Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.

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Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
66. Jahrgang . ISSN 0341-2458

                                                        12 | 2019

                      Zeitschrift des
                      Deutschen Ärztinnenbundes e.V.

Ärztinnen in Führung:
So schaffen sie sich Akzeptanz
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
INHALT/IMPRESSUM

                Inhalt
          03     Editorial                                                         ärztin
                                                                                   Offizielles Organ
                 Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk
                                                                                   des Deutschen Ärztinnenbundes e. V.
                                                                                   ISSN 0341-2458
          04     Gastbeitrag
                 Friederike Sittler                                                Herausgegeben vom
                                                                                   Deutschen Ärztinnenbund e. V.
                 Genderleicht – die Sprach-Plattform des Journalistinnenbundes     Präsidentin: Dr. med. Christiane Groß, M.A.
                 mit praktischen Beispielen                                        E-Mail: gsdaeb@aerztinnenbund.de

                                                                                   Redaktion und V.i.S.d.P.:
          05     Schwerpunkt:
                                                                                   Alexandra von Knobloch
                 Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz              Pressereferentin des Deutschen Ärztinnenbundes
                 Dr. med. Astrid Bühren                                            E-Mail: presse@aerztinnenbund.de
                 Dr. phil. Ulrike Ley
                                                                                   Redaktionsausschuss:
                 Im Interview: Isabel Nitzsche
                                                                                   Dr. med. Christiane Groß, M.A.
                 Im Interview: Caprice Oona Weissenrieder                          Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk
                 Im Interview: Prof. Dr. jur. Andrea Ruppert,                      Dr. med. Heike Raestrup
                 Prof. Dr. rer. pol. Martina Voigt                                 PD Dr. med. Barbara Puhahn-Schmeiser

                                                                                   Geschäftsstelle des DÄB
          11     Dr. med. Christiane Groß, M.A.                                    Rhinstraße 84, 12681 Berlin
                 Berliner Erklärung: Das Bündnis von 17 Frauenverbänden            Tel.: 030 54 70 86 35
                 zieht Halbzeitbilanz                                              Fax: 030 54 70 86 36
                                                                                   E-Mail: gsdaeb@aerztinnenbund.de

          12     PD Dr. med. Barbara Puhahn-Schmeiser                              Wir bitten alle Mitglieder, uns ihre aktuelle
                 Das neu strukturierte MentorinnenNetzwerk des DÄB                 E-Mail-Adresse mitzuteilen

                                                                                   Grafikdesign:
          13     Katrin Frohberg                                                   d‘sign, Anne-Claire Martin
                 5 Tipps für erfolgreiches Mentoring für Mentorinnen und Mentees   Mommsenstraße 70, 10629 Berlin
                                                                                   Tel.: 030 883 94 95
                                                                                   E-Mail: anneclaire.martin@berlin.de
          14     Dr. med. Christiane Groß, M.A.
                 Neues Kapitel der Gendermedizin: Die rasante Digitalisierung      Druck:
                                                                                   DBM Druckhaus Berlin-Mitte GmbH
          15     Christine Hidas                                                   Wilhelm-Kabus-Straße 21-35, 10829 Berlin

                 Buchbesprechungen: Einmal Belletristik, einmal Sachbuch

          16     Aus dem Verband
                                                                                   Die Zeitschrift erscheint dreimal pro Jahr.
                 Nachlese: 36. Kongress des DÄB 2019 in Erfurt
                                                                                   Heftpreis 5 Euro.
                                                                                   Bestellungen werden von der Geschäftsstelle
          18     Beschlüsse der Mitgliederversammlung • Neue Mitglieder            entgegengenommen.
                                                                                   Für ordentliche Mitglieder des DÄB ist der Be-
                                                                                   zugspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.
          19     Dr. med. Christiane Groß, M.A.
                                                                                   Redaktionsschluss der Ausgabe 01/2020:
                 Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk                               27. Februar 2020
                 Zum Abschied von Gundel Köbke, unserer langjährigen
                 Pressereferentin und Redakteurin der ärztin                       Fotos:
                                                                                   Titelseite: 123rf_Wavebreak Media Ltd
                                                                                   Seite 14: 123rf_ arcady31
          20     Forum 40 plus • Junges Forum
                                                                                   Haftungsbeschränkung
                                                                                   Der DÄB übernimmt weder die Verantwortung für den
          21     Aus den Regionalgruppen:
                                                                                   Inhalt noch die geäußerte Meinung in den veröffent­
                 Berlin/Brandenburg • Düsseldorf • Gießen • Hamburg                lichten Beiträgen. Für unverlangt eingesandte Manu­
                                                                                   s­kripte und Fotos übernehmen wir keine Haftung.
          23     Dr. med. Ulrike Berg                                              Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
                                                                                   Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen
                 Klima(wandel) und Gesundheit – ein Thema auch für den DÄB
                                                                                   Autorin und nicht immer die Meinung der Redaktion
                                                                                   wieder. Wir behalten uns das Recht vor, Beiträge und
          24     Informationen zu „Mitglieder werben Mitglieder“                   auch Anzeigen nicht zu veröffentlichen.

 2    ärztin 3 Dezember 2019                                                                                               66. Jahrgang
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
EDITORIAL

Liebe Kolleginnen,

vorweg eine Begriffsklärung: Führung ist                                            sie nicht Everybody‘s Darling sein kön-
nicht gleich hierarchischer Stil! Hierar-                                           nen. Katastrophal ist es, wenn der weib-
chien haben die meisten von uns hinneh-                                             lichen Führungskraft das Leben schwer

                                                                     Foto: privat
men müssen, sehr viele Ärztinnen arbei-                                             gemacht wird (siehe Karikatur), denn das
ten auch jetzt in einem Umfeld, das von                                             hat sie in der Regel nicht verdient!
einer Rangordnung geprägt ist. Viele von
uns haben unter Hierarchien gelitten oder plagen sich     Übrigens: Um (angehende) Ärztinnen und Zahnärztin-
täglich damit. Wie finden Ärztinnen in dieser Aus-        nen bei ihren persönlichen Karriereplanungen noch
gangslage ihren eigenen Weg als Führungskraft? Wie        besser zu unterstützen, hat der DÄB sein Mentoring-
positionieren sie sich richtig, um beruflich voran zu     progamm, das MentorinnenNetzwerk, neu organisiert.
kommen? Und wie schaffen sie es, in einer Führungs-       Mehr dazu ab Seite 12.
position zu bestehen? Diesen Fragen widmet sich die
ärztin 03/19 im Titelthema.                               Wir Frauen im Medizinsektor sind stets herausge­
                                                          fordert. Der Klimawandel (Seite 23) oder die rasante
In der Hoffnung, dass in der deutschen Medizin beson-     Digitalisierung (Seite 14) sind nur zwei Beispiele dafür.
ders die allzu steilen Hierarchien aussterben werden,     Wie die Politik uns unterstützt, fragt der DÄB gerade
gewinnt das Thema „Frauen in Führungspositionen“          mit der „Berliner Erklärung“ nach (Seite 11). Im Gast-
an Bedeutung. Es fällt inzwischen auf, dass hierarchi-    beitrag (Seite 4) zeigt der Journalistinnenbund, der zu
sche Führung nicht leistungs-, sondern statusorien-       unserem Netzwerk gehört, die Vielfalt der genderge-
tiert ist: Teure Armbanduhren und ein dickes Auto sind    rechten Sprache auf. Eine sensible Wortwahl stärkt
keine Zeichen von Führungsqualität!                       das Bewusstsein für die Belange der Frauen. Hier in
                                                          der ärztin stellen wir es unseren Autorinnen und Auto-
Moderne Führung heißt auch Arbeit im Team – wie in        ren frei, wie sie damit umgehen.
einer Mannschaft, in der eine die Kapitänsarmbinde
trägt und das Spiel gestalten kann. Der Himmelsstür-      Mit kollegialen Grüßen
mer auf der einsamen Spitze ist ein Auslaufmodell.
Doch Vorsicht: Die Führungscoachin Isabel Nitzsche
warnt im Interview auf Seite 7 davor, den Fortschritt
zu überschätzen. Die Karriere-Spielregeln seien in vie-
len Branchen immer noch konservativer, als Frauen
glauben. Die gute Nachricht: Es ist möglich, damit um-    Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk,
zugehen, ohne sich zu verbiegen. Führung kann man         Vizepräsidentin des DÄB
lernen. Nicht jede ist ein Naturtalent – auch Männer
sind dies nicht. Also: mutig voran!

Oft wird behauptet, dass Frauen Männer für die bes-
seren Chefs halten. Warum eigentlich? Weil Männer
als Wertegeber unserer Gesellschaft (noch sind sie
dies weitgehend) tatsächlich besser führen? Daten,
die das beweisen würden, gibt es nicht. In großen Wirt-
schaftsunternehmen, in denen Erfolg und Effizienz
leichter nachzuweisen sind als in der Medizin, hat man
in den letzten Jahren gemerkt, dass gemischte Teams
am besten arbeiten. Die Medizin muss sich dringend
auch einmal vom Fleck bewegen! Demotivierend ist es,
wenn Frauen mit einer weiblichen Führungskraft un-
                                                                                                                                                 Wir danken!

solidarisch sind und Entgegenkommen, Kooperations-
und Kompromissbereitschaft als Führungsschwäche
interpretieren. Chefinnen selbst müssen lernen, dass                                                           Karikatur: © Franziska Becker

                                                                                                              ärztin 3 Dezember 2019                           3
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
GASTBEITRAG

                                                                            Genderleicht – die Sprach-Plattform

                               Foto: © Christian Kruppa, Deutschlandradio
                                                                            des Journalistinnenbundes
                                                                            mit praktischen Beispielen

                                                                                             FRIEDERIKE SITTLER

      Der Genderwahn. Damit meinen die zumeist Gegner, aber auch Gegnerinnen der geschlechtergerechten
      Sprache alles gesagt zu haben. Unsinnig, macht die Sprache kaputt und mit dem generischen Masku-
      linum seien doch alle gemeint – so lauten die Argumente. Mit dem Projekt genderleicht.de zeigt der Jour-
      nalistinnenbund, wie es besser geht.

     A
               us einem Arzt und 99 Ärztinnen                                      Haus des Bürgers kann ein Haus der Be-        navigierbaren Webpages werden rege
               werden mit dem generischen                                          gegnung oder ein Gemeindehaus oder            besucht. Die Medienresonanz ist weit
               Maskulinum 100 Ärzte und vor                                        ein Haus der Stadt xy sein. Ein Patient       größer als erwartet. Die Seite wird über
      dem inneren Auge tauchen ausschließ-                                         kann eine Person sein, die eine Praxis        viele Kanäle weiterempfohlen und die
      lich Männer auf. Dagegen gibt es viele,                                      aufsucht; eine Person, die erkrankt ist;      Projektgruppe unter der Leitung von
      die grundsätzlich gern Männer und                                            eine Person, die sich untersuchen lässt.      Christine Olderdissen sah sich viel früher
      Frauen gleichberech­tigt nennen würden,                                      Der Möglichkeiten sind viele und diese        als geplant damit konfrontiert, dass Re-
      aber sich davor scheuen, wenn der Arzt/                                      durch einen Moment des Nachdenkens            daktionen geschult werden wollen.
      die Ärztin auf die Patientin/den Patien-                                     neu zu entdecken, darum geht es.
      ten treffen, wenn die Sätze endlos lang                                                                                    Für 2020 wird daher im Vordergrund
      und unschön werden. Naheliegend, dass                                        Fragen ans Textlabor möglich                  stehen, die Webpage weiter zu pflegen
      auch im Journalismus die gepflegte,                                                                                        und auszubauen, aber auch den Alltags-
      schön zu lesende und zu hörende Spra-                                        Wichtiger Bestandteil von genderleicht.       test in Redaktionen zu machen, beratend
      che ein großes Thema ist und in so man-                                      de ist daher das Textlabor. Fragen, die die   zur Seite zu stehen und damit auch die
      cher Redaktion nach wie vor das generi-                                      Redaktion erreichen, werden kreativ und       mediale Berichterstattung geschlechter-
      sche Maskulinum zu Hause ist.                                                mit praktischen Beispielen beantwortet.       gerechter zu gestalten.
                                                                                   Die Plattform wächst, und es lohnt, im-
      Gendern mit Sprach-Leichtigkeit                                              mer mal wieder vorbeizuschauen, um            Sprache entwickelt sich stetig fort. Der
                                                                                   neue Anregungen zu bekommen.                  Journalistinnenbund will dazu beitragen,
      Der Journalistinnenbund (JB) setzt da-                                                                                     dass Frauen wahrnehmbar sind, dass
      gegen, dass Gendern auch leicht daher                                        Neu ist das Thema Gendern natürlich           sie nicht mehr unter einem angeblich
      kommen kann, dass es keine strikten                                          nicht. Der JB hat sich schon früher in-       neutralen Maskulinum verschwinden.
      Vorgaben geben muss und auch der ge-                                         tensiv damit beschäftigt. Aber der vor-       Das ist kein Wahn, sondern zeitgemäß
      sprochene Genderstern eine Möglich-                                          herige Vorstand unter dem Vorsitz von         und gerecht. ƒ
      keit, aber kein Muss ist. Ein Beispiel: Bei                                  Rebecca Beerheide hatte das richtige
      Ärzt*innen wird ganz kurz nach „Ärzt“                                        Gespür, dass in diesen aufgebrachten           Friederike Sittler, ehrenamtliche Vor-
      innegehalten und dann „innen“ weiterge-                                      Zeiten es weniger Diskussionen auf der         sitzende des Journalistinnenbundes,
      sprochen. Viele junge Leute nutzen diese                                     Meta­ebene braucht als vielmehr prak-          arbeitet bei Deutschlandfunk Kultur als
      Form bereits mit großer Selbstverständ-                                      tische Anleitungen und Beispiele. Das          Abteilungsleiterin Hintergrund Kultur
      lichkeit. Damit machen sie deutlich, dass                                    Ministe­rium für Familien, Senioren, Frau-     und Politik. In Westfalen ging sie auf
      es nicht nur Frauen und Männer, son-                                         en und Jugend hat das Projekt finanziell       eine Mädchenschule, sprach von sich
      dern weitere Geschlechter gibt.                                              zum Laufen gebracht, so dass Ende Juni         aber wie alle damals als Schüler. Heute
                                                                                   dieses Jahres die Plattform wie geplant        stoßen ihr rein männliche Formulierun-
      Die Idee von genderleicht.de ist es, die                                     online ging.                                   gen auf und sie legt Wert darauf, Frauen
      Vielfalt der Möglichkeiten zu zeigen,                                                                                       auch sprachlich sichtbar zu machen.
      neue Zugänge zu eröffnen. Beispiele: Ein                                     In den ersten Monaten schon ist gen-
      Bürgersteig ist ohnehin ein Gehweg; ein                                      derleicht.de ein Erfolgsmodell. Die leicht    E-Mail: projektleitung@genderleicht.de

 4    ärztin 3 Dezember 2019                                                                                                                                   66. Jahrgang
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
ÄRZTINNEN IN FÜHRUNG

                                       Rollenvorbilder für Medizinstudentinnen
                        Foto: privat
                                       und junge Chirurginnen

                                        DR. MED. ASTRID BÜHREN

Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Chefärzten aus                                   Kommunikationsstil: Chefärztinnen sind
Sicht der seltenen Chefärztinnen: In der Chirurgie sind Chefärztinnen                            empathischer, mütterlicher (auch Patien-
mit einem durchschnittlichen Anteil von 5,4 Prozent auch mehr als                                ten/Patientinnen und Angehörigen ge-
100 Jahre nach Zulassung von Frauen zum Medizinstudium in dieser                                 genüber), zeigen wertschätzende Kom-
                                                                                                 munikation, hohe Sozialkompetenz, sind
Männerdomäne eine Seltenheit. Für die zukünftige Besetzung chirur-
                                                                                                 selbstkritischer als Männer („befundehr-
gischer Stellen – auch in Führungspositionen – ist es aber erforder-
                                                                                                 licher“), geduldig und kollegial.
lich, dass Medizinstudentinnen und junge Ärztinnen Frauen in Füh-
rungspositionen als Rollenvorbilder erleben können.                                              Forderung nach einem echten
                                                                                                 Berufsbildwandel

S
       chon 2010 wurden daher 47 Chef-              Kommunikationsstil: Chefärzte wende-
       ärztinnen aus diversen chirurgi-             ten sich weniger den Patientinnen und        Interessant waren die Antworten auf die
       schen Disziplinen telefonisch in-            Patienten und deren Angehörigen zu           Frage, was gefordert würde, um die Be-
terviewt. Diese Ergebnisse sind auch                (Zeit, psychosoziale Aspekte). Sie hinter-   dingungen für Frauen zu verbessern. 16
neun Jahre nach ihrer Erhebung von                  fragten sich weniger selbst, sondern         Chefärztinnen forderten einen echten
unveränderter Relevanz. Auf die Frage:              suchten die Fehler eher bei anderen.         Berufsbildwandel. Dies bedeutet für alle
„Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede               Männer seien nüchterner. Manchmal            familienfreundliche Bedingungen, eine
zwischen Chefärztinnen und Chefärz-                 arte ihre Kommunikation in Brüllen aus.      gute Vereinbarkeit von Familie und Be-
ten?“ antworteten drei Chefärztinnen, sie           Sie pflegen einen spezifischen Um­           ruf, die wertschätzende Akzeptanz der
sähen keine prinzipiellen Unterschiede,             gangsstil mit dem eigenen Geschlecht,        fortschreitenden „Feminisierung der Me-
sondern lediglich individuelle. Alle an-            üben Akzeptanz automatisch qua Ge-           dizin“, kreativere Arbeitszeitmodelle und
deren 44 Chefärztinnen benannten fast               schlecht und sind gut vernetzt im „Old-      vieles mehr. Insbesondere wurde ge-
immer mehrere deutliche geschlechts-                boys-Network“.                               nannt, dass eine Schwangerschaft „nor-
spezifische Unterschiede.                                                                        mal“ sein sollte und nicht als Karrierehin-
                                                    Chefärztinnen unterscheiden                  dernis gesehen werden darf. Hier wurde
Chefärzte unterscheiden sich                        sich von Chefärzten                          offen Frauendiskriminierung im Karriere-
von Chefärztinnen                                                                                bereich angesprochen. ƒ
                                                    Verhaltensstil: Chefärztinnen arbeiteten
Verhaltensstil: Chefärzte handelten                 stringenter und fleißiger. Sie haben ein      Dr. med. Astrid Bühren war von 1997
machtorientierter bei ausgeprägtem                  besseres Zeitmanagement, bessere Ent-         bis 2009 Präsidentin des DÄB. Seither
Kampf- und Wettbewerbsverhalten, auch               scheidungsfähigkeit, sind im Operations-      ist sie als Ehrenpräsidentin aktiv. Mit-
untereinander. Sie seien „Alphatiere“. Sie          saal belastbarer und flexibler einsetzbar     glied im Vorstand der Bundesärztekam-
seien status- und karriereorientierter,             und handeln sachorientiert versus sta-        mer war sie von 1999 bis 2007.
„Chefarztherrlichkeit“. Sie hätten deutlich         tus-/machtbezogen.
mehr Selbstdarstellung, seien ichbezo-                                                           E-Mail: abuehren@t-online.de
gener, eitler, „Profilneurotiker“, bei gerin­       Führungsstil: Chefärztinnen führen
gerer Selbstkritik: „Nie gesehen, nie ge-           teamorientierter. Sie bevorzugen eine        Der Artikel von Dr. Astrid Bühren wurde uns
hört, aber machen wir ... “                         flachere Hierarchie, verhalten sich inte-    vom Ärzteblatt Sachsen zum auszugsweisen
                                                                                                 Nachdruck überlassen. Er ist hier stark ge-
                                                    grativer, kompromissbereiter, diplomati-
                                                                                                 kürzt. Komplett wurde er im Themenheft „Ärz-
Führungsstil: Sie führten hierarchischer            scher. Als Nachteil dieses Stils wurde be-   tinnenblatt Sachsen“ (8/2019) veröffentlicht.
und autoritärer, „Basta-Politik“.                   nannt, dass das Bemühen um Konsens           Download: www.slaek.de/de/04/aerzteblatt/
                                                    den Alltag manchmal erschwert.               archiv/2011-2020/2019/ae082019.php

                                                                                                                     ärztin 3 Dezember 2019      5
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
ÄRZTINNEN IN FÜHRUNG

                                                      Respektierte Autorität in der Führung –
                                                      Doing authority für Ärztinnen
                               Foto: © Sharon Adler

                                                                 DR. PHIL. ULRIKE LEY

      Nüchtern können wir feststellen: Die Medizin hat eingeschriebene Geschlechterbilder und Rollen – der
      Mann ist der Halbgott in Weiß, die Frau die pflegende Dienerin. Wo ist da der Platz für Ärztinnen, die
      führen? Was wäre das Symbolbild? Göttin in Weiß? Ärztliche Dienerin? Sicher nicht. Was ist dazwischen?

      W
                 ie können Medizinerinnen in dem nach wie vor stark         arbeiten und Orientierung wünschen. Die Forschung diagnos­
                 hierarchisch geprägten System der Medizin eine             tiziert eine Sehnsucht nach Autorität in der Führung: nach
                 Autorität ausüben? Denn um Anpassung kann es ja            Orientierung, Anerkennung (gesehen werden), Integration,
      nicht gehen. Die traditionelle Autorität ist in der Krise – auch in   Mitgestaltung, Gemeinschaft. Dies leistet die Autoritätsbe­
      der Medizin. Der Wunsch, vor allem der jungen Ärztinnen und           ziehung. Sie entsteht aus Geben und Nehmen, wobei das Mehr
      Ärzte, nach neuer Autorität ist groß: nach Vertrauen, Sicherheit      an Erfahrung oder Wissen für Andere zur Verfügung gestellt
      und Verbundenheit. Ein Autoritätsvakuum ist zu füllen. Es gilt:       wird. Und noch etwas gehört zu einer Beziehung der Autori-
      Das Prinzip der Autorität nicht aufgeben, aber Autorität anders,      tät. Die Selbstzuschreibung von Autorität auf Seiten der Auto­
      neu und „weiblich“ strukturieren.                                     ritätsperson, die Zuschreibung von Autorität durch andere so-
                                                                            wie die Medizin mit ihren Zuschreibungsgewohnheiten. Ein
      Die Ausgangssituation                                                 Wechsel­spiel. Für Männer stimmig, für Frauen nicht, denn Au-
                                                                            torität hat ein Geschlecht und das ist männlich. Es geht also
      Es gibt sie, die Frauen in Führungspositionen. Doch mit der           um Beziehungen der Ungleichheit und Ungleichgewichtig-
      Selbst- und Fremdzuschreibung von Autorität hapert es ge-             keit – mit einer geschlechtlichen Differenz, die mitgedacht und
      waltig. Frauen wird entschieden weniger oder gar keine Auto-          agiert werden muss.
      rität zugeschrieben – von Männern und von Frauen, von Jun-
      gen und von Alten, von Vorgesetzten und Patient*innen. Denn:          Autoritätsbeziehungen in der Praxis
      Autoritäten sind männlich, der Vater ist das Urmodell der Au-
      torität. Mehr noch: „Die männliche Symbolisierung von Auto-           In einem Meeting über laufende Forschungsprojekte wird die
      rität scheint (…) ein Schlüssel für die derzeitige Situation von      Zeit knapp. Die Forschungsleiterin muss entscheiden, ob sie
      Frauen (…) zu sein, weitgehend in formaler Gleichheit der Ge-         der spannenden Diskussion weitere Zeit gibt oder abbricht und
      schlechter zu leben und informell immer noch eine Fülle von           zum nächsten Punkt geht, den sie unbedingt noch klären will.
      Diskriminierungserfahrungen zu erleben“, sagt Katrin Wille, die       Sie entschließt sich, die Diskussion zu beenden und beginnt,
      über „weibliche“ Autorität forscht.                                   ihre Entscheidung wortreich zu erläutern. Sie merkt, dass die
                                                                            Teilnehmer*innen unruhig werden und sie selbst immer un­
      Akzeptanz von Ärztinnen an der Spitze                                 sicherer.

      Wie ergeht es denen da oben, den 10 bis 13 Prozent Ärztin-            Was ist passiert? Einerseits sind Frauen in Führungsposi­
      nen in Spitzenpositionen? Frauen in Führung werden dort, wo           tionen gefordert, ihre fachliche Leistung und wichtiger noch
      Männer das Arbeitsumfeld dominieren, als Störung wahrge-              ihre Rationalität zu beweisen, um sicherzustellen, dass sie der
      nommen. Das führt zu regelmäßigem interessegeleitetem                 Rolle gewachsen sind. Andererseits geraten Sie damit in eine
      Störfeuer. Das Grundempfinden: „Ich gehöre auf die Position,          Falle. Wenn Frauen in Führung ihre Entscheidungen mit vielen
      nicht sie“, gipfelt in der Überzeugung: „Sie führt nicht (wie wir     Gründen rechtfertigen, wird ihnen genau deswegen keine Au­
      es gewohnt sind), sie führt nicht richtig (wie wir es uns vor­        torität zugeschrieben: „Die weiß nicht, was sie will.“
      stellen)“, also: „Sie kann es nicht.“
                                                                            Was stattdessen? Doing authority. Arbeiten Sie ergebnis­
      Autorität ist eine notwendige Ordnungsstruktur. Menschen              orientiert, wenn es die Situation erfordert: „Ich schlage vor, wir
      brauchen Autoritätsbeziehungen, weil sie in Abhängigkeiten            brechen hier ab.“ Autorität muss nicht alles begründen. Team­

 6    ärztin 3 Dezember 2019                                                                                                     66. Jahrgang
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
ÄRZTINNEN IN FÜHRUNG

                                                                                                                  IM INTERVIEW
orientierte Führung hat ihre Berechtigung, aber eben nicht
immer. Viele Spitzenfrauen arbeiten bereits so und führen mit                                                     „Frauen schätzen
Autorität. Trotzdem bleiben sie irritierbar. Grund ist die „brü-
chige Selbstzuschreibung von Autorität“, die ihnen Steine in                                                      die Spielregeln
                                                                                                                  im Beruf oft noch

                                                                                          Foto: © Sabine Kunzer
den Weg legt.

Wie üben Frauen Autorität aus?                                                                                    falsch ein“
Wie wirkt sich so eine Irritation aus? Eine Medizinprofessorin
berichtet, dass ein Student nach ihrer Vorlesung zu ihr kommt,
ihr auf die Schulter schlägt und sagt: „Na, das war doch gar                                    ISABEL NITZSCHE
nicht schlecht heute!“ Sie ist sprachlos. Das ärgert sie bis heu-
te. Hier ist eine Autoritätsbeziehung gescheitert. Dem Studen-
ten fehlt der Respekt für den höheren Status der Frau. Entschei-    Ärztinnen in Führungspositionen sind, besonders in der Chi-
dend aber ist, dass er ihr keine Autorität zugesteht, daher die     rurgie, noch selten. Oft wird gesagt, dass sich aufstrebende
Entgleisung. Und ihre Sprachlosigkeit zeigt, in welchem Span-       Frauen in dem männlich geprägten Medizinsystem schwer-
nungsfeld der Selbstzuschreibung von Autorität sich Frauen          tun. Woran könnte das liegen?
bewegen, zwischen „Ich bin nichts“ und „Ich habe Macht“.
                                                                    Der Begriff von Macht ist im Beruf gekoppelt an das Konzept
Die Symbolbilder traditioneller Autorität sind uns vertraut:        eines hierarchisch strukturierten Systems. Diese Strukturen
tiefe Stimme, ausschreitender Gang, aufrechte Haltung,              haben sich unter Männern herausgebildet, die untereinander
selbstverständlich raumnehmend, sich ausbreiten (siehe auch         konkurrierten und wenig Verantwortung für Privatleben und
Interview rechts). Doch welche Marker funktionieren für die         Familienalltag hatten. Die Medizin ist so ein männerdominier-
Zuschreibung von weiblicher Autorität? Doing authority: Wie         ter Sektor. Für die meisten Männer ist es bis heute wichtig, ei-
geht das für Frauen? Die Symbolbilder „weiblicher“ Autorität        nen Platz möglichst weit oben in der Hierarchie einzunehmen,
sind noch nicht festgeschrieben. Wie es gelingt, sich selbst        um etwas zu sagen zu haben. Für Frauen ist Macht dagegen
Autorität zu geben, das muss jede Frau für sich selbst erar-        oft noch anrüchig. Historisch gesehen ist es für sie recht neu,
beiten.                                                             sich innerhalb beruflicher Rangordnungen zu beweisen. Das
                                                                    führt dazu, dass sie die Spielregeln oft falsch einschätzen.
Nur ein Beispiel, wie man dem eigenen Wort und Verhalten Ge-
wicht verleiht: „Jedes Mal“, berichtet eine Oberärztin, „wenn ich   Wie lauten die Spielregeln?
den Operationssaal betreten habe, hat mich der Chefarzt be-
grüßt mit: ,Ah, da kommt ja unsere Quotenfrau!‘ Das hat mich        Männer reagieren im Hinblick auf ihre Rangposition empfind­
maßlos geärgert. Und ich habe mir dann im Coaching ‚meinen          lich. Das zeigt die Züricher Studie des Psychiatrie-Professors
Satz‘ überlegt. Am nächsten Morgen habe ich erwidert: ‚Ich bin      Jules Angst. Viele Frauen können sich dagegen gar nicht vor-
hier aufgrund meiner Leistung, ich weiß nicht, wie es bei Ihnen     stellen, dass sich ihre männlichen Vorgesetzten durch ihr
ist?‘ Danach war ich respektiert. Nicht nur von ihm, von allen      Verhalten abgewertet und bedroht fühlen. Ein Beispiel: Bei
anderen auch.“                                                      Männern kann man oft an der Körpersprache sehen, wie sie
                                                                    Ranghöheren Respekt erweisen und quasi etwas in sich zu-
Es gibt weder einen Mangel an weiblichen Talenten noch an           sammenfallen. „Frauen fehlt dieser ‚Knick’-Reflex“, hat der Wirt-
weiblicher Ambition, eine Führungsrolle anzunehmen. Es gibt         schaftspsychologe Heinrich Wottowa analysiert. Sie wüssten
nur ein veraltetes System. Was Autorität bedeutet, muss neu         nicht, dass bestimmte Unterwerfungsgesten manchmal er-
definiert werden. Frauen haben die Chance, eigene Wege zu           wartet werden. Evolutionsgeschichtlich betrachtet ist das kein
beschreiten und eine respektierte Autorität auszustrahlen. ƒ        Wunder, denn Frauen betrachten die männliche Rangordnung
                                                                    als Außenstehende. Das erklärt vielleicht auch zu einem Teil,
 Dr. Ulrike Ley ist Sozialwissenschaftlerin und hat sich schon an   warum sich viele junge, intelligente Frauen ihren Vorgesetz-
 der Philipps-Universität Marburg mit Frauen in Führungsposi-       ten überlegen fühlen. Ein Mann muss seinen Status aus ihrer
 tionen beschäftigt. Heute ist sie Coachin und gibt unter ande-     Sicht zu Recht haben – damit sie ihn anerkennen können. Als
 rem Workshops für Ärztinnen. Mit Dr. Gisela Klindworth bereitet    Maßstab legen sie dabei aber häufig fachliche Leistung zu
 sie ein Buch vor über respektierte Autorität in der Führung. Die   Grunde. Sie unterschätzen, dass Leistung in der Arbeitswelt
 Autorinnen führen Interviews mit Medizinerinnen über ihre Er-      nur ein Faktor von vielen ist, wenn es darum geht, Karriere zu
 fahrungen mit der Selbst- und Fremdzuschreibung von Autori-        machen. Männer merken es, wenn sie nicht ernst genommen
 tät. Sie freuen sich über weitere Interviewpartnerinnen.           werden. Ein Machtkampf bricht aus. Mein Tipp: Frauen sollten
                                                                    sich nicht um jeden Preis anpassen, aber es lohnt sich für sie
E-Mail: info@dr-ulrike-ley.de                                       zu überlegen, wie sie sich strategisch verhalten wollen.

                                                                                                                            ärztin 3 Dezember 2019   7
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
ÄRZTINNEN IN FÜHRUNG

      Wie können Frauen damit umgehen?               Ich rate Frauen dazu, mehr zu wagen          Tatsächlich ist das Umfeld für weibliche
                                                     und zu experimentieren – etwa in einem       Karrieren noch schlecht. Stereotype be-
      Frauen sollten ihr Arbeitsumfeld analy-        Coaching. Männer erledigen ihren Job         hindern Frauen in vielerlei Hinsicht. In der
      sieren und sich nicht von Lippenbekennt-       auch nicht perfekt. Trotzdem können sie      Medizin ist es besonders offensichtlich.
      nissen, etwa einem teamorientierten            Karriere machen. Das liegt unter ande-       Aber da müssen wir Frauen durch. Wer
      Führungsleitbild, blenden lassen. Wich-        rem daran, dass Männer Fehler oft selbst     sich darauf fokussiert, wie sich Männer
      tig ist herauszufinden, welche Unterneh-       nicht so tragisch sehen. Damit laden sie     aufspielen, verzichtet auf eine Chance,
      menskultur wirklich gelebt wird. Gerade        andere ein, den Fehler ebenfalls leichtzu-   eigene Punkte zu machen. Dabei existiert
      in der Medizin ist sie oft noch streng hier-   nehmen. So eine selbstbewusste Heran-        immer ein Gestaltungsspielraum: Frauen
      archisch. Aus meinen Coachings weiß            gehensweise nutzt auch Frauen.               müssen das männlich geprägte System
      ich, dass Frauen oft glauben,                                                                            nicht annehmen. Manchmal
      die Strukturen seien schon                                                                               muss eine Führungskraft
      moderner und die Gleichbe-                                                                               zum Beispiel hart sein. Eine
      handlung sei viel weiter, als                                                                            Frau sollte sich dafür aber
      das der Fall ist. Um damit                                                                               nicht als herrisch schmähen
      klarzukommen, sollten sich                                                                               lassen. Sie kann das stereo-
      Frauen dafür sensibilisieren,                                                                            type Muster verändern, sich
      die Position anderer nicht un-                                                                           als durchsetzungsstark posi­
      gewollt in Frage zu stellen                                                                              tionieren und sich trotzdem
      und sich so womöglich Fein-                                                                              um ihr Team kümmern. Team-
      de zu machen, die ihren Auf-                                                                             orientierung kann aber eine
      stieg behindern. Das bedeutet nicht, von       Was ist noch wichtig, um im Karriere­        Karriere­falle werden, wenn sie darüber
      vornherein klein beizugeben, sondern           poker zu bestehen?                           die eigenen Ziele aus dem Blick ver­liert.
      sich gut vorzubereiten, um die eigenen                                                      Damit neue, „weiblichere“ Führungs-
      Punkte durchzubringen.                         Frauen sollten sich sofort wehren, wenn      muster schneller ihren angemesse­       nen
                                                     ihre Position in Frage gestellt wird. Das    Stellenwert erlangen rate ich Frauen,
      Welche Strategien helfen Frauen das            ist besonders wichtig, wenn man eine         andere Frauen zu fördern. Es ist ja be-
      System zu durchschauen?                        neue Führungsposition übernimmt. Ein         kannt: Wenn die 30 Prozent-Marke beim
                                                     gutes Team ist entscheidend für den          Frauenanteil überschritten ist, werden
      In fast allen Situationen, die Frauen bei      Erfolg. Wenn ein Mitarbeiter seine Ar-       Frauen und ihr Verhalten zur Normalität.
      der Karriere Probleme bereiten, hilft es,      beit nicht macht und die Loyalität ver­      Viele Hierarchieprobleme lösen sich au-
      die Perspektive zu wechseln: Eine junge        weigert, muss man Gespräche führen,          tomatisch. ƒ
      Ärztin wundert sich zum Beispiel, wie es       um eine Verhaltensänderung herbeizu-
      der Chefarzt in diese Position geschafft       führen. Wenn das nicht hilft, muss man       Interview: Alexandra von Knobloch
      hat. Dann sucht sie gezielt nach 10 posi-      Konsequenzen ziehen und darf dabei
      tiven beruflichen und persönlichen Ei-         nicht zu lange zögern: Zur Macht stehen       Isabel Nitzsche, Diplom-Journalistin
      genschaften bei ihm. So fällt es ihr           heißt auch, sich von Kollegen trennen,        und Germanistin (M.A. phil.), ist mit ih-
      leichter, respektvoll und diplomatisch mit     wenn die Zusammenarbeit nicht funk­           rem Redaktionsbüro printTV in München
      ihm umzugehen. Und sie kann wahr-              tioniert. Um die Autorität zu sichern, ist    selbstständig. Die Job- und Karriere-
      scheinlich etwas für die eigene Auf-           es ebenfalls nötig, sich sofort ein Netz-     Expertin ist Redaktionsleiterin von „Wirt-
      stiegskompetenz lernen.                        werk zu schaffen. Das heißt: Gespräche        schaftspsychologie aktuell“ und Autorin
                                                     führen. Nur, wenn einen andere Leute          von Sachbüchern wie „Spielregeln im
      Was gehört zur Aufstiegskompetenz?             kennen, werden sie zu Führsprechern.          Job durchschauen“. Sie hält bundesweit
                                                     Frauen sollten sich neben der inhaltli-       Vorträge und Workshops. Als Coachin
      Wie schon erwähnt, überschätzen Frau-          chen Arbeit auch genügend Zeit für Mi-        unterstützt sie weibliche Fach- und Füh-
      en oft den Wert der inhaltlichen Arbeit        kropolitik reservieren (siehe auch Inter-     rungskräfte aus der Wirtschaft und Wis-
      und Leistung. Sie unterschätzen, dass          view, Seite 9).                               senschaft bei der beruflichen Weiterent-
      sie Aufstiegswillen und Führungsmoti-                                                        wicklung.
      vation kundtun müssen. Wir Frauen ha-          Wie Sie sagten, ist so ein geplantes Vor-
      ben oft noch zu wenig Selbstvertrauen.         gehen für viele Frauen anrüchig.             E-Mail: Nitzsche@printTV.de

 8    ärztin 3 Dezember 2019                                                                                                     66. Jahrgang
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
ÄRZTINNEN IN FÜHRUNG

                          IM INTERVIEW

                          „Unternehmen sind wie politische
                          Arenen. Die Fähigkeit, dort geschickt
                          zu agieren, ist lernbar“

                                                  CAPRICE OONA WEISSENRIEDER

Woran erkennen Frauen, dass sie als           Netzwerke nicht in dem Ausmaß beruf-        es, sich gut zu vernetzen, um gemein-
Führungskraft akzeptiert werden? Dazu         lich nutzen, wie es Männer tun. Einige      sam etwas Neues anzustoßen. Aller-
haben Sie 2016 eine Studie gemacht.           Wissenschaftlerinnen nennen das „bezie-     dings darf man nicht vergessen: Große
Was kam dabei heraus?                         hungsorientierte Moralität und Beschei-     Veränderungen, wie die einer Unterneh-
                                              denheit“: ein Verhaltensmuster, das eine    menskultur, brauchen sehr viel Zeit. Da-
Frauen deuten die Weitergabe von In-          Karriere behindern kann. Denn die For-      rum sollten Frauen auch bei sich selbst
formationen, die für ein berufliches Fort-    schung belegt eindeutig: Unternehmen        ansetzen und sich gezielt Fähigkeiten
kommen entscheidend sind, deutlich            sind wie politische Arenen. Männer und      aneignen, die ihr Selbstmarketing ver-
häufiger als ein Zeichen der Akzeptanz        Frauen müssen politisch agieren, um Er-     bessern.
durch ihre Führungskraft im Vergleich         folg zu haben und wettbewerbsfähig zu
zu den Männern. Wir werten das als Hin-       bleiben.                                    Stichwort: überkommene Rollenbilder.
weis, dass Frauen öfter zweifeln, ob sie                                                  Momentan erleben Medizinstudentin-
zum Inner Circle gehören – also zum           Sind noch andere persönliche Verhal-        nen noch häufig Situationen, in denen
Kreis derer, die protegiert und gefördert     tensweisen wichtig für die Karriere?        sie von ihren Vorgesetzten gezielt klein-
werden. Die Vermutung liegt nahe, dass                                                    gemacht werden. Wie bewahrt man un-
in vielen Unternehmen nach wie vor in-        Der wichtigste Faktor ist Authentizität.    ter solchen Bedingungen den Glauben
formelle Netzwerke existieren, in denen       Niemand kann sich auf Dauer verstellen      an die eigenen Aufstiegschancen?
Frauen nicht vertreten sind. Gerade in        und verbiegen. Irgendwann kommt das
unteren und mittleren Führungsposi-           heraus. Solche Personen verlieren die       Diskriminierungserfahrungen     können
tionen waren rund 70 Prozent der Mana-        Glaubwürdigkeit, die jeder benötigt, der    das Zutrauen in sich selbst tatsächlich
gerinnen der Ansicht, dass Männer nach        beruflich vorankommen möchte.               schwächen. Dagegen helfen Erfahrun-
wie vor leichter Karriere machen können                                                   gen von Selbstwirksamkeit: gezielt nach
als Frauen. Die Männer sahen das an-          Lässt sich Mikropolitik lernen?             Strategien und Möglichkeiten zu suchen,
ders: Rund 57 Prozent sagen, dass Män-                                                    um selbst etwas zu bewegen, sich auch
ner und Frauen in ihrem Unternehmen           Ja. Werden Sie zur guten und aufmerk-       von Rückschlägen nicht entmutigen zu
gleich gute Chancen hätten.                   samen Beobachterin. Und fragen Sie          lassen und weiterzumachen. Auch ein
                                              sich: Wer sind die wichtigen Stakehol-      Mentor oder eine Mentorin ist nützlich,
Wie schafft eine Frau es in den Inner         der? Mit wem kann ich Allianzen bilden?     um sich zu stärken. ƒ
Circle?
                                              Wie beurteilen Sie Karrierebarrieren für    Interview: Alexandra von Knobloch
Mit Mikropolitik. Das ist ein Portfolio von   Frauen, die sich nicht durch persönli-
Fähigkeiten, die dazu beitragen, in Orga-     ches Verhalten beeinflussen lassen?          Caprice Oona Weissenrieder ist Diplom-
nisationen Einfluss auszuüben. Wer die                                                     Betriebswirtin (FH) und forschte bis vor
Mikropolitik beherrscht, kann sie ein-        Die existieren, seien es überlange Ar-       Kurzem an der Frankfurt University of
setzen, um eine Organisation zu verän-        beitszeiten oder fehlende Optionen für       Applied Sciences zum Thema „Frauen
dern – und auch, um das eigene Fort-          Führen in Teilzeit. Wir dürfen sie nicht     und beruflicher Erfolg“. Auch ihre einge-
kommen zu steuern. In meiner Disser-          kleinreden und sollten alle etwas dafür      reichte Dissertation beschäftigt sich da-
tation habe ich herausgefunden, dass          tun, damit sich die Rahmenbedingungen        mit. Nun ist sie Referentin für Personal-
Frauen sich damit schwerer tun als            verbessern. Gerade in den MINT-Fächern,      und Organisationsentwicklung an der
Männer. Politik zu machen hat für sie ei-     zu denen die Medizin zählt, wird noch ein    Technischen Universität Darmstadt.
nen negativen Beigeschmack. Das führt         sehr traditionelles Rollenbild gepflegt.
zum Beispiel dazu, dass Frauen ihre           Der Ton ist barsch. Umso wichtiger ist      E-Mail: caprice.weissenrieder@web.de

                                                                                                             ärztin 3 Dezember 2019    9
Ärztinnen in Führung: So schaffen sie sich Akzeptanz - Zeitschrift des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.
ÄRZTINNEN IN FÜHRUNG

                                                                                                     IM INTERVIEW

                                                                                                     „Hart, aber sympathisch:

                                                                    Foto: © Studioline Photography
                               Foto: © Ralf Braum                                                    Das bringt auch Frauen
                                                                                                     den Verhandlungserfolg“

                                                    PROF. DR. IUR. ANDREA RUPPERT, PROF. DR. RER. POL. MARTINA VOIGT

      Gehaltsverhandlungen sind ein wichtiges Thema für Führungskräfte. Doch Ärztinnen verdienen nach-
      weislich im Durchschnitt weniger für die gleiche Arbeit als Ärzte. Unsere Interviewpartnerinnen haben
      untersucht, welche Verhandlungsstrategien von Frauen und Männern besonders erfolgversprechend sind.

      Wie sollten Frauen auftreten, die mehr                     reich zu sein, ist schon vor dem Ge-               Prof. Ruppert: Da hilft nur Netzwerken:
      verdienen möchten?                                         spräch geringer ausgeprägt. Außerdem               auch hier eine langfristige Strategie. Ge-
                                                                 verhandeln sie weniger gerne und be-               haltstabellen und Tarifverträge helfen
      Prof. Ruppert: Hart in der Sache und                       sonders ungern in eigener Sache. Damit             jedenfalls nur bedingt. Im öffentlichen
      freundlich im Ton – unabhängig davon,                      begeben sie sich in eine schlechtere               Dienst etwa finden sich dort Angaben
      ob ihnen eine Frau oder ein Mann als Ent-                  Startposition.                                     über die Jahre der Betriebszugehörig-
      scheider gegenübersitzt. Wir haben mit                                                                        keit, nach denen Mitarbeiter und Mitar-
      einer Schauspielerin und einem Schau-                      Prof. Voigt: Manche Führungskräfte                 beiterinnen automatisch höher rutschen.
      spieler vier Videos gedreht, in denen bei-                 sagten, bestimmte Frauen hätten zöger-             Aber natürlich wird in Führungspositio-
      de jeweils entweder hart oder kompro-                      lich auf sie gewirkt und sollten lernen,           nen auch leistungsorientiert bezahlt. ƒ
      missbereit um mehr Gehalt verhandelt                       ihren guten Marktwert besser zu nutzen.
      haben. Diese Videos haben wir dann Per-                                                                       Interview: Alexandra von Knobloch
      sonalverantwortlichen gezeigt und unter-                   Wie bereiten sich Frauen am besten auf
      sucht, welche Strategie bei welchem Ge-                    Gehaltsverhandlungen vor?                           Prof. Dr. iur. Andrea Ruppert ist Profes-
      schlecht das größte Gehaltsplus erbringt.                                                                      sorin für Wirtschaftsprivatrecht, Han-
                                                                 Prof. Voigt: Wenn sie erst kurz vor dem             dels- und Gesellschaftsrecht an der
      Dabei hatten die hart auftretenden                         Gespräch beginnen, sich ihre Forderun-              Frankfurt University of Applied Scien-
      Frauen gute Erfolge?                                       gen zu überlegen sowie die Argumente,               ces. Außerdem ist sie geschäftsfüh-
                                                                 warum sie ihr Geld wert sind, haben sie             rende Direktorin des Instituts für Mixed
      Prof. Voigt: Ja, das hat uns überrascht.                   etwas falsch gemacht. Sympathie ist für             Leadership, das die neue Akademie
      Unsere Hypothese war, dass harte Frau-                     Gehaltsverhandlungen sehr wichtig –                 Mixed Leadership betreibt. Deren Motto:
      en abgestraft werden, weil sie den Er-                     und übrigens auch, wenn eine Frau be-               „Diversität leben. Innovativ führen.“
      wartungen an weibliches Verhalten nicht                    fördert werden möchte. Zuneigung ent-
      entsprechen. Es ist aber für Frauen mög-                   steht aber meist nicht spontan. Der                 Prof. Dr. rer. pol. Martina Voigt ist
      lich, hartnäckig zu sein und zugleich                      Entscheider oder die Entscheiderin soll-            an der Frankfurt University of Applied
      sympathisch zu wirken. Gehaltsverhand-                     te die Frau daher schon positiv wahrge-             Sciences Professorin für soziale und
      lungen haben etwas mit einem Füh-                          nommen haben, ehe sie das Büro betritt.             kommunikative Schlüsselkompetenzen
      rungsanspruch zu tun. Da zählen gute                       Die Frau sollte sich in Szene setzen. Es            und stellvertretende geschäftsführende
      Argumente und Ernsthaftigkeit, auch in                     wäre ungünstig, wenn das Gegenüber in               Direktorin des Instituts für Mixed Lea-
      der Mimik.                                                 dem Gespräch das erste Mal von groß-                dership. Die Wissenschaftlerinnen for-
                                                                 artigen Leistungen hört.                            schen zusammen über gendertypische
      Viele Frauen sind mit ihren Gehaltsver-                                                                        Verhandlungskompetenz und ihre Aus-
      handlungen unzufrieden. Woran könnte                       Untersuchungen zufolge steigen Frau-                wirkungen auf Gehalts- und Aufstiegs-
      das liegen?                                                en oft mit niedrigeren Forderungen als              verhandlungen. Auftraggeber ist das
                                                                 Männer in die Gehaltsverhandlungen                  Bundesministerium für Familie.
      Prof. Ruppert: Frauen gehen im Durch-                      ein. Auf die Transparenz können sie
      schnitt nervöser in die Verhandlungen                      nicht zählen. Wie erfahren Frauen ihren            E-Mails: ruppert@fb3.fra-uas.de
      als Männer. Ihre Überzeugung, erfolg-                      wahren Marktwert?                                  sokosch@fb3.fra-uas.de

 10   ärztin 3 Dezember 2019                                                                                                                       66. Jahrgang
GLEICHSTELLUNGSPOLITIK

                                           Berliner Erklärung:
                                           Das Bündnis von 17 Frauenverbänden
                                           zieht Halbzeitbilanz
                       Foto: © J. Rolfes

                                                    DR. MED. CHRISTIANE GROSS, M.A.

Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen, gleiche Bezahlung sowie eine verbindlichere Gleichstellungs-
politik: Das waren die zentralen Themen der Berliner Erklärung 2017. Zur Bundestagswahl hatten 17
Frauenverbände, darunter der DÄB, einen Appell an die Politik gerichtet. Zur Halbzeit der Legislaturperi­ode
analysiert das Bündnis, ob es Verbesserungen gab. Hier die Bilanz aus Sicht der Ärztinnen.

D
        ie Zahl von Frauen auf Lehrstüh-         Im Bund warten wir weiter auf ein Pari­     umgesetzt, noch ist im Entwurf für das
        len und in Chefarztpositionen ist        tätsgesetz. Mehr Gewicht für den Pari­      Bundeshaushaltsgesetz 2020 hierfür
        weiterhin bedauernswert niedrig.         tätsgedanken würde letztendlich auch        Mitteleinsatz zu erkennen.
Auch in den Gremien und in den Klinikver-        die Gremien der Körperschaften des
waltungen sind Frauen weiterhin nicht            öffentlichen Rechts betreffen und mehr      Die Berliner Erklärung weist weiterhin auf
adäquat vertreten. Der DÄB hat unter der         Frauen in den Kammern und den Kas­          die Notwendigkeit der Überwindung be-
Leitung seiner Vizepräsidentin, Prof. Dr.        senärztlichen Vereinigungen in Spitzen-     stehender Geschlechterstereotype hin,
med. Gabriele Kaczmarczyk, im Update             positionen bringen.                         hier sieht sie alle Ebenen des Staates
der „Medical Women on Top“ gezeigt,                                                          in der Pflicht. Für die Medizin würde es
dass sich zwar in den Spitzenpositionen          Nach Ansicht der Frauenverbände kön-        bedeuten, die Vereinbarkeit von Familie
etwas verändert, aber nur langsam, zu            nen gesellschaftliche Herausforderun-       und Beruf auf beide Geschlechter besser
langsam. Der Anteil der mit Frauen be-           gen wie die digitale Transformation, der    zu verteilen und den Karriereknick bei
setzten Lehrstühle in der deutschen Uni-         Klimaschutz oder die Stärkung des ge-       den Ärztinnen zu verringern.
versitätsmedizin hat sich in drei Jahren         sellschaftlichen Zusammenhalts nicht
nur von 10 auf 13 Prozent erhöht.                gelingen, wenn Frauen nicht in entschei-    Chancen nur theoretisch
                                                 denden Positionen mitgestalten. Es ist
Beim Jubiläum zu 100 Jahren Frauen-              ausreichend bekannt, dass geschlechter-     Auch wenn sich familienpolitisch eine
wahlrecht hat Bundeskanzlerin Angela             gemischte Führungsteams erfolgreicher       Verände­rung der Rollenbilder von Müt-
Merkel zu Recht gesagt, es ginge nicht           fungieren und effektiver arbeiten.          tern und Vätern erkennen lässt: Ohne die
um eine Quote, es ginge um eine paritä­                                                      Verankerung gleichstellungspolitischer
tische Beteiligung von Frauen in Spitzen­        Folgende Forderungen der Berliner Er-       Prozesse im Regierungshandeln und
positionen. Daher passt es gut, dass der         klärung stehen im Koalitionsvertrag:        ohne eine effektive ressortübergreifende
DÄB zusammen mit den anderen Ini­tia­              Institutionelle Weiterentwicklung der     Gleichstellungspolitik werden Frauen ihre
torinnen der Berliner Erklärung 2017 nun           Gleichstellungspolitik, u. a. über eine   Chancen nicht nutzen können.
von den demokratischen Parteien erfah-             „ressortübergreifende Gleichstellungs-
ren möchte, was von den Forderungen                strategie“                                Aktuell werden mit den Spitzenpolitike-
umgesetzt wurde und wie die Planung                Umsetzung dieser Strategie mit einem      r­innen und Spitzenpolitikern Gesprächs-
ist. Der Eindruck ist durchwachsen.                „Aktionsplan“                             termine vereinbart. Ein Papier, das dabei
                                                   Forderung nach einer Einrichtung für      übergeben werden soll und auf die bishe-
Wenn in die DAX-Vorstände langsam Be-              Gleichstellung (unabhängiges Bundes-      rige Umsetzung der Forderung der Ber-
wegung bezüglich einer Quote kommt,                institut), welches „sich wissenschaft-    liner Erklärung eingeht, ist abgestimmt. ƒ
scheint dies nur wegen der angekündig-             lich fundiert insbesondere Fragen der
ten Sanktionen zu funktionieren. Jene              gerechten Partizipation von Frauen in     Mehr zur Berliner Erklärung unter www.
Konzerne, die auf freiwilliger Basis an der        Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und     berlinererklaerung.de
Quote arbeiten sollten, haben sich mehr-           Wissenschaft widmet.“
heitlich nicht darum geschert. Manche            Allerdings hat die Bundesregierung bis-      Dr. med. Christiane Groß, M.A., Präsiden-
kokettie­ren sogar mit der Zielgröße Null.       her weder eines dieser drei Vorhaben         tin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V.

                                                                                                                ärztin 3 Dezember 2019    11
MENTORING

                               „Verbinden. Stärken. Inspirieren.“
                               Das neu strukturierte
                               MentorinnenNetzwerk des DÄB

                                                   PD DR. MED. BARBARA PUHAHN-SCHMEISER

      Es gehört zu den ältesten Mentoring-Angeboten im Medizinbereich: Das MentorinnenNetzwerk des
      Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) fördert seit vielen Jahren die berufliche Entwicklung von Ärztinnen und
      Zahnärztinnen auf jeder Karrierestufe und auch im Studium – ab jetzt mit einem überarbeiteten Konzept.

      D
               as Mentoring des DÄB war durch       dividuelle Hilfestellung suchen, können         Mentoring-Angeboten im Medizinbereich
               die Pionierinnen, Ehrenpräsiden-     Mentee werden, sofern sie Mitglied im           beschäftigen sich unsere Mentoring-
               tin Dr. med. Astrid Bühren, Prof.    DÄB sind oder werden. Eine Anmeldung            Tandems nicht nur mit der ärztlichen
      Dr. med. Marianne Schrader und Dr.            ist ganzjährig möglich. Die Ärztinnen des       Laufbahn und inhaltlichen Fragen. Die
      med. Esther Gaertner, im Jahr 2000 ini-       DÄB-Ausschusses Mentoring sorgen da-            vielfältigen Kompetenzen unserer Men-
      tiiert und aufgebaut worden. Beim 36.         für, dass sich passende Mentees und             torinnen helfen, Karrieren von Ärztinnen
      Kongress im Oktober 2019 in Erfurt ist        Mentorinnen finden.                             auch in der Politik und in anderen Gesell-
      es mit einem Fortbildungsworkshop und                                                         schaftsbereichen zu fördern. ƒ
      einem Netzwerktreffen von Mentorinnen         Derzeit sind beim MentorinnenNetzwerk
      und Mentees erfolgreich mit seinem            mehr als 60 Tandems aktiv. Sie arbeiten          Potenzielle Mentorinnen und Mentees
      überarbeiteten Konzept gestartet.             solange zusammen, wie sie es für nötig           können sich bei den Ansprechpartne-
                                                    halten. Damit das Programm erfolgreich           rinnen des DÄB-Vorstands, PD Dr. med.
      „Verbinden. Stärken. Inspirieren“ lautet      weiterlaufen kann, benötigt der DÄB im-          Barbara Puhahn-Schmeiser und Dr.
      der Slogan des MentorinnenNetzwerks.          mer wieder Ärztinnen und Zahnärztin-             med. Heike Raestrup, beraten lassen.
      Den Auftakt beim DÄB-Kongress bilde-          nen, die das Ehrenamt als Mentorin an-           Dazu reicht eine E-Mail.
      te ein Seminar über „Sprachkraft und          nehmen. Eine Mitgliedschaft im DÄB
      Struktur als Basis für eine erfolgreiche      ist wünschenswert, jedoch keine Vor-            E-Mail: mentorinnennetzwerk@aerztin-
      Mentoring-Beziehung“. An diesem nah-          aussetzung. Im Gegensatz zu anderen             nenbund.de
      men 20 Mentorinnen und Mentees teil
      und tauschten sich bei einem anschlie-                            Struktur des MentorinnenNetzwerks mit 2 Säulen
      ßenden Empfang weiter aus. Im weite-
      ren Verlauf werden nun bis zu zweimal
      jährlich Netzwerktreffen mit Workshops,                       Mentoring                             Training und Netzwerken
      jeweils angegliedert an die Beiratssitzun-
                                                          Mentee                   Mentorin                          Netzwerktreffen
      gen, stattfinden. Dabei sollen Kompeten­
                                                         DÄB Mitglied             Mentorin auf               • Workshops/Seminare
      zen ausgebaut werden, aber das Netz-                                        Eigeninitiative              (Beispiele):
      werken soll im Vordergrund stehen.               Beantragung TN
                                                                                    oder durch                    • Social Media
                                                                                      aktive                      • Soft Skills
                                                       an Mentorinnen-
                                                                                    Ansprache                     • Niederlassung
                                                          programm
      Als Mentee bewerben können sich Ärz-                                                                        • Abrechnung
                                                                                                                  • Wissenschaftliche
      tinnen und Studentinnen der Human-                 Aufnahme in               Aufnahme in                      Antragstellung
      und Zahnmedizin, die eine Führungspo-               Datenbank                 Datenbank                     • Forschungsanträge
                                                                                                                  • Einstieg in Berufspolitik/
      sition anstreben, in ärztlichen Gremien                                                                       Gremienvertretung
      aktiv teilnehmen wollen, Informationen                         Zuordnung                                    • Konflikt-Zeitmanagement
                                                                  Mentee – Mentorin                               • Kollegiales Coaching
      zur Niederlassung benötigen oder sich                           Tandem                                 • Netzwerken
      in einer Lebensphase befinden, in der sie
      die Vereinbarkeit von Familie und Beruf             Kontaktaufnahme erfolgt durch Mentee,          Organisation durch Ausschuss Mentoring,
                                                         Mentoring erfolgt nach Absprache und auf      möglichst bis zu 2x jährlich (während MV od. BS)
      oder der berufliche Wiedereinstieg be-                        individueller Basis

      schäftigt. Kurz gesagt: Alle, die eine in-

 12   ärztin 3 Dezember 2019                                                                                                               66. Jahrgang
MENTORING

                         5 Tipps für erfolgreiches Mentoring
                         für Mentorinnen und Mentees

                                                       KATRIN FROHBERG

1. Offenheit und Einfühlungsvermögen sind die wichtigsten          gezielte Fragen kann die Mentorin das Anliegen der Mentee,
Faktoren im Mentoring- Prozess. Die Aufmerksamkeit einer an-       deren Erwartungen und die Bedürfnisse klären.
deren Person gegenüber und die Bereitschaft, ihr wirklich aktiv
zuzuhören, ist eine Qualität, die im Mentoring stark geschult      4. In der Arbeitsphase sollten Mentorin und Mentee hinrei-
wird. Das schließt auch die Offenheit ein, dass nicht nur die      chend Zeit füreinander haben. Die regelmäßigen Treffen finden
Mentee, sondern auch die Mentorin ihre eigene Karriere wäh-        monatlich bis vierteljährlich statt und dauern mindestens 90
rend des Mentoring-Prozesses reflektiert.                          bis 120 Minuten. Auch eine Vor- und Nachbereitung der Tref-
                                                                   fen ist zu berücksichtigen. Treffen in der Klinik oder Praxis
Eine Vertrauensbasis kann dann entstehen, wenn die Mentorin        haben eher formellen Charakter, ein Treffen im Café oder
mit ihrem Alters-, Erfahrungs- und/oder Hierarchievorsprung        Restaurant ist eher informell. Auch andere Absprachen, etwa
rasch eine angenehme Gesprächsatmosphäre erzeugt, die              Telefonate, sind denkbar – Hauptsache, die Beteiligten fühlen
das Gefühl vermittelt, auf Augenhöhe zu agieren. Ob man sich       sich mit der Lösung wohl.
duzt oder siezt, kann das Tan-
dem individuell miteinander                                                                          Berufliche Themen beein-
entscheiden.                                                                                         flussen häufig den privaten
                                                                                                     Bereich, und umgekehrt wird
2. Beratung und Coaching                                                                             der Beruf auch von privaten
sind zwei wesentliche Be­                                                                            Aspekten beeinflusst. Inwie-
griffe im Mentoring, die wech-                                                                       weit diese Themen im Men-
selnd im Dialog zwischen                                                                             toring angesprochen werden
Mentorin und Mentee dazu                                                                             können, entscheidet in erster
beitragen, einen Plan für das                                                                        Linie die Mentee.
weitere Vorgehen sowie neue
Ziele und Perspektiven zu                                                                    5. In der Abschlussphase,
entwickeln. Beratung wird als                                                                nach etwa 12 bis 24 Mo­naten,
inhaltliche und fachliche Ex- Team: Mentoring beruht auf Geben und Nehmen                    führen Mentorin und Mentee
pertise sowie Teilhabe an den                                                                ein Abschlussgespräch. Beide
eigenen Erfahrungen der Mentorin verstanden. Die Mentee sollten gemeinsam bestimmen, wann das Mentoring erfolg-
erhält dabei klare Aussagen oder Empfehlungen. Coaching reich beendet ist. Sie ziehen ein Resümee über ihre Zusam-
hingegen dient als Unterstützung zur Selbstreflexion und zur menarbeit. Welche Ziele wurden erreicht? Wie haben sich
eigenen Lösungsfindung. Die Mentorin stellt dafür öffnende beide im Mentoring-Prozess gefühlt? Wie will man zukünftig
Fragen. Wichtig dabei: Die Mentorin sollte nicht allzu viele in Kontakt bleiben? Viele Tandems münden in eine langfristige
Tipps und Ideen vorgeben, sondern die Mentee zum Nachden- Freundschaft und ehemalige Mentees sind oft die idealen zu-
ken anregen.                                                    künftigen Mentorinnen. ƒ

3. In der Kennenlernphase, bei den ersten ein bis zwei Treffen,     Katrin Frohberg ist Organisations- und Managementcoachin
entscheiden beide Seiten, ob ein Tandem Sinn macht. Mentorin        sowie Businesstrainerin (www.katrin-frohberg.de) und spezia-
und Mentee geben sich hier wechselseitig ein ehrliches Feed-        lisiert auf betriebswirtschaftliche Beratungen im Gesundheits-
back. Eine Vereinbarung darüber, welche Themen mitein­ander         wesen. Für den DÄB hat sie den ersten Netzwerk-Workshop ge-
in welchem Zeitrahmen bearbeitet werden könnten, hilft, sich        staltet.
auf die Treffen vorzubereiten. Diese Verbindlichkeit unterstützt
zudem dabei, Vorhaben in die Umsetzung zu bringen. Durch           E-Mail: mail@katrin-frohberg.de

                                                                                                            ärztin 3 Dezember 2019   13
GENDERMEDIZIN

                                                   Neues Kapitel der Gendermedizin:
                                                   Die rasante Digitalisierung
                               Foto: © J. Rolfes

                                                             DR. MED. CHRISTIANE GROSS, M.A.

      Geschlechterspezifische Fragen zur Digitalisierung der Medizin – so lautete das Thema einer Diskussions­-
      runde, zu der auch die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. med. Christiane Groß, M.A., als
      Vorsitzende des „Ärztlichen Beirates Telematik Nordrhein-Westfalen“ eingeladen war. Ziel war es, durch
      die Digitalisierung verursachte Probleme in der Versorgung zu definieren. Eine zeitnahe Fortsetzung der
      Gespräche, auch mit weiteren Expertinnen und Experten, ist geplant.

      E
             nde Oktober 2019 traf sich in                weiblich besetzt sind. Bei Patientinnen       aber auch von Männern, wenn anato-
             Düsseldorf eine Gesprächsrunde,              und Patienten gehen wir von einer Pa-         mische und physiologische Bedürfnis-
             initiiert von Barbara Steffens,              rität aus. Wir könnten nun hoffen und         se nicht ausreichend wahrgenommen
      ehemalige Gesundheitsministerin in                  fordern, dass die programmierenden            werden. IT-gesteuerte Anwendungen
      Nordrhein-Westfalen, jetzt Leiterin der             Männer die Aspekte der Frauen vollkom-        gaukeln Perfektion vor und wiegen uns
      Landesvertretung der Techniker Kran­                men berücksichtigen. Aber reicht das für      fälschlich in Sicherheit.
      ken­kasse. Unter den Teilnehmenden –                eine hochwertige Gesundheitsversor-
      sieben Frauen, ein Mann – waren zwei                gung? Haben wir schon in der analogen         Forderungen für Apps
      Ärztinnen für Kammer und Kliniken, au-              Welt die Erkenntnis, dass Gendermedizin
      ßerdem waren Politik, Frauengesundheit              fast nur von Frauen vorangetrieben wird       Wenn in der analogen Welt Gender­
      und Präven­tion beteiligt.                          und nicht als wichtige Grundlage für          aspekte nicht selbstverständlich in alle
                                                          Männer und Frauen in der Gesundheits-         medizinischen Fächer integriert sind,
      Digitalisierung und Gender: Was harm-               versorgung gesehen wird, so potenziert        wenn Gendermedizin nicht zur Aus-,
      los klingt, ist ein brisanter Stoff. Welche         sich dies in der IT-gesteuerten Welt. Wir     Weiter- und Fortbildung der Medizin ge-
      Daten fließen in Gesundheits-Apps ein?              müssen davon ausgehen, dass das Wis-          hört, besteht die große Gefahr, dass erst
      Welche Daten werden in die Versor-                  sen um die Gendermedizin bei der Ent-         recht in einer digitalen Welt die Belange
      gungsforschung übermittelt? Welche                  wicklung der Apps keine Bedeutung hat.        von Frauen und Ärztinnen übersehen
      Grundlagen haben sogenannte Daten-                                                                werden. Die Gesprächsrunde fordert,
      spenden? Auf welchen Studien basieren               Genderaspekte außen vor?                      dass Entwickler für Gesundheits-Apps
      Diagnose- und Behandlungs-Apps? Wer                                                               darlegen müssen, welche Studien zu-
      programmiert das alles und wer nutzt                Tatsächlich wissen wir bei den aktuell        grunde gelegt wurden und in welchem
      die Applikationen? Ganz zentral: Wie                vorhandenen Apps nicht, welche Daten          Ausmaß dort Genderaspekte einbe-
      werden die Belange von Frauen und                   einbezogen werden und in welchem Um-          zogen wurden. Dies muss für jede Zu-
      Männern, Ärztinnen und Ärzten, Patien-              fang diese den Genderaspekt beachten.         lassung von Applikationen für das Ge-
      tinnen und Patienten in digitalen Anwen-            Wir wissen auch nicht, ob Apps eher aus       sundheitswesen zwingend sein. Mehr
      dungen berücksichtigt und gewichtet?                dem weiblichen oder männlichen Blick-         Hintergründe im Positionspapier (Seite
                                                          winkel entwickelt werden. Was wir aber        8) des Deutschen Frauenrats „Zukunft
      IT ist eine Männerdomäne                            wissen ist, dass die Gefahr sehr groß         gestalten – Digitale Transformation ge-
                                                          ist, dass Genderaspekte nicht ausrei-         schlechtergerecht steuern“. ƒ
      Im IT-Bereich, und damit bei der Pro-               chend berücksichtigt werden. Es besteht
      grammierung, arbeiten hauptsächlich                 zudem die Gefahr, dass künstliche Intel-       Dr. med. Christiane Groß, M.A., ist Mit-
      Männer, ebenso in Start-up-Unterneh-                ligenz aufgrund von falschen Annahmen          glied im Vorstand der Ärztekammer
      men für Anwendungen im Gesundheits-                 lernt und es viel zu lange dauert, bis dies    Nordrhein und Vorsitzende des „Ärzt-
      wesen. Bei der Nutzung durch Leistungs­             auffällt. Gerade in der medizinischen          lichen Beirates Telematik NRW“ sowie
      erbringer überwiegen Frauen, da die                 Versorgung birgt das ein zusätzliches          Mitglied im Ausschuss Digitalisierung
      Gesundheitsberufe schon lange eher                  Risiko für die Gesundheit von Frauen,          der Bundesärztekammer.

 14   ärztin 3 Dezember 2019                                                                                                          66. Jahrgang
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