Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule - Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser - DGUV ...
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202-107 DGUV Information 202-107 Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser November 2019
kommmitmensch ist die bundesweite Kampagne der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie will Unternehmen und Bildungseinrichtungen dabei unterstützen eine Präventionskultur zu entwickeln, in der Sicherheit und Gesundheit Grundlage allen Handelns sind. Weitere Informationen unter www.kommmitmensch.de Impressum Herausgegeben von: Mitglieder der Arbeitsgruppe und Autoren: Deutsche Gesetzliche • Dr. Detlef Beise (Universität Leipzig Sportwissenschaft Unfallversicherung e.V. (DGUV) liche Fakultät, Institut Bewegungs- und Trainings wissenschaft der Sportarten II) Glinkastraße 40 • Axel Dietrich (Deutscher Schwimm-Verband e. V.) 10117 Berlin • Eckhard Drewicke (Ministerium für Bildung, Jugend und Telefon: 030 13001-0 (Zentrale) Sport des Landes Brandenburg) Fax: 030 13001-9876 • Maike Elbracht (Universität Münster, Institut für Sport- E-Mail: info@dguv.de wissenschaft) Internet: www.dguv.de • Boris Fardel (Unfallkasse Nordrhein-Westfalen) • Thomas Gundelfinger (Zentrum für Schulqualität und Sachgebiet Schulen des Fachbereichs Bildungseinrich- Lehrerbildung Baden-Württemberg – Außenstelle tungen der DGUV im Rahmen der Schulsportinitiative L udwigsburg) „Sicherheit und Gesundheit im und durch Schulsport“ • Dr. Andreas Hahn (Martin-Luther-Universität Halle- (SuGiS) von der Ständigen Konferenz der Kultusminister Wittenberg, Institut für Sportwissenschaft) der Länder (KMK) und DGUV • Andrea Hermann (Sekretariat der KMK) • Dr. Uwe Hoffmann (Verband Deutscher Sporttaucher e.V.) evoletics® – ein Produkt der Science on field GmbH • Dr. Heinz Hundeloh (Unfallkasse Nordrhein-Westfalen) • Matthias Mikolajski-Kusche (Senatsverwaltung für Ausgabe: November 2019 Bildung, Jugend und Familie) • Dr. Harald Rehn (Deutsche Lebens-Rettungs- DGUV Information 202-107 Gesellschaft e.V.) zu beziehen bei Ihrem zuständigen Unfallversicherungs- • Helge Streubel (Landesinstitut für Schulqualität und träger oder unter www.dguv.de/publikationen Lehrerbildung Sachsen-Anhalt) • Sibylle Wallossek (Bezirksregierung Düsseldorf) Fachliche Beratung: • Prof. Dr. habil. em. Albrecht Hummel (Technische Universität Chemnitz) • Dr. Kathleen Golle (Universität Potsdam, Humanwissen- schaftliche Fakultät, Professur für Trainings- und Bewe- gungswissenschaft) • Hans-Jürgen Gruner (science on field GmbH Leipzig)
Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser DGUV Information 202-107 November 2019
Inhaltsverzeichnis Seite Seite 1 Sicher Schwimmen Können: 4 Niveaustufen der Könnensentwicklung Bestandteil schulischer Grundbildung................... 8 im Schwimmunterricht..................................................... 24 1.1 Pädagogische Bedeutung des Schwimmens........ 9 4.1 Niveaustufe Wassergewöhnung................................... 24 1.2 Gesellschaftliche Dimension des 4.1.1 Ziele der Wassergewöhnung.......................................... 24 Schwimmens.......................................................................... 10 4.1.2 Übungen zur Entwicklung der 1.3 Schwimmlehrkräfte............................................................. 10 Wassergewöhnung.............................................................. 25 1.4 Mitverantwortung der Eltern.......................................... 10 4.1.3 Methodische Hinweise zur Wassergewöhnung.............................................................. 27 4.1.4 Kontrollverfahren zur Entwicklung 2 Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts.......... 11 der Wassergewöhnung..................................................... 27 2.1 Leitidee des Schwimmunterrichts.............................. 11 4.2 Niveaustufe Grundfertigkeiten..................................... 27 2.2 Ziele des Schwimmunterrichts..................................... 12 4.2.1 Ziele zur Entwicklung der 2.3 Zielverständnis für den Grundfertigkeiten................................................................. 27 Schwimmunterricht............................................................ 13 4.2.2 Übungen zur Entwicklung der 2.4 Entwicklung der Methodik des Grundfertigkeiten................................................................. 30 Schwimmunterrichts.......................................................... 13 4.2.3 Methodische Hinweise zur 2.5 Leitsätze zum Sicher Schwimmen Können............. 13 Entwicklung der Grundfertigkeiten............................ 33 4.2.4 Komplexübung zur Überprüfung der Grundfertigkeiten........................................................ 33 3 Unterrichtsmethoden und Rahmen 4.3 Niveaustufe Schwimmen Können (Basisstufe)...... 34 bedingungen im Schwimmunterricht...................... 19 4.3.1 Ziele zur Entwicklung der Basisstufe 3.1 Exkurs zur Didaktik und Methodik.............................. 19 Schwimmen Können........................................................... 34 3.2 Lernen / Bewegungslernen............................................. 19 4.3.2 Übungen zur Entwicklung der Basisstufe 3.3 Lehren / Lehrwege................................................................ 20 Schwimmen Können........................................................... 35 3.3.1 Ganzlern- oder Teillernmethode.................................. 21 4.3.2.1 Technik des Brustschwimmens.................................... 35 3.3.2 Methodische Grundsätze und Hinweise 4.3.2.2 Technik des Rückenkraulschwimmens.................... 37 zur Bewegungskorrektur.................................................. 22 4.3.2.3 Technik des Kraulschwimmens.................................... 39 3.4 Rahmenbedingungen........................................................ 22 4.3.3 Methodische Hinweise zur Basisstufe 3.4.1 Wassertiefen........................................................................... 22 Schwimmen Können........................................................... 40 3.4.2 Lern- und Lehrmittel........................................................... 22 4.3.4 Kontrollverfahren zur Überprüfung 3.4.3 Hinweise zum Einsatz von Schwimmbrillen.......... 23 der B asisstufe Schwimmen Können.......................... 42 4.4 Niveaustufe Sicher Schwimmen Können................. 42 4.4.1 Ziele zur Entwicklung des Sicher Schwimmen Könnens.......................................... 42 4.4.2 Übungen zur Entwicklung des Sicher Schwimmen Könnens.......................................... 43 4.4.3 Methodische Hinweise zur Entwicklung des S icher Schwimmen Könnens................................ 43 4.4.4 Kontrollverfahren zur Überprüfung des Sicher Schwimmen Könnens................................ 43 4
Inhaltsverzeichnis Seite Seite 5 Unterrichtsorganisatorische Anforderungen Glossar....................................................................................................... 74 und Bedingungen................................................................ 44 5.1 Der Ordnungsrahmen – Organisatorische Literatur..................................................................................................... 78 Grundsätze.............................................................................. 44 5.2 Standort der Schwimmlehrkraft................................... 45 Weiterführende Literatur................................................................. 79 5.3 Aufstellungsformen............................................................ 47 5.4 Einteilungsformen / Sozialformen.............................. 50 Abkürzungsverzeichnis.................................................................... 80 5.5 Organisationsformen im Wasser................................. 51 5.6 Gemeinsamer Unterricht.................................................. 53 Abbildungsverzeichnis..................................................................... 81 5.7 Organisation des Schwimmunterrichts.................... 54 5.7.1 Vorbereitung der ersten Schwimmstunde.............. 54 Anlage 1.................................................................................................... 82 5.7.2 Die erste Schwimmstunde.............................................. 55 5.7.3 Der regelmäßige Schwimmunterricht....................... 56 Anlage 2.................................................................................................... 89 Anlage 3.................................................................................................... 92 6 Ermittlung, Bewertung und Benotung von Leistung........................................................................... 57 6.1 Allgemeine Grundsätze.................................................... 57 6.2 Bewertung und Benotung in den Niveaustufen... 57 6.3 Benotung sozialer Kompetenzen – exemplarischer Kriterienkatalog.................................. 62 7 Sicherheit im Schulschwimmen................................. 64 7.1 Unfallgeschehen.................................................................. 64 7.2 Förderung von Sicherheit und Gesundheit im Schulschwimmen.......................................................... 65 7.2.1 Unfallprävention................................................................... 65 7.2.2 Grundsätzliche Präventionsmaßnahmen............... 66 7.2.3 Sicherheitsförderung......................................................... 70 7.3 Schwimmen in offenen Gewässern............................ 72 5
Vorwort Häufig ereignen sich Schwimmunfälle, weil Kinder nicht Parallel zur DGUV Information ist ein Handkarten-Set sicher schwimmen können. Dies sollten sie eigentlich rarbeitet worden, in dem die Schriftinhalte für eine gute e nach der Grundschulzeit beherrschen. Doch bei vielen praktisch-methodische Umsetzung des schulischen Kindern ist das nicht der Fall. Der sichere Aufenthalt so- Schwimmunterrichts konkretisiert bzw. in anschaulicher wie das Bewegen im Wasser ist grundlegendes Ziel der Weise aufbereitet wurden. Die Schrift wird den Schulen Schwimmausbildung in der Schule. Sicher Schwimmen als Übungshilfe für den Schwimmunterricht angeboten. Können ist daher in allen Lehrplänen bzw. Bildungsplänen der Länder eine formulierte lebenserhaltende und gesund- Diese DGUV Information ist in Kombination mit dem heitsfördernde Kernkompetenz. Besonders gefragt sind Handkarten-Set ein hilfreiches Unterrichtsmaterial für aber auch Eltern, wenn es um Aspekte der Wassergewöh- Schwimmlehrkräfte in der Grundschule, um den Schwim- nung und regelmäßiger Besuche im Schwimmbad geht. munterricht in hoher Qualität zu organisieren sowie sicher und erfolgreich durchzuführen. Die DGUV Information 202-107 „Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule – Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser“ beruht auf der Leitidee, allen Schülerinnen und Schülern in der Grundschule das Sichere Schwimmen Können als Teil der körperlichen Grundbildung zu vermitteln. Die Schrift ist ein Arbeits- ergebnis einer Maßnahme der gemeinsamen Initiative „Sicherheit und Gesundheit im und durch Schulsport“ (SuGiS) von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) und von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV). Sie knüpft damit auch inhaltlich an das Schwerpunktthema „Schwimmunfall“ der DGUV-Präventionskampagne „kommmitmensch“ an, das für den Bereich der Schüler-Unfallversicherung fest gelegt wurde. Die KMK und DGUV, sowie die in der Arbeitsgruppe betei- ligten Verbände (Deutsche Vereinigung für Sportwissen- schaft und Bundesverband zur Förderung der Schwim- mausbildung), stimmen in der Auffassung überein, dass das Schwimmen als grundlegende motorische Kompetenz für alle Schülerinnen und Schüler zu verstehen ist. Es ist grundlegend für die aktive Teilhabe an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur. Kinder sollen möglichst früh einen freudvollen und vertrauten Umgang mit dem Wasser ein- üben und das Schwimmen angstfrei erlernen. Neben dem Erlernen der Schwimmtechniken erwerben alle Schülerin- nen und Schüler weitere ausgewählte Kompetenzen für das Bewegen im Wasser. Sie können Situationen im, am und auf dem Wasser in puncto Sicherheit einschätzen und sich adäquat verhalten. 7
1 Sicher Schwimmen Können: Bestandteil schulischer Grundbildung Faszination und Attraktivität der Bewegung im Wasser In allen Epochen der gesellschaftlichen Entwicklung gibt Sicheres Schwimmen Können gehört als motorische Ba- es Verständigungen darüber, was zu einer Grundbildung siskompetenz in den Kanon der Grundbildung. Die Ausbil- für alle Angehörigen der jeweiligen Gesellschaftsforma- dung zum Sicher Schwimmen Können ist Bestandteil der tion gehört (Tenorth, 2004; Benner, 2004). Die Verstän- schulgebundenen, obligatorischen körperlichen Grundbil- digung ist auf die Beantwortung der Frage gerichtet, was dung in den Organisationsformen des Sportunterrichts. sollten alle wissen und können, welche Grundausstattung für das Verhalten der Menschen in der Welt ist sicher zu Das Lehren und Lernen des Schwimmens in den Schulen gewährleisten. Die Überlegungen zu einer Grundbildung folgen dem Konzept der bildenden Erziehung. Das heißt: für alle, haben international eine Beschleunigung und Die professionelle pädagogische Tätigkeit der Schwimm- Aufwertung durch die Organisation der Vereinten Nati- lehrkräfte hat eine schwimmerische Grundbildung zu er- onen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) möglichen, die sich im Sicheren Schwimmen Können aller und die Studien der Organisation für wirtschaftliche Zu- Schülerinnen und Schüler äußert. sammenarbeit und Entwicklung (OECD-Studien) und der damit verknüpften Literacy-Konzepte erfahren. Die Liter- Im Sportunterricht werden allen Kindern und Jugendlichen acy-Konzepte sind Grundbildungskonzepte. Das Konzept Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Werte so- der Physical-Literacy (Whitehead, 2013) wird als Konzept wie Wissen und Verständnis für eine lebenslange gesell- der Körperlichen Grundbildung verstanden und ist auf die schaftliche Teilhabe am Sport vermittelt. Entwicklung motorischer Basiskompetenzen fokussiert. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in Öffentliche Schulen sind die Garanten einer Grundbildung der Bundesrepublik Deutschland (KMK), die Deutsche für alle Schülerinnen und Schüler. Die Schule als gesell- Vereinigung für Sportwissenschaft e.V. (dvs), der Bundes- schaftliche Institution und Organisationsform ist der verband zur Förderung der Schwimmunterricht (BFS) und hauptsächliche Ort für die Realisierung der Grundbildung. die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) Ort und Dauer der Grundbildung sind zeitlich nicht fest stimmen in der Auffassung überein, dass das Schwim- begrenzt. So findet Grundbildung vor, während, nach und men als grundlegende motorische Kompetenz für alle neben der Grundschulzeit statt. Schülerinnen und Schüler zu verstehen ist. Es ist grund- legend für die aktive Teilhabe an der Bewegungs-, Spiel- Grundbildung schafft die Voraussetzungen für darauf aufbau- und Sportkultur2.Kinder sollen möglichst früh e inen ende Bildungsprozesse und eröffnet individuelle Bildungs- freudvollen und vertrauten Umgang mit dem Wasser gänge. Körperliche Grundbildung (Physical Literacy) lässt einüben und das Schwimmen angstfrei erlernen. Raum für Steigerungsformen (vertiefend, erweiternd). Sie er- möglicht Übergänge zu anderen Bildungsorten (z. B. Vereine) Ziel des Schwimmunterrichts in der Schule ist das Erwer- und Bildungsmodalitäten (z. B. sportliches Training). ben des Sicheren Schwimmen K önnens. Neben dem Er- lernen der Schwimmtechniken erwerben alle Schülerin- Sicheres Schwimmen Können1 erfährt außerordentlich nen und Schüler weitere ausgewählte Kompetenzen für hohe gesellschaftliche Akzeptanz und wird als etwas das Bewegen im Wasser. Sie können Situationen im, am verstanden, das jeder zu erlernen hat. Dieses Selbstver- und auf dem Wasser in puncto Sicherheit einschätzen ständnis ist historisch gewachsen und im k ulturellen Ge- und sich adäquat verhalten. dächtnis der Gesellschaft geronnen. Der Schwimmunter- richt gehört zur bewahrenswerten Tradition von Schule, Schulsport und Sportunterricht in Deutschland. 1 Mit Sicher Schwimmen Können (synonym auch sicheres Schwimmen) wird in der gesamten Schrift ein sicheres Verhalten am und im Tiefwasser sowie ein ausdauerndes Schwimmen können bezeichnet. 2 KMK, BFS, dvs 2017 8
Sicher Schwimmen Können: Bestandteil schulischer Grundbildung Abb. 1 Schwimmen Lehren und Lernen – Bewegungserlebnisse im Wasser Vor diesem Hintergrund soll mit der vorliegenden Schrift 1.1 Pädagogische Bedeutung und dem Handkarten-Set für die Praxis des Schwimm- des Schwimmens unterrichts in der Grundschule ein Unterrichtsmaterial für Schwimmlehrkräfte vorgelegt werden. Dabei richtet sich Die pädagogische Bedeutung des Schwimmens liegt vor der Fokus auf die Frage, wie der Schwimmunterricht unter allem in der Erschließung eines einzigartigen Bewegungs- den jeweiligen Rahmenbedingungen in der Grundschule3 raumes. Die dabei gesammelten vielfältigen Wahrneh- organisiert und erfolgreich durchgeführt werden kann. mungen und Erfahrungen sind für die körperliche und motorische sowie – damit eng verknüpft – die psychische und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen es- sentiell und nicht austauschbar. Schülerinnen und Schü- ler mit Beeinträchtigungen können im Wasser oftmals stärker an Bewegungsaktivitäten teilhaben als das an Land möglich ist. 3 In den Ländern Berlin und Brandenburg gibt es eine sechsjährige Grundschulzeit. 9
Sicher Schwimmen Können: Bestandteil schulischer Grundbildung 1.2 Gesellschaftliche Dimension 1.4 Mitverantwortung der Eltern des Schwimmens Den Erziehungsberechtigten obliegt eine Mitverantwor- Schwimmen ist ein unverzichtbares Erfahrungsfeld tung für das Erlernen des Schwimmens ihrer Kinder. im Entwicklungsprozess eines jeden Menschen und Eltern können den Schwimmunterricht unterstützen. begründet sich: Unterstützungsmöglichkeiten sind alle Maßnahmen, die • einerseits aus der Notwendigkeit des sicheren Verhal- zum alltäglichen angstfreien Umgang mit Wasser beitra- tens im Wasser gegenüber der Gefahr des Ertrinkens gen (z. B. Vorbereitung der Wassergewöhnung, wie Was- und ser über das Gesicht laufen lassen, ins Wasser ausatmen, • andererseits aus dem hohen gesundheitsfördernden blubbern unter Wasser, gemeinsamer Schwimmbad und freizeitrelevanten Wert dieses Bewegungsraumes. besuch und eigenes vorbildliches Verhalten). Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass alle Kinder schwimmen lernen. Dieser Konsens beruht einer- seits auf der Befürchtung, dass Nichtschwimmer höher gefährdet sind zu ertrinken und anderseits auf der Über- zeugung, dass Kindern, die nicht schwimmen können der Zugang zu wertvollen Lebensbereichen und Bewegungs- räumen verschlossen bleibt. Zudem gelingt es im Schwim- munterricht, allen Schülerinnen und Schülern positive Kör- per- und Bewegungserfahrungen zu vermitteln. 1.3 Schwimmlehrkräfte Den Schwimmlehrkräften obliegt die unmittelbare Verant- wortung dafür, dass die Schülerinnen und Schüler von Be- ginn an und über den Unterricht hinaus Freude an zielge- richteten und vielfältigen Bewegungen im Wasser haben. Das Erkunden, Erleben, Erfahren und Gewöhnen, Beherr- schen, Anwenden sowie Reflektieren von Bewegungen im Wasser ist einzigartig und faszinierend. Allen Schwimm- lehrkräften gebührt angesichts der besonderen Heraus- forderungen und Möglichkeiten, die mit der Planung und Durchführung von Schwimmunterricht verbunden sind, Respekt und Anerkennung. Die vorliegende Schrift gründet auf der Leitidee, allen Schülerinnen und Schülern in der Grundschule das Sichere Schwimmen Können als Teil der körperlichen Grundbildung zu vermitteln. Sie basiert auf den Empfeh- lungen der KMK, der dvs und des BFS für den Schwim- munterricht in der Schule und findet in dem Handkar- ten-Set eine praktisch-methodische Konkretisierung. 10
2 Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts 2.1 Leitidee des Schwimmunterrichts Die Wassergewöhnung umfasst die körperlichen Wahr- nehmungen und Adaptionen an die physikalischen Eigen- Die vorgelegte Schrift gründet auf der Leitidee, allen schaften und Wirkungen des Wassers. Sie bildet die Voraus- Schülerinnen und Schülern in der Grundschule das setzung für die solide Aneignung der Grundfertigkeiten des Sichere Schwimmen Können als Teil der körperlichen Schwimmens und umfasst vielfältige Gelegenheiten, das Grundbildung zu vermitteln. Mit dem Handkarten-Set Wasser freudvoll zu erleben, zu erfahren und wahrzunehmen wird eine praktisch-methodische Konkretisierung vor (Aufenthalt, Stehen, Gehen, Schweben, Auftreiben – mit und genommen. ohne Hilfsmittel, mit und gegen den Wasserwiderstand). Schwimmunterricht ist ein planmäßig und zielgerichtet Das Beherrschen der Grundfertigkeiten des Schwimmens angeleiteter, organisierter und gestalteter Vermittlungs- (Atmen, Tauchen, Gleiten, Springen, Rollen, Drehen, Fort- und Aneignungsprozess eines nicht austauschbaren bewegen) optimiert fundamental und komplex, lernpsy- Kulturgutes und unverzichtbaren Erfahrungswertes, der chologisch, motorisch und zeitlich die Entwicklung zielge- grundlegenden Bewegungsstrukturen des Schwimmens. richteter und vortriebswirksamer Bewegungen im Wasser. Damit wird ein spezifischer Beitrag zur Realisierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages im Sportunterricht Mit der Basisstufe Schwimmen Können wird eine Verbin- geleistet und es werden die Voraussetzungen für lebens- dung von Grundfertigkeiten und Sicher Schwimmen Kön- begleitende vielfältige Aktivitäten im und am Wasser nen vorgenommen. Es sind mindestens folgende An geschaffen. forderungen an das Niveau des Schwimmen Könnens der Schülerinnen und Schüler zu stellen: Folgende vier Niveaustufen der Entwicklung zum Sicheren Schwimmen Können4 werden beschrieben: • beliebiger Sprung ins tiefe Wasser, • anschließend 100 m in einer beliebigen Schwimm- 1. Wassergewöhnung art, keine Zeitbegrenzung, Wechsel der Schwimmart 2. Grundfertigkeiten ist erlaubt, 3. Schwimmen Können (Basisstufe) • das Wasser ohne Hilfsmittel selbstständig verlassen. 4. Sicher Schwimmen Können UNDFERTIGKEITE GR N TA AT DR SP RO BA NG GL FO SIS 2 EWÖHNU STUF Niveaustufen zum Sicher 100 m E SCHWI 1 3 Schwimmen SERG Können Abb. 2 M S Niveaustufen zum Sicher 4 WA M 60 5 55 10 Schwimmen Können 50 45 15 EN 40 20 35 25 30 SIC HER EN ES SC H WIM M 4 KMK, BFS, dvs, 2017 11
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts Mit der Realisierung dieser Anforderungen wird der 2.2 Ziele des Schwimmunterrichts Nachweis erbracht, dass die Schülerinnen und Schüler die Auftriebs- und Widerstandsbedingungen im Sinne Im Rahmen der Leitidee, an allen Schulen den Schülerin- eigener kontrollierter und koordinierter Bewegungen nen und Schülern das Sichere Schwimmen Können zu ver- zielgerichtet und andauernd für eine effektive Vortriebs- mitteln, lassen sich folgende Teilziele beschreiben: leistung nutzen können. Die Schülerinnen und Schüler sollen Das Sicher Schwimmen Können im Tiefwasser wird durch • ein Wassergefühl erwerben (als wesentliche ein qualitativ hohes Niveau des Könnens und durch Voraussetzung des Schwimmen Könnens und Ergebnis Sprünge ins Tiefwasser, einschließlich des selbständigen des Schwimmen Lernens), Verlassens des Wassers ohne Hilfsmittel gekennzeichnet. • das Schwimmen als angstfreie und freudvolle Weiterhin können beliebige Änderungen der Schwimmla- Bewegung im Wasser erleben, ge und der Fortbewegungsrichtung im tiefen Wasser so- • den natürlichen Erkundungsdrang zur Sammlung wie eine vielseitige Anwendung der erlernten Schwimm- vielfältiger Bewegungserfahrungen im Wasser nutzen, techniken (Schwimmarten) erfolgen. • mindestens eine Schwimmart beherrschen, • ausdauernd schwimmen können, Es sind mindestens folgende Anforderungen an das Ni- • Gefahrenquellen kennen und Gefährdungen vermeiden, veau des Sicher Schwimmen Könnens der Schülerinnen • einfache Maßnahmen der Selbstrettung kennen und und Schüler zu stellen: beherrschen, • Sprung ins tiefe Wasser, anschließend 15 min Schwim- men und dabei mindestens 200 m in einer beliebigen Schwimmart zurücklegen (entspricht den Anforderun- FERTIGKEIT UND EN gen des Deutschen Schwimmabzeichens in „Bronze“) GR oder DR TA SP AT RO BA • Kopfsprung ins tiefe Wasser, anschließend 100 m NG GL FO SIS 2 RGEWÖHNU Schwimmen in einer Schwimmart, mit Zeitbegren- STUF zung (maximal 3:30 min, ab Klassenstufe 9 – 2:30 min Niveaustufen zum Sicher 100 m E SCHWIM [männlich] / 2:45 min [weiblich]); 100 m Schwimmen in 1 Schwimmen 3 einer zweiten Schwimmart, keine Zeitbegrenzung. Können SSE 4 WA ME Die vier Niveaustufen zum Sicheren Schwimmen Können 60 5 55 10 50 45 15 40 20 35 25 30 N lassen sich als Standards eines modernen, methodisch SIC strukturierten Schwimmunterrichts verstehen. HER EN ES SC H WIM M Die individuellen Entwicklungsverläufe werden mittels unterscheidbarer Niveaustufen gekennzeichnet und be- Nichtberufliche Anwendungsfelder schrieben. Schwimmsportarten, Tauchsport, Kanu, Rudern, Rettungsschwimmen, Segeln, Rafting, Wasserski, Das Sicher Schwimmen Können ist Bestandteil der um- Gesundheitssport, Prävention, Rehabilitation fassenden sportlich-motorischen Handlungskompetenz. Berufliche Anwendungsfelder Für die Schwimmlehrkraft gilt es, die individuellen Voraus- setzungen in Übereinstimmung mit den objektiven Anfor- Bäderbetriebe, Rettungsdienste, Schifffahrt, Bootsbau, Bundeswehr, Polizei, Wasserwirtschaft, Umwelttechnik, derungen der Niveaustufen zu bringen. Dies kann durch Reise- und Touristikberufe, Meeresbiologie, das Stellen von differenzierten Bewegungsaufgaben im medizinische Berufe, Prävention, Rehabilitation Schwimmunterricht erreicht werden. Abb. 3 Niveaustufen und komplexe Anwendungsfelder des Schwimmens 12
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts • nachhaltiges Interesse am Schwimmen und Wesentliche Grundlagen für die methodische Weiterentwick- Schwimmsport entwickeln sowie lung wurden im Weiteren von folgenden Autoren geschaffen: • den gesundheitlichen Wert erfahren und erkennen. Tetschke (1960), Lewin (1994), Graumann / Plesser (1994), Wilke / Daniel (1996), Lange / Volck (1999), Barth / Dietze Mit der Realisierung der Ziele werden entscheidende Vor- (2002) und Reischle / Ahner / Gundelfinger (2018). aussetzungen für das sichere Ausüben einer Vielzahl von schwimm- oder wassersportlichen Aktivitäten mit hohem Hieraus leiten sich Überlegungen zur methodischen Kon- Erlebnis- und Freizeitwert im späteren Leben der Schüle- zeption einschließlich vielfältiger Bezüge zur Mehrpers- rinnen und Schüler entwickelt und darüber hinaus werden pektivität des Schwimmunterrichts ab. Voraussetzungen für berufliche Perspektiven geschaffen. (Vgl. Abb. 3) 2.5 Leitsätze zum Sicher Schwimmen Können Die Realisierung der Leitidee und Ziele bedarf eines di- daktischen Rahmens und methodisch untersetzter Hand- Die Leitidee, allen Schülerinnen und Schülern in der Grund- reichungen, Orientierungen, Impulse und Anregungen. schule das Sichere Schwimmen Können als Teil der kör- perlichen Grundbildung zu vermitteln, wird durch sechs Leitsätze konkretisiert. Diese Leitsätze sind Prinzipien für 2.3 Zielverständnis für den Schwimmunterricht einen modernen Schwimmunterricht in der Schule. Sie bringen den Ziel-, Inhalts- und Methodenbezug zum Aus- Das Verständnis des Sicheren Schwimmen Könnens hat druck und sind als Handlungsaufforderungen für Schwimm- sich in den letzten Jahren gewandelt. Die Veränderungen lehrkräfte in der Grundschule zu verstehen. zeigen sich in der Klarheit und Überprüfbarkeit der Ziele des Schwimmunterrichts. Ausgangspunkt der Wandlung 1. Leitsatz: Die Einzigartigkeit des Wassers beachten. waren Diskurse zu den Anforderungen für den Erwerb von Wasser ist elementar, einzigartig und faszinierend. Schwimmabzeichen. So werden beispielsweise mit der Die Eigenschaften dieses Mediums bestimmen die Erfüllung der Bedingungen für das Abzeichen „Seepferd- Möglichkeiten und Grenzen des Aufenthaltes und der chen“)5 noch nicht die Voraussetzungen der Schülerinnen Bewegung. und Schüler für das Sicher Schwimmen Können erfüllt. Es ist eine Möglichkeit der Motivation auf dem Weg zum Ziel 2. Leitsatz: Die Biomechanik des Schwimmens berück- Sicher Schwimmen Können. Die motivierende Bedeutung sichtigen. Zwischen der Hydrostatik bzw. Hydrodyna- von Schwimmabzeichen für den Prozess des Schwimmen mik und den koordinierten Fortbewegungen im Wasser Lernens wird nicht in Frage gestellt. bestehen Wechselwirkungen. 3. Leitsatz: Die methodische Abfolge einhalten. Siche- 2.4 Entwicklung der Methodik des Schwim- res Schwimmen Können im Tiefwasser setzt eine zeitlich munterrichts ausreichende und inhaltlich angemessene Berücksich- tigung der Phasen der Wassergewöhnung und Entwick- Literatur zur Methodik des Schwimmunterrichts lässt sich lung der Grundfertigkeiten des Schwimmens voraus. historisch weit zurückverfolgen: u. a. Johann Christoph (Vgl. Abb. 5) Friedrich Guts Muths (1804), Nicol Wymann (1889) und Kurt Wiessner (1929). 4. Leitsatz: Die individuelle Progression der Könnens- entwicklung berücksichtigen. Die qualitative Entwick- lung des Sicher Schwimmen Könnens der Schülerinnen 5 Bedingungen für den Erhalt des Seepferdchens sind folgende Leistungen: Sprung vom Beckenrand, 25 Meter Schwimmen, Heraufholen eines kleinen Gegenstandes mit den Händen aus schultertiefem Wasser. 13
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts und Schüler erfolgt nicht linear. Die individuellen Ent- Dichte und die Auftriebskraft des Wassers überwunden wicklungsverläufe werden mittels unterscheidbarer und Rollen beispielsweise um die Breitenachse organi- Niveaustufen gekennzeichnet und beschrieben. siert werden müssen. Die Einnahme und Veränderung der Körperposition im Wasser sind anfänglich ungewohnt und 5. Leitsatz: Das Schwimmen kompetenzorientiert entwi- anders als an Land. ckeln. Kompetenzorientierter Schwimmunterricht verbin- det die Entwicklung zum Sicheren Schwimmen Können mit Die Eigenschaften des Wassers sind vielfältig: Wasser dem erforderlichen Wissen und dem sozialen Verhalten. kann fließen, spritzen, sprudeln, Wellen bilden, kühlen, wärmen. In tiefem Wasser hat man keinerlei Kontakt zum 6. Leitsatz: Die koordinativen Fähigkeiten weiterentwi- Boden; der Körper schwebt (mit Auftriebsunterstützung) ckeln. Sicheres Schwimmen Können ist Ausdruck eines frei und fast gewichtslos. Die Gelenke sind nicht durch die komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Gut Körpermasse belastet, sondern nur durch die von den ei- ausgeprägte koordinative und konditionelle Fähigkeiten genen Muskeln hervorgerufenen Kräfte. haben für den Schwimmunterricht eine basale Funktion. Wasser ermöglicht Wahrnehmungen − insbesondere takti- le, kinästhetische, vestibuläre, optische. Bewegungen kön- Nachfolgend werden Erläuterungen zu den Leitsätzen und nen im dreidimensionalen Raum ausgeführt werden und deren Bedeutung für das Lehren und Lernen im Schwim- müssen koordinativ und konditionell an die Eigenschaften munterricht gegeben: des Wassers angepasst werden. Die Wassertemperatur führt zu einem erhöhten Wärmeverlust und übt Kältereize aus. Der Körper erfährt Auftriebswirkungen und spürt die 1. LEITSATZ Dichte des Wassers. Wasser kann aber auch Ängste auslö- Die Einzigartigkeit des Wassers beachten. sen. Ein gesicherter Aufenthalt und gekonnte Bewegungen im Wasser schaffen Wohlgefühl und Souveränität. Wasser ist elementar, einzigartig und faszinierend. Die Eigen- schaften des Mediums bestimmen die Möglichkeiten und Die proaktive Herstellung der Schwimmlage erfordert das Grenzen des Aufenthaltes und der Bewegung im Wasser. Ausnutzen (Verstehen) der physikalischen Bedingungen: Der statische Auftrieb eines eingetauchten unbewegten Der Aufenthalt und die Bewegung der Schülerinnen und Körpers in einer unbewegten Flüssigkeit entspricht dem Schüler im Wasser sind im unmittelbaren Zusammenhang Gewicht des von ihm verdrängten Flüssigkeitsvolumens mit den Wirkungen der physikalischen Eigenschaften (Archimedisches Prinzip).6 Da die Schwerkraft senkrecht und Kräfte des Wassers auf den Körper mit dessen funk- nach unten wirkt und im Körperschwerpunkt (KSP) an- tionellen Möglichkeiten zu sehen und zu verstehen. Be- greift, der Auftrieb aber senkrecht nach oben wirkt und im wegungserlebnisse im Wasser sind anders als an Land. Volumenmittelpunkt (VM) angreift, entsteht ein Drehmo- Sie bilden ein unverzichtbares Erfahrungsfeld. Bisherige ment, weil die beiden Punkte nicht auf einer Wirkungsli- Bewegungserfahrungen an Land sind von Vorteil. Das nie liegen. Der KSP ist ein theoretisch konstruierter Punkt Handeln und Verhalten im Wasser ermöglichen und er- eines Körpers, in dem man sich die gesamte Masse eines fordern ein neues Wahrnehmen und Lernen. So lässt sich Körpers vereinigt denkt. Der VM bildet einen konstruierten beispielsweise eine Roll- oder Drehbewegung im Wasser Punkt, in dem man sich das gesamte Volumen des Kör- nicht in gleicher Weise wie an Land ausführen. Zu be- pers in einem Punkt vorstellt. Je größer der Abstand zwi- rücksichtigen ist dabei insbesondere, dass neben der schen KSP und VM, desto größer ist das Drehmoment – je Kopfsteuerung auch eine „kinästhetisch gefühlte“ und geringer der Abstand zwischen diesen beiden Punkten ist, gerichtete Kraft über die Hände übertragen, die höhere desto geringer ist das Drehmoment. 6 Ein Körper wiegt demzufolge um den Betrag weniger, der der von ihm verdrängten Flüssigkeit entspricht. Die Auftriebskraft wird von der Größe und Eintauchtiefe der Körperflächen und der Höhe der auf sie wirkenden Flüssigkeitssäule bestimmt. 14
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts Volumenmittelpunkt (VM) / Auftriebskraft (FA) Körperschwerpunkt (KSP) / Gewichtskraft (FG) resultierendes Drehmoment (M) Abb. 4 Körperlage, Kräfte und wirkendes Drehmoment Durch Armstreckung vor, über bzw. hinter dem Kopf resul- bewegen. Eine Sonderform ist die Fortbewegung in der tieren ein geringerer Abstand zwischen KSP und VM; ein Seitlage, die hier nicht näher besprochen wird. Die Schü- geringeres Drehmoment und damit eine wesentlich sta- lerinnen und Schüler nutzen vortriebswirksame Wechsel- bilere Wasserlage (vgl. Abb. 4). Hieraus leiten sich me- zug- bzw. Gleichzugbewegungen der Arme und Wechsel- thodische Konsequenzen für die Organisation von Bewe- bzw. Gleichschlagbewegungen der Beine bei möglichst gungen im Wasser und zur Lehrweise der Techniken der strömungsgünstigem Körperverhalten und zweckmäßiger Schwimmarten ab. Atmung. Die Anforderungen der Schwimmarten als zweck- mäßige Lösungsvarianten (Technikleitbilder) sind Ausbil- Informationen und Illustrationen zu den Eigenschaften dungsziele des Schwimmunterrichts an den Schulen. und Wirkungen des Wassers (u. a.): → Handkarten-Set für die Schwimmlehrkraft (2019) Die biomechanischen Grundlagen haben Einfluss auf die Techniken der Schwimmarten und auf die Methodik des Lehrens und Lernens im Schwimmunterricht. Die Lage des Körperschwerpunkts (KSP) und Volumenmittelpunkts 2. LEITSATZ (VMP) zueinander ist entscheidend für eine strömungs- Die Biomechanik des Schwimmens berücksichtigen. günstige und stabile Körperlage im Wasser. Sie führt häufig zur Entstehung eines Drehmoments und damit Zwischen der Biomechanik des Schwimmens (Hydrostatik zum Absinken der Beine (Abb. 4). Somit muss beim Er- bzw. Hydrodynamik) und den koordinierten Fortbewegun- lernen der Technik einer Schwimmart stets mit der Bein- gen im Wasser bestehen Wechselwirkungen. bewegung begonnen werden, um dieses Drehmoment auszugleichen. Schwimmen als Bewegungsform ist die spezifische Fä- higkeit, sich unter Ausnutzung der hydrodynamischen Wenn der Auftrieb (wirkt am VMP) größer als das Kör- Bedingungen andauernd, zielgerichtet und optimal koor- pergewicht (wirkt am KSP) ist, schwimmt der Körper, diniert im (tiefen) Wasser in Rücken- bzw. Bauchlage zu ist der Auftrieb gleich dem Körpergewicht, schwebt der 15
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts Körper. Bei einem geringeren Auftrieb gegenüber dem 3. LEITSATZ Körpergewicht sinkt der Körper. Je mehr Körpermasse ins Die methodische Abfolge einhalten. Wasser eingetaucht wird, umso größer ist die Auftriebs- kraft. Die Entlastung durch den statischen Auftrieb ist Sicheres Schwimmen Können im Tiefwasser setzt eine beträchtlich, sodass unter optimalen Bedingungen nur zeitlich ausreichende und inhaltlich angemessene Be- noch 10–15 % des Körpergewichts eines Menschen zur rücksichtigung der Phasen der Wassergewöhnung und der Wirkung kommen. Entwicklung der Grundfertigkeiten des Schwimmens vor- aus. Insbesondere die in den Erwerb der Grundfertigkei- Das bewusste Erleben dieser hydrostatischen Bedingun- ten investierte Zeit beschleunigt den Lernerfolg im Hin- gen ist eine methodische Herausforderung für den Lehr- blick auf das Sichere Schwimmen Können maßgeblich. und Lernprozess im Schwimmunterricht. Daraus resultiert, dass der anfänglichen Wassergewöhnung und den Grund- Die praktische Erprobung vielfältiger, vor allem koordi- fertigkeiten des Schwimmens eine besonders hohe Auf- nativ ausgerichteter Übungen im Wasser (wie Spiel- und merksamkeit zu widmen sind. In den Abbildungen 4 und 5 Sprungformen im Flach- und / oder Tiefwasser, Gegensatz- sind wesentliche Aussagen zu den physikalischen Kräften erfahrungen, Schwimmkombinationen, Partnerübungen, und Bedingungen im Wasser skizziert. Korrekturformen) trägt wesentlich zur Vervollkommnung des Wassergefühls und des Sicher Schwimmen Könnens Informationen und Illustrationen zu bei. Je ausgeprägter und bewusster die Wahrnehmungen Eigenschaften und Wirkungen des Wassers (u. a.): und das Wohlbefinden im Wasser sind, desto eher und → Handkarten-Set für die Schwimmlehrkraft (2019) nachhaltiger sind die Schülerinnen und Schüler in der Lage, Vortriebsleistungen zu erzeugen. Widerstand des Wassers zwei Wirkungen den Vortrieb hemmend den Vortrieb ermöglichend Nutzung Minimieren des Wasserwiderstandes zur des Wasserwiderstandes Erzeugung von Vor- und Auf- durch Reduktion von Stirn-, trieb durch zweckmäßige Reibungs- und Wirbelwider- Stellung und Einsätze der ständen Abdruckflächen Wahrnehmung und Entwicklung des Wassergefühls im Lehr- und Lernprozess Abb. 5 Widerstand des Wassers und Wassergefühl 16
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts 4. LEITSATZ 5. LEITSATZ Die individuelle Progression der Könnens Das Schwimmen kompetenzorientiert entwickeln. entwicklung berücksichtigen. Der Schwimmunterricht erfolgt kompetenzorientiert. Das Die qualitative Entwicklung des Sicher Schwimmen Kön- Sichere Schwimmen Können wird im Rahmen der schuli- nens erfolgt nicht linear. Die Schülerinnen und Schüler schen Grundbildung als eine grundlegende Kompetenz unterscheiden sich in ihren individuellen Lernvorausset- verstanden, die alle Schülerinnen und Schüler während zungen, im Lerntempo und Vorwissen sowie in ihrem Kön- ihrer Schulzeit erwerben sollten. Der absichtsvolle Er- nensstand. Sie sind unterschiedlich motiviert und begeg- werb dieser Kompetenz erfolgt im Zusammenwirken von nen dem Medium Wasser mutiger oder ängstlicher. motorischen, kognitiven und sozialen Lernvorgängen. Einsichtiges Lernen, Reflexionen und kognitive Durchdrin- Das Lehren und Lernen des Schwimmens erfordert daher in gung begünstigen die Entwicklung zum sicheren Schwim- allen Phasen und zu jeder Niveaustufe die Beachtung fol- mer. Die Schülerinnen und Schüler verstehen wozu sie gender methodischer Aspekte der Unterrichtsgestaltung: das Schwimmen erlernen, sie verstehen was sie beim Schwimmen erlernen und sie verstehen zunehmend wie Systematisch: folgerichtig, fachlich begründet, didak- sie das Schwimmen erlernen. tisch-methodisch strukturiert (z. B. Be- achtung der spezifischen Eigenschaften Das Sichere Schwimmen Können, als Ziel und höchste des Wassers, wie Temperatur, Dichte, Niveaustufe des schulgebundenen Schwimmunterrichts, Druck, hydrostatische und hydrodyna- repräsentiert die beobachtbare äußere, performative Sei- mische Bedingungen), Berücksichtigung te der Basiskompetenz Schwimmen. Von der beobachtba- individueller Voraussetzungen; ren Seite des Sicher Schwimmen Könnens, schließen die Schwimmlehrkräfte auf das Vorhandensein und die Aus- Zielgerichtet: an den Niveaustufen des Schwimmen prägung der individuellen Dispositionen, Fähigkeiten und Könnens ausrichten; Fertigkeiten seitens der Schülerinnen und Schüler. Metho- dische Maßnahmen werden in Abhängigkeit von den in- Vielseitig: möglichst viele leistungsbestimmende dividuellen Voraussetzungen und dem individuellen Lern- Faktoren berücksichtigen; tempo getroffen. Vielfältig: Übungsarten vielseitig variieren und Methodenvielfalt anwenden; 6. LEITSATZ Die koordinativen Fähigkeiten weiterentwickeln. Motivierend: Erfolgserlebnisse, Könnenserfahrungen und Kooperation ermöglichen; Sicher Schwimmen Können ist Ausdruck eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Koordinative Individuell: die persönlichen Befindlichkeiten und Fähigkeiten haben für das Erlernen des Schwimmens eine bio-psycho-sozialen Voraussetzungen grundlegende Funktion. Zwar sind koordinative Fähigkei- berücksichtigen; auf die besonderen ten (ebenso wie konditionelle Fähigkeiten) genetisch de- Interessen, Wünsche und Vorstellungen terminiert, jedoch müssen sie durch Lern-, Übungs- und eingehen; Trainingsprozesse im Kindes- und Jugendalter weiter ge- fördert werden. Nur so kann eine optimale Entwicklung Überprüfbar: Entwicklungsverläufe erfassen und dieser Bewegungsqualitäten gewährleistet werden. bewerten; Sicher: funktionale Ordnung am und im Wasser beachten; Regeln der Kommunikation und Kooperation einhalten. 17
Leitidee und Ziele des Schwimmunterrichts Nicht alle der unten aufgeführten koordinativen Fähigkeiten Der Schlüssel zum Erfolg ist das Vorhandensein bzw. der (Blume, 1978) werden beim Schwimmen in gleicher Ausprä- Erwerb des „Wassergefühls“. Diese umgangssprachliche gung eingefordert, in unterschiedlicher Akzentuierung ha- Bezeichnung müsste treffender als „Wasserbewegungs ben sie ihre Bedeutung. Für das Steuern und Kontrollieren gefühl“ im Sinne eines „Gefühls für die zweckmäßig(st)e der Schwimmbewegungen sind sie unverzichtbar: Bewegung im Wasser“, verstanden werden. Im so verstan- • Kopplungsfähigkeit (Teilkörperbewegungen, z. B. Arm- denen Wassergefühl zeigen sich die komplex verbunde- und Beinbewegung zweckgerichtet auf die Gesamtvor- nen koordinativen Fähigkeiten. triebsleistung zu organisieren), • kinästhetische Differenzierungsfähigkeit (Nuancen in Zudem haben die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit der zeitlichen, räumlichen und dynamischen Struktur dem Wasser und die individuellen Besonderheiten (z. B. der Bewegung im Wasser unterscheiden, Winkelkonstel- Fähigkeiten, Körperkonstitution) Einfluss auf das Wasser- lationen in den Gelenken der Extremitäten für den best- gefühl. Das Wassergefühl ist grundlegende Voraussetzung möglichen Abdruck vom Wasser variieren zu können), für einen erfolgreichen Schwimmunterricht und zugleich • Gleichgewichtsfähigkeit (Einnehmen und Stabilisie- als Ergebnis eines gelingenden Schwimmunterrichts durch ren der Wasserlage, Beanspruchung des vestibularen die Schülerinnen und Schüler unmittelbar zu erfahren. Systems), • Orientierungsfähigkeit (die Lage und Bewegung des Für die Entwicklung des Sicher Schwimmen Könnens ist es Körpers im Wasser in Raum und Zeit insbesondere dabei wichtig, differenziert wahrzunehmen, wie die Vor- durch Kopfsteuerung zu bestimmen und zu verändern), triebserzeugung unter Nutzung der im Wasser wirkenden • Rhythmisierungsfähigkeit (den im Schwimmen charak- Kräfte effektiv ermöglicht und zugleich der Widerstand teristischen dynamischen bzw. kontinuierlichen Wech- des Wassers effektiv überwunden wird. (Vgl. Abb. 5) sel in einem Bewegungsablauf-Zyklus zu erfassen und bewusst im Handlungsvollzug zu verwirklichen – Fre- quenz), • Umstellungsfähigkeit (Bewegungsrichtungen und -situ- ationen anzupassen und situationsbedingt zu ändern), • Reaktionsfähigkeit (schnelle Einleitung und Ausführung zweckmäßiger kurzzeitiger motorischer Aktionen auf ein Signal). 18
3 Unterrichtsmethoden und Rahmen bedingungen im Schwimmunterricht Das Lehren und Lernen im Schwimmunterricht zeichnet 3.1 Exkurs zur Didaktik und Methodik sich durch Besonderheiten aus und unterscheidet sich vom Lehr-Lern-Geschehen in anderen Bewegungsfeldern: Die pädagogische Literatur und der pädagogische Diskurs liefern ein breites Spektrum an Definitionen über die bei- Da ist zum einen die Frage des von der Gruppe genutz- den Begriffe „Didaktik“ und „Methodik“. Aus der Sicht der ten Lernortes. Einigen Schulen steht eine spezielle Lehr- Autoren wird betont, dass im Sinne dieser Empfehlungen schwimmhalle mit einer zudem noch flexibel einstellbaren die Didaktik eine, wenn nicht die zentrale Disziplin der Pä- Wassertiefe zur Verfügung, andere sind auf die Nutzung dagogik darstellt. eines öffentlichen Hallenbades angewiesen und wieder andere sind begrenzt auf normierte oder naturbelassene Sie klärt die Fragen danach, welche Unterrichtsinhalte Freibäder. Einige Bäder verfügen ausschließlich über Was- (Was soll im Schwimmunterricht gelernt werden?) unter serflächen, in denen alle Schülerinnen und Schüler mit welcher Zielstellung bzw. Sinngebung (siehe hierzu Ab- den Füßen auf dem Beckengrund stehen können. Andere schnitt 2.2 Ziele des Schwimmunterrichts) den Schülerin- Gruppen nutzen Schwimmbecken, in denen keine Schüle- nen und Schülern vermittelt werden sollen. rin bzw. kein Schüler, ohne abtauchen zu müssen, stehen kann und wiederum andere Schulen sind in der Situation Die Methodik (Wie sollen die Inhalte vermittelt und die Ziele sowohl flacheres als auch tieferes Wasser jederzeit und erreicht werden?) gehört zu den Hauptaufgaben der Planung, unabhängig von der unmittelbaren pädagogischen Not- Vorbereitung und Durchführung des Schwimmunterrichts. wendigkeit im Schwimmunterricht nutzen zu können. Der wechselseitige Zusammenhang zwischen den Zielen, Als weitere Herausforderung erweist sich die Zusammen- Inhalten und Methoden ist durchgängig zu beachten. setzung der Lerngruppe. Im Schwimmunterricht treffen geübte Vereinsschwimmerinnen und -schwimmer auf Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich vollkommen wasserunerfahrene Mädchen und Jungen. auf ausgewählte methodische Aspekte des Schwimmun- Draufgänger und Selbstbewusste finden sich gemeinsam terrichts. mit Ängstlichen und Unsicheren in der Schwimmstunde wieder, Schülerinnen und Schüler mit sichtbarem oder unsichtbarem Handicap schwimmen und lernen zusam- 3.2 Lernen / Bewegungslernen men mit Mädchen und Jungen ohne derartige Einschrän- kungen. Diese Heterogenität in einem Bewegungsraum Lernen wird als eine dauerhafte Änderung im Verhalten als mit erhöhtem Gefahrenpotential, stellt Schwimmlehrkräf- Resultat von Erfahrungen beschrieben. Lernen entsteht te vor die besondere Herausforderung, das vorgegebene durch die Aufnahme einer Information (Wahrnehmung7), curriculare Bildungsziel zu erreichen. ihrer Verarbeitung und deren abschließenden Speiche- rung. Hierbei kommt es zu Anpassungserscheinungen. Die effektiv zur Verfügung stehende Lernzeit wird durch Unter dem Begriff des Bewegungslernens wird ein ganz- spezifische Rahmenbedingungen (z. B. Rechtsverordnun- heitlicher Prozess verstanden, in dessen Ergebnis ein Be- gen, die Entfernungen zwischen Schule und Schwimmbad wegungsziel erreicht wird. Das Lernen von Bewegungen und die dafür benötigten Wegezeiten, verfügbare Wasser- erfolgt über die Grobkoordination zur Feinkoordination hin fläche) beeinflusst. zur flexiblen Anwendung der erlernten Bewegung. 7 Beim Schwimmen lernen werden mehrere Wahrnehmungskanäle parallel angesprochen: visuelle, auditive, taktile, vestibuläre, kinästhetische Wahrnehmung; dazu kommt die für das Bewegen weniger wichtige olfaktorische Wahrnehmung, die zumindest auf das subjektive Empfinden des Kindes Einflüsse haben könnte. 19
Unterrichtsmethoden und Rahmenbedingungen im Schwimmunterricht Das Erlernen des Schwimmens durch die Schülerinnen 3.3 Lehren / Lehrwege und Schüler ist ein konstruktives Geschehen, welches durch die Schwimmlehrkräfte ermöglicht wird. Abgeleitet aus den Vorstellungen, wie Schülerinnen und Schüler lernen, haben sich in der Pädagogik verschiedene Für den Prozess des Schwimmen Lernens bedeutet dies, Modelle entwickelt, die den Lehrenden aufzeigen, wel- dass Kinder, die erstmalig den Bewegungsraum Wasser che Lehrwege8 von ihnen beschritten werden können, um erfahren (Wassergewöhnung), zunächst zahlreiche Anpas- den Schülerinnen und Schülern das Sammeln, Verarbei- sungen ihres Verhaltens an die neue Umwelt vornehmen ten und Abspeichern von Erfahrungen zu ermöglichen müssen. Damit schaffen sie die Voraussetzungen, um ihre und / oder zu erleichtern. bisherigen Bewegungserfahrungen auf die neue Umge- bung übertragen zu können. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Formen der methodischen Vermittlung aufgegriffen und eingeordnet werden. Sie gliedern sich in offene und strukturierte Lern- wege sowie in Ganz- und Teillernmethoden. Für einen modernen Schwimmunterricht haben beide Mo- delle (offener und geschlossener Lehrweg) Bedeutung. Im angemessenen methodischen Öffnen und Schließen zeigt Abb. 6 Lehr- und Lernwege Induktives Verfahren Deduktives Verfahren offene Lehr- und Lernwege geschlossene Lehr- und Lernwege Prozessorientiert Produktorientiert Ziel Umwege zum Ziel erwünscht direkter Zielbezug Bewegungsprobleme lösen, Fähig- Erlernen von Fertigkeiten nach Inhalt keiten und Fertigkeiten variieren vorgegebenen Lernschritten beratend, unterstützend, Lehrer vorgebend, steuernd, instruierend impulsgebend verhalten selbstständig, probierend, Schüler ausführend, nachmachend, experimentierend, wegsuchend verhalten repetetiv Problemhaltige Bewegungsaufga- Bewegungsanweisung, Ziel Teil ben: Lösungsvarianten vorstellen, bewegung demonstrieren, Übungs- schritte Selbstkorrektur, Ergebnisse sichern reihen vorgeben, Soll-Ist-Vergleich 8 Hierbei handelt es sich um allgemeine Modelle, nicht um den engen Begriff der Unterrichtsmethode oder Unterrichtstechnik wie z. B. „Stationslernen“, o. ä. 20
Unterrichtsmethoden und Rahmenbedingungen im Schwimmunterricht sich die Professionalität der Schwimmlehrkraft. Für das 3.3.1 Ganzlern- oder Teillernmethode Erreichen der Ziele auf der Niveaustufe „Wassergewöh- nung“ eignen sich überwiegend offene Bewegungsaufga- Die Ganzlernmethode bedeutet das Erlernen der Grob ben, bei denen die Schülerinnen und Schüler eigene Lö- koordination der ganzen Bewegungshandlung auf Anhieb. sungen für ihr Handeln finden und erklären können. Das Eine Zergliederung in Teilschritte ist nicht möglich bzw. gilt in Teilen auch auf der Niveaustufe „Grundfertigkeiten ineffektiv. Beispiel: Sprung in das Wasser / Startsprung. des Schwimmens“. Dabei kann mit offenen Aufgaben be- gonnen werden, die den Schülerinnen und Schülern das Die Teillernmethode ist darauf gerichtet eine komplexe Be- Sammeln eigener Erfahrungen mit verschiedenen Bewe- wegungshandlung in Teilhandlungen zu zergliedern, diese gungsformen ermöglichen. einzeln zu erlernen und in einer konstruktiven Synthese zusammenzuführen. Eine Zergliederung in Teilschritte ist Für das Lernen auf den beiden folgenden Niveaustufen möglich. Sie reduziert den komplexen Bewegungsablauf in empfiehlt sich der geschlossene Lehrweg. In diesem Un- einzeln zu erlernende Schritte, die dann am Ende zusam- terrichtsgeschehen werden die Aufgaben konkreter, so- mengeführt werden. Beispiel: Gliederung der komplexen dass sich die Anzahl der möglichen individuellen Lösun- Schwimmbewegung in den Beinantrieb, den Armantrieb gen reduziert und sich die Bewegungsausführungen unter und die Atmung in der jeweiligen Schwimmart. Berücksichtigung der individuellen körperlichen und mo- torischen Voraussetzungen dem optimalen Bewegungs- Das professionelle Können der Schwimmlehrkräfte zeigt leitbild immer weiter nähern. sich auch hier in der angemessenen Auswahl und Kombi- nation beider Lernmethoden dessen Auswahl sich immer auf den Lerninhalt bezieht. Eine angemessene Kombination beider Lernmethoden kann durch die progressive Teillernmethode erfolgen. Als Ganz- und Teillernmethode Ganzlernmethode Teillernmethode komplex Bewegungshandlung einfach vorhanden Vorerfahrung nicht vorhanden sinnvoll nicht möglich Zergliederung sinnvoll Überforderung der Synthese der Teilschritte Problem Abb. 7 Schülerinnen und Schüler notwendig Ganz- und Teillernmethode 21
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