Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?

Die Seite wird erstellt Christine Bock
 
WEITER LESEN
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Jela Pesenti

                                        Schicksalsschlag Tod –
  der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen
                                                        Kindern?

                           Eine qualitativ-empirische Untersuchung zu
                  Herausforderungen und Problemen von Verwitweten
                            mit minderjährigen Kindern in der Schweiz

Abbildung 1 Titelbild (Quelle: von der Autorin fotografiert)

Master in Sozialer Arbeit
Bern I Luzern I St. Gallen
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Schicksalsschlag Tod –
 der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen
                                      Kindern?

Eine qualitativ-empirische Untersuchung zu Herausforderungen und Problemen von
                 Verwitweten mit minderjährigen Kindern in der Schweiz

                                Master in Sozialer Arbeit
                               Bern I Luzern I St. Gallen

Master-Thesis von:          Jela Pesenti
Studienbeginn:              Herbstsemester 2019
Fachliche Begleitung:       Prof. Dr. Matthias Riedel
Abgabe:                     12. Januar 2022
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Abstract
Die vorliegende Master-Thesis setzt sich mit den Herausforderungen und Problemen von
Verwitweten mit minderjährigen Kindern in der Schweiz auseinander. Ebenfalls soll sie
aufzeigen, ob es sich bei den Themen Tod und Trauer um Tabuthemen handelt und ob dies
von Betroffenen wahrgenommen wird.

In einem explorativen Vorgehen wird untersucht, mit welchen Herausforderungen und
Problemen Verwitwete mit minderjährigen in der Schweiz konfrontiert werden und wo die
Soziale Arbeit ansetzen kann. Ein besonderes Augenmerkt liegt dabei auf dem individuellen
Erleben, Empfinden und dem Umgang mit dem Tod der Partnerin oder des Partners der
befragten   Personen.   Aus      diesem   Grund   wurden   mit   vier   betroffenen   Personen
leitfadengestützte Interviews geführt und anschliessend in Anlehnung an Philipp Mayring
inhaltsanalytisch ausgewertet.

Die Auswertung der erhobenen Daten zeigte, dass die Herausforderungen und Probleme für
Verwitwete mit minderjährigen Kindern vielfältig auftreten und sich bei den befragten Personen
in etwa gleich zeigen. Es konnte zudem die Schlussfolgerung aufgestellt werden, dass die
Themen Tod, Trauer aber auch Sterben von der Gesellschaft tabuisiert werden und ihr
Umgang mit diesen Themen von den Betroffenen als schwierig wahrgenommen wird.
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Dank
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich bei der Verfassung
dieser Master-Thesis unterstützt haben.

Ein grosser Dank geht dabei an Prof. Dr. Matthias Riedel, der mich mit seinen wertvollen Inputs
bei der Themenfindung und Planung der Arbeitsschritte unterstützt und fachlich fundiert beim
Schreibprozess begleitet hat.

Ebenfalls möchte ich mich bei Heidi Pesenti, Heiko Ploss, Truong Vi Le und Mike Steiger für
das Lektorat der Arbeit und die kritische Auseinandersetzung mit der Thematik bedanken.
Nicht zuletzt gilt mein Dank allen Interviewteilnehmerinnen und Interviewteilnehmern für ihre
grosse Offenheit, ihren Humor, ihr Herz und ihre Stärke beim Umgang mit ihrem Schicksal
sowie natürlich dem Verein Aurora für die Kontaktherstellung mit den Betroffenen.

              (Quelle: pinterest.de)
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................ 1

1 Einleitung .............................................................................................................................. 1

2 Stand der Forschung und des Fachdiskurses....................................................................... 5

    2.1        Forschungsstand und Fachdiskurs Verwitwete mit minderjährigen Kindern in der
    Schweiz ................................................................................................................................ 5

    2.2        Forschungsstand Verlust, Trauer und Tod in der Schweiz ...................................... 6

3      Theoretischer Bezugsrahmen .......................................................................................... 9

    3.1        Sterblichkeit und Todesursachen in der Schweiz ..................................................... 9

    3.2        Familien in der Schweiz.......................................................................................... 11

    3.3        Armutsgefährdung in der Schweiz ......................................................................... 12

    3.4        Arbeitstätigkeit nach der Geburt ............................................................................. 15

    3.5        Relevante sozialversicherungsrechtliche Ansprüche ............................................. 17

       3.5.1          Soziale Sicherheit in der Schweiz .................................................................. 18

       3.5.2          Witwen-, Witwer-Rente aus der AHV (1. und 2. Säule) .................................. 19

       3.5.3          Waisenrenten ................................................................................................. 21

       3.5.4          Leistungen aus der Unfallversicherung .......................................................... 21

       3.5.5          Weitere finanzielle Ansprüche ........................................................................ 21

    3.6        Begriffliche Heranführung an Tod und Tabu .......................................................... 23

    3.7        Trauerbegleitung bzw. Trauergruppen ................................................................... 26

    3.8        Begriffliche Heranführung an den Begriff Resilienz ................................................ 28

    3.9        Soziale Arbeit und die Beratung von Verwitweten mit minderjährigen Kindern ..... 31

    3.10       Rolle der Sozialen Arbeit in der Palliative Care ...................................................... 36

4      Forschungsmethodisches Vorgehen .............................................................................. 38

    4.1        Forschungsdesign .................................................................................................. 38

       4.1.1          Leitfadeninterview ........................................................................................... 39

       4.1.2          «Betroffenen»-Interview ................................................................................. 40

       4.1.3          Sampling und Feldzugang .............................................................................. 40

    4.2        Datenerhebung ....................................................................................................... 41

       4.2.1          Entwicklung des Interviewleitfadens ............................................................... 41
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
4.2.2          Durchführung der «Betroffenen»-Interviews ................................................... 43

    4.3       Datenauswertung ................................................................................................... 43

       4.3.1          Datenaufbereitung .......................................................................................... 43

       4.3.2          Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ........................................................ 44

    4.4       Reflexion des methodischen Vorgehens ................................................................ 46

5      Darstellung der Ergebnisse ............................................................................................ 48

    5.1       Arten von Herausforderungen und Probleme ......................................................... 48

    5.2       Risiken von Verwitweten mit minderjährigen Kindern ............................................ 49

    5.3       Umfeld .................................................................................................................... 51

    5.4       Umgang der Gesellschaft mit den Themen Sterben und Tod ................................ 51

    5.5       Umgang der Kinder mit dem Tod des Vaters / der Mutter ...................................... 52

    5.6       Angebote für Verwitwete mit minderjährigen Kindern ............................................ 54

    5.7       Einstellung zur Covid-19 Pandemie ....................................................................... 55

6      Analyse und Diskussion der Ergebnisse ........................................................................ 56

    6.1       Arten von Herausforderungen und Problemen ....................................................... 56

    6.2       Risiken von Verwitweten mit minderjährigen Kindern ............................................ 58

    6.3       Umfeld .................................................................................................................... 59

    6.4       Umgang der Gesellschaft mit den Themen Sterben und Tod ................................ 60

    6.5       Umgang der Kinder mit dem Tod des Vaters / der Mutter ...................................... 61

    6.6       Angebote für Verwitwete mit minderjährigen Kindern ............................................ 62

    6.7       Einstellung zur Covid-19 Pandemie ....................................................................... 62

7      Rolle der Sozialen Arbeit ................................................................................................ 64

8      Schlussfolgerungen ........................................................................................................ 66

    8.1       Beantwortung der Hauptfragestellung und zentrale Erkenntnisse ......................... 66

    8.2       Ausblick .................................................................................................................. 68

9      Literaturverzeichnis ........................................................................................................... I

10         Abbildungsverzeichnis.................................................................................................IX

11 Eigenständigkeitserklärung .................................................................................................X

12 Anhang ................................................................................................................................ 1

    12.1 Interviewleitfaden ......................................................................................................... 1
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
12.2 Vorlage Kategoriensystem für die Inhaltsanalyse ........................................................ 4

12.3 Vorlage Einverständniserklärung ................................................................................. 5

12.4 Zusätzliche Leistungen an Witwen, Witwer und Waisen .............................................. 6
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Abkürzungsverzeichnis
Abs.              Absatz
AHV               Alters- und Hinterlassenenversicherung
ALV               Arbeitslosenversicherung
Art.              Artikel
BFS               Bundesamt für Statistik
BV                Berufliche Vorsorge
EFTA              European    Free      Trade   Association   (dt.   Europäische
                  Freihandelsassoziation)
EU                Europäische Union
FamZ              Familienzulagen
IV                Invalidenversicherung
KV                Krankenversicherung
UV                Unfallversicherung
UVV               Unfallversicherungsgesetz
ZGB               Zivilgesetzbuch
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
1 Einleitung
Im ersten Kapitel wird inhaltlich an die Thematik der Master-Thesis herangeführt. Zu Beginn
wird die derzeitige Ausgangssituation bezüglich der Häufigkeit von Todesfällen in der Schweiz
und die Bedeutung einer Verwitwung dargestellt sowie die Problemstellungen aufgeführt. Im
Anschluss wird die Forschungsfrage definiert, welche mittels Unterfragestellungen das
zentrale Erkenntnisinteresse beschreibt.

Für die vorliegende Master-Thesis wird nachfolgend der Doppelpunkt für eine barrierefreie
Genderformulierung verwendet.

       1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Die Wahrscheinlichkeit in jungen Jahren zu sterben ist eher gering und steigt mit
zunehmendem Alter potenziell an. 2018 waren in der Schweiz 12 der insgesamt 67`307
verstorbenen Personen im Alter von 20 bis 64 Jahren (Bundesamt für Statistik, 2019b).
Insgesamt sterben in der Schweiz Männer und Frauen am häufigsten an Herz-Kreislauf-
Erkrankungen und am zweithäufigsten an Krebs. Plötzliche Todesfälle, wie Tod durch Unfall
oder Gewalteinwirkung machten 2018 insgesamt 3.3 Prozent aller Todesfälle aus.

Gemäss Bundesamt für Statistik (2017) verlieren minderjährige Kinder mehrheitlich den Vater.
Dies wird unter anderem damit erklärt, dass Männer einerseits risikoreicher leben und
andererseits öfters von Unfällen im Arbeitsbereich betroffen sind als Frauen. Folglich ist die
Zahl an verwitweten Frauen mit minderjährigen Kindern grösser als die von verwitweten
Männern mit minderjährigen Kindern.

Die Partnerin oder den Partner zu verlieren bedeutet immer, die Auseinandersetzung mit
zutiefst schmerzhaften Gefühlen und eine Umstellung der gesamten Lebenswelt. Fragen wie
die gesellschaftliche Stellung, die finanzielle Situation, persönliche und physische Gesundheit
werden in den Vordergrund gerückt. Doch gerade jüngere Verwitwete mit Kindern, sind nach
dem Tod des Partners:in gewissermassen Alleinerziehende wider Willen. Neben der eigenen
Trauer um den Partner:in sind sie zusätzlich mit der Trauer und der Reaktion der Kinder auf
den Verlust konfrontiert. Es kann gesagt werden, dass der Tod des Partners:in physiologisch
der Verlust der Gegenwart und die Vorstellung der Zukunft bedeutet. Dabei spielt es meist
nicht eine so grosse Rolle, ob der Partner:in nach einer langen Krankheit oder durch ein
plötzliches Ereignis stirbt. Bei einer Krankheit kann es tröstlich sein, dass Wünsche erfüllt
werden können und sich verabschiedet werden kann (Elisabeth Kübler-Ross, 1969). Trotzdem
geschieht bereits ein Teil der Trennung. Der Sterbende bereitet sich auf den Tod und die

                                                                                             1
Schicksalsschlag Tod - der einsame Kampf verwitweter Eltern mit minderjährigen Kindern?
Zurückbleibenden bereiten sich auf eine Fortführung des Lebens ohne das vorher Bekannte
vor. Bei einem plötzlichen Ereignis ist weder ein Abschieds- noch ein Vorbereitungsprozess
möglich.

Der Tod des Partners:in ist ein komplexes Geschehen, welches alle Lebensbereiche betrifft.
Rollen müssen neu definiert und Fixpunkte aktualisiert werden. Gemäss Bundesamt für
Statistik (2017) leben Frauen länger, daher ist die Möglichkeit für Frauen grösser, im letzten
Lebensabschnitt zur Witwe zu werden. Stirbt der Partner:in im fortgeschrittenen Alter, kann
von einem Kausalzusammenhang gesprochen werden. Stirbt bei jüngeren Personen der
Partner:in, entsteht eine Gruppe, die in der Gesellschaft oftmals nicht direkt wahrgenommen
wird. Der Tod von jüngeren Menschen ist zwar eher selten, dennoch eine Tatsache und nicht
so ohne Weiteres zu akzeptieren. Die Probleme für jung Verwitwete können vielschichtig sein.
Ulla Engelhardt (2012) spricht sogar davon, dass die psychosozialen Probleme für jung
Verwitwete besonders gravierend seien. Betroffene erzählen von starken Reaktionen im
sozialen und beruflichen Umfeld, wenn sie vom Tod des Partners:in erzählen, wo oftmals dann
auch das Gespräch erstirbt. Manche sprechen auch von Tabuisierung und Ausgrenzung,
nachdem der Partner:in gestorben ist (S. 212ff).

An diesem Punkt schliesst die Master-Thesis an. Es soll qualitativ erforscht werden, welche
konkreten Probleme und Herausforderungen der Tod des Partners:in für Verwitwete mit
minderjährigen Kindern mit sich bringen kann und wo die Profession der Sozialen Arbeit
ansetzen könnte. Gemäss Berufskodex der Sozialen Arbeit (AvenirSocial, 2006) ist es die
Aufgabe der Professionellen Sozialer Arbeit ihre Klient:innen zu bestärken und zu befähigen,
Grenzen abzubauen und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, um Nachteile auszugleichen und
Ausgrenzungen zu vermeiden (vgl. Art. 5). Bei Verwitweten mit minderjährigen Kindern handelt
es sich um eine vulnerable Bevölkerungsgruppe, die somit in das Aufgabengebiet der Sozialen
Arbeit fällt.

In der heutigen westlichen Gesellschaft ist eine grosse Vielfalt an verschiedenen
Lebensentwürfen zu finden. Übergeordnetes Ziel ist es, ein selbstbestimmtes und autonomes
Leben zu führen. Diese Selbstbestimmung zeigt sich auch in den letzten Stunden des Lebens.
Gemäss einer Umfrage vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Jahr 2017 wünschen sich
mehr als 73% der Schweizer Bevölkerung zuhause im Kreise der Familie zu sterben. In der
Realität sterben die meisten Personen jedoch nicht zuhause, sondern in Institutionen.

Sterben gehört zum Leben und wird früher und später für jeden Menschen zur Realität. Der
gesunde Menschenverstand weiss, dass der Tod zum Leben gehört und solange alles einer
gewissen chronologischen Reihenfolge entspricht, ist der Tod eines geliebten Menschen zwar
traurig, jedoch annehmbar und vorausschaubar. Noch immer ist in der Schweiz ein Grossteil
der verstorbenen Menschen über 65 Jahre alt. Auch bei alten Menschen bleibt oft Familie

                                                                                            2
zurück, wie z.B. der Partner:in und erwachsene Kinder resp. andere Angehörige. Beim Tod
von jüngeren Personen (20-64 Jahre) ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass ein Partner:in und
unter Umständen minderjährige Kinder zurückbleiben. Gerade bei Verwitweten mit
minderjährigen Kindern handelt es sich um eine zentrale und besonders vulnerable
Zielgruppe, bei der es besonders lohnenswert ist, den Fokus darauf zu legen/ zu zentrieren.

       1.2 Fragestellung und Untersuchungsfrage

Im Rahmen der Master-Thesis wird aufbauend auf die im Kapitel 1.1 dargestellte
Ausgangssituation und Problemstellung folgende Fragestellung bearbeitet und am Schluss
beantwortet werden:

Welche    Herausforderungen       und    Probleme     ergeben    sich   für   Verwitwete   mit
minderjährigen Kindern in der Schweiz?

Die Überprüfung der Fragestellung erfolgt mittels des Dreisatz-Tests nach Marianne Ulmi,
Gisela Bürki und Madeleine Marti (2014, S. 63): Die Situation von Verwitweten mit mindestens
einem Kind in der CH wird untersucht, um auftretende Herausforderungen und Probleme nach
dem Tod des Partners:in für Verwitwete mit mindestens einem Kindern herauszufinden. Damit
kann für die Soziale Arbeit aufgezeigt werden, wo sie ansetzen und wie sie unterstützen kann.
Die Hauptfragestellung wird durch die nachfolgende Unterfragestellung ergänzt:

Inwiefern ist von einer Tabuisierung des Themas Tod und Trauer in der Gesellschaft zu
sprechen und wie wirkt sich das gegebenenfalls auf betroffene Personen aus?

Das Erkenntnisinteresse der Master-Thesis liegt darin herauszufinden, mit welchen
Herausforderungen und Problemen Verwitwete mit minderjährigen Kindern in der Schweiz
konfrontiert werden und wann diese spürbar sind resp. was dagegen unternommen werden
kann. Dabei liegt insbesondere der Fokus auf den Anknüpfungsmöglichkeiten der Sozialen
Arbeit und wie sie mit ihrer professionellen Hilfe unterstützend sein kann.

Rückführend auf die Biografie der Autorin, hat sie ebenso den Verlust eines Elternteils
durchlebt. Aus eigener Erfahrung versteht die Autorin, welche Auswirkungen der Verlust ihres
Vaters in ihrem Jugendalter auf die Familie und deren Umfeld gehabt hatte.

Zudem hat die Autorin in ihrer Berufspraxis erfahren, dass die Themen Tod, Sterben und
Trauer eine grosse Herausforderung im professionellen Kontext darstellen. Beim Tod handelt
es sich um ein Thema, welches sehr eng mit unserem alltäglichen Leben verknüpft ist, jedoch
nach wie vor oft keinen Platz oder vielleicht sogar Akzeptanz findet. Aufgrund dieser
Erfahrungen liegt ein grosses Interesse vor, empirisch zu ergründen, mit welchen
Herausforderungen und Problemen Verwitwete mit minderjährigen Kindern konfrontiert

                                                                                              3
werden, ob es sich bei den Themen Tod und Trauer um Tabus handeln, ob und wo die Soziale
Arbeit ansetzen kann und ob allenfalls ein zusätzlicher Handlungsbedarf besteht.

                                                                                      4
2 Stand der Forschung und des Fachdiskurses
Kapitel zwei beschäftigt sich mit dem aktuellen Fachdiskurs zu Verwitweten mit minderjährigen
Kindern in der Schweiz sowie die Themen Verlust, Trauer und Tod. Aktuelle Entwicklungen
und Schwerpunkte werden beschrieben und der derzeitige Forschungsstand und Fachdiskurs
zu diesen beiden Themen wird vorgestellt und erläutert.

2.1 Forschungsstand und Fachdiskurs Verwitwete mit minderjährigen Kindern in der
    Schweiz
Gemäss Duden (ohne Jahr) ist eine Person dann verwitwet, wenn der Ehepartner:in stirbt.
Hinterlässt der oder die Verstorbene Kinder, dann spricht man bei den Zurückgebliebenen von
Verwitweten mit (minderjährigen) Kindern. Laut Bundesamt für Statistik (2017) lebten im Jahr
2017 in der Schweiz rund 23`000 Kinder, die keine Mutter oder keinen Vater mehr hatten. Pro
Jahr verlieren demzufolge im Schnitt 2`000 Kinder einen Elternteil. Zu Dreivierteln verlieren
die Kinder den Vater, zu einem Viertel die Mutter.

Gründe für den Tod können spontane Ereignisse wie ein Unfall, aber auch eine langjährige
Krankheit sein. In jedem Fall ist es ein schicksalhafter Einschnitt, der das Familienleben
grundlegend verändert. Die Zurückgebliebenen haben mit einer Vielzahl an Problemen zu
kämpfen, die längerfristige und tief einschneidende Folgen haben können. Laut William J.
Worden (2011) kann eine nicht verarbeitete Trauer für Betroffene zu Spätfolgen, wie
Angstzustände, Depressionen und Bindungsstörungen führen (S. 208).

Besonders gefährdet ist die Zielgruppe Verwitwete mit minderjährigen Kindern. Gerade Kinder
können je nach Alter das komplexe Thema Tod und die damit verbundenen
Herausforderungen nicht begreifen und sind daher auf die Unterstützung ihrer Eltern
respektive in diesem Fall Elternteil und / oder Fachpersonen angewiesen. Für verwitwete
Eltern bedeutet dies, dass sie zum einen für ihre Kinder da sein müssen, zusätzlich vor
grossen administrativen und auch gesetzlichen Herausforderungen stehen (Beerdigung,
Hinterlassenschaft, Testament etc.) und zum anderen selbst Raum für die Trauer um den
geliebten Menschen finden müssen. Dazu kommt, dass die finanzielle Sicherheit durch den
Tod einer Person plötzlich nicht mehr gegeben sein kann. Verwitwete mit minderjährigen
Kindern kommen in jeder Kultur, in jeder Gesellschaft, in jeder Schicht und in jedem Land vor.
Dennoch handelt es sich bei ihnen in der Schweiz noch immer um eine Randgruppe und das
obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Alleinerziehende mit Kindern zur Gruppe gehören,
welche am meisten von Armut bedroht und auf Sozialtransfer wie z.B. wirtschaftliche
Sozialhilfe angewiesen sind. Dies obwohl, jede erwerbstätige Person für den Fall ihres Todes
monatlich Leistungen an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) einbezahlt, um
sich und die Hinterbliebenen zu schützen. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich nur

                                                                                            5
wenig Personen häufig mit dem eigenen Tod befassen. Bei einzelnen Berufs- sowie
Interessensgruppen kann die tägliche Auseinandersetzung mit dem Tod jedoch zum
Arbeitsgebiet gehören.

In der Literatur wird im Zusammenhang mit dem Tod immer wieder von einem Tabuthema
gesprochen. Auch in der Schweiz gehört der Tod zu einem eher weniger gesellschaftlichen
Thema, auch wenn in der Schweiz z.B. der begleitete Freitod legal ist. Dies wird von anderen
Ländern immer wieder stark kritisiert. Ein Blick in die Forschung zeigt, dass Witwenschaft
vorwiegend Frauen betrifft, unabhängig vom Alter dieser Frauen. Noch immer gibt es mehr
Männer in der Forschung als Frauen und alle Themen, die hauptsächlich Frauen betreffen,
werden von Männern weniger erforscht. Daher handelt es sich bei Witwenschaft laut
Pasqualina Perrig-Chiello (2021) um ein sogenanntes Schattenthema (S. 40 ff.). Für
Verwitwung im Alter liegen mittlerweile repräsentative Forschungsergebnisse vor, für die
Gruppe Verwitwete mit minderjährigen Kindern lässt sich in den letzten Jahren langsam ein
Interesse erkennen. So gibt es bereits diverse Podcasts, Beiträge im Fernsehen und im Radio
sowie Zeitschriftenartikel zu diesem Thema. Auch Betroffene sowie Fachpersonen aus
medizinischen, psychologischen, politischen und sozialen Berufen haben den Bedarf von
Verwitweten     mit   minderjährigen   Kindern   erkannt   und dementsprechend         existieren
verschiedene Unterstützungsangebote. Grundsätzlich kann jede verheiratete oder Personen
in einer eingetragenen Partnerschaft verwitwet werden, daher weckt das Thema Tod
öffentliches Interesse, wodurch sich eine aktive Auseinandersetzung lohnt. Die thematische
Auseinandersetzung betrachtet die Autorin als Investition für zukünftige Betroffene.

Im Rahmen der Master-Thesis werden verwitwete Personen fokussiert, von welchen der
Partner:in vor maximal fünf Jahren verstorben ist und welche zum Zeitpunkt des Todes des
Partners:in minderjährige Kinder hatten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eltern miteinander
verheiratet waren und ob es sich dabei um ein gleichgeschlechtliches oder heterosexuelles
Paar handelt.

2.2 Forschungsstand Verlust, Trauer und Tod in der Schweiz
Im Arbeits- und Forschungskontext ist zum Thema Tod und Trauer kaum eine Theorie zu
finden. Es gibt jedoch einige wenige theoretische Grundlagen, die sich mit den Themen
Sterben und Tod befassen.

Wird nach der Bedeutung von Trauer gesucht, so zeigt sich deutlich, dass Trauer eng mit dem
Verlust einer Person verknüpft ist. In der Etymologie steht Trauer (Verb: trauern) auch für einen
seelischen Schmerz empfinden, betrübt sein, ernst sein (vgl. Duden.de, o. J.).

                                                                                               6
Auf Kondolenzkarten wird die Trauer meist mit mystischen Bildern von Nebel, unendlichen
Wegen und entlaubten Bäumen dargestellt. Lilien wird nachgesagt, dass sie Trauerblumen
seien. Dies erweckt den Eindruck, dass der Tod und auch das Trauern als etwas
Naturähnliches anzusehen ist. In der Natur kehrt das Leben im Frühling zurück. Trauer und
Verlust damit zu vergleichen, lässt für die Betroffenen kaum Platz für individuelle Gefühle.
Hansjörg Znoj (2004) spricht in seinem Buch Komplizierte Trauer davon, dass sich Trauer in
intensiven Emotionen wie Angst, Wut, Kälte und auch Zustände von Erleichterung und
Einsamkeit zeigen kann (S. 3). Die Darstellung von Trauer kann also als etwas Vielseitiges
betrachtet werden.

Robert A. Neimeyer (2011) vertritt die Ansicht, dass Verlust, Trauer und Tod integrale Teile
des menschlichen Lebens sind, mit welchem jede Person im Laufe ihres Lebens in Berührung
kommt. Für Elke Thompson (2021) sind Trauer und Verlust einflussreiche und leitende
Faktoren des menschlichen Verhaltens und der Interaktion. Trauern ist also zugleich Ausdruck
des   Verlustes   und   seiner   Bewältigung.    Dennoch    wird   in   allen   Kulturen   und
Religionsgemeinschaften unterschiedlich getrauert.

Der Tod eines nahestehenden Menschen ist dabei eines der Ereignisse, welches für die nahen
Angehörigen als am schlimmsten und am schwersten beschrieben wird. Es ist anzunehmen,
dass aus diesem Grund Verlust und Trauer unmittelbar mit dem Tod eines Menschen in
Verbindung gebracht werden.

Kerstin Lammer (2004b) definiert Trauer in ihrem Buch Trauer verstehen folgendermassen:
«Trauer ist die normale Reaktion auf einen bedeutenden Verlust» (S. 9). Doch was genau ist
mit Verlust gemeint? Die Autoren Nany Hooyman und Betty Kramer verstehen unter Verlust,
dass dieser entsteht, wenn eine Person jemanden oder etwas verliert, das sie normalerweise
gewohnt ist zu haben (zitiert nach Caroline Currer, 2007, S. 15). Folglich steht ein Verlust
unmittelbar in der vorliegenden Thematik mit der Abwesenheit einer Person in
Zusammenhang.

Wird diese Definition, mit der von Lammer (2004b) in Verbindung gebracht geht daraus hervor,
dass Trauer etwas Normales ist. Es geht dabei nicht um eine Krankheit, Dysfunktion oder um
eine psychische oder physische Schwäche, sondern es ist die gesunde und normale Reaktion
auf einen Verlust. Dennoch kann es aber weitgreifende Folgen haben, wenn der Verlust und
die damit einhergehende Trauer gar nicht oder nicht vollständig bearbeitet wird. Jedoch
handelt es sich bei einer auf einen Verlust einhergehenden Trauer um eine sogenannte
normale Trauerreaktion. Sie ist nicht pathologisch und dient dazu, den Verlust zu verarbeiten.
Nur in Ausnahmefällen entwickelt sich daraus eine sogenannte komplizierte Trauer (Rita
Rosner & Brigitte Wagner, 2013). Die Autorinnen beschreiben den Trauerprozess als eine
Kombination aus negativen Symptomen, sozialem Rückzug, Sehnsucht oder auch häufiges

                                                                                             7
Weinen. Diese Faktoren werden durch die intrapsychischen und sozialen Faktoren sowie
durch den Gesundheitszustand der trauernden Person beeinflusst. Im Normalfall nimmt die
Trauer mit der Zeit graduell ab und die trauernde Person passt sich immer mehr den neuen
Lebensumständen an. Die Dauer des Prozesses kann zeitlich nicht gemessen werden und ist
abhängig von der Bedeutung der Art des Verlustes. Es wurde immer wieder versucht den
Trauerprozess zu erfassen und diverse Trauerphasenmodelle wurden entwickelt (S. 470ff).

Für Lammer (2004b) dienen diese Modelle in erster Linie dazu, Betroffenen Halt zu geben. Mit
einem solchen Modell lässt sich die Trauer fassbar machen und es wird einigermassen
abschätzbar oder eingrenzbar, bei welcher Phase eine Person sich in ihrer Trauer ungefähr
befindet. Dies wiederum gibt den Trauernden Sicherheit und Zuversicht und sie können das
Erlebte einordnen (S. 72).

Worden (2011) kritisiert diese Phasenmodelle, da er den Phasen eine gewisse Passivität
zuschreibt (S. 44). Für ihn besteht die Verarbeitung der Trauer aus vier Traueraufgaben:

      -   Aufgabe 1: den Verlust als Realität begreifen,

      -   Aufgabe 2: den Schmerz verarbeiten,

      -   Aufgabe 3: sich an eine Welt ohne das Verlorene gewöhnen,

      -   Aufgabe 4: eine dauerhafte Verbindung zu dem Verlorenen inmitten des Aufbruchs in
          ein neues Leben finden (S. 45ff).

Diese vier Traueraufgaben sind dabei als Entwicklungsprozess zu verstehen. Trauernde
durchlaufen sie, setzen sich mit ihrem Verlust auseinander und passen sich schlussendlich
an.

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass Trauer und Verlust eng verknüpft sind. Sie
sind in der Regel die Folge eines besonders einschneidenden und schmerzlichen Erlebnisses
für Betroffene. Die Verarbeitung dieses Erlebnisses braucht Zeit und Raum und die Prozesse
verlaufen nicht linear. Dies bedingt, dass es für den Umgang mit Trauernden viel Empathie,
Wertschätzung und Verständnis benötigt.

                                                                                           8
3 Theoretischer Bezugsrahmen
Dieses Kapitel bildet durch den theoretischen Bezugsrahmen gewissermassen den
Grundstein der Master-Thesis. Zuerst wird auf die Themen Sterblichkeit und Todeszahlen in
der Schweiz, den Familienbegriff sowie die Arbeitstätigkeit nach der Geburt eingegangen. Im
nächsten Schritt werden die Themen Armutsgefährdung in der Schweiz, finanzielle Sicherheit
und die für diese Master-Thesis relevanten, sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche
theoretisch beschrieben und gerahmt.

Abschliessend wird eine begriffliche Heranführung an die Themen Sterben, Tod und Tabu
sowie den Begriff Resilienz gemacht. Kontextuell dazu wird die Soziale Arbeit bezugnehmend
auf das Sterben und den Tod in der Palliative Care beleuchtet.

3.1 Sterblichkeit und Todesursachen in der Schweiz
Gemäss Bundesamt für Statistik (2020) hat die Anzahl der Todesfälle nach einer langen
stabilen Phase seit Mitte der 2000er Jahre wieder zugenommen. Die altersspezifische
(standardisierte) Sterberate sinkt hingegen weiterhin und hat sich in den letzten 50 Jahren
halbiert. Konkret bedeutet dies, dass die Menschen tendenziell immer älter werden in der
Schweiz. Dazu kommt, dass weniger Kinder geboren werden und Frauen später Mutter
werden (vgl. Kapitel 3.2). In der Konklusion hat dies einen direkten Einfluss auf den
sogenannten         in    der    Schweiz        vorherrschenden          Generationenvertrag.   Unter   dem
Generationsvertrag wird verstanden, dass die Leistungen für Rentnerinnen und Rentner in der
Schweiz durch die Erwerbstätigen finanziert werden:

Abbildung 2 Altersstandardisierte Sterberate pro 100 000 Einwohner (Quelle: BEVNAT, CoD)

                                                                                                          9
Gemäss Avenir Suisse (2020) führt dies dazu, dass sich durch die Pensionierung
geburtenstarker Jahrgänge die Alterspyramide komplett verändert hat. In diesem
Zusammenhang wird immer wieder über die Erhöhung des Rentenalters diskutiert.
Unter Einfluss der Covid-19 Pandemie hat sich die Sterberate in der Schweiz verändert.
Gemäss Bundesamt für Statistik (2021) lässt sich seit der Woche 45/2021 wieder eine
Übersterblichkeit in der Altersgruppe von 65 Jahren und älter feststellen.

Gemäss Bundesamt der Statistik (2020) sind die Mehrzahl der Todesfälle auf wenige
Todesursachen zurückzuführen:

    -    Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
    -    Krebserkrankungen,
    -    Krankheiten der Atmungsorgane,
    -    Unfälle und andere Gewalteinwirkungen und
    -    Demenz.

Das Risiko an einer dieser Todesursachen zu sterben, ist jeweils vom Alter als auch vom
Geschlecht abhängig. Folgende Statistik gibt Auskunft über die Todesursachen nach
Altersklasse:

Abbildung 3 Häufigste Todesursache nach Altersklasse, 2018 (Quelle: BFS, Todesursachenstatistik (CoD))

                                                                                                         10
In den ersten beiden Lebensjahren ist das Risiko besonders hoch, an angeborenen
Krankheiten zu sterben. Im Alter von 2 und 15 Jahren ist die Zahl der Todesfälle sehr gering
und die Todesursachen können vielfältig sein. Im Alter zwischen 16 bis ungefähr 40 Jahren
überwiegen als Todesursachen Unfälle und Suizid. Ab dem 40. Altersjahr gehört Krebs zur
häufigsten Todesursache und ab ca. 80 Jahren sind als häufigste Todesursache Herz-
Kreislauf-Krankheiten zu nennen (BFS, 2018).

Die für die Master-Thesis relevante Zielgruppe und Todesursache lässt sich bei den 25-44-
Jährigen bzw. 45-64-Jährigen einordnen und wurde daher markiert (schwarzer Pfeil).
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass als häufigste Todesursachen für Verwitwung mit
minderjährigen Kindern Unfälle, Krebs und Suizid sind.

3.2 Familien in der Schweiz
Vorab erfolgt die Definition des Begriffes Familie, damit ein Grundkonsens für die
Begriffsanwendung vorliegt. Familie kommt aus dem lateinischen Familia und bedeutet so viel
wie die Gesamtheit der Dienerschaft / Hausstandes oder auch «eine aus einem Elternpaar
oder einem Elternteil mit mindestens einem Kind bestehende (Lebens-)gemeinschaft»
(Duden, 2021). Ein Blick in die Literatur zeigt, dass es keine einheitliche Definition gibt. Die
Autorinnen Janet Bavelas und Lynn Segal (1982) zum Beispiel definieren ihren Begriff von
Familie wie folgt: «Ein Familiensystem ist eine besondere Gruppe von Personen, zwischen
denen Beziehungen bestehen; diese Beziehungen werden durch die Mitglieder etabliert,
aufrechterhalten und erkennbar gemacht, indem sie miteinander kommunizieren» (S. 125). In
der heutigen Zeit entspricht der Begriff Familie nicht mehr dem, was er vor z.B. 100 Jahren
bedeutet hat. Durch den sozialen und politischen Wandel haben sich Familien- sowie
Partnerschaftsstrukturen verändert.

Familien- sowie Partnerschaftsstrukturen unterliegen einem starken Wandel – sozial sowie
auch politisch (vgl. z.B. Abstimmung Ehe für alle vom 26.09.2021). Heute wird der Begriff
Familie als eine zusammengehörige Gruppe verstanden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich
diese Gruppe aus Liebe, Heirat oder biologischer Verwandtschaft zusammengefunden hat.

Wo vor 100 Jahren Kernfamilien mit Mutter, Vater und Kindern existierten, finden sich heute
verschiedenste    Konstellationen     von     Familienzusammenschliessungen.      Neben     der
klassischen   heteronormativen      Familie    alleinerziehende   Mütter   und    Väter   auch
Einelternfamilien genannt, Patchworkfamilien oder auch Familien mit gleichgeschlechtlichen
Eltern oder Stieffamilien (Karl Lenz, 2005, S. 9ff). Die Art. 90-251 ZGB regeln Angelegenheiten
und Verhältnisse, welche im Zusammenhang zu den Familien stehen.

                                                                                             11
Gemäss Bundesamt für Statistik (2021) machen die Haushalte mit Kindern unter 25 Jahren
knapp ein Drittel aus. Dabei ist es so, dass die Mehrheit aller Kinder mit beiden Eltern
zusammenlebt. 13% leben in sogenannten Einelternhaushalten (Alleinerziehende, Verwitwete
etc.) und 6% in sogenannten Patchworkfamilien, bei welchen mindestens ein Partner ein oder
mehrere Kinder aus früherer Beziehung in die neue Partnerschaft bringt (digitales Wörterbuch
der deutschen Sprache, 2021):

Abbildung 4 Kinder unter 25 Jahren nach Haushaltstyp, 2019 (Quelle: BFS, SE, 2021)

Erneut weist die Autorin mittels des schwarzen Pfeils daraufhin, dass die Master-Thesis sich
ausschliesslich auf die 13.4% (Verwitwete, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern)
fokussiert. Diese Zielgruppe ist besonders von Armut gefährdet und ist auf den Sozialtransfer,
wie u.a. auf wirtschaftliche Sozialhilfe, angewiesen.

3.3 Armutsgefährdung in der Schweiz
Damit Armutsgefährdung in einem Land messbar ist, wird von der Europäischen Union bei
60%      des     verfügbaren        Medianäquivalenzeinkommen                  angesetzt   (BFS,   2021).   Als
armutsgefährdet gelten die Personen, die ein deutlich tieferes Einkommen als die
Gesamtbevölkerung ihres Landes haben und somit vom sozialen Ausschluss bedroht sind.
2019 lag diese Grenze in der Schweiz in einem Einpersonenhaushalt bei 30`045 Franken /
Jahr und beinahe jede sechste Person war von Armut bedroht (ebd.).

                                                                                                            12
Die Armutsgefährdung hängt stark mit der familiären Situation wie auch mit dem
Ausbildungsniveau einer Person zusammen. Alleinlebende Personen ohne Kinder sind 2,4-
mal mehr von Armutsgefährdung betroffen als Paare ohne Kinder. Mit der Anzahl der Kinder
steigt auch das Risiko der Armutsgefährdung tendenziell an. Gegenüber Personen mit einem
obligatorischen Schulabschluss, sind Personen mit einem Tertiärabschluss 3,5-mal weniger
armutsgefährdet (BFS, 2021).

Des Weiteren sind folgende Bevölkerungsgruppen in der Schweiz von Armut bedroht:

   -   Personen ohne Ausbildung,
   -   Alleinerziehende Eltern,
   -   Alleinstehende Pensionierte,
   -   Personen mit Migrationshintergrund (ebd.).

Ursache für Armut ist in den meisten Fällen ein kritisches und traumatisches Lebensereignis
wie eine Scheidung, ein Jobverlust, ein gesundheitliches Problem oder eben der Verlust des
Partners:in (youngCaritas, o. J.).
Armut in der Schweiz bedeutet nicht nur den Mangel an Geld, sondern auch fehlende
Möglichkeiten an der Gesellschaft und am sozialen Leben teilzuhaben. Der Soziologe und
Armutsforscher Franz Schultheis sagt in einem Interview mit SRF (2019), dass Armut in der
Schweiz als Problem unterschätzt werde. Er führt aus, dass es den Betroffenen meist an
Mitteln fehle, um am kulturellen und sozialen Leben teilzunehmen. Dies führt dazu, dass
armutsbetroffene Menschen sich zurückziehen und auf soziale Kontakte verzichten, was
wiederum einen direkten Einfluss auf das physische Wohlbefinden und die psychische
Gesundheit hat (ebd.).
Die Armutsquoten in der Schweiz sind auf folgender Abbildung ersichtlich:

                                                                                        13
Abbildung 5 Armutsquoten 2019 (Quelle: BFS, Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen, 2019, ohne fiktive Miete)

In der Gesellschaft herrscht nach wie vor die Meinung, dass Erwerbstätigkeit vor Armut
schützt. Zahlen aus dem Jahr 2019 zeigen jedoch deutlich, dass 8,2% aller Erwerbstätigen,
also rund 300`000 Personen in der Schweiz armutsgefährdet sind. Dieser Zustand ist im
Wesentlichen von der Arbeitsform und -bedingung abhängig. Gemäss Bundesamt für Statistik
(2021) sind folgende Gruppen trotz Erwerbstätigkeit von Armut bedroht:

                                                                                                                    14
-     Teilzeitangestellte,
   -     Selbstständigerwerbende,
   -     Personen in befristeten Arbeitsverhältnissen,
   -     Personen mit betriebsbedingten, unregelmässigen Arbeitszeiten.

Dies zeigt deutlich, dass auch in der reichen Schweiz Armut herrscht. Diese Feststellung
eröffnet ein brisantes, politisches Thema.

Um der Armutsgefährdung entgegenzuwirken, gibt es in der Schweiz sogenannte
Sozialtransfers, welche unmittelbar dazu beitragen, dass Armut verhindert werden kann. Ohne
diese, wäre die Armut doppelt so hoch (BFS, 2021). Sozialtransfer bildet ein Teil der sozialen
Sicherheit in der Schweiz (Kurt Wyss & Caroline Knupfer, 2013, S. 5ff). Er besteht aus
bedarfsabhängigen staatlichen Transferleistungen, die zum Ziel haben, die Grundversorgung
zu sichern, auch, wenn diese in Folge von Lebensereignissen nicht durch Eigenleistung oder
andere     Sozialversicherungen     abgedeckt    werden    kann.   Die    bekannteste    dieser
Transferleistung in der Schweiz ist die wirtschaftliche Sozialhilfe, welche von den Kantonen
bzw. den Gemeinden organisiert und hauptsächlich durch Steuergelder und je nach Kanton
auch durch andere kommunale Gelder ergänzend finanziert wird. Der herrschende
Föderalismus (weitgehende Eigenständigkeit der einzelnen Kantone) in der Schweiz führt
dazu, dass jeder Kanton eine andere Regelung betreffend wirtschaftliche Sozialhilfe festlegen
kann. Eine Orientierung bietet die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Der
Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe ist in der Schweiz mit einer hohen Hemmschwelle
behaftet (ebd.).

Damit eine Anmeldung in der Sozialhilfe erfolgt, erfordert es nach wie vor prekäre
Lebenssituationen und einen grossen Leidensdruck. Dies liegt daran, weil Betroffene
staatliche Hilfe annehmen, welche durch die öffentliche Hand und Gelder finanziert wird.
Zudem bedeutet es für viele Personen gewissermassen eine Resignation (armutinfo.ch,
2020).

3.4 Arbeitstätigkeit nach der Geburt
Die Geburt eines Kindes ist ein besonderes und einschneidendes Erlebnis für die werdenden
Eltern und auch für das Umfeld. Sie hat einen entscheidenden Einfluss auf diverse Bereiche
des sozialen sowie beruflichen Lebens. Werden Paare zum ersten Mal Eltern, müssen die
Rollen innerhalb der Partnerschaft neu verteilt werden. Meist sind es in der Schweiz die Mütter,
die in der Folge einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehen. So arbeiten gemäss Bundesamt für
Statistik (2021) 78% der erwerbstätigen Mütter mit Kindern unter 25 Jahren Teilzeit. Bei den
Frauen ohne Kinder liegt der Prozentsatz bei 40%, wenn sie mit einer Partnerin oder einem

                                                                                             15
Partner zusammenwohnen und bei 31%, wenn sie allein wohnen. Die Geburt von Kindern hat
auf die meisten Väter keinen Einfluss, weil sie weiterhin in Vollzeit arbeiten. Bei Vätern mit
Kindern unter 25 Jahren, die Teilzeit arbeiten, liegt der Anteil aktuell bei 12%. Dies führt zu
einer grossen Diskrepanz zwischen Müttern und Vätern (BFS, 2021).

Die Teilzeiterwerbstätigkeit in der Schweiz sieht wie folgt aus (Stand 2019):

Abbildung 6 Teilzeiterwerbstätige nach Geschlecht, Familiensituation und Beschäftigungsgrad, 2019 (Quelle: BFS, SAKE, 2021)

Die Gründe für eine Wiederaufnahme der Erwerbtätigkeit der Frauen können vielseitig sein.
Oftmals liegt es am finanziellen Aspekt, weitere Gründe sind die wirtschaftliche
Unabhängigkeit oder auch die Wertschätzung der eigenen Arbeitsleistung, die bis zur Geburt
des Kindes bzw. der Kinder erbracht wurde. Die Unterstützungsleistungen für Familien in der
Schweiz sind im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eher niedrig (BFS, 2019). Die
Mutterschaftsentschädigung, die bei erwerbstätigen Müttern gesetzlich während 14 Wochen
80% des Erwerbseinkommens deckt, gibt es erst seit 2005 (EKFF, 2018). Damit liegt die
Schweiz deutlich hinter den anderen europäischen Ländern. Deutschland beispielsweise
kennt neben dem sogenannten Mutterschutz auch noch eine Elternzeit von maximal drei

                                                                                                                       16
Jahren, welche sich die Eltern untereinander aufteilen können. In Schweden erhalten Eltern
pro Kind zusammen 480 Tage Elterngeld und in Island gilt die Regelung, dass Eltern innerhalb
von 36 Monaten nach Geburt des Kindes flexibel für maximal neun Monate Elternzeit in
Anspruch nehmen können (EKFF, 2018). Es wird bewusst von Elternzeit und Elterngeld
gesprochen, da diese Regelung beide Eltern betreffen und beide einen Anspruch darauf
haben. Die Schweiz kannte den bezahlten Vaterschaftsurlaub bis 2020 nicht. Erst bei der
Volkabstimmung vom 27. September 2021 wurde er mit 60,3% Ja-Stimmen angenommen. In
der Folge können Männer seit 01. Januar 2021 innerhalb von sechs Monaten ab Geburt eines
Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub beziehen (gewisse Arbeitgeber gewähren auch vier
Wochen). Folglich führt dies dazu, dass Männer nach der Geburt des Kindes bzw. der Kinder
weiterhin normal arbeiten, da sie keine weiteren finanziellen Ansprüche geltend machen
können. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Schweiz im Vergleich zu anderen
europäischen Ländern noch immer hinterherhinkt, obwohl Studien gezeigt haben, dass sich
eine Elternzeit positiv auf Mutter und Kind, auf die Gleichstellung von Mann und Frau sowie
auf die Wirtschaft auswirkt (ebd.).

Dennoch weist die Schweiz nach Schweden die höchste Arbeitsmarktbeteiligung auf.
Interessanterweise ist sie aber auch das Land, welches an zweiter Stelle mit dem höchsten
Anteil an Frauen mit Teilzeitbeschäftigung liegt (BFS, o. J.). Da Männer, wie bereits erwähnt,
meist vollzeiterwerbtätig sind, geht die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Betreuung der
Kinder meist zu Lasten der Mütter. Damit Mütter arbeiten gehen können, sind sie auf
familienergänzende     Kinderbetreuung,    wie   Grosseltern,    Kindertagesstätten,   Horte,
Tagesfamilien etc. angewiesen. Viele Familien in der Schweiz nehmen eine oder sogar
mehrere dieser Betreuungsangebote in Anspruch. Angebote, wie Kindertagesstätten oder
Horte sind jedoch trotz Subventionen kostenintensiv und je nach Alter und Anzahl der Kinder
wird der Zweitverdienst dafür aufgebraucht (ebd.).

Die mehrheitliche Teilzeitarbeitstätigkeit von Müttern ist für Verwitwete mit minderjährigen
Kindern insofern relevant, als beim Tod des Partners:in neben dem emotionalen und sozialen
Verlust auch noch das finanzielle Haupteinkommen wegfallen kann, was wiederum zu
finanzieller Unsicherheit bzw. Armutsbedrohung führen kann (EKFF, 2018).

3.5 Relevante sozialversicherungsrechtliche Ansprüche
Eine nähere Erläuterung der Zielgruppe dieser Master-Thesis findet statt, indem Verwitwete
mit mindestens einem Kind in den Kontext mit den relevanten sozialversicherungsrechtlichen
Ansprüchen gebracht werden.

                                                                                           17
3.5.1     Soziale Sicherheit in der Schweiz
Die Schweiz ist ein sogenannter Sozialstaat. Konkret bedeutet dies, dass in der Schweiz ein
engmaschiges Netz von Sozialversicherungen besteht, das den in der Schweiz wohnhaften
(und arbeitenden) Menschen sowie deren Angehörigen einen Schutz vor Risiken bietet, für
welche, die ihre eigene finanzielle Situation nicht selbstständig bewältigen können.
Dabei wird das schweizerische Sozialversicherungssystem in fünf Bereiche unterteilt (ch.ch,
o. J.):

    •     Drei-Säulen-System: Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (AHV, IV):
          Die drei Säulen der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge umfasst folgendes:
          1.   Säule: allgemeingültige Volksversicherung, sie dient der Existenzsicherung.
          2.   Säule: berufliche Vorsorge (BV). Sie soll gemeinsam mit der ersten Säule die
               Fortführung des gewohnten Lebensstils gewährleisten (obligatorisch für alle der
               AHV angeschlossenen Personen mit einem gewissen Jahreseinkommen- Jahr
               2021 Fr. 21`510).
          3.   Säule: umfasst die individuelle freiwillige Vorsorge,
    •     Schutz vor Folgen einer Krankheit und eines Unfalls (KV, UV),
    •     Erwerbsersatz für Dienstleistenden und bei Mutterschaft (EO),
    •     Arbeitslosenversicherung (ALV),
    •     Familienzulagen (FamZ).

Die Versicherungen dieser fünf Bereiche leisten Schutz, indem sie einerseits finanzielle
Leistungen ausrichten oder andererseits die Kosten bei Krankheit und Unfall tragen. Finanziert
werden sie durch Beiträge vom Erwerbseinkommen. Ausgenommen ist dabei die
Krankenversicherung, bei welcher jede versicherte Person eine Prämie bezahlt und somit
Anrecht auf Leistungen erwirbt (ebd.).

Zudem beteiligen sich der Bund und die Kantone unterschiedlich an der Finanzierung von
Sozialversicherungen        wie    beispielsweise    bei   der   Altersvorsorge   (AHV)   oder   der
Invalidenversicherung (IV). Manchmal finanzieren sie sich auch ganz, wie bspw. bei den
Ergänzungsleistungen (EL) oder sie unterstützen finanziell schwächere Personen mit
Prämienzahlungen wie zum Beispiel der individuellen Prämienverbilligung (IVP) in der
Krankenversicherung (BSV, 2021).

Dabei      darf   nicht   vergessen    werden,      dass   die   geltenden   Ansprüche    aus    den
Sozialversicherungen nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen. Das Subsidiaritätsprinzip ist
ein wesentliches Merkmal des Schweizer Sozialstaats und bedeutet, dass eine Hilfe nur dann
gewährt werden kann, wenn eine Person sich nicht selbst helfen oder wenn Hilfe nicht oder
nicht rechtzeitig erhältlich ist (AHV, 2021).

                                                                                                  18
3.5.2   Witwen-, Witwer-Rente aus der AHV (1. und 2. Säule)
In der Schweiz unterscheidet das Gesetz zwischen verheirateten und nicht verheirateten
Personen.

Gemäss Hans-Ulrich Stauffer (2016) haben der hinterbliebene Ehepartner:in bei einem
Todesfall ein Anrecht auf Hinterlassenenleistungen wie eine sogenannte Witwen- oder Witwer-
Rente. Diese Regelung gilt auch für geschiedene Ehepartnerinnen und Ehepartner. Das Ziel
der Hinterlassenenrente ist, dass die Hinterbliebenen wie Ehepartner:in und / oder Kinder bei
einem Todesfall nicht in finanzielle Not geraten. In der Schweiz zahlen sowohl die AHV (1.
Säule) als auch die berufliche Vorsorge (2. Säule) Leistungen aus. Des Weiteren können unter
Umständen Leistungen aus der obligatorischen Krankenversicherung und aus der
Militärversicherung geltend gemacht werden. Die Witwen- / Witwer-Rente aus der AHV ist
Einkommensabhängig (S. 7ff). Dabei basiert sie auf folgenden Faktoren:

   •    Anrechenbare Beitragsjahre,

   •    Das Einkommen, das sich aus dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen sowie
        Erziehungs- und Betreuungsgutschriften zusammensetzt und

   •    Einem Karrierezuschlag, falls der verstorbene Ehepartner jünger als 45 Jahre war.
        Beim Karrierezuschlag wird der Durchschnitt des Erwerbseinkommens um einem vom
        Alter abhängigen prozentualen Zuschlag erhöht (ebd.).

Da bei den Hinterlassenenleistungen nach wie vor ein Unterschied zwischen den
Geschlechtern gemacht wird, wird in der Folge zuerst auf die Ansprüche von Frauen und
anschliessend auf die Ansprüche von Männern eingegangen (ebd., S. 9ff).

Damit eine Frau ihren Anspruch auf eine Witwenrente aus der AHV geltend machen kann,
müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden. So gilt bei der AHV beispielsweise, dass
eine verheiratete Frau Anspruch hat, falls sie eins oder mehrere Kinder hat. Das Alter der
Kinder ist dabei gleichgültig. Zudem kann sie einen Anspruch haben, falls sie mindestens fünf
Jahre verheiratet ist und das 45. Lebensjahr abgeschlossen hat. Falls sie mehrmals verheiratet
war, werden die Jahre zusammengezählt (AHV / IV, 2021).

Geschiedene Frauen haben ebenfalls einen Anspruch auf Witwenrente, wenn sie Kinder
haben und die geschiedene Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat oder sie bei der
Scheidung älter als 45 Jahre ist und die geschiedene Ehe mindestens zehn Jahre gedauert
hat oder wenn das jüngste Kind 18 Jahre alt wird, nachdem die geschiedene Mutter 45 Jahre
alt geworden ist (AHV / IV, 2021). Falls eine geschiedene Frau keine dieser Voraussetzung
erfüllt, hat sie Anspruch auf eine Witwenrente bis zum 18. Geburtstag des jüngsten Kindes.
Der Betrag für eine ordentliche Vollrente beträgt 2021 bei voller Beitragsdauer je nach

                                                                                           19
Einkommen des verstorbenen Ehepartners zwischen 956 Franken und 1`912 Franken pro
Monat. Der Anspruch auf eine Witwenrente entsteht mit dem Tod des Ehepartners resp. im
Folgemonat. Der Anspruch der Witwen-Rente endet mit einer Wiederverheiratung, dem Tod
oder wenn die Voraussetzungen aus einem anderen Grund nicht mehr erfüllt sind. Hat eine
Frau gleichzeitig Anspruch auf eine weitere Rente aus der AHV zum Beispiel durch die
Pensionierung oder durch Invalidität, so wird nur die höhere Rente ausgerichtet (AHV / IV,
2021).

Bei einer Rente aus der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse) gelten wiederum andere
Voraussetzungen (AHV / IV, 2021). Grundsätzlich wird einer Frau eine Rente aus der
beruflichen Vorsorge (Pensionskasse) ausbezahlt, wenn sie beim Tod des Ehepartners für
den Unterhalt eines oder mehrerer Kinder verantwortlich oder das 45. Lebensjahr
abgeschlossen hat sowie mindestens fünf Jahre verheiratet ist. Die Voraussetzungen können
je nach Pensionskasse zusätzlich variieren. Laut Gesetz betragen die Renten für
Hinterbliebene aus der 2. Säule 60 Prozent der Altersrente, auf die der (verstorbene)
Versicherte bei der Pensionierung Anspruch gehabt hätte. Die Pensionskassen können jedoch
auch höhere Leistungen ausrechnen. Sind die Voraussetzungen für den Bezug einer
Pensionskassen- Rente nicht erfüllt, erhält die Witwe anstatt einer Rente eine einmalige
Auszahlung im Betrag von drei Jahresrenten (ebd.).

Verheiratete oder geschiedene Männer erhalten beim Tod der Ehepartnerin eine Witwer-
Rente solange sie Kinder unter 18 Jahren haben. Sobald das jüngste Kind 18 Jahre alt wird,
erlischt jedoch der Anspruch auf Witwer-Rente. Seit der 1. BVG-Revision, welche am 1. Januar
2005 in Kraft getreten ist, sind sich Witwen und Witwer für die Leistungen aus der beruflichen
Vorsorge gleichgestellt. Gemäss Art. 19 BVG steht dem hinterbliebenen Ehegatten eine Rente
zu, wenn er oder sie für den Unterhalt mindestens eines Kindes aufkommen muss oder älter
als 45 Jahre ist und die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert hat (AHV / IV, 2021).

In der Schweiz dürfen gleichgeschlechtliche Paare im Moment noch nicht heiraten, sie können
ihre Partnerschaft jedoch eintragen lassen. Für Hinterbliebene aus eingetragenen
Partnerschaften besteht in der Schweiz ein Anspruch auf Hinterlassenenleistungen sowohl
aus der AHV als auch aus der beruflichen Vorsorge. Bei einer Rente aus der Pensionskasse
besteht der gleiche Anspruch wie für eine Witwe, bei der AHV jedoch nur wie für einen Witwer,
das Geschlecht ist dabei gleichgültig (ebd.)

Alle anderen Paare in der Schweiz gelten als sogenannte Konkubinatspaare. Auch
Konkubinatspaare haben in der Schweiz nur einen beschränkten Anspruch auf eine
Hinterlassenenrente. So haben sie im Fall des Todes des Partners oder der Partnerin keinen
Anspruch auf eine Hinterlassenenrente aus der AHV. Bei der Pensionskasse ist das
Reglement bestimmend (ebd.).

                                                                                           20
3.5.3   Waisenrenten
In der Schweiz haben Kinder Anspruch auf eine Waisenrente aus der AHV, wenn die Mutter
oder der Vater stirbt. Umgangssprachlich werden diese Renten auch Halbwaisenrenten
genannt. Sterben beide Eltern besteht ein Anspruch auf zwei Waisenrenten. Der Anspruch der
Waisenrente erlischt mit dem 18. Geburtstag oder bei Abschluss einer Ausbildung, spätestens
jedoch mit dem 25. Geburtstag. Die Höhe der Waisenrente bewegt sich 2021 zwischen 478
Franken und 956 Franken pro Monat. Werden für das gleiche Kind zwei Waisenrenten oder
eine Waisenrente und eine Kinderrente (z.B. IV- Kinderzusatz-Rente etc.) ausbezahlt, dürfen
diese beiden Renten zusammen den Höchstbetrag von aktuell 1`434 Franken nicht
überschreiten, was 60% des Höchstbetrages einer Altersrente entspricht (IV / AHV, 2021).

3.5.4   Leistungen aus der Unfallversicherung
Falls eine versicherte Person an den Folgen eines Unfalls stirbt, haben der hinterbliebene
Ehepartner:in   sowie     deren      Kinder   unter   Umständen     einen     Anspruch   auf     eine
Hinterlassenenrente      (admin.ch,    2018).    Geschiedene     Ehepartner    bzw.    geschiedene
Ehepartnerinnen mit Unterhaltspflicht durch die verunfallte Person, werden der Witwe bzw.
dem Witwer gleichgestellt. Wie bei den anderen Hinterlassenenleistungen wird die Rente
abhängig zum versicherten Verdienst berechnet und beträgt für Witwen und Witwer 40%, für
Vollwaisen 25% und für Halbwaisen 15%. Für alle Hinterlassenen ist der Höchstsatz jedoch
maximal bei 70% des versicherten Verdienstes der verunfallten Person. Beim geschiedenen
Ehepartner:in beträgt der Anspruch 20% des versicherten Verdienstes, er darf den
geschuldeten Unterhaltsbeitrag jedoch nicht überschreiten. Der Anspruch auf die Rente aus
der Unfallversicherung erlischt grundsätzlich mit einer Wiederverheiratung oder dem Tod der
rentenberechtigen Person. Der Anspruch der Kinder endet gleich wie die Rente aus der AHV
mit Vollendung des 18. Altersjahres oder bei Abschluss der Ausbildung, spätestens aber mit
dem vollendeten 25. Altersjahr (vgl. Art. 22 UVV, 2018).

3.5.5   Weitere finanzielle Ansprüche
Nachfolgend     werden     weitere    mögliche    finanzielle   Ansprüche     für   Verwitwete    mit
minderjährigen Personen aufgelistet (Liste nicht abschliessend):

                                                                                                  21
Sie können auch lesen