Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen Éducation linguistique précoce dans des groupes de jeu linguistiquement hétérogènes ...
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Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen — Éducation linguistique précoce dans des groupes de jeu linguistiquement hétérogènes — Preschool language education in linguistically heterogeneous playgroups — Dieter Isler, Sibylle Künzli, Achim Brosziewski, Katharina Kirchhofer, Claudia Neugebauer, Betül Dursun, Judith Maier & Claudia Hefti
Herausgeber | Publié par Frühe Sprachbildung in sprachlich Institut für Mehrsprachigkeit www.institut-mehrsprachigkeit.ch heterogenen Spielgruppen — Kurzbericht zum Forschungsprojekt «Mehrsprachige Praktiken von Institut de plurilinguisme Kindern und Fachpersonen in Spielgruppen» (MePraS) www.institut-plurilinguisme.ch — AutorInnen | Auteur·e·s Dieter Isler, Sibylle Künzli, Achim Brosziewski, Katharina Kirchhofer, Éducation linguistique précoce dans Claudia Neugebauer, Betül Dursun, Judith Maier & Claudia Hefti des groupes de jeu linguistiquement Pädagogische Hochschule Thurgau, Unterer Schulweg 3, Postfach, hétérogènes CH-8280 Kreuzlingen 1, www. https://www.phtg.ch Rapport court sur le projet de recherche : « Pratiques plurilingues d’enfants et de professionnel·le·s dans des groupes de jeux » Das vorliegende Projekt wurde im Rahmen des Arbeitsprogramms 2016-2020 des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit durchgeführt. — Für den Inhalt dieser Veröffentlichung sind die AutorInnen verantwortlich. Preschool language education in Le projet dont il est question a été réalisé dans le cadre du programme de travail linguistically heterogeneous playgroups 2016-2020 du Centre scientifique de compétence sur le plurilinguisme. La responsabilité du contenu de la présente publication incombe à ses auteur·e·s. Summary of the research project “Multilingual production by children and professionals in playgroups” Übersetzungen | Traductions — Isabelle Affolter, Mary Carozza Dieter Isler, Sibylle Künzli, Achim Brosziewski, Katharina Kirchhofer, Freiburg | Fribourg, 2020 Claudia Neugebauer, Betül Dursun, Judith Maier & Claudia Hefti Layout Billy Ben, Graphic Design Studio 2020 Bericht des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit Rapport du Centre scientifique de compétence sur le plurilinguisme unterstützt durch | avec le soutien de Report of the Research Centre on Multilingualism 2020.002-MePraS
Index Deutsch 7 English 55 1. Das Projekt MePras 8 1. The “MePraS” project 56 1.1. Ausgangslage 8 1.1. Background situation 56 1.2. Fragestellung und Design 9 1.2. Research questions and project design 57 1.3. Methodisches Vorgehen 11 1.3. Methodology 59 2. Ergebnisse 13 2. Findings 61 2.1. Spielgruppenalltag 13 2.1. Playgroup activities 61 2.2. Umgang mit sprachlicher Heterogenität 16 2.2. Dealing with linguistic heterogeneity 64 2.3. Sprachproduktionen der Fokuskinder 17 2.3. Language production of the focus children 65 2.4. Unterstützung mehrsprachiger Kinder in Spielgruppen 22 2.4. Supporting multilingual children in playgroups 69 3. Perspektiven 25 3. Outlook 73 3.1. Professionalisierung der Spielgruppen 25 3.1. Professionalisation of playgroups 73 3.2. Rolle der Spielgruppen im Bildungswesen 26 3.2. Role of playgroups in the Swiss education system 73 3.3. Deutschförderung vor dem Kindergarten 26 3.3. Promoting German-language skills of preschool children 74 3.4. Forschung zum Spielgruppenfeld 27 3.4. Research on playgroups 75 4. Weiterführende Hinweise 77 4. Additional Information 77 4.1. Literatur 78 4.1. Literature 78 4.2. Links 80 4.2. Links 81 Français 31 1. Le projet MePraS 32 1.1. La situation des groupes de jeux 32 1.2. Questions de recherche et design 33 1.3. Approche méthodologique 35 2. Résultats 37 2.1. Le quotidien des groupes de jeux 37 2.2. Rapport à l’hétérogénéité linguistique 40 2.3. Productions linguistiques des enfants observés 41 2.4. Soutien aux enfants plurilingues dans les groupes de jeux 45 3. Perspectives 49 3.1. Professionnalisation des groupes de jeux 49 3.2. Le rôle des groupes de jeux dans le système éducatif 50 3.3. Encouragement à l’apprentissage de l’allemand avant l’école enfantine 50 3.4. Recherche dans le domaine des groupes de jeux 51 4. Plus d’informations 77 4.1. Littérature 78 4.2. Liens 80
Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 6 Deutsch 7 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen Kurzbericht zum Forschungsprojekt «Mehrsprachige Praktiken von Kindern und Fachpersonen in Spielgruppen» (MePraS) — Dieter Isler, Sibylle Künzli, Achim Brosziewski, Katharina Kirchhofer, Claudia Neugebauer, Betül Dursun, Judith Maier & Claudia Hefti Dieser Kurzbericht richtet sich an Akteurinnen und Akteure in Politik und Administration, an Führungs- und Projektverantwortliche im Bereich der frühen Bildung und an die interessierte Öffentlichkeit. Leserinnen und Leser aus der Wissenschaft verweisen wir auf die Buchpublikation Gespräche im Kindergarten als Erwerbskontexte sprachlicher Fähigkeiten, welche 2021 bei Beltz Juventa erscheinen wird und das Projekt und seine Ergebnisse ausführlich darstellt.
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 8 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 9 1. renden Ansätzen und Angeboten. Zudem ation mehrsprachiger Kinder untersuchen. hat sich unter dem politischem Handlungs- Mit seiner Ausschreibung zu diesem Thema Das Projekt MePraS druck eine starke Tendenz zu Sprachförder- hat das Kompetenzzentrum für Mehrspra- spielgruppen durchgesetzt, die sich gezielt chigkeit der Universität Freiburg und der an Kinder wenden, die zuhause kein Deutsch HEP|PH FR die Möglichkeit geschaffen, In diesem Abschnitt wird zunächst die Aus- arbeit, keine Standards für die Rahmen sprechen. Solche Angebote verstärken die diese Forschungslücke anzugehen. Im ge- gangslage der Spielgruppen in der Deutsch- bedingungen von Spielgruppen und keine ohnehin schon bestehende soziale Segrega- förderten Projekt «Mehrsprachige Praktiken schweiz umrissen (1.1). Danach geht es um öffentlich legitimierten Aus- und Weiterbil- tion und isolieren die Deutsch lernenden von von Kindern und Fachpersonen in Spiel- Fragestellung und Design (1.2) sowie um dungseinrichtungen. Der Schweizerische den bereits Deutsch sprechenden Kindern. gruppen» wurde diese Aufgabe von einem das methodische Vorgehen (1.3) im Projekt SpielgruppenleiterInnenverband SSLV en- Diese Entwicklungen haben das Spiel- interdisziplinären Team bearbeitet. Es «Mehrsprachige Praktiken von Kindern und gagiert sich stark für die Professionalisie- gruppenfeld verändert und viele Spielgrup- bestand aus folgenden Forscherinnen und Fachpersonen in Spielgruppen» (MePraS). rung von Spielgruppen, die Zuständigkeiten penleiterInnen verunsichert. Um den hohen Forschern: liegen aber nach dem Subsidiaritätsprinzip Erwartungen zu entsprechen, orientieren bei jeder einzelnen Gemeinde, so dass eine sie sich an Modellen, Programmen und Ma- • Pädagogische Hochschulen Thurgau: 1.1. kohärente Weiterentwicklung der Spiel- terialien zur frühen Deutschförderung, die Dieter Isler (Deutschdidaktiker), Achim Ausgangslage gruppen kaum möglich ist. Spielgruppen oft von kommerziellen Anbietern stammen, Brosziewski (Bildungssoziologe), Ka- sind in vielen Gemeinden de facto auf sich einseitig auf die Vermittlung des deutschen tharina Kirchhofer (Psychologin) und Spielgruppen sind fast ausschliesslich in gestellt, viele SpielgruppenleiterInnen sind Sprachsystems (Wortschatz und Gram- Betül Dursun (Deutschdidaktikerin) der Deutschschweiz anzutreffen. Während AlleinunternehmerInnen und müssen sich in matik) ausgerichtet sind und ein instruk- in den Städten und Agglomerationen in den Konkurrenzsituationen behaupten. tions- und trainingsorientiertes Bildungs- • Pädagogische Hochschule Zürich: Si- letzten Jahren das Kita-Angebot stark aus- In starkem Kontrast zum geringen Enga- verständnis in die Spielgruppe hineintragen. bylle Künzli (Bildungssoziologin) und gebaut wurde, sind auch Spielgruppen in gement der öffentlichen Hand erwartet die Obwohl Belege für die Wirksamkeit solcher Claudia Neugebauer (Didaktikerin für diesen urbanen Räumen weiterhin präsent Bildungspolitik zunehmend, dass Spiel- Ansätze fehlen und eine alltagsintegrierte Deutsch als Zweitsprache) und in ländlichen Gemeinden oft das einzige gruppen erhebliche Leistungen in den Be- Sprachbildung sowohl der bewährten Spiel- pädagogische Angebot im Frühbereich. Sie reichen der Integration und der Deutschför- gruppenpädagogik als auch dem aktuellen richten sich an Kinder ab ca. zweieinhalb derung von Kindern aus zugewanderten Verständnis früher Bildung (Wustmann 1.2. Jahre bis zum Eintritt in den Kindergarten. Familien erbringen. Es wird gefordert, dass Seiler & Simoni, 2012) besser entspricht, Fragestellung und Design Kinder besuchen Spielgruppen typischer- Kinder beim Eintritt in den Kindergarten be- finden solche Deutschförderprogramme weise während 1-2 Jahren an 1-2 Vormit- reits soziale Erfahrungen mit Kindergruppen weiterhin grossen Anklang. Mit dem Projekt «Mehrsprachige Praktiken tagen pro Woche während 2-2.5 Stunden ausserhalb der Familie mitbringen und sich In dieser Situation wären Bildungsver- von Kindern und Fachpersonen in Spiel- pro Vormittag (Isler, Rohde & Kirchhofer, im Alltag auf Deutsch verständigen können. antwortliche dringend auf gesichertes gruppen» (im Folgenden MePraS genannt) 2016). Spielgruppen unterscheiden sich Für die Integrations- und Deutschförderung Wissen zur frühen Sprachbildung in Spiel- sollte Grundlagenwissen erarbeitet werden, von Kindertagesstätten u.a. durch kürzere werden Mittel bereitgestellt und Programme gruppen angewiesen. Inzwischen liegen ei- um SpielgruppenleiterInnen bei der Umset- Aufenthaltszeiten ohne Mittagsverpflegung entwickelt, die auch von Spielgruppen ge- nige Arbeiten vor, die das pädagogische zung einer alltagsintegrierten Sprachbil- und altershomogenere Kindergruppen. Im nutzt werden können. Da im Spielgruppen- Handeln der Fachpersonen (Kannengieser, dung in sprachlich heterogenen Spiel- Gegensatz zu Kitas und Tagesfamilien feld aber öffentliche Gremien fehlen, die 2015; Vogt et al., 2015; Isler, 2014) und die gruppen zu unterstützen. Es ging im Kern fehlen für Spielgruppen gesetzliche Rege- solche Massnahmen koordinieren und ihre Entwicklung der Deutschleistungen der darum, den komplexen Spielgruppenalltag lungen. Es gibt keine Vorgaben zur Qualifi- Qualität überprüfen, besteht heute eine Kinder (Grob, Keller & Trösch, 2014) fokus- als Rahmen für sprachliche Bildung zu ver- kation von SpielgruppenleiterInnen, keine Vielfalt an mehr oder weniger fundierten, sieren. Bislang fehlen aber Studien, die den stehen. Konkret wurden vier Forschungs- Aufträge oder Curricula zur Spielgruppen- sich widersprechenden oder konkurrie- Spielgruppenalltag als Ganzes und die Situ- fragen bearbeitet:
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 10 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 11 1. Wie verbringen mehrsprachige Kinder Um diese Fragen zu untersuchen wurden Um die Bedeutung der sprachlichen Hetero- als Fremdsprache gezielt vermittelt (und ihren Alltag in der Spielgruppe? Fallstudien durchgeführt und aufeinander genität zu untersuchen wurden je zwei nicht als Zweit- und Umgebungssprache im bezogen: In vier sprachlich heterogenen Spielgruppen mit einem mittleren (27% und Alltag erworben) wird. Die hier berichteten 2. Wie gehen SpielgruppenleiterInnen mit Spielgruppen wurden die Spielgruppenlei- 42%) und einem hohen (89% und 100%) Ergebnisse stützen sich deshalb auf die der sprachlichen Heterogenität ihrer terinnen und vier mehrsprachige Fokus- Anteil an Kindern ausgewählt, die zuhause Fälle 2, 3 und 4. Spielgruppen um? kinder zu Beginn (im November) und am kein Deutsch sprechen und Deutsch als Ende (im Juli) des Spielgruppenjahres je- Zweit- und Umgebungssprache erwerben 3. Welche Sprachproduktionen reali- weils während eines ganzen Vormittags ge- (im Folgenden als DaZ-Kinder bezeichnet). 1.3. sieren mehrsprachige Kinder im Spiel- filmt. Diese Videodaten bildeten die Grund- Die Fokuskinder – zwei Mädchen und zwei Methodisches Vorgehen gruppenalltag? lage für die Beantwortung der Fragen 1 bis Jungen – besuchten alle das letzte Spiel- 3. Zusätzlich wurde im Mai eine Gruppen- gruppenjahr und sprachen zuhause Unga- Um den noch kaum erforschten Spielgrup- 4. Wie können SpielgruppenleiterInnen werkstatt mit allen vier Spielgruppenleite- risch/Deutsch, Kroatisch, Tamil/Englisch penalltag in seiner Komplexität zu ver- mehrsprachige Kinder unterstützen, rinnen durchgeführt, um die Fragen 2 und 4 sowie Türkisch. Die folgende Tabelle gibt stehen, wurde ein offener, verstehender Zu- und welche Bedingungen sind dafür zu beantworten. Abbildung 1 visualisiert einen Überblick über die vier Fälle. → Tabelle 1 gang gewählt. Zu Beginn (T0) und am Ende erforderlich? dieses Design. → Abbildung 1 Fall Anzahl Anzahl Kinder pro Anteil Geschlecht Erstsprachen Leiter- Kinder Leiterin DaZ-Kinder Fokus- Fokuskinder innen kinder 1 2 9 4.5 89% Junge Ungarisch und Deutsch SJ16/17 SJ17/18 2 3 11 3.7 27% Junge Kroatisch 2017 3 2 6 3 100% Mädchen Tamil und Englisch 4 2 12 6 42% Mädchen Türkisch Tabelle 1: Sample der MePraS-Studie (zum Zeitpunkt T0) Wie sich erst bei der ersten Datenerhebung (T2) des Spielgruppenjahres wurde in jeder gezeigt hat, handelt es sich bei Fall 1 um Spielgruppe das Alltagsgeschehen gefilmt. eine Spielgruppe, die ausschliesslich von Die Spielgruppenleiterin und das Fokuskind TO: T1: T2: Kindern aus ungarisch sprechenden Fami- wurden während des ganzen Vormittags Videografie Gruppenwerkstatt Videografie lien besucht wird. Dieser interessante Spe- (vom Eintreffen bis zum Abschied) mit je zialfall lässt sich nur bedingt mit den drei einer Handkamera begleitet. Die Spielgrup- Abbildung 1: Design der MePraS-Studie. Die blauen Kreise stehen für die vier Spielgruppenleiterinnen, die anderen Spielgruppen vergleichen, da die penleiterin beantwortete bei einer kurzen orangen Dreiecke für die vier Fokuskinder. Gruppe sprachlich homogen ist und Deutsch Nachbesprechung Rückfragen der Forsche-
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 12 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 13 rinnen und gab in zwei Kurzfragebögen qualitativ analysiert, um den Gebrauch 2. Auskunft zur Zusammensetzung ihrer Spiel- sprachlicher Mittel in konkreten Hand- gruppe und zum Fokuskind. Alle vier Spiel- lungssituationen zu untersuchen. Einige Ergebnisse gruppenleiterinnen beteiligten sich im Mai zentrale Ergebnisse dieser Analysen werden (T1) an einer Gruppenwerkstatt (Bremer, in Abschnitt 2.3 präsentiert. 2004) bestehend aus einer Gruppendiskus- Die in der Gruppenwerkstatt erhobenen In diesem Abschnitt werden zentrale Ergeb- ihren Aktivitäten (in SG3 stärker angeleitet; sion, einer individuellen Metaplanaufgabe, Daten wurden transkribiert und die Orien- nisse aus dem Projekt MePraS präsentiert. in SG2 bereitet die Spielgruppenleiterin mit einer gemeinsamen Collageaufgabe und tierungen der Spielgruppenleiterinnen Bedingt durch die Funktion und den Umfang einzelnen Kindern das Znüni3 vor). An- einem sozialstatistischen Fragebogen. werden mittels qualitativ-rekonstruierender dieses Kurzberichts werden für die Ziel- schliessend versammeln sich die Kinder im Diese Daten wurden unter Beizug von Analysen2 ausgewertet (die Ergebnisse gruppe besonders relevante Ergebnisse Kreis zu einem Begrüssungsritual (in SG2 drei sich ergänzenden Auswertungsver- werden später in der geplanten Buchpubli- ausgewählt und in knapper Form berichtet. gibt es kein solches Ritual). Im Kreis finden fahren analysiert: Mittels Videosequenz- kation dargestellt). Eine vollständige und detaillierte Darstel- weitere angeleitete Aktivitäten statt (z.B. analysen wurden im interdisziplinären Ana- Auf der Basis dieses Designs und lung findet sich in der geplanten Buchpub- mit Rhythmusinstrumenten spielen und ein lyseteam 21 ausgewählte Sequenzen aus dieser Forschungsmethoden lässt sich das likation. Die Darstellung der Ergebnisse Bilderbuch erzählen in SG4), teils gefolgt allen Spielgruppen untersucht. Dabei ging Geschehen in Spielgruppen beschreiben, folgt den vier Forschungsfragen: Zunächst von freiem Spiel (SG4). Danach versammeln es darum, das komplexe Geschehen in rekonstruieren und konzeptionell fassen. wird der Alltag der untersuchten Spiel- sich Kinder und Erwachsene an einem seiner Sinnhaftigkeit für die Akteurinnen Es geht im Projekt MePraS nicht darum, gruppen beschrieben (2.1). Danach geht es grossen Tisch zum gemeinsamen Znüni. Da- und Akteure zu rekonstruieren (Tuma, Aussagen über die Gesamtpopulation der um den Umgang der Spielgruppenleite- rauf folgen eine weitere Phase des freien Schnettler & Knoblauch, 2013). Die Analy- Spielgruppen zu machen oder Wirkungs rinnen mit Mehrsprachigkeit (2.2) und die Spielens (in SG3 stärker angeleitet), das seergebnisse wurden als Memos festge- zusammenhänge zwischen verschiedenen Sprachproduktionen der Fokuskinder (2.3). Aufräumen der Spielsachen, eine geführte halten und bildeten die Grundlage für die Bedingungen zu belegen. Die vorliegenden Auf dieser Grundlage werden abschliessend Kreisaktivität (in SG2 ein Bilderbuchkino) Untersuchung der kommunikativen Formen Ergebnisse dienen dem vertieften Ver- Bedingungen für die Unterstützung von und ein Abschiedsritual im Kreis. Tabelle 2 der Spielgruppen (s. unten, Abschnitt 2.2). ständnis des komplexen Spielgruppenge- mehrsprachigen Kindern in Spielgruppen gibt einen Überblick über die vorgefun- Die Sprachproduktionen der Kinder schehens und dem Formulieren weiterfüh- formuliert (2.4). denen Programmelemente. → Tabelle 2 wurden vollständig transkribiert1 und lingu- render Hypothesen, die ggf. in Folgestudien istisch analysiert. Das Verfahren zur Ana- überprüft werden können. Zudem bilden die Auf der Basis von vertiefenden Videose- lyse dieser Spontansprachproduktionen gewonnenen Daten und Ergebnisse eine 2.1. quenzanalysen wurden vier typische Pro- wurde im Forschungsteam neu entwickelt. wertvolle Grundlage für eine datenge- Spielgruppenalltag grammelemente der Spielgruppen als «kom- Einerseits wurden die Transkripte anhand stützte Professionalisierung im Spielgrup- munikative Formen» (Künzli & Isler, 2018) eines deduktiv vorstrukturierten und in- penfeld. Ein erster Vergleich der Spielgruppenvor- rekonstruiert: Spiel, Kreis, Znüni und Bil- duktiv verfeinerten Kategoriensystem ko- mittage auf der Basis der Logbücher zeigt derbuchaktivität. Kommunikative Formen diert und quantitativ ausgewertet. Anderer- viele Gemeinsamkeiten und einige Beson- sind in einem bestimmten Feld (hier: in seits wurden ausgewählte Passagen derheiten der drei Spielgruppen: Nach dem Spielgruppen) wiederkehrende Handlungs- Eintreffen spielen die Kinder zunächst frei, muster, die den Akteurinnen und Akteuren d.h. sie beschäftigen sich allein oder mit ein gemeinsames, koordiniertes Handeln er- 1 Die Transkription der umfangreichen Videodaten, die Bereinigung der Transkripte und die Kodierung der über 1’000 Transkriptseiten waren enorm aufwändig. Das Forschungsteam wurde dabei von den anderen Kindern mit Spielangeboten ihrer möglichen und sowohl Orientierung geben Praktikantinnen Judith Maier, Lisa Olbinski und Maja Stürmer sowie von Sara Olah (alles Studierende Wahl. Die Spielgruppenleiterinnen begleiten als auch Mitwirkungsraum eröffnen (Knob- der Masterstudiengänge Frühe Kindheit bzw. Early Childhood Studies) tatkräftig unterstützt. Ohne einzelne Kinder oder Kindergruppen bei lauch, 2017). Sie werden interaktiv und mul- ihre Mitarbeit wäre es unmöglich gewesen, die natürlichen Sprachproduktionen der Fokuskinder um- fassend auszuwerten. 2 Habitushermeneutische Analysen nach Bremer & Teiwes-Kügler (2013). 3 Mit «Znüni» wird in der Deutschschweiz eine Zwischenmahlzeit am Vormittag bezeichnet.
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 14 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 15 Gemeinsame Programmelemente Besonderheiten einzelner aller Spielgruppen Spielgruppen Aspekte Ausprägungen Ankommen mit fliessendem Übergang zum SG3: Weniger Freispiel, mehr geführte Pädagogische Beziehung eher hierarchisch eher egalitär Freispiel Kleingruppenaktivitäten Fokus des pädagogischen Handelns einzelne Kinder Kollektiv Begrüssungsritual im Kreis SG2: kein Begrüssungsritual SG4: geführte Kreisaktivität (Bilderbuch) Einwirkungsweise des päd. Handelns kontrollieren und steuern animieren mit anschliessendem Freispiel und evozieren Znüni SG2: Znünivorbereitung mit einzelnen Koordination des gemeinsamen Tuns Regeln Objekte, Rhythmen u.a. Kindern Objektivierung kommunikativer Formen explizit thematisieren und erklären Freispiel SG3: s. oben implizit vollziehen Aufräumen - Programmsteuerung systematisches Abarbeiten situatives Anpassen Geführte Kreisaktivität und Abschiedsritual SG2: Bilderbuchkino Tabelle 3: Aspekte und Ausprägungen des Vollzugs kommunikativer Formen (wie Spiel, Kreis, Znüni oder im Kreis Bilderbuch) Tabelle 2: Programmelemente des Spielgruppenalltags timodal (unter Einbezug von Raum, Objekten elemente der Spielgruppen einerseits als Die Praktiken der Spielgruppenleiterinnen Sichtbar werden diese Aspekte nicht nur und Körpern) vollzogen, das Sprachliche ist ganze Handlungsmuster zu erfassen (so wie lassen sich mithilfe solcher (und weiterer) durch sprachliches Thematisieren, sondern dabei nur ein Instrument im Orchester aller dies auch die Spielgruppenleiterinnen und Aspekte charakterisieren. Daraus ergeben im multimodalen Handeln insgesamt (kör- Ausdrucksmittel. Die Kinder werden in der Kinder tun) und andererseits der Komple- sich Konstellationen, die sowohl für eine perlich-gestisch-mimisch-prosodisch) und Spielgruppe zunehmend vertraut mit diesen xität ihrer konkreten Ausgestaltung Rech- spezifische kommunikative Form als auch im Umgang mit Körpern und Objekten im kommunikativen Formen. Sie wissen mit der nung zu tragen. Es ist an dieser Stelle nicht für die Person der Spielgruppenleiterin ty- Raum. Die folgenden Abbildungen zeigen Zeit, wie Spiel, Kreis, Znüni oder Bilder- möglich, die vier identifizierten kommunika- pisch sein können. Zum Beispiel kann die- zwei «Architekturen», die bezüglich dieser buchgespräche funktionieren, und werden tiven Formen genauer darzustellen (das selbe Spielgruppenleiterin am Znünitisch hi- Aspekte kontrastieren. → Abbildung 2 dadurch immer selbständiger in ihrem Han- wird die geplante Buchpublikation leisten). erarchisch, steuernd, regelbasiert, implizit deln. Dabei erwerben sie Sprache einge- Es soll aber wenigstens angedeutet werden, und auf das Kollektiv fokussierend handeln, Im ersten Beispiel wird der Znünitisch als bettet in die kommunikativen Formen. Die wie mithilfe dieses Konzepts die Praktiken während sie beim Gemüse Schneiden mit strikte Tafelordnung realisiert. Die Erwach- Vertrautheit mit den kommunikativen Formen der Spielgruppenleiterinnen – verstanden einzelnen Kindern zwar weiterhin hierar- senen (dunkelblau) sitzen auf Stühlen, die der Spielgruppe bildet eine wichtige Grund- als typische Ausgestaltungsweisen kommu- chisch und implizit, dabei aber animierend, strategisch zwischen den Kindern verteilt lage für die aktive Teilhabe an späteren Bil- nikativer Formen – untersucht werden adaptiv und auf die einzelnen Kinder fokus- sind, und essen aus grossen Tellern. Die dungsprozessen im Kindergarten und in der können, und dass sich unter der Oberfläche sierend agiert. Es lassen sich aber auch Kinder (hellblau) sitzen auf Bänken und Schule (die durch ähnliche Handlungsmuster der scheinbar gleichen oder ähnlichen Aspekte finden, die einzelne Spielgruppen- haben kleine Teller. Abweichungen von strukturiert sind). Programmelemente sehr unterschiedliche leiterinnen persönlich charakterisieren – dieser Ordnung werden aktiv korrigiert. Be- Die Rekonstruktionen der kommunika- Grundverständnisse von Spielgruppenarbeit unabhängig von den kommunikativen reits in der Architektur zeigt sich ein hierar- tiven Formen Spiel, Kreis, Znüni und Bilder- und sprachlicher Bildung zeigen. In der fol- Formen. Zum Beispiel handelt eine Spiel- chisches, steuerndes und regelorientiertes buch gehören zu den zentralen Ergebnissen genden Tabelle sind einige Aspekte darge- gruppenleiterin in allen Situationen egalitär Grundverständnis. Im zweiten Beispiel wird der MePraS-Studie. Das Verständnis dieser stellt, die solche Grundverständnisse cha- (auf Augenhöhe der Kinder), animierend und ein Kreis als «Blumenwiese» gebaut. Er- Formen erlaubt es, die typischen Programm- rakterisieren. → Tabelle 3 sich adaptiv der Situation anpassend. wachsene und Kinder sitzen alle auf blu-
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 16 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 17 kinder von den Spielgruppenleiterinnen kaum und den Kindern kaum Eigeninitiative ermög- kommunikativ genutzt oder metakommuni- licht. Im Freispiel dagegen werden die Kinder kativ thematisiert, und die von den Kindern begleitet, und die Spielgruppenleiterin greift gelebte Mehrsprachigkeit wird von den Spiel- ihre Initiativen auf, während die Sprachübung gruppenleiterinnen kaum aufgegriffen. vor dem Znüni lektionsartig geführt wird und Die Praktiken der Spielgruppenleite- auf das Sprachsystem fokussiert. Es zeigen rinnen verweisen wiederum auf unterschied- sich aber auch beständige Unterschiede zwi- liche Grundverständnisse von sprachlicher schen den Spielgruppenleiterinnen, bei- Bildung, die sich anhand verschiedener As- spielsweise bezüglich ihres Rollenverständ- pekte konturieren lassen. In der folgenden nisses und ihrer eigenen sprachlichen Tabelle sind einige auf sprachliche Bildung Ressourcen (es braucht Erfahrung damit, bezogene Aspekte und Ausprägungen darge- sich mithilfe von Sprache in Gedankenwelten Abbildung 2: Kontrastierende Architekturen der kommunikativen Formen Znüni und Kreis in zwei Spielgruppen. hellblau = Kinder, dunkelblau = Erwachsene, rote Pfeile = Platzkorrektur durch die Spielgruppenleiterin stellt. → Tabelle 4 zu bewegen, um Kinder beim Erzählen und Er- klären zu unterstützen). Auch bezüglich des Grundverständnisses menförmigen Kissen auf einem Teppich. Die der Spielgruppenleiterin zugelassen und sprachlicher Bildung gilt, dass seine Ausprä- Plätze sind frei gewählt, alle befinden sich selbst verwendet (sogar im Kontext einer gung sowohl für bestimmte kommunikative 2.3. auf Augenhöhe und haben einen freien Blick deutschen Sprachübung), die Erstsprache Formen als auch für einzelne Spielgrup- Sprachproduktionen der und Zugang zum Innenraum. Hier kommt in Kroatisch wird ausgeschlossen (dieses Kind penleiterinnen typisch sein kann. In Spiel- Fokuskinder der Architektur ein egalitäres, dem ein- wird explizit aufgefordert, Deutsch zu spre- gruppe 2 zum Beispiel lässt sich das Er- zelnen Kind mehr Raum bietendes und ad- chen). In Spielgruppe 3 (mit einem DaZ-Anteil zählen einer Bilderbuchgeschichte als ge- Die Sprachproduktionen der drei Fokuskinder aptives Grundverständnis zum Ausdruck. von 100%) greift die Spielgruppenleiterin führte Lektion konturieren, die den kommuni- wurden vollständig transkribiert und anhand gelegentlich nicht verstandene Wörter auf kativen Sprachgebrauch zum Gegenstand hat eines neu entwickelten Kategoriensystems und fragt die Kinder nach ihrer Bedeutung, 2.2. oder sie nennt dem Fokuskind die deutsche Aspekte Ausprägungen Umgang mit sprachlicher Form für ein von ihr verwendetes englisches Heterogenität Wort. Das Fokuskind benutzt seine Erst- Setting sprachlicher Angeleitete «Lektion» mit der Grossgruppe Mitmachen oder Bildung Begleiten bei spontanen Aktivitäten sprache Englisch häufiger, aber ohne weitere Die Mehrsprachigkeit einzelner Kinder und Resonanz der Spielgruppenleiterin. In Spiel- Gegenstand der Sprachsystem (Wortschatz, Grammatik) kommunikativer der ganzen Gruppe wird von den Spielgrup- gruppe 4 ist die Erstsprache des Fokus- sprachlichen Bildung Sprachgebrauch penleiterinnen (an den zwei beobachteten kindes stärker präsent, wenn es sich mit Rolle der SGL Wissensvermittlung und Anleiten von Training Gesprächs Halbtagen) nur punktuell sichtbar gemacht seiner Freundin auf Türkisch unterhält oder partnerin, Modell und Coach (zum Sprachengebrauch der Fokuskinder s. beim gemeinsamen Spiel mit der Spielgrup- Beteiligungsmöglichkeiten Kinder reagieren auf gestellte Aufgaben SGL greift unten, Abschnitt 2.2). In Spielgruppe 2 penleiterin zwei Sprachen (Türkisch und Initiativen der Kinder auf spricht die Spielgruppenleiterin ein englisch- Deutsch) verwendet. Diese Spielgruppenlei- Eigene sprachliche Unvertrautheit Vertrautheit mit bildungssprachlichen und sprachiges Kind hin und wieder in seiner terin gibt den Erstsprachen der Kinder mehr Ressourcen der SGL metakommunikativen Praktiken Erstsprache an. Die Erstsprache des Fokus- Raum und Aufmerksamkeit, und das Fokus- kindes (Kroatisch) ist dagegen nicht präsent. kind zeigt Aspekte seiner kompetenten Mehr- Mehrsprachigkeit Fehlende Deutschkenntnisse als Defizit Mehrsprachigkeit als Ressource Dabei entsteht eine verdeckte Ordnung der sprachigkeit (Auer, 2009). In den anderen Sprachen: Die Erstsprache Englisch wird von Fällen werden die Erstsprachen der Fokus- Tabelle 4: Aspekte und Ausprägungen von Praktiken der sprachlichen Bildung
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 18 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 19 kodiert. Danach wurde der Umfang der Produzierte Sprachen Sprachproduktion Deutsch und L1 zu T0 und T2 Sprachproduktionen für die einzelnen Kate- L1 Deutsch gorien ermittelt, indem die Anzahl Wörter in Auf der Ebene 1 der linguistischen Analysen den kodierten Passagen bestimmt wurde. Das geht es um den Umfang der Sprachproduk- 1600 Kategoriensystem und das methodische tion4 der drei Fokuskinder5 in Deutsch und in Vorgehen werden in der geplanten Buch ihren Erstsprachen im Herbst und im Früh- 1400 publikation ausführlich beschrieben. Im vor- sommer des Spielgruppenjahres. → Diagramm 1 liegenden Kurzbericht werden ausgewählte 1200 Ergebnisse berichtet, die sich auf zwei Fokuskind 4 Hilal produziert schon im Ebenen des Kategoriensystems beziehen: Herbst sehr viel Sprache (1’969 Wörter), 1000 wobei Deutsch mit rund 30% Anteil noch 1. Produzierte Sprachen (Deutsch und die einen kleineren Anteil ausmacht. Im Früh- 800 jeweiligen Erstsprachen) sommer ist ihre Gesamtproduktion etwas geringer (1’756 Wörter), die Deutschpro- 600 2. Situationsbezogene und situations- duktion hat aber um 55% zugenommen und übergreifende Sprachhandlungen der Anteil des Deutschen ist auf 52% ge- 400 stiegen. Fokuskind 2 Marko spricht zu Der Vergleich der beiden Zeitpunkte (im beiden Zeitpunkten ausschliesslich Deutsch. 200 Herbst und im Frühsommer des Spielgrup- Seine Sprachproduktion nimmt vom Herbst penjahres) erlaubt es, Rückschlüsse auf den bis zum Frühsommer stark zu (+75%). Fo- 0 T0 T2 T0 T2 T0 T2 Erwerbsverlauf produktiver Sprachfähig- kuskind 3 Saira produziert im Vergleich der Marko Saira Hilal keiten der Kinder zu ziehen. Dabei ist aber zu drei Kinder zu beiden Zeitpunkten am we- berücksichtigen, dass die realisierten nigsten Sprache. Sie spricht ihre Erst- Diagramm 1: Sprachproduktionen der drei Fokuskinder in ihren Erstsprachen und in Deutsch zu T0 und T2 Sprachproduktionen von vielen weiteren Fak- sprache Englisch nur selten (9% im Herbst, (in Wörtern) toren beeinflusst werden, die in dieser nicht 3% im Frühsommer). Die Zunahme ihrer standardisierten Studie nicht kontrolliert Deutschproduktion vom Herbst bis zum werden können. Diese Rückschlüsse haben Frühsommer ist mit 68% etwas geringer als Bei allen drei Kindern lässt sich eine ausge- Die Befunde zu den Sprachproduktionen deshalb den Charakter von Hypothesen, die bei Marko und etwas grösser als bei Hilal. prägte Zunahme der Deutschproduktion im der drei Fokuskinder weisen darauf hin, allerdings datenverankert sind und damit Neben dem Umfang der Sprachproduk- Freispiel feststellen: Interessegeleitete Ak- dass der Gebrauch der Erstsprache dem Er- eine hohe Plausibilität aufweisen. Im Fol- tionen interessiert auch die Frage, in wel- tivitäten im Kontakt mit anderen Kindern werb des Deutschen nicht im Wege steht genden werden ausgewählte Ergebnisse der chen Settings die drei Fokuskinder ihre scheinen den aktiven Gebrauch der deut- (Hilal) und dass die Kommunikation unter den linguistischen Analysen zu den beiden Deutschproduktion im Verlauf des Spiel- schen Sprache zu unterstützen (wobei zu- Kindern beim Freispiel ein besonders hohes Ebenen vorgestellt. gruppenjahres erweitern konnten. Das fol- sätzlich wichtig sein dürfte, welche Spra- Potenzial für den Deutscherwerb haben gende Diagramm zeigt die Ergebnisse für che(n) für die Kommunikation unter den dürfte (alle Kinder). Weitere Ergebnisse zur die Settings Freispiel, Znüni und geführte bevorzugten Peers verfügbar sind). Für die Sprachproduktion der Kinder finden sich in Kreisaktivität. → Diagramm 2 beiden geführten Settings Znüni und Kreis- der geplanten Buchpublikation. aktivität lassen sich keine fallübergrei- 4 Gezählt wurde nicht die Anzahl unterschiedlicher Wörter (in der Linguistik: types), sondern die fenden Tendenzen feststellen, und die Zu- Anzahl insgesamt produzierter Wörter (tokens). Die Zahlen machen keine Aussagen über den Wort- oder Abnahmen sind nur gering. schatz der Kinder. 5 Die Namen der Kinder sind pseudonymisiert.
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 20 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 21 Zunahme und Abnahme der deutschen Sprachproduktion von T0 zu T2 nach Settings Situationsübergreifende Freispiel Znüni geführte Kreisaktivität Situationsbezogene Sprachhandlungen Sprachhandlungen (Objekte, Personen u.a.) benennen (Erlebnisse) berichten 700 (Objekte, Personen u.a.) beschreiben (Geschichten) erzählen (das eigene Handeln) sprachlich begleiten (Sachverhalte) erklären (das Handeln anderer) steuern argumentieren (Standpunkte vertreten) 600 (Objekte oder Eigenschaften) auswählen weitere weitere 500 Tabelle 5: Situationsbezogene und situationsübergreifende Sprachhandlungen (Ebene 2 des Kategorien systems) 400 300 Die Analyse der deutschen Sprachproduk- beiden Sprachen – L1 und Deutsch – zuneh- tionen der drei Fokuskinder (Diagramm 3) mend mehr situationsübergreifende Sprach- 200 zeigt, dass alle Kinder im Frühsommer (T2) handlungen. Dabei verschiebt sich auch das sowohl mehr situationsbezogene als auch Verhältnis der Sprachhandlungen insgesamt 100 mehr situationsübergreifende Sprachhand- vom Türkischen zum Deutschen: Während lungen realisieren als im Herbst (T0). Die Hilal zu T0 noch 81% der Sprachhandlungen 0 Zunahmen bewegen sich bei den situati- auf Türkisch realisiert, sind es zu T2 nur noch onsbezogenen Sprachhandlungen im Be- 54%. Es lassen sich also Hinweise auf -100 Marko Saira Hilal reich von ca. +30% (Saira) bis +91% (Hilal), folgende Tendenzen finden: bei den situationsübergreifenden Sprach- Diagramm 2: Zu- und Abnahme der deutschen Sprachproduktion (in Wörtern) vom Herbst (T0) bis zum Frühsommer (T2) des Spielgruppenjahrs nach Settings: Freispiel, Znüni und geführte Kreisaktivität handlungen dagegen im Bereich von +88% 1. Von situationsbezogenen zu situations- (Saira) bis +165% (Marko). → Diagramm 3 übergreifenden Sprachhandlungen Situationsbezogene und situationsüber- meinsamen Wahrnehmungsraum ausgerichtet Es lässt sich damit bei allen drei Kindern eine 2. Von der Erstsprache (in diesem Fall: Tür- greifende Sprachhandlungen sind, beziehen sich situationsübergreifende markante Zunahme der besonders bildungs- kisch) zur Zweitsprache (hier: Deutsch) Sprachhandlungen auf die individuellen relevanten situationsübergreifenden Sprach- Auf der zweiten Ebene wurden die Sprach- Denkräume: Es geht darum, Gedankliches handlungen feststellen. Inwieweit diese Zu- Detaillierte Analysen zu den einzelnen produktionen der Kinder im Hinblick auf sprachlich zu repräsentieren und damit den nahme durch den Besuch der Spielgruppe Sprachhandlungen und qualitative Analysen Sprachhandlungen kodiert. Sprachhand- anderen Beteiligten zugänglich zu machen begünstigt wird, lässt sich aufgrund der An- von Hilals Sprachhandlungen auf Türkisch lungen sind mehr oder weniger stark konven- (Wygotski, 1934 [1986]). Situationsüber- lage dieser Studie nicht bestimmen. und Deutsch finden sich in der geplanten tionalisierte Muster zur Lösung spezifischer greifende Sprachhandlungen sind eine Fokuskind 3 Hilal realisiert in beiden Buchpublikation. kommunikativer Aufgaben wie b eispielsweise wichtige Voraussetzung für die Nutzung Sprachen zahlreiche situationsübergreifende Objekte benennen oder ein Erlebnis be- schulischer Bildungsangebote (Thévenaz- Sprachhandlungen. In ihrer Erstsprache Tür- richten. Dabei wurde zwischen situationsbe- Christen, 2005). Da sich familiale Ge- kisch sind bereits zu T0 57% ihrer Sprach- zogenen und situationsübergreifenden sprächskulturen gerade in diesem Punkt handlungen situationsübergreifend. Zu T2 Sprachhandlungen unterschieden. → Tabelle 5 stark unterscheiden (Heller, 2012), ist es liegt dieser Anteil bei 68%. Der Anteil der auf wichtig, dass alle Kinder frühzeitig mit Deutsch realisierten situationsübergrei- Während situationsbezogene Sprachhand- diesen bildungssprachlichen Praktiken ver- fenden Sprachhandlungen steigt von 35% zu lungen auf Objekte und Ereignisse im ge- traut werden können. T0 auf 42% zu T2. Hilal produziert also in
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 22 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 23 Zunahme und Abnahme der deutschen Sprachproduktion von T0 zu T2 nach Settings Verlaufsprofile der Fokuskinder Bedingungsprofile der Spielgruppen sit.bezogen sit. übergreifend Hilal produziert von Anfang an viel Sprache. Grösste Spielgruppe (12 Kinder) mit dem Zu T0 spricht sie noch vorwiegend Türkisch, tiefsten Betreuungsschlüssel (1:6), mehr- 700 zu T2 mehrheitlich Deutsch. heitlich deutschsprachige Kinder (42% DaZ-Anteil). 600 Die Zunahme der Deutschproduktion zeigt sich vor allem im Freispiel, aber auch in ge- • Freundin mit derselben L1 Türkisch führten Aktivitäten. • eher egalitäre, adaptive, animierende 500 Ausgestaltung des Spielgruppenalltags Hilal realisiert immer mehr situationsüber • kommunikative, alltagsintegrierte, be- greifende Sprachhandlungen, zunächst v.a. gleitend-unterstützende Sprachbildung 400 auf Türkisch, dann auch auf Deutsch. • L1 Türkisch als akzeptierte Kommuni kationssprache in der SG 300 Saira produziert zu beiden Zeitpunkten Kleinste Spielgruppe (6 Kinder) mit höchstem am wenigsten Sprache. Ihre Erstsprachen Betreuungsschlüssel (1:3), keine deutsch spricht sie selten (Englisch) oder gar nicht sprachigen Kinder (100% DaZ-Anteil). 200 (Tamil). • keine beste Freundin / kein bester Ihre Deutschproduktion nimmt von T0 zu T2 Freund 100 zu. Die Zunahme zeigt sich nur im Freispiel. • kein Kind mit gleicher Erstsprache • adaptive, auf die einzelnen Kinder aus 0 Der Anteil der situationsübergreifenden gerichtete, aber auch stärker steuernde Deutsch T0 Deutsch T2 Deutsch T0 Deutsch T2 Deutsch T0 Deutsch T2 Sprachhandlungen steigt bei Saira weniger Ausgestaltung des Spielgruppenalltags stark als bei den anderen Kindern. • kommunikative und sprachsystematische, Marko Saira Hilal Deutsch vermittelnde Sprachbildung • L1 Englisch wird nur punktuell ge- Diagramm 3: Situationsbezogene und situationsübergreifende Sprachhandlungen der Fokuskinder in Deutsch braucht, L1 Tamil ist nicht sichtbar zu T0 und T2 (in Wörtern). Hilal realisiert viele zusätzliche Sprachhandlungen in Türkisch, die in dieser Darstellung nicht erscheinen. Marko produziert schon zu T0 vergleichs- Grosse Spielgruppe (11 Kinder) mit eher weise viel Deutsch, zu T2 hat sich seine tiefem Betreuungsschlüssel (1:3.7), vor Deutschproduktion fast verdoppelt. Seine L1 allem deutschsprachige Kinder (DaZ-Anteil 2.4. von mehrsprachigen Kindern in Spiel- Kroatisch benutzt er nicht. 27%). Unterstützung mehrsprachiger gruppen formulieren. Diese Schlüsse sind Die Zunahme der Deutschproduktion zeigt • bester Freund mit anderer L1, Deutsch Kinder in Spielgruppen datengestützt und für die untersuchten sich im Freispiel. Beim Znüni und in geführ- als Freundschaftssprache Fälle plausibel, können aber aus methodi- ten Kreisaktivitäten sind die Veränderungen • kein Kind mit gleicher L1 (Kroatisch) Werden die Veränderungen der Sprachpro- schen Gründen nicht verallgemeinert gering und uneinheitlich. • eher hierarchische, steuernde, abarbei- duktionen der drei Fokuskinder vom Herbst werden. Sie sind als Hypothesen zu ver- tende Ausgestaltung des Spielgruppen- Zu T2 realisiert Marko mehr als doppelt alltags (T0) bis zum Frühsommer (T2) mit den Be- stehen, die ggf. durch hypothesenprüfende so viele situationsübergreifende Sprach- • eher angeleitete, sprachsystematische, dingungen der drei Spielgruppen in Bezie- Verfahren zu verifizieren wären. handlungen als zu T0. Auch der Anteil der wenig auf bildungssprachliche Praktiken hung gesetzt, ergeben sich für die drei un- situationsübergreifenden Sprachhandlungen ausgerichtete Sprachbildung tersuchten Fälle folgende Verlaufs- und 1. Die interessegeleitete Kommunikation ist zu T2 markant höher. • L1 (mit Ausnahme von Englisch) nicht sichtbar, Deutsch und Englisch als Bedingungsprofile. → Tabelle 6 mit deutschsprachigen Kindern ist ein Hochwertsprachen zentraler Motor des Deutscherwerbs Tabelle 6: Befundprofile der drei Fokuskinder und Bedingungsprofile der drei Spielgruppen Auf dieser Grundlage lassen sich einige Hy- mehrsprachiger Kinder in Spiel- pothesen für eine wirksame Unterstützung gruppen. Die sprachliche Durchmi-
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 24 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 25 schung von Spielgruppen, Zeit für Bei den hier vorgeschlagenen Formen der 3. freies Spielen und die Förderung von Unterstützung mehrsprachiger Kinder Kinderfreundschaften sind deshalb stehen die Orientierungen und das Handeln Perspektiven wichtige Unterstützungsformen. der Spielgruppenleiterinnen im Vordergrund. Es bestehen erhebliche Unterschiede zwi- 2. Der Deutscherwerb wird durch den schen den Fällen, und eine kohärente Spiel- In diesem Abschnitt werden auf der Grund- 1. Die Qualität des pädagogischen Han- kommunikativen Gebrauch der Erst- gruppenpraxis ist nicht erkennbar. Damit lage der Ausgangslage und der Projekter- delns der SpielgruppenleiterInnen sprachen nicht behindert. Im Gegen- zeigt sich ein hoher Professionalisierungs- gebnisse Perspektiven für die Weiterarbeit sollte durch wissenschaftsbasierte teil: Bildungssprachliche Praktiken, die bedarf im Spielgruppenfeld. in verschiedenen Handlungsfeldern entwi- und praxisnahe Weiterbildungsange- in der Erstsprache bereits vertraut Daneben spielen auch strukturelle Be- ckelt. Es geht um die Professionalisierung bote kohärent weiterentwickelt werden. sind, können auch für Gespräche auf dingungen eine wichtige Rolle. Bedeutsam des Spielgruppenfelds (3.1), die Rolle der Dazu eignen sich beispielsweise video- Deutsch genutzt und die dafür benö- erscheint insbesondere die sprachliche Zu- Spielgruppen im Bildungswesen (3.2), die basierte Coachings, die es den Teilneh- tigten sprachlichen Mittel leichter er- sammensetzung der Kindergruppe, während frühe Sprachbildung vor dem Kindergarten menden erlauben, ihr eigenes Handeln worben werden. Die Erstsprachen der die Gruppengrösse und der Betreuungs- (3.3) und zukünftige Forschung im Spiel- in der Interaktion mit Kindern anhand Kinder sollten deshalb sichtbar ge- schlüssel in den drei MePraS-Spielgruppen gruppenfeld (3.4). von Videodaten zu beobachten und zu macht, wertgeschätzt und kommuni- weniger ins Gewicht fallen. Dabei ist aller- reflektieren. Solche Videocoachings kativ genutzt werden. Gespräche zwi- dings zu beachten, dass in allen drei unter- werden von den Teilnehmenden als sehr schen Kindern derselben Erstsprache suchten Spielgruppen mindestens zwei 3.1. praxisnah und zielführend beurteilt sollten nicht unterbunden werden. Fachpersonen tätig waren. Im Jahr 2012 Professionalisierung der (Isler et al., 2019). wurde die Mehrheit der Spielgruppen aber Spielgruppen 3. Eine adaptive und anregende, die Initi- noch von einer Fachperson alleine geleitet 2. Die Ausbildung von Spielgruppenleiter ativen der Kinder aufgreifende und (Isler et al., 2016; aktuellere Zahlen liegen Die Projektergebnisse zeigen, dass sich die Innen ist bisher nicht einheitlich und partizipierende Ausgestaltung des leider nicht vor). Eine Doppelleitung dürfte drei untersuchten Spielgruppen bei der verbindlich geregelt. Es gibt zurzeit Spielgruppenalltags durch die Spiel- eine weitere strukturelle Bedingung zur Un- konkreten Ausgestaltung des Spielgrup- einen grossen professionellen Aus- gruppenleiterInnen dürfte sprachliche terstützung mehrsprachiger Kinder dar- penalltags erheblich unterscheiden. Zwar und Weiterbildungsträger (die IG Spiel- Bildungsprozesse in Spielgruppen un- stellen. lassen sich auf der Oberfläche von Pro- gruppen Schweiz) und zahlreiche mitt- terstützen, sofern die Qualität der pä- grammelementen einige Gemeinsamkeiten lere und kleine Anbieter, teils auf dagogischen Interaktionen gewähr- feststellen, aber die Praktiken und Orientie- Vereinsbasis. Die Ausbildung von leistet ist. rungen der Spielgruppenleiterinnen (be- SpielgruppenleiterInnen sollte mittel- züglich Spielgruppenarbeit allgemein, und langfristig durch oder in Zusam- 4. Kinder im Spielgruppenalter erwerben Sprachbildung und Mehrsprachigkeit) menarbeit mit Institutionen erfolgen, Sprache und Deutsch nicht durch Ver- scheinen primär biografisch geprägt zu sein die eine kohärente, nicht nur praxis-, mittlung und Training des deutschen und lassen kein etabliertes gemeinsames sondern auch wissenschaftsbasierte Sprachsystems, sondern durch Sprach- Verständnis der Spielgruppenarbeit er- berufliche Sozialisation gewährleisten gebrauch bzw. Kommunikation. Es geht kennen. Weil die Prozessqualität der päda- können. darum, eine lebendige – auch mehrspra- gogischen Arbeit für die Wirksamkeit früh- chige – Gesprächskultur zu pflegen und pädagogischer Einrichtungen zentral ist Kinder bei der Bearbeitung herausfor- (Kuger & Kluczniok, 2008), besteht im Be- dernder kommunikativer Aufgaben zuge- reich der Professionalisierung der Spiel- schnitten zu unterstützen. gruppen ein doppelter Handlungsbedarf:
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 26 Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 27 3.2. werden wollen, in diesem Bemühen sprung- sich an die spezifische Zielgruppe der und Grammatik), sondern als interesse- Rolle der Spielgruppen im haft kommunizieren und dabei die Bildungs- Kinder aus zugewanderten Familien, die zu- geleitete, situative und unterstützte Bildungswesen prozesse der Kinder stören. Es ergibt sich hause kein Deutsch sprechen. Dadurch Alltagskommunikation (auch) mit folgender Handlungsbedarf: werden Kinder, die Deutsch als Zweitsprache Sprache(n) konzipiert werden. Situati- Spielgruppen werden bisher von Privaten, lernen, nicht nur isoliert und stigmatisiert, onsübergreifende Sprachhandlungen Vereinen oder Gemeinden getragen. Sie sind 1. Bund und Kantone sollten die notwen- sondern auch von deutschsprachigen Peers (berichten, erzählen, erklären, argu- nicht in die kantonalen Bildungssysteme digen Voraussetzungen (Zuständig- abgeschnitten, die – den Resultaten unserer mentieren) sollten dabei als bildungs- der Schweiz eingebunden, und Spielgrup- keiten, Regelungen, Finanzierung, Aus- Studie folgend – als Motor der Sprachbil- sprachliche Praktiken im Fokus stehen. penleiterInnen müssen als Kleinunterneh- und Weiterbildung) schaffen, damit dung eine eminente Rolle spielen. Die Forde- mende nicht nur ihre pädagogische Arbeit, Spielgruppen ihre wichtigen gesell- rung nach Deutschförderung vor dem Kin- sondern auch ihre Infrastruktur, Finanzie- schaftlichen Aufgaben unter fairen Be- dergarten führt oft zu segregierenden 3.4. rung, Personalführung, Werbung und Kom- dingungen wahrnehmen können und Kursangeboten für DaZ-Kinder, wo die deut- Forschung zum munikation selbst verantworten – oft in SpielgruppenleiterInnen durch faire sche Sprache als Stoff systematisch vermit- Spielgruppenfeld Konkurrenz zu anderen Spielgruppen am Löhne für ihre berufliche Tätigkeit An- telt und geübt wird. Die Resultate unserer selben Standort.6 Obwohl die öffentliche erkennung und Wertschätzung er- Studie zeigen deutlich, dass DaZ-Kinder auf Um das Feld der Spielgruppen in das Hand keine Verantwortung für die Spiel- fahren. Kontakte zu deutschsprachigen Peers ange- Schweizer Bildungswesen zu integrieren gruppen übernimmt und ihren Betrieb finan- wiesen sind und bildungssprachliche Aus- und weiterzuentwickeln, ist eine Wissens- ziell nicht unterstützt, erwartet die Gesell- drucksmittel durch Gebrauch in anregenden basis notwendig, die bisher noch sehr lü- schaft von den Spielgruppen (wie auch von 3.3. Alltagskommunikationen erwerben – nicht ckenhaft ist. Weiterführende Forschung weiteren Einrichtungen des Frühbereichs) Deutschförderung vor dem nur auf Deutsch, sondern auch und zuerst in kann dazu beitragen, die Situation der erhebliche Leistungen insbesondere in den Kindergarten ihren Erstsprachen. Spielgruppen genauer zu verstehen, Ent- Bereichen Integration und Deutschförde- wicklungsansätze zu erarbeiten und die rung vor dem Kindergarten (s. unten). Diese Kantone und Gemeinden stehen derzeit 1. Kinder, die zuhause kein Deutsch spre- Wirksamkeit von Massnahmen zu über- Erwartungen sind unter den gegebenen Be- unter politischem Handlungsdruck: Es wird chen, sollten in die regulären Angebote prüfen. Unter anderem lassen sich folgende dingungen (geringer Verdienst, viel ehren- gefordert, dass alle Kinder beim Eintritt in des Frühbereichs (Spielgruppen, Kitas, Forschungsdesiderata identifizieren: amtliche Tätigkeit, Alleinverantwortung den Kindergarten über ausreichende Tagesfamilien) integriert werden. Se- u.a.) unrealistisch und unfair. Die damit ver- Deutschkenntnisse verfügen sollen, um am gregierende Sprachfördergruppen nur 1. Spielgruppen werden in der Öffentlich- bundene, strukturell bedingte Überforde- Kindergartenbetrieb teilzunehmen. Da für für DaZ-Kinder sind wann immer möglich keit – von Politik und Verwaltung, rung von SpielgruppenleiterInnen zeigt sich diese Aufgabe auch finanzielle Ressourcen zu vermeiden. Der Zugang zu den Regel- Bildungsexpertinnen und -experten, in unserer Studie auch auf der Ebene des bereitgestellt werden, besteht heute ein angeboten für alle Kinder sollte durch Verbänden, den Medien – sehr unter- pädagogischen Handelns, wenn sich Spiel- vielfältiger Markt an Umsetzungsmodellen, Elterninformation und Subventionierung schiedlich verstanden und beurteilt. gruppenleiterInnen für alles alleine verant- die sehr unterschiedlich konzipiert und erleichtert werden. Deutschsprachige Eine Diskursanalyse könnte diese Posi- wortlich fühlen, den Kindern, Eltern und dem mehr oder weniger wissenschaftlich fun- Familien sollten darüber informiert tionen und ihre Hintergründe herausar- Spielgruppenpersonal gleichzeitig gerecht diert sind. Viele dieser Angebote richten werden, dass sich Spielgruppen an alle beiten, als Grundlage für eine Klärung Kinder richten, nicht nur an Kinder, die der Rolle der Spielgruppen im Bil- zuhause kein Deutsch sprechen. dungswesen. 6 Eine Konkurrenzsituation kann auch zwischen so genannten Innen- und Aussenspielgruppen ent- stehen. Es lässt sich im Spielgruppenfeld beobachten, dass Waldspielgruppen besonders von bildungsorientierten Familien nachgefragt werden und von sozial benachteiligten Kindern weniger 2. Sprachliche Bildung sollte nicht als 2. Die berufliche Sozialisation von Spiel- besucht werden. Die Aussen- oder Waldspielgruppen scheinen ein Stück weit die soziale Segregation isolierte Vermittlung des deutschen gruppenleiterInnen und ihre dabei zu fördern und die traditionelle Rolle der Spielgruppe als Einrichtung für bildungsorientierte Familien aufrecht zu erhalten. Sprachsystems (Lautung, Wortschatz (nicht) erworbenen Orientierungen sind
← Index Frühe Sprachbildung in sprachlich heterogenen Spielgruppen 28 noch weitgehend unerforscht. Eine Un- tersuchung der Ausbildungen und der vermittelten Grundverständnisse könnte Hinweise für die Professionali- sierung der Spielgruppen geben. 3. Die in diesem Abschnitt vorgeschla- genen Massnahmen sind auf der Basis der vorliegenden Studie datenverankert und plausibel, ihre Relevanz und Wirk- samkeit müsste aber durch hypothe- senprüfende Forschung noch bestätigt werden. Insbesondere die Wirksamkeit der alltagsintegrierten Sprachbildung sollte durch eine Interventionsstudie überprüft werden. Sie wird bisher erst durch die Einschätzungen der Spiel- gruppenleiterInnen gestützt (Isler et al., 2019).
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