Sprach- und Integrationsmittlung: Ein praxisbewährtes Instrument zum Umgang mit sprachlicher und kul-tureller Vielfalt (nicht nur) im ...

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Sprach- und Integrationsmittlung: Ein praxisbewähr-
   tes Instrument zum Umgang mit sprachlicher und kul-
             tureller Vielfalt (nicht nur) im Krankenhaus
                             Ein Beitrag zum Fachdiskurs Sprach- und Integrationsmittlung
                                                                 aus dem SprInt Netzwerk

                                                        von Ethnologin M.A.
                                                           Antje Schwarze
                                                         Servicestelle SprInt
                                                        Diakonie Wuppertal

                                                        von Dipl.-Politologe
                                                             Fabian Junge
                                                        Servicestelle SprInt
                                                        Diakonie Wuppertal

zuerst erschienen in: Bouncken, Ricarda B./ Pfannstiel, Mario A./ Reuschl, Andreas J. Uni-
versität Bayreuth (Hrsg.) (2013): Dienstleistungsmanagement im Krankenhaus I: Prozesse,
Produktivität und Diversität. Springer Verlag, Wiesbaden, 2013.

Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus         www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                           I1
Sprach- und Integrationsmittlung: Ein praxisbewährtes Instrument
zum Umgang mit sprachlicher und kultureller Vielfalt (nicht nur) im
Krankenhaus
Fabian Junge, Antje Schwarze

Zuerst erschienen in: Bouncken, Ricarda B./ Pfannstiel, Mario A./ Reuschl, Andreas J. Uni-
versität Bayreuth (Hrsg.) (2013): Dienstleistungsmanagement im Krankenhaus I: Prozesse,
Produktivität und Diversität. Springer Verlag, Wiesbaden, 2013. S. 367-38

Zusammenfassung

In deutschen Krankenhäusern ist die Zunahme der sprachlichen und kulturellen Heterogeni-
tät schon seit langem nicht mehr von der Hand zu weisen. Kommunikationsbarrieren verhin-
dern den gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund zur Gesund-
heitsversorgung und beeinträchtigen die Qualität von Gesundheitsdienstleistungen. Der Bei-
trag beschreibt die Auswirkungen von Kommunikationsbarrieren im Gesundheitssektor und
erläutert Vor- und Nachteile bisheriger Lösungen zur sprachlichen und kulturellen Vermitt-
lung zwischen Patienten mit Migrationshintergrund und medizinischem Fachpersonal. Er
stellt mit der professionellen Sprach- und Integrationsmittlung einen qualitativ hochwertigen
Lösungsansatz zur Verbesserung der interkulturellen Kommunikation im Krankenhaus vor.
Professionelle Sprach- und Integrationsmittler unterstützen Fachkräfte im Gesundheitswesen
durch fachspezifisches Dolmetschen, soziokulturelles Vermitteln und Assistenztätigkeiten.
Der Artikel geht auf das Tätigkeitsprofil, die Vermittlung, Finanzierung und Qualifizierung von
Sprach- und Integrationsmittlern ein.

Inhalt

1     Einleitung .......................................................................................... 3

2     Migration und Gesundheit ............................................................... 3

3     Folgen von Verständigungsbarrieren im Gesundheitswesen ..... 4

4     Bisherige Lösungen ......................................................................... 5

5     Professionelle Sprach- und Integrationsmittlung ......................... 6

6     Qualifizierung zum Sprach- und Integrationsmittler .................... 7

7     Wirksamkeit von professionellen Mittlern ..................................... 7

8     Die Vermittlungszentrale: Service und
      effiziente Buchung von Sprach- und Integrationsmittlern ......... 8

9     Finanzierung von Sprach- und Integrationsmittlereinsätzen ...... 8

10    Finanzieller Nutzen von Sprach- und Integrationsmittlung ......... 9

11    Fazit ................................................................................................. 10

12   Literaturverzeichnis ........................................................................ 11

Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus                                               www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                                                                 I2
2     Migration und Gesundheit
1    Einleitung
                                                    Laut statistischem Bundesamt leben in
In deutschen Krankenhäusern ist die Zu-             Deutschland 15,7 Millionen Menschen mit
nahme der sprachlichen und kulturellen              Migrationshintergrund1 (Statistisches Bun-
Heterogenität schon seit langem nicht               desamt, 2010). Globale Migrationsbewe-
mehr von der Hand zu weisen. Diese Ent-             gungen, die demographische Entwicklung,
wicklung stellt die Kliniken vor neue Her-          soziale Veränderungen und die europäi-
ausforderungen, denn ihre Leistungen                sche Integration erhöhen die Bedeutung
werden von Menschen mit Migrationshin-              von kultureller und sprachlicher Vielfalt.
tergrund, im Vergleich zu Praxen und an-            Dabei unterlagen die Zu- und Abwande-
deren Leistungserbringern, überproportio-           rungsbewegungen in den letzten Jahr-
nal wahrgenommen (Karl-Trummer, et al.,             zehnten starken Schwankungen, wodurch
2006, S. 108). Praxiserfahrungen und                die Heterogenität von Migrationshinter-
Studien zur Gesundheitsversorgung von               gründen und Migrantengruppen gestiegen
Migranten zeigen auf, dass eine erfolgrei-          ist (Razum et al., 2008, S. 13).
che Behandlung häufig durch sprachliche
und kulturelle Barrieren bei der Kommuni-           Zahllose Studien stellen einen Zusam-
kation zwischen Fachpersonal und Mig-               menhang zwischen Gesundheit und Mig-
ranten erschwert oder behindert wird                rationshintergrund fest. Weiss (2003) iden-
(Razum, et al., 2008). Diese Kommunika-             tifiziert Migration an sich bereits als
tionsbarrieren beeinträchtigen die Qualität         Gesundheitsrisiko. In der Tat ist der
von Gesundheitsdienstleistungen, verur-             Gesundheitszustand und der Zugang von
sachen Kosten und erschweren den effek-             Menschen mit Migrationshintergrund zu
tiven Einsatz von Ressourcen. Bisher gibt           einer adäquaten Gesundheitsversorgung
es hierfür keinen zufriedenstellenden, sys-         derzeit schlechter als derjenige der Bevöl-
tematischen Lösungsansatz.                          kerungsmehrheit (Borde/ David 2003, Col-
                                                    latz, 2001, S. 56). Menschen mit Migrati-
Der Beitrag beschreibt die Auswirkungen             onshintergrund      beanspruchen       viele
von Kommunikationsbarrieren im Gesund-              Gesundheitsleistungen nicht oder in gerin-
heitssektor und stellt Vor- und Nachteile           gerem Ausmaß als die Mehrheitsbevölke-
bisheriger Lösungen aus der Praxis vor.             rung (Razum et al., 2008, S. 107). Dies gilt
Zur besseren Versorgung und für eine                vor allem für Angebote der Prävention und
gelingende Kommunikation zwischen Mig-              Rehabilitation, sowie der psychiatrischen
ranten und Fachpersonal im Gesund-                  Versorgung (Borde/ David, 2007, S. 49,
heitswesen wird der Einsatz von professi-           Falge, 2007, S. 138, Razum et al., 2008,
onellen Sprach- und Integrationsmittlern            S. 121). Gleichzeitig wird eine überpropor-
vorgeschlagen. Professionelle Sprach-               tionale Wahrnehmung von Pädiatrie, Gy-
und Integrationsmittler unterstützen Fach-          näkologie und Geburtshilfe sowie der Not-
kräfte im Gesundheitswesen durch fach-              fallambulanzen beobachtet (Borde et al.,
spezifisches Dolmetschen, soziokulturelles          2003, Ghaen, 1999).
Vermitteln und Assistenztätigkeiten. Der
Artikel geht auf das Tätigkeitsprofil, die
Vermittlung, Finanzierung und Qualifizie-           Die Ursachen für den ungleichen Zugang
rung von Sprach- und Integrationsmittlern           zu und die unterschiedliche Nutzung von
ein. Neben einer Literaturanalyse basiert           Gesundheitsangeboten durch Menschen
der Beitrag auf der langjährigen Erfahrung
der Migrationsdienste der Diakonie Wup-
                                                    1
pertal bei der Etablierung der Dienstleis-            Der Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ meint
tung Sprach- und Integrationsmittlung.              „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik
                                                    Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland
                                                    geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deut-
                                                    sche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten
                                                    oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“
                                                    (Statistisches Bundesamt 2007).
Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus              www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                                          I3
mit Migrationshintergrund sind vielfältig:                   friedenheit und Zufriedenheit des medizi-
die häufige Herkunft aus bildungsfernen                      nischen Personals.
Milieus, Sprachbarrieren, kulturelle Unter-
schiede, geringe Kenntnis des Versor-                        Die Effektivität des Einsatzes medizini-
gungssystems, geringes Vertrauen in                          scher und personeller Ressourcen wird
interkulturelle Verständigungsmöglichkei-                    durch die mangelnde Qualität interkulturel-
ten in den Einrichtungen, Scham und eine                     ler Kommunikation ebenfalls negativ be-
niedrige Gesundheitsbildung werden ge-                       einflusst. Das Risiko von Fehldiagnosen
nannt (Falge, 2007, S. 139 und S. 141-                       und -behandlungen steigt. Ärzte führen
142). Razum et al. (2008, S. 107-118)                        aufgrund von Unverständnis der Be-
identifizieren neben Unterschieden im                        schwerden des Patienten unnötige und
Versicherungsstatus und strukturellen Be-                    zum Teil kostspielige Tests durch. Auch
dingungen wie dem Aufenthaltsstatus un-                      suchen missverstandene Patienten ihre
terschiedliche     Krankheitsverständnisse                   Ärzte öfter auf oder wechseln im so ge-
und       Kommunikationsprobleme,      d.h.                  nannten Doctor-Hopping den Arzt häufiger
Sprachbarrieren und Informationslücken,                      als der Bevölkerungsdurchschnitt (Razum
als zentrale Einflussfaktoren.                               et al., 2008, S. 110). Eine weitere Folge
                                                             sprachlicher und kultureller Barrieren ist
Eine Studie unter türkischen und deutsch-                    die niedrigere Compliance der Patienten –
sprachigen Patientinnen auf zwei gynäko-                     bei geringerem Verständnis von Diagnose,
logischen Stationen illustriert die Kommu-                   Prognose, Therapie und Medikation folgen
nikationsprobleme: die Patientinnen wur-                     Patienten mit begrenzten Sprachkenntnis-
den u. a. zu ihrer Kenntnis der für sie ge-                  sen den Behandlungsempfehlungen des
stellten Diagnose und Therapie befragt.                      medizinischen Fachpersonals seltener als
Dabei stellte sich nicht nur heraus, dass                    Muttersprachler (Flores, 2005).
die türkischstämmigen Patientinnen die
Informationen nicht verstanden hatten, ihr                   Für Kliniken ist es aufgrund der beschrie-
Wissen über die durchgeführten Maßnah-                       benen Entwicklungen notwendig, auf Fak-
men war zum Ende der Therapie sogar                          toren wie die unterschiedliche Sprach-
gesunken – wobei dieses Wissen umso                          kompetenz, kulturelle Bedürfnisse, unter-
geringer war, je weniger Deutschkenntnis-                    schiedliche Vorstellungen von Gesundheit
se die befragten Patientinnen aufwiesen                      und Krankheit sowie Erwartungen an
(Borde/ David, 2004).                                        Gesundheitsdienstleister bei Patienten mit
                                                             Migrationshintergrund einzugehen. Um die
3 Folgen von                                                 Erfüllung ihres Versorgungsauftrages zu
Verständigungsbarrieren im                                   gewährleisten, müssen sie ihren Mitarbei-
Gesundheitswesen                                             tern – deren Heterogenität ebenfalls zu-
Mehrere Studien haben einen Zusam-                           nimmt – Instrumente anbieten, die einen
menhang zwischen der Qualität der inter-                     angemessenen Umgang mit den genann-
kulturellen Kommunikation und den quali-                     ten Anforderungen ermöglichen. Eine sys-
tativen Aspekten der Dienstleistungspro-                     tematische Berücksichtigung kultureller
duktivität in der Gesundheitsversorgung                      und sprachlicher Vielfalt im Sinne eines
festgestellt2. Muela Ribera et al. (2008)                    Diversity Managements ist im deutschen
benennen in ihrer Auswertung von 67 Ori-                     Gesundheitswesen bisher kaum erkenn-
ginalstudien und vier Reviews vier Dimen-                    bar (Geiger, 2006), obwohl die interkultu-
sionen, die von Sprachbarrieren negativ                      relle Öffnung von Einrichtungen der Re-
beeinflusst werden: Zugang zu medizini-                      gelversorgung im nationalen Integrations-
scher Versorgung (insbesondere Präven-                       plan der Bundesregierung und in Integrati-
tion), Behandlungsqualität, Patientenzu-                     onskonzepten und – gesetzen der Länder
                                                             festgeschrieben ist (siehe z. B. NIP, 2006,
                                                             §4 PartIntG Berlin ).
2
  Qualitative Produktivitätsaspekte sind z. B. die Zufrie-
denheit von Mitarbeitern und Patienten, die Qualität er-
brachter Leistungen sowie die Zusammenarbeit der betei-
ligten Personen (Bouncken/ Pfannstiel/ Reuschl, 2012, S.
18).
Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus                    www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                                      I4
4    Bisherige Lösungen                             sionelle Vorschläge zur Lösung von Ver-
                                                    ständigungsproblemen dar. Sie haben den
Angesichts der negativen Auswirkungen
                                                    Vorteil, dass sie einer beruflichen Schwei-
von sprachlichen und kulturellen Barrieren
                                                    gepflicht unterliegen, die für die Akzeptanz
überrascht der bisherige Umgang mit den
                                                    der Mittlerperson eine wichtige Rolle
neuen Herausforderungen im Gesund-
                                                    spielt. Jedoch sind herkömmliche Dolmet-
heitswesen. Bisher gibt es keine systema-
                                                    scher für die speziellen Anforderungen
tische Lösung zur Verbesserung der inter-
                                                    des Gesundheitswesens nicht oder nur
kulturellen Kommunikation. Es bestehen
                                                    unzureichend qualifiziert. Ihnen fehlen die
nur Insellösungen, die im Bezug auf Über-
                                                    Fachkenntnisse, da sie primär für den poli-
setzungsqualität, Verfügbarkeit und Pro-
                                                    tischen, juristischen, wirtschaftlichen oder
fessionalität stark variieren und dem tat-
                                                    technischen Bereich ausgebildet sind. Kul-
sächlichen Bedarf nicht genügen.
                                                    turspezifisches Wissen, etwa über das
                                                    Verständnis von und den Umgang mit
In vielen Fällen werden ad hoc-
                                                    Krankheit in der Herkunftskultur der Pati-
Dolmetscher wie Reinigungskräfte aus
                                                    enten, werden in der Dolmetscherausbil-
dem jeweiligen Herkunftsland, Bekannte,
                                                    dung nicht vermittelt. Zudem werden die
Verwandte und Kinder hinzugezogen. Die-
                                                    Migrantensprachen, die im Gesundheits-
se Personen sind jedoch nur bedingt in
                                                    wesen gebraucht werden, in der Regel in
der Lage, die Inhalte fachgerecht und
                                                    der Dolmetscherausbildung an deutschen
neutral zu vermitteln, Bedeutungsverzer-
                                                    Universitäten nicht unterrichtet (Bahadir,
rungen und Missverständnisse sind wahr-
                                                    2009, S. 8).
scheinlicher als bei professionellen Dol-
metschern. Gerade der Einsatz von Kin-
                                                    Mehrsprachiges Fachpersonal erzielt gute
dern als Dolmetscher ist aufgrund der auf-
                                                    Wirkungen bei der Beseitigung von Ver-
tretenden Rollenkonflikte inadäquat. Zu-
                                                    ständigungsbarrieren – ihr Einsatz wirkt
dem kann das Fachpersonal nicht über-
                                                    sich positiv auf Versorgungsqualität, Pati-
prüfen, ob das Gesagte unverfälscht über-
                                                    entenzufriedenheit und Behandlungserfolg
tragen wird oder ob dem Patienten wichti-
                                                    aus (Flores, 2005). Vor ihrem Einsatz
ge Informationen verschwiegen werden.
                                                    müssen die Mitarbeiter allerdings in Dol-
Der Einsatz von ad hoc-Dolmetschern
                                                    metsch- und interkultureller Kompetenz
erhöht somit das Risiko medizinischer
                                                    geschult werden, was in der Praxis selten
Fehler (Muela Ribera et al., 2008, S. 21-
                                                    der Fall ist. Auch muss die Klinik sicher-
23).
                                                    stellten, dass die regulären Arbeitsabläufe
                                                    durch das Heranziehen zu Dolmetschertä-
In vielen Regionen sind mittlerweile niedrig
                                                    tigkeiten nicht gestört werden (Tamayo,
qualifizierte, ehrenamtliche Mittler im
                                                    2010, S. 285). Keine Einrichtung wird ganz
Gesundheitswesen tätig. Wie bei den
                                                    auf externe Mittler verzichten können, da
meisten ehrenamtlichen Projekten besteht
                                                    die Häufigkeitsverteilung der Herkunfts-
hier eine hohe Fluktuation. Der Einsatz
                                                    länder des medizinischen Fachpersonals
von Ehrenamtlichen hat in der Regelver-
                                                    sich nicht mit derjenigen der allgemeinen
sorgung jedoch seine Grenzen: So stellen
                                                    Zuwanderungsbevölkerung deckt (Razum
sich insbesondere bei Einsätzen im Kran-
                                                    et al., 2008, S. 112). Der Bedarf an unter-
kenhaus (z. B. bei der Übersetzung von
                                                    schiedlichen Sprachen wird deshalb nicht
Patientenverfügungen), als auch bei sehr
                                                    vollständig     durch      muttersprachliches
persönlichen und folgenreichen Entschei-
                                                    Fachpersonal abgedeckt werden können
dungen Fragen nach der Verlässlichkeit
                                                    In großen Einheiten haben sich interne
des Dolmetschens und der Haftung. Darü-
                                                    Dolmetscherpools bewährt. So hat z.B.
ber hinaus kann in der Praxis die Wahrung
                                                    das       Universitätsklinikum     Hamburg-
von Neutralität und Schweigepflicht nicht
                                                    Eppendorf bereits in den 1990er Jahren
garantiert werden (Tamayo, 2010, S. 285).
                                                    selbst Dolmetscher ausgebildet, um den
                                                    eigenen Bedarf zu decken (Albrecht,
Universitär oder an Fachhochschulen
                                                    2002).
ausgebildete Dolmetscher sowie mutter-
sprachliches Fachpersonal stellen profes-
Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus            www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                              I5
Wie dargestellt finden Kliniken unter-              Herkunftskultur des Patienten und das
schiedliche Antworten auf die gestiegene            deutsche      Gesundheitssystem      tragen
sprachliche und kulturelle Vielfalt, es exis-       SprInt zur Situationsanalyse bei und be-
tiert jedoch keine einheitliche Lösung. Da-         heben Informationsdefizite. Sie weisen
bei steht das Gesundheitssystem vor einer           zum Beispiel das Fachpersonal auf kultur-
strukturellen Herausforderung, die einen            spezifische Bedürfnisse der Patienten hin
systematischen Ansatz und qualitativ                und erklären dem Patienten relevante Be-
hochwertige Instrumente verlangt. Für               sonderheiten oder fachkulturelle Spezifika
Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender               der deutschen Einrichtung. Bei Bedarf
des Bundesverbandes Managed Care,                   intervenieren sie, um Missverständnisse
sind „Angebot und Nachfrage (…) als eine            aufzuklären oder Konflikte zu entschärfen
wichtige Folge des demografischen Wan-              (Tamayo, 2010, S. 285-286). Im Sinne der
dels und der Internationalisierung aus dem          „Integrationsassistenz“ (Otman, 2007) sind
Lot geraten (...) und [verlangen] nach neu-         sie zudem in der Lage, die Fachkräfte des
en Versorgungsstrukturen. (…) Diese ste-            Gesundheitswesens und der sozialen Ar-
hen im Gegensatz zu den reinen Produkt-             beit mit Migranten bei längeren Assistenz-
innovationen für eine Prozessoptimierung            aufgaben zu unterstützen. Ihr Berufsethos
im Sinne eines effizienten Schnittstellen-          verpflichtet Sprach- und Integrationsmittler
managements und einer verbesserten                  zu Verschwiegenheit, Neutralität und Ver-
Wertschöpfung.“ (Amelung 2011, S. 15).              antwortung. Dazu gehört es Transparenz
Dies gilt auch für den Umgang mit sprach-           über alles Gesprochene herzustellen und
lichen und kulturellen Kommunikationshin-           eine klare Rollenteilung mit dem Auftrag-
dernissen. Ein Beispiel für gelungenes              geber zu wahren, der die Gesprächslei-
Schnittstellenmanagement zur Verbesse-              tung behält. Gerade die Verschwiegenheit
rung von Kommunikationsprozessen ist                erhöht neben der Tatsache, dass die Pati-
das Dienstleistungsangebot der professio-           enten in einer für sie verständlichen Spra-
nellen Sprach- und Integrationsmittlung.            che informiert und betreut werden, die
                                                    Chancen auf den raschen Aufbau einer
5 Professionelle Sprach- und                        Vertrauensbasis (Tamayo, 2011, S. 8).
Integrationsmittlung                                Diese gilt als wichtige Grundlage, um
Sprach- und Integrationsmittlung ist eine in        Kommunikationssituationen in der Kran-
Deutschland relativ neue Dienstleistung,            kenhausversorgung erfolgreich zu gestal-
die an der Schnittstelle zwischen Berater/          ten – z. B. bei der Patientenaufklärung,
Arzt und Klient/ Patient eingesetzt wird,           der Diagnose, der Compliance oder im
um Kommunikationsprozesse zielgerich-               Rahmen des Entlassungsmanagements.
tet, erfolgreich und effizient zu gestalten.
International ist Sprach- und Integrations-         Die Einsatzfelder der Mittler sind vielfältig.
mittlung als Community Interpreting be-             Ein typischer Einsatz im Krankenhaus ist
kannt. Sprach- und Integrationsmittler              die Einbindung von SprInt bei der Behand-
(kurz: SprInt) sind meist Personen mit ei-          lung von frühgeborenen Kindern in sozial-
gener Migrationserfahrung. Sie sind pro-            pädiatrischen Zentren. Die Mittlertätigkeit-
fessionell ausgebildet und im Rahmen                beginnt hier beim Aufklärungsgespräch mit
einer einheitlichen Zertifizierung tätig.           fremdsprachigen Eltern, die über den
                                                    Gesundheitszustand des Frühchens und
Die Funktion von SprInt kommt der von               angezeigte therapeutische Maßnahmen
Brückenbauern im Gesundheits-, Bil-                 informiert werden. Durch die mutter-
dungs- und Sozialwesen gleich. Sie über-            sprachliche Aufklärung verstehen die El-
winden Sprachbarrieren zwischen Patien-             tern die Situation besser. Dadurch wird die
ten und deutschsprachigem Fachpersonal              Compliance bei Maßnahmen verbessert,
durch fachspezifisches Dolmetschen. An-             welche die Eltern ohne das Beisein einer
ders als herkömmliche Dolmetscher über-             Fachkraft durchführen können (Timmen,
setzen sie das Gesagte nicht nur wortwört-          2012).
lich, sondern vermitteln auch soziokultu-
rell. Mit ihrem Hintergrundwissen über die
Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus            www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                               I6
Ein weiterer Einsatzbereich für Sprach-             tionalen Gehalt des Gesagten besser ein-
und Integrationsmittler ist die interkulturel-      schätzen können (Timmen, 2012). Zu den
le Psychiatrie oder Psychotherapie, bei-            Nutzern von SprInt gehören neben Klini-
spielsweise für Patienten aus Kriegsgebie-          ken und psychiatrischen Einrichtungen
ten, die unter einer Traumatisierung lei-           auch Träger der Kinder- und Jugendhilfe,
den. Der Muttersprache kommt hier als               Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände,
„Träger von Emotionen und Identität“                Arbeitsvermittlungen, Schulen und KiTas.
(Schouler-Ocak, 2010, S. 4) eine beson-
dere Bedeutung zu. Eine muttersprachli-             6 Qualifizierung zum Sprach- und
che Behandlung ist aufgrund der geringen            Integrationsmittler
Zahl von Therapeuten mit der gleichen               Die Ausbildung zum Sprach- und Integra-
Muttersprache wie Flüchtlingspatienten in           tionsmittler dauert 18 Monate und wird
der Regel nicht möglich. Um den Bedeu-              nach bundesweit einheitlichen, hohen
tungsverlust in der Übersetzung möglichst           Qualitätsstandards durchgeführt3. In meh-
gering zu halten, wird der Einsatz von              reren Praktika sammeln die Teilnehmer
Sprach- und Integrationsmittlern empfoh-            intensive Erfahrungen in verschiedenen
len (Shouler-Ocak 2005, S. 21). Neben               Arbeitsfeldern. In der theoretischen Phase
der rein sprachlichen Vermittlung unter-            werden insgesamt 20 Fächer unterrichtet,
stützen diese den Therapeuten zudem,                u.a.        fachspezifisches        Deutsch,
indem sie ihm Kontextwissen über die                Dolmetschtraining, interkulturelle Kommu-
Herkunftskultur des Patienten mitliefern.           nikation, Grundkenntnisse in der Migrati-
Kenntnisse der Herkunftskultur der Patien-          onssoziologie, Strukturen und Grundlagen
ten sind unerlässlich, da jede Kultur unter-        des Gesundheitswesens. Die Teilnehmer
schiedliche Ausdrucksformen für seelische           werden dazu befähigt, interkulturelle As-
Probleme findet. U.a. laufen Therapeuten            pekte sowie kulturbedingtes Verhalten in
mit einem abweichenden kulturellen Hin-             einer Gesprächsführung zu erkennen und
tergrund als ihre Klienten Gefahr, Symp-            aufzugreifen. Die Abschlussprüfung wird
tome zu übersehen, wenn sie diese z. B.             für den Gesundheitsbereich vom Universi-
als kulturspezifische, aber „gesunde“ Ver-          tätsklinikum Hamburg-Eppendorf, für den
haltensweise interpretieren (Cagala, 2008,          Bereich des Dolmetschens von der Uni-
S. 235). Sprach- und Integrationsmittler            versität Mainz und für den Bereich Soziale
können hier gegensteuern, indem sie ihr             Arbeit von der Alice-Salomon-Hochschule
Wissen über kulturspezifische Erklä-                Berlin abgenommen. Die Teilnehmer er-
rungsmodelle für Entstehungsbedingun-               halten das bundesweit einheitliche SprInt-
gen, Symptome, Verläufe und Behand-                 Zertifikat. Durch die Zertifizierung können
lungsmöglichkeiten einer seelischen Er-             sich SprInt-Kunden an allen Standorten
krankung in die Therapie mit einbringen.            auf eine gleichbleibend hohe Qualität der
SprInt sind aufgrund ihrer fundierten Aus-          Dienstleistung verlassen. Um die Standar-
bildung für den Einsatz im therapeutischen          disierung der Dienstleistung weiter voran-
Setting gut geeignet. Sie vermeiden typi-           zubringen, arbeitet eine bundesweite Ar-
sche Fehlerquellen, die beim Einsatz mit            beitsgruppe4 an der staatlichen Anerken-
Laiendolmetschern auftreten, wie etwa               nung des Berufsbildes „Sprach- und Integ-
das Auslassen, Hinzufügen oder Vereinfa-            rationsmittler/-in“.
chen von Informationen (Vasquez, et al.,
1991, S. 164, zitiert in Cagala, 2008, S.           7 Wirksamkeit von professionellen
243). SprInt übersetzen im Therapiege-              Mittlern
spräch das Gesagte wortwörtlich. Erst in
                                                    Die Wirksamkeit speziell ausgebildeter
Vor- oder Nachgesprächen geben sie den
                                                    Mittler ist im Gesundheitswesen hinrei-
Therapeuten Hinweise über kultur- und
                                                    chend nachgewiesen: Gehrig, et al. (2012)
migrationsspezifische Aspekte. Therapeu-
ten schätzen an der Arbeit mit SprInt zu-           3
dem, dass sie sich im Therapiegespräch                 Mittlerweile wurden bundesweit rund 100 Personen
                                                    nach diesem Modell ausgebildet.
auf die non-verbale Kommunikation des               4
                                                        Für weitere Hinweise zur Berufsbildentwicklung und
Patienten konzentrieren und so den emo-                 zur Bundesarbeitsgruppe siehe http://www.sprint-
                                                        transfer.de/berufsbild
Sprach- und Integrationsmittler im Krankenkenhaus               www.sprachundintegrationsmittler.org

                                                                                                             I7
stellten in ihrer Untersuchung des interkul-                   che Übersetzungen; Referententätigkeiten
turellen Dolmetschens5 im Rahmen des                           für Fortbildung etwa zu kulturspezifischen
zweiten      Gesundheitsmonitorings      der                   Themen oder bei Diversity Trainings. Die
Schweizer Migrationsbevölkerung fest,                          Zentralen sind als Pools von Sprach- und
dass sich der Einsatz von interkulturellen                     Integrationsmittlern strukturiert, die teils in
Dolmetschern positiv auf Vorsorgeverhal-                       Festanstellung, teils auf Honorarbasis be-
ten, Genesungsprozess und zukünftigen                          schäftigt sind. Die Poollösung stellt laut
Gesundheitszustand allophoner Patienten                        einer Studie im Auftrag des Bundesminis-
auswirkt. Für Bischoff und Steinauer                           teriums für Arbeit und Soziales die sinn-
(2007) ist der Einsatz professioneller Mitt-                   vollste Vorgehensweise zur Etablierung
ler diejenige Strategie, die zur besten Be-                    eines flächendeckenden Angebots an
handlungsqualität bei fremdsprachigen                          Sprach- und Integrationsmittlung dar (Be-
Patienten führt. Karliner et al. (2007) ana-                   cker et al., 2010, S. 6 und S. 86-87).
lysierten 21 Studien mit empirischen Ver-
gleichen zwischen professionellen und ad                       Der Vermittlungsservice bietet für die Nut-
hoc-Dolmetschern in den Bereichen                              zer erhebliche Vorteile gegenüber internen
Kommunikation, Zugang zur klinischen                           oder ad hoc-Lösungen: Er richtet sich an
Versorgung, Behandlungsergebnis und                            alle Institutionen und Einrichtungen in ei-
Patientenzufriedenheit. Die ausgebildeten                      ner Region und deckt den vorhandenen
Dolmetscher verbesserten die Qualität in                       Bedarf an kultursensiblen Dolmetscher-
allen vier gemessenen Bereichen so, dass                       Einsätzen in angemessener Qualität ab.
nur noch schwache bis gar keine Unter-                         Der Pool ist leistungsfähig im Sinne einer
schiede zwischen den Patienten mit und                         ständigen und kurzfristigen Verfügbarkeit
ohne sprachlichen Verständigungsproble-                        von Sprach- und Integrationsmittlern. Er
men festgestellt werden konnten. Dage-                         bietet ein breites Spektrum an Sprachen
gen traten im Vergleich zu ad hoc-                             und Dialekten an. Die professionelle Or-
Dolmetschern deutliche Qualitätsunter-                         ganisation des Pools mittels einem Online-
schiede auf.                                                   Bestellverfahren und dem Einsatz moder-
                                                               ner Vermittlungssoftware reduziert die
                                                               Suchkosten für Auftraggeber und verein-
8 Die Vermittlungszentrale: Service                            facht die Organisation der Einsätze. Kun-
und effiziente Buchung   von Sprach-                           den erhalten einen zentralen Ansprech-
und Integrationsmittlern                                       partner für Buchungen und Abrechnungen.
Die Dienstleistung der Sprach- und Integ-                      Die Zentrale kann zudem auf besondere
rationsmittler kann über regionale Vermitt-                    Bedürfnisse der Kunden eingehen, sei es
lungszentralen bedarfsgerecht und flexibel                     beim Abrechnungsverfahren oder auch
abgerufen werden.6 Das Angebot umfasst                         hinsichtlich des Geschlechts, der regiona-
die Dienstleistungen: Sprach- und Integra-                     len Herkunft oder der Branchenkenntnis
tionsmittlung       bei      Face-to-Face-                     der eingesetzten Mittler.
Interaktionen mit Patienten bzw. Klienten
                                                               9 Finanzierung von Sprach- und
mit Migrationshintergrund; Sprach- und
                                                               Integrationsmittlereinsätzen
Integrationsmittlung per Telefon; schriftli-
                                                               Eine häufig auftauchende Frage ist die
                                                               nach der Finanzierung der Einsätze. Das
5
    Interkulturelles Dolmetschen ist der Sprach- und Integ-    zu lösende Problem ist dabei weniger die
    rationsmittlung ähnliche Dienstleistung, die in der
    Schweiz bereits als Berufsbild anerkannt ist. Weiter In-
                                                               Höhe der Kosten als die Zuordnung zur
    formationen siehe www.inter-pret.ch                        richtigen Kostenstelle. Bisher sind Kran-
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    Die Diakonie Wuppertal unterstützt durch das Trans-        kenkassen nicht bereit, generell zusätzli-
    ferzentrum Sprach- und Integrationsmittlung seit meh-      che Mittel für Dolmetscherleistungen be-
    reren Jahren die Qualifizierung von SprInt und den
    Aufbau von Vermittlungszentralen im gesamten Bun-          reitzustellen, da es sich hierbei um keine
    desgebiet mit dem Ziel einer bedarfsgerechten Ver-         medizinische Tätigkeit handele (Tamayo,
    sorgung. Mittlerweile existieren solche Vermittlungs-
    zentralen in: Aachen, Augsburg, Düsseldorf, Erfurt,
                                                               2011, S. 8). Aufgrund der nicht vorhande-
    Essen, Göttingen, Leipzig, Potsdam, Rostock und            nen Regelfinanzierung haben viele Klini-
    Wuppertal. Eine Übersicht über die Zentralen finden
    Sie auf www.sprint-transfer.de.
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ken eigene Lösungen entwickelt, um die              scher und sechs Krankenhäuser sahen die
Einsätze zu finanzieren.                            Verantwortung für die erfolgreiche Ver-
                                                    ständigung ganz bei den Patienten (Ver-
In der Praxis rechnen somatische Kliniken           braucherzentrale     Nordrhein-Westfalen,
SprInt-Einsätze im Rahmen der Fallpau-              2005, zitiert in: Razum et al., 2008, S.
schale (DRG) gemäß §39 SGB V, §17 b                 114).
KHG, sowie §2 Krankenhausentgeltgesetz
(KHEntgG) ab. Dabei gilt der Grundsatz,             10 Finanzieller Nutzen von Sprach-
dass im Rahmen des Versorgungsauftrags              und Integrationsmittlung
alle Leistungen zu erbringen sind, die im           In der Diskussion um die Finanzierung von
Einzelfall nach Art und Schwere der                 SprInt-Einsätzen sind sich Krankenhäuser
Krankheit für die medizinische Versorgung           zudem oft nicht der Kosten bewusst, die
der Versicherten notwendig sind. In psy-            durch Fehlkommunikationen entstehen.
chiatrischen Kliniken erfolgt die Finanzie-         Möglicherweise motivieren die erwarteten
rung von Sprach- und Integrationsmittlung           finanziellen Einsparungen Krankenhäuser
über die Verordnung zur Regelung der                zum verstärkten Einsatz von Sprach- und
Krankenhauspflegesätze (Bundespflege-               Integrationsmittlern. Eine Kostenwirksam-
satzverordnung – BPflV). Häufig gehen               keitsstudie in der Schweiz kam zu dem
Kliniken, die schon länger mit SprInt arbei-        Schluss, dass die Einführung professionel-
ten, dazu über, eigene Dolmetscherbud-              ler Sprach- und Integrationsmittlung den
gets einzurichten (Tamayo, 2011, S. 8).             Charakter einer Investition habe: Zuerst
So werden bürokratische Hürden abge-                kosten die Einsätze Geld und das
baut und die Einsätze lassen sich leichter          Gesundheitswesen wird intensiver von
in den Klinikalltag integrieren.                    Migranten genutzt, weil Zugangsbarrieren
                                                    wegfallen. Die Investition zahle sich aber
Die Erfahrung aus der Praxis der Vermitt-           durch einen mittel- bis langfristig verbes-
lungszentralen zeigt, dass die Bereitschaft         serten Gesundheitszustand der Zuwande-
zur Mobilisierung von Ressourcen mit der            rer aus (Gehrig et al., 2009).
Sensibilisierung für die Notwendigkeit von
guter interkultureller Kommunikation zu-            Muela Ribera et al. (2008, S. 17-21) zei-
sammenhängt. Möglichkeiten zur Finan-               gen das Einsparpotenzial, dass sich durch
zierung werden dann gefunden, wenn Kli-             den Einsatz von professionellen Mittlern
niken die Vorteile der Sprach- und Integra-         ergibt, an zwei Rechenbeispielen aus der
tionsmittlung– seien es Kostenersparnis-            Behandlung von Diabetespatienten. So
se, effizientere Arbeitsabläufe oder                verweilen         stationär     behandelte
zufriedenere Patienten und Mitarbeiter–             Diabetespatienten mit Sprachbarrieren im
kennengelernt haben.                                Durchschnitt 1,8 Tage länger im Kranken-
                                                    haus verglichen mit Patienten ohne
Die Mehrheit der Krankenhäuser ist jedoch           Sprachschwierigkeiten. Eine Hochrech-
noch nicht ausreichend für die Bedeutung            nung für Belgien ergab hier ein Einsparpo-
einer hohen Kommunikationsqualität und              tenzial von 1.804.302 € in 6 Monaten,
die positive Wirkung von professionellen            wenn durch Dolmetschereinsätze dieser
Mittlern sensibilisiert. Symptomatisch ist          Unterschied nivelliert würde - eine Sum-
das Ergebnis einer Umfrage unter 35                 me, von der zum Beispiel 90 Dolmetscher-
Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen               Vollzeitstellen finanziert werden könnten.
und Rheinland-Pfalz in elf Städten mit ho-          Ein zweites Rechenbeispiel aus dem US-
hem Migrationsanteil. Nur eines der Kran-           amerikanischen Raum bezieht sich auf
kenhäuser würde einen professionellen               den „diabetischen Fuß“ mit erhöhtem Am-
Dolmetscher bei der Behandlung von Pa-              putationsrisiko, ein Problem das zwischen
tienten mit begrenzten Sprachkenntnissen            3% und 8% der Diabetespatienten betrifft.
oder kulturellen Verständigungsbarrieren            Bis zu 20% der Gesamtkosten im
hinzuziehen, vier Krankenhäuser würden              Diabetesbereich sind auf die Behandlung
fremdsprachiges Personal hinzuziehen, 24            des „diabetischen Fußes“ zurückzuführen.
Krankenhäuser hofften auf Zufallsdolmet-            Dabei könnte eine frühzeitige Entdeckung
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                                                                                             I9
dieses Symptoms und eine entsprechende
Behandlung 50% der Amputationen ver-                Auch die Frage der Finanzierung von
meiden. Häufig wird die rechtzeitige Diag-          SprInt-Einsätzen wird in der Praxis von
nose des diabetischen Fußes aber durch              vielen Kliniken bereits beantwortet. Lö-
Kommunikationsprobleme verhindert, da               sungen wie die Einrichtung interner Dol-
der fremdsprachige Patient die typischen            metscherbudgets werden dann geschaf-
Hautveränderungen dem behandelnden                  fen, wenn medizinisches Fachpersonal
Arzt nicht mitteilt. Dabei entstünde, wenn          und Krankenhausmanagement über den
durch die Intervention eines Dolmetschers           Nutzen professioneller Mittlertätigkeiten
auch nur ein Fall von Wundbrand beim                aufgeklärt sind. Dies erfolgt am effektivs-
Fuß vermieden würde, im Gesundheits-                ten über die persönliche Erfahrung mit
wesen eine Kostenersparnis in Höhe des              SpInt.
Jahresgehalts dieses Dolmetschers (über
40.000 US $).                                       Die Mehrheit der Krankenhäuser ist jedoch
                                                    bisher unzureichend für die Notwendigkeit
11 Fazit                                            einer besseren interkulturellen Kommuni-
Trotz der erhöhten Notwendigkeit einer              kation sensibilisiert. Weitere Aufklärungs-
professionellen, interkulturellen Kommuni-          arbeit und ein Umdenken von Entschei-
kation im Krankenhaus wurde bisher noch             dungsträgern hin zu einem inklusiven Ver-
keine systematische Antwort auf die neu-            ständnis des eigenen Versorgungsauftra-
en Herausforderungen in Verbindung mit              ges sind notwendig. Deshalb sollte das
der gestiegenen kulturellen und sprachli-           Thema Kommunikationsqualität systema-
chen Vielfalt gefunden. Bisherige Angebo-           tisch in Organisationsentwicklungsprozes-
te zur Überwindung von Verständigungs-              sen aufgegriffen werden. Professionelle
barrieren reichen in ihrer Qualität oder            Sprach- und Integrationsmittler sollten als
Verfügbarkeit nicht aus um die vorhande-            Instrument im Rahmen des Diversity Ma-
nen Kommunikationsdefizite ausreichend              nagement oder Qualitätsmanagement ge-
zu beheben.                                         nutzt werden. Ein weiterer Ansatz stellt die
                                                    interkulturelle Fortbildung für medizini-
Die Dienstleistung der Sprach- und Integ-           sches Fachpersonal im Rahmen der Per-
rationsmittler bietet eine professionelle           sonalentwicklung dar. Der offensive Ein-
Lösung mit hohen, bundeseinheitlichen               satz von professionellen Sprach- und In-
Qualitätsstandards, die zudem über Ver-             tegrationsmittlern kann nicht zuletzt im
mittlungszentralen einfach abgerufen wer-           Krankenhausmarketing        als  Qualitäts-
den kann. Der Einsatz professioneller Mitt-         merkmal gelten und im Wettbewerb um
ler wirkt sich positiver auf den Gesund-            ausländische Patienten und Patienten mit
heitszustand, den Zugang zu Versor-                 Migrationshintergrund genutzt werden.
gungsleistungen und die Mitarbeiter- und
Patientenzufriedenheit aus als dies beim
Einsatz von Laiendolmetschern der Fall
ist.

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                                                                                              I 10
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Autorenbiografien
Fabian Junge ist wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit
am Transferzentrum Sprach- und Integrationsmittlung der Migrationsdienste der Diakonie
Wuppertal. Er studierte Politikwissenschaft in Berlin, Marburg und Singapur. Aus seiner
mehrjährigen Tätigkeit in der Menschenrechts- und Entwicklungszusammenarbeit in Südost-
asien ist er mit den Fallstricken interkultureller Kommunikation gut vertraut.

Antje Schwarze ist wissenschaftlicher Mitarbeiterin am Transferzentrum Sprach- und Integra-
tionsmittlung. Ihren Schwerpunkt legt die Ethnologin auf die Beratung zur Qualifizierung pro-
fessioneller Sprach- und Integrationsmittler/-innen und zum Aufbau von Vermittlungszentra-
len. Von 2009 bis 2011 leitete Schwarze das Transferzentrum und entwickelte das Curricu-
lum und Prüfungskonzept für die Ausbildung von Sprach- und Integrationsmittler/-innen mit.
Zuvor war sie viele Jahre im Bereich der Organisationsentwicklung, beruflichen Bildung und
Integrationsarbeit tätig.

Für weitere Informationen stehen zur Verfügung:
Servicestelle Sprach- und Integrationsmittlung
Antje Schwarze, wissenschaftliche Mitarbeiterin
schwarze@migrationsdienst-wuppertal.de
Fabian Junge, wissenschaftlicher Mitarbeiter | Öffentlichkeitsarbeit
junge@migrationsdienst-wuppertal.de

Diakonie Wuppertal - Migrationsdienste
Ludwigstr. 22
42105 Wuppertal
Tel.: 0202/ 97444-724

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