Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen

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Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Heft 3/September 2017

                        Landesbetrieb Hessisches Landeslabor

                        Schutz und Sicherheit
D43991-ISSN 1437-594X

                        für die Verbraucher
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Vorwort

                                Liebe Leserinnen und Leser,

                    Unfallverhütung gibt es bei der UKH schon
                    für die Kleinsten: Bereits in den Kitas bieten
                    wir Projekte zur Schulung von Bewegungs-
                    und Risikokompetenzen an. Kinder müssen
                    ja lernen, mit Risiken umzugehen. Die aktuell
                                                                                                                            7
zu beobachtende Tendenz, Kinder von jeglichem Risiko fernzu-
halten, ist jedoch ein erhebliches Hindernis auf dem Weg zum
„sicheren Erwachsenen“. Wie viel Sicherheit braucht ein Kind
eigentlich? Einer unserer Experten geht dieser Frage ab Seite 6
auf unterhaltsame Weise nach.

Gleich zwei Beiträge dieser Ausgabe widmen sich den verän-
derten Arbeitsbedingungen, die mit Arbeit 4.0 und Industrie
4.0 auf die Beschäftigten zukommen werden. Wie man den
Wandel sozialverträglich gestalten kann, beschreibt unser Autor

                                                                     Bild: ©Adobe Stock
ab Seite 16. Und ob in diesem Zusammenhang „Crowdworking“
eine gesunde und sichere Alternative bietet, beleuchtet der Be-
richt ab Seite 20.                                                                                       6
                                                                                          IMPRESSUM
Erlauben Sie mir einen Hinweis in eigener Sache: Wir führen
zurzeit eine Zufriedenheitsbefragung unserer Versicherten zur                             inform – Informationen zur            Fax: 069 29972-133
                                                                                          kommunalen und staatlichen            Internet: www.ukh.de
Beratungsqualität unserer Präventionsfachleute durch. Über                                Unfallversicherung in Hessen          E-Mail: ukh@ukh.de
                                                                                          Magazin der Unfallkasse Hessen,       ISSN 1437-594X
den QR-Code auf Seite 5 gelangen Sie direkt zur Umfrage. Wir                              gesetzliche Unfallversicherung,
                                                                                          Sitz Frankfurt am Main                Newsletter-Abo
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Ihr                                                                                       nur mit Quellenangabe.                W. B. Druckerei GmbH
                                                                                                                                Dr.-Ruben-Rausing-Straße 10
                                                                                          Verantwortlich für den Inhalt         65239 Hochheim am Main
                                                                                          Bernd Fuhrländer (Geschäftsführer)
                                                                                                                                Lektorat/Korrektorat
                                                                                          Redaktion                             Ines Balcik
                                                                                          Sabine Longerich (CR)                 Dipl.-Fachsprachenexpertin
                                                                                          Yvonne Klöpping (CR inform-online)    Am Römerkastell 7
                                                                                          Senta Knittel                         61197 Florstadt
                                                                                          Thiemo Gartz
                                                                                          Cordula Kraft                         Gestaltung
Bernd Fuhrländer                                                                          Dr. Torsten Kunz                      Gerhards Design GmbH
Geschäftsführer der Unfallkasse Hessen                                                    Alex Pistauer                         Kölner Straße 50
                                                                                          Pia Ungerer                           50259 Pulheim

                                                                                          Bezugsquellennachweis,                Titelbild
                                                                                          Herausgeber                           Pathologin Dr. vet. med.
                                                                                          Unfallkasse Hessen                    Iris Völker in der Sektions-
                                                                                          Leonardo-da-Vinci-Allee 20            halle des LHL
                                                                                          60486 Frankfurt am Main
                                                                                          Servicetelefon 069 29972-440          Alle nicht extra gekennzeich-
                                                                                          (montags bis freitags                 neten Fotos: Jürgen Kornaker
                                                                                          von 7:30 bis 18 Uhr)                  für Unfallkasse Hessen

                                                                                                                                   klimaneutral
                                                                                                                                   natureOffice.com | DE-202-108537
                                                                                                                                   gedruckt

2     inform | September 2017
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Inhalt

                         4 Aktuelles                               SCHUTZ UND LEISTUNGEN

                         SICHERHEIT UND GESUNDHEIT                 9 Medizinische Hilfsmaßnahmen
                                                                     an Schulen, Teil 2
                         6 Wie viel Sicherheit braucht               Ja, Sie dürfen helfen!
                           ein Kind?
                           Wahnsinnig sicher oder                  12 Unfallschutz bei der betrieblichen
                           Sicherheitswahn?                           Gesundheitsförderung
                                                                      Erfolgreiche Unternehmen dank
                         16 Arbeiten 4.0 und Industrie 4.0,           aktiver Mitarbeiter
                            Teil 2
                            Den Wandel sozialverträglich           14 Serie Wertvolle Netzwerke:
                            gestalten                                 Bürgermeister Markus Röder über
                                                                      Werte und respektvolles Miteinander

9
                         19 Qualifizierungen der Unfallkasse
                            Hessen                                 18 Zum Internationalen Tag der
    Bild: ©Adobe Stock      Seminare 2018: jetzt anmelden! 		         Ersten Hilfe
                                                                      Helfen kann so einfach sein!
                         20 Revolution der Arbeitswelt
                            oder Nischenerscheinung?
                            Crowdworking als neues                 EHRENAMT
                            Arbeitsmodell
                                                                   30 Serie SiBe-Spezial:
                         23 Artikelgesetz zur Neuregelung             Jens Lau, Landesbetrieb Hessenforst
                            des Mutterschutzes                        „Täglich wieder gesund aus dem
                            Reform des Mutterschutzes                 Wald zu kommen, das ist meine
                                                                      Motivation.“
                         24 Serie Mitgliedsunternehmen:
                            Landesbetrieb Hessisches
                            Landeslabor                            DIALOG
                            Nahrungsmittelkontrolle vom
                            Acker bis zum Teller – Schutz und 		   28 Serie Sie fragen – wir antworten:
                            Sicherheit für die Verbraucher            Die Versichertenrente

                         32 World Congress for Safety and
                            Health at Work 2017
                            Risikoparcours:
                            Instrument für Vision Zero?

                         34 Sportlehrkräfte-Workshops:
                            Parkour – aber sicher!
                            Bewegungsrisiken richtig
                            einschätzen

    14
                                                                   Jens Lau, SiBe im
                                                                   Landesbetrieb Hessenforst,
                                                                   berichtet ab Seite 30
                                                                   über seinen Arbeitsalltag.

                                                                        30

    32
                                                                                          inform | September 2017   3
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Aktuelles

    Unfallursache Maschinen-Manipulation                                                        Europäische Standards

App identifiziert Schwachstellen                                                               Neue Berufs-
im Schutzkonzept von Maschinen                                                                 krankheiten

Manipulierte Schutzeinrichtungen an Ma-        Das IFA hat nun ein
schinen führen regelmäßig zu schweren          Verfahren entwickelt,
und tödlichen Unfällen, verursachen Pro-       mit dem sich der Ma-
duktionsausfälle und hohe Kosten. Eine         nipulationsanreiz für

                                                                                                                                            Bild: ©Adobe Stock
neue App hilft, dem vorzubeugen. Mit der       jede beliebige Maschi-
neuen App bietet das Institut für Arbeits-     ne bewerten lässt.
schutz der DGUV (IFA) Planern, Herstellern     Dieses Verfahren steht jetzt als App unter
und Betreibern von Maschinen ein kos-          Android und IOS zur Verfügung (der QR-
tenloses Tool, mit dem sich Manipulati-        Code führt direkt zur App). Die Bewertung       Am 1. August traten die Änderungen zur
onsanreize an Maschinen einfach erken-         kann jederzeit stattfinden: in der Kon-         neuen Berufskrankheitenverordnung in
nen lassen.                                    struktionsphase der Maschine, vor Aus-          Kraft. Die Berufskrankheitenliste wurde
                                               lieferung oder bereits im Betrieb. Wichtig      um fünf Krankheiten erweitert:
Im Schnitt wird ein Drittel aller Schutzein-   ist allerdings, dass Personen die App
richtungen an industriell genutzten            einsetzen, die mit der Bedienung der            • Leukämie durch 1,3-Butadien
Maschinen regelmäßig manipuliert. Die          Maschine vertraut sind, also Hersteller,        • Harnblasenkrebs durch polyzyklische
Folge sind Jahr für Jahr mehrere tausend       Händler oder die Fachkraft im Unterneh-          aromatische Kohlenwasserstoffe
Unfälle – auch tödliche.                       men.                                            • Fokale Dystonie bei Instrumental-
                                                                                                musikern
„Schutzeinrichtungen an Maschinen wer-         Otto: „Nur wenn überhaupt erkannt wird,         • Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs)
den dann außer Kraft gesetzt, wenn sie         dass ein Manipulationsanreiz besteht,            durch Asbest
den Arbeitsablauf stören“, sagt Stefan         können Gegenmaßnahmen ergriffen, Un-            • Kehlkopfkrebs durch polyzyklische
Ottok, Experte für Maschinensicherheit         fälle vermieden und Menschen geschützt           aromatische Kohlenwasserstoffe
im IFA. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn   werden.“
der Arbeitsraum schlecht einsehbar ist,                                                        Der Empfehlung des wissenschaftlichen
vielleicht durch ein zu kleines Sichtfens-                 Quelle: Newsletter DGUV 13.7.2017   Beirats des Bundesministerium für Arbeit
ter, wenn der erforderliche Arbeitstakt                                                        und Soziales (BMAS) wurde damit Folge
                                               Mehr:
nicht erreicht wird oder bestimmte Tätig-                                                      geleistet.
keiten überhaupt nicht möglich sind, bei-      ǣǣwww.dguv.de, Webcode d3295
spielsweise das Einrichten der Maschine.                                                       Die gesetzliche Unfallversicherung über-
Otto: „Liegen solche Defizite vor, sprechen    Info: Der QR-Code funktioniert nur am iPad!     nimmt die Kosten für die Heilbehandlung
wir von einem Manipulationsanreiz.“                                                            und leistet weitere Unterstützung bei dau-
                                                                                               erhafter Erwerbsminderung oder Arbeits-
                                                                                               unfähigkeit der Betroffenen.
    Beschlossene Sache

Die neue Gefahrstoffverordnung –
Was hat sich geändert?
Mit Inkrafttreten der neuen Gefahrstoff-         • aus erbgutverändernd wird
verordnung sind hauptsächlich Begriffe             keimzellmutagen,
novelliert und an die europäische Verord-        • aus fruchtbarkeitsgefährdend
nung (CLP) angepasst worden:                       wird reproduktionstoxisch.

    • aus Zubereitung wird Gemisch,            Weitere Änderungen sind geplant und
    • aus Hersteller, Einführer oder           betreffen dann unter anderem bessere
                                                                                                                                                                 Bild: ©Adobe Stock

     Inverkehrbringer wird Lieferant,          Regelungen zum Umgang mit Asbest.
    • aus krebserzeugend wird                  Außerdem wird der Anhang zu partikel-
     karzinogen,                               förmigen Gefahrstoffen auf den neusten
                                               Stand gebracht.

4    inform | September 2017
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Aktuelles

  Gut zu wissen                                                Kundenbefragung der UKH ab 15. September

Unfallversichert in                                            Sind Sie mit unseren Beratungen zufrieden?
der Elternzeit                                                 Der Bereich Prävention der UKH sorgt         Zielgruppen sind alle Mitgliedsbetriebe
                                                               für die Verhütung von Arbeits- und           der UKH, also u. a. Städte, Gemeinden,
                                                               Schulunfällen, Berufskrankheiten und         Schulen und Universitäten in Hessen,
                                                               arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren.        und ebenso die Kindertagesstätten. Ihre
                                                               Dies tun wir u. a. durch Beratung, Qua-      Antworten helfen uns, unseren Service
                                                               lifizierung und Projektarbeit. Eins un-      im Sinne und Interesse unserer Kunden
                                                               serer Ziele ist die hohe Beratungs-          und Mitglieder zu verbessern. Wesent-
                                                               qualität unserer Präventionsfachleute,       liche Ergebnisse veröffentlichen wir in
                                                               damit wir in den Betrieben eine hohe         einer der nächsten inform-Ausgaben.
                                         Bild: ©Adobe Stock

                                                               Wirksamkeit erzielen. Um zu messen,
                                                               ob wir unser Ziel auch erreichen, führen                           Sie finden die Umfra-
                                                               wir ab dem 15. September eine präven-                              ge ab 15.9. auf allen
                                                               tionsbezogene Online-Kundenbefra-                                  UKH Portalen (z. B.
                                                               gung durch, mit der wir den Grad der                               www.ukh.de).
Beschäftige, die in der Elternzeit aus-                        Kundenzufriedenheit ermitteln.
nahmsweise für ihren Arbeitgeber tätig
werden, stehen unter dem Schutz der ge-
setzlichen Unfallversicherung. Versichert
sind die Mitarbeiter*innen in Elternzeit                       Sichere und gesunde Universität
allerdings nur dann, wenn sie eine Tätig-
keit ausüben, die mit dem Beschäfti-
gungsverhältnis in einem inneren Zusam-                       Preis für Arbeitssicherheit verliehen
menhang steht. Private Besuche im Büro,
um Kolleg*innen den Nachwuchs vorzu-                          Der mit 1.000 Euro dotierte Arbeitssicher-    „Arbeitssicherheit ist ein hohes Gut“, sag-
stellen, sind nicht unfallversichert.                         heitspreis der UKH in Kooperation mit der     te der Präsident bei der Übergabe der
                                                              Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ging   Auszeichnung. Und Smarsly ergänzte:
Unter Unfallschutz stehen:                                    in diesem Jahr an Professor Bernd Smarsly     „Wir bemühen uns, permanent in Sicher-
                                                              und seine Mitarbeiter*innen. Smarsly ist      heit zu leben und zu arbeiten – und dies
• Arbeiten im Auftrag des Arbeitgebers                        Leiter der Arbeitsgruppe „Funktionelle        mit Spaß.“
• Teilnahmen an Seminaren                                     Nanomaterialien“ am Physikalisch-Che-
• Teilnahmen an betrieblichen                                 mischen Institut.                             Sabine Menne von der UKH übergab den
  Gemeinschaftsveranstaltungen                                                                              Gutschein über 500 Euro. Das JLU-Präsi-
  wie Weihnachtsfeier, Betriebsausflug                        JLU-Präsident Joybrato Mukherjee gratu-       dium stockte den Preis noch einmal um
• alle Wege, die mit diesen Anlässen                          lierte der Arbeitsgruppe, die bei insge-      die gleiche Summe auf.
  verbunden sind                                              samt 16 Begehungen im Wettbewerb das
                                                              beste Ergebnis erzielt und damit nachge-      Joybrato Mukherjee (1. Reihe, 2. v. r.) über-
Nicht versichert in der Elternzeit ist hinge-                 wiesen habe, dass sie besonders hohe          reicht gemeinsam mit Sabine Menne, UKH
                                                                                                            (1. Reihe rechts) den Arbeitssicherheitspreis
gen die Teilnahme am Betriebssport.                           Sicherheitsstandards einhält.
                                                                                                            2017 an Prof. Bernd Smarsky (1. Reihe, 3. v. r.).
Der soll einen Ausgleich für Belastungen
durch die Arbeit schaffen und die Leis-
tungsfähigkeit der Beschäftigten unter-
stützen.

Dieser Beweggrund entfällt jedoch für
Beschäftigte in Elternzeit. Wenn sie Sport
treiben, steht das private Interesse also
im Vordergrund.

Wie lassen sich private und dienstliche
Belange voneinander abgrenzen? Hilfreich
ist es in jedem Fall, den beabsichtigten
Einsatz für den Arbeitgeber im Vorfeld zu
dokumentieren, zum Beispiel durch eine
E-Mail.

        Quelle: Pressemeldung DGUV 9.8.2017

                                                                                                                                      inform | September 2017   5
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Sicherheit und Gesundheit

Wie viel Sicherheit braucht ein Kind?

Wahnsinnig sicher oder doch Sicherheitswahn?
„Lauf nicht, sonst fällst du hin.“ Dieter Nuhrs Bühnenparodie („Nuhr daheim“) überängstlicher
Eltern ist mittlerweile reale Kita-Praxis. So werden kleine, alltägliche Verletzungen, wie offene
Knie oder eine Beule, heute häufig überbewertet und banale Stolperunfälle landen gar beim An-
walt. Nicht selten führt dieser elterliche Sicherheitsanspruch zu einer Verunsicherung der Kita-
Verantwortlichen. Um wenig Angriffsfläche zu bieten, reagiert man dort schlimmstenfalls mit einer
„Verantwortungsminimierung“ und schränkt pädagogische Freiräume im vermeintlichen Interesse
der Kinder ein.

Die beteiligten Erwachsenen können sich       räten. In den Industrienationen ist die
damit tatsächlich sicherer fühlen, die        technische Sicherheit auf einem sehr            Was ist eigentlich Sicherheit?
Sicherheit der Kinder wird dabei leider       hohen Niveau, dennoch bietet sie keinen
sehr kurzsichtig und unreflektiert ge-        hundertprozentigen Schutz.                      Sicherheit basiert auf:
sehen. Die Folgen einer derartigen Über-
behütung können für die Gesamtentwick-        Organisatorische Maßnahmen haben den            • technischen Maßnahmen
lung eines Menschen nachteilig sein. Im       Zweck, eine Tätigkeit, ein Vorhaben so zu       • organisatorischen Maßnahmen
Interesse der Kinder, aber auch gesamt-       planen und durchzuführen, dass Gefahren         • Verhalten
gesellschaftlich gesehen, ist dieser Fehl-    vermieden werden bzw. geeignet mit
entwicklung entgegenzuwirken. Wie das         ihnen umgegangen wird. Hierzu gehört
gelingen kann, wollen wir im Folgenden        zum Beispiel die regelmäßige Wartung          wenn dieser in der Kindheit lernt, mit Ri-
näher betrachten.                             von Spielplatzgeräten. Im Kita-Bereich ist    siken umzugehen. Die derzeit zu beob-
                                              die Regelvorgabe in Verbindung mit der        achtende Tendenz, Kinder von jeglichem
Die Sicherheitslage in den Kitas              Aufsichtspflicht eine organisatorische        Risiko fernzuhalten, ist hierbei ein erheb-
                                              Maßnahme.                                     liches Hindernis. Etwas provokant könnte
In den Kitas passieren tatsächlich Unfälle.                                                 man deshalb feststellen: Das Kind braucht
Das Unfallgeschehen ist jedoch hinsicht-      Auch unser Verhalten trägt wesentlich zur     genau so viel Gefahr, wie der spätere Er-
lich Menge und Schwere moderat. Kitas         Sicherheit bei. Wir lernen, Gefahren zu       wachsene an Sicherheit gerne hätte. Oder
sind sehr sichere Orte. Die zunehmende        erkennen und geeignet mit ihnen umzu-         anders ausgedrückt: Das Kind „verträgt“
Verängstlichung von Eltern, aber auch von     gehen. Im Kita-Alter ist der Verhaltens-      genau so viel Übersicherung, wie der
Erzieher*innen, lässt sich mit dem Un-        anteil beim Gefahrenumgang noch relativ       spätere Erwachsene an Unsicherheit auf-
fallgeschehen nicht wirklich erklären. Es     gering. Es wird noch ein deutlicher Schutz    weisen darf.
müssen also andere Kräfte am Werk sein,       durch Technik und Organisation, sprich
wenn es darum geht, Bagatellverletzun-        Aufsicht, benötigt. Dennoch gehört auch       Unheilvolle Allianz
gen wie Schrammen und Insektenstiche          in diesem Alter der Umgang mit angemes-
zu dramatisieren, aus Angst vor Entfüh-       senen Gefahren zur gesunden Entwick-          In den letzten Jahrzehnten sind in unserer
rungen überhohe Zäune zu fordern oder         lung. Dies geeignet zu gestalten, ist die     Gesellschaft zwei parallele Entwicklungen
Pflasterkleben als unlösbares Allergie-       besondere Herausforderung der erziehe-        zu beobachten. Neben einer starken Indi-
Problem zu sehen. Interessant ist in die-     rischen Arbeit.                               vidualisierung mit einem ausgeprägten
sem Zusammenhang die parallele Ent-                                                         Anspruchsdenken gegen andere und die
wicklung in Freizeitsport, Film oder Life-    Kinder müssen lernen, mit Risiken             „Gemeinschaft“ (Staat, Versicherungen
style. Aktivitäten mit Nervenkitzel (Free-    umzugehen.                                    etc.) hat sich unverkennbar eine überzoge-
Climbing, Bungee-Jumping, Gleitschirm-                                                      ne Ängstlichkeit, verbunden mit einem
fliegen etc.) haben Hochkonjunktur. Ge-       Die Grafik auf Seite 7 verdeutlicht die je-   Haftungsdenken, entwickelt. Gerichts-
radezu grotesk ist es, wenn Kinder, denen     weiligen Anteile von Technik, Organisa-       urteile und juristische Sichtweisen sind
man blutige Knie verwehrt, Hosen mit          tion und Verhalten, die über die Kindheit     dabei in unser Denken und Handeln ein-
kaputten Knien tragen. Der verstärkte         bis hin zum Erwachsensein relevant sind.      geflossen. Häufig wird bei Bewertung
Sicherheitsanspruch gilt also nicht über-     Die Darstellung ist qualitativ zu sehen.      einer Gefahrensituation wie folgt argu-
all und verlangt anscheinend sogar nach                                                     mentiert: „Das können Sie dann ja dem
Kompensation.                                 Sicheres Verhalten muss quasi vom Zu-         Richter erzählen!“ oder „Tja, damit möchte
                                              stand Null (beim Säugling) zur „normier-      ich dann nicht vor dem Richter stehen.“
Technische Maßnahmen sind z. B. Sicher-       ten“ Vorstellung beim späteren Erwach-        Gegenüber einem solchen Haftungsden-
heitsgurte in Fahrzeugen und die norm-        senen entwickelt werden. Den sicheren         ken tritt eine tatsächlich Bewertung der
gerechte Gestaltung von Spielplatzge-         Erwachsenen kann es also nur geben,           Gefahr meist völlig in den Hintergrund,

6   inform | September 2017
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Sicherheit und Gesundheit

                                                                                             Schutz vor Gefahren durch Verhalten, Technik und Aufsicht
                                                                                             Schutz vor Gefahren durch Verhalten, Technik und Aufsicht

                                                                                             100 %
                                                                                             90 %
                                                                                             80 %
                                                                                              70 %
                                                                                             60 %
                                                                                              50 %
                                                                                             40 %
                                                                                              30 %
                                                                                 Aufsicht    20 %
                                                                                 Technik      10 %
                                                                                 Verhalten     0%
                                                                                                       Säugling       3-Jährige        6-Jährige    10-Jährige     Erwachsene

                                                                                                Aufsicht          Technik             Verhalten
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                     Technische und organisatorische Maßnahmen wie z. B. abgesicherte Türen und die Wartung von Spielgeräten beugen möglichen Verletzungen vor.

                     was auch ein Blick auf statistische Zahlen                                                              Grundsätzlich lässt sich anmerken, dass
                     widerspiegelt: In Deutschland existieren           Grausame Bilder finden den Weg                       sowohl die Träger als auch das Kita-Per-
                     über 400 Millionen Versicherungsab-                in unser Gehirn und füllen das                       sonal häufig die Auseinandersetzung mit
                     schlüsse, d. h. pro Kopf über fünf Ver-            „Angstareal“ beständig auf. Ge-                      Gefahren (Bewertung, Festlegung von
                     sicherungen!                                       wichtungen oder Wahrscheinlich-                      Maßnahmen) meiden. Mit dem Wunsch
                                                                        keiten für schlimme Ereignisse                       nach „Verantwortungslosigkeit“ verlässt
                     Wenn elterliche Ängste und Ansprüche               treten dabei völlig in den Hinter-                   man sich allzu gern auf „Experten“ und
                     auf Haftungsängste der Pädagogen oder              grund. Experten erläutern uns                        verschenkt im Glauben an eine „100-pro-
                     der Träger prallen, können sich die beiden         dann das Geschehen und stellen                       zentige Rechtssicherheit“ seine eigenen
                     genannten Entwicklungen in der pädago-             die Schuldfrage. Unser derart auf-                   Gestaltungsmöglichkeiten.
                     gischen Arbeit potenzieren. Bei der Frage          gefrischtes „Sicherheitsdenken“
                     nach der Ursache dieses „kollektiven“              wird so mit Schuldvorwürfen und                      Kinder benötigen einen reflektierten
                     Verhaltens entsteht der Verdacht, dass             Ersatzanspruchsdenken kombi-                         Umgang mit Gefahren.
                     wir hier einem Stück menschlicher Zivili-          niert; eine unheilvolle Allianz.
                     sationsentwicklung gegenüberstehen und                                                                  Erwachsene (Eltern, Erzieher*innen etc.)
                     die wirklichen Gründe tief in unserer            • Eine niedrige Geburtenrate und                       beeinflussen direkt, und Institutionen,
                     Psyche zu suchen sind. Vordergründig               späte Elternschaft haben die Kind-                   wie Träger, Behörden, Versicherungen,
                     können wir jedoch Folgendes nennen:                heit deutlich verändert. Das meist                   indirekt den Umgang mit Gefahren. Alle
                                                                        einzige Kind, die Zukunft der Fa-                    Beteiligten setzen somit den Rahmen für
                                                                        milie, steht in einem besonderen                     die jetzige Sicherheit der Kinder und die
                      • Angst und Sicherheit sind Themen,               Fokus. Dies begünstigt eine Über-                    des späteren Erwachsenen. Für eine po-
                        mit denen sich mittlerweile „gutes              behütung, was zu überzogenen                         sitive Einflussnahme bedeutet dies auf
                        Geld“ verdienen lässt. Aber selbst              Elternanforderungen bzw. -erwar-                     der Ebene Kita und Eltern:
                        ohne geschäftlichen Hintergrund,                tungen bei der Kita-Betreuung
                        selbst mit besten Absichten, wer-               führen kann. Die geringe Kinder-                     • Sicherheitsfragen müssen vom pä-
                        den Gefahren mittlerweile (über-                zahl erschwert auch spontane                              dagogischen Personal selbstständig
                        zogen) „vermarktet“ und genutzt.                Kontakte zu anderen Kindern.                              reflektiert werden. Das mag anfangs
                                                                        In der elterlich organisierten Frei-                      schwierig sein, aber nur durch die
                      • Medial wird uns jede globale                    zeit ist das Kind dann selbst im                          kontinuierliche Abwägung von Nut-
                        Katastrophe ins Haus gebracht.                  Spiel ständig unter Erwachsenen.                          zen bzw. Risiken kann man die Sicher-
                                                                                                                                  heit von Kindern wirklich realisie- 		>>

                                                                                                                                                         inform | September 2017   7
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Sicherheit und Gesundheit

                                                                                                       Unangenehm aber meist
                                                                                                       ungefährlich: Insektenstiche

    >> ren und eine eigene innere (Ent-      Auf institutioneller Ebene kann positiv      Außerdem muss der Staat der neuen „ins-
    scheidungs-) Sicherheit dauerhaft        Einfluss genommen werden, wenn seitens       titutionell betreuten Kindheit“ verstärkt
    erlangen. Dies muss natürlich im         der Träger die zunehmend umfänglichere       Rechnung tragen und folgende Fragen
    gesamtpädagogischen Kontext pas-         Kinderbetreuung und die damit verstärk-      beantworten: Kann das Personal mit dem
    sieren, da Sicherheit keine losge-       te Übernahme von Erziehungsaufgaben          bestehenden Betreuungsschlüssel die-
    löste Eigenschaft, sondern in gewis-     und Elternkontakten durch das Kita-          sen umfänglicheren Aufgaben überhaupt
    ser Weise mit jeder unserer Hand-        Personal bedacht werden. Die Aufgaben-       gerecht werden? Ist dieses für die Aufga-
    lungen verknüpft ist.                    wandlung vom Betreuungsvertrag zur Er-       ben ausreichend qualifiziert? Müssen ggf.
                                             ziehungspartnerschaft stellt neue, zusätz-   auch Eltern in ihrer Rolle gestärkt werden?
• In der Elternarbeit sollte verstärkt       liche Anforderungen an das Personal. Da-     Letzteres bedeutet nicht automatisch den
    berücksichtigt werden, dass man          bei hat die Diskussion und Abstimmung        Ruf nach einem Elternführerschein; Mög-
    mit der Betreuung eines Kindes in den    über Ziele eine weitaus höhere Bedeutung     lichkeiten der „Qualifikation“ sollten je-
    Bannkreis der jeweiligen Etern-Kind-     als bislang. Mit kurzen „Zwischen-Tür-       doch bestehen. Vielleicht ist die zum
    Beziehung tritt und somit Sorgen bzw.    und-Angel-Gesprächen“ wird es künftig        Familienzentrum erweiterte Kita hier
    Ängste der Eltern in der Kita auch als   keine vernünftige Zusammenarbeit geben       schon der richtige Ansatz.
    Ansprüche in Erscheinung treten. Hier-   können. Hierfür muss sich das Kita-Per-
    mit geeignet umzugehen, kann viel        sonal wappnen. Auch die Träger müssen        Krankenkassen, Unfallversicherungen
    Kraft erfordern. Bei richtiger Handha-   mit dem Thema Sicherheit offensiv um-        etc. sollten bei der Darstellung von Ge-
    bung kann dies jedoch zum verbinden-     gehen. Sie können den elterlichen Sicher-    sundheits- und Unfallgefahren stärker die
    den Glied zwischen Einrichtung und       heitsansprüchen mit einer konkreten Ge-      „Angstvermeidung“ berücksichtigen.
    Eltern werden.                           fahrenbeurteilung (Bewertung, Maßnah-        Berichte über Zecken, Wespen und an-
                                             men) begegnen und somit die Initiative       dere Gefahren dürfen nicht dazu führen,
• Generell wird man gut beraten sein,        ergreifen. Setzt man geeignete Qualitäts-    dass Eltern ihr Kind noch weniger zum
    Eltern über kindliche Entwicklungs-      vorgaben, so ist die eigene Verantwort-      Spielen nach draußen schicken!
    vorgänge zu informieren, um damit        lichkeit in hohem Maße gewahrt und für
    ein gewisses Grundverständnis für        die Eltern die „klare Linie“ des Träger-     Kinder fit machen
    die pädagogische Arbeit in der Kita      handelns erkennbar.
    zu schaffen.                                                                          Eine sichere Kindheit bedeutet zwar
                                                                                          Schutz vor schweren Verletzungen, aber
• Eltern sollten ihren Kindern viel                                                       nicht vor jeglicher Verletzung. Der ange-
    Freiraum und Möglichkeit zum Spiel                                                    messene Umgang mit Risiken ist für die
    mit anderen Kindern geben und sich                                                    Schaffung von Basiskompetenzen (wie
    dabei möglichst wenig einmischen.                                                     Höhenbewältigung) unverzichtbar. Ge-
    Auch sollten Eltern ihre Kinder durch-                                                  fahren meistern oder in schwierigen
    aus mal beim Klettern etc. in der Kita                                                        Situationen bestehen sind unaus-
    beobachten, um festzustellen, wie                                                                  weichliche Lebensanforde-
    robust, sicher und belastbar diese                                                                    rungen. Hierfür sollten wir
    eigentlich sind.                                                                                      Kinder fit machen. Dabei
                                                                                                         sind überzogene Ängste
                                                                                                       und das Vermeiden von Ver-
                                                                                                     antwortung schwerwiegende
                                                                                                  Hindernisse, die wir Erwachsene
                                                                                                  im Interesse aller täglich überwin-
                                                                                                  den müssen.                      >|

                                                                                                                     Herbert Hartmann
                                                                                                    069 29972-201, h.hartmann@ukh.de

Das ist kein Beinbruch!
Der angemessene Umgang
mit Risiken ist für die Schaf-
                                                                                                        Bilder: ©Adobe Stock

fung von Basiskompetenzen
unverzichtbar.

8    inform | September 2017
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Schutz und Leistungen

Medizinische Hilfsmaßnahmen an Schulen, Teil 2

Ja, Sie dürfen helfen!
Chronisch kranke Kinder benötigen häufig Medikamente, auch während der Schulzeit oder der
Nachmittagsbetreuung. Regelmäßig stellt sich dabei die Frage, ob Lehrer*innen oder das Betreuungs-
personal einem Kind Medikamente geben dürfen, ohne dabei Gefahr zu laufen, gegen Gesetze zu
verstoßen. Wann besteht sogar die Pflicht, tätig zu werden?

Immer wieder kommt es vor, dass Kinder       rungsschutz und Haftungsfragen bei der
zeitweise oder dauerhaft auf die Einnah-     Medikamentengabe im Rahmen von schu-
me von Medikamenten angewiesen sind,         lischen Betreuungsangeboten.                       »»Es ist ratsam,
selbst aber noch nicht dazu in der Lage
sind, die erforderliche Medikation vor-      Medikamentengabe während der
                                                                                               die Art und Weise
zunehmen. Fällt die erforderliche Einnah-    Nachmittagsbetreuung                             der Medikamenten-
me eines Medikaments in die Zeit, die
Schüler*innen in der Schule verbringen,      Schüler*innen sind während des Besuchs             gabe schriftlich
springen häufig Lehrkräfte oder Betreu-      von allgemein oder berufsbildenden                zu vereinbaren. «
er*innen ein, um die erforderliche Medi-     Schulen gesetzlich unfallversichert. Auch
kamenteneinnahme sicherzustellen. Aber       während der Teilnahme an Betreuungs-                Alex Pistauer, Unfallkasse Hessen
auch wenn eine Lehrkraft das Medikament      maßnahmen, die von der Schule oder im
verabreicht, kann es in seltenen Ausnah-     Zusammenwirken mit der Schule unmit-
mefällen zu gesundheitlichen Schäden         telbar vor oder nach dem Unterricht statt-
kommen. Auch die Lehrkraft bzw. ein Be-      finden, besteht der Schutz der gesetz-
treuer kann sich verletzen, zum Beispiel     lichen Unfallversicherung. Schon für die
bei einer Insulingabe am Pen.                Maßnahme selbst muss also im Einzelfall
                                             betrachtet werden, ob es sich um eine
                                             versicherte Betreuung – wie diejenige
 Wichtig zu wissen!                          beim „Pakt für den Nachmittag“ – handelt.

 Für alle Beteiligten ist es deshalb         Auch während der Betreuungszeit kann          ungspersonal überlegt werden. Ob im
 wichtig zu wissen: Wie sieht die recht-     eine unproblematische Medikamenten-           Zusammenhang mit der Verabreichung
 liche Situation aus, wenn im Zusam-         gabe durch Betreuer*innen gewährleistet       eines Medikaments der Schutz der ge-
 menhang mit einer Medikamenten-             sein, sofern gewisse Bedingungen einge-       setzlichen Unfallversicherung besteht, ist
 gabe im Schulbetrieb eine Person zu         halten werden. Vergleichbar mit der           davon abhängig, ob dieser Teil der Per-
 Schaden kommt? Welche Regelungen            Medikamentengabe in den Kindertages-          sonensorge von den Eltern bzw. den Er-
 sind anzuwenden, wenn eine Schü-            stätten ist es hierbei von entscheidender     ziehungsberechtigten auf die Schule, den
 lerin oder ein Schüler einen Schaden        Bedeutung, dass diese bzw. das Messen         Träger der Betreuungsmaßnahme oder
 erleidet, der auf die Verabreichung ei-     von Körperfunktionen mittels schriftlicher    die Betreuer*innen übertragen wurde.
 nes Medikaments durch eine Lehrkraft        Vereinbarungen zwischen den Erziehungs-
 zurückzuführen ist? Haftet hierfür die      berechtigten, den Trägern der Maßnahme        Eine Übertragung kann sich aus einer aus-
 Lehrkraft/das Betreuungspersonal als        und den Betreuer*innen eindeutig gere-        drücklichen schriftlichen oder mündli-
 Verursacher bzw. der Schulträger nach       gelt werden.                                  chen Absprache oder aus den konkreten
 zivilrechtlichen Vorschriften auf Scha-                                                   Umständen des Einzelfalls ergeben. Hier-
 densersatz?                                 Teilübertragung der Personensorge             durch erfolgt eine zeitweise Überleitung
                                                                                           der Personensorge für die Medikamen-
                                             Kraft Gesetzes liegt die Personensorge für    tengabe in den organisatorischen Verant-
All diesen Fragen widmen wir uns in einer    Kinder bei deren Eltern. Diese haben folg-    wortungsbereich der Schule bzw. der Be-
Beitragsreihe zur Medikamentengabe. In       lich auch die Verantwortung für die Me-       treuung. Damit Missverständnisse ver-
den letzten beiden Ausgaben von inform       dikamentengabe. Erst wenn ärztlicher-         mieden werden und eine klare Hand-
haben wir bereits die Situation in den       seits keine Bedenken bestehen und die         lungsgrundlage für alle Beteiligten vor-
hessischen Kitas und die Medikamenten-       Medikamentengabe nicht ausschließlich         liegt, ist es ratsam, die Art und Weise der
gabe durch Lehrkräfte beleuchtet. Der        durch die Eltern erfolgen kann, sollte eine   Medikamentengabe schriftlich zu verein-
heutige Beitrag befasst sich mit Versiche-   Übertragung der Aufgabe an das Betreu-        baren.                                   >>

                                                                                                                  inform | September 2017   9
Schutz und Sicherheit für die Verbraucher - Landesbetrieb Hessisches Landeslabor - Unfallkasse Hessen
Schutz und Leistungen

                                              Versicherungsschutz bei der                   sie z. B. bei der Betreuung oder einem
 >> Voraussetzungen für die Medika-           Medikamentengabe                              Ausflug mithelfen oder Aufsichtspflichten
 mentengabe durch Betreuer:                                                                 übernehmen.
                                              Wenn Schüler*innen an unmittelbar vor
 Grundsätzliche Entscheidung der              oder nach dem Unterricht von der Schule       Diesem „Versicherten-Status“ kommt haf-
 Einrichtung                                  oder im Zusammenwirken mit der Schule         tungsrechtlich insoweit eine Bedeutung
                                              durchgeführten Betreuungsmaßnahmen            zu, als hier das sogenannte „Haftungs-
 Es sollte eine grundsätzliche Entschei-      teilnehmen, sind sie dabei gesetzlich         privileg“ der gesetzlichen Unfallversiche-
 dung mit dem Träger getroffen werden,        unfallversichert. Wenn dem Kind durch         rung zum Tragen kommt. Danach gilt die
 ob eine Medikamentengabe durch die           eine fehlerhafte Gabe eines Medikaments       Haftungsbeschränkung auch für Betriebs-
 Betreuer*innen in Einzelfällen befür-        (falsche Dosierung, Infektion etc.) ein Ge-   angehörige desselben Unternehmens ge-
 wortet wird.                                 sundheitsschaden entsteht, greift grund-      genüber den Schüler*innen. Dies aber
                                              sätzlich der Versicherungsschutz. Auch        nur, wenn man die durch beispielsweise
 Schriftliche Medikation                      bei korrekter Medikamentengabe kann           den „Betreuungsverein“ geleistete Tätig-
                                              ein Gesundheitsschaden verursacht wer-        keit insgesamt dem „Unternehmen Schu-
 Es muss eine schriftliche Medikation         den, z. B. durch eine Wechselwirkung mit      le“ zurechnet. Sofern es sich bei Betreu-
 des Arztes vorliegen. Diese ist so ein-      anderen Medikamenten oder durch eine          er*innen tatsächlich um „Beschäftigte“
 deutig zu gestalten, dass keine Ab-          allergische Reaktion auf das verabreichte     oder zweifelsfrei „Betriebsangehörige“
 wägungsentscheidung, die z. B. be-           Medikament. In diesen Fällen handelt es       der Betreuungsinstitution handelt, die
 züglich der Dosierung erforderlich ist,      sich in der Regel ebenfalls um einen Un-      letztendlich in den Schulbetrieb integriert
 und zweifelsfreie Vorgaben existieren        fall, der durch die gesetzliche Unfallver-    sind, wirkt das „Haftungsprivileg“ der ge-
 (Beispiel: „Jeweils 5 ml Medikament          sicherung abgedeckt ist.                      setzlichen Unfallversicherung.
 X vor jeder Mahlzeit oder Gabe von ei-
 nem Medikament Y bei einem epilep-           Die Übernahme dieser Aufgaben durch           Bei Fehlern in der Medikamentengabe
 tischen Anfall“ etc.).                       die Betreuer*innen hat auf den gesetz-        trifft Betreuer*innen weder zivilrechtliche
                                              lichen Unfallversicherungsschutz der          Haftung, noch haben sie mit strafrecht-
 Schriftliche Einverständniserklä-            Schüler*innen keinen Einfluss. Sie sind       lichen Konsequenzen zu rechnen, wenn
 rung der Erziehungsberechtigten              ebenso geschützt wie die „gesunden“           sie nach bestem Wissen und ihren Fähig-
                                              Kinder, wenn sie einen Unfall erleiden,       keiten entsprechend gehandelt haben.
 Es muss eine schriftliche Einverständ-       auch wenn sich die Folgen wegen der
 niserklärung der Erziehungsberechtig-        Vorerkrankung gravierender auswirken.
 ten vorliegen. Hierbei kann z. B. ein For-   Kommt es bei der Gabe des Medikaments
 mular als Muster verwendet werden.           zu einem Fehler, der zu einem Gesund-
                                              heitsschaden des Kindes oder Jugend-
 „Unterweisung“ durch den                     lichen führt, liegt ein Arbeitsunfall vor.
 betreuenden Mediziner
                                              Haftung der Betreuer*innen
 Um die Betreuer*innen besser auf
 nicht alltägliche Situationen bei der        Die haftungsbefreienden Wirkungen des
 Behandlung eines chronisch kranken           „Haftungsprivilegs“ aus den Bestimmun-
 Kindes vorzubereiten (z. B. allergi-         gen der gesetzlichen Unfallversicherung
 scher Schock), kann der behandelnde          (§§ 104 ff. SGB VII) sind in erster Linie
 Arzt für das Personal eine Einweisung        davon abhängig, dass sowohl auf Seiten
 geben, um auch das Verhalten in Not-         der „Betreuung“ als auch auf Seiten der
 situationen abzustimmen. Es sollten          „Kinder“ in der gesetzlichen Unfallversi-
 möglichst mehrere Betreuer*innen             cherung „Versicherte“ in einem betriebli-
 unterwiesen werden, um urlaubs-              chen Zusammenhang aufeinandertreffen.
 oder krankheitsbedingte Ausfälle zu
 kompensieren. Außerdem sollte der            Im Rahmen von schulischen Betreuungs-
 betreuende Mediziner oder ein be-            angeboten können verschiedene Perso-
 nannter Vertreter jederzeit telefonisch      nen tätig sein, die in der gesetzlichen
 für Rücksprachen erreichbar sein.            Unfallversicherung als „Versicherte“ gel-
                                              ten. Pädagogisches Personal der Schule,
 Medikamentengabe durch „unter-               von ihr eingesetzte Betreuer*innen, aber
 wiesene“ Personen                            auch weitere durch die jeweiligen Träger
                                              (Betreuungsvereine) beschäftigte Perso-
 Nur „unterwiesene“ und eingewiesene          nen genießen in der Regel Versicherungs-
 Personen sollen die Medikamenten-            schutz. Auch Eltern, Großeltern oder Dritte
 gabe vornehmen.                              sind (nach anderen gesetzlichen Grund-
                                              lagen) unter Umständen versichert, wenn

10   inform | September 2017
Schutz und Leistungen

                                                                                           Hilfe im Notfall

         »»Wichtig ist, dass man gemeinsam                                                 Tritt bei einem Kind während der Nach-
                                                                                           mittagsbetreuung ein Notfall ein, zum
       mit den Eltern zu einer Lösung kommt,                                               Beispiel bei einer schweren allergischen
       die für das Kind gut und sicher und für                                             Überreaktion, sind alle Personen gesetz-
                                                                                           lich verpflichtet, Hilfe zu leisten. Perso-
              die Betreuer leistbar ist. «                                                 nen, die im konkreten Unglücksfall Hilfe
                           Alex Pistauer, Unfallkasse Hessen                               leisten, stehen dabei unter dem Schutz
                                                                                           der gesetzlichen Unfallversicherung.

                                                                                           Ein „Unglücksfall“ liegt immer dann vor,
                                                                                           wenn Schäden für bestimmte Personen
                                                                                           oder Sachen drohen oder bereits eintre-
                                                                                           ten, aber noch nicht abgeschlossen sind.
                                                                                           Dabei kommt es grundsätzlich nicht
                                                                                           darauf an, wie erheblich der Schaden ist.
                                                                                           Gegenüber den Geschädigten sind die
                                                                                           Hilfe leistenden Betreuer*innen grund-
                                                                                           sätzlich davon befreit, für Schäden zu
                                                                                           haften, die durch ihre Notfall-Hilfeleistung
                                                                                           entstehen.                                 >|

                                                                                                                                     Alex Pistauer
                                                                                                                069 29972-300, a.pistauer@ukh.de

                                                                                           Weitere Informationen:

                                                                                           … z. B. zur Definition von „Medizinischen
                                                                                           Hilfsmaßnahmen“ und „Medizinischen Maß-
                                                                                           nahmen“, finden Sie in unseren Beiträgen
                                                                                           „Ja, Sie dürfen helfen!“ in inform 1/2017 und
                                                                                           2/2017. Muster für eine Übertragung der Per-
                                                                                           sonensorge und Regelungen zu medizinischen
                                                                                           Hilfsmaßnahmen sowie der Medikamenten-
                                                                                           gabe an Schulen und während schulischer
                                                                                           Betreuungsmaßnahmen und Muster für Notfall-
                                                                                           pläne bei Allergien oder anderen chronischen
                                                                                           Erkrankungen finden Sie auf www.ukh.de.

                                                                                           Mehr:

                                                                                           ǣǣwww.ukh.de, Webcode U1190
                                                                                           ǣǣwww.kinderkliniken.de
Medizinische Hilfsmaßnahmen                                                                ǣǣwww.schuleundgesundheit.de
                                               „Medizinische Hilfsmaßnahmen“
Zu unterscheiden ist zwischen „medizi-         sind Maßnahmen der ärztlich verord-
nischen Maßnahmen“ und „medizini-              neten medizinischen Versorgung, die
schen Hilfsmaßnahmen“.                         nicht Notfallversorgung sind, die mit
                                               keinem unmittelbaren körperlichen
Medizinische Maßnahmen sind Maßnah-            Eingriff einhergehen und infolgedes-
                                                                                         Bilder: ©Adobe Stock

men der medizinischen Versorgung, die          sen keine medizinische Fachausbil-
eine medizinische Fachausbildung vor-          dung voraussetzen. Medizinische
aussetzen. Hierunter fallen beispielswei-      Hilfsmaßnahmen können durch infor-
se das Legen von Sonden und Kathetern,         mierte und ggf. geschulte Laien durch-
das Absaugen von Schleim/Sputum und            geführt werden. Hierzu zählen u. a. die
das Verabreichen von intravenösen Injek-       Gabe von Medikamenten, Tabletten,
tionen. Solche „Medizinischen Maßnah-          Zäpfchen, Sprays, Tropfen, die Insu-
men“ dürfen grundsätzlich nicht auf das        linabgabe mittels eines Pens oder
Betreuungspersonal übertragen werden,          Knopfdrucks der Insulinpumpe, die
weil diese Personen in der Regel keine         Überwachung von Injektionen und die
medizinische Fachausbildung haben.             Messung von Körperfunktionen.

                                                                                                                            inform | September 2017   11
Schutz und Leistungen

Unfallschutz bei der betrieblichen Gesundheitsförderung

Erfolgreiche Unternehmen dank aktiver Mitarbeiter
Auch öffentliche Arbeitgeber erkennen mehr und mehr die Wichtigkeit und den Nutzen der betrieb-
lichen Gesundheitsförderung (BGF). So vielfältig die Angebote sind, so umfangreich sind auch die
Fragen rund um den Versicherungsschutz für die Teilnehmer. Klare Regelungen und Vorgaben des
Arbeitgebers sorgen für Sicherheit.

Ein Teufelskreis                              gewiesen. Damit rücken Aspekte wie so-          heit eine wesentliche Bedeutung zukommt.
                                              zialer Zusammenhalt am Arbeitsplatz,            Deshalb muss die Teilnahme an der Maß-
Die häufigste Ursache gesundheitlicher        Mitgestaltungsmöglichkeiten oder auch           nahme angerechnet werden
Probleme in der heutigen Zeit der Entwick-    Freude an der beruflichen Tätigkeit selbst
lung in Richtung Dienstleistungsgewerbe       in den Mittelpunkt des gesundheits-             • entweder auf die Arbeitszeit
ist eine körperliche Unterforderung. Ge-      förderlichen Interesses.                        • oder auf das Weiterbildungskonto
treu dem Motto: „Was nicht genutzt wird,                                                       des Beschäftigten
das verkümmert“, können fehlende kör-         Die BGF umfasst die Bereiche des Ge-
perliche Anstrengungen massive nega-          sundheits- und Arbeitsschutzes, des be-         Klarheit sorgt für Rechtssicherheit!
tive Erscheinungen wie Rückenschmer-          trieblichen Eingliederungsmanagements
zen, Gelenkprobleme oder Stoffwechsel-        sowie der Personal- und Organisations-          Je klarer die Regelung, desto eindeutiger
störungen begünstigen. Neben der              politik. Sie schließt alle im Betrieb durch-    ist die Beurteilung des Versicherungs-
physischen Unterforderung entsteht häu-       geführten Maßnahmen zur Stärkung der            schutzes. Sorgen Sie also im Vorfeld für
fig eine Überforderung auf der psychi-        gesundheitlichen Ressourcen ein.                klare Regelungen. Bringen Sie zum Aus-
schen Ebene durch Zeitdruck, Arbeitstem-                                                      druck, welche Maßnahmen Sie als Be-
po und Kommunikationsgeschwindigkeit,         Aus dieser Erkenntnis heraus stößt die          standteil des Beschäftigungsverhältnis-
die u. a. verantwortlich für eine steigende   BGF auf zunehmend größeres Interesse,           ses sehen und welche Sie ausdrücklich
Zahl an psychischen Erkrankungen im           da sie ein geeignetes Mittel ist, auf die       ablehnen.
Arbeitsalltag sind. Der Ausgleich fehlt, da   gesundheitlichen Beanspruchungen der
Privat- und Arbeitsleben oftmals nicht        Beschäftigten und auf veränderte psychi-
mehr klar voneinander getrennt werden         sche Belastungen angemessen zu reagie-           Versicherte BGF-Maßnahmen –
können.                                       ren.                                             Fallbeispiele aus der Praxis

Es gibt einen einfachen Weg aus diesem        Versicherungsschutz                              Gesundheitstag
Teufelskreis – Bewegung und körperliche                                                        Der Arbeitgeber veranstaltet einen
Aktivität als Mittel einer Regulation, mit    Veranstaltungen der betrieblichen Ge-            Gesundheitstag während der Ar-
Reizen für alle Organsysteme, der Mög-        sundheitsförderung sind versichert, wenn         beitszeit, an dem alle Beschäftig-
lichkeit des mentalen Ausgleichs und des      sie dem Beschäftigungsverhältnis zuzu-           ten teilnehmen können. Versichert
sozialen Austauschs. Bewegungsprogram-        rechnen sind und im Interesse des Unter-         ist die Teilnahme an allen Angebo-
me sowie die Verbesserung der Verhält-        nehmers liegen. Kein gesetzlicher Unfall-        ten.
nisse im Unternehmen stellen die wesent-      schutz besteht dagegen, wenn der Arbeit-
lichen Faktoren einer erfolgreichen Ge-       geber die Teilnahme an einer Maßnahme            Gesundheitsseminar
sundheitsförderung dar.                       ausdrücklich ablehnt. So weit die Theorie.       Der Arbeitgeber hat ein zweitägi-
                                              In der Praxis sind die Verhältnisse oft nicht    ges auswärtiges Seminarangebot
BGF als Unternehmensstrategie                 so eindeutig. Der Arbeitgeber fördert hier       „Work-Life-Balance“ im Weiter-
                                              beispielsweise Maßnahmen durch finan-            bildungsprogramm aufgeführt.
Bei Betrieblicher Gesundheitsförderung        zielle Hilfen oder er duldet lediglich die       Er übernimmt die Kosten und stellt
geht es um viel mehr als um Obstkörbe         Durchführung im Betrieb.                         Arbeitszeit zur Verfügung.
und Business Runs. Eine moderne Unter-
nehmensstrategie geht von der Annahme         Förderung oder Duldung?                          Bildungsprogramm
aus, dass unsere persönliche Gesundheit                                                        Den Beschäftigten wird u. a. das
maßgeblich durch das Unternehmen, in          Als Grundsatz gilt: Versicherungsschutz          Seminar „Endlich für immer Nicht-
dem wir arbeiten, mitgeprägt wird. Um-        bei der Teilnahme an Maßnahmen des               raucher!“ angeboten. Die Teilnahme
gekehrt ist jedes Unternehmen auf die         BGF besteht immer dann, wenn dem Be-             gilt als Arbeitszeit.
Leistungsfähigkeit und damit auch auf die     triebsinteresse im Verhältnis zum privaten
Gesundheit seiner Mitarbeiter*innen an-       Interesse des Versicherten an der Gesund-

12   inform | September 2017
Schutz und Leistungen

                                        BGF lohnt sich für Unternehmen:

                                        • erhöhte Arbeitszufriedenheit und -produktivität
                                        • gesteigerte Produkt- und Dienstleistungsqualität
                                        • verbesserte betriebliche Kommunikation und Kooperation

                                                                                                                                           Bild: ©Adobe Stock
                                        • langfristige Senkung von Krankheitskosten
                                        • Imageaufwertung für das Unternehmen
                                        • besseres Betriebsklima
                                        • gesünderes Verhalten in Betrieb und Freizeit

Aktive Pause                            Anfahrt, aber nur unter der Bedin-          BGF-Maßnahmen als versicherter
Der Arbeitgeber organisiert in der      gung, dass die Beschäftigten an             Betriebssport:
Mittagspause sportliche Aktivitä-       dem Seminar in ihrer Freizeit teil-
ten und erkennt hierfür 30 Minuten      nehmen.                                     • Das Unternehmen organisiert
als Arbeitszeit an. Die Aktivitäten                                                   im Rahmen des wöchentlich statt-
werden von Mitarbeitern im Auftrag      Kurse außerhalb der Arbeitszeit               findenden Betriebssports unter-
des Arbeitgebers betreut, die über      Entspannungskurse finden im                   schiedliche Bewegungskurse.
entsprechende Qualifizierungs-          Anschluss an die Arbeitszeit statt
maßnahmen verfügen.                     – ohne Zeitgutschrift oder Anrech-          • Das Unternehmen bietet in einem
                                        nung auf ein Weiterbildungskonto.             öffentlichen Schwimmbad wö-
Regelmäßige Gruppenkurse                                                              chentlich Wassergymnastik an.
Ein Entspannungskurs findet zwei-       Kostenbeteiligung Fitnesscenter               Die Organisation (Führen der Teil-
mal wöchentlich während der Ar-         Der Arbeitgeber beteiligt sich mit            nehmerlisten, Zu- und Absagen,
beitszeit im Betrieb statt. Teilneh-    50 Prozent am Beitrag für den Be-             Vertragsverhandlungen mit dem
mer und Arbeitgeber übernehmen          such im Fitnesscenter. Eine Anrech-           Schwimmbad, Übernahme der
jeweils anteilig die Kosten für den     nung auf die Arbeitszeit oder ein             Kosten für die Hallenmiete etc.)
Trainer.                                Weiterbildungskonto gibt es nicht.            werden vom Arbeitgeber durch-
                                                                                      geführt. Die Durchführung der
Vorgeschriebene Immunisierungs-         Fitnessraum im Betrieb                        Kurse übernimmt eine qualifizierte
maßnahmen                               Die Unternehmensleitung stellt den            Übungsleiterin, die vom Arbeit-
Der Arbeitgeber veranlasst eine         Beschäftigten einen Fitnessraum               geber bezahlt wird.
für die Tätigkeit des Beschäftigten     zur Verfügung, der jedoch nur au-
notwendige Impfung (z. B. Hepati-       ßerhalb der Arbeitszeiten genutzt           Betriebliche Gemeinschafts-
tis-Impfung), die vom Betriebsarzt      werden darf.                                veranstaltungen
durchgeführt wird.                                                                  Auch im Rahmen betrieblicher Ge-
                                                                                    meinschaftsveranstaltungen kön-
Übungen am Arbeitsplatz                Abgrenzung zu anderen versicherten           nen BGF-Maßnahmen durchgeführt
Im Auftrag des Arbeitgebers zeigt      betrieblichen Tätigkeiten                    werden. So sind zum Beispiel Wan-
eine qualifizierte Physiotherapeu-                                                  dertage, Fahrrad- oder Kanutouren
tin den Beschäftigten Übungen zur      Die Maßnahmen der BGF sind von an-           als betriebliche Gemeinschafts-
Lockerung, Kräftigung, Dehnung         deren betrieblichen Aktivitäten oder         veranstaltungen versichert, ebenso
und Entspannung der Rückenmus-         Veranstaltungen abzugrenzen. Zweck           wie Stadtbesichtigungen mit Wan-
kulatur am Arbeitsplatz.               des BGF ist es, die Gesundheit der Be-       derungen, Bootsfahrten oder Mu-
                                       schäftigten zu erhalten oder zu stärken.     seumsbesuche.			                  >|
BGF-Maßnahmen ohne Unfall-             Deshalb zählen Betriebsfeiern, Gemein-
schutz – Fallbeispiele:                schaftsveranstaltungen, teambildende                                       Alex Pistauer
                                                                                             069 29972 300, a.pistauer@ukh.de
                                       Maßnahmen oder Angebote mit Beloh-
Empfehlung des Arbeitgebers            nungs- oder reinem Erholungscharakter
                                                                                  Mehr:
Der Arbeitgeber empfiehlt die Teil-    grundsätzlich nicht zur Gesundheitsför-
nahme am auswärtigen Seminar           derung. Versicherungsschutz für solche     ǣǣhttp://bit.ly/2goiCM8
„Work-Life-Balance – persönliches      Maßnahmen ist ggf. nach anderen Kri-       ǣǣwww.dnbgf.de
Gesundheitsmanagement in der           terien zu prüfen.
Praxis“. Er übernimmt die Kosten
der Hotelunterbringung und der

                                                                                                            inform | September 2017   13
Schutz und Leistungen

 Wertvolle Netzwerke                  Markus Röder über Werte und respektvolles Miteinander

„Ich arbeite mit voller Kraft daran, unserer Gemeinde
 eine gemeinsame Identität zu geben.“
 Netzwerke sind Strukturen, die durch Verbindungen miteinander in Beziehung stehen. „Networ-
 king“ bedeutet in der Geschäftswelt: sich austauschen, gemeinsam Lösungen finden, statt allein
 Probleme zu wälzen, Feedback und Zugang zu Spezialwissen erhalten und so sein Fachwissen
 und vielleicht sogar seinen Horizont erweitern. Genau diese Anforderungen erfüllt das Netzwerk
 „Unfallkasse und Bürgermeister*innen“. Warum das so ist, zeigt unsere neue Serie: „Wertvolle
 Netzwerke – Sicher. Gesund. Miteinander.“ In jeder Ausgabe stellen wir ab jetzt Netzwerker vor.

 Der parteilose Bürgermeister Markus
 Röder konnte sich am 15. Juli 2012 gegen
 vier weitere Kandidaten im ersten Wahl-
 gang durchsetzen und trat das Amt am
 1. November 2012 an. In seinem Vor-Bür-
 germeisterleben bekleidete der heute
 fünfundvierzigjährige Diplom-Betriebs-
 wirt u. a. die Position des Bereichsleiters
 für Controlling und IT in einem Frankfurter
 Wirtschaftsunternehmen. Markus Röder
 ist verheiratet und Vater eines siebenjäh-
 rigen Zwillingspärchens. Die Familie und
 die tiefe Verbundenheit mit seiner Hei-
 matregion machten es ihm leicht, Frank-
 furt den Rücken zu kehren und sich zu
 seinen Wurzeln zu bekennen: Er ist im
 Ortsteil Elters aufgewachsen und kennt
 Hofbieber und seine Eigenheiten von
 klein auf. Der Bürgermeister ist stark mit
 der Natur verbunden, die hier reichlich
 vorhanden ist, und vertritt die Überzeu-
 gung, dass die Work-Life-Balance hier
 auch für einen fast rund um die Uhr arbei-
 tenden Bürgermeister völlig ausgewogen
 ist. Zu seinen Hobbys – er lief Halbmara-
 thon – kommt er fast gar nicht mehr, weil
 „er noch so viel zu entscheiden hat“. Für
 ein Hobby nimmt Markus Röder sich aber
 immer die Zeit: Als aktives Mitglied der
 Trachtenkapelle Elters/Rhön ist er regel-
 mäßig als Bariton- bzw. Tenorhornbläser
 und auch als Sänger im Einsatz.

 Hofbieber in der Nähe von Fulda hat fast
 6.300 Einwohner in 16 Ortsteilen und liegt
 inmitten der herrlichen Rhön. Die höchs-
 te Erhebung der Gemeinde Hofbieber ist
 mit 835 Metern die Milseburg. Geschich-
 ten und Sagen ranken sich um diesen
 Berg, auf dessen Gipfel eine kleine Kirche
 steht, die seit Jahrhunderten Ziel von

 14   inform | September 2017
Schutz und Leistungen

Wallfahrern aus der gesamten Rhön ist.        seiner Amtszeit wurden nebenbei bereits
Bürgermeister Röder war mit dem Ziel in       ein Seniorenheim, eine Rettungswache
Hofbieber angetreten, zunächst vorhan-        und ein Dorfgemeinschaftshaus einge-
dene Defizite abzuarbeiten, u. a. die Haus-   weiht.
haltskonsolidierung anzugehen sowie die
eher schlechte Stimmung zu wandeln, die       Markus Röder: „Für mich ist innerhalb der
innerhalb der Gemeinde um sich gegriffen      Gemeinde das Gefühl der Gemeinsamkeit
hatte. Danach wollte er sich mit Überzeu-     sehr wichtig, dieses ‚Wir ziehen alle an
gungsarbeit an Neues wagen, z. B. das         einem Strang‘. Diese Verbundenheit war
Rathaus digital aufzustellen und Prozesse     in den letzten Jahren verloren gegangen.
zu analysieren, umzustrukturieren und         Ich möchte für die Bürgerinnen und Bür-            »»Man kennt
Transparenz und Nachhaltigkeit als Grund-     ger identitätsstiftend wirken und mit gu-
sätze der Verwaltungsarbeit zu implemen-      tem Beispiel vorangehen. Man erwartet
                                                                                              sich doch, ich bin
tieren. Stichpunkte dazu sind Glasfaser-      mich auf Veranstaltungen, Urlaub hin                von hier. «
ausstattung, flexible Arbeitszeiten, Home-    oder her, und ich nehme diese Verpflich-
office und die Unterstützung junger Eltern,   tungen gern an, fast rund um die Uhr und         Markus Röder, aktives Mitglied der
                                                                                                 Trachtenkapelle Elters/Rhön
um diesen den Spagat zwischen Familie         sieben Tage die Woche. Auch bemühe ich
und Beruf zu erleichtern. Und während         mich um die Nähe zum Bürger und um

                                                                                          Verständnis für alle Anliegen und Sorgen.
                                                                                          Ich bin von hier, man kennt sich doch.
                                                                                          Und fast alle merken inzwischen, dass wir
                                                                                          auf einem guten Weg sind.“

                                                                                           Wertvolle Netzwerke –
                                                                                           Sicher. Gesund. Miteinander

                                                                                           „Die UKH ist eine tolle Institution, die
                                                                                           uns bei sehr vielen Fragen weiterhilft.
                                                                                           Unsere Zusammenarbeit ist von Ver-
                                                                                           trauen, Verbindlichkeit und Kommu-
                                                                                           nikation geprägt. Die „Produkte“ der
                                                                                           UKH – Präventionsangebote, Ver-
                                                                                           sicherungsschutz für Ehrenamtliche
                                                                                           und Leistungen im Ernstfall – sind her-
                                                                                           vorragend. Das Preis-Leistungsver-
                                                                                           hältnis passt. Ich bin froh, dass es die
                                                                                           UKH gibt.

                                                                                           Die Werte, nach denen ich lebe und
                                                                                           arbeite, sind dieselben wie die der
                                                                                           UKH: Vertrauen, Einfühlung, Respekt,
                                                                                           Toleranz und Solidarität sind die
                                                                                           Grundlagen jedes Zusammenlebens
                                                                                           und Zusammenarbeitens. Dazu gibt
                                                                                           es meiner Meinung nach nichts weiter
                                                                                           zu sagen.“                        >|
                                                                                                                                           Bild: ©Adobe Stock

                                                                                                        Interview: Sabine Longerich
                                                                                                 069 29972-619, s.longerich@ukh.de

                                                                                                                 inform | September 2017           15
Sicherheit und Gesundheit

Arbeiten 4.0 und Industrie 4.0, Teil 2

Den Wandel sozialverträglich gestalten
Die Chancen und Risiken von Arbeiten 4.0 haben wir in der letzten Ausgabe von
inform ausführlich beschrieben. Nun beschäftigen wir uns mit Lösungsansätzen zur
Erhaltung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Im Weißbuch des Bundes-
arbeitsministeriums (2016) werden einige Eckpunkte benannt, um den Wandel sozial-
verträglich und mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten zu
gestalten. Es werden sowohl Strategien zur Verbesserung von Sicherheit und Gesund-
heit für die veränderten Arbeitsplätzen als auch politische Absichten formuliert.

Ideen zur Erhaltung von Sicherheit und         lungsabteilungen der Firmen stattfinden.      die neuen Arbeitsformen und ihre Risiken
Gesundheit bei der Arbeit                                                                    und Chancen noch wenig. Um ihnen eine
                                               Wird die Arbeit von einem festen Arbeits-     fundierte Beratung der Betriebe zu ermög-
Möchte man den Wandel der Arbeit sicher        ort entkoppelt (ortsflexibles Arbeiten),      lichen, sind sie entsprechend zu quali-
und gesund gestalten, kommt man an der         entstehen neue Anforderungen an den           fizieren. Gleiches gilt für die Arbeits-
Frage der Arbeitszeiten nicht vorbei. Die      Schutz der Beschäftigten. Die Unfallver-      schutzexperten der staatlichen Arbeits-
Lösung des Zusammenhangs zwischen              sicherungsträger müssen Strategien zur        schutzverwaltung. Wichtig werden auch
Arbeit auf der einen und der Betriebsstät-     Erhaltung von Sicherheit und Gesundheit       psychische Belastungen, die sich aus den
te und festen Arbeitszeiten auf der anderen    an solchen Arbeitsplätzen entwickeln.         neuen Arbeitsformen ergeben können.
Seite bietet für Beschäftigte und Arbeit-      Gleiches gilt für die internen Berater der    Da es für die neuen Arbeitsformen noch
geber Chancen und Risiken zugleich. Wer-       Betriebe (Fachkräfte für Arbeitssicherheit,   kaum Normen und Regeln gibt, wird das
den Arbeitszeiten ausschließlich vom           Betriebsärzte), die ebenfalls befähigt        Augenmerk der Aufsichtspersonen zu-
Arbeitgeber bestimmt, stellt dies einen        werden müssen, Führungskräfte und Be-         nächst auf der Beratung und Begleitung
starken Stressor dar. Liegt die Planung        schäftigte kompetent zu beraten und zu        der Veränderungin den Betrieben liegen.
der Arbeitszeit hingegen weitgehend in         unterstützen.
den Händen der Beschäftigten, stellt die-                                                    Je weniger Faktoren (Arbeitszeit, Ort, Ar-
se Selbstbestimmung eine starke Res-           Gerade bei einer hohen Eigenverantwor-        beitsweise) in den Betrieben klar geregelt
source dar, die andere Belastungen „ab-        tung der Beschäftigten für die Strukturie-    und vorgeschrieben sind, desto wichtiger
puffern“ kann. So ist es wichtig, die Flexi-   rung ihrer Arbeit ist der Grat zwischen       ist die Förderung einer nachhaltigen
bilitätsanforderungen der Betriebe mit         gesundheitsförderlicher Flexibilität und      Präventionskultur. Nur diese ist flexibel
den Selbstbestimmungswünschen der              gesundheitsschädlicher Fremdbestim-           genug, eine sich ständig verändernde
Beschäftigten auszutarieren. Hierzu schei-     mung schmal. Daher sind die Fortbildung       Arbeitswelt mit ständig neuen Risiken so
nen tarifliche und betriebliche Vereinba-      und Befähigung der Beschäftigten zur          zu begleiten. Der Schutz der Beschäftig-
rungen am besten geeignet. So plant zum        Vorbereitung auf ihre wachsende persön-       ten beruht nicht mehr alleine auf der Be-
Beispiel das Bundesarbeitsministerium          liche Verantwortung für die eigene Ge-        folgung von Regeln, sondern auch auf
im Rahmen einer Experimentierklausel,          sundheit wichtig. Derlei Qualifizierungen     dem Bekenntnis des Unternehmens zur
den Tarifpartnern die befristete Möglich-      können Teil eines betrieblichen Gesund-       Notwendigkeit der kontinuierlichen Ver-
keit zu geben, flexible Arbeitszeitregelun-    heitsmanagements (BGM) sein – oder            besserung von Sicherheit und Gesundheit
gen auch in Abweichung vom Arbeitszeit-        aber (ggf. mit Unterstützung von Kranken-     am Arbeitsplatz. Hier setzt auch die kom-
gesetz zu erproben.                            kassen) in Rahmen einer betrieblichen         mende Präventionskampagne von Unfall-
                                               Gesundheitsförderung (BGF) angeboten          kassen und Berufsgenossenschaften an,
Erste Ansätze für einen                        werden.                                       die sich u. a. mit der systematischen Inte-
Arbeitsschutz 4.0                                                                            gration dieser Themen in die Organisati-
                                               Das Thema „wachsende Eigenverantwor-          on des Betriebs und mit der Verbesserung
Bestehende Schutzkonzepte müssen an            tung der Beschäftigten“ ist auch ein wich-    von Führung, Kommunikation, Partizipa-
die neuen Technologien angepasst wer-          tiger Bestandteil der zukünftigen Quali-      tion, Fehlerkultur und Betriebsklima be-
den. Dies betrifft zum Beispiel die Zusam-     fizierung der Führungskräfte. Diese müs-      schäftigen wird.
menarbeit von Mensch und Roboter, die          sen wissen, welche Aspekte der neuen
eine völlig andere Sensorik und Maschi-        Arbeitsformen als Stressor und welche         Politische Absichten
nensteuerung notwendig machen. Diese           als Ressource zu betrachten sind und wie
präventive Arbeitsgestaltung muss in           man ein Gesamt-Arbeitssystem bewertet.        Ein Teil der Auswirkungen von Arbeiten
enger Zusammenarbeit mit den Entwick-          Die meisten Aufsichtspersonen kennen          4.0 betrifft nicht die Themen Sicherheit

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