SI KOMPAKT Nr. 3*2020 - Sozialwissenschaftliches Institut der EKD

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SI KOMPAKT Nr. 3*2020 - Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
SI KOMPAKT
                                                         Nr. 3*2020

  MULTIPROFESSIONALITÄT UND MEHR

  Multiprofessionelle Teams in der evangelischen Kirche ―
  Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven
                                                                                                   Dr. Gunther Schendel
                                                                                          Pastor und wissenschaftlicher Referent

  Multiprofessionelle Teams ― mehr                                   Teams auch in der kirchlichen Diskussion an-
  als ein Zauberwort?                                                gekommen (Schendel 2020a: 130-134). Nach-
                                                                     dem die Evangelische Kirche im Rheinland be-
  Multiprofessionelle Teams sind heute in aller                      reits 2005 ein „Gemeinsames Pastorales Amt“
  Munde. In Kindertagesstätten, Schulen und                          verschiedener Berufsgruppen in Rechtsform
  Familienzentren hat die Teamarbeit von Fach-                       gegossen hat (EKiR 2005b), haben in den letz-
  kräften aus mehreren Berufen schon seit Lan-                       ten Jahren auch andere Gliedkirchen der EKD
  gem Einzug gehalten (Weltzien 2017; Traut-                         Konzepte multiprofessioneller Zusammenar-
  mann 2017: 6-8; Stähling / Wenders 2015;                           beit entwickelt. Ein Beispiel ist die Ev.-luth. Kir-
  Drosten 2015: 64-72). Gleiches gilt auch für                       che in Bayern (s. u., 4). Vor dem Hintergrund
  den medizinischen Bereich wie z. B. für die Kin-                   dieses Konzepts hat der bayerische Landesbi-
  derheilkunde, wo multiprofessionelle Teams                         schof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich
  besonders im Umgang mit schwerstkranken                            Bedford-Strohm für die „Einbettung des Pfarr-
  und sterbenden Neugeborenen eine wachsen-                          berufs in multiprofessionelle Teams“ plädiert,
  de Bedeutung bekommen (Garten / von der                            die in übergemeindlicher Vernetzung operie-
  Hude 2019). Multiprofessionelle Teams gelten                       ren sollen (Bedford-Strohm 2017: 151). Er
  als geeignete Möglichkeit, um gerade mit                           schreibt: „Nur zusammen mit Kantorinnen und
  komplexen Themen und Situationen adäquat                           Kantoren, Diakoninnen und Diakonen, Religi-
  umgehen zu können. Allerdings wird von Wis-                        onspädagoginnen und Religionspädagogen,
  senschaftler*innen auch eine Kluft von „An-                        Katechetinnen und Katecheten, Jugendreferen-
  spruch und Wirklichkeit“ beklagt. So wird z. B.                    tinnen und Jugendreferenten und den als Prä-
  mit Blick auf den Schulbereich betont, dass                        dikantinnen und Prädikanten sowie Lektorin-
  Deutschland hier im Vergleich zu anderen Län-                      nen und Lektoren tätigen Ehrenamtlichen kann
  dern immer noch ein „Entwicklungsland“ sei                         die Arbeit so organisiert werden, dass Ziel-
  (Trautmann 2017: 7 ).1                                             gruppenorientierung und Menschennähe opti-
  Inzwischen         sind     die     multiprofessionellen           mal mit den dafür vorhandenen Kompetenzen
                                                                     verbunden werden können“ (ebd.: 156).
 1 Trautmann bemängelt für den Schulbereich u. a. die fehlende
    Selbstverständlichkeit bei der Heranziehung von Sozial- oder     Auch in anderen Zusammenhängen stößt der
    Sonderschulpädagog*innen bzw. von Psycholog*innen: Selbst        Gedanke multiprofessioneller Teams inner-
    an Schulen, an denen solche Spezialist*innen beschäftigt sind,   kirchlich auf Resonanz. So begeisterten sich
    „geben nur 45 % der Lehrkräfte an, mit diesen regelmäßig –       Pastor*innen aus der Ev.-luth. Landeskirche
    wöchentlich oder monatlich – zusammenzuarbeiten.“ Am
                                                                     Hannovers beim dortigen Pfarrbildprozess für
    häufigsten geschieht diese Zusammenarbeit noch mit den
    Sonderpädagog*innen (Trautmann 2017: 7).
                                                                     „multiprofessionelle Pfarrteams“. Dabei ging es

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 nicht nur um die Perspektive einer Arbeitsent-                   Kirche, die sich nach eigener Wahrnehmung
 lastung (z. B. durch den Einsatz von Verwal-                     in einer Akzeptanzkrise befindet und auf
 tungsfachleuten und Geschäftsführer*innen),                      der Suche nach neuer Relevanz und Akzep-
 sondern was im entsprechenden OpenSpace-                         tanz ist (EKD 2020: 1)?
 Workshop ausdrücklich genannt wurde, war
                                                               Mit diesen Fragen soll dieses SI-Kompakt auch
 das Ziel, auf diesem Wege „ein konstruktives,
                                                               einen Beitrag zur Diskussion liefern, die aktuell
 ausstrahlungsreiches und lustvolles Miteinan-
                                                               um das Miteinander der kirchlichen Berufe ge-
 der von Menschen mit verschiedenen Professi-
                                                               führt wird (Kasparick / Schulz 2019: 131 f.; vgl.
 onen und Kompetenzen“ zu fördern (ELKH
                                                               Hauschildt 2013). Die teilweise immer noch zu
 2018: 18).
                                                               beobachtende Engführung der Pastoraltheolo-
 Das Thema „multiprofessionelle Teams“ hat                     gie auf den Pfarrberuf (vgl. aktuell Karle 2020:
 also Konjunktur.2 In auffälligem Kontrast dazu                132-163) wird zunehmend kritisiert (Bubmann
 steht die immer noch recht seltene Reflexion                  2019: 140; vgl. Grethlein 2018: 234-237). Das
 dieser Entwicklung in der Praktischen Theolo-                 Konzept der multiprofessionellen Teams könn-
 gie (vgl. aber Noller 2016; Bubmann 2019), be-                te sich hier als Möglichkeit erweisen, bestimm-
 sonders aber die wenig ausgeprägte Rezeption                  te Engführungen zu überwinden und der Dis-
 der Erfahrungen, die in den vergangenen Jahr-                 kussion um die zukünftig erforderlichen Be-
 zehnten in außerkirchlichen Handlungsfeldern                  rufsprofile neuen Schub zu geben.
 mit dieser Form der Arbeitsorganisation ge-
 macht wurden. In diesem SI-Kompakt kann das                   Was sind multiprofessionelle Teams?
 Themenfeld nicht gründlich erschlossen wer-
                                                               Auf der Suche nach einer Definition
 den. Vielmehr soll es im Folgenden darum ge-
 hen, einige Schneisen zu schlagen, um das Po-                 Es fällt auf, dass in der kirchlich-theologischen
 tential und die Bedeutung dieses Ansatzes zu                  Literatur in der Regel auf eine Definition des
 erkunden. Das soll in Form einer Metastudie                   Begriffs „multiprofessionelles Team“ verzichtet
 geschehen, die außerkirchliche Diskussions-                   wird. Offensichtlich wird der Begriff als be-
 und Evaluationsergebnisse aufnimmt und mit                    kannt vorausgesetzt. Eine hilfreiche Definition
 dem aktuellen kirchlichen bzw. theologischen                  bietet der Erziehungswissenschaftler Matthias
 Diskussionsstand zusammenführt. Dabei soll                    Trautmann. Er grenzt die Arbeit in multiprofes-
 auch ein erster Überblick über die Konzepte                   sionellen Teams von der Kooperation von An-
 gegeben werden, mit denen mehrere EKD-                        gehörigen derselben Berufsgruppe (z. B. der
 Gliedkirchen multiprofessionelle Zusammenar-                  „Lehrerkooperation“) ab. Dabei greift er auf
 beit ermöglichen bzw. erproben.                               eine Definition zurück, nach der diese Form
                                                               der Zusammenarbeit darin besteht, dass bes-
 Leitfragen, die in diesem Zusammenhang eine
                                                               tenfalls „mehr als zwei Berufsgruppen mit ho-
 Rolle spielen, sind:
                                                               her Spezialisierung unausweichlich aufeinan-
 • Was lässt multiprofessionelle Teams so zeit-                dertreffen, dass detaillierte Abstimmungen
     gemäß und attraktiv erscheinen?                           konkreter fallbezogener Handlungen erfolgen
 • Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit in                  und dass der Austausch kontinuierlich und
     multiprofessionellen Teams von bisherigen                 zeitlich umfangreich ist“ (Speck u. a. 2011: 185,
     Arbeitsformen?                                            nach Trautmann 2017: 6). Diese Definition hält
 • Wo liegen die Chancen und Risiken? Wel-                     fest, dass von einem multiprofessionellen
     che Gelingensfaktoren gibt es für die Arbeit              Team dann gesprochen werden soll, wenn die
     in multiprofessionellen Teams?                            Zusammenarbeit

 • Und nicht zuletzt: Wie lassen sich diese For-               • berufsübergreifend,
     men der Teamarbeit in die gegenwärtige                    • nicht zufällig,
     Kirchenentwicklung und Kirchentheorie ein-                • institutionalisiert und
     ordnen? Gibt es einen Mehrwert für eine                   • fallbezogen ist.

 2 Zum katholischen Konzept des überpfarrlichen Personalein-
    satzes im Bistum Hildesheim s. Garhammer 2019.

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  Profession oder Professionalität?                                 verstanden, die u. a. handlungsrelevantes Wis-
                                                                    sen, lösungsorientierte Routinen sowie für das
  Mit dieser Definition wird das Arbeiten in mul-
                                                                    Handlungsfeld relevante Werthaltungen ver-
  tiprofessionellen Teams nicht nur von der kol-
                                                                    bindet (vgl. Weinert 2001: 51; nach Heinemann
  legialen Zusammenarbeit abgegrenzt (zu
                                                                    2018: 38 f.).4 Ein solches Professionalitätskon-
  Pfarrteams vgl. Nierop 2016), sondern auch
                                                                    zept wurde im Rahmen der EKD z. B. zur Be-
  von der vernetzten Arbeit von beruflich und
                                                                    schreibung der diakonisch-gemeindepädago-
  ehrenamtlich Tätigen. Im Blick ist die Zusam-
                                                                    gischen Berufsprofile herangezogen (Kirchen-
  menarbeit beruflicher Akteur*innen. Der Ter-
                                                                    amt der EKD 2014: 26).5 Als zusätzlicher Vorteil
  minus „multiprofessionelle Teams“ knüpft da-
                                                                    dieses Konzepts erscheint seine prinzipielle
  bei an den Professionsbegriff an – meist, ohne
                                                                    Offenheit für Ehrenamtliche und ihr Engage-
  ihn näher zu definieren. Sehr häufig wird der
                                                                    ment (ebd.: 28) – nicht unwesentlich in einer
  Professionsbegriff in der allgemeinen Bedeu-
                                                                    Situation, in der ehrenamtliches Engagement
  tung des Berufs verwendet (vgl. Trautmann
                                                                    für kirchliches Handelns immer wichtiger wird.
  2017: 6): Dann geht es um die Kooperation
  verschiedener beruflicher Fachlichkeiten und                      Der Vorschlag ist also, den Terminus „multi-
  Perspektiven. Ganz vereinzelt findet sich auch                    professionelle Teams“ auf die Zusammenarbeit
  der Rekurs auf den spezifischen Professionsbe-                    von Menschen unterschiedlicher Professionali-
  griff (Schmerr 2017: 26 f.), der eine Profession                  täten zu beziehen und diese Teams damit
  in der Tradition des Strukturfunktionalismus                      nicht a priori auf das berufliche Feld zu be-
  als „Beruf[.] besonderen Typs“ definiert (Nittel                  schränken. So würden diese Teams z. B. auch
  2000: 28). Kennzeichnend für solche Professio-                    „semiprofessionellen“ Ehrenamtlichen wie Prä-
  nen ist ein bestimmtes gesellschaftliches Man-                    dikant*innen oder den Mitarbeitenden der Te-
  dat, also die anerkannte Zuständigkeit für ein                    lefonseelsorge offenstehen. Immerhin hat
  bestimmtes Handlungsfeld.3 In dieser Tradition                    Eberhard Hauschildt den letzteren attestiert, in
  der „freien Berufe“ (Heinemann 2018: 37) wird                     ihrem Spezialgebiet über eine „teilweise höhe-
  in der Pastoraltheologie ja oft auch der Pfarr-                   re Kompetenz als Pfarrer*innen“ zu verfügen
  beruf gesehen (Karle 2020: 141-143).                              (Hauschildt 2017: 167).
  Die damit betonte Sonderstellung des Pfarrbe-
                                                                    Multiprofessionell, interprofessionell oder
  rufs lässt es jedoch als wenig sinnvoll erschei-
                                                                    transprofessionell?
  nen, für die innerkirchliche Kooperation ver-
  schiedener Berufsgruppen auf den spezifi-                         Im Bereich der Kirche wird überwiegend von
  schen Professionsbegriff zurückzugreifen. Die                     multiprofessioneller Zusammenarbeit gespro-
  anderen Berufsgruppen jenseits des Pfarramts                      chen; allerdings gibt es sehr vereinzelt auch
  würden den Kriterien dieses „klassischen“ Pro-                    die Rede von „interprofessioneller“ Teamarbeit
  fessionsverständnisses schlichtweg nicht ent-                     (EKvW 2017b: 7 u. ö., vgl. auch Sommer /
  sprechen – und damit per definitionem aus                         Friedrichs 2019: 81). Liegt hier ein inhaltlicher
  dem Team herausfallen (oder eine sekundäre                        Unterschied vor? Der Blick auf die Gesund-
  Rolle spielen). Deshalb erscheint es sinnvoller,                  heitsberufe zeigt, dass in diesem Bereich der
  auf das Konzept der Professionalität zu rekur-                    Terminus der interprofessionellen bzw. der in-
  rieren, das z. B. im Rahmen des kompetenz-                        terdisziplinären Zusammenarbeit dominiert
  theoretischen Ansatzes formuliert wurde                           (Mahler et al. 2014: 3). Dabei werden diese
  (Heinemann 2018: 38). Professionalität wird
                                                                     4 Karle spricht sinngemäß ähnlich von Professionalität, sieht
  hier im Sinne einer „Handlungskompetenz“
                                                                       in diesem Begriff „Wissen, Kompetenz und eine berufs-
                                                                       ethisch reflektierte Handlungsausführung zusammenge-
  3 Hier wird „multiprofessionelle Zusammenarbeit“ jedoch nicht        fasst“. Allerdings bezieht sie die Professionalität lediglich auf
     als Kooperation von Akteur*innen unterschiedlicher Professi-      die „Professionen, die mit ungewöhnlich existentiellen und
     onen verstanden. Die Intention ist vielmehr, die verschiede-      dadurch riskanten Fragen zu tun haben (Gesundheit, Recht,
     nen pädagogischen Berufe im Sinne einer klassischen Profes-       Trost/Glaube)“ (Karle 2020: 143).
     sion zusammenzufassen (Schmerr 2017: 26 f.). Hier wäre dann     5 Dieses Konzept der Handlungskompetenz wäre allerdings
     von einer intraprofessionellen Zusammenarbeit zu sprechen         im Sinne einer religiös-lebensweltlichen Deutungskompe-
     (vgl. Mahler et al. 2014: 2).                                     tenz zu erweitern (vgl. unten 5, These 4).

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  und andere Begriffe (z. B. multiprofessionell)                      die zitierten Differenzierungen für die Analyse
  „oftmals synonym genutzt“ (Schärli et al. 2017:                     einzelner Modelle, vor allem aber für die Ver-
  2). Allerdings wird die Vielfalt dieser Begriffe in                 zahnung mit bestimmten Modellen der Kir-
  der internationalen Diskussion auch dazu ver-                       chenentwicklung, zu nutzen (s. u., 5).7
  wendet, um die „Art“ bzw. die „Intensität der
  Zusammenarbeit“ zu charakterisieren: „So be-                        Warum haben multiprofessionelle
  schreibt die ,multiprofessionelle Zusammenar-
  beitʻ das Arbeiten der Berufe neben- und weit-
                                                                      Teams Konjunktur?
  gehend unabhängig voneinander“, während                             Die Diskussion über multiprofessionelle Arbeit
  sich bei der interprofessionellen Zusammenar-                       hat eine lange Tradition: Bereits 1975 nahm
  beit „die Kompetenzen der unterschiedlichen                         der Deutsche Bundestag die sogenannte Psy-
  Berufe“ überschneiden.6 Am intensivsten ist                         chiatrie-Enquete entgegen, in der explizit die
  die Zusammenarbeit der transprofessionellen                         Schaffung multiprofessioneller Teams vor-
  Art: Hier „verschwinden die Grenzen der ein-                        schlagen wurde. Ihre Einrichtung wurde emp-
  zelnen Berufe, und die Kompetenzen sind                             fohlen, um qualifiziert über eine „bedarfsge-
  wechselseitig austauschbar“ (Mahler et al.                          rechte“ Weiterleitung kranker Menschen in
  2014: 2); in jedem Fall werden hier aber die                        entsprechende Behandlungseinrichtungen
  professionellen Rollengrenzen überschritten                         entscheiden zu können („Assessment“). Die
  (Goudinoudis 2012: 107-113), was zu neuen                           entsprechende Diagnostik sollte in einem
  Aushandlungsprozessen führt (Selke 2020:                            „,multiprofessionellenʻ Team von Ärzten ver-
  347).                                                               schiedener Fachgebiete, Psychologen, Sozial-

                                      multiprofessionell             interprofessionell              transprofessionell

  Akteur*innen aus meh-               nebeneinander an ver-          … miteinander, unter            … überschreiten im
  reren Berufen                       schiedenen Aufgaben            Austausch ihrer professi-       Miteinander ihre Rollen-
                                                                     onellen Perspektiven, an        grenzen und handeln sie
                                                                     derselben Aufgabe               damit neu aus

  Hier wird eine beeindruckende Vielfalt der Be-                      arbeitern und Krankenpflegepersonal“ stattfin-
  zeichnungen und Differenzierungen deutlich,                         den (Deutscher Bundestag 1975: 252). Auch in
  die in der deutschsprachigen Diskussion oft                         mehreren Gliedkirchen der EKD wurde im Zu-
  noch nicht angekommen ist. Das gilt für den                         ge der Kirchenreform der frühen 1970er Jahre
  Gesundheitsbereich (Mahler et al. 2014, Schärli                     die Arbeit in gemischt-professionellen Teams
  et al. 2017), erst recht aber für den Bereich der                   erprobt, die damals unter Bezeichnungen wie
  Kirche. Darum wird hier pragmatisch vorge-                          Gruppenpfarramt, Gesamtpfarramt oder erwei-
  schlagen, mit dem sich in der Einführung be-                        tertes Pfarramt firmierten (vgl. Behnken u. a.
  findlichen Terminus „multiprofessionelle                            2011: 402; Roosen 1997: 122-130).8
  Teams“ als Oberbegriff weiterzuarbeiten, aber
                                                                      Warum scheint die Arbeit in multiprofessionel-
  6 Die Ev. Kirche in Westfalen greift ebenfalls eine aus dem
                                                                      len Teams heute, mehr als vierzig Jahre später,
     Gesundheitswesen stammende Definition von Interprofessio-
     nalität auf. Danach besteht Interprofessionalität in einer
                                                                      eine neue Plausibilität zu bekommen? Warum
     „Lehre und Tätigkeit, die zustande kommt, wenn Fachleute         die Renaissance einer Arbeitsform, die inner-
     von mindestens zwei Professionen gemeinsam arbeiten und          kirchlich zwar erprobt, aber in den seltensten
     voneinander lernen im Sinne einer effektiven Kollaboration“,     Fällen weitergeführt wurde?9 Bei der Sichtung
     die zu Qualitätsverbesserungen im Output führt (BAG 2017:        entsprechender konzeptioneller Äußerungen
     5, nach: EKvW 2020: 2).
                                                                      fallen zwei Ansatzpunkte auf. Der eine Ansatz-
  7 Wenn die Ev. Kirche in Westfalen unter „interprofessioneller
     Teamarbeit“ u. a. versteht, dass im Falle einer Vakanz „einer     8 Damals handelte es sich um Pfarrteams, aber auch um
     Gemeindepädagogin oder einem Diakon die Arbeit in Ar-                Teams, die andere Berufsgruppen verantwortlich integrier-
     beitsfeldern mit pädagogischen, diakonischen oder auch               ten (404 ff.).
     verkündigenden Arbeitsfeldern zu übertragen“ (EKvW o. J.),        9 Ausnahme ist das Gemeinsame Pastorale Amt der Ev. Kirche
     dann steht hier tatsächlich die für die Interprofessionalität        im Rheinland, das in Anknüpfung an die ROSTA-Konzepte
     typische Kompetenzüberschneidung im Vordergrund.                     formuliert wurde.

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  punkt liegt beim kirchlichen Personal. Die Ar-                Die zweite Argumentationslinie setzt beim ak-
  beit in multiprofessionellen Teams wird hier als              tuellen kirchlichen Auftrag an; multiprofessio-
  Möglichkeit gesehen, um auf den aktuellen                     nelle Teams werden in der Diskussion vielfach
  bzw. absehbaren Mangel an Pfarrpersonen zu                    als Möglichkeit gesehen, das kirchliche Han-
  reagieren – oder um Pfarrpersonen von der                     deln zu optimieren. Orientierungspunkte, die
  aktuellen Aufgabenfülle zu entlasten. Die Idee                in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen,
  ist, den Mangel an Pfarrpersonen durch die                    sind z. B. „Zielgruppenorientierung und Men-
  Übertragung von Aufgaben an andere Berufs-                    schennähe“ (Bedford-Strohm 2017: 156) oder
  gruppen zu kompensieren (EKvW 2017b: 19 u.                    die „Öffnung in den Sozialraum“, damit
  44)10 bzw. die „Lebbarkeit“ des Pfarrberufs                   „Menschen die diakonische Kirche in ihrem
  dadurch zu sichern, dass er in multiprofessio-                Lebensumfeld wahrnehmen und sich ange-
  nelle Teams eingebettet wird (Bedford-Strohm                  sprochen fühlen“ (Albrecht 2019: 49). Diese
  2017: 154 u. 151). In diesem Zusammenhang                     Ausrichtung auf die „differenzierter geworde-
  wird auch eine Unterstützung durch „verbes-                   nen gesellschaftlichen Bedingungen kirchlicher
  serte Assistenz im Pfarrbüro und andere Ver-                  Arbeit“ ist keineswegs neu; sie stand auch
  waltungsentlastungen“ angemahnt; das Ziel                     schon bei entsprechenden Überlegungen der
  ist, den Pfarrpersonen „zusätzliche Zeit für den              Kirchenreform der 1970er Jahre Pate (Pohl
  Einsatz in der Seelsorge“ freizuhalten (ebd.:                 2016: 21).
  155).
                                                                Allerdings scheinen sich im Zeitvergleich zwei
  Damit knüpfen diese beiden Argumentationsli-                  Bedingungen kirchlicher Arbeit verändert zu
  nien an aktuelle Probleme an, die vor allem die               haben: Die (antizipierte) Ressourcenkrise, die z.
  Berufsgruppe der Pastor*innen betreffen. Je                   B. 1970 der Motor für das weitreichende Ko-
  höher die Bedeutung dieser Berufsgruppe ver-                  operationsmodell des Raumordnungs- und
  anschlagt wird, umso dringlicher muss für den                 Strukturausschusses der Evangelischen Kirche
  Mangel an Pfarrpersonen und die auch empi-                    im Rheinland (ROSTA) darstellte (Roosen 1997:
  risch feststellbare Arbeitsbelastung (Schendel                123), hat sich derweil verschärft und vielfach
  2017: 65-71; Stahl et al. 2019) Abhilfe geschaf-              zur Schaffung größerer kirchlicher Einheiten
  fen werden. Damit eng verbunden ist die Per-                  und der Stärkung der mittleren Ebene geführt.
  spektive, dass die Professionalität der verschie-             Jetzt gibt es an vielen Stellen die Kooperati-
  denen Berufe möglichst optimal zum Einsatz                    onsräume, die zurzeit des ROSTA noch etab-
  kommt. Was bei den Pastor*innen die bereits                   liert werden sollten. Auch wenn sie immer
  genannte Seelsorge ist, ist bei den Dia-                      noch Gegenwehr auslöst,12 scheint „überge-
  kon*innen z. B. die Kompetenz für den „Sozial-                meindliche Vernetzung“ (Bedford-Strohm
  raum“ (Albrecht 2019: 49, vgl. 48). Hier werden               2017: 156) jetzt realistischer als damals. Zu-
  z. T. auch berufspolitische Positionierungen                  gleich ist innerkirchlich, aber auch gesamtge-
  deutlich, wenn Pfarrvertretungen mit der                      sellschaftlich das Bewusstsein für die Komple-
  Schaffung von Verwaltungsstellen die Hoff-                    xität gesellschaftlicher Prozesse gewachsen.
  nung auf „mehr Zeit fürs Eigentliche“ verbin-
                                                                So wird bei der aktuellen Literatur zu multipro-
  den (Matthaei 2018: 390)11 oder eine Reprä-
                                                                fessionellen Teams im Bildungsbereich auf die
  sentant*in der diakonisch-gemeindepädago-
                                                                wachsende Komplexität der Herausforderun-
  gischen Berufe das Plädoyer für multiprofessi-
                                                                gen und Aufgaben hingewiesen: Inklusion,
  onelle Teams mit der Hoffnung verbindet, auf
                                                                Ganztagsbetrieb mit Nachmittagsangeboten,
  diese Weise eine aufs Pfarramt zentrierte
                                                                individuelle Förderkonzepte machten, so wird
  „Organisationskultur“ in Richtung einer „Zu-
                                                                betont, den Unterricht „zur gemeinsamen Auf-
  sammenarbeit auf Augenhöhe“ zu verändern
                                                                gabe im multiprofessionellen Team“ (Schäfer
  (Albrecht 2019: 49).
                                                                et al. 2017: 32). In bemerkenswerter Parallelität
                                                                leiten auch Konzepte der Agilität ihre Forde-
  10 Explizit genannt werden hier Gemeindepädagog*innen bzw.
                                                                rung nach „cross-funktionale[n] Teams“ von
     Diakon*innen.
  11 Eine grundlegende Skepsis gegenüber multiprofessionellen    12 Vgl. Gisela Kittels aktuelle Kritik an „Großgebilde[n]“ (Kittel
     Teams findet sich bei Kittel 2020.                             2020).

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  der Beobachtung gestiegener Komplexität ab.        ten Form von entsprechenden Teams (ebd.: 8).
  Die Überzeugung ist hier: „Komplexität kann
                                                     Soweit der Soziologe Armin Nassehi. Sehr ein-
  gemeinsam von verschiedenen Fachpersonen,
                                                     dringlich hat der Theologe Steffen Schramm
  Blickwinkeln und Ebenen bearbeitet werden“,
                                                     solche systemtheoretischen Überlegungen
  am besten in einem „Experimentiermodus“, bei
                                                     aufgegriffen13 und den aktuellen Verände-
  dem am Anfang oft nicht klar ist, „worin das
                                                     rungsprozess der evangelischen Landeskirchen
  gute Ende besteht“ (Levesque/Vonhof 2018:
                                                     analysiert. Er sieht die Kirchen seit den 1990er
  19).
                                                     Jahren auf dem Weg von der „Differenzie-
  Aber worin besteht der Zusammenhang zwi-           rungsphase“ zur „Integrations- und Assoziati-
  schen der vielberufenen Komplexität und der        onsphase“ (Schramm 2015: 476). War die Dif-
  Arbeit in multi- bzw. interprofessionellen         ferenzierungsphase durch das additive Neben-
  Teams? Der Soziologe Armin Nassehi leitet die      einander gemeindlicher und funktionaler Ar-
  Notwendigkeit interprofessioneller Arbeit und      beitsfelder und den „innerkirchlichen Nachbau
  einer entsprechenden „Kompetenz für unter-         gesellschaftlicher Differenzierung“ (Schramm
  schiedliche Logiken“ direkt aus der Komplexi-      2015: 504) geprägt, so ist das Netzwerk das
  tät moderner Systeme ab. Er rekurriert auf die     Paradigma der aktuellen „Integrations- und
  Systemtheorie, der zufolge diese Komplexität       Assoziationsphase“. Das gilt innerkirchlich für
  das Ergebnis der „funktionale[n] Differenzie-      die Vernetzung der einzelnen Arbeitsfelder
  rung“ ist. Zu ihren wesentlichen Kennzeichen       (Integration), aber nicht für die Kooperation
  gehören die „Multiplikation von Perspektiven“      „mit nichtkirchlichen Gruppen/Organisatio-
  und die „gleichzeitige Wechselwirkung“ unter-      nen“ („Assoziation“, ebd.: 523). Für Schramm
  schiedlicher Faktoren, die an die Stelle der       ist der Übergang zur Netzwerkorganisation ein
  „seriellen Kausalität“ tritt (Nassehi 2019: 119;   geeigneter Weg, um angesichts der aktuellen
  vgl. Nassehi 2018: 106-113). Diese Komplexität     Mitglieder- und Ressourcenentwicklung und
  hat nach Nassehi erhebliche Folgen für profes-     einer „erhöhten Umweltdynamik“ (ebd.: 490)
  sionelles Handeln: Anstelle linearer Steuerung     sinnvolle strukturelle Anpassungen vorzuneh-
  verlangen „komplexe Systeme indirekte Steue-       men.
  rungsstrategien“ und ein „Schnittstellen-
                                                     Interessant ist nun, dass Schramm mit ganz
  management“, das nicht durch „Kontrolle“,
                                                     ähnlichen Argumenten wie Nassehi für die
  sondern durch die Fähigkeit zur „Übersetzung“
                                                     Etablierung multiprofessioneller Arbeitsgrup-
  geprägt ist (Nassehi 2016: 5). Damit ist eine
                                                     pen plädiert, und zwar gerade im Bereich der
  „Kompetenz für unterschiedliche Logiken“ ge-
                                                     kirchlichen Leitung. Auch er hält „konsekutiv-
  meint, die Nassehi offensichtlich genauso wie
                                                     lineare“ und versäulte Entscheidungsprozesse
  die interprofessionellen Teams als eine Chance
                                                     für ungeeignet, um unterschiedliche Perspekti-
  versteht, um Komplexität bewusst in das Sys-
                                                     ven zu integrieren (ebd.: 617). Deshalb spricht
  tem zu integrieren (ebd.: 8). Das Ziel ist, die
                                                     er sich für die Bildung multiprofessioneller Ar-
  externe Komplexität bearbeitbar zu machen.
                                                     beitsgruppen aus, die ihre Aufgaben „iterativ-
  Diese Expertise für unterschiedliche Logiken
                                                     zirkulär“ bearbeiten (ebd.: 629) und so der er-
  und „Perspektivendifferenz“ ist deshalb rele-
                                                     höhten Umweltdynamik gerecht werden sol-
  vant, weil nach Nassehi „alle gesellschaftlichen
                                                     len. Solche „multiprofessionellen Crews“
  Themen mehrfachcodiert“, also durch unter-
                                                     schlägt er aber auch für die operative Arbeit, z.
  schiedliche Perspektiven geprägt sind (ebd.: 8
                                                     B. in den funktionalen Diensten, vor (ebd.:
  u. 5). Darum geht der Soziologe schließlich so-
                                                     782). Das Ziel ist, so den Abschied vom
  weit, den Abgesang auf die „alte[n] Eliten“ an-
                                                     „Einzelkämpfertum[.] des Parochialmodells“
  zudeuten: Als „versäulte Teileliten“ von Ex-
                                                     und vom rein „funktionalen Spezialistentum“
  pert*innen mit „genaue[m] Entscheidungswis-
                                                     einzuleiten. Ausdrücklich hält Schramm fest,
  sen“ werden sie der aktuellen Komplexität
                                                     dass zu diesen „Crews“ auch Ehrenamtliche
  kaum noch gerecht. Er lässt keinen Zweifel da-
                                                     gehören können (ebd.).
  ran, dass der Interprofessionalität die Zukunft
  gehört – als Haltung und auch in der konkre-
                                                      13 Unter Rückgriff auf das St. Galler Managementmodell.

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  Diese Vorschläge machen deutlich: Der Ge-                        Ev. Kirche im Rheinland und in die Ev. Kirche
  danke multiprofessioneller Kooperation birgt                     von Westfalen. Hierbei handelt es sich um
  erhebliches Innovationspotential, das gilt für                   Strukturen optionaler, also freiwilliger Koope-
  Kirchenämter und Konsistorien genauso wie                        ration. Das älteste noch praktizierte Modell
  für die operative Ebene an der kirchlichen Ba-                   multi- bzw. interprofessioneller Zusammenar-
  sis. Darum lohnt sich ein Blick auf die Gliedkir-                beit ist das Gemeinsame Pastorale Amt
  chen der EKD: Welche Regelungen und Projek-                      (GPA), das 2005 in der Ev. Kirche im Rheinland
  te multi- bzw. interprofessioneller Zusammen-                    eingeführt wurde. Mit diesem Konzept wurden
  arbeit gibt es aktuell?                                          Impulse des bereits erwähnten ROSTA aufge-
                                                                   griffen und weiterentwickelt; die in den 1990er
  Ein Blick in die EKD-Gliedkirchen:                               Jahren formulierte Idee galt der „Integration
                                                                   des Pfarramtes ins gesamte Mitarbeitergefü-
  Welche Konzepte gibt es?
                                                                   ge“. Das erklärte Ziel war, durch die „konzilia-
  Bereits eine oberflächliche Internetrecherche14                  re“ Bündelung der „Vielfalt von Kompetenzen“
  ergibt, dass fast alle Gliedkirchen der EKD das                  die gemeindliche Arbeit so zu fördern, um
  Thema der multi- bzw. interprofessionellen                       dem Kontext einer „differenzierten und hoch
  Zusammenarbeit „auf dem Schirm“ haben.15 In                      spezialisierten Gesellschaft“ gerecht zu werden
  vielen Gliedkirchen wird diese Form der Zu-                      (EKiR 2005c, zit. nach Ruddat 2009: 51). Konk-
  sammenarbeit als relevantes Zukunftsthema                        ret ist das GPA, das 2005 nach einer Testphase
  diskutiert; das reicht von eher allgemeinen An-                  per Kirchengesetz etabliert wurde, eine Struk-
  regungen und Überlegungen16 bis zur konkre-                      tur zur gleichberechtigten Teamarbeit von
  teren Ankündigung von entsprechenden Expe-                       Pfarrer*innen und Mitarbeiter*innen mit diako-
  rimenten.17 Für unseren Zusammenhang sind                        nisch-gemeindepädagogischer Qualifikation
  allerdings die Konzepte relevant, in denen die                   (Diakon*innen, Gemeindehelfer*innen18, Ge-
  multi- bzw. interprofessionelle Zusammenar-                      meindepädagog*innen), siehe Abbildung 1.
  beit bereits ganz konkrete Gestalt gefunden                      Diese Teams sind mit „Aufgaben des Pfarram-
  hat. Entsprechende Konzepte liegen inzwi-                        tes aus den Bereichen Verkündigung, Seelsor-
  schen aus einer Reihe von Gliedkirchen vor;                      ge, Bildung, Diakonie oder Leitung beauftragt“
  einige dieser Konzepte gehen tatsächlich noch                    und leiten „in Gemeinschaft mit den anderen
  auf Anregungen der Kirchenreform aus den                         Mitgliedern des Presbyteriums […] die Kirchen-
  1970er Jahren zurück. Es lohnt sich, einen ge-                   gemeinde.19 Dabei können auch Mitarbeiten-
  naueren Blick auf einige besonders markante                      de, die nicht Pfarrer*innen sind, die Leitung
  Projekte und Strukturen zu werfen. Auf diese                     des Presbyteriums, also des gemeindeleiten-
  Weise kann auch eine Typologie aktueller mul-                    den Gremiums, übernehmen (Kirchengesetz
  ti- bzw. inter- oder auch transprofessioneller                   über das Gemeinsame Pastorale Amt, § 6 (2)).
  Zusammenarbeit gewonnen werden.                                  Bemerkenswert ist noch, dass diese Mitarbei-
                                                                   tenden aus dem diakonisch-gemeindepädago-
  Strukturen freiwilliger Kooperation: das Ge-                     gischen Bereich für die Zeit ihres Einsatzes in
  meinsame Pastorale Amt und das Pilotpro-                         einem GPA eine Gehaltsanhebung erhalten.20
  jekt „Interprofessionelle Teams“
                                                                   Dieses Konzept des GPA war bei seiner Etab-
  Die ersten beiden Beispiele führen uns in die                    lierung ausdrücklich mit einer „multiprofes-
  14 Onlinerecherche nach den Stichworten: „multiprofessionell /   sionell[en]“ Intention verbunden (EKiR 2005a:
     interprofessionell / transprofessionell“ in Verbindung mit    441). Dies entsprach nicht nur der Einsicht in
     den Namen der 20 EKD-Gliedkirchen. In Verbindung mit          die Überlegenheit „multiprofessioneller
     dem Stichwort „transprofessionell“ gab es keinen Treffer.
     (Stand 07.09.2020).                                           18 Heute: Mitarbeitende mit missionarischer Ausbildung (Hin-
  15 Nur fünf Gliedkirchen weisen bei der sicher nicht erschöp-      weis Nicole Ganss, Referentin für Mitarbeitende in der EKiR,
     fenden Recherche keine Ergebnisse auf.                          07.09.2020).
  16 Hannover, Nordkirche.                                         19 Neufassung 2020: EKiR 2020: LS 2020 Drucksache 5, § 1 (1).
  17 Oldenburg https://www.kirche-oldenburg.de/kirche-             20 Anhebung auf Gehaltsgruppe 12 (Allgemeiner Entgeltgrup-
     gemeinden/synode/1248-synode/donnerstag-21-november-            penplan zum BAT-KF, Anlage 1, www.kirchenrecht-
     2019.html#c41205 (Stand 07.09.2020)                             ekir.de/document/3880).

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  Abbildung 1: Ev. Kirche im Rheinland: Gemeinsames Pastorales Amt. Quelle: Verfasser

  Teams“ (EKiR 2005a: 449), sondern auch be-                          tung für nichtordinierte Berufsgruppen geöff-
  stimmten theologischen Prämissen (Pfarramt                          net; die Rede ist von Gemeindemanager*innen
  als „gemeinsam aufgetragene[r] Zeugnis-                             oder Personen, die „multiplikatorische Ehren-
  dienst“, Hierarchieverzicht nach Barmen IV; vgl.                    amtskoordination“ übernehmen. Mit dieser
  Kirchengesetz über das Gemeinsame Pastorale                         Änderung sollten Kirchengemeinden „größere
  Amt, Präambel). Umso bemerkenswerter ist,                           Variationsmöglichkeiten“ eingeräumt werden
  dass die Teams in der Konzeption von 2005                           (EKiR 2020b: 5 f.).
  auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt wur-
                                                                      Das GPA ist ein interessantes Modell multipro-
  den, nämlich auf die Pfarrer*innen und ordi-
                                                                      fessioneller Kooperation, das nach wie vor auf
  nierte Angehörige der diakonisch-gemeinde-
                                                                      Freiwilligkeitsbasis operiert (Beschlussfassung
  pädagogischen Berufe. Hier war es die im
                                                                      durch Presbyterium nach Anhörung durch Ge-
  Rheinland übliche Ordinationspraxis, die die
                                                                      meindeversammlung). Durch die aktuelle Wei-
  „Gleichrangigkeit“ im gemeinsamen Pfarramt
                                                                      terentwicklung ist der Weg zu einer tatsächlich
  ermöglichte. Diese Engführung auf ordinierte
                                                                      multiprofessionellen Ausgestaltung geschaffen
  Mitarbeitende wurde Anfang 2020 im Zuge
                                                                      worden, die auch neueren Berufsprofilen of-
  einer „Weiterentwicklung“ des GPA revidiert
                                                                      fensteht21 und sie in eine weithin gleichbe-
  (EKiR 2020b: 5): Nach der aktuellen Fassung
                                                                      rechtigte Zusammenarbeit einbezieht. Konzep-
  des entsprechenden Kirchengesetzes ist die
                                                                      tion und dokumentierte Praxis gehen in Rich-
  Ordination nur noch die Voraussetzung für die
                                                                      tung einer interprofessionellen Arbeit, bei der
  Mitarbeit in den Bereichen Verkündigung und
                                                                      sich die Kompetenzen tatsächlich auch über-
  Seelsorge (Kirchengesetz über das Gemeinsa-
  me Pastorale Amt, § 2 [2] neu). Dagegen wer-                         21 Nach der aktuellen Regelung ist eine kirchliche, etwa ge-
  den die Bereiche Bildung, Diakonie und Lei-                            meindepädagogische oder diakonische, Ausbildung nicht
                                                                         mehr erforderlich (Auskunft Nicole Ganss, EKiR, 07.09.2020).

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  Abbildung 2: Ev. Kirche in Westfalen: Pilotprojekt „Interprofessionelle Teams“. Quelle: Verfasser

  schneiden (vgl. Pohl            2016: 24; EKiR 2005a:                   eine entsprechende Änderung des Verständ-
  448). Wenn dabei               bestehende Pfarrrollen                   nisses des Pfarramts zu öffnen. Dieser Benefit
  überschritten werden,          lässt sich auch von einer                dürfte durch die aktuelle Öffnung für weitere
  transprofessionellen           Zusammenarbeit spre-                     Berufe gesteigert worden sein.24
  chen.
                                                                          Ein weiteres optionales Modell interprofessio-
  Zurzeit gibt es in der Ev. Kirche im Rheinland                          neller Zusammenarbeit stammt aus der Ev. Kir-
  elf Kirchengemeinden, die nach dem Modell                               che von Westfalen. Seit 2016 wurde hier ein
  GPA arbeiten.22 Damit ist dieses Modell eine                            Pilotprojekt „Interprofessionelle Teams“
  Option, die nur von einer Minderheit der 668                            aufgelegt (siehe Abbildung 2). Das erklärte Ziel
  Kirchengemeinden in der EKiR gewählt wurde                              ist, „zukunftsfähige Formen der Zusammenar-
  (EKiR 2020a: 22). Dieses Modell setzte bis zur                          beit zwischen dem Pfarrdienst und den ande-
  aktuellen Neugestaltung eine entsprechende                              ren Ämtern und Diensten der Kirche zu erpro-
  Gemeindegröße und Personalausstattung                                   ben“ (EKvW 2017c: 2).25 Zwei Ausgangspunkte
  (mindestens eine ganze Pfarrstelle plus x wei-                          für diese Erprobungen werden skizziert. Der
  tere Stellenanteile)23 voraus. Wichtiger für die                        erste Ausgangspunkt ist die Vakanz einer
  Akzeptanz dürfte aber der erwartete Benefit
                                                                           24 Fünf der elf GPAs wurden in den vergangenen drei Jahren
  sein – und die kulturelle Bereitschaft, sich für                           eingerichtet. In diesem Jahr kam es bislang zu keiner Neuein-
  22 Auskunft Ganss, EKiR, 07.09.2020.                                       richtung, aber zu mehreren Anfragen (Auskunft Ganss, EKiR,
  23 Nach der Gesetzesänderung von 2020 wurde auch die Er-                   07.09.2020).
     richtung eines GPA ermöglicht, wenn eine Gemeinde nur                 25 Inzwischen ist geplant, das Projekt in den „Regelbetrieb“ zu
     über eine halbe Pfarrstelle verfügt (Kirchengesetz über das             überführen (Auskunft Pfr. Michael Westerhoff, Ev. Kirche von
     Gemeinsame Pastorale Amt, § 2 [4] neu).                                 Westfalen, 01.09.2020).

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  Pfarrstelle: Wenn eine Pfarrstelle mangels Be-    die Entwicklung bei den Gemeindepäda-
  werber*innen absehbar nicht wiederbesetzt         gog*innen immer noch durch eine gewisse
  werden kann oder aufgrund veränderter             „demografische Stabilität“ geprägt, und gera-
  Schwerpunkte nicht wiederbesetzt werden soll,     de diese Stabilität wird als „besondere Chance
  können die Personalmittel für „eine andere        für die Entwicklung von Teams und Dienstge-
  Berufsgruppe verwendet“ werden (ebd.: 3). Der     meinschaften“ herangezogen (ebd.: 44). Damit
  zweite Ausgangspunkt ist die konzeptionelle       laufen in der Begründung für das Pilotprojekt
  Neuaufstellung eines Arbeitsbereichs: „Zusätz-    zwei unterschiedliche Argumentationen ne-
  lich zu bereits vorhandenen Pfarrstellen oder     beneinanderher. Auf der einen Seite steht die
  anderen Stellen“ kann dann die Zusammenset-       demographische Entwicklung, die den ver-
  zung des Teams durch eine Stellenbesetzung        stärkten Einsatz von diakonisch-gemeindepä-
  interprofessionell verändert bzw. erweitert       dagogischen Mitarbeitenden in solchen inter-
  werden (ebd.). In beiden Fällen sind einzelne     professionellen Teams nahelegt. Auf der ande-
  oder mehrere Kirchengemeinden im Blick; im        ren Seite steht eine inhaltliche Argumentation,
  Unterschied zum GPA wird hier also die Ko-        die einen „neuen Personalmix“ begrüßt, „in
  operation von Kirchengemeinden explizit er-       dem jede Berufsgruppe ihre Fachlichkeit zur
  wähnt. Interessant ist zudem, welche Gruppen      Stärkung der Aufgabenerfüllung und der
  als mögliche Partner*innen für die Teambil-       Dienstgemeinschaft einbringt, wie sie in Bar-
  dung genannt werden. Genauso wie bei der          men IV beschrieben ist“ (ebd.: 43). Hier zeigen
  Aktualisierung des GPA ist das Konzept nicht      sich Spannungen, die der aktuellen Situation
  nur auf die Pfarrer*innen und diakonisch-         geschuldet sind. Im Sinne einer breiten Spanne
  gemeindepädagogischen Mitarbeiter*innen           von Pilotprojekten und Arbeitsformen er-
  beschränkt; vielmehr werden hier auch             scheint jedoch zweierlei sinnvoll: eine aus-
  „Angehörige[.] weiterer Berufsgruppen“ und        drückliche Ermutigung zur stärkeren Diversifi-
  Ehrenamtliche erwähnt (ebd.).                     zierung der Teams (weitere Berufsgruppen,
                                                    Ehrenamtliche) sowie eine deutlichere Operati-
  Auch wenn hier für die Entwicklung der Teams
                                                    onalisierung des Konzepts interprofessioneller
  ein weiter Raum eröffnet wird, zeigt die bishe-
                                                    Zusammenarbeit (eine erste Definition liegt
  rige Erfahrung, dass die Kooperation von Pfar-
                                                    bislang nur unveröffentlicht vor, EKvW 2020:
  rer*innen und diakonisch-gemeindepädagogi-
                                                    2).
  schen Mitarbeiter*innen im Vordergrund steht.
  In zwölf von 14 Teams, die zurzeit im Rahmen      Der Vergleich der beiden Projekte zeigt: Als
  des Projekts begleitet werden (Stand August       Pilotprojekt sind die „interprofessionellen
  2020), „arbeiten Gemeindepädagoginnen und         Teams“ deutlich offener konturiert als das
  Gemeindepädagogen mit stärker verkündigen-        GPA. Als Gestaltungsmöglichkeit ist die Team-
  den und seelsorgerlichen Schwerpunkten“. In       rolle für Ehrenamtliche genauso im Blick wie
  zwei weiteren Projekten „werden die Pfarrper-     die Kooperation zwischen Gemeinden; damit
  sonen durch sog. ,Gemeindemanagerinnen            ist auch der Horizont der aktuellen Struktur-
  bzw. -managerʻ mit stärker organisatorischen      veränderungen präsent. In das Statusgefüge
  Aufgaben ergänzt“ (EKvW 2020: 3).                 der Mitarbeitenden wurde bislang nicht ein-
                                                    griffen; jedoch zeigt eine erste Evaluation, dass
  Diese Zusammensetzung der Teams geht in
                                                    unter anderem bei der Mitgliedschaft in Lei-
  jedem Einzelfall auf konzeptionelle Überlegun-
                                                    tungsgremien und bei der Anpassung von ta-
  gen zurück (ebd.: 3). Allerdings zeigt die Vor-
                                                    riflichen Eingruppierungen Klärungsbedarf be-
  geschichte des Pilotprojekts, dass den Ge-
                                                    steht (EKvW 2020: 4). Dagegen gehörte der
  meindepädagog*innen in der Personalplanung
                                                    Hierarchieabbau von vornherein zu den be-
  der Ev. Kirche in Westfalen eine besondere
                                                    sonderen Merkmalen des GPA; dieses Konzept
  strategische Rolle zukommt. Während die Kir-
                                                    hat jedoch auch nach seiner Revision aus-
  chenleitung gerade für die ländlichen Räume
                                                    schließlich berufliche Mitarbeiter*innen vor
  „Engpässe der Versorgung mit Pfarrerinnen
                                                    Augen.
  und Pfarrern“ erwartet (EKvW 2017b: 19), ist

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  Obligatorisch in der Gemeinde, fakultativ in                         gemeindliche Ebene. Der Kern einer solchen
  der Region: die Dienstgruppen der Ev. Kir-                           Dienstgruppe sind die Gemeindepfarrer*innen
  che in Baden                                                         und Gemeindediakon*innen, aber ähnlich wie
                                                                       beim GPA ist auch hier die Erweiterung um
  Während die beiden Modelle aus Westfalen
                                                                       andere Mitarbeiter*innen möglich, jedenfalls
  und dem Rheinland optional ausgelegt sind,
                                                                       dann, wenn sie auf landeskirchlichen Stellen
  weist das Modell der Dienstgruppen, das 2014
                                                                       arbeiten. Im Blick sind hier Kirchenmusi-
  in Ev. Kirche in Baden eingeführt wurde, eine
                                                                       ker*innen, Seelsorger*innen in Krankenhäusern
  deutlich höhere Verbindlichkeit auf (siehe Ab-
                                                                       oder Gefängnissen oder Religionslehrer*innen
  bildung 3). Die Regelung sieht vor, „dass im-
                                                                       (EKiBa 2017: 12). Hier wird über das Konzept
  mer dann, wenn mehrere Personen auf Pfarr-
                                                                       der Dienstgruppen eine Verzahnung von paro-
  oder Gemeindediakonenstellen in der Gemein-
                                                                       chialer und funktionaler Arbeit möglich, die
  de tätig sind, automatisch eine sog. Dienst-
                                                                       nach dem Willen der Landeskirche künftig
  gruppe der Beteiligten entsteht“ (EKiBa 2017:
                                                                       noch verstärkt werden soll (Landesbischof Cor-
  11). Dagegen ist die Einrichtung überparochia-
                                                                       nelius-Bundschuh in EKiBa 2018: 14). Damit
  ler (also gemeindeübergreifender) Dienstgrup-
                                                                       geht dieses Modell einen Schritt weiter als das
  pen oder von Dienstgruppen auf Ebene eines
                                                                       Pilotprojekt der Ev. Kirche in Westfalen, indem
  Kirchenbezirks fakultativ, also in Form einer
                                                                       auf Ebene der Mitarbeitenden die Versäulung,
  Kann-Bestimmung geregelt (Rechtsverord-
                                                                       also das Silodenken zwischen den verschiede-
  nung zur Zusammenarbeit in Dienstgruppen,
                                                                       nen Arbeitsformen, aufgelöst werden soll.
  §§ 4 u. 6).
                                                                       Interessant sind auch die Regelungen zur Auf-
  Was sind die Aufgaben einer solchen Dienst-
                                                                       gabenverteilung. Ein gemeinsamer Dienstplan
  gruppe, und wie ist sie zusammengesetzt? Am
                                                                       soll sich an den „spezifischen Berufsprofile[n]
  detailliertesten sind die Regelungen für die

 Abbildung 3: Ev. Kirche in Baden: das Modell der Dienstgruppen. Quelle: Verfasser

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  und -kompetenzen der beteiligten Mitglieder“                   Übertragung von Assistenz- bzw. Geschäfts-
  orientieren, aber zugleich eine abgestimmte                    führungsaufgaben an professionelle Kräfte, um
  Arbeit ermöglichen (Dienstgruppen-RVO, § 7                     die Pfarrer*innen und Gemeindepäda-
  (1)). Aufgabenbereiche, die gesondert geregelt                 gog*innen für ihre Kerntätigkeiten zu entlasten
  sind, sind die Pfarramtsverwaltung sowie die                   (Landesbischof Cornelius-Bundschuh in EKiBa
  Koordination und Organisation der Dienst-                      2018: 14). Hier zeichnet sich eine weitere Pro-
  gruppe. Während die letztgenannte Aufgabe                      fessionalisierung ab. Damit sind wir bei einem
  „turnusgemäß zwischen allen Mitgliedern der                    Kennzeichen des Dienstgruppenmodells: Es ist
  Dienstgruppe wechselt“ (EKiBa 2017: 18), liegt                 auf die beruflichen Mitarbeiter*innen bezogen;
  die Pfarramtsverwaltung bei den Pfarrperso-                    eine mögliche Rolle von Ehrenamtlichen in den
  nen bzw. bei den Gemeindediakon*innen. Da-                     Dienstgruppen wird nicht thematisiert.
  bei wird die Pfarramtsverwaltung sehr weit ge-
  fasst: Sie beinhaltet nicht nur die konkreten                  Multiprofessionelle Zusammenarbeit als
  Verwaltungsaufgaben, sondern auch konkrete                     Teil der Kirchenentwicklung: Beispiele aus
  Aufgaben der Leitung (Vorgesetztenfunktion                     den Kirchen in Bayern und Anhalt
  für Sekretariatskräfte) und Repräsentation                     Abschließend sollen hier noch zwei Beispiele
  („Ansprechpartner des Pfarramtes in der Öf-                    vorgestellt werden, in denen die multiprofessi-
  fentlichkeit“ und gegenüber kirchlichen Mitar-                 onelle Zusammenarbeit ganz dezidiert als Teil
  beitenden) (Dienstgruppen-RVO, § 9).                           der Kirchenentwicklung konzipiert ist. Das ers-
  Dieses Modell der Dienstgruppen steht in der                   te Beispiel stammt aus der Ev.-luth. Kirche in
  Tradition der multiprofessionellen Arbeit, die                 Bayern. Hier ist der Berufsbildprozess
  in der Ev. Kirche in Baden seit den 1970er Jah-                „Miteinander der Berufsgruppen“ (MdB) in-
  ren praktiziert wird. Aktuell gibt es in der be-               teressant, der schließlich eine enge Verzah-
  treffenden Kirche ca. 200 parochiale Dienst-                   nung mit dem Kirchenentwicklungsprozess
  gruppen, „die überparochialen sind gerade                      „Profil und Konzentration“ (PuK) erfahren hat
  erst am Entstehen“.26 Bemerkenswert an die-                    (siehe Abbildung 4). Der Berufsbildprozess
  sem Konzept ist, dass es auf Gemeindeebene                     wurde 2016 im Anschluss an den Pfarrbildpro-
  eine verbindliche Kooperationsstruktur etab-                   zess der Ev.-luth. Kirche in Bayern gestartet
  liert, die offen für gemeindliche Kooperations-                (Bubmann 2019: 147). Der Kirchenentwick-
  strukturen und die Verzahnung von parochia-                    lungsprozess PuK startete etwa zeitgleich, und
  ler und funktionaler Arbeit ist und es zugleich                in beiden Prozessen spielt die Arbeit multipro-
  ermöglicht, dass Gemeindepädagog*innen als                     fessioneller Teams eine wesentliche Rolle.
  potentielle Gesichter der Gemeinde bzw. des                    Wie wird die multiprofessionelle Arbeit hier
  Pfarramts fungieren. Das erinnert an das GPA                   profiliert? Kennzeichnend für den Kirchenent-
  der Ev. Kirche im Rheinland, wo das Pfarramt                   wicklungsprozess PuK ist, dass er die kirchliche
  ebenfalls als gemeinsame Aufgabe verschiede-                   Organisation und ihre Ressourcen strikt auf
  ner Berufsgruppen verstanden wird.                             den Auftrag der Kirche und die Lebensräume
  Allerdings ist der mit den Dienstgruppen in-                   und die Lebenssituation der Menschen aus-
  tendierte Prozess noch längst nicht abge-                      richten möchte (ELKB 2019a: 6). Um in den Le-
  schlossen. Das gilt nicht nur in Bezug auf die                 bensräumen der Menschen, im Sozialraum,
  überparochiale Zusammenarbeit, sondern of-                     relevant präsent zu sein, soll das kirchliche
  fensichtlich auch mit Blick auf die Kooperation                Handeln in „Handlungsräumen“27 organisiert
  in den bestehenden Dienstgruppen. Hier                         werden, die „nicht mit den bisherigen Pla-
  scheint die „Klärung von Zuständigkeit und
  Verantwortung“ eine bleibende Aufgabe zu                       27 Heute wird die Formulierung in der Ev.-luth. Kirche in Bayern
  sein, damit die Arbeit in „multiprofessionellen                  so verstanden, dass die Handlungsräume nicht zwangsläufig
  Dienstgruppen“ als „hilfreich und entlastend“                    mit den bisherigen Planungsgrößen übereinstimmen müs-
                                                                   sen. Vor Ort soll die Freiheit gegeben werden, das kirchliche
  erlebt wird. In der Diskussion ist außerdem die
                                                                   Leben so zu gestalten, dass es den ggf. veränderten Lebens-
                                                                   situationen besser entspricht (schriftliche Auskunft aus dem
  26 Schriftliche Auskunft KR Dr. Jörg Augenstein, 01.08.2019.     Projektbüro PuK, 03.09.2020).

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  Abbildung 4: Ev. Kirche in Bayern: Multiprofessionalität in den Prozessen MdB und PUK. Quelle: Verfasser, tw. nach ELKB 2019a: 5

  nungsgrößen (Regionen, Subregionen, Deka-                             chen Auftrag und beim Sozialraumbezug hat
  natsbezirken) übereinstimmen“ müssen (ELKB                            für das Arbeiten in multiprofessionellen Teams
  2017: 15). Diese Handlungsräume sollen PuK                            klare Konsequenzen; das zeigen auch die wei-
  zufolge der Aktionsraum von multiprofessio-                           teren Überlegungen aus dem PuK-Prozess und
  nellen Teams sein: „In Handlungsräumen ar-                            dem Berufsbildprozess MdB. Ein abgestimm-
  beiten multiprofessionelle Teams. Die Zusam-                          tes, vernetztes Arbeiten in den Handlungsräu-
  mensetzung der Professionen richtet sich nach                         men ist selbstverständlich; entsprechende
  den Erfordernissen der Handlungsräu-                                  „Kompetenzen und Qualifikationen“ sollen ge-
  me“ (ebd.: 18). Klar wird gerade mit Blick auf                        fördert und durch „Zielvereinbarungen“ abge-
  ländliche Regionen oder die Diasporasituation                         sichert werden (ELKB 2019a: 55). Geklärt wer-
  formuliert: „Rein pfarrerzentriertes Denken                           den sollen die Qualifikationen „für die Leitung
  führt in Aporien“. Zugleich wird der Blick auf                        von (multi-)professionellen Teams in Pfarreien
  das Engagement von Ehrenamtlichen geöffnet:                           (Gestaltungsräumen), Dekanatsbezirken und
  „Es wird zu klären sein, inwieweit                                    Einrichtungen und Diensten“ (ebd.: 57). Hier
  das ,vereinbarte Ehrenamtʻ hier planungs- und                         wird deutlich, dass an einer bestimmten Kultur
  gestaltungsrelevant werden könnte“ (ebd.:                             der Zusammenarbeit gearbeitet werden soll.
  18).28                                                                Dazu gehört auch das Plädoyer für berufsüber-
                                                                        greifende Ausbildungsmodule sowie für die
  Der hier durchgeführte Ansatz beim kirchli-
                                                                        Entwicklung von „Modellen“ gelingender Ko-
                                                                        operation in multiprofessionellen Teams (ebd.:
  28 Vereinbartes Ehrenamt bedeutet hier: eine ehrenamtliche
     Tätigkeit, die mit Rechten und Pflichten einen festen Platz in
                                                                        56).
     den kirchlichen Strukturen hat (z. B. als Prädikant*in) (Schmid    Ein weiterer Strang der Überlegungen geht
     2019).

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  von der Bedarfsraumorientierung aus: Die bis-                           bunden. Multiprofessionalität wird als Quer-
  herige Versäulung der unterschiedlichen Be-                             schnittsthema wahrgenommen; das reicht von
  rufsgruppen soll wenigstens partiell flexibili-                         der Ausbildung über die Arbeit in den Gestal-
  siert werden; für 20 % der Stellen wird eine                            tungsräumen bis zur multiprofessionalen Ge-
  „berufsübergreifende Ausschreibung und Be-                              staltung von „Transformationsprozes -
  setzung“ vorgeschlagen (ebd.: 61). Zudem soll                           sen“ (ELKB 2019b: 31). Dabei geht die Perspek-
  es möglich sein, bei der langfristigen Vakanz                           tive auch über die beruflichen Mitarbeitenden
  von Stellen nicht nach Berufsgruppe, sondern                            hinaus und nimmt ausdrücklich Ehrenamtliche
  nach „Qualifikation und dem Berufsprofil“ zu                            in den Blick. Die Versäulung der Berufsgrup-
  besetzen (ELKB 2017: 19). In solchen Öff-                               pen soll nicht nur durch die Kooperation im
  nungsklauseln schlägt sich – ähnlich wie in der                         Team, sondern auch durch überberufliche
  Ev. Kirche von Westfalen – freilich auch die                            Stellenausschreibung und die Möglichkeit zum
  absehbare demographische Entwicklung nie-                               beruflichen Spurwechsel durchbrochen wer-
  der (vgl. ELKB 2019a: 60). Zudem zeigt sich der                         den. Damit zeigt sich die Möglichkeit einer
  Wunsch nach einer Flexibilisierung beruflicher                          transprofessionellen Personalentwicklung und
  Versäulung darin, dass „verschiedenste, auch                            eines entsprechenden Personaleinsatzes.
  berufsübergreifende Weiterqualifizierungswe-
                                                                          Kennzeichnend für alle diese Überlegungen
  ge“ eröffnet werden sollen (ebd.: 61); hier wird
                                                                          ist, dass sie im Unterschied zu den meisten
  die Öffnung für berufsbiografische Spurwech-
                                                                          anderen Konzepten nicht bei konkreten Struk-
  sel und damit ebenso wie bei der berufsüber-
                                                                          turen ansetzen, sondern eine Kultur im Blick
  greifenden Ausschreibung eine transprofessio-
                                                                          haben. Sie soll sich auf allen kirchlichen Ebe-
  nelle Offenheit deutlich.
                                                                          nen (weiter-)entwickeln, bedarf dazu natürlich
  Soweit die Vorschläge und Anregungen aus                                der strukturellen Abstützung.
  beiden Prozessen. Auch wenn PuK ein längst
                                                                          Ein zweites Modell, das multiprofessionelle
  noch nicht abgeschlossener Zukunftsprozess
                                                                          Zusammenarbeit als festen Bestandteil der Kir-
  ist, zeigen die Vorschläge im Vergleich zu den
                                                                          chenentwicklung konzipiert, ist das Verbund-
  bisher skizzierten Kooperationsmodellen aus
                                                                          system der Evangelischen Landeskirche in An-
  anderen Gliedkirchen ein spezifisches Profil:
                                                                          halt, siehe Abbildung 5. In dieser Landeskirche
  Hier wird die Arbeit in multiprofessionellen
                                                                          hat die Synode 2018 einen umfassenden
  Teams programmatisch mit einer auftrags-
                                                                          „Transformationsprozess“ eingeleitet (ELA
  und sozialraumorientierten Ausrichtung ver-
                                                                          2019b), der die Schaffung von gemeindlichen
                                                                                Arbeitsgemeinschaften und „Mitarbeiter-
                                                                                verbünden“ vorsieht. Mit den Arbeitsge-
                                                                                meinschaften, zu deren Bildung die auto-
                                                                                nom bleibenden Kirchengemeinden ein-
                                                                                geladen sind, soll die bisherige Regiona-
                                                                                lisierung fortgesetzt werden. In diesen
                                                                                Arbeitsgemeinschaften sollen die Mitar-
                                                                                beiterverbünde arbeiten, die von vornhe-
                                                                                rein multiprofessionell gedacht sind und
                                                                                „zu denen jeweils die Bereiche Pfarr-
                                                                                dienst, Gemeindepädagogik, Kirchenmu-
                                                                                sik, Verwaltung und Diakonie gehören“
                                                                                sollen (ELA 2017b).
                                                                               Bei der Bildung dieser Arbeitsgemein-
                                                                               schaften wird genauso wie bei der Etab-
                                                                               lierung der Mitarbeiterverbünde auf Frei-
                                                                               willigkeit gesetzt (ELA 2017a). Aber zu-
                                                                               gleich ist klar, dass für die Ev. Kirche in
 Abbildung 5: Verbundsystem der Ev. Kirche in Anhalt. Quelle: Verfasser

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  Anhalt von der möglichst flächendeckenden          Mit diesem Modell liegt ein ambitioniertes
  Einführung dieses Modells viel abhängt. Das        Konzept vor: Geplant ist, dass bis zum Jahr
  multiprofessionelle Verbundsystem soll ein         2025 25 Arbeitsgemeinschaften gebildet wer-
  grundlegendes Umsteuern der Kirche einleiten       den – bei aktuell 133 Kirchengemeinden in der
  und einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Zu-        Ev. Kirche in Anhalt (ELA 2017b). Die Besonder-
  kunftssicherung leisten. Ausgangspunkt sind        heit dieses Konzepts besteht in mehreren
  nicht nur die „Grundsatzfragen nach der lang-      Punkten. Hier soll die aktuelle Entwicklung bei
  fristigen Finanzierbarkeit“ kirchlicher Arbeit     den Mitarbeitenden nicht defensiv kompen-
  (ELA 2017a: 1), sondern vor allem auch die         siert werden, sondern strategisch zur gezielten
  Probleme beim jetzigen Personaleinsatz             Veränderung des kirchlichen Personalmix ge-
  („Überforderung“, „Einsamkeit“ und mangeln-        nutzt werden. Für diesen Personalmix wird ei-
  de Kooperation der beruflichen Mitarbei-           ne klare Vorgabe gemacht, die über die Forde-
  ter*innen) (ELA 2017b). Die ruhestandbeding-       rung nach Verwaltungshilfe deutlich hinaus-
  ten Personalveränderungen der kommenden            geht. Mit dem Aufbau einer professionellen
  Jahre bis 2025 sollen genutzt werden, um den       Gemeindediakonie sollen Chancen im Sozial-
  Personalmix gezielt zu verändern: Eine             raum genutzt werden. Die Teambildung in den
  „spürbare Reduzierung des Pfarrpersonals“          Mitarbeiterverbünden soll der beklagten Ver-
  würde so mit einem „moderaten Aufwuchs im          einsamung der Mitarbeitenden entgegenwir-
  Bereich der Kirchenmusik und Gemeindepäda-         ken. Zugleich deutet sich im Konzept eine Auf-
  gogik“ einhergehen. Große Hoffnungen rich-         gabenteilung zwischen beruflichen und ehren-
  ten sich jedoch vor allem auf die „völlige Neu-    amtlichen Mitarbeitenden an: Während die
  findung der Gemeindediakonie“. Dieser Ar-          beruflichen Mitarbeitenden als Angestellte der
  beitsbereich soll neu aufgebaut werden, evtl.      Gesamtkirche auf Ebene der Arbeitsgemein-
  auch „mit möglichen Refinanzierungen durch         schaften zum Einsatz kommen sollen, obliegt
  öffentliche Gelder“ (ELA 2017a: 2), und als le-    den Gemeindekirchenräten eine spezielle Ver-
  bensbegleitende und aufsuchende „Diakonie          antwortung für das geistliche Leben auf Ge-
  in der Gemeinde“ etabliert werden (2019a: 7).      meindeebene. Damit wird – noch über das
  Die Hoffnung ist, mit dieser Form von Diakonie     Konzept PuK hinausgehend – das Ehrenamt
  „stärker auch in den säkularen Raum hinein[zu]     strategisch in die Kirchenentwicklung einbezo-
  wirken“ (ELA 2017b).                               gen. Noch zu entfalten ist allerdings die kon-
                                                     krete Gestalt, die die multiprofessionelle Zu-
  Über konkrete Kooperationsformen der Teams
                                                     sammenarbeit finden soll.29 Darum ist gegen-
  wurde noch wenig veröffentlicht. Angestrebt
                                                     wärtig auch nicht ersichtlich, inwieweit hier
  wird in jedem Fall „eine engere Zusammenar-
                                                     eine Entwicklung in Richtung einer interprofes-
  beit von Mitarbeitenden verschiedener kirchli-
                                                     sionellen Arbeit im Blick ist.
  cher Berufsgruppen“ (ELA 2017b) und damit
  die Entlastung durch die Verwaltungsmitarbei-
                                                     Zwischenfazit
  ter*innen. Damit wird die Hoffnung verbun-
  den, dass künftig alle beteiligten Berufsgrup-     Die Übersicht über die fünf exemplarischen
  pen „in ihrer eigentlichen Profession tätig sein   Modelle zeigt eine erhebliche Spannbreite. Die
  […] können“ (ELA 2017a: 2). Komplementär zur       Akzentsetzungen unterscheiden sich deutlich,
  Arbeit der beruflich Beschäftigten wird die Rol-   was mit der jeweiligen Situationswahrneh-
  le der Ehrenamtlichen in den Gemeindekir-          mung und z. T. auch mit der theologischen
  chenräten beschrieben: Ihnen kommt „in den         Tradition der betreffenden Kirche zusammen-
  weiterhin bestehenden autonomen Kirchenge-         hängt. Auf der Suche nach einer Typologie las-
  meinden vordringlich die Aufgabe zu, für das
                                                     29 Nach Auskunft aus dem Landeskirchenamt der Ev. Landeskir-
  geistliche Leben der je eigenen Gemeinde Sor-        che in Anhalt ist die Teamleitung durchaus rollierend ange-
  ge zu tragen“. Dazu soll ein entsprechendes          legt. Allerdings liegt sie momentan bei einer der Pfarrperso-
  „Lehr- und Fortbildungsangebot“ geschaffen           nen des Verbunds, könnte jedoch auch in die Hände einer
  werden (ELA 2017a: 1).                               der anderen Mitarbeitenden des Verbundes gelegt werden
                                                       (schriftliche Auskunft der Assistentin des Kirchenpräsidenten,
                                                       03.09.2020).

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