Schuhspende - magazin - Kolping.de
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www.kolping.de I September–Oktober 2015
magazin
■ generationen Seite 6 ■ junge erwachsene Seite 18 ■ kolpingtag Seite 36
Ältere bürden den Jüngeren Trend: Abhängen zwischen La- Prominente zum Motto des
immer stärkere Lasten auf vendel, Oregano und Estragon Kolpingtages „Mut tut gut“
Bundesvorsitzender Thomas Dörflinger nimmt Schuhe von Papst em. Benedikt XVI. in Empfang
Schuhspende
Ein
Sommer
in der
Ukraine
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DIE SCHÖNSTEN BILDER UND
MOMENTE DES KOLPINGTAGES
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sieren und entdecke viele Gesichter und beeindruckende Aktionen
von Mutmachern, erlebe tolle Events und die faszinierende Stimmung
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E D I TO R I A L / I N H A LT
Überraschend 6
Nachrichten . . . . . . . . . . . . 4
Unser Bundesvorsitzender Thomas Dörflinger
hält die Originalschuhe von Papst em. Benedikt Generationen . . . . . . . . . . 6
XVI. in der Hand – eine Szene, die sich bis vor
In welchem Ausmaß darf der Staat
kurzem niemand von uns vorgestellt hätte.
Lasten ungleich verteilen und auf
Das Sozialprojekt der Kolpingjugend im Kölner
zukünftige Generationen abladen?
Stadtteil Blumenberg (mit einem Migranten-
anteil von 65 Prozent, jedes dritte Kind ist auf
Schuhaktion . . . . . . . . . . . 12
staatliche Unterstützung angewiesen) macht
Nicht nur der Papst soll seine
es möglich. Auf Seite 12 informieren wir näher.
Schuhe spenden
Die vergangene Bundeskonferenz der Kol-
pingjugend hat sich mit dem Thema der Ge-
18 Ratgeber . . . . . . . . . . . . . 14
nerationengerechtigkeit befasst. Grund genug,
um mit den qualifiziertesten Fachleuten, die Junge Erwachsene . . . . . . 18
es dazu bundesweit gibt, zu sprechen und die Neuer Trend: Abhängen zwischen
Fakten auf den Tisch zu legen. Lavendel, Oregano und Estragon
Viele Großstädter haben verlernt, wie man Kar- Junge Nachrichten . . . . . . 20
toffeln oder Gemüse anbaut. Bewohnerinnen
und Bewohner des Kolping-Jugendwohnens in X-Mag: Jugendgruppe. . . 22
Nürnberg setzen dagegen auf den Trend des Ur-
ban Gardening, also Gärtnern im Stadtgebiet.
Begegnung in der Ukraine
34
Die Rubrik Junge/Mädchen ist sehr beliebt. In
X-Mag: Darf man das? . . .26
dieser Ausgabe musst Du ausnahmsweise da-
rauf verzichten: Der Bericht über die Jugendbe- X-Mag: Mut tut gut . . . . . 28
gegnung in der Ukraine ist so interessant, dass
wir ihm genug Platz geben wollen. X-Mag: Kalender/IQ . . . .29
Wer ist bekannter: Sarah Wiener, Rolf Zukowski, Aus den Diözesanverbänden. 30
Christoph M. Herbst, Alois Glück, Célia Sasic,
Titelseite: Barbara Bechtloff, Fotos S. 3: Barbara Bechtloff , Jule Roehr, Carmen Jaspersen/dpa, Kolping-SEK, Dale Yudelman
Michael Patrick Kelly, Samuel Koch, Kardinal Kolpingtag . . . . . . . . . . . 34
Reinhard Marx, Golineh Atai, Peter Frey, Luca
Prominente zum Motto „Mut“
Hänni oder Cornelia Funke? Sie alle äußern ihre
Meinung zum Motto des Kolpingtages. Wir
Samstag in Köln . . . . . . . . 40
präsentieren hier die Torschützenkönigin der 42 Infos für Tagesbesucher des
Frauenfußball-WM 2015.
Kolpingtages am 19. September
Charlton ist acht Jahre alt. Er lebt in Kap-
Schnuffis Seite . . . . . . . . 42
stadt/Südafrika und besucht ein Kolping-
Zentrum für Kinder und Jugendliche. Janne Post aus Südafrika
(19) lebt eigentlich im Ruhrgebiet, ist aber
nach Kapstadt gereist, um dort mitzuhelfen. Wohnen für Jung und Alt . . 40
Beispiele für
Merkwürdig: drei Frauen, die Kuchen verspei- Mehrgenerationenwohnen
sen und damit anderen Menschen helfen. In
Nigeria gibt es das. In einem Kolping-Projekt. Eine Welt . . . . . . . . . . . 44
Länderbericht: Kolping in Nigeria
44
Herzlichen Gruß Glaube und Leben . . . . . . 50
und Treu Kolping
Dein Martin Grünewald Verbandsnachrichten . . . 51
Impressum
Chefredakteur
martin.gruenewald@kolping.de
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 3
NACH RICHTEN
KU RZ GE M E L D E T:
Kooperationspartner
Das bischöfliche Hilfswerk Adveniat
und das Kolpingwerk sind Koopera-
tionspartner. Das ist nicht neu, fällt
aber in diesem Jahr besonders auf.
Im diesjährigen 16-seitigen Aktions-
heft (Foto), das an alle Pfarrgemein-
den in Deutschland versendet wird,
kommt Kolping mehrfach zu Wort:
So wenden sich der Kolping-Bun-
desvorsitzende Thomas Dörflinger
und Bundespräses Josef Holtkotte
in einem gemeinsamen Vorwort an
die Nutzer des Heftes. Und die Mit-
arbeiterinnen des Internationalen
Kolpingwerkes, Sigrid Stapel und
Simone Lehmann, beschreiben die
Projekt- und Friedensarbeit des Kol-
pingwerkes Kolumbien. – Wenn das
kein Grund ist, die Aktion Adveniat
in diesem Jahr besonders aufmerk-
sam zu begleiten…
Chancen und Gefahren
Kolping zur Ganztagsschule
Ganztagsschulen können eine notwendige persönlicher Hobbies gewährleistet sind.
und sinnvolle Erweiterung der Schulland- Bei der Erstellung und Weiterentwicklung
schaft sein. Sie müssen eine Option, dürfen eines Ganztagschulkonzeptes seien Kinder,
aber nicht verpflichtend sein, da der Vor- Jugendliche und Eltern angemessen zu be-
rang des elterlichen Erziehungsrechts und teiligen. Wesentliche Impulse könne die
Wahlfreiheit gewährleistet sein sollen. Dies Ganztagsschule durch außerschulische
stellt das Kolpingwerk Deutschland in ei- Partner – durch Jugendverbände und Ver-
ner im Bundesvorstand beschlossenen Po- eine – erhalten. Sie seien daher subsidiär
sitionsbestimmung fest. einzubinden.
Zentrale Eckwerte für ein bundesweites Mit Sorge nimmt das Kolpingwerk wahr,
Domradio überträgt im Internet Konzept für Angebote an Ganztagsschulen dass die Ausdehnung der täglichen Schul-
Das Domradio (www.domradio.de) sowie verbindliche pädagogische und am zeit aufgrund der Ganztagsangebote an
überträgt den Abschlussgottes- Kindeswohl ausgerichtete Qualitätsstan- Schulen jungen Menschen Zeit- und Frei-
dienst des Kolpingtages im Internet dards – einschließlich der Sicherstellung räume für freiwilliges und selbstbestimm-
als Livestream. Über die Homepage einer entsprechenden Finanzierung - seien tes Engagement nimmt. Gerade in unserer
kann der Gottesdienst mit Erzbi- zu entwickeln, erklärt der Bundesvorstand. heutigen Zeit brauche es Kreativität und
schof Rainer Maria Kardinal Woelki Dabei seien die Angebote möglichst über eigenverantwortliches Handeln, betont das
von 11 bis 12.30 Uhr live miterlebt den Tag zu verteilen. „Soweit Ganztags- Kolpingwerk. Hier bieten Jugendverbände
werden. Einzige technische Voraus- schulen vor allem in der gebundenen Form gute Möglichkeiten und Räume der Ein-
setzung: internetfähiger Computer. bildungs- und sozialpolitische Ziele verfol- übung.
gen, ist eine möglichst breite freiwillige In jedem Bundesland müsse es deshalb
Einbeziehung aller Schülerinnen und mindestens einen landesweiten schulfreien
Schüler zu verfolgen“, betont das Kolping- Nachmittag geben. Für Kinder und Ju-
Foto: Bilderbox.com
werk. gendliche, die sich nicht in Vereinen und
Es sei darauf zu achten, dass individuelle Verbänden engagieren, müsse an diesen
Betreuung, Rückzugsmöglichkeiten, die Nachmittagen eine entsprechende Betreu-
Pflege von privaten Freundschaften oder ung gewährleistet werden.
4 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015
NACH RICHTEN
Betreuungsgeld bot Unter- KU RZ GEMELDET:
stützung und Wahlfreiheit
Das Betreuungsgeld ist vor dem Bundes- sichts der Entscheidung des Bundesverfas-
verfassungsgericht gescheitert - aber nur aus sungsgerichtes das Prinzip der Gleichbe-
Gründen der Zuständigkeit. Dass mit Steu- rechtigung gewahrt wissen. Dies gilt auch
ergeldern eine familienpolitische Leistung mit Blick auf die unterschiedlichen famili-
finanziert wird, wodurch die Eltern eine enpolitischen Leistungen. Man werde Eltern
Wahlfreiheit erhielten, stand in Karlsruhe und Kindern in der Familienphase nicht ge-
nicht zur Debatte. Ebenso wenig die Frage, recht, wenn Leistungen allein auf die Er-
ob es angezeigt ist, für ein Kind, das zwi- werbsarbeit bzw. wirtschaftliche Interessen
schen dem 15. und 36. Lebensmonat zu fokussiert werden.
Hause betreut wird, monatlich 150 Euro an Wer Kinder erzieht und betreut, erbringt
die Familie zu zahlen, stellt der Bundesvor- einen Dienst für die Gesellschaft, den die
sitzende des Kolpingwerkes Deutschland Gesellschaft auch honorieren darf. Für das
Thomas Dörflinger, MdB fest. Kolpingwerk Deutschland sind Familienar-
Das Betreuungsgeld kann es weiter geben, beit und Erwerbsarbeit grundsätzlich gleich-
allerdings sind jetzt die Länder gefragt, so wertig, auch wenn sie nicht gleich bezahlt Neu: Handwerk und Glaube
Dörflinger und verweist auf das Land Bay- werden. Das Betreuungsgeld bietet diese Was haben Handwerk und christ-
licher Glaube gemeinsam? Mehr als
ern wo es beibehalten werden soll. Erfreu- Unterstützung mindestens im Ansatz; Eltern
erwartet! Das macht Josef Holtkotte,
lich ist auch, dass diejenigen die einen be- haben so die Wahl zwischen der eigenen er-
Bundespräses des Kolpingwerkes
willigten Antrag haben, das Betreuungsgeld zieherischen Arbeit, der Nutzung der Kin-
Deutschland, in seinem neuen Buch
weiter beziehen können und damit ein Stück derbetreuungsmöglichkeiten staatlicherseits
„Handwerk hat goldenen Boden“
Planungssicherheit erhalten. oder der Kombination von beidem, so der
deutlich. Dabei entwickelt er kein
Das Kolpingwerk Deutschland will ange- Bundesvorsitzende
theoretisches Gedankengebäude,
sondern zeigt ganz alltägliche
Parallelen zwischen Werkbank und
Kirchenbank auf. Beispiel: Wenn
Katholische Medien starten von „Lossprechung“ die Rede ist,
denken wir dann zuerst an die Feier
nach Abschluss der Ausbildung im
Themenwoche Familie Handwerk oder an das Sakrament
der Versöhnung? Ob es nun um den
Chef geht, um den Stundenlohn, das
Zahlreiche katholische Medien in Deutsch- Buchverlage und Buchhandlungen planen Büro oder den Familienbetrieb – in
land starten anlässlich der bevorstehenden vom 20. bis zum 27. September Berichte 21 kurzen Episoden beleuchtet Josef
römischen Bischofssynode eine Themenwo- und Aktionen rund um das Thema Familie Holtkotte das Leben und den Glau-
che Familie. „Liebe leben“ heißt das Leitwort und die römische Synode. So werden viele ben mit den jeweiligen, oft verblüf-
der Aktion. Aufgerufen dazu Bistumszeitungen The- fenden Ähnlichkeiten. Ein sehr un-
hat der Katholischer Medi- menschwerpunkte gestalten. terhaltsames Buch, mit vielen Fotos
enverband. „Es geht darum, In einigen Diözesen sind lebendig und anregend illustriert.
einem Thema öffentliche Diskussionsveranstaltungen Bonifatius Verlag, ca. 120 Seiten,
Aufmerksamkeit zu verlei- geplant. Außerdem haben 13,90 Euro, erhältlich im Kolping
Shop, Artikelnummer 1019.
hen und so die Schlagkraft die beiden Büchereiverbän-
und inhaltliche Qualität der de, der Sankt Michaelsbund
katholischen Medien unter und Borromäusverein sowie
Beweis zu stellen“, schreibt die borro medien gmbh eine
der KM-Vorsitzende Ulrich Buchempfehlungsliste ent-
Peters in einem Brief an die wickelt. Diese Materialien
Mitgliedsverlage. „Wir kennen die Themen, stehen, ebenso wie das Logo und Plakatmo- C RO S S - M E D I A
wir können sie übersetzen und in Medien tive, auf der Homepage des Katholischen
Aktuelle Stellungnahmen zu
verschiedenster Art so umsetzen, dass sie Medienverbandes zum Download bereit. kirchlichen, gesellschaftlichen und
auch ankommen.“ Das Internetportal katholisch.de be- politischen Themen online unter
Katholische Medienunternehmen wie teiligt sich ebenfalls an der Gemein- www. kolping.de
Bistumszeitungen, kirchliche Zeitschriften, schaftsaktion.
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 5
G E N E R AT I O N E N G E R E C H T I G K E I T
Schulden zu
Lasten zukünftiger
Generationen
Die Nachhaltigkeitslücke belastet Jung und Alt sehr unterschiedlich: Ein 75-jäh-
riger Mann muss 7.440 Euro schultern, eine 50-jährigen Frau 119.040 Euro, ein
25-jährigen Mann 193.440 Euro und ein neugeborenen Mädchen 305.040 Euro.
Zur Begleichung der Staatsschulden müsste jeder Deutsche 310 Euro monatlich
zusätzlich zu bestehenden Abgaben und Steuern leisten – lebenslang.
6 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015
G E N E R AT I O N E N G E R E C H T I G K E I T
Wie ehrlich muss der Staat gegenüber seinen Bürgern
sein? In welchem Ausmaß darf er Lasten ungleich ver-
teilen und auf zukünftige Generationen abladen?
Martin Grünewald
TEXT:
ILLUSTRATION: Thomas Plaßmann
FOTOS: Jule Roehr
U
nser Staat verlangt Rechtstreue. Wer einem 8. Juli 2015 in Berlin. Optimale Bedingungen für
anderen einen Schaden zufügt, muss ihn er- Journalisten: Die Pressekonferenz beginnt um 11 Uhr,
setzen. Wer einen Kredit erschwindelt, ob- eine ideale Uhrzeit. Und es gibt einen Imbiss. Eingela-
wohl er weiß oder in Kauf nimmt, dass er ihn nicht den hat die Stiftung Marktwirtschaft; über die aktuel-
zurückzahlen kann, begeht einen Betrug und wird le Generationenbilanz referieren die Finanzwissen-
dafür bestraft. Aber wenn der Staat heute Verpflich- schaftler Bernd Raffelhüschen und Stefan Moog von
tungen eingeht, die zukünftige Generationen schwer der Universität Freiburg. Gut eine Handvoll Journalis-
belasten und die Zukunft bereits „verfrühstückt“, ten haben sich in der Nähe des Regierungsviertels ein-
dann ist das in Ordnung. Wirklich? gefunden, ein überschaubares Medieninteresse.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass Bund, Länder Bernd Raffelhüschen konzentriert sich auf die zent-
und Gemeinden in jedem Jahr neue Schulden aufneh- ralen Neuigkeiten. Am Rande erwähnt er die bekann-
men. Die offiziellen Staatsschulden betragen mittler- ten Tatsachen, dass die Anzahl der Beitragszahler zu-
weile 2,2 Billionen Euro. Eine gewaltige Summe. Auf rückgeht, dass die Zeiträume, in denen Beitragszahler
jeden Bundesbürger lastet so eine Verschuldung von in die Kassen der gesetzlichen Sozialversicherungen
nominell 26 537 Euro; umgerechnet auf jeden Er- einzahlen, sich verkürzen, und die Lebenserwartung
werbstätigen sind das 53 074 Euro. und damit die Phase, in der Renten ausbezahlt wer-
Die letzte Große Koalition hat deshalb im Jahr 2009 den, sich verlängert. Das ist heute nicht sein Thema.
im Grundgesetz eine Schuldenbremse verankert. Erst- Er freut sich, dass der Bund erstmals einen Über-
mals seit 1969 hat jetzt die Bundesregierung tatsäch- schuss gemacht und einen ausgeglichenen Haushalt
lich einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt und auf vorlegt.
neue Schulden verzichtet. Länder und Gemeinden Aber dann folgen die Dämpfer: Die Haushaltsüber-
haben – mit wenigen Ausnahmen – derzeit noch ihre schüsse wurden nicht zum Abbau von Schulden ver-
Mühen damit. Sie sind verpflichtet, sich anzustrengen wendet. Dass die offizielle Staatsverschuldung pro-
und die Schuldenbremse einzuhalten. zentual leicht rückgängig ist, hat einen anderen
Dennoch häuft auch der Bund weiterhin neue Leis- Grund: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich ver-
tungsverpflichtungen für die Zukunft an, ohne ihre größert, die konstante Schuldenmenge hat sich des-
Begleichung durch bereits erarbeitete Rückstellungen halb um zwei Prozent im Verhältnis zum BIP verrin-
abzusichern. gert. Und nach Mütterrente und Rente mit 63 soll es
Im Kolpingblatt wurde bereits vor zwölf Jahren darauf weitergehen mit Leistungsgesetzen: Im Koalitionsver-
hingewiesen, dass es neben den offiziellen Staatsschul- trag ist eine „solidarische Lebensleistungsrente“ ver-
den, von denen jeder gehört hat, auch eine versteckte einbart, die nach Ansicht von Bernd Raffelhüschen
Staatsverschuldung gibt. Darauf hatte damals der Frei- gegen das Lebensleistungsprinzip der Rente verstößt.
burger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen hin- Aus der Journalistenrunde ist dazu kein Widerspruch
gewiesen. Sein Lehrstuhl veröffentlicht seit 1995 regel- zu hören. Der Freiburger Finanzwissenschaftler warnt
mäßig Generationenbilanzen der Bundesrepublik allerdings: Die Nachhaltigkeitslücke werde sich weiter
Deutschland. Damals schrieben die Freiburger Finanz- um 70 Milliarden Euro verschlechtern. Bereits heute
wissenschaftler im Kolpingblatt (März 2003): „Die Er- betrage sie insgesamt 6,68 Billionen Euro. Im Verhält-
gebnisse (der Generationenbilanz) stoßen nur auf gerin- nis zum BIP werde sie von 237,6 Prozent auf 240 Pro-
ge Beachtung im politischen Entscheidungsprozess.“ zent steigen.
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 7
G E N E R AT I O N E N G E R E C H T I G K E I T
Interview
mit Bernd Raffelhüschen
Wo gibt es besondere Ungleichge- Die Bilanzierungsmethode der sozia-
wichte in der Generationengerech- len Sicherungssysteme haben sie
tigkeit? heute vor der Presse mit der einer
Gegenfrage – was ist Gerechtigkeit? Der Frittenbude verglichen.
Wissenschaftler kann Gerechtigkeit nicht Ja, es gibt keine wirkliche Bilanz, sondern
messen, denn jeder von uns versteht darun- eine Einnahmen-Ausgaben-Überschuss-Rech-
ter etwas anderes. Allerdings hat Gerechtig- nung für das laufende Jahr. Wenn dann die
keit meist etwas mit Gleichheit zu tun – und Politik, wie bei der gegenwärtigen Rentenre-
die können wir allerdings messen. Bei der form, Leistungsversprechungen macht, wird
Generationenbilanz analysieren wir, ob die das nicht bilanziert. Es werden nur die Kos-
einzelnen Jahrgänge und Generationen ten fürs nächste Jahr in den Blick genom-
gleich oder ungleich behandelt werden. Ob men. Dass sich dies jährlich erhöht und
das dann gerecht ist, ist eine politische Frage. summiert, wird lieber nicht erwähnt, denn
das würde die Wahlgeschenke sehr teuer
In welchen Bereichen war die Ent- machen.
Bernd Raffelhüschen ist Direktor des wicklung in letzter Zeit besonders
Forschungszentrums Generationen- auffällig? Wie groß ist denn die Differenz?
verträge der Universität Freiburg Bei der Staatsverschuldung unterscheiden wir Die Nachhaltigkeitslücke, womit die nicht
und Vorstandsmitglied der Stiftung in der Generationenbilanz zwei Formen: die bilanzierten, fehlenden Rückstellungen ge-
Marktwirtschaft in Berlin. sichtbare und die unsichtbare Staatsschuld. meint sind, beläuft sich inzwischen auf 160
Seit 1995 ist er Professor für Volks- Durch die deutsche Wiedervereinigung und Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wir
wirtschaftslehre, insbesondere Fi- durch die spätere Übernahme von teils staatli- geben also das Eineinhalbfache unserer jähr-
nanzwissenschaft, an der Universität chen teils privaten Banken hat die sichtbare lichen Wirtschaftsleistung zukünftigen Ge-
Freiburg. Seine Forschungsschwer- Staatsverschuldung erheblich zugenommen. Sie nerationen als Hypothek mit auf den Weg.
punkte sind der demographische liegt inzwischen bei fast 80 Prozent des Brutto-
Wandel sowie die Systeme der sozi- inlandsproduktes (BIP). Die unsichtbare Staats- Wie hoch ist die Summe pro Bundes-
alen Sicherung. Das Kolpingmagazin
schuld beträgt zusätzlich 160 Prozent des BIP bürger?
befragte ihn zur Generationenge-
und resultiert vielfach aus den Verpflichtungen Die sichtbaren Staatsschulden belaufen sich
rechtigkeit politischer Entschei-
der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. auf 26 710 Euro pro Bundesbürger, die un-
dungen.
Diese beinhalten Leistungsversprechen, die heu- sichtbaren betragen etwa 55 000 Euro. Zur
te in der Hoffnung gemacht werden, dass zu- Begleichung dieser Schulden müsste jeder
künftige Generationen entsprechende Beitrags- Bundesbürger monatlich 310 Euro an zu-
zahler hervorbringen. Allerdings wissen wir, sätzlichen Steuern und Abgaben bezahlen,
dass diese nicht geboren worden sind. und zwar während seines ganzen Lebens.
Bereits vor zwölf Jahren haben wir
sie im Kolpingblatt zitiert, dass zur
Sicherung der Sozialsysteme entwe-
der die Sozialleistungen wesentlich
reduziert oder die Beiträge entspre-
chend erhöht werden müssten.
Für die Sozialsysteme allein haben wir da-
mals grob eine Halbierung der Leistungen
berechnet. Wenn wir heute alle Staatsausga-
ben zusammen nehmen, bräuchten wir eine
durchgehende Senkung um gut 10 Prozent,
um die Generationenbilanz nachhaltig zu
gestalten. Genauso wirksam wäre eine ent-
sprechende Erhöhung der Einnahmen, also
aller Steuern, Gebühren und Beiträge.
Wenn wir diese Lasten zukünftigen Genera-
tionen überlassen und Beitragszahler dem-
nächst mehr als 26 Prozent für die Rente
und mehr als 28 % für die Gesundheitsvor-
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G E N E R AT I O N E N G E R E C H T I G K E I T
sorge leisten müssen, dann werden uns diese Genera-
tionen die rote Karte zeigen.
Das ist völlig klar: In der Zukunft wird es ein Akzep-
tanzproblem mit den Generationenverträgen geben.
Wir überziehen es, indem wir als Babyboomer, die
sehr zahlreich sind, von so wenigen Kindern, denen
wir selbst das Leben geschenkt haben, deutlich mehr
wollen als vorherige Generationen.
Meist sind die Reformen ja in sich schlüssig
und wirken gerecht, zum Beispiel die Mütter-
rente, die ja den Generationenvertrag unter-
stützt. Bei der Rente mit 63 ist das Gegenteil
der Fall.
Da muss ich widersprechen. Die Mütterrente bedeu-
tet nichts anderes als ein Geschenk an alle Mütter, die
der gesetzlichen Rentenversicherung angehören. Das
finanzieren die Kinder, die der Grund für das Ge-
schenk waren. Das ist absurd.
Die Rente mit 63 kommt nur relativ wenigen Jahrgän- Ist denn die Vorsorge für die staatlichen Pensi- Pressekonferenz am
gen – etwa von 1953 bis etwa 1964 – zugute, also der onsverpflichtungen für Beamte besser abgesi- 8. Juli mit dem Finanz-
wissenschaftler Bernd
großen Babyboomer-Generation. Allerdings haben chert?
Raffelhüschen in Berlin.
nur diejenigen etwas davon, die 45 Jahre lang durch- Die Beamtenversorgungslasten, also sowohl die Pensi-
gängig beschäftigt waren. Das sind beispielsweise onen wie die Beihilfeverpflichtungen zur Gesund-
Bankkaufleute oder Facharbeiter, die mit die höchsten heitsversorgung, kulminieren nach der Einstellungs-
Renten in der Republik beziehen. Die Rente mit 63 welle in der Vergangenheit. In der Zeit zwischen 1972
privilegiert nur die Privilegierten weiter, und das auch und 1982 haben wir den gesamten öffentlichen Dienst
nur auf Zeit. Die Älteren hatten keine Chance, und verdoppelt. Die Zahl der Pensionäre wird sich in Kür-
die Jungen gucken mal wieder in die Röhre. ze entsprechend vermehren. Bundesländer, die bislang
Armut hat heute übrigens nichts mit dem Alter zu tun. 10 % ihrer Ausgaben für die passiven Beamten tätigen,
Die Alten sind die Altersgruppe, die am wenigsten werden im Jahr 2020 aufwärts 20 Prozent aufwenden.
überhaupt von Armut betroffen ist. Armut findet in Der Barwert der Beamtenpensionen, zusammen mit
Familien statt. Niedrigeinkommensbezieher mit meh- den Beihilfeleistungen, die auch die Pflegeleistungen
reren Kindern oder allein Erziehende – das sind die für die Beamten beinhalten, beträgt mittlerweile 1,3
Armen. Denen zu helfen, ist die größere Aufgabe. Wir Billionen Euro an fehlenden Rückständen. Das Beam-
werden auch im Jahr 2035 mehr arme Kinder haben tenversorgungsproblem ist nicht nur schneller da als
als arme Alte. die Probleme in den gesetzlichen Sozialversicherun-
gen, es ist auch relativ gesehen deutlich größer. Für
Immer weniger müssen immer mehr Lasten
schultern. Wie lange geht das gut?
Immer weniger müssen immer mehr Lasten immer
V E R STEC K TE S C H U L D E N
länger leisten. Wir dürfen nicht vergessen: Die Baby-
boomer haben nicht nur weniger Kinder in die Welt
der Sozialversicherungen im Jahresvergleich
in Prozent des BIP Basisjahr 2012 Basisjahr 2013
gesetzt, sie leben auch immer länger. Nach vorsichti-
gen Schätzungen lebt diese Generation, der auch wir
angehören, fünf Jahre länger als deren Eltern.
Mit welchen Verwerfungen müssen wir rech- 102,8 101,8
68,6 75,4
nen? 35,3 38,7 5,2 2,8
Wenn wir den Generationenvertrag überziehen, wenn Gesetzliche
l h
li Gesetzliche Soziale Sonstige Sozial-
wir also die Lasten für unsere Kinder zu hoch auftür- Renten- Kranken- Pflege- versicherungen
men und ein Akzeptanzproblem schaffen, dann wer- versicherung versicherung versicherung
den wir hören: Ihr könnt uns nicht dazu zwingen, al- (GRV) (GKV) (SPV)
les, was wir erarbeiten, an die ältere Generation
abzugeben. Sie werden den Generationenvertrag kün- Die sonstigen Sozialversicherungen umfassen die Bundesagentur für Arbeit, die
landwirtschaftlichen Alterskassen und die gesetzliche Unfallversicherung.
digen, zum Beispiel, indem sie sich den Sozialsyste-
Quelle: Stiftung Marktwirtschaft, Berlin
men entziehen oder das Land verlassen.
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 9
G E N E R AT I O N E N G E R E C H T I G K E I T
Interview mit Bernd Raffelhüschen
onsniveau absurd niedrig. In den siebziger Jahren wur-
den auf Landes- und kommunaler Ebene etwa 15 %
N AC H H A LTI G K E ITSLÜC K E D E S STA ATES
der Ausgaben investiv getätigt. Gegenwärtig beträgt der
( = Summe aus sichtbarer und unsichtbarer Staatsschuld) Anteil 5-6 %. Es gibt also einen Riesen-Nachholbedarf.
in Prozent des BIP
In den letzten 20 Jahren wurde es versäumt, Straßen
sichtbare sichtbare und Brücken instand zu halten beziehungsweise auszu-
Staatsschuld Staatsschuld bauen, die Bahn bräuchte deutlich schnellere Verbin-
Quelle: Stiftung Marktwirtschaft, Berlin
79,3% 77,1% dungen etc. Die öffentlichen Mittel wurden vorzugs-
weise in das Soziale gesteckt. Aber wir können nur
236,5% 237,6% verteilen, was wir erwirtschaften. Das haben wir verges-
unsichtbare unsichtbare
Staatsschuld Staatsschuld
sen. Unser Sozialstaat hat seine Basis nicht mehr im Auge.
157,2% 160,5%
Nun gehört auch die Belastung der Umwelt
mit Schadstoffen zur Generationengerechtig-
6 500 Mrd. Euro 6 680 Mrd. Euro keit. Ist das Thema Ökologie für die Berech-
Basisjahr 2012 Basisjahr 2013 nung der Nachhaltigkeitslücke überhaupt
berechenbar?
Das ist das Problem: Die Generationenbilanz besteht
Die Nachhaltigkeitslücke diejenigen Beamten, die nicht mehr arbeiten, wer- aus einer Fortschreibung der fiskalischen Haushalte.
aus sichtbaren (expliziten) den also die Ausgabenlasten verdoppelt. Und das in Sie untersucht die fiskalische Nachhaltigkeit. Die öko-
und unsichtbaren (impli- einer Zeit, in der möglicherweise die Zinsen steigen logische Nachhaltigkeit ist ziemlich inoperativ, das
ziten) Staatsschulden für
Deutschland beläuft sich
und die Bundesländer aufgrund der Schuldenbremse heißt, wir können sie nicht berechnen. Persönlich bin
aktuell auf 237,6 % des keine neuen Schulden aufnehmen dürfen. Mit weni- ich der Ansicht, dass wir in Deutschland in der Öko-
Bruttoinlandsprodukts gen Ausnahmen, wie zum Beispiel Bayern, wird das logie Riesenfortschritte in den vergangenen Jahrzehn-
(BIP), das sind 6 675,4 Mil- alle Bundesländer in große Schwierigkeiten bringen. ten gemacht haben.
liarden Euro. Pro Person er-
geben sich daraus Gesamt-
schulden in Höhe von 82 310 Wurden die Kürzungen, die mit der letzten Global betrachtet sieht es aber ganz anders aus.
Euro. Im Vergleich zum Rentenreform durch die Einführung eines Ich halte den statistischen Datenbestand nicht für
Vorjahr gibt es eine geringe demographischen Faktors eingeführt wurden, ausreichend, um den menschlichen Faktor, der hinter
Steigung um 1,1 Prozent.
Die sichtbare Staatsschuld
analog auch auf die Beamten angewandt? der Klimaerwärmung steckt, zu identifizieren.
hat sich etwas von 79,3 % Nein, die Einführung des demographischen Faktors
auf 77,1 % verringert, bei für eine größere Nachhaltigkeit in der gesetzlichen Wie kann denn das steigende Nachhaltig-
der unsichtbaren gab es Rentenversicherung hat die Beamtenschaft nicht er- keitsdefizit gebremst werden? Können Politi-
Zuwächse. Zur Begleichung
der Gesamtschuldenlast
dulden müssen. Die Politik hat sich an dieses Privileg ker nicht rechnen?
müsste jeder heute leben- nicht herangetraut. Politiker müssen wieder gewählt werden, Wissen-
de Bürger bis zu seinem schaftlern nicht. Deshalb sind wir eher mit unbeque-
Lebensende – unabhängig Offenbart das Mentalitäten? men Botschaften unterwegs. Der Politiker weiß, dass
von bestehenden Steuern
und Sozialabgaben – einen
Das zeigt eher Rationalität. Ich weiß nicht, wie wir der Überbringer der schlechten Botschaft geschlach-
zusätzlichen Betrag von uns als Politiker verhalten würden. tet wird. Deshalb halten sie sich zurück. Auch die letz-
310 Euro pro Monat an den te große Rentenreform, die deutliche Kürzungen be-
Staat abführen. Welchen Ausweg gibt es für die sich verdop- inhaltet hat, wurden anders deklariert. Da war von
pelnden Pensionslasten? Nachhaltigkeitsfaktoren oder modifizierter Brutto-
Man muss den Beamten sagen, dass sich unsere Ge- lohnanpassung die Rede. Politikern lassen lieber Be-
sellschaft diese Ausgaben nicht mehr leisten kann. griffe erfinden, die verschleiern, was dahinter steckt.
Das gilt sowohl für die aktiven wie für die passiven
Beamten. Das muss zur Diskussion gestellt werden.
Sind in Ihrer Generationenbilanz auch die
jetzt notwendig werdenden Investitionen in
Infrastruktur wie zum Beispiel die Instand-
setzung von Brücken und Bahngleisen bereits
enthalten?
Wir können die Bilanz nur auf dem bisherigen Niveau
fortschreiben. Allerdings ist das gegenwärtige Investiti-
10 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015G E N E R AT I O N E N G E R E C H T I G K E I T
Die Kürze von Legislaturperioden behindert
also die Handlungsfähigkeit der Entscheider?
Sie unterstellen, dass Politiker langfristig denken. Das
ist nicht der Fall. Meist denken sie noch kurzfristiger
als ihre Wahlperiode.
Wie erhoffen sie sich denn eine Wende? Mei-
nen sie, dass die fiskalische Nachhaltigkeit
eines Tages genauso wichtig sein kann wie
die ökologische Nachhaltigkeit?
Eine solche Wende wird es irgendwann geben. Spätes-
tens die nachfolgende Generation wird diese Frage
aufwerfen. Und sie wird die von ihr geforderte Leis-
tungsbereitschaft mit der unserer Generation verglei-
chen.
Ist das nicht zu spät?
Nein, unsere Kinder werden sagen: Wir zahlen euch
so viel aus, wie ihr damals eingezahlt habt. Damit debattieren. Politiker geben gerne das Geld anderer
müsst ihr zurecht kommen. Dass wir heute als Baby- Leute aus, mögen aber keinen reinen Wein einschen-
boomer so viele sind, ist unser Problem. Und dass wir ken. Je populärer man als Politiker unterwegs ist, des-
so wenige Kinder in die Welt gesetzt haben, auch. to weniger braucht man Transparenz oder langfristige
Generationenbilanzen. Weltweit sind Generationen-
Ist dann nicht ausschlaggebend, dass die bilanzen inzwischen üblich geworden, aber sie wer-
Mehrheit der Gesellschaft aus denjenigen den meistens von Sachverständigenräten oder Think-
besteht, die hohe Erwartungen an die nach- tanks gemacht. Öffentlich bekannt werden sie meist
folgende Generation haben? nur dort, wo sie günstig aussehen.
Über die Verteilung des Bärenfells entscheidet derje-
nige, der ihn erledigt hat. Der Erwerbstätige, den der Wollen sie uns keine Hoffnung machen?
Babyboomer als Rentner schröpfen will, muss mit- Hoffnung habe ich, ich habe ja Kinder! Ohne meine
Die von der Bundesregie-
spielen. Die nachkommende Generation wird sagen: Kinder wäre das anders.
rung geplante sogenannte
Ihr könnt uns nicht dazu zwingen, für euch zu arbei- Leider wächst der Anteil der Menschen in der Bevöl- solidarische Lebensleis-
ten, wenn für mich nichts übrig bleibt. Wir Babyboo- kerung, die ohne Kinder sind und nicht wissen, was es tungsrente begünstigt
mer sind dafür verantwortlich, die sozialen Siche- bedeutet, etwas auf dieser Welt zu hinterlassen. Ein nur bestimmte, besonders
geburtenstarke Jahrgänge,
rungssysteme innerhalb der nächsten Jahre und Kind ist Leben in Fortsetzung des Lebens. Viele wissen
die „Babyboomer“. Jüngere
Jahrzehnte so zu stellen, dass unsere Kinder das mit- nicht, was ihnen da fehlt. und Ältere werden ausge-
machen. Die Fragen stellte Martin Grünewald schlossen.
Dazu müssen alle an einen gemeinsamen Tisch?
Ich sehe noch nicht den Tisch, an dem wir da alle zu-
sammensitzen. Es müsste eine bessere Wahrnehmung Verteilungseffekte der „solidarischen Lebensleistungsrente“
darüber geben, was wir den zukünftigen Beitrags- Finanzieller Vorteil in Euro, Barwert über den verbleibenden Lebenszyklus
und Steuerzahlern zumuten können. Darüber sollten
1 500 Euro
wir diskutieren.
1 250
Vor zwölf Jahren haben Wissenschaftler ihres 1 000
Freiburger Institutes im Kolpingblatt ange- 750
regt, dass bei jedem gesetzlichen Vorhaben 500
eine Nachhaltigkeitstransparenz vorgelegt
250
werden soll. In den USA wurde dies zumin-
0
dest eine Zeit lang praktiziert. Hat sich dies
international eingebürgert? -250
Kein Politiker auf der Welt will wissen, was seine Ge- -500
12
07
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schenke, die er verteilt, außerhalb der nächsten Jahre
20
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20
20
wirklich kosten. Dass langfristig aus ein paar Millio- Jahrgang
Quelle: Stiftung Marktwirtschaft, Berlin
nen ein paar Milliarden werden, das will er gar nicht
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 11NACH RICHTEN
Yvonne Willicks und Ulrich Vollmer stellten die gespendeten Papstschuhe am 18. August in Köln den Medien vor.
Nicht nur der Papst soll Schuhe spenden
Wenn jede(r) ein Paar mitbringt…
„Wenn der päpstliche Nuntius zu den Gäs- org Gänswein dem Kolping-Bundesvorsit- Viele Besucher werden dort auch zu den
ten des Kolpingtages gehört, dann kann er zenden mit, er werde in den nächsten Ta- attraktiven Verpflegungsangeboten wäh-
auch die roten Schuhe des Papstes, die in gen ein Päckchen mit „getragenem rend des Kolpingtages erwartet.
Rom nicht mehr gebraucht werden, mit- Schuhwerk“ von Papst em. Benedikt XVI. Die Aktion SchuhpunktNeumarkt „Mein
bringen“, scherzte Yvonne Willicks. So be- erhalten. Wie versprochen traf bald darauf Schuh tut gut“ ist eine große Sammelakti-
richtete die Kölner Kirchenzeitung über das angekündigte Päckchen mit den roten on mit Öffentlichkeitswirksamkeit im Rah-
die Ankündigung der Schuhaktion am 18. Papstschuhen in Tiengen ein. Mit dabei: men des Kolpingtages 2015. Die große Ak-
Juni. ein Zertifikat über die Echtheit der Papst- tions-Abschlussveranstaltung mit Yvonne
Yvonne Willicks ist Patin der Aktion schuhe. Willicks findet am Kolpingtagssamstag ab
SchuhpunktNeumarkt, bei der die Teilneh- „Es wäre völlig unangemessen, diese 16 Uhr auf dem Neumarkt mit buntem
menden des Kolpingtages gemeinsam mit Schuhe zu versteigern“, erklärte Bundesse- Bühnenprogramm statt.
der Kölner Bürgerschaft eingeladen sind, kretär Ulrich Vollmer beim Pressetermin Abgabestellen während des Kolpingtages:
15 000 Paar Schuhe zu spenden. Im Anden- in Köln. „Um der Bedeutung dieser Schuh- Freitag von 17 bis 19.30 Uhr vor der Lan-
ken an Adolph Kolping, der gelernter spende gerecht zu werden, bitten wir des- xess-Arena, Samstag von 9 bis 15 Uhr am
Schuhmacher war, sind alle aufgerufen, halb um Geldspenden, die dem sozialen Neumarkt. „Wenn jede teilnehmende Per-
durch eine Schuhspende das Projekt Blu- Projekt in Köln zugute kommen. Wir son ein Paar Schuhe mitbringt, können wir
menberg – eine Anlaufstelle für Kinder möchten die Original-Papstschuhe dem unser Ziel sicher erreichen“, betont Bun-
und Jugendliche aller Kulturen und Religi- Museum im Geburtshaus von Josef Ratzin- dessekretär Ulrich Vollmer.
Fotos: Barbara Bechtloff (4), Martin Grünewald (2)
onen – zu unterstützen. ger in Marktl zur Verfügung stellen.“ Auf Wichtiger Hinweis: Die Schuhe müssen
Bundessekretär Ulrich Vollmer gefiel die Spender hofft nun das Kolpingwerk, paarweise gebündelt sein, also zum Bei-
diese Idee. Er setzte sich unverzüglich mit damit der Wert der Papstschuhe in dem So- spiel mit einem Gummiband aneinander-
dem Bundesvorsitzenden des Kolpingwer- zialprojekt ankommt. gebunden werden oder mit den Schnürsen-
kes, Thomas Dörflinger, in Verbindung. Die Papstschuhe können in einer Vitrine keln zusammengebunden sein.
Vom Schwarzwald aus nahm Thomas Dör- des Kölner Stadthotels am Römerturm Spenden für die Papstschuhe werden er-
flinger direkten Kontakt zu Erzbischof Ge- (Kolpinghaus International) in der St.- beten auf das Konto: Kolpingwerk
org Gänswein auf, Präfekt des Päpstlichen Apern-Str. 32 vor und während des Kol- Deutschland n.e.V., Bank für Sozialwirt-
Hauses und Privatsekretär von Papst em. pingtages bestaunt werden. Im Stadthotel schaft, IBAN: DE56 3702 0500 0001 0829
Benedikt XVI. im Vatikan. am Römerturm findet während des Kol- 05. Verwendungszweck: Spende Papst-
Bereits am 25. Juni teilte Erzbischof Ge- pingtages auch die „Stunde der Treue“ statt. schuhe. Martin Grünewald
12 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015NACH RICHTEN
Schuhe und
Echtheitszer-
tifikat sind
zunächst beim
Bundesvorsit-
zenden Thomas
Dörflinger in
Tiengen ange-
kommen. Sie
waren sorgfäl-
tig verpackt.
– Reges Medi-
eninteresse bei
der Präsentati-
on in Köln.
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 13R ATG E B E R
Leser fragen – Experten antworten
Senden Sie einfach Ihre Fragen an ratgeber@kolping.de – oder per Post an
Redaktion Kolpingmagazin, 50606 Köln
ACA – was ist das?
Die ACA – Arbeitsgemeinschaft Christlicher rohr christlicher Arbeitnehmerinnen und merinnen und Arbeitnehmer, bejaht die so-
Arbeitnehmerorganisationen – ist eine Ar- Arbeitnehmer für die Grundsätze einer ziale Marktwirtschaft und eine staatliche
beits- und Aktionsgemeinschaft, zu der sich christlichen Gesellschaftslehre, die basiert Ordnungspolitik, die soziale Schäden ver-
die Katholische Arbeitnehmer-Bewe- hütet oder beseitigt und die freie
gung (KAB), der Bundesverband Arbeitsplatzwahl erhält und för-
Evangelischer Arbeitnehmerorgani- dert. Die ACA setzt sich besonders
sationen (BVEA) und das Kolping- ein für Freiheit und Menschen-
werk Deutschland auf Bundes- und würde im Arbeitsprozess, für Ent-
Landesebene zusammengeschlossen scheidungsfreiheit, Selbstverant-
haben. Sie setzt sich für die Rechte wortung und Selbstgestaltung der
der Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Arbeitnehmerschaft, als der weit-
nehmer, für Entscheidungsfreiheit aus größten Gruppe unserer
und Menschenwürde, für Selbstverantwor- auf der Katholischen Soziallehre und der Staatsbürger, und dies vor allem in der „So-
tung und Selbstgestaltung im Arbeitspro- Evangelischen Sozialethik. zialen Selbstverwaltung“ – mit und in den
zess ein. Die ACA versteht sich als Sprach- Sie verteidigt die Rechte der Arbeitneh- Gewerkschaften. Jürgen Peters
Was müssen wir bei der Jugendparty beachten?
Vermehrt ist die Frage nach einer Regelung Stände der Arena werden für Imbiss und samte Dauer der Veranstaltung die Auf-
mit minderjährigen Teilnehmenden des Getränke geöffnet sein. Umso wichtiger ist sichtspflicht übernehmen. Ab 16 Jahren
Kolpingtages bei der Jugendparty gestellt uns aber, das Jugendschutzgesetz zu wahren: wird in der Arena Alkohol ausgeschenkt, je-
worden. Unmittelbar nach dem Musical am Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren doch kann jederzeit eine Ausweiskontrolle
Samstagabend findet die Jugendparty statt. dürfen sich daher nur in Begleitung ihrer erfolgen. Daher ist es wichtig, dass alle unter
Sie soll ein fröhlicher Ausklang des Tages- Personensorgeberechtigten oder mit der 18-Jährige die schriftliche Einverständniser-
programmes sein. Ein DJ wird Musik aufle- schriftlichen Erlaubnis ihrer Personensorge- klärung dabei haben. Sie steht als Download
gen, und alle sind dazu eingeladen, das berechtigten und in Begleitung einer/eines bereit unter www.kolpingtag2015.de/teil-
Tanzbein zu schwingen. Dass dabei auch Aufsichtspflichtigen am Veranstaltungsort nahme/anmeldung. Ich wünsche uns allen
Alkohol ausgeschenkt wird, lässt sich nicht aufhalten. Für Teilnehmende unter 18 Jah- eine super Jugendparty und tolle Tage in der
vermeiden, denn die umliegenden Bars und ren muss eine volljährige Person für die ge- Domstadt! Magdalene Paul
Wo kann ich internationale Partner treffen ?
Jugendliche können z. B. einen Freiwilligen turellen Austausch bereichert. Gleichzeitig
David aus Tansania.
aus Tansania, er heißt David, in Deutschland wird dadurch die Partnerschaftsarbeit des
begleiten. Seit Juli haben die Kolping-Ju- Kolpingwerkes gefördert. Interessierte kön-
gendgemeinschaftsdienste zusammen mit nen David z. B. direkt in seiner Einsatzstelle
dem Diözesanverband Hamburg einen Frei- besuchen oder ihn zu sich nach Hause ein-
willigen vom Kolpingwerk Tansania in Bu- laden und mit ihm gemeinsam Deutschland
koba eingeladen, der für ein Jahr im Norden entdecken.
Deutschlands, im Kolping-Ferienland Salem, Bei Interesse geben die Jugendgemein-
seinen Freiwilligendienst absolviert. Frei- schaftsdienste gerne Informationen weiter.
willige lernen Deutschland kennen, und die Kontakt: mfd@kolping.de.
Einsatzstellen werden durch den interkul- Annette Fuchs
14 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015R ATG E B E R
Thema Jugend Thema Familie Thema Eine Welt Thema Arbeit Thema Glaube Thema Verband
Magdalene Paul Michael Griffig Annette Fuchs Jürgen Peters Josef Holtkotte Ulrich Vollmer
Welche Bedeutung haben Altar, Tabernakel, Ewiges Licht?
Der Mittelpunkt einer Kirche ist der Altar. Das lateinische Wort „tabernaculum“ be- brennt als Zeichen für die bleibende Ge-
Um ihn herum versammeln sich Priester deutet Zelt. Die Erinnerung an das Volk genwart Christi im eucharistischen Brot.
und Gläubige zur Feier der Heiligen Messe. Israel, welches die Bundeslade in einem Ihn allein, unseren Gott, beten wir an. Er
Der Altar ist Zeichen dafür, dass Christus Zelt aufbewahrte, scheint hier auf. So be- ist unser Ziel. Das Ewige Licht drückt aus,
in unserer Mitte ist: als Herr der Kirche, gleitete Gott sein Volk. Er war mit seinem dass Gott in unserer Mitte wohnt.
als Grund unseres Glaubens. Er ist gegen- Volk unterwegs. Im Tabernakel ist Christus Altar und Tabernakel mit Ewigem Licht:
wärtig, wenn auf dem Altar die Eucharistie gegenwärtig in der Gestalt des Brotes. hier zeigt sich Christi Gegenwart für uns.
gefeiert wird. Aufbewahrt wird die heilige Beim Tabernakel ist das Ewige Licht Er ist mit uns auf dem Weg, lebendig in un-
Eucharistie im Tabernakel. angebracht. Die Flamme im roten Glas serem Leben. Josef Holtkotte
Was ist der Weltgebetstag des Kolpingwerkes?
Der Weltgebetstag des Internationalen Kol- Denkanstöße für die Gestaltung dienen.
pingwerkes erinnert jedes Jahr an den Tag Diese können unterschiedlich zur Verwen-
der Seligsprechung Adolph Kolpings am 27. dung kommen: für eine Eucharistiefeier, ei-
Oktober 1991. Wie jedes Jahr steht dabei im- nen Wortgottesdienst, für einen Impuls,
mer auch das Kolpingwerk eines Landes im eine Meditation oder Ähnliches.
Mittelpunkt. Im Jubiläumsjahr 2015 – wir Alle Informationen, liturgischen Texte,
feiern den 150. Todestag Adolph Kolpings – Gedanken zum Weltgebetstag sowie weitere
hat das Kolpingwerk Deutschland den Welt- Worte von Adolph Kolping zum Thema
gebetstag vorbereitet. „Mut“ sind in einem PDF-Dokument zusam-
Durch den Bundesfachausschuss „Kirche mengefasst. Es kann bei www.kolping.de
mitgestalten“ wurden dazu Texte zu den heruntergeladen werden im Bereich Medi-
Worten Adolph Kolpings „Wer Mut zeigt, en/Downloads.
macht Mut“ erstellt, die als Anregungen und Ulrich Vollmer
Wie können ältere Menschen gesund essen?
Untersuchungen haben ergeben, dass insbe- Das Angebot an Mittagstischen ist derzeit haltung der Leistungsfähigkeit im Alter. Das
sondere ältere alleinlebende Menschen, zu- jedoch noch unzureichend. Motto könnte lauten:
mal bei leichten bis stärkeren geistigen oder Als Start für neue Initiativen plant die „Auf Rädern (Zweirad, Rollator, Auto)
körperlichen Einschränkungen, sich oft- Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren- zum Essen“ (statt „Essen auf Rädern“).
mals unzureichend verpflegen und kaum Organisationen (BAGSO) im Frühjahr 2016 Auch Kolpingsfamilien sind eingeladen,
am sozialen Leben teilnehmen. Es gibt be- eine Aktionswoche „Mittagstisch für ältere die Durchführung eines Mittagstisches an
reits viele Initiativen und unterschiedliche Menschen“. In dieser Woche sollten mög- einem Tag der Aktionswoche (April 2016)
Modelle für ein Mittagstischangebot. Mit- lichst bundesweit Akteure vor Ort an einem zu übernehmen. Wer Interesse hat, bei der
tagstische ermöglichen je nach Form des Tag einen Mittagstisch für ältere Menschen „Aktionswoche Mittagstisch“ mitzumachen,
Angebotes die Mitwirkung der älteren Men- anbieten. Ziel ist eine Bewusstseinsbildung meldet sich bis Ende September 2015 bei der
schen, insbesondere aber eine leckere Mahl- für die Bedeutung der ausgewogenen Er- BAGSO, E-Mail: inform@bagso.de, Tel.
zeit mit ausgewogenem Nährstoffangebot. nährung und der sozialen Teilhabe zur Er- (02 28) 24 99 93 22. Michael Griffig
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 15KO L P I N G TA G
Einzigartiger Altar
15 000 Gläubige werden am 20. September in der Lanxess
Das Kolping-Berufsbildungswerk in Essen baut den Altar
TEXT: Georg Wahl | FOTOS: Ludolf Dahmen
W
ie wird der Altar wohl aussehen? Diese Frage Tischlermeister Klaus Pieper geschickt; er ist Ausbil-
werden und sollen auch diese zwei Seiten der im Berufsbildungswerk. Die Ideen wurden disku-
nicht beantworten. Das Geheimnis werden tiert und auf ihre Machbarkeit hin überprüft. Danach
die Auszubildenden des Kolping-Berufsbildungswerkes haben die Auszubildenden in der Tischlerwerkstatt
Essen erst nach der Abschlussveranstaltung des Kol- mit der Planung und dem Bau begonnen. Die Vorga-
pingtages am 20. September in der Lanxess-Arena lüf- ben sind klar: Der fertige Altar soll fünf Meter breit sein,
ten, also nur wenige Minuten vor dem danach begin- er muss leicht zu transportieren sein, und die Gestal-
nenden Gottesdienst. Der Altar soll eine Überraschung tung soll das Motto des Kolpingtages aufgreifen.
sein für die erwarteten 15 000 Gottesdienstbesucher. Im Kolping-Berufsbildungswerk in Essen können
Der Altarbau ist für die Auszubildenden im Kol- junge Menschen eine Ausbildung machen, die sonst
ping-Berufsbildungswerk in Essen eine besondere auf dem freien Ausbildungsmarkt keine Chance ha-
Herausforderung. Im Frühjahr hat die Arbeitsgruppe, ben. Bei Kolping werden sie besonders gefördert. An-
die den Gottesdienst vorbereitet, die ersten Skizzen an ders als andere Jugendliche absolvieren sie ihre Aus-
16 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015KO L P I N G TA G
Vorarbeiten (oben): Zu-
nächst werden Schablonen
angefertigt und geeignete
Farben ausgewählt.
Rechts: Ausbilder Klaus
Pieper und der Auszubil-
dende Jan Geldermann
wählen das Furnier aus.
Unten links: An der Kreissä-
ge schneiden die Auszubil-
denden die Anleimerleisten
zu.
Rechts: In der Presse wer-
den Sperrholzplatten und
Furnier unter hohem Druck
miteinander verleimt.
Arena den Abschlussgottesdienst des Kolpingtages feiern.
für diesen besonderen Anlass.
bildung nicht in einem Handwerksbetrieb, sondern in
den Werkstätten des Berufsbildungswerkes.
Jan Geldermann (23) wird Holzbearbeiter; er hat
gerade sein zweites Ausbildungsjahr begonnen. Er ist
an allen Schritten des Altarbaus beteiligt: Zunächst
hat er gemeinsam mit anderen Azubis die Vorlagen in
Originalgröße auf Papier übertragen. Sperrholzplat-
ten und Anleimerleisten wurden zugeschnitten. Das
Eschenholzfurnier haben er und Klaus Pieper sorgfäl-
tig ausgewählt, damit der Altar auch eine schöne und
ruhige Oberfläche bekommt. Jetzt freuen sich Jan und
andere Jugendliche auf den Kolpingtag. Dann dürfen
sie den Altar in der Arena aufbauen.
17J U N G E E R WA C H S E N E
Tanja ist zur Salat-
esserin geworden. Kartoffelpflanze
Pflegetipp: Schädlingsbekämp-
fung geht auch in Bio: Aus klein-
gehäckselten Rhabarberblättern
und Wasser entsteht ein Sud,
der unerwünschten Pflanzenbe-
wohnern biologisch korrekt den
Garaus macht, aufzutragen mit
einer Sprühflasche. Die giftige
Oxalsäure der Rhabarberblätter
ist übrigens hochdosiert auch für
den Menschen giftig.
Da haben wir den Salat
Violetta, Linda und Emmalie – das sind drei Ladies mit
überaus guten Geschmack – allerdings sind die Damen
ein wenig aus der Mode gekommen. Beim Kolpingju-
gendwohnen in Nürnberg setzt man trotzdem noch auf sie. Ein
Besuch im hauseigenen urbanen Garten bringt Klarheit...
TEXT: Lea Albring
Fotos: Barbara Bechtloff, Erich Daniel
„D
as ist Mädesüß“, erklärt Claudia. auch herb und frisch. „Früher, als man Zu- ten und kahle Mauern anödeten, wachsen
„Da wollten wir eigentlich Limo cker noch nicht mal eben im Supermarkt nun Bohnen, Kartoffeln, Chili-Schoten und
draus machen, aber jetzt ist es um die Ecke kaufen konnte, haben die Men- unzählige Kräuter. „Es ist eine grüne Oase
schon fast verblüht.“ Die kleine Frau zuckt schen das als Süßungsmittel benutzt, sagt sie. mitten in der Stadt“, freut sie sich, während
lachend mit den Schultern, knickt einen Grinsend steht Claudia auf dem schmalen sie frisch gepflückten Rucola herumreicht,
Blütenkopf ab und hält ihn ihrem Gegen- Hinterhof, umgeben von Grünzeug. Wo sich der so nussig-scharf schmeckt, dass sich der
über unter die Nase. Es riecht süßlich, aber noch vor einem guten Jahr graue Betonplat- Gaumen fast erschrickt. Seit Mai 2014 gärt-
18 KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015J U N G E E R WA C H S E N E
Claudia erklärt, wann
die Chilis reif sind.
Wintertipp: Um die Qualität der
Erde zu verbessern, empfiehlt
Claudia die Gründüngung: Nach
der Ernte zum Beispiel weißen
Senf oder Raps aussähen. Vor
Einbruch der Frostperiode die
Pflanzen dann zerkleinern und un-
ter die Erde mischen: Die unterge-
hobenen Pflanzenteile enthalten
Stoffe, die Krankheitserreger im
Boden reduzieren und die Frucht-
nern unter Claudias Leitung rund 10 junge barkeit verbessern. mit ihrer Ausbildung fertig ist und mal eine
Erwachsene im l-Förmigen Hinterhof. Das eigene Wohnung hat, will sie auf ihrem Bal-
korridorhafte, gut 100 Quadratmeter große kon auch Salat anbauen: „Jetzt weiß ich ja,
Areal gehört zum Kolpingjugendwohnen in ckerkisten in die Höhe, Radieschen sprießen wie es geht. Und es schmeckt einfach viel
Nürnberg. Bei dem Urban Gardening-Pro- auf Euro-Paletten und Kartoffeln ranken besser als aus dem Supermarkt.“ Davon
jekt kann jeder der circa 200 Bewohner aktiv aus alten Reissäcken. sind auch Markus und Matthias überzeugt,
mitmachen oder auch herkommen, um zwi- Tanja ist von Beginn an mit dabei, seit die beiden gehören ebenfalls zur Gärtner-
schen Lavendel, Oregano und Estragon ein- eben hat sie Feierabend und schaut erst ein- truppe, auch für sie führt der erste Weg nach
fach nur abzuhängen oder mal abzuschalten. mal im Garten vorbei. Gekonnt macht sie Feierabend direkt in den Garten. Die beiden
„Urban Gardening – das bedeutet zunächst sich daran, Salat zu pflücken. „Von außen freuen sich auf die Kartoffelernte, die war
nichts anderes als Gärtnern im Stadtgebiet“, nach innen, das Herz muss stehen bleiben“, schon im letzten Jahr das Highlight. „Die
sagt Cornelia Oschmann. Sie arbeitet an der erklärt Claudia, die ihr über die Schulter Sorten, die wir hier anbauen, sind ganz Be-
Humboldt-Universität Berlin am Institut schaut. Im Beet nebenan wächst Kapuziner- sondere“, sagen sie. Die ‚Damen’ heißen Vio-
für Agrar- und Gartenbauwissenschaften, kresse, auch hiervon pflückt sich Tanja ein letta, Linda oder Rote Emmalie – im Handel
ihr Fachgebiet ist der urbane Gartenbau. par Blätter ab: „Richtig gut schmeckt die auf sind diese Sorten nicht mehr erhältlich, weil
„Die Formen sind ganz vielfältig, sie reichen einem frischen Brot mit Butter.“ Die 19-Jäh- sie vorgeblich zu unwirtschaftlich sind.
vom Salat- und Kräuteranbau auf dem Bal- rige macht eine Ausbildung als Werkzeug- Claudia erzählt, dass sie die Knollen bei ei-
kon bis zur komplexen Stoffkreisläufen auf mechanikerin, „noch vor einiger Zeit ist nem Onlinehändler bestellt und sie dann
Dachterrassen.“ Zu den neueren Trends ge- selbst Kresse bei mir eingegangen“, sagt sie treiben lässt: „Man muss die Kartoffeln nur
hört laut Oschmann die Rückbesinnung auf und grinst übers ganze Gesicht. Wenn sie anders lagern, als sonst: Statt dunkel und
den Anbau von Lebensmitteln in der Stadt, kalt hell und warm. Ideal sind offene Eier-
vor allem in Gemeinschaftsgärten. „Der so- kartons im Sonnenlicht, dann keimen die
ziale Faktor wird immer wichtiger“, sagt die Netztipp: Wer sich nicht im eige- Kartoffeln besonders gut.“ Etwa sechs vor-
Wissenschaftlerin. nen oder in Gemeinschaftsgär- getriebene Kartoffeln haben die urbanen
Und so ist das auch im Kolpinghaus ten austobt, kann einfach mal Gärtner im Frühjahr in einen Reissack ge-
Nürnberg: Die Gemeinschaftsgärtner draußen die Augen offen halten: pflanzt – bei der Ernte werden ein bis zwei
schauen immer mal wieder in ‚ihrem’ Gar- In Parks und an Grünstreifen Kilogramm Kartoffeln aus jedem Sack raus-
ten vorbei, verabreden sich zum Unkraut- wachsen überall Obstbäume und kommen, danach wird dann noch gemein-
zupfen und achten auf die richtige Pflege Kräuter, die von jedem abgeerntet sam gekocht: „Letztes Jahr haben wir dann
der Pflanzen. Aus einem Zucchini-Missge- werden können. Eine interaktive lila Kartoffelchips mit Meersalz oder Chili-
schick im letzten Jahr hat man gelernt: Die Karte, die Deutschlandweit alle pulver draus gemacht“, schwärmt Tanja. Na
Pflanze wurde so eifrig gegossen, dass sie Standorte von Obst und Kräutern dann mal Bon Appetit. Vorher muss sie sich
ertrank. Momentan ist Hochsaison, lange im öffentlichen Raum abbildet aber erst mal überlegen, was sie noch alles
Kräuterhalme wachsen in ausgedienten Bä- gibt’s unter mundraub.org. für ihren Salat pflücken will.
KOLPI NGMAGAZI N SEPTEMBER–OKTOBER 2015 19Sie können auch lesen
