des Bingelkrauts. Wenige Wochen
            sind umgeben von einem dich-                       später sind all diese Pf lanzen
            ten Gef lecht von Pilzhyphen:                      fast spurlos vom Waldboden ver-
            Zahlreiche Pilzarten bilden diese                  schwunden, als habe es sie nie-
            „Mykorrhiza“ aus, bekommen                         mals gegeben. Diese „Geophyten“,
            vom Baum Kohlenhydrate und                         also „Erdpf lanzen“ nutzen die
            versorgen ihn mit Nährstoffen.                     Zeit, in der sich die Buchenblätter
            Die von dort aus den Boden durch-                  noch nicht voll entfaltet haben,
            ziehenden Hyphen vervielfachen                     um zu blühen und Sonnenenergie
            die Oberf läche, die Nährstoffe aus                zu sammeln – in unterirdischen
            dem Boden aufnimmt. Die Frucht-                    „Tanks“, die bis zum nächsten
            körper einiger Arten sammeln                       Frühjahr reichen: Knollen, Zwie-
            und essen wir. Alternde und tote                   beln, dickf leischigen Speicher-
            Bäume werden von Holzzersetzern                    trieben. Sobald das Blätterdach
            besiedelt, darunter auch seltene                   des Waldes geschlossen ist, welken
            Arten wie der Igel-Stachelbart.                    die Blätter dieser Bodenpf lanzen.
                                                               Erstaunlich scheint auf den ersten
                                                               Blick, dass viele Arten darunter
                                                               sind, die Verwandte in steppen-
                                                               artigen Gebieten haben. Diese Ver-
                                                               wandten haben dort die gleichen
                                                               Anpassungen und durchleben ei-
                                                               nen ähnlichen Zyklus. Bei uns ist
                                                               der Lichtmangel verantwortlich,
                                                               dort die Sommertrockenheit: Das
                                                               Ergebnis ist das Gleiche, obwohl
                                                               sich die Lebensräume extrem
                                                               unterscheiden.
Foto: Igel-Stachelbart im Solling bei Merxhausen (K. Dörfer)

14
Buchenland Weserbergland und
Wildnisgebiet Solling
Auch im Solling und in angren-
zenden Waldgebieten gab und
gibt es zwar große Fichtenforste,
aber gleichzeitig sind wir ein
„Herzland“ des Buchenwaldes.
Und viele Flächen, in denen nach
Stürmen oder Borkenkäferbefall
Fichten gefällt wurden, werden
mit Buchen wieder aufgeforstet.                  Foto: Buschwindröschen im Buchenwald (S. Beyer)
Die geologische Vielfalt und das
Geländerelief mit sehr unter-                    Buchen suchen!
schiedlichen Höhenlagen haben                    Eigentlich sollten hier ein paar
zur Folge, dass wir hier unter-                  besonders interessante oder
schiedlichste Buchenwaldtypen                    schöne Buchen aus dem Land-
erleben können.                                  kreis Holzminden vorgestellt
                                                 werden. Das hätte aber leider den
Im südlichen Solling ist 2021 das                Rahmen gesprengt. Vielleicht
ca. 1.020 ha große Wildnisgebiet                 nehmen Sie dies zum Anlass, bei
Solling ausgewiesen worden. Es                   Spaziergängen selbst einmal dar-
soll der natürlichen Entwicklung                 auf zu achten und vielleicht das
überlassen werden. Vorherrschend                 eine oder andere schöne Foto zu
sind hier Buchenwälder mit vielen                machen!
alten Buchen und den dazuge-
hörigen Alt- und Totholzarten.                   Autor: Karsten Dörfer

Foto: Herbstlicher Buchenwald nahe Brökeln (S. Beyer)

                                                                                                   15
Schmetterling des Jahres 2022 – Der Kaisermantel
     oder Silberstrich
     „Die BUND NRW Naturschutzstiftung        hilft. Kaisermäntel erreichen die
     und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch­   stattliche Größe von 55-65 mm
     Westfälischer Lepidopterologen e.V.      und sind hierdurch und durch
     haben den Kaisermantel (Argynnis         ihre intensive Färbung in ihrer
     paphia) zum Schmetterling des Jahres     Flugzeit im Sommer sehr auffällig.
     2022 gekürt.“
     (Zitat aus: http://www.ag-rh-w-          Lebensraum: Veilchen und blüten­
     lepidopterologen.de/2021/12/02/          reiche Waldsäume
     der-kaisermantel-ist-
                                              Die meisten bei uns vorkommen-
     schmetterling-des-jahres-2022/).
                                              den Perlmutterfalter fressen als
                                              Raupe an Veilchenarten, so auch
     Begründung „Der größte mittel­
                                              der Kaisermantel. Seine Eier legt
     europäische Perlmuttfalter ist zwar
                                              der Kaisermantel aber meist in
     noch ungefährdet, doch seine Lebens­
                                              Rindenrissen ab, Veilchen wurden
     räume werden immer kleiner.“
                                              selten beobachtet. Bäume müssen
                                              ebenfalls vorhanden sein. Damit
     Schmetterling mit Silberschmuck
                                              haben wir schon die wichtigsten
     Perlmutterfalter haben silbrige          Zutaten des Lebensraums: Der
     Flecken auf den Flügelunterseiten,       Kaisermantel ist ein typischer
     die oft einen Perlmutter-artigen
     Glanz zeigen. Der Kaisermantel
     ist bei uns der einzige Perlmutter-
     falter, bei dem diese „Perlmutter-
     f lecken“ streifenförmig ausge-
     bildet sind. Ein weiteres „Allein-
     stellungsmerkmal“, an dem auch
     die Weibchen gut von anderen,
     sehr ähnlichen Perlmutterfaltern
     zu unterscheiden sind, ist eine
     grünliche Streifung zwischen den
     „Silberstrichen“. Die Männchen
     sind eindeutig an breiten dunklen
     Streifen längs der Flügeladern der
     Oberseite zu erkennen. In diesen
     Streifen sitzen „Duftschuppen“,
     deren Geruch den Weibchen bei
                                              Foto: Typische Färbung der Flügelunterseiten
     der Erkennung der Männchen               (S. Beyer)

16
Bewohner von Gehölzsäumen.         Gefährdung und Schutz – Wald­
Er ist anspruchsvoll, denn diese   randpflege und naturnahe, lichte
Säume müssen durch ausreichen-     Gehölze
den Lichteinfall Veilchenarten
                                   Ulrich Lobenstein stellt 2003 in
das Überleben gewähren. Und sie
                                   der „Schmetterlingsfauna des
müssen außerhalb der Gehölze
                                   mittleren Niedersachsens“ fest,
nektarreiche Blüten für die aus-
                                   „Mit der Störung und Beseitigung
geschlüpften Falter anbieten,
                                   von blütenreichen Hochstaudenflu­
z.B. Disteln, Brombeeren, Dost,
                                   ren in Wäldern (Mulchen auf großer
Flockenblumen, Wasserdost und
                                   Fläche statt Mähen in kleinen Ab­
andere. Wenn der Saum zu stark
                                   schnitten […]) wird die Art immer
zuwächst, verschwinden die
                                   seltener. […] Eine naturverträglichere
Veilchen durch Beschattung. Wird
                                   Forstwirtschaft […] würde sich auf
er von Juli bis August gemäht,
                                   die Bestandslage der Art positiv aus­
fehlen die Nektarpf lanzen.

                   Wir schaffen
                  Wohlfühlgärten
                  für Menschen
                    und Tiere

            BÜRO FÜR FREIRAUMPLANUNG
                 Dipl.-Ing. Birgit Czyppull
        0 55 31 / 98 030 51 · www.czyppull.de

                                                                            17
Ordnungsliebe oder Ordnungs­
                                                            wahn? Ein Beispiel
                                                            Immer wieder sind ungewollte
                                                            Vernichtungsfeldzüge auch bei
                                                            uns im Landkreis zu beobachten:
                                                            So wurde unmittelbar am Rand
                                                            eines Naturschutzgebietes ein
                                                            Weg in den angrenzenden, gering-
                                                            fügig verbuschten Hang hinein
                                                            erweitert. Unmittelbar danach
                                                            wurde auch die „Pf lege“ des
                                                            Weges durch häufiges Mähen und
                                                            teilweise Beweidung intensiviert.
Foto: Männchen sind an den Duftschuppen-Streifen auf den
                   Vorderflügeln zu erkennen (H. Niehaus)   So verschwanden die am lich-
                                                            ten Hang vor und zwischen den
                                                            Büschen wachsenden Veilchen
           wirken.“ Dementsprechend wird
                                                            weitgehend, Stauden und zahl-
           der Kaisermantel für Nieder-
                                                            reiche andere Blütenpf lanzen
           sachsen landesweit als „gefährdet“
                                                            auf dem Weg und am gegenüber
           (Rote Liste: 3) eingestuft, für das
                                                            liegenden Wegrand kamen nicht
           Hügelland befindet er sich auf der
                                                            mehr zur Blüte. War der Bereich
           „Vorwarnliste“. Auch die „BUND
                                                            vorher jahrzehntelang als Hotspot
           NRW Naturschutzstiftung und die
                                                            verschiedener, teilweise auch sehr
           Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-
                                                            seltener Tagfalterarten landesweit
           Westfälischer Lepidopterologen
                                                            bekannt, verschwanden diese jetzt
           e.V.“ stellen fest: „Für den auffäl­
                                                            fast vollständig, darunter neben
           ligen Falter ist naturnaher lichter
                                                            dem Kaisermantel auch noch
           Mischwald der ideale Lebensraum.“
                                                            seltenere Perlmutterfalter und
           Im Landkreis Holzminden ist der
                                                            andere. Denn die Fraßpf lanzen
           Kaisermantel noch regelmäßig zu
                                                            der Raupen und die Nektarquellen
           finden, im niedersächsischen Tief-
                                                            für die Falter waren nun stark
           land ist er an vielen Stellen selten,
                                                            dezimiert. Wovon sollten sie nun
           an anderen schon verschwunden.
                                                            noch leben? Wenn eine Population
                                                            eine gewisse Größe unterschritten
                                                            hat, steigt die Aussterbewahr-
                                                            scheinlichkeit an dieser Stelle
                                                            erheblich. Eine Neubesiedlung ist
                                                            gerade den gefährdeten Arten, die
                                                            meist nicht sehr mobil sind, in
                                                            unserer zerschnittenen Landschaft
                                                            oft gar nicht mehr möglich. Auch

18
andere gefährdete Arten wurden      Fazit: Wissen weiter geben und
an dieser Stelle stark dezimiert:   praktisch umsetzen!
Die Zauneidechse und die Schling-
                                    Wir wissen also ganz gut, was zu
natter fanden hier keine Deckung
                                    tun und was zu lassen ist. Aber
mehr.
                                    wichtig ist, diesem Wissen noch
                                    mehr Raum zu verschaffen. Sagen
Die Aktion fand in gutem Glauben
                                    Sie weiter, was Sie wissen!
und mit guter Absicht statt: Man
wollte Spaziergängern, die nicht
                                    Autor: Karsten Dörfer
so gut zu Fuß sind, das Natur-
erlebnis erleichtern. Das hätte
man aber auch mit vorsichtigeren
Maßnahmen erreichen können.

                                                                       19
Weitere Natur des Jahres 2022

     Die Kleine Hufeisennase                          massive Einsatz von DDT und
                                                      die Wirkung seiner sehr „halt-
     Der Verband der deutschen
                                                      baren“ Folgeprodukte hierfür
     Höhlen- und Karstforscher hat
                                                      verantwortlich gemacht. Axel
     die Kleine Hufeisennase zum
                                                      Schmidt beschreibt 2012 entspre-
     „Höhlentier des Jahres“ gewählt,
                                                      chende Untersuchungsergebnisse
     um auf die noch weitgehend un-
                                                      (Schmidt, Axel (2012): Erkennt-
     erforschte Höhlenfauna und Flora
                                                      nisse aus langjährigen Bestands-
     aufmerksam zu machen.
                                                      kontrollen von Fledermauskästen
                                                      in Ost-Brandenburg Nyctalus
     Die Kleine Hufeisennase ist aber
                                                      (N.F.), Berlin 17 (2012), Heft 1-2,
     für uns im niedersächsischen
                                                      S. 68-76) für die Kleinhufeisen-
     Bergland noch aus einem speziel-
                                                      nase und andere Fledermausarten.
     len Grund interessant: In den 50er
                                                      Rückgangs- und Erholungsphasen
     und 60er Jahren gab es sie auch
                                                      dieser Arten entsprechen Phasen
     bei uns, dann verschwand sie.
                                                      mit und ohne DDT-Einf luss).
     Auch in allen anderen deutschen
                                                      Näheres ist nachzulesen unter:
     Verbreitungsgebieten war der
                                                      https://nyctalus.com/wp-content/
     Rückgang in dieser Zeit extrem
                                                      uploads/2012/06/B17_H1-2_2012_
     stark, nur wenige Vorkommen
                                                      S68-76.pdf.
     blieben in Deutschland übrig.
     Inzwischen wird besonders der
                                                      Inzwischen erholen sich zum
                                                      Beispiel in einem bekannten Quar-
                                                      tier in Bayern die Bestände der
                                                      Kleinen Hufeisennase erheblich.
                                                      Also aufpassen: Vielleicht siedelt
                                                      sie sich ja auch bei uns wieder an?

     Foto: Kleine Hufeisennasen (NABU/Dietmar Nill)

20
Die Kleine Pechlibelle
Der BUND und die Gesellschaft
deutschsprachiger Odonatologen
(GdO) haben die Kleine Pechlibelle
zur „Libelle des Jahres 2022“ ge-
kürt. Genaueres und Fotos siehe
https://www.bund.net/themen/
tiere-pf lanzen/libellen/libelle-des-
jahres/

Die Kleine Pechlibelle ist typisch
für die sich dynamisch ver-             Foto: Die Kleinen Pechlibellen bei der Paarung
                                        (Michael Post / GdO)
ändernden Lebensräume natür-
licher Auenlandschaften, aber
            Q
auch für Abgrabungsgewässer.            haben dort vielleicht auch keine
            Q
Im Raum Holzminden       und Um-        Libellenkartierungen mehr statt-
gebung wurdeQ sie zum Beispiel          gefunden. Das könnte also eine
in einigen Gewässern
            Q          des Weser-       lohnende Aufgabe für das Jahr
projekts (vgl.
            Q Web-Seite des             2022 sein, z. B. an der NABU-Kies-
NABU Holzminden)
            Q         gefunden. Im      grube Heinsen, aber auch in Kies-
Libellenatlas
            Q  für Niedersachsen        gruben mit noch bestehendem
und Bremen sind dies die neu-           Abbau.
            Q
esten Nachweise (bis 1999) für
diesen Bereich – aber seitdem           Autor: Karsten Dörfer

                                     r l e b e n .                 Fühlen. .
                                                                    Staunen

            Natur e
                                                                         rz & Co.
                                                  s p a ß b e i Otter, Ne orn.
                                         Familien                         ifh
                                                                dheide G
                                                  in der Sü

                                                                                         21
Der Fliegenpilz                                    Schwarzhalsige Kamelhalsfliege
           Der „Pilz des Jahres 2022“ ist der                 Das „Insekt des Jahres 2022“ ist
           Fliegenpilz (Amanita muscaria).                    hingegen wohl deutlich weniger
           Er gehört zu den häufigsten                        bekannt: die Schwarzhalsige
           Pilzarten Deutschlands und ist                     Kamelhalsf liege (Venustoraphidia
           aufgrund seines auffälligen Aus-                   nigricollis). Auch wenn dieser
           sehens wohl auch einer der be-                     Name exotisch klingt, ist sie doch
           kanntesten Pilze. Außerdem gilt                    bei uns heimisch. Allerdings be-
           er als Glückssymbol. Zu finden                     kommt man diese Art eher selten
           ist der Fliegenpilz in Laub- und                   zu sehen, da sie vorwiegend im
           Nadelwäldern, oft in der Nähe von                  Kronenbereich von Bäumen lebt.
           Birken. Zum Verzehr ist er aber                    Die Ordnung der Kamelhals-
           aufgrund seines Giftgehaltes nicht                 f liegen ist die artenärmste unter
           geeignet.                                          den Insekten – in Mitteleuropa
                                                              wurden bisher nur 16 Arten er-
                                                              fasst. Mit etwas Glück kann man
                                                              aber Vertreter dieser Ordnung
                                                              auch im Landkreis Holzminden
                                                              entdecken.

                                                              Neben den im Rundbrief vor-
                                                              gestellten gibt es noch weitere
                                                              „Jahreswesen 2022“. Eine Liste
                                                              sowie interessante Links sind zu
                                                              finden unter:
                                                              https://www.NABU.de/tiere-und-
                                                              pf lanzen/aktionen-und-projekte/
          Foto: Leicht zu erkennen: Fliegenpilze (S. Beyer)   natur-des-jahres/2022.html

                                                              Autorin: Stefanie Beyer

 Foto: Kamelhalsfliege – der Name ist Programm (S. Beyer)

22
EU­Projekt LIFE BOVAR des NABU Niedersachsen
setzt weitere lebensraumverbessernde Maßnahmen
für Geburtshelferkröte und Kammmolch bei
Stadtoldendorf um

Das Waldgebiet der Stiftung           Stiftungswald für die beiden be-
Braunschweigischer Kulturbesitz       drohten Arten wieder attraktiver
nördlich von Stadtoldendorf bietet    zu machen. „Ein gemeinsames
durch seine strukturelle Vielfalt     Konzept ist eine große Chance
Lebensraum für eine Vielzahl an       für beide Seiten. Es ermöglicht
Tier- und Pf lanzenarten. Zwei        uns, die Bedürfnisse bedrohter
dieser Arten sind der bedrohte        Arten bei unseren Planungen
Kammmolch und die stark ge-           noch mehr mit in den Fokus zu
fährdete Geburtshelferkröte, die      nehmen. Zudem können wir in
bei Kartierungen im Jahr 2019         den nächsten Jahren weitere An-
nachgewiesen wurden. Während          passungen und Optimierungen im
der Bestand des Kammmolches,          Habitatmanagement vornehmen“,
trotz des sich bundesweit ver-        erläutert Arno Meyer von Wolff,
schlechternden Trends, hier           zuständiger Revierförster der
noch vergleichsweise stabil zu        Stiftung.
sein scheint, ist die Situation der
Geburtshelferkröte sehr alar-
mierend. Ziel der Maßnahmen
war es, die Gewässervielfalt
im Gebiet zu erhöhen und vor-
handene Teiche und wasser-
gefüllte Erdfälle für die Geburts-
helferkröte, den Kammmolch
sowie andere Amphibien und
Teichbewohner zu optimieren.

Gemeinsam mit der Stiftung
Braunschweigischer Kultur-
                                      Foto: NABU-Projektmitarbeiter Bruno Scheel und Kim Fasse
besitz wurde daher ein Konzept
                                      sind mit fachlichem Auge bei jeder Erdbewegung dabei
erarbeitet, um die Gewässer im        (T. Maiwald)

                                                                                           23
bien, wie z.B. der Erdkröte, eher
                                                              wenig wanderfreudig, was dazu
                                                              führt, dass viele Populationen
                                                              durch Siedlungs- und Straßenbau
                                                              zunehmend isoliert sind. Darum
                                                              ist es wichtig, ihr in naher Um-
                                                              gebung eine möglichst große
                                                              Anzahl an geeigneten Gewässern
                                                              zu bieten, um abwandernde
                                                              Jungtiere in ihrer Ausbreitung zu
                                                              unterstützen.“

                                                              Zu diesem Vernetzungskonzept
     Foto: Neu angelegtes Gewässer auf einer „Borkenkäfer-    gehörte im Rahmen der Maßnah-
                                       fläche“ (T. Maiwald)   men auch die Anlage von soge-
                                                              nannten Grabentaschen (auch
            Das Konzept sah in der ersten                     „Wegeseitentümpel“ genannt)
            Umsetzungsphase im Februar                        entlang der Waldwege. „Graben-
            2021 die Förderung und Vernet-                    taschen sind wertvolle Biotope
            zung der Arten durch eine breite                  für eine Vielzahl von Amphibien
            Spanne an praktischen Maßnah-                     und Insektenlarven“, erläutert
            men vor. Zum einen wurden be-                     Bruno Scheel, NABU-Projektmit-
            stehende Gewässer saniert, d.h.                   arbeiter. „Sie dienen zum einen
            teilweise ausgebaggert und von                    als Vernetzungsmaßnahme und
            schattenspendenden und Laub                       Ausbreitungskorridore für Molch,
            eintragenden Gehölzen befreit.                    Kröte & Co. entlang von Wald-
            Des Weiteren entstanden an ge-                    wegen. Zum anderen stellen sie
            eigneten Stellen neue Klein- und                  gerade in Anbetracht der zu-
            Kleinstgewässer.                                  nehmenden Trockenheit eine
                                                              wertvolle Ressource für den
            „Fischfreie, besonnte Klein-                      Wald dar, da sie Regenwasser
            gewässer mit einer hohen                          und Sedimente im Wald zurück-
            Struktur vielfalt bieten einen                    halten.“
            optimalen Lebensraum für unsere
            Zielarten“, erklärt Kim Fasse,                    Autoren: Projektteam LIFE BOVAR
            NABU-Projektmitarbeiterin. „Die
            Anlage mehrerer neuer Gewässer
            soll sich zudem positiv auf die Ver-
            breitung der Geburtshelferkröte
            im Gebiet auswirken. Die Art ist
            im Vergleich zu anderen Amphi-

24
Der Feuersalamander in Gefahr: wie Lebensraum­
veränderungen und Krankheiten die Art gefährden
Vortrag bei der Jahreshauptver­      der Universität Leipzig. Bereits
sammlung am 01. Juli 2022            während ihrer Masterarbeit hat
                                     sie sich ausgiebig den Feuer-
Der Feuersalamander ist eine         salamandern gewidmet und er-
in Deutschland weit verbreitete      forscht aktuell die genetischen
Amphibienart, die durch ihre         Grundlagen zur Entwicklung eines
schwarz-gelbe Färbung große Sym-     Zuchtprogramms zum Erhalt der
pathien hervorruft. Auch wenn        genetischen Vielfalt dieser Art.
der Feuersalamander bundesweit       2019 war sie im NDR-Fernsehen in
als derzeit noch ungefährdet gilt,   der Reihe NaturNah in der Folge
ist er doch wie alle einheimischen   „Die Retter der Salamander“ als
Amphibien besonders geschützt        Expertin zu sehen.
und zählt zu den Arten, für deren
Erhaltung Deutschland internatio-    Der NABU Holzminden lädt
nal eine besondere Verantwortung     Mitglieder und Interessierte am
hat. Anthropogene Umweltver-         01.07.2022 um 19:30 Uhr ins
änderungen, wie Waldrodung,          Hotel „Kiekenstein“ in Stahle zum
Siedlungs- und Straßenbau sowie      Vortrag ein.
Bachbegradigungen führen dazu,
dass der Lebensraum des Feuer-       Im Anschluss an den Vortrag
salamanders sukzessive schwin-       findet die Jahreshauptversamm-
det. Zusätzlich breitet sich der     lung statt.
Erreger der tödlichen Salamander-
pest in Deutschland aus – der        Autoren: Torsten Maiwald,
eingeschleppte Hautpilz „Bsal“.      Dr. Kathleen Preißler
Die Bedrohungssituation, aktuelle
Forschungsergebnisse und was wir
tun können, um dem besonderen
Solling-Salamander zu helfen, sind
Themen des Vortrags.

Die Vortragende Dr. Kathleen
Preißler hat an der Universität
Halle-Wittenberg Biologie (M. Sc.)
studiert und arbeitet als wissen-
schaftliche Mitarbeiterin in der
Abteilung „Molekulare Evolution      Foto: Feuersalamander halten sich am Tag meist versteckt
                                     (S. Beyer)
und Systematik der Tiere“ an

                                                                                           25
Der Satanspilz im Landkreis Holzminden

          Zu den wohl stattlichsten, auf-                   y NSG Weinberg bei Rühle
          fälligsten und gleichermaßen                        (4023/3/07)
          seltenen Pilzen in Niedersachsen                  y Sauberg am Südhang
          gehört der Satanspilz. Sein Vor-                    (4023/3/07)
          kommen ist von Hannover bis
          zur südlichen Landesgrenze mit                    Außerhalb des Landkreises, aber
          Schwerpunkt auf das Weser-Leine-                  in unmittelbarer Nähe, gibt es
          bergland beschränkt. Im Land-                     Aufsammlungen vom Pyrmonter
          kreis Holzminden sind vor allem                   Berg, dem Uchtelberg bei Lüntorf
          die bewaldeten Hügel der Rühler                   und den Amtsbergen bei Dassel.
          Schweiz bevorzugte Wuchs-                         Weitere Standorte können am
          gebiete.                                          Burgberg, Holzberg und dem
                                                            Hopfenberg bei Bodenwerder ver-
          Vorkommen vom Satansröhrling                      mutet werden. Außerdem an den
          liegen in den folgenden Gebieten:                 Südwest-Hängen der Wälder an
          y alter Kalkbruch bei Hehlen                      der Lenne und am Kruckberg.
             (4022/2/08)                                    Fundmeldungen werden gerne ent­
          y bei Glesse oberhalb des                         gegen genommen.
             Brevörder Baches
             (4022/3/08 (Dr. Jahn))                         Rubroboletus satanas (Syn.: Boletus
                                                            satanas) ist schon durch die
          y Himckeburg Nähe Feriendorf
                                                            mächtige Statur mit einem
             (4023/3/06)
                                                            Hutdurchmesser von bis zu
          y Himckeburg am Südhang                           40 cm und einem Stiel mit Durch-
             (4023/3/07 und 4023/3/08)                      messern von 5 cm und mehr eine
                                                            imposante Erscheinung. Sein
                                                            heller grauweißer Hut, die roten
                                                            bis orange gefärbten Poren des
                                                            Hutschwammes und das Blauen
                                                            des Fleisches sind weitere deut-
                                                            liche Kennzeichen. Da er meist an
                                                            Kalkstandorten mit wenig Humus-
                                                            auf lagen wächst, ist er durch
                                                            seinen hellen Hut gut getarnt und
                                                            kaum von den herumliegenden
                                                            Kalksteinen zu unterscheiden.
 Foto: Satanspilze auf dem Sauberg in der Rühler Schweiz
                             am 22.07.2017 (A. Schilling)

26
Als typischen Sommerpilz kann        rhodoxanthus) aus dem Jahre 1968
man ihn von Mitte Juli bis Ende      bei Glesse durch Dr. H. Jahn bis-
September finden. Für Speise-        her im Landkreis Holzminden
zwecke ist er nicht zu verwenden,    nicht nachgewiesen worden.
da sein Verzehr zu Vergiftungen
führt.                               Literatur:
                                     Jahn, H.: „Der „Satanspilzhang“
Wuchsorte sind südwestlich           bei Glesse (Ottenstein)“ in West-
exponierte, oft lichte Kalk-         fälische Pilzbriefe, Heft 8b (1986),
Buchenwälder (Seggen- bzw.           http://wwwuser.gwdg.de/~rjahn/
Orchideen-Buchenwälder) alter        Pilzbriefe/PB_Bd_10_29.pdf
Waldstandorte. Hier fruktifiziert    (Abruf 06.01.2022)
der Satansröhrling fast immer
unter Rotbuchen (Fagus). In einem    Autor: Axel Schilling
Fall habe ich ihn auch unter Hain-
buchen ohne jedwede Beziehung
zur Rotbuche gefunden.

Der Satansröhrling kann
als Zeigerpilzart für weitere
seltene Pilzarten gelten, die mit
ihm den Standort teilen, zum
Beispiel Korallenpilze (Ramarien),
Klumpfüße und Schleimköpfe
(Phlegmacien). Daher sollte der
Baumbestand und Biotop dieser
und ähnlicher Standorte un-
bedingt streng geschützt werden.

Verwechselungen wären möglich
mit besonders kräftigen Exem-
plaren von Hexenröhrlingen, die
jedoch eine dunklere Hutfarbe
und nie so einen kräftigen Stiel
besitzen. Weitere Arten aus der
direkten Verwandtschaft des
Satansröhrlings könnten ebenfalls
ähnlich sein, sie sind aber noch
seltener und bis auf einen Einzel-
und Altfund vom Rosahütigen
Purpurröhrling (Rubroboletus

                                                                            27
Mauersegler­Kolonie in Stadtoldendorf erneut
     ausgebaut
     Erst Ende April, Anfang Mai kom-                einer Mauersegler-Hochburg ge-
     men die Mauersegler aus ihrem                   macht: 51 Paare brüteten 2020 in
     Winterquartier im südlichen                     den Nistkästen an seinem Wohn-
     Afrika, um hier zu brüten und                   haus. Im April 2021 wurde das
     ihre Jungen aufzuziehen, und                    Nistplatzangebot noch erweitert:
     bereits Anfang August f liegen                  10 neue Doppelkästen wurden an
     die meisten wieder nach Süden.                  der Fassade zur Teichtorstraße an-
     Sie verbringen den Großteil                     gebracht. Großzügigerweise stellte
     ihres Lebens in der Luft, nur zur               die Firma NNH Niedersächsischer
     Brut brauchen Segler einen ge-                  Nutzfahrzeug-Handel aus Deensen
     schützten Platz, den sie in Hohl-               hierfür bereits zum zweiten Mal
     räumen an Hausfassaden oder                     einen Hubsteiger bereit. NNH-
     unter Dachziegeln finden. Durch                 Mitarbeiter Andreas Görte half
     Renovierungen und Wärmedäm-                     Gunnar Jacobs, Naturschützer
     mung gehen jedoch viele dieser                  und Ornithologe wie sein Vater,
     Nistplätze unwiederbringlich                    die vom NABU finanzierten Nist-
     verloren. Albrecht Jacobs stemmt                kästen anzubringen.
     sich diesem Trend entgegen. Der
     engagierte Naturschützer, der                   Mauersegler bevorzugen große
     vor Jahrzehnten für die Wieder-                 Höhen, da sie sich aus den Ein-
     ansiedelung des Uhus im Weser-                  gängen ihrer Brutplätze regelrecht
     bergland und darüber hinaus                     herausstürzen. Kirchen sind bei
     sorgte und dafür 2006 mit dem                   ihnen daher besonders beliebt.
     Bundesverdienstkreuz ausgezeich-                Viele Kirchenvorstände freuen
     net wurde, hat Stadtoldendorf zu                sich über gef lügelte Untermieter
                                                     wie Turmfalken, Schleiereulen,
                                                     Fledermäuse und Mauersegler,
                                                     die seit Jahrhunderten an und
                                                     in Kirchtürmen und auf Dach-
                                                     böden ein Zuhause finden. Solche
                                                     Kulturfolger, zu denen auch
                                                     Spatzen und Schwalben gehören,
                                                     sind sehr ortstreu, daher sind ihre
                                                     Quartiere und Nester ganzjährig
                                                     geschützt. An der Lutherkirche
                                                     in Holzminden, der Klosterkirche
         Foto: Zur Fußgängerzone hin hängen nun      in Kemnade, an Pfarrhäusern in
            22 Mauerseglerkästen (T. Frischgesell)   Höxter und Bevern sowie an der

28
29
Wangelnstedter Johanniskirche        Siedlungsbereich können Garten-
     wurden von Albrecht Jacobs und       oder Balkonbesitzer durch das
     dem NABU bereits Mauersegler-        Pf lanzen heimischer Wildkräuter
     kästen angebracht.                   und das Dulden von etwas mehr
                                          Natur auf ihrem Grundstück das
     Insbesondere die geselligen          Nahrungsangebot für Insekten
     Mauersegler finden nur schwer        verbessern.
     neue Nistplätze, umso wichtiger
     ist es, bestehende Kolonien zu       Davon profitieren auch die Mauer-
     erhalten und in der Nähe neue        segler, die Sommervögel schlecht-
     Möglichkeiten zu schaffen. So        hin. Ihre „Screaming-Parties“, bei
     hat Albrecht Jacobs an etlichen      denen sie laut rufend in rasanten
     Häusern in der Stadtoldendorfer      Flugmanövern um die Häuser
     Innenstadt mithilfe der Freiwilli-   ziehen, gehören zu einem lauen
     gen Feuerwehr in den vergange-       Sommerabend dazu und sind in
     nen Jahren Nistkästen angebracht,    Stadtoldendorf dank Albrecht
     die fast alle belegt sind. Auch in   Jacobs‘ Engagement besonders
     den Kästen an der Grundschule,       beeindruckend. 2021 brüteten
     die 2018 vom NABU angebaut           60 Paare an seinem Wohnhaus,
     wurden, sind bereits Mauersegler     insgesamt wird die Population in
     eingezogen. Sorgen bereiten den      Stadtoldendorf auf 100 Brutpaare
     Naturschützern jedoch die zu-        geschätzt.
     nehmend heißen und trockenen
     Sommer und der durch die in-         Autorin: Tanja Frischgesell
     tensive Landnutzung verursachte
     Rückgang von Insekten. Im

30
Schwalben willkommen im Landkreis Holzminden

2021 wurden wieder in mehreren        und Anna Schrader musste ein
Orten im Landkreis Plaketten          Interview für NDR 1 Radio Nieder-
„Schwalbenfreundliches Haus“          sachsen geben.
vergeben. Schwerpunkt war
Derental, wo die NABU-Aktiven         Insgesamt wurden 22 Plaketten
Anna und Nadja Schrader gezielt       während des „Schwalbenjahres“
Haus- und Hofeigentümer an-           zwischen April und September
sprachen, bei denen Rauch- und        verliehen:
Mehlschwalben brüteten, und
auf großes Interesse stießen. So      Ammensen: Herr Christoph
konnten sie allein in ihrem Ort
                                      Derental: Familien Arnemann,
rekordverdächtige 15 Plaketten
                                      Familie Bähre,
verleihen und schrieben zu-
                                      Familie Baie,
sätzlich einen großen Zeitungs-
                                      Familie Diedrich,
artikel über die Aktion. Derental
                                      Herr Garbe,
erlangte als „Schwalbendorf“
                                      Frau Hoffmann,
überregionale Aufmerksamkeit
                                      Frau Krebs,
                                      Herr Loges,
                                      Familie Molthan,
                                      Familie Lange,
                                      Familie Pieper,
                                      Familie Schumann/Gömann,
                                      Familie Topp/Ahrens und
                                      Familie Zimmermann
                                      Eschershausen: Frau Sassin
                                      Bremke: Frau Lohmann und
                                      Herr Henze
                                      Neuhaus: Familie Haude
                                      Polle: Herr Rasch
                                      Denkiehausen:
                                      Familie Heinemeyer

Foto: Herr Garbe, Eigentümer des
Gasthauses „Eulenkrug“ an der Weser
zwischen Fürstenberg und Meinbrexen
(N. Schrader)

                                                                          31
Das Entfernen von Schwalben-
                                                         nestern und das Verschließen von
                                                         Einf lugöffnungen an Gebäuden,
                                                         hinter denen sich Nester bzw.
                                                         Quartiere von Mauerseglern,
                                                         Spatzen und Fledermäusen
                                                         befinden, ist eine Ordnungs-
                                                         widrigkeit, während der Brutzeit
                                                         sogar eine Straftat! Bitte sprechen
                                                         Sie uns oder die Untere Natur-
                                                         schutzbehörde des Landkreises
     Foto: Familie Arnemann aus Derental (N. Schrader)   an, bevor Sie mit einer Sanierung
                                                         beginnen, wenn Sie etwas für
        Seit 2013 wurden vom NABU                        Schwalben tun möchten oder
        Holzminden 110 Plaketten ver-                    von Renovierungen an Häusern
        geben und auch in diesem Jahr                    mit Brutplätzen erfahren – wir
        geht die Aktion „Schwalben                       versuchen, praktikable Lösungen
        willkommen“ weiter: Wer sich                     zu finden. Viele wertvolle Infor-
        für eine Plakette interessiert                   mationen gibt es auch im „Leit-
        oder jemanden vorschlagen                        faden für den Schwalbenschutz“
        möchte, kann sich per E-Mail                     des NABU Niedersachsen, der
        (info@NABU-Holzminden.de)                        auch auf unserer Homepage
        oder im NABU-Umweltladen                         www.NABU-Holzminden.de zum
        (Telefon: 05531/700 432) melden.                 Download zur Verfügung steht.
        Hier sind auch Kunstnester für
        Mehl- und Rauchschwalben,                        Autorin: Tanja Frischgesell
        Kotbretter sowie kostenloses
        Infomaterial erhältlich.

32
Sie können auch lesen