Stiftungswelt - Stiften bleibt anders Hier entsteht das nächste Geben - Stiftungen.org

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Stiftungswelt - Stiften bleibt anders Hier entsteht das nächste Geben - Stiftungen.org
Stiftungswelt
                                                                                              WINTER
                                                                                                2019

SPURENSUCHE: Wohin              NEUE VIELFALT: Infografik zu       WOLFGANG TILLMANS: Der
­entwickelt sich das Stiften?   den heutigen Formen des Stiftens   Fotograf und Stifter im Interview

            Stiften
            bleibt
            anders
            Hier entsteht das
            nächste Geben
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Stiftungsmanagement
                                                             auf Augenhöhe.
                                                             Anspruch verbindet.

  Für meine gemeinnützige Stiftung hat eine stabile Vermögens-
  entwicklung erheblichen Einfluss auf die Finanzierung unserer Projekte.
  Die speziell ausgebildeten Berater der Weberbank berücksichtigen
  bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens selbstverständlich die
  in unserer Satzung festgehaltenen ethischen Investmentvorgaben.

  Mein Berater bei der Weberbank Actiengesellschaft:
  Robby Pietschmann, Leiter Institutionelle Kunden,
  Tel. 030 89798-588, robby.pietschmann@weberbank.de

Die Privatbank der Hauptstadt.
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Intro

                                        Liebe Kolleginnen und Kollegen,

                                        vielleicht geht es Ihnen wie mir: Ihre Gremien möchten wissen, wie
                                        sich das Stiften jenseits der eigenen Organisation, jenseits der eige-
                                        nen Netzwerke, vielleicht sogar über Grenzen hinweg verändert.
                                             Aus diesem Interesse meiner Stiftung und einem Gespräch mit
                                        Generalsekretär Felix Oldenburg entstand Anfang 2018 die Initia-
                                        tive #NextPhilanthropy des Bundesverbandes Deutscher Stiftun-
                                        gen. Seitdem haben wir Interessantes aus aller Welt über aktuel-
                                                                                                                         1
                                        le Trends und Transformationen des Stiftens gesammelt und dis-
                                        kutiert. Eine Aktivität hat mich besonders beeindruckt: In seinen

                                                                                                                 STIFTUNGSWELT Winter 2019 Intro
                                        sozialen Medien informiert der Bundesverband dreimal in der
                                        Woche über wissenswerte Entwicklungen in diesem Bereich.
                                             Diese „Stiftungswelt“ richtet den Blick auf ein Stiften, das sich
                                        immer wieder neu erfunden hat – und spannt einen Bogen vom
                                        Frankfurter Stifter Johann Friedrich Städel über aktuelle Strategie-
                                        prozesse in Stiftungen bis hin zu den Rückfragen jüngerer Generatio-
                                        nen, für die wir das Stiften vielleicht neu beschreiben müssen.
Foto: Peter Gwiazda/Stiftung Mercator

                                        Ich freue mich auf die Gespräche mit Ihnen!

                                        Ihr Michael Schwarz
                                        Geschäftsführer der Stiftung Mercator und Mitglied im Beirat des
                                        Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
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                                                                                                                                                                 Fotos: Jörg Faber (diese Seite oben), Körber-Stiftung/Claudia Höhne (diese Seite links), David Ausserhofer (diese Seite rechts), Detlef Eden (Coverfoto und Seite 3)
     2
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Inhalt

                                     Stiftungsinfo

                                     Stiftungsinfo
                                     Winter 2019
                                                     Servicebeilage exklusiv für unsere Mitglieder

                                                                                                             24
                                     2 Was Sie über die
                                     erweiterten Grundsätze
                                     guter Stiftungspraxis
                                     wissen sollten 10 Wie
                                     das Erbrecht den
                                     digitalen Nachlass
                                     regelt 12 Warum
                                     sich Impact Investing
                                                                                                          Die Fotos auf dem Cover und im Schwerpunkt
                                     doppelt lohnen kann
                                                                                                          haben die Berliner Fotografen David Ausserhofer
                                                                                                          und Detlef Eden für uns aufgenommen.
                                                                                                          www.ausserhofer.de · www.detlef-eden.de

                                   STIFTUNGSINFO
                                   Unsere Mitglieder erhalten
                                   zu j­eder Stiftungswelt diese
                                   ­hilfreiche Servicebeilage.
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Inhalt  Stiftungswelt Winter 2019

                                                                                                6 – 51

     Titel
     Stiften bleibt anders

 1   Intro                                                   35   Geht nicht? Geht doch! Diese rechtlichen
 4   Panorama                                                     ­Aspekte gilt es beim internationalen Engagement
                                                                   von Stiftungen zu beachten
                                                             38    Der Wert des Kreises „Giving Circles“ sind
     Titel                                                         ­eines der letzten philanthropischen Instrumente
                                                                    in ­repressiven Regimen
 8   Der Club der nächsten Stifter Wohin
     ­entwickelt sich das Stiften? Eine Spurensuche          40     Es wird heißer Kommt die Debatte um die Legi-
                                                                     timität von Stiftungen auch nach Deutschland?         3
14    Stiften wird bunter Neue Formen des Gebens
      treten auf den Plan. Eine Übersicht                    44     Die Philanthropie auf dem Weg in die

                                                                                                                      STIFTUNGSWELT Winter 2019 Inhalt
                                                                    ­Zukunft Beispiele aus aller Welt
16    Vielfalt im Geben, Einheit im Ziel Die Stärke
        der nächsten Philanthropie liegt in ihrer Vielfalt   46      Philanthropen unter Palmen Können Digital-
                                                                     nomaden auch geben?
18    Democracy Dies in Darkness Warum
      ­Stiftungen Journalismus fördern sollten               48      Kunst für alle Wie Johann Friedrich Städel das
                                                                     Stiften seiner Zeit revolutionierte
19     Justus von Daniels über datengetriebene
       ­Recherchen im Lokalen                                50      Literatur zum Thema Next Philanthropy
19      Cornelia Gerlach über die Medienlandschaft im
        Einwanderungsland Deutschland
                                                             52   Zwischen den Brücken Fotograf und Stifter
21      Zweispurig unterwegs Das Start-Up Social­-Bee
                                                                  Wolfgang Tillmans im Gespräch
     vermittelt Geflüchtete an Unternehmen
                                                             56   „Die rechtlichen Rahmenbedingungen
                                                                  für Stiftungen verbessern“ Interview mit
                                                                  ­Marie-Alix Ebner von Eschenbach
28   Wenn Vertrauen Wirkung macht Auftakt der
                                                             60    Kleine Schritte, große Wirkung Stiftungen,
     Initiative #VertrauenMachtWirkung
                                                                   die neue Themen anfassen, bewegen mehr
29   9 Thesen zur Zukunft des Stiftens von der
                                                             68    Personalia
     ­Initiative #VertrauenMachtWirkung
                                                             72    Meldungen
30    Stiften wird politisch Warum gerade jetzt
      ­wieder Haltung gefragt ist                            76    Medien
32     Treffen sich zwei Stiftungen … Wie durch Ko-          79    Outro/Impressum
       operationen verschiedener Partner alle profitieren    80    Abgestaubt
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Panorama
                                                                                   Anstifter

                                                                                   Gemeinsam ­Ressourcen ­sparen
                                                                                   Dass es in einer „Wegwerfgesellschaft“ auch gegenläufige Tenden-
                                                                                   zen gibt, bewies der weltweite „International Repair Day“, der am
                                                                                   19. Oktober 2019 stattfand. Er soll Bewusstsein für die Qualität
                                                                                   und Herstellungsbedingungen von Produkten schaffen und uns da-
                                                                                   zu anregen, unser Konsumverhalten zu überdenken. Auch Stiftun-
                                                                                   gen unterstützen das gemeinsame Reparieren: Die „anstiftung“ et-
                                                                                   wa fördert Open-Source-Projekte, Offene Werkstätten und Repara-
                                                                                   tur-Initiativen. Ziel dieser ehrenamtlichen Projekte ist es, die Nut-
                                                                                   zungsdauer von Gebrauchsgütern zu verlängern und Ressourcen zu
                                                                                   sparen. Seit 2014 erlebt die Reparatur-Bewegung – auch DIY (Do
                                                                                   It Yourself ) genannt – immer mehr Zulauf. Bis heute haben sich
                                                                                   deutschlandweit rund 1.000 Initiativen gegründet – und ihre Zahl
                                                                                   wächst weiter.

     4
                                                »Zur Stärkung des
                                              zivilgesellschaftlichen
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Panorama

                                           Engagements und Ehrenamts
                                            planen wir unter anderem
                                              eine Verbesserung des
                                             Gemeinnützigkeits- und
                                                 Stiftungsrechts.«
                                     Auszug aus der Bestandsaufnahme über die Umsetzung des Koalitionsvertrages durch die Bundesregierung

                                     Richtigstellung: In der letzten Ausgabe haben wir das Zitat fälschlicherweise dem Komedian Dr. Eckart von Hirsch-
                                     hausen ­zugeschrieben. Dieser hatte allerdings seinerseits den damaligen US-Präsidenten Barack Obama zitiert.
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                                                                                                                                                                                                                                    Drei Fragen an
                                                                                                                                                                                                                                    Dr. Volkhard Wille
                                                                                                                                                                                                                                    OroVerde – Die Tropenwaldstiftung

                                                                                                                                                                                                                                    Herr Dr. Wille, seit wann ist Gold
                                                                                                                                                                                                                                    grün?
                                                                                                                                                                                                                                    Dr. Volkhard Wille: Seitdem Artenviel-
                                                                                                                                                                                                                                    falt Reichtum ist. Der unermessliche
                                                                                                                                                                                                                                    Schatz der Biodiversität in den Tropen-
                                                                                                                                                           Das neue Leben des toten Geldes                                          wäldern war Anlass, die Tropenwaldstif-
                                                                                                                                                                                                                                    tung „OroVerde“ (spanisch: grünes Gold)
                                                                                                                                                           Bis zu neun Milliarden Euro liegen auf deutschen Konten, deren Ei-       zu taufen.
                                                                                                                                                           gentümer unbekannt sind. Bisher fließt das Geld den Banken zu. Ein
                                                                                                                                                           Verein schlägt nun vor, dieses Geld für das Gemeinwohl auszugeben.       Wenn Sie sich entscheiden müssten:
                                                                                                                                                           www.stiftungen.org/totes-geld                                            Amazonien oder das Rheinland, wo
                                                                                                                                                                                                                                    Ihre Stiftung sitzt? Vor 30 Millionen
                                                                                                                                                                                                                                    Jahren lag Amazonien im Rheinland –
                                                                                                                                                                                                                                    zumindest herrschte damals in Mitteleu-
                                                                                                                                                                                                                                    ropa tropisches Klima mit einer entspre-
                                                                                                                                                                                                                                    chend reichhaltigen Tier- und Pflanzen-
                                                                                                                                                                                                                                    welt, wie wir aus fossilen Ablagerungen
                                                                                                                                                                                                                                    wissen. Wenn zurzeit die Tropenwälder
                                                                                                                                                                                                                                    in Amazonien brennen, hat das leider
                                                                                                                                                                                                                                    auch mit dem Rheinland zu tun: Das So-
Fotos: Johannes Arlt (Anstifter), PhotographyByMK – stock.adobe.com (Totes Geld), Jan Patrick Margraf (Vielfalt in Stiftungen), OroVerde (Porträt Wille)

                                                                                                                                                           Wo Stiftungen nicht gern hingucken: die                                  ja, das dort angebaut wird, wird auch in
                                                                                                                                                           blinden Flecken in der Stiftungslandschaft                               unserer Massentierhaltung verwendet,
                                                                                                                                                                                                                                    die anders gar nicht möglich wäre.
                                                                                                                                                           Blinde Flecken sind Herausforderung und Chance zugleich. Sie zei-                                                                5
                                                                                                                                                           gen auf, was man nicht sehen wollte, und geben Hinweise, wo es sich      Ein paar Tipps zum Regenwaldschutz

                                                                                                                                                                                                                                                                                       STIFTUNGSWELT Winter 2019 Panorama
                                                                                                                                                           lohnt, genauer hinzuschauen. Der Bundesverband Deutscher Stif-           im Alltag? Weniger Fleisch essen – und
                                                                                                                                                           tungen hat bei fünf Personen aus verschiedensten Arbeitsumfeldern        wenn, dann aus regionaler Herkunft
                                                                                                                                                           nachgefragt, wo die blinden Flecken des Stiftungswesens liegen.          und Bioproduktion, bei der kein fremdes
                                                                                                                                                           www.stiftungen.org/blinde-flecken                                        Futtermittel aus anderen Ländern einge-
                                                                                                                                                                                                                                    setzt wird. Jede und jeder kann über sein
                                                                                                                                                                                                                                    Konsumverhalten sehr viel für die Tro-
                                                                                                                                                                                                                                    penwälder tun. Und Holz aus regionaler
                                                                                                                                                                                                                                    Herkunft kaufen, bei uns in Deutschland
                                                                                                                                                                                                                                    vor allem Eiche oder Buche.  ←

                                                                                                                                                           Vielfalt in Stiftungen
                                                                                                                                                           Unbewusste Stereotype können unsere tagtäglichen Entscheidungen
                                                                                                                                                           beeinflussen. Wer solche Vorurteile in der Personalauswahl über-
                                                                                                                                                           windet, fördert nicht nur Vielfalt, sondern stärkt auch die eigene Or-
                                                                                                                                                           ganisation. Die Stiftung Prout at Work gibt Tipps, wie man sich die
                                                                                                                                                           besten Kompetenzen ins eigene Haus holt.                                              Dr. Volkhard Wille ist Vorstand von
                                                                                                                                                           www.stiftungen.org/vielfalt-in-stiftungen                                             OroVerde – Die Tropenwaldstiftung
Stiftungswelt - Stiften bleibt anders Hier entsteht das nächste Geben - Stiftungen.org
Zukunft                        des                                   Stiftens

                     Bühne frei!
Für die Fotostrecke zu diesem Schwerpunkt haben wir ganz un-
terschiedliche Menschen – potenzielle wie langjährige Stiften-
de, Mitarbeiter in Stiftungen und Vertreterinnen anderer For-
men philanthropischen Engagements – an einem Ort ihrer Wahl
in Berlin getroffen und sie gebeten, uns ihre Sicht auf das Stiften
zu erzählen: Welche Hoffnungen und Erwartungen verbinden sie
mit ihrem Einsatz fürs Gemeinwohl? Welche Trends und Tenden-
zen der Philanthropie nehmen sie wahr? Und wie sieht ihre Vision
vom Stiften der Zukunft aus?

So sind diese Begegnungen unversehens zu einer kleinen Rei-
se durch die deutsche Hauptstadt geworden, die in den letz-
ten Jahren immer mehr internationale Stiftungen als Stand- und
so manches Mal als Zufluchtsort entdeckt haben. Einen Ort,
der mit seinen unzähligen Baukränen, Holzpaletten und Umlei-
tungsschildern die perfekte Kulisse abgibt für Gespräche über
das Heute und Ideen für das Morgen. Denn zur DNA von Berlin
scheint zu gehören, dass es sich im ewigen Umbruch befindet –
genau wie das Stiften selbst.
                                          Fotos: David Ausserhofer
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Der Club
                                                    der nächsten
                                                       Stifter      Wohin entwickelt sich das Stiften? Eine Spurensuche

                                                                                                  Von Felix Oldenburg

       8
                                                 →→ In einer schönen Berliner Altbau-                                                  in ihren Unternehmen hinterfragen
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens

                                                 wohnung treffen sich ein Dutzend                                                      sie alles, suchen auch in ihrem ge-
                                                 gute Bekannte überwiegend aus der                                                     sellschaftlichen Engagement nach der
                                                 Start-up-Szene zum Dinner. Wir spre-                                                  Disruption, den Nischen, der Skalie-
                                                 chen über Finanzierungsrunden, über           „Wie die meisten                        rung. Sie sind überrascht, als ich ih-
                                                 Familie, die aktuellen politischen Ge-                                                nen erzähle, wie viele Gestaltungs-
                                                                                                meiner Freunde
                                                 schehnisse – und bald auch über Geld.                                                 möglichkeiten ihnen die Rechtsform
                                                 Jede und jeder am Tisch hat Vermö-            erwarte auch ich                        der Stiftung bietet. Einige aus der
                                                 gen, das deutlich über den eigenen                                                    Runde sehen wir wenige Wochen spä-
                                                 Bedarf oder auch den einer Familie hi-            von meinem                          ter bei uns im Haus Deutscher Stiftun-
                                                 nausgeht – und interessiert sich weni-                                                gen wieder, wo sie sich über die recht-
                                                 ger für teure Uhren oder Segelyachten
                                                                                              philanthropischen                        lichen Voraussetzungen einer Stif-
                                                 als vielmehr für die Frage: Wie kön-      Engagement, dass es                         tungsgründung beraten lassen.
                                                 nen wir die Welt verbessern?
                                                        Als die Rede auf Stiftungen            unternehmerisch
                                                 kommt, sind aber auch die sonst in
                                                 Finanzfragen überaus ausgebufften                 funktioniert“
                                                 Gründerinnen und Investoren am
                                                 Tisch unsicher. Sie haben die Stiftun-    Verena Pausder (40), Digitalunternehmerin

                                                 gen der Eltern- und Großelterngene-
                                                 ration vor Augen, die sie eher als sta-
                                                 tisch und unflexibel empfinden. Wie
Diese Trends sind freilich kei-
                                          ne Domäne der Jüngeren. Die Kreuz-
                                          berger Kinderstiftung hat schon eine
                                          längere Geschichte hinter sich, als sie
                                          sich als gemeinnützige Stiftungs-Ak-
Reise durch Stiftungsdeutschland          tiengesellschaft sozusagen ein zweites
Es sind Orte wie diese, an denen ich in   Mal gründet. Der Stifter Peter Acker-
den letzten Jahren erleben durfte, wie    mann erzählt bei einem Spaziergang
das nächste Stiften Form annimmt. In      im Garten des Stiftungshauses am
diesem Artikel möchte ich Sie auf ei-     Berliner Landwehrkanal, wie ihn die
ne Reise mitnehmen, die man wie al-       Vision einer Übergabe in viele Hän-
le Reisen am besten mit großer Offen-     de inspiriert hat. Die Stiftung versteht       „Klar ist das ein
heit für das Neue und mit dem Hin-        er nicht als sein eigenes Instrument,
                                                                                     Thema für mich, aber
terfragen des eigenen Standpunktes        sondern als Plattform für viele, die
beginnt. Sie wird uns von den Arbeits-    Ideen, Engagement oder Geld beitra-         ich habe noch große
und Esstischen der Berliner Gründer-      gen. Diese Öffnung für Mitstiftende
szene über Amtszimmer der Bundes-         ist natürlich auch eine Antwort auf die      Rückfragen an das
ministerien und fluchtartig verlassene    Niedrigzinsphase, die er wie fast alle
Büros in Budapest bis in den äußersten    anderen Gesprächspartner für diesen
                                                                                     Modell Stiftung, bevor
Südwesten der Republik, ins badische      Artikel als prägende Herausforderung       ich mich festlegen will“
Lörrach, führen und von dort aus über     für die eigene Stiftung empfindet.
einen Landgasthof in Wipperfürth im               Die oftmals engen Grenzen            Rubin Ritter (37), Vorstand, Zalando
Bergischen Land, das Fußballstadion       für die Bewirtschaftung eines Grund-
in Duisburg und die niedersächsische      stockvermögens sind auch ein Thema
Landeshauptstadt Hannover zurück          am anderen Ende Deutschlands, im
nach Berlin ins Schloss Bellevue.         badischen Lörrach. Dort beschreibt
        Der Bundesverband erfasst         der Stifter Hans Schöpflin eine ande-
bei seinen Mitgliedern das Alter der      re Lösung. Er verwaltet sein philan-
Stiftenden nicht systematisch. Den-       thropisches Vermögen in einem Fa-
noch wissen wir, dass sich unter den      mily Office, und die Stiftung arbeitet                                                     9
über 500 Neumitgliedern der vergan-       aus Erträgen, die ihr jährlich über-

                                                                                                                              STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens
genen drei Jahre ungewöhnlich viele       wiesen werden.
Gründerinnen und Gründer finden,                  Family Offices verwalten das
die schon zu Beginn und nicht erst        Vermögen einer Eigentümerfamilie              „Mein Vermögen
am Ende ihrer Laufbahn stiften. Und       in eigener Hand, und ihr Aufstieg in
das ist nur eine der Gemeinsamkei-        den vergangenen zwei Jahrzehnten            wird im Family Office
ten zwischen Organisationen wie der       hat zunehmend dazu geführt, dass
                                          sie für viele Familien auch im stifteri-
                                                                                        verwaltet. So bin
Guerrilla Foundation, der nebenan.
de-Stiftung oder der Purpose Stiftung.    schen Engagement eine zentrale Rolle        ich flexibel, was die
Sie stören sich nicht daran, Anliegen     spielen. Eine Konsequenz: Die Bud-
auch offensiv in den politischen Raum     gets der Stiftungen sind immer häufi-      Zuwendungen an meine
zu tragen, sie verbinden eine gemein-     ger deutlich größer, als sich aus dem
nützige mit einer unternehmerischen       Vermögensstock und seinen Erträgen
                                                                                       Stiftungen angeht“
Vision, sie binden viele Interessier-     allein erklären ließe. Ist die Zeit neu-
                                                                                        Hans Schöpflin (78), Investor und
te in verantwortlichen Rollen ein,        er großer Stiftungsvermögen vielleicht         Stifter, Schöpflin Stiftung und
sie denken und handeln entlang von        vorbei?                                            Panta Rhea Foundation
Ideen, die nicht an Landesgrenzen en-
den. Und sie werden seltener gegrün-
det als Stiftungen bürgerlichen Rechts
und häufiger als Stiftungen in Form
eingetragener Vereine oder gemein-
nütziger GmbHs.
Lieblingslösung der Politik
                                                 Die Suche nach den finanzstärksten
                                                 Stiftungsgründungen unserer Zeit                                                                  Die neueste politische Stif-
                                                 führt uns auch deshalb aus den Pri-                                                        tungsidee ist nur einige Wochen alt:
                                                 vathäusern hinaus und ausgerechnet                                                         Bundeswirtschaftsminister Peter Alt-
                                                 in die Amtsstuben der Ministerien hi-                                                      maier schlug damals sogar eine bis zu
                                                 nein. Die Stiftung ist inzwischen zu                „Für die meisten                       50 Milliarden Euro schwere Klima-
                                                 einer Art Lieblingslösung der Politik                                                      stiftung vor, an der sich auch Bürge-
                                                                                                    Stiftungsgründer
                                                 geworden und die öffentliche Hand                                                          rinnen und Bürger über Spenden so-
                                                 zur größten Stifterin Deutschlands.                    bedeutet die                        wie eine Art verzinste Anleihe hätten
                                                 Die RAG-Stiftung, die vor zwölf Jah-                                                       beteiligen können. Die Stiftung ist als
                                                 ren zur Abwicklung des Steinkohle-                Niedrigzinsphase,                        Instrument für Ewigkeitslasten und
                                                 bergbaus gegründet wurde und in-                                                           vom Politikalltag unabhängige För-
                                                 zwischen 17 Milliarden Euro schwer
                                                                                                     dass der Traum                         deraufgaben kaum noch aus der Poli-
                                                 ist, wurde vor zwei Jahren noch durch                vom einfachen                         tik wegzudenken.
                                                 den Atomfonds übertroffen. In der
                                                 Stiftung des öffentlichen Rechts sol-              Stiften kaputt ist"                     Welche Umfelder brauchen
                                                 len 24 Milliarden Euro so angelegt                                                         Stiftungen?
                                                 werden, dass alle zukünftigen Kosten            Dr. Daniel Terberger (52), Unternehmer     Dass internationale Stiftungen zuneh-
                                                 der kerntechnischen Entsorgung ge-                                                         mend Deutschland als (zusätzlichen)
                                                 deckt sind.                                                                                Standort wählen, ist eine weitere Auf-
                                                         Weil aber selbst große Ver-                                                        fälligkeit der aktuellen Entwicklung
                                                 mögen inzwischen innerhalb der Ri-                                                         im philanthropischen Engagement.
                                                 sikoparameter von Stiftungen kaum                                                          Mit dem britischen Wellcome Trust,
                                                 noch ertragsstark anzulegen sind, ist                                                      der Bill & Melinda Gates Stiftung und
                                                 ein anderes Modell häufiger anzu-                                                          den Open Society Foundations (OSF)
                                                 treffen: Wie bei der Deutschen Stif-                                                       sind drei der fünf größten Stiftungen
                                                 tung für Engagement und Ehrenamt,                                                          seit Kurzem in Berlin präsent. Beson-
                                                 deren Gründung im mecklenburgi-                                                            ders der durch politische Repressa-
10                                               schen Neustrelitz nach einem richti-                                                       lien erzwungene Umzug der OSF aus
                                                 gen Politikkrimi über konkurrierende                                                       Budapest könnte einen Trend auslö-
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens

                                                 Bundesministerien jetzt doch zustan-                                                       sen. Denn ihre verlassenen Büros in
                                                 de kommt, sind die meisten Stiftungs-             „Wir möchten das                         der ungarischen Hauptstadt sind für
                                                 gründungen der Politik von jährlichen                                                      die Zivilgesellschaft ein Symbol da-
                                                 Haushaltszuweisungen abhängig.               Unternehmen dauerhaft                         für, dass Stiftungen zur Not umzie-
                                                         Fast wären in dieser Legislatur-                                                   hen und jenseits der Landesgrenzen
                                                 periode noch zwei weitere prominen-             an den guten Zweck                         tätig sein können, wenn der politische
                                                 te Stiftungen entstanden: Das briti-                                                       Druck zu groß wird.
                                                                                                 binden. Eine Stiftung
                                                 sche National Endowment for Science,                                                               Eine eigene Meinung zu ver-
                                                 Technology and the Arts (NESTA) hat-              könnte ein Teil der                      treten, grenzüberschreitend zu ar-
                                                 te der Bundesregierung vorgeschlagen,                                                      beiten oder seinen Sitz zu verlegen,
                                                 eine deutsche Innovationsstiftung zu          Lösung sein, aber nicht                      das sind Freiheiten, die in Europa ei-
                                                 gründen. Auch weil kein Vermögen                                                           gentlich für alle Personen und Un-
                                                 zusammenkam, das einen nennens-
                                                                                                  gerade der, der den                       ternehmen garantiert sind. Stiftun-
                                                 werten Ertrag hätte generieren kön-           meisten gleich einfällt“                     gen können von einer entsprechen-
                                                 nen, gibt es jetzt in einem ersten Schritt                                                 den Rechtssicherheit nur träumen.
                                                 eine laufend finanzierte Agentur für          Jonna Meyer-Spasche (40), Familienmitglied
                                                                                                                                            Auch wegen der „Causa OSF“ gibt es
                                                 Sprunginnovationen.                          und Stakeholdermanagement, Bohlsener Mühle    in Brüssel erstmals ernsthafte Diskus-
                                                                                                                                            sionen über eine aktive Stiftungspoli-
                                                                                                                                                                                      Fotos: Detlef Eden

                                                                                                                                            tik. Denn auch Stiftungen benötigen
                                                                                                                                            mehr als das Geld und den Willen ei-
                                                                                                                                            ner Einzelperson.
Jonna Meyer-Spasche

          Anderes Modell
„Mein Onkel Volker Krause, Inhaber der Bohl-
sener Mühle, ist ein Bio-Pionier. In den nächs-
ten Jahren will er sich aus dem aktiven Geschäft
zurückziehen. Die klassische Familiennachfolge
kommt bei uns nicht in Frage, einfach verkaufen
aber auch nicht. Wir suchen also nach einem an-
deren Modell. Das Unternehmen soll sich weit-
gehend selbst gehören, es soll sich weiterentwi-
ckeln können, aber auch an bestimmte Leitlinien
gebunden sein. Eine Familienstiftung oder Dop-
pelstiftung könnte als Rahmen geeignet sein.“

Jonna Meyer-Spasche auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz
in Berlin-Prenzlauer Berg. Gemeinsam mit ihren Angehörigen er-
wägt die 40-Jährige, das Familienunternehmen Bohlsener ­Mühle,
einen ökologisch wirtschaftenden Naturkosthersteller, in eine
Stiftung zu überführen.
Dass Stiftungen sozusagen ein
                                                                                                  Ökosystem brauchen, um zu wach-
                                                                                                  sen, ist an wenigen Orten so gut zu
                                                                                                  beobachten wie drei Autostunden von
                                                    „Wenn Stiftungen mit                          Brüssel entfernt im nordrhein-westfä-
                                                                                                  lischen Wipperfürth, wo unter ande-       nen. Der Profifußball ist eine Art Petri-
                                                 ihren jährlichen Erträgen
                                                                                                  rem die Hans Hermann Voss-Stiftung        schale für Stiftungen geworden. Ob auf
                                                    koordiniert wichtige,                         ihren Sitz hat. Der Namensgeber hat       Vorschlag ihrer Berater oder inspiriert
                                                                                                  sein Maschinenbauunternehmen, die         durch prominente Kollegen, inzwi-
                                                        gesellschaftliche                         heutige VOSS-Gruppe, ins Eigentum         schen gründen viele Profis eigene Stif-
                                                                                                  seiner Stiftung überführt und damit       tungen. Eine Frage wird hier genauso
                                                        Impulse setzten,                          auch ehemalige Mitarbeitende wie          wie an anderen Orten der Stiftungssze-
                                                 könnten wir Deutschland                          die Eheleute Friedrich zu einer eige-     ne heiß diskutiert: Könnten die großen
                                                                                                  nen Stiftungsgründung inspiriert.         Stiftungen nicht das Vermögen klei-
                                                   schneller wirkungsvoll                         Und Voss ist auch das Vorbild für die     nerer Stiftungen poolen oder gar zu
                                                                                                  Jochen, Lore-Marie und Astrid Keyser      Stiftungsverwaltungen werden? Viel-
                                                          voranbringen“                           Stiftung, deren Stifterfamilie Keyser     leicht könnten sie auch im Vorfeld ei-
                                                                                                  Nischenweltmarktführer für Raum-          ner Gründung helfen zu entscheiden,
                                                       Alexandra Heraeus (30), Erbin und          fahrttextilien ist.                       ob Stiftende nicht besser beraten wä-
                                                 Mitarbeiterin bei der Finanzierungsagentur für
                                                         Social Entrepreneurship FASE                    Bei meiner Reise durch Stif-       ren, mit ihren Mitteln zu einer beste-
                                                                                                  tungsdeutschland mache ich in der         henden Stiftung beizutragen.
                                                                                                  kleinen Stadt im Bergischen Land halt,            Eine andere Entwicklungs-
                                                                                                  um mich in einem urigen Landgasthof       richtung für das Stiften begegnet mir
                                                                                                  mit Vertreterinnen und Vertretern der     in Hannover, von wo aus der Stifter
                                                                                                  überaus lebendigen Stiftungsszene vor     Armin Steuernagel mittlerweile ei-
                                                                                                  Ort zu unterhalten. Auch eine Treu-       ne kleine Bewegung antreibt, die sich
                                                                                                  handstifterin sitzt am Tisch. Sie för-    der Frage widmet: Wem soll unter-
                                                                                                  dert weltweit Projekte aus den Erträ-     nehmerisches Vermögen in Deutsch-
                                                                                                  gen ihres Unternehmens für Kranken-       land gehören? Der Jungunternehmer
12                                                                                                haus-Rufsysteme. Viele der Stiftenden     ist keine 30 Jahre alt, hat aber bereits
                                                                                                  unterstützen auch die Bürgerstiftung      Unternehmen gegründet, die in über
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens

                                                           „Immer mehr                            „Wir Wipperfürther“, die unter ande-      einem Dutzend Ländern erfolgreich
                                                                                                  rem eine alte Drahtzieherei in ein Kul-   sind. Er wollte, dass seine Mitarbei-
                                                 Unternehmer möchten                              turzentrum umgewandelt hat. Und so        tenden die gleiche Identifikation mit
                                                                                                  wie es an vielen Orten eine Person aus    dem Unternehmen entwickeln wie er
                                                          die Werte des                           einer Volksbank oder Sparkasse gibt,      selbst – und entdeckte das Modell von
                                                         Unternehmens                             die bei den praktischen Fragen hilft,     Carl Zeiss und den vielen Unterneh-
                                                                                                  ist auch in Wipperfürth ein engagier-     men, die seinem Vorbild gefolgt sind,
                                                     langfristig erhalten,                        ter Vermögensberater unterwegs. Er        indem sie ihr Eigentum in Stiftungs-
                                                                                                  erzählt von der Eugen-Wolfrich-Kers-      hand überführt haben oder, wie Steu-
                                                  auch unabhängig von                             ting-Stiftung, die gerade eine Erweite-   ernagel es nennt, „in Verantwortungs-
                                                                                                  rung für ihre Altenheime baut.            eigentum“. Inzwischen ist Steuernagel
                                                   der Familie. Dafür ist
                                                                                                                                            Motivationsredner, Berater und Inves-
                                                        die Stiftung eine                         Neue alte Aufgaben                        tor in einem – und kann sich vor Nach-
                                                                                                  Wie Stiftungen besser zusammenwir-        fragen kaum retten.
                                                  unterschätzte Lösung,                           ken können, diese Frage beschäftigt al-           Man muss nicht weit reisen,
                                                                                                  le, mit denen ich mich auf meinen Rei-    um die mögliche Wirkung zu erken-
                                                   die heute neu erklärt                          sen unterhalte. Im Stadion des MSV        nen: Wären hierzulande so viele Un-
                                                          werden muss“                            Duisburg treffen sich die Entscheider     ternehmen in Stiftungseigentum wie
                                                                                                  einiger Fußballstiftungen. Bei Stadi-     im Nachbarland Dänemark, hätten
                                                            Armin Steuernagel (29),
                                                                                                  onbier und Cola geht es darum, wie        wir zehnmal so viele Fördermittel wie
                                                           Unternehmer und Stifter                sie gemeinsam mehr bewirken kön-          aktuell.
Die Fragen der nächsten Stifter                                                                bekommt, den es im Sinne des Ge-
                          Ob in Berlin, Lörrach, Wipperfürth,                                                            meinwohls verdient.
                          Duisburg oder Hannover, das Stif-                                                                      Eine möglicherweise visionäre
                          ten steht nicht still. Es entwickelt sich                                                      Antwort auf all diese Fragen begeg-
                          ständig weiter, wie schon immer in            „Stiftungen brauchen                             net uns am letzten Ort unserer Reise:
                          seiner jahrhundertealten Geschichte.                                                           Ende Oktober hat Bundespräsident
                                                                           Umfelder, in denen
                          So unterschiedlich die Protagonisten                                                           Frank-Walter Steinmeier eine kleine
                          für das nächste Stiften auch sind, so         sie gedeihen können:                             Runde von Vermögenden zu einem
                          gleichen sich doch ihre Fragen: Wie                                                            Abendessen ins Schloss Bellevue ge-
                          kann ich aus Vermögen heute noch              Vorbilder, Ermutigung                            laden. Ausgangspunkt ist ein Befund,
                          Erträge oder Wirkung herausholen?                                                              der Sorgen machen muss: Vergleicht
                          Muss ich mir Sorgen wegen meiner
                                                                                und konkrete                             man die dynamische Entwicklung der
                          Haftung machen, wenn ich Risiken                     Unterstützung“                            Privatvermögen in Deutschland mit
                          eingehe? Kann sich meine Stiftung mit                                                          der eher stagnierenden Entwicklung
                          anderen zusammentun? Wie gelingt                        Johanna Holst (41),
                                                                                                                         der Vermögen bestehender und neu-
                          es mir, Zustiftungen oder Verbrauchs-               Hans Hermann Voss-Stiftung                 er Stiftungen, ist eine Lücke von über
                          vermögen anzuziehen? Wie kann ich                                                              20 Milliarden Euro aufgegangen. Sind
                          zuverlässig wissen, ob meine Mittel                                                            die Reichen weniger großzügig gewor-
                          auch wirklich ankommen und meine                                                               den? Oder glauben sie, bei der Bewäl-
                          Projekte Wirkung entfalten? Und wie                                                            tigung der großen Herausforderungen
                          und wo sollen wir in einer veränder-                                                           keine Rolle spielen zu müssen? Im Ge-
                          ten Engagementkultur die nächsten                                                              spräch mit Menschen, die bereits Stif-
                          Mitmacher und Gremienmitglieder                                                                ter sind oder die es werden könnten,
                          finden?                                                                                        wird klar: Daran liegt es nicht. Aber
                                  Einen Teil der Antwort wird                                                            es gibt viele Hürden. Wir diskutie-
                          wohl die überfällige Reform des Stif-                                                          ren, was Vermögende erleben, wenn
                          tungsrechts geben, die nun endlich                                                             sie ihren Reichtum zeigen, welche
                          für das Jahr 2020 versprochen ist. Die                                                         Fragen sie an die Wirksamkeit tradi-
                                                                                 „Das Thema
                          Novelle soll Haftungsfragen klären,                                                            tioneller Spenden haben, aber auch,
                          das Recht bündeln, die Aufsicht ver-         Digitalisierung braucht                           wie bereit sie sind, für neue Antwor-        13
                          einheitlichen, Zusammenlegungen er-                                                            ten auf ökologische und gesellschaft-
                                                                              in Deutschland

                                                                                                                                                                      STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens
                          möglichen und endlich ein Stiftungsre-                                                         liche Herausforderungen große Mittel
                          gister schaffen. Es geht um nichts weni-                                                       bereitzustellen. Der Abend endet mit
                          ger als einen zeitgemäßen rechtlichen
                                                                          mehr Wumms. Eine                               einem Auftrag für eine Arbeitsgruppe,
                          Rahmen, ohne den das Stiften sich                  Stiftung wäre für                           die ein Jahr später Empfehlungen vor-
                          kaum weiterentwickeln kann.                                                                    legen soll – für eine aktive Stiftungs-
                                  Im Oktober sind über 1.000                Deutschland gut“                             politik, für ein nächstes Stiften.
                          Stiftungen dem Aufruf des Bundes-                                                                      Die Zukunft des Stiftens ist wie
                          verbandes Deutscher Stiftungen ge-          Valerie Mocker (28), Stiftungsinitiatorin, NESTA   immer wieder am Anfang.  ←
                          folgt und haben Briefe an ihre Wahl-
                          kreis-Abgeordneten geschrieben, da-
                          mit das Vorhaben endlich den Platz
                          auf der Agenda der Großen Koali­tion
Foto: David Ausserhofer

                                                                        Über den Autor Felix Oldenburg ist Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
                                                                        und Vorsitzender des Donors and Foundations Networks in Europe (DAFNE).
Stiften wird bunter
                                                      Neue Formen des Gebens treten auf den Plan. Ein Überblick

                                                      Zusammengestellt von Michael Alberg-Seberich, Anne-Sophie Oehrlein und Lisa Steinke

                                                                                                                                                                       Spendeninitiative

                                                                                                       Family-Office-Philanthropie
                                                 Dy erm

                                                                                                                                                      Crowdfunding/Giving
                                                   V
                                                   n a ög
                                                      m en
                                                       is
                                                          ch

                                                                                                       Crowdfunding/Giving
                                                             es

                                                                                                       „Crowdfunding“ bezeichnet die niedrig-
                                                               Bu
                                                                 dg

                                                                                                       schwellige Finanzierung eines festgelegten
                                                                   et

                                                                                                       Zwecks durch eine große Zahl an einzelnen                        Stiftungsverein
                                                                      /

                                                                                                       Individuen („Crowd“), die über einen oft
                                                                                                       vergleichsweise kurzen oder befristeten
                                                                                                       Zeitraum mit teils sehr kleinen Spenden-
                                                                                                       beträgen realisiert wird. Häufig wird dieses
                                                      Verbrauchsstiftung                               Instrument für die Realisierung kleinerer             Verbrauchsstiftung
                                                      Die Verbrauchsstiftung ermöglicht es Stif-       bis mittelfristiger Projekte sowie zur
                                                      tenden, ihr Vermögen direkt für Stiftungs-       Sammlung von Startkapital für Start-ups
                                                      zwecke einzusetzen. Sie stellt somit eine        oder personengebundene philanthropische
                                                      unmittelbarere Form des Gebens dar, da das       Zwecke genutzt.
                                                      Stiftungsvermögen über einen Mindestzeit-                                                       Stiftung des öffentlichen Rechts
                                                      raum von zehn Jahren meist einem zeitlich        Family-Office-Philanthropie
                                                      begrenzten oder einem aufwendigeren              Family Offices verwalten das Vermögen
                                                      Zweck gewidmet wird. Oft wird ein zu             von (Unternehmer-)Familien, das auch die
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                                                      verbrauchender Vermögensstock strategisch        familieneigenen Stiftungen umfasst. Neben
                                                      ergänzend zu dauerhaften Stiftungsformen         privaten Dienstleistern werden Family
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens

                                                      eingerichtet.                                    Offices immer öfter von den Familien selbst
                                                                                                       aufgebaut, um ihren persönlichen philan­
                                                                                                                                                                    Zustiftung
                                                      Stiftung des öffentlichen Rechts                 thropischen Zielen nachzugehen.
                                                      Stiftungen öffentlichen Rechts werden
                                                      grundsätzlich vom Bund, den Ländern, Ge-         Stiftung bürgerlichen Rechts
                                                      meinden und öffentlichen Gremien gegrün-         Stiftungen bürgerlichen Rechts können
                                                      det und bezeichnen eine dritte Organisa-         ­privatnützig oder gemeinnützig sein. Mit
                                                      tionsform öffentlich-rechtlicher juristischer     ca. 95 Prozent umfasst das Gros der in
                                                      Personen. Diese Stiftungsform zeichnet aus,       Deutschland ansässigen Stiftungen gemein-
                                                      dass sie auf Grundlage rein staatlicher Ent-      nützige Stiftungen, die laut §§ 51 ff. Ab-
                                                      scheidungen mit öffentlichem Vermögen             gabenordnung (AO) gemeinnützige, mild-                          Stiftung bürgerlichen
                                                      hinsichtlich eines gemeinnützigen Zwecks          tätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.                        Rechts
                                                      errichtet wird und somit öffentliche Institu-     Zentrales Merkmal ist die Zweckgebunden-
                                                      tionen philanthropisch agieren.                   heit sowie der Ewigkeitsgedanke hinsicht-
                                                                                                                                                          Fe

                                                                                                        lich der Verwendung der Zinserträge, die
                                                                                                                                                             st
                                                                                                                                                               es

                                                      Zustiftung                                        aus dem zu erhaltenden Stiftungsvermögen
                                                                                                                                                               Ve

                                                      Eine Zustiftung ist eine freiwillige Zu-          gewonnen werden. Die selbstständige Stif-
                                                                                                                                                                  rm
                                                                                                                                                                    ög

                                                      wendung in den Vermögensstock einer               tung bürgerlichen Rechts wird als „Urform“
                                                                                                                                                                      en

                                                      bestehenden oder neu zu gründenden                der Stiftungslandschaft wahrgenommen
                                                                                                                                                                        ,B
                                                                                                                                                                          ud

                                                      Stiftung, die dadurch langfristig die Ertrags-    und zählt zu den beliebtesten Typen bei den
                                                                                                                                                                             ge

                                                      situation der Stiftung erhöht. Sie eignet sich    Stiftungsneugründungen.
                                                                                                                                                                               ta
                                                                                                                                                                                 us

                                                      als Alternative zum Gründungsaufwand
                                                                                                                                                                                 Er

                                                      einer eigenen Stiftung.
                                                                                                                                                                                   tr
                                                                                                                                                                                     äg
                                                                                                                                                                                       en
For-Profit-Philanthropie                                                                       Stiftungsverein
                           For-Profit-Philanthropie fokussiert sich                                                       Der Stiftungsverein zählt zu den Stif-
                           meist auf die Förderung gemeinnütziger                                                         tungsersatzformen. Für ihn gelten die
                           Zwecke und sozial transformativer Lösungs-                                                     definitorischen Rahmenbedingungen
                           ansätze mittels unternehmerischen Han-                                                         des Vereinsrechts, die bei der Gründung
                           delns in Abgrenzung zu als rein gemeinnüt-                                                     stiftungsähnlich interpretiert und angepasst
                           zig eingestuften, steuerbefreiten Formen des                                                   werden (siehe Vermögensausstattung,
                           Stiftens. For-Profit-Philanthropen können      Pledges                                         Mitgliederzahl und Satzung). In der Praxis
                           ihre Ziele sowohl durch Förderungen und        Pledges werden gemeinhin als Kampagnen          hat diese hybride Form einer Stiftung mit
                                                     operative Arbeit     verstanden, bei der sich Unternehmerinnen       Vermögensausstattung und einer mit-
                    For-Profit-Philanthropie         als auch durch       bzw. private Stifter dazu verpflichten, einen   gliederbasierten Struktur den Vorteil, dass
                                                     kommerzielle In-     gewissen Anteil ihres Privatvermögens für       der Begriff Stiftung als „Aushängeschild“
                           vestitionen und Akquisitionen umsetzen.        einen gemeinnützigen Zweck zu spenden           für das Fundraising dienen kann sowie
                           Instrumente des wirkungsorientierten           oder in ihn zu investieren, bzw. sich mit       Mitgliedsbeiträge für die Mittelgewinnung
                           Investierens („Impact Investing“) sowie        anderen Gebern zu diesem Zweck zusam-           verwendet werden können.
                           „Venture Philanthropy“-­Ansätze sind hier      menschließen.
                           anzusiedeln.                                                                                   Stiftungs-GmbH

                                                                                                                                                                        ke
                                                                         Giving Circle                                    Gegründet durch einen Gesellschafter-

                                                                                                                                                                     ec
                                                                         „Giving Circles“ stellen eine moderne Form

                                                                                                                                                                  Zw
                                                                                                                          vertrag bildet die Stiftungs-GmbH
                                                                         des kollektiven, längerfristigen philanthro-

                                                                                                                                                                 e
                                Pledges                                                                                   eine Stiftungsersatz- oder An-

                                                                                                                                                              bl
                                                                                                                                                              i
                                                                                  pischen Engagements dar, bei dem

                                                                                                                                                           ex
                                                                                                                          näherungsform, bei welcher

                                                                                                                                                         Fl
                                                                Giving Circle     eine „Community“ von Individuen         der Satzungszweck durch die
                                                                                  Zeit- und Geldspenden beiträgt          Verwendung eines meist größeren
                                                                         bzw. „poolt“, um gemeinsam über die Ver-         Volumens an Gesellschaftsmitteln ver-
                                                                         wendung/Investition ihres Vermögensfonds         folgt wird. Diese Form wird insbesondere
                                                                         zu entscheiden.                                  von Unternehmen oft gewählt, um ihr
                                                                                                                          unternehmerisches Engagement mit der För-
                             gGmbH                                        Spendeninitiative                               derung des Gemeinwohls zu verknüpfen.
                                                                          Als dynamischere und weniger institutiona-
                                                                          lisierte Art des Stiftens weichen Spenden-      Bürgerstiftung
                                                                          initiativen von der klassischen Stiftung ab.    Als Katalysatoren bürgerschaftlichen
                                                                          Spendeninitiativen sind ein vergleichsweise     Engagements werden Bürgerstiftungen
                                                Stiftungs-GmbH            neues Phänomen der strategischen Phil-          von einer Stiftungsgemeinschaft kollektiv
                                                                          anthropie und zielen darauf ab, mit hoher       gegründet sowie verwaltet und verfolgen
                                                                          Kapitalausstattung und breitem, überre-         regional begrenzt einen möglichst breit
                                                                          gionalen Fokus nach festgelegten Kriterien      gefächerten, das Gemeinwesen stärkenden
                                                                          sozial wirksame Organisationen zu fördern.      Stiftungszweck. Sie bauen langfristig einen        15
                              Bürgerstiftung                                                                              Kapitalstock auf und sind darauf bedacht,
                                                                          gGmbH

                                                                                                                                                                             STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens
                                                                                                                          diesen durch Zustiftungen und Spenden
                                                                          Die gGmbH ist im Bereich des Sozialunter-       auszuweiten, um die Förderung ihrer ge-
                                                                          nehmertums eine zunehmend verbreitete           meinnützigen Ziele für eine breite lokale
                                                                          Form des Gebens. Sie verknüpft die Ver-         Bevölkerung zu erhalten.
                                                                          folgung von gemeinnützigen Zwecken mit
                                          Treuhandstiftung                der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft,       Treuhandstiftung
                                                                          die mit mindestens 25.000 Euro Grund-           Eine Treuhandstiftung ist eine unselbststän-
                                                                          kapital ausgestattet wird. Erwirtschaftete      dige (nicht rechtsfähige) Stiftung, die durch
                                                                          Erträge werden nicht als Dividende für die      die Übereignung des Stiftervermögens an
                                                                          Gesellschafter ausgeschüttet, sondern in        eine versierte bestehende Rechtsperson
                                                                          soziale Zwecke reinvestiert.                    (Treuhänder/Träger) begründet und wegen
                      Stiftung kirchlichen                                                                                ihrer geringeren Auflagenpflicht als eine
                      Rechts                                              Stiftung kirchlichen Rechts                     flexiblere Stiftungsform betrachtet wird.
                                                                          Kirchliche Stiftungen existieren sowohl als
                                                                          selbstständige Rechtspersonen als auch in
                                                                          Form kirchlicher Trägerschaften. Sie werden        Auch wenn in der Grafik teils sehr
                                                                          von Personen verwaltet, die im Einverneh-          unterschiedliche Rechtsformen
                                                                          men mit der Kirche stehen, und verfolgen           miteinander verglichen werden,
                                               k

                                                                          hauptsächlich kirchliche Zwecke wie die
                                            ec

                                                                                                                             kann sie als grobe Orientierung
                                          Zw

                                                                          Unterstützung der kirchlichen Verkündi-            über die organisierten Formen der
                                       er

                                                                          gung, die U
                                                                                    ­ nterhaltung von kirchlichen            Philanthropie dienen. Oft ist die
                                       ch

                                                                          ­Gebäuden sowie Wohlfahrtspflege, ­Bildung
                                    rli

                                                                                                                             Datenlage jedoch spärlich und
                                  de
123_Bildnachweise

                                                                           und Jugendarbeit.                                 wissen wir über viele Arten des
                                   n
                                rä

                                                                                                                             Stiftens noch zu wenig.
                             ve
                           Un
Vielfalt im Geben, Einheit im Ziel
                                                 Sind Sie ein wenig verwirrt von der Übersichtsgrafik auf der vorherigen Seite? Es wäre
                                                 nicht verwunderlich, denn die Formen des Gebens und Stiftens scheinen vielfältiger zu
                                                 werden. Doch gerade in dieser Vielfalt könnte die Stärke der nächsten Philanthropie liegen

                                                 Von Michael Alberg-Seberich

                                                 →→ Viele Museen, Krankenhäuser oder Zoos wären in                damit vielleicht auch ein Weg, die Legitimität des philan­
                                                 Deutschland im 19. Jahrhundert nicht entstanden, wenn            thropischen Handelns zu unterstreichen. In den USA hat
                                                 sich Menschen nicht in Geberkreisen oder in gemeinnützi-         vor einigen Monaten die Denkfabrik „Bridgespan“ eine Stu-
                                                 gen Aktiengesellschaften zusammengetan hätten. Spende-           die zu den „Big Bets“, den „Großen Wetten“, vorgelegt. Da-
                                                 rinnen und Stifter gründeten „Giving Circles“ und nutzten        mit sind Spenden über 10 Millionen US-Dollar gemeint. Die
                                                 Prinzipien der heute sogenannten Venture Philanthropie –         insgesamt 42,4 Milliarden US-Dollar, die zwischen 2000
                                                 ohne je von diesen Begriffen gehört zu haben.                    und 2016 in dieser Form gespendet wurden, haben sich sehr
                                                         Die heutige Vielfalt des Spendens und Stiftens kann      ungleichmäßig auf die 17 SDGs verteilt. Die Hälfte aller
                                                 verwirren, weil sie auf zunehmende Volatilität, Unsicher-        Spenden gingen an das Nachhaltigkeitsziel „Gesundheit &
                                                 heit, Komplexität und Ambiguität – ja, auf die VUKA-Welt         Wohlbefinden“. Die Macher der Studie sahen dies als Indi-
                                                 – trifft. In diesem Kontext scheinen alte Gewissheiten im        kator für eine fehlende Vielfalt des Spendens und Stiftens.
                                                 Fluss. Selbst traditionelle Leitplanken des Sektors, wie klas-           Die Vielfalt der Vehikel des Stiftens ist für die Arbeit
                                                 sische Rechtsformen des Stiftens, sind nicht mehr eindeu-        an den SDGs eine Chance. Ein Family Office kann flexibel
                                                 tig und verschwimmen mit anderen Organisationsformen             entscheiden, in welchem Feld eine Spende oder ein Invest-
                                                 des Gebens. In solchen Zeiten scheint die Agenda 2030            ment getätigt werden soll. Crowdfunding kann bei einer
16                                               der Vereinten Nationen mit ihren 17 Sustainable Develop-         Vielzahl von Menschen Legitimität für ein Thema schaffen.
                                                 ments Goals (SDGs) ein wichtiger inhaltlicher Kompass zu         Die Stiftung kann Partnerschaften mit internationalen Or-
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens

                                                 sein. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich auf der      ganisationen oder Ministerien eingehen. Klug eingesetzt
                                                 „SDG Philanthropy Platform“ Stiftungen global vernetzen,         können die Eigenschaften jedes Vehikels die der anderen
                                                 dass die Rockefeller Foundation und die MacArthur Foun-          ergänzen und sollten deshalb verstärkt als strategische Ver-
                                                 dation eine Investment-Initiative mit Blick auf die SDGs         bünde gesehen werden.
                                                 initiiert haben und dass auch viele deutsche Stiftungen mit              Wir wissen empirisch noch immer zu wenig über die
                                                 Blick auf deren Wirkung die SDGs als Indikatoren nutzen.         neuen Organisationsformen des Stiftens. Mehr verlässliche
                                                 Giving Circles, Bürgerstiftungen oder Versprechen des            Daten wären für den Sektor hilfreich. Dann wäre die Viel-
                                                 Gebens („Pledges“) sind Ausdruck des 17. SDGs, das auf           falt der Vehikel etwas weniger komplex in einer Zeit, in der

                                                                                                                                                                                     Fotos: Silke Mayer (Porträt Alberg-Seberich), Detlef Eden (Porträt Schöpflin)
                                                 Partnerschaft und Kollaboration abzielt. Das gemeinsame          wir uns anhand von 17 globalen Zielen gemeinsam für eine
                                                 Spenden und Stiften hat heute eine wachsende Bedeutung.          Sache engagieren können.  ←
                                                 Dass Partnerschaften wichtig für die Philanthropie sind,
                                                 hat der Präsident des „Center for Effective Philanthropy“,
                                                 Phil Buchanan, mit seltener Deutlichkeit in seinem jüngs-
                                                 ten Buch „Giving Done Right“ zum Ausdruck gebracht: „In
                                                 der Philanthropie wird Ihre Strategie mit ziemlicher Sicher-
                                                 heit scheitern, wenn Sie sie allein verfolgen.“
                                                         Die SDGs 1 bis 16 sind jedoch vor allem ein inhaltli-
                                                 cher Kompass für die Welt des Spendens und Stiftens – und
                                                                                                                    Über den Autor Michael Alberg-Seberich ist Geschäftsführer der
                                                                                                                    Beratungsagentur Wider Sense.
Hans Schöpflin

           Mehr Mut
„Eine starke Demokratie ist ohne star-
ken Journalismus undenkbar. Deshalb
bauen wir als Stiftung in Berlin-Neu-
kölln das ‚Haus des gemeinnützigen
Journalismus‘ als Plattform für innova-
tive journalistische Akteure wie Cor-
rectiv und viele andere. Hier gibt es
Raum für Redaktionen, für Video- und
Audioproduktionen, für Events, für
journalistische Gäste aus aller Welt
und vor allem für Kollaboration. Mehr
Mut, mehr Experimente, mehr Part-
nerschaftlichkeit – das ist für mich die
Zukunft des Stiftens.“

Hans Schöpflin auf der Baustelle des „Hauses des
gemeinnützigen Journalismus“ in Berlin-Neukölln.
Seine Schöpflin Stiftung treibt die Idee des ge-
meinnützigen Journalismus und damit eine Erweite-
rung der staatlich anerkannten gemeinnützigen Stif-
tungszwecke voran.
Democracy Dies
                                                 in Darkness
                                                 Journalismus unter Druck: Mit der Digitalisierung verschärft sich die Finanzierungskrise,
                                                 die besonders rechercheintensiven Journalismus betrifft. Innovationsförderung ist ebenso
                                                 gefragt wie Engagement auf politischer Ebene. Zeit für Stiftungen, sich einzubringen

                                                 Von Stephanie Reuter

                                                 →→ Welche journalistische Enthül-              ten überdies Orientierung, ermögli-        Entwicklung, die in den Vereinigten
                                                 lung hat Sie in letzter Zeit besonders         chen Teilhabe im gesellschaftlichen        Staaten bereits fortgeschritten ist. Seit
                                                 beeindruckt? War es die Ibiza-Affäre,          und politischen Raum und tragen zur        2004 mussten dort mehr als 1.800 Lo-
                                                 die die österreichische Regierungsko-          Identitätsbildung bei. So verwundert       kalzeitungen schließen. Die Medien-
                                                 alition zum Platzen brachte? Oder wa-          es kaum, dass mit dem Verschwinden         märkte in Deutschland und den USA
                                                 ren es die Panama Papers, die giganti-         von Lokaljournalismus die Wahlbe-          sind nicht direkt vergleichbar. Und
                                                 sche Steuerschlupflöcher aufdeckten?           teiligung, der soziale Zusammenhalt        doch sollten wir uns fragen: Wie kön-
                                                 Diese Beispiele sind Glanzlichter des          und das zivilgesellschaftliche Engage-     nen wir „news deserts“, also Nachrich-
                                                 investigativen Journalismus. Aufge-            ment sinken. Wo Journalismus Miss-         tenwüsten, vorbeugen?
                                                 deckt von großen Redaktionen und               stände nicht sichtbar machen kann,                  Diese Frage geht Stiftungen
18                                               Rechercheverbünden. Doch eine le-              geht die Demokratie ein. „Democracy        unmittelbar an. Denn Stiftungen kön-
                                                 bendige Demokratie benötigt eben-              dies in Darkness“ mahnt deshalb der        nen ihre eigenen Ziele nur erfolgreich
STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens

                                                 so einen engagierten Journalismus im           Slogan der „Washington Post“ seit der      verfolgen und bürgerschaftliches En-
                                                 Lokalen, der mutig über Machtmiss-             Trump-Wahl.                                gagement fördern, wenn Bürgerin-
                                                 brauch und Korruption in seiner di-                                                       nen und Bürger Handlungsoptionen
                                                 rekten Umgebung berichtet. Denn:               Gegen Nachrichtenwüsten                    kennen. Dafür braucht es Qualitäts­
                                                 Demokratie entwickelt sich von un-             Doch trotz dieser Befunde werden im-       journalismus.
                                                 ten. Ihre Wurzeln liegen in den Ge-            mer mehr Stellen im lokalen Journa-                 Wie also lassen sich Vielfalt
                                                 meinderäten und Stadtparlamenten               lismus gestrichen, Redaktionen zu-         und Berichterstattung im Lokalen in
                                                 – und in der Kontrolle dieser. Jour-           sammengelegt oder gar aufgelöst. Die       Zeiten wegbrechender Erlöse stär-
                                                 nalistinnen und Journalisten bie-              lokale Medienvielfalt ist bedroht. Eine    ken? Wie können Fördermodelle aus-
                                                                                                                                           sehen, die präzise auf Schwachstellen
                                                                                                                                           und ­Innovationshilfe in Zeiten der di-
                                                                                                                                           gitalen Transformation fokussieren –
                                                                                                                                           ­ohne neue Abhängigkeiten zu schaf-
                                                                                                                                            fen? Aber auch: Wofür sollten sich
                                                                                                                                            Stiftungsakteure auf der Policy-Ebene
                                                                                                                                            ­engagieren? Diese Fragen werden im
                                                                                                                                             Expertenkreis Stiftungen und Quali-
                                                                                                                                                                                       Foto: Anne-Hélène Lebrun

                                                                                                                                             tätsjournalismus diskutiert.
                                                   Über die Autorin Stephanie Reuter ist Geschäftsführerin der Rudolf Augstein Stiftung,
                                                   Sprecherin des Forums Gemeinnütziger Journalismus und Steering-Committee-Mitglied des
                                                   Expertenkreises Stiftungen und Qualitätsjournalismus. Twitter: @steph_reuter
„Investigativ                                 „Amal heißt
                                               und lokal“                                   Hoffnung“
                                           Justus von Daniels, Leiter von              Cornelia Gerlach, Projektleiterin
                                           Correctiv.Lokal, über die Not-              von Amal, über die Medienland-
                                            wendigkeit datengetriebener                 schaft im Einwanderungsland
                                              Recherchen im Lokalen                             Deutschland

Für einen zeitgemäßen                   Wodurch zeichnet sich Correctiv.              Wodurch zeichnet sich Amal aus?
rechtlichen Rahmen                      Lokal aus?                                    Cornelia Gerlach:Amal informiert
Trotz seiner demokratierelevan-         Justus von Daniels:Wir zeigen mit            täglich auf Arabisch und Farsi/Dari
ten Rolle zählt der Journalismus        unserem kollaborativen Ansatz, dass           über das, was in Berlin und Hamburg
bis heute nicht zu den gemeinnüt-       datengetriebene oder investigative            los ist. Der Samen der Pusteblume in
zigen Zwecken der Abgabenord-           Recherchen keine Fremdkörper für              unserem Logo – das sind die Nach-
nung. Zeit, das zu ändern. Die Auf-     Lokalzeitungen sein müssen. Und wir           richten, die sich von Amal aus in die
nahme ins Gemeinnützigkeitsrecht        können durch koordinierte Veröffent-          arabischen, afghanischen und irani-
würde für gemeinwohlorientier-          lichungen mit mehreren Redaktionen            schen Communities in Deutschland
te, nicht kommerzielle Angebote         deutlich machen, dass lokale Themen           verbreiten. Sie binden sie in das öf-
neue Finanzierungsmöglichkeiten         bundesweit relevant sind.                     fentliche Leben ein.
erschließen. Die Medienvielfalt lie-
ße sich stärken, vor allem in Berei-    Weshalb brauchen wir ein solches              Warum ist lokale Berichter­stattung
chen, die kostenintensiv und nicht      Angebot? Die Bürger wollen wissen,            für Ihre Zielgruppe wichtig? Die hie-
skalierbar sind – wie Investigativ-     was sie konkret betrifft. Wir sind über-      sige Medienlandschaft trägt der Tat-
oder Lokaljournalismus. Spenden         zeugt, dass die besten Recherchen und         sache keine Rechnung, dass Deutsch-
wären steuerlich absetzbar. Und         innovative Formate deshalb auf loka-          land ein Einwanderungsland ist. Neu-
gemeinnützige Stiftungen könnten        len Seiten stattfinden müssen. Aber           ankömmlinge haben kaum Zugang zu
sich leichter zugunsten einer infor-    das ist gerade für kleinere Redaktio-         lokalen Nachrichten, solange sie nicht        19
mierten Öffentlichkeit einbringen.      nen oft zu aufwendig. Daher bieten            Deutsch können. Gerüchte und Pro-

                                                                                                                                    STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens
Um den Prozess zu befördern, set-       wir unsere kostenlose Zusammenar-             paganda machen über Social Media
zen sich die Rudolf Augstein Stif-      beit, bei der jeder Partner seine Stär-       schnell die Runde. Der Bedarf an so-
tung und die Schöpflin Stiftung mit     ken einbringt.                                lide recherchierten und verlässlichen
einer Allianz journalistischer und                                                    Nachrichten ist deshalb groß.
zivilgesellschaftlicher Akteure im      Wie finanziert sich ­Correctiv.Lo-
neu gegründeten Forum Gemein-           kal? Seit dem Start werden wir zu             Wie finanziert sich Amal? Den
nütziger Journalismus für die An-       großen Teilen von der Rudolf Aug-             Start hat die Evangelische Kirche in
erkennung ein .                         stein Stiftung finanziert. Die Förde-         Deutschland ermöglicht. Jetzt unter-
        Dass stiftungs- und spen-       rung stellt den Aufbau eines Teams            stützen auch die Körber-Stiftung, die
denfinanzierte Angebote wichtige        sicher, das in der Aufgabenverteilung         Stiftung Mercator und die Schöpflin
Impulse setzen können, zeigen Pro-      zwischen Reporter, Datenjournalist            Stiftung und ermöglichen mit ihren
jekte wie Correctiv.Lokal und Amal      und Community-Manager eine neue               Netzwerken neue Kollaborationen.
(s. Interviews rechts) eindrücklich.    Form der redaktionellen Zusammen-
Sie stehen für partizipativen, diver-   arbeit entwickelt. Das Recherchezen-          Vor welcher Herausforderung ste-
sen und innovativen Journalismus        trum Correctiv finanziert ebenfalls           hen Sie aktuell? Gerne würden wir
und weisen Wege in die Zukunft.  ←      mit. Perspektivisch sollen sich weitere       auch in anderen Städten Amal-Lokal-
                                        Förderer daran beteiligen, Correctiv.         redaktionen gründen und ein Netz
                                        Lokal auszubauen.  ←                          dezentraler Redaktionen unter einer
  Alle Infos zum Forum Gemeinnütziger                   Interview Stephanie Reuter   gemeinsamen Marke schaffen.  ←
  Journalismus unter www.forum-
                                                                                                        Interview Lukas Harlan
  gemeinnuetziger-journalismus.de.
                                                                                                            (Schöpflin Stiftung)
Zahra Bruhn

    Ähnlich aufgestellt
„Wenn man will, dass gesellschaftliche Lö-
sungen aus sich heraus wachsen können statt
dauerhaft von Förderungen abhängig zu sein,
dann stoßen Sozialunternehmer wie auch Stif-
tungen an ganz ähnliche Grenzen. Social-Bee
ist eine gemeinnützige GmbH, also ein Social
Business, das mit unternehmerischen Mitteln
die Integration Geflüchteter mit Hilfe der Zeit-
arbeit strukturell verbessern möchte. Stiftun-
gen sind doch eigentlich ähnlich aufgestellt:
Sie fördern mit der einen Hand, investieren
mit der anderen – und widmen dabei alles ei-
nem übergreifenden Zweck.“

Zahra Bruhn an der Ecke Unter den Linden/Wilhelmstraße
in Berlin-Mitte. Die 28-Jährige hat 2016 das Social ­Start-up
Social-Bee gegründet, das Geflüchtete an Unternehmen
vermittelt.
Zweispurig
                                         unterwegs
                           Das Münchner Start-up Social-Bee vermittelt Geflüchtete an Unternehmen. Damit bewegt
                            es sich zwischen Gemeinnützigkeit und Ertragsorientierung – genau wie Stiftungen auch

                           →→ Yohans Hamid gehört zu denen, die es geschafft haben.                Mit wirtschaftlichen Mitteln einen gesellschaftli-
                           Der 30-Jährige aus Eritrea kam 2014 nach Deutschland.           chen Mehrwert schaffen – das ist der Grundgedanke soge-
                           Sein Ziel: eine feste Arbeit finden. Er stieß auf das Start-    nannter Social Start-ups wie Social-Bee. Sie setzen sich für
                           up Social-Bee, das Geflüchtete an Unternehmen vermittelt.       gleiche Chancen am Arbeitsmarkt für alle Bevölkerungs-
                           Social-Bee nahm sich seiner an und verschaffte ihm eine         gruppen ein, machen sich für fairen Konsum stark oder ent-
                           vorübergehende Stelle beim Hersteller Zeppelin Bauma-           werfen ökologisch nachhaltige Produkte. In Deutschland
                           schinen. Hamid hatte keinerlei Vorqualifikationen und be-       gibt es mehr als 1.700 Sozialunternehmer, heißt es in ei-
                           gann erst einmal, in der Lagerlogistik zu arbeiten. Er mach-    ner aktuellen Studie der NGO Ashoka und der Unterneh-
                           te den Staplerschein, schlug sich gut – und wurde nach ei-      mensberatung McKinsey. Sie arbeiten mal mehr, mal we-
                           nem Jahr übernommen. Nachdem er zwischenzeitig sein             niger gewinnorientiert, verfolgen aber in jedem Fall – ganz
                           Können an der Lackierstation bewiesen hatte, arbeitet er        ähnlich wie Stiftungen – einen sozialen Zweck.                 21
                           dort mittlerweile zu 80 Prozent und hat damit einen deut-               Social-Bee-Gründerin Bruhn brennt seit ihrem Studi-

                                                                                                                                                          STIFTUNGSWELT Winter 2019 Zukunft des Stiftens
                           lich anspruchsvolleren Job übernommen. „Yohans hat sich         um für das Thema Social Entrepreneurship. Die 28-Jährige
                           vom einfachen Lagerhelfer hin zur Fachkraft entwickelt“,        hat Betriebswirtschaftslehre studiert und arbeitete nebenbei
                           sagt Zarah Bruhn, Gründerin von Social-Bee. „Das ist ein        in einem Venture Capital Fonds, in dem es um erneuerbare
                           toller Erfolg.“                                                 Technologien ging. Schon damals beschäftigte sie sich gern
                                   Social-Bee unterstützt Geflüchtete bei ihrer Integ-     mit der Frage, wie sich mit unternehmerischen Mitteln sozi-
                           ration in den Arbeitsmarkt seit 2016. Dabei fungiert das        ale Verantwortung übernehmen lässt. Ein Auslandssemes-
                           Münchner Start-up als Puffer zwischen Unternehmen und           ter in Stockholm im Jahr 2015 gab den Anstoß: Bruhn lernte
                           Geflüchteten. Ähnlich wie eine Zeitarbeitsfirma stellt es die   eine Syrerin kennen, die nach Schweden geflüchtet war, und
                           Arbeitssuchenden bei sich an und verleiht sie dann für ein      engagierte sich mit ihr in der Flüchtlingsersthilfe.
                           Jahr an Unternehmen. Das Ziel: die endgültige Übernah-                  Dabei kam sie mit vielen Geflüchteten in Kontakt
                           me in eine Ausbildung oder eine feste Stelle. Zwar erhal-       und erkannte schnell das zentrale Problem: Sie alle wollten
                           ten alle Social-Bee-Mitarbeitenden ein Gehalt, um Profit        eine langfristige Arbeitsstelle – doch nur wenige wurden
                           im herkömmlichen Sinne geht es dem Unternehmen aber             fündig. „Viele Unternehmen versprachen zwar, Geflüchtete
                           nicht: Alle zusätzlichen Einnahmen fließen in Sprachkur-
                           se, Unterstützung bei Behördengängen, Weiterbildungen
                           und die allgemeine Stabilisierung der Geflüchteten. Da-
                           bei geht es oft um Notfälle – etwa bei der Wohnungssuche,
Fotos: David Ausserhofer

                           Versicherungsfragen, rechtlichen oder persönlichen Pro-
                           blemen. „Wir übernehmen quasi eine Lebensbetreuung“,
                           sagt Bruhn.
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