Stadt Land Fluss 03/2020 - LIST Gruppe
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Stadt, Land, Fluss Editorial Die Bauwerk zählt zu den Preisträgern des German Design Award 2020. Sie ist ausgezeichnet als »Winner« in der Kategorie Excellent Communications Design – Editorial. Stadt, Land, Fluss. Da fällt einem doch als Erstes das harm- „Also der ‚Sambesi‘ schreibt sich mit ‚S‘ lose Wissensspiel für Kinder ein. Wer und nicht mit ‚Z‘ – zumindest im deutsch- übrigens glaubt, dies sei nichts für Erwach- sprachigen Teil Europas, in dem wir, lieber sene, hat es noch nie im geselligen Kreis Schiedsrichter, uns ja wohl befinden. Das von Freunden mit gelegentlichem Hang zur kannst du doch nicht im Ernst durchgehen Besserwisserei gespielt. Da geht der Spaß lassen …“ erst richtig los! Je nach Gemütslage und Charakter der Um das Unterhaltungspotenzial voll auszu- Teilnehmer birgt dieses Spiel reichlich Po- schöpfen, empfehle ich, einfach Zettel und tenzial für einen überaus vergnüglichen Stift zu nehmen und ohne weitere Abspra- Abend – oder eine absolute Katastrophe. chen loszulegen. Spätestens ab der zwei- ten Runde wird man sich dann vertieft mit Ein Regelwerk für die klassische Variante der Regelkunde beschäftigen und ahnt, finden Sie übrigens auf Seite 64. Dass man dass sich hier ein wahrer Kosmos an Mög- über Stadt, Land und Fluss auch noch lichkeiten für unterschiedlichste Auslegun- ganz andere Geschichten erzählen kann, gen und für Rechthaberei auftut. versteht sich von selbst. Einige davon ha- ben wir für Sie in dieser Ausgabe zusam- „Holland – das ist doch kein Land! Das mengetragen. heißt Niederlande.“ Und nur für den Fall, dass gleich „S“ dran ist: „Sauerland“ könnt ihr auch vergessen. Okay, aber wie ist es mit Bundesländern? Das Spiel heißt doch „Stadt, Land, Fluss“? Also ich habe bei Land „HH“ eingetragen. Hamburg ist schließlich ein Bundesland. Das geht gar nicht! Schon allein, weil Abkürzungen nicht erlaubt sind. Seit wann das denn? Schon immer. Was heißt hier schon immer? Schon immer heißt, dass wir das schon immer so gespielt haben. Wir nicht! Spätestens nach der fünften Runde wird erfahrungsgemäß der Ruf nach einem Schiedsrichter lauter. Dieses schwierige Amt übernimmt am besten eine Person, Foto a|w|sobott, Cover © OpenStreetMap - Schwarzplan.eu die bisher noch gar nicht mitgespielt hat und nun naiv genug ist, es sich in den un- weigerlich kommenden Diskussionen mit so ziemlich allen zu verscherzen. Liebe Leser, denken Sie bei „Stadt, Land, Fluss“ auch sofort an das Spiel? Da werden Erinnerungen wach. Was steckt aber noch dahinter? Unsere Gedanken wanderten vom Erdkundeunterricht zu dem komplexen Raum, in dem wir leben. Und genau in diese Welt möchten wir mit Ihnen in dieser Ausgabe eintauchen. 2|3
Stadt, Land, Fluss Inhalt S. 6 S. 50 Laut gedacht Genau hingeschaut Essay: Wo lebt es sich am besten? Ein Blick auf die Extreme der Stadt. S. 10 S. 56 Genau hingeschaut Im Fokus Das Schiffshebewerk Scharnebeck Wenn Höhenunterschiede keine im Fokus. Rolle mehr spielen. S. 16 Schon gewusst? S. 58 Hinter den Kulissen S. 18 Von Ackerflächen, die extra für Drohnen im Praxistest. Zugvögel bestellt werden. S. 64 S. 18 Tipps und Tricks Gastbeitrag So gewinnen Sie „Stadt, Land, Fluss“ von Schauspieler Hanns Zischler. im Handumdrehen. S. 22 S. 66 Im Fokus Entdeckungsreise S. 50 S. 58 Unser neues Büro am Wasser. Unterwegs mit Spaziergangwissen- schaftler Bertram Weisshaar. S. 26 Was geht? S. 72 Michael Garstka und Jenny Gesterkamp Schon gewusst? über veränderte Ansprüche im städtischen Spannende Zahlen über Deutschland Umfeld. als Lebensraum. Impressum Herausgeber S. 32 S. 74 LIST AG So kanns gehen Im Gespräch Hagenstraße 41 Warum Kühe und Wasser doch Hanspeter Beißer vom Wittelsbacher 48529 Nordhorn T +49 5921 8840-0 zusammenpassen. Ausgleichsfonds über eine Stadtteiler- info@list-ag.de weiterung in Obermenzing. www.list-ag.de S. 36 Sitz der Gesellschaft Andere Blickwinkel S. 82 Nordhorn AG Osnabrück HRB 207548 Die Landschaften von William Turner Gewusst wie USt.-Id.-Nr. DE160541353 faszinieren bis heute. Überleben in der Stadt? Die Anpassungs- S. 74 fähigkeit mancher Tiere machts möglich. Vorstand Dipl.-Ing. Gerhard List (Vorsitz) Dipl.-Kfm. Markus Figenser S. 38 Dipl.-Ing. Dirk Rehaag, MBA Im Fokus S. 86 Tipps für Ausflüge in die Natur rund Nachgefragt Vorsitzender des Aufsichtsrats Prof. Dr. Manfred Helmus um unsere Standorte. Eoghan Buckley steht uns Rede und Antwort. Redaktion und Layout Laura Raasch S. 42 Inga Rahmsdorf Thore Vogelsang Im Gespräch Jürgen Beigel von der Zukunftsagentur Jens Hasekamp (V.i.S.d.P) Rheinisches Revier über den Strukturwan- LIST AG del einer ganzen Region. Hagenstraße 41 48529 Nordhorn T +49 5921 8840-893 jens.hasekamp@list-ag.de Anzeige und Abo laura.raasch@list-ag.de T +49 5921 8840-75 S. 66 Druck Druckerei J. F. Niemeyer GmbH & Co. KG Hohlweg 6, 49179 Ostercappeln Bauwerk 03 | 2020 4|5
Stadt, Land, Fluss Laut gedacht Stadt, Land, Lust – oder Frust? In der Großstadt lebt man am Puls der Zeit. Aber ständig Schlange ste- hen, Feinstaub in der Lunge und der Kampf um jedes Stückchen Scholle. Das Haus auf dem Land hingegen, ganz nah an der Natur, scheint nur so vor Charme zu sprühen. Landlust ist zum Lifestyle geworden. Dennoch ist der Zuzug in die Städte ungebrochen. Bleibt die Frage: Stadt, Land oder Kleinstadt – wo lebt es sich denn nun am besten? von Inga Rahmsdorf Über die Autorin. Unsere Autorin Inga Rahmsdorf ist eine Rückkeh- Foto ©aetb - stock.adobe.com rerin: Aufgewachsen ist sie in der Kleinstadt Nord- horn, fernab einer Großstadt. Nach der Schule zog sie dann schnell weg, lebte in Berlin, Mexiko-Stadt, Marseille und München. Bis sie sich 20 Jahre spä- ter wieder vom Großstadtleben verabschiedete und sich gemeinsam mit ihrer Familie dafür entschied, Landleben ist hip – zumindest für den Kurztrip der nach Nordhorn zurückzukehren. Das ist nun zwei Städter am Wochenende. Da wird plötzlich auch Jahre her – und sie hat es noch nicht bereut. mal ein Huhn zum Star auf dem Foto. Bauwerk 03 | 2020 6|7
Stadt, Land, Fluss Laut gedacht 77 Prozent der deutschen Bevölkerung leben in Städten und Ballungsgebieten. 44 Prozent der deutschen Bevölkerung träumt aber vom Leben auf dem Land. E s gibt wohl kaum Großstädter, tatsächlich um die Wahl des Wohnortes Enge, Provinzialität und begrenzte Mög- Lifestyle geworden. Zumindest das ideali- dass es in der Großstadt auf einen mehr gute Möglichkeit, um städtisches und die noch nicht nach ihrem güns- geht, nicht um Träume oder Wochenenden lichkeiten. sierte Bild davon. oder weniger nicht ankommt. Dass es ländliches Leben zu kombinieren. Klein ge- tigen Traumhaus auf dem Land auf der Datsche, siegt am Ende meist die das, was sie anpacken, gründen, neu auf nug, um nicht täglich Schlange stehen zu gegoogelt haben. Nach dem re- Stadt. Kein Wunder, steht sie sinnbildlich Dabei sind das Vorurteile, die längst nicht Urban Gardening liegt im Trend. Nur: Er- die Beine stellen wollen, in der Metropole müssen, nah genug an der Natur, um mal novierungsbedürftigen Resthof, der zum doch für Auswahl, Arbeitsplätze, Offenheit immer der Realität entsprechen. Vielfalt wachsene Landbewohner, die beseelt schon hundertmal gibt. In der Kleinstadt eben rauszukönnen. Und trotzdem bieten Verkauf steht, umgeben von dichtem Wald und Vielfalt. In der Stadt kann der aufge- findet man auch in Dörfern und Klein- Blumen pressen und lächelnd Puffbohnen oder auf dem Land ist das dagegen ganz Kleinstädte die gesamte Infrastruktur von und endlosen Wiesen. Wenn die U-Bahn schlossene Weltbürger seiner Arbeit nach- städten. Mitunter sogar viel besser als in ernten, haben so viel mit dem tatsächlichen anders: Dort sind sie vielleicht die Ersten Arbeitsplatz, Kneipe und Schwimmbad bis wieder zu voll ist, die Wohnung erdrückend gehen und jeden Abend ein anderes Kino, der Großstadt, wo alle sich hervorragend Alltag in der Provinz zu tun, wie die Immo- mit der neuen Geschäftsidee, dem Start- zur weiterführenden Schule. Fotos ©magann - stock.adobe.com, ©Christian Schwier - stock.adobe.com, www.tilo-grellmann.de klein und die Immobilienpreise horrend Theater oder Restaurant besuchen. ständig in ihren eigenen Blasen bewegen bilienpreise in München mit den durch- up, dem Projekt. Dort macht es sehr wohl hoch. Wenn man schneller zu Fuß wäre, können. Auch das Vorurteil, dass auf dem schnittlichen Einkommen der Einwohner. einen Unterschied, ob man da ist oder Am Ende bleibt die ewige Frage, ob man als im Auto über den Mittleren Ring zu Dabei muss man noch nicht einmal ein Land nur noch Senioren ihre Rollatoren Und wer von seinen Hochglanzmagazinen nicht. Nur weil das reale Landleben nicht nicht woanders glücklicher wäre. Der kriechen, man auf dem Spielplatz an jeder naturliebender Mensch sein, um nach ei- schieben, während sich das junge Volk in aufblickt und aufs Land fährt, muss erken- den Hochglanzmagazinen entspricht, in Traum vom anderen Leben. Auf der an- Rutsche Schlange stehen muss und sich nigen Jahren in der Großstadt Zweifel zu Berlin und München tummelt, trifft nicht nen: Das Leben dort ist nicht der idyllische denen die Sehnsüchte der Großstädter deren Seite vom eigenen Gartenzaun, wo im Park sogar Wartenummern wünscht, bekommen. Ständiger Lärm, Gedränge überall die Realität. Der jüngste Landkreis Idealzustand aus der Zeitschrift. Es gibt bedient werden, heißt das nicht, dass es das Gras viel saftiger aussieht. Oder gleich nur damit man auch mal auf der Wiese und Stress: Das Leben dort kann ziemlich in ganz Deutschland ist Cloppenburg. In dort weniger Menschen, das ja. Aber wenn nicht attraktiv wäre. ganz woanders, in einem fernen Land. Fußball spielen kann. anstrengend sein. Um sich aber nicht aus der ländlichen Region sind 20 Prozent der man in der Großstadt ständig genervt ist, Oder im Gegenentwurf des eigenen Le- der Welt zu katapultieren und Arbeitsplatz, Bevölkerung jünger als 18 Jahre. „Clop- weil man ohne Reservierung keinen freien Dabei muss man auch feststellen, dass bens. Vielleicht ist die Frage aber auch die, Spätestens beim ersten Kind taucht beim Schule, Freunde und Kita weiterhin in greif- penburg – the place to be?“, fragt der Tisch im Restaurant erhält, so findet man sich gar nicht immer klar unterscheiden ob man das Abenteuer nicht überall finden Großstadtbewohner diese Sehnsucht auf. barer Nähe zu behalten, entscheiden sich Großstädter abschätzig. in vielen Dörfern gar nicht erst ein Restau- lässt: Was ist eigentlich Provinz? Wo be- kann. Dann läge es gar nicht so sehr an Nach einem Garten, nach Weite und ei- viele Familien in der Großstadt für den Um- rant. Doch auch das trifft bei weitem nicht ginnt das Land? Man muss heute nicht in dem Ort, sondern nur an einem selbst. • nem Leben, in dem man mehr Zeit für das zug ins Umland der Metropolregion. Doch Doch während der Großstädter verächtlich auf alle Regionen zu. Wer genau schaut, die Abgeschiedenheit fahren, um Natur Wesentliche hat. 44 Prozent der Bevöl- wo hört die Stadt auf? Wo fängt das Land auf die Provinz blickt, preist er gleichzeitig entdeckt gerade in vielen ländlichen Regi- zu erleben. Die findet man mitunter selbst kerung in Deutschland würden gern auf an? Was liegt dazwischen? Speckgürtel? das naturverbundene Landlustleben, blät- onen innovative Projekte, ungewöhnliche in der Großstadt viel besser als auf dem dem Land leben. Tatsächlich wohnen aber Peripherie? Vorort? Schlafstadt? Schon tert sich durch Hochglanzmagazine, in de- Initiativen, charmante Cafés, gut laufende Land. Parks, Friedhöfe und Kleingartenan- 77 Prozent in Städten oder Ballungsge- die Zuordnung ist unklar, der Übergang nen das Glück vom Marmeladeeinkochen Kulturprojekte, neue Start-ups und große lagen bieten längst mehr Artenvielfalt als bieten. Und nur 15 Prozent in Dörfern mit fließend. Und nicht immer hat das Leben in bebildert wird. Wer es wirklich ernst meint Unternehmen, die sehr erfolgreich sind. die eintönigen Ackerflächen der industria- weniger als 5.000 Einwohnern. In und um einem Vorort am Rand einer Großstadt et- mit der Landliebe, der fährt am Wochen- lisierten Landwirtschaft. Berlin, München, Hamburg und anderen was mit dem Leben auf dem Land zu tun, ende dann aufs Land und lässt sich eng Das Schicksal von Land- und Kleinstadt- Großstädten werden unablässig Wohnun- wie man es sich im Idealfall vorstellt. Dicht umschlungen mit einem Huhn fotografie- kindern ist ja, dass sie meinen, wegzu- Aber dafür ist das Leben auf dem Land gen gebaut, die doch nie ausreichen, wäh- an dicht stehen dort die Einfamilienhäuser ren oder buddelt sich vor laufender Kame- müssen, um etwas zu werden – in größere auch bei weitem nicht so abgeschnitten rend bundesweit zwei Millionen Immobilien und häufig ist das wichtigste Verkehrsmit- ra durch einen Gemüseacker, den er mit Städte, wo Ausbildungen, Universitäten und rückständig, wie es sein Ruf vermu- leer stehen. In ländlichen Räumen. Dort, tel das Auto, mit dem man täglich in die der Datsche gepachtet hat. Es lebe der und Arbeitsplätze locken. Doch irgend- ten lässt. Im Gegenteil. Wie wäre es zum wo keiner hinziehen will. Denn wenn es Stadt pendelt. Zudem steht das Land für Selbstversorger! Das Landleben ist zum wann stellen die Provinzkinder dann fest, Beispiel mit einer Kleinstadt? Sie ist eine Bauwerk 03 | 2020 8|9
Stadt, Land, Fluss Genau hingeschaut Der Fahrstuhl für Schiffe – ein Gigant kurz vor der Rente. Ein beeindruckendes Bauwerk: Das Schiffshebe- werk Scharnebeck ist eines der größten seiner Art und funktioniert wie ein riesiger Fahrstuhl. In dem Giganten am Elbe-Seitenkanal bei Lüneburg werden Schiffe 38 Meter in die Höhe beziehungs- weise Tiefe befördert. Doch das fast 50 Jah- re alte Bauwerk ist dennoch zu klein geworden. Schiffe, die länger als 100 Meter sind, passen Foto ©Biker - stock.adobe.com nicht hinein. Nun ist eine neue Schleuse geplant – dem Schiffshebewerk steht die Rente bevor. Jährlich werden rund 21.000 Schiffe durch das Schiffshebewerk in Scharnebeck geleitet und acht Millionen Tonnen Güter transportiert. Bauwerk 03 | 2020 10 | 11
Stadt, Land, Fluss Genau hingeschaut Foto ©MaBu - stock.adobe.com Und so funktionierts: Es handelt sich um ein Dop- pelsenkrechthebewerk mit Gegengewichten und zwei unabhängig voneinander arbeitenden Trögen mit je vier Führungstürmen. Bauwerk 03 | 2020 12 | 13
I Stadt, Land, Fluss Genau hingeschaut m Hamburger Hafen wurden im vergangenen Jahr 136,6 Millio- pass geworden, weil die Tröge des Hebe- werks nur 100 Meter lang sind und größere Wasserstraßen in nen Tonnen Güter umgeschla- Schiffe es nicht passieren können. Außer- Deutschland. gen. Ein Teil von ihnen wird über dem ist der Gigant in die Jahre gekommen, die Binnenwasserstraßen durch Stilllegungen für Wartungen und Reparatu- Deutschland transportiert. Eine ren stören den Betrieb. Schifffahrtsunter- Das Netz der Bundeswasserstraßen um- der wichtigsten Wasserverbin- nehmen, Hafen- und Industrieverbände fasst in Deutschland etwa 7.300 Kilometer dungen dafür ist der Elbe-Sei- fordern daher seit längerem ein größeres tenkanal zwischen Elbe und Bauwerk, um den Höhenunterschied auf Binnenwasserstraßen. 75 Prozent der Was- Mittellandkanal. Schiffe, die den dem Elbe-Seitenkanal zu überwinden. Und serstraßen sind Flüsse und 25 Prozent Elbe-Seitenkanal passieren, müssen aller- der Ersatzbau, der das Schiffshebewerk dings einen Höhenunterschied von 61 Me- auf lange Sicht in die Rente verabschiedet, Kanäle. Zu den Bundeswasserstraßen zäh- tern überwinden. Damit das gelingt, wurde ist tatsächlich bereits in Planung. len zudem auch etwa 23.000 Quadratki- 1974 bei Lüneburg das Schiffshebewerk Scharnebeck errichtet. Das Bauwerk funk- Geplant ist nun eine Schleusenkonst- lometer Seewasserstraßen. Entlang der tioniert wie ein überdimensionierter Fahr- ruktion in Lüneburg, die mit Sparbecken Bundeswasserstraßen gibt es insgesamt stuhl. In zwei Trögen werden die Schiffe arbeitet – eine sogenannte Sparschleu- 38 Meter angehoben beziehungsweise ab- se. Das Projekt hat es auf die Liste der 450 Schleusenkammern, 290 Wehre, zwei gesenkt. Die fehlenden 23 Meter überwin- vordringlichen Projekte im Bundesver- Schiffshebewerke, 15 Kanalbrücken und det eine Schleuse in Uelzen. kehrswegeplan geschafft. Im Auftrag des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes zwei Talsperren. Etwa 4.800 Kilometer des Das erste Schiff passierte das damals größ- (WSA) Mittellandkanal/Elbe-Seitenkanal deutschen Wasserstraßennetzes besitzen te Schiffshebewerk der Welt im Dezember plant das Wasserstraßen-Neubauamt 1975. Bis heute bietet das Bauwerk ein (WNA) Hannover, die neue Schleuse in ei- maßgebliche Bedeutung für den internatio- faszinierendes technisches Schauspiel. nem Abstand von 60 Metern zum beste- nalen Güterverkehr in Europa. Die Tröge hängen an 240 Stahlseilen, die henden Schiffshebewerk zu errichten. Die Die Vorteile des jeweils 54 Millimeter dick sind und die Kammer der neuen Schleuse soll 225 Me- digitalen Brückenzwillings. sie mit Gegengewichten verbinden. Die ter lang und 12,50 Meter breit werden. Die Durchfahrt eines Schiffes, von der Einfahrt Planung und Genehmigung wird voraus- Ein Fahrstuhl der Sascha Bahlau, Geschäftsführer von LIST besonderen Art. bis zur Ausfahrt, dauert etwa 15 Minuten. sichtlich sechs Jahre dauern. Mindestens Digital, setzt sich für die Nutzung von BIM in Jährlich werden rund 21.000 Schiffe durch ebenso lange ist für den anschließenden allen Bereichen der Infrastruktur ein. Und auch das Hebewerk geleitet und acht Millionen Bau der Schleuse eingeplant. dieses Projekt hat er in der frühen Planungs- Tonnen Güter transportiert. Eine Besonderheit der neuen, insgesamt Die beiden Tröge des Schiffshebewerks phase begleitet: „Wasserbauwerke dieser Jedem Trog sind vier Führungstürme zu- 260 Meter langen und 50 Meter breiten werden durch vier Elektromotoren ange- Größe sind eine echte Herausforderung. Es gibt ausschließlich Sonderlösungen, es wird geordnet. Im Bereich der Türme liegen die Schleuse ist das ausgefeilte Sparsystem. Tröge auf Stützrahmen auf. Jeder Trog Der größte Teil des Schleusungswassers trieben. Das Gewicht eines wassergefüllten fast immer unter laufendem Betrieb gebaut wird von 240 je 54 Millimeter dicken Stahl- soll in Sparbecken zurückgehalten wer- Troges mit 100 Metern Länge, 12 Metern und der Baugrund hält häufig besondere An- forderungen bereit. Und gerade für diese indi- seilen gehalten. Diese werden im obersten den, um es für die nächste Fahrt nach Stockwerk der Türme über Seilscheiben oben wieder zu nutzen. Diese Becken Breite und 3,40 Meter Wassertiefe beträgt viduellen Rahmenbedingungen eignet sich die geführt und an einem Seilende mit dem sollen in die Kammerwände der Schleuse mit oder ohne Schiff immer 5.800 Tonnen, BIM-Methode. Die Planung findet in diesem Pi- lotprojekt von der Bestandsaufnahme bis zum Stützrahmen, am anderen Ende mit den integriert werden. Gegengewichten verbunden. Beide Tröge da die Schiffe beim Ein- und Ausfahren so fertigen Bauwerk modellbasiert statt und dient des Schiffshebewerks arbeiten unabhän- Damit die Staffelstabübergabe glückt, wird viel Wasser aus dem Trog verdrängen, wie auch der Qualitätssicherung. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die Einwirkung der gig voneinander und werden von einem bei der Planung des neuen, komplexen zentralen Steuerstand aus vollautomatisch Bauwerks auf Building Information Model- sie selbst wiegen. Um die Tröge möglichst Wasserfüllung auf das Tragwerk korrekt in der im Einmannbetrieb gefahren. ling (BIM) gesetzt. Denn mit dem 3D-Mo- energiesparend zu bewegen, dienen 224 Be- Planung berücksichtigt ist. Und genau das kann das objektorientierte 3D-Modell leisten. In dell können etwaige Planungsfehler früher In den vergangenen Jahren ist das Bau- entdeckt und behoben sowie Bauabläufe tonscheiben als Ausgleich. Jede der Beton- einer Betriebssimulation können sämtliche Sze- werk jedoch zunehmend zu einem Eng- vorab getestet werden. • scheiben hat ein Gewicht von 26,5 Tonnen. narien durchgespielt werden. Das beschleu- nigt die Projektumsetzung. Außerdem kann das Planungsmodell für den späteren Betrieb oder auch für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Eine Hürde bei der Modellierung sind zurzeit die noch nicht standardisierten wasser- bauspezifischen Bauteilbibliotheken. Aber mit jedem neuen Bauwerk wächst der Detailkata- log, sodass sich der Fleiß langfristig auszahlt.“ Foto a|w|sobott Bauwerk 03 | 2020 14 | 15
Stadt, Land, Fluss Schon gewusst? Tischlein, deck dich – wenn Vögel über die Lande ziehen. Jedes Jahr aufs Neue fliegen sie über unsere Köpfe hinweg: Zugvögel. Sie lassen unser Land hinter sich und legen in großen Scharen beeindruckende Strecken zurück. Hört man es über sich schnattern, geht der Blick schnell nach oben. Faszination. Die Landwirtschaft steht aber vor großen Herausforderungen und setzt auf Ablenkung. Worüber die wenigsten nachdenken: Landesregierung einen Vertrag über die Eine Verschnaufpause der ziehenden Tie- sogenannten Rastplätze für wandernde re kann teure Auswirkungen haben – so Vogelarten geschlossen. Das heißt, die zum Beispiel an der Westküste Schles- Landwirte verpflichten sich für fünf Jah- wig-Holsteins. Jedes Jahr im Herbst und re, mit Winterraps oder Wintergetreide Frühjahr beginnt die Zeit des Bangens vor bestellte Ackerflächen als Nahrung für großen sogenannten Fraßschäden. Teil- suchende Zugvögel zu überlassen. Ein weise wird die komplette junge Aussaat Ablenkungsmanöver, für das sie im Ge- zur Zwischenmahlzeit. Einige Landwirte genzug vom Land Geld erhalten. Ob das allerdings halten den Gänsen und Co. im hilft? Da scheiden sich die Geister. Zumin- übertragenen Sinn freiwillig einen reichge- dest aber ist es ein Versuch im „Kampf“ deckten Tisch bereit. Sie haben mit der um die Flächen. • Foto ©m.mphoto - stock.adobe.com Kraniche wie auch Gänse fliegen häufig in Keil- formationen. Dadurch können die Vögel bei ihren weiten Flügen Energie einsparen, indem sie den durch den Vordermann entstehenden Windschat- ten nutzen. Bauwerk 03 | 2020 16 | 17
Stadt, Land, Fluss Gastbeitrag Für einen generellen Im Rückspiegel I – Dauerwaldvertrag! Verdichtung per Autobahnanbindung. Es gehörte zum Mantra einer vorwärtspre- schenden bundesrepublikanischen Ver- kehrspolitik der 50er und 60er Jahre, dass die ländlichen Gebiete und vor allem Gedanken zu einem zeitgemäßen die kleineren Städte nicht benachteiligt werden dürfen, weil sonst ein soziogeo- Verhältnis zwischen Stadt und Land – grafisches Gefälle drohe – mit unabseh- baren Folgen. Die Konsequenz war die am Beispiel Berlin. sogenannte 50er-Regel, die besagte, dass Städte mit mindestens 50.000 Einwohnern nicht mehr als 50 Kilometer von der nächs- ten Autobahnzufahrt entfernt sein durften. Diese 50er-Regel sollte im Zuge der stei- genden Mobilität durch eine geradezu fantastisch anmutende 25er-Regel ver- dichtet werden. Wie sich an diesem und dem folgenden Beispiel zeigt, sind es grundsätzliche, weil unprognostizierbare Entwicklungen der sogenannten Bedarfs- planung, die hier deutlich werden. Im Rückspiegel II – geplante und ungeplante Landflucht. Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zirkulierte in der Verwal- tung der bayerischen Strukturplanung ein hochvertrauliches Papier, das einem glaub- würdigen Gerücht zufolge „die innere Evakuierung Bayerns“ zum Gegenstand hatte. Den Planern war aufgefallen und in unabweisbaren Zahlen bestätigt worden, dass die werktäglichen Pendelbewegun- gen von ländlichen Gebieten zu den In- dustriestandorten nicht nur immer mehr wurden, sondern immer häufiger sich auf die 100-km-Grenze für Hin- und Rückweg zubewegten. Die damals bereits erkenn- baren Folgen waren neben einer massiven familialen wie sozialen Verödung vieler Ort- schaften ein steigender Energieverbrauch, der „steuerlich“ zwar noch durch die Kilo- meterpauschale aufgefangen, aber eben nicht mehr sinnvoll gesteuert werden konnte. ‣ Foto Ulrich Weichert Hanns Zischler lebt seit vielen Jahren in Berlin und erkundet die Stadt bis heute vor allem zu Fuß. Bauwerk 03 | 2020 18 | 19
Stadt, Land, Fluss Gastbeitrag „Mit der Wiedervereinigung, die geografisch und verwal- „Das Wesen von Berlin ist eine polyzen- tungsmäßig tatsächlich nur in dem Bundesland Berlin trische Anlage, in der man anders als in vollzogen wurde, veränderte sich das Stadt-Land- vielen anderen Städten vergeblich nach Verhältnis in relativ kurzer Zeit auf dramatische Weise.“ einem (einzigen) Zentrum sucht.“ A nders als die in den südeuro- veränderte sich das Stadt-Land-Verhältnis Halbkreis vorgelagerten Städten Frankfurt Städte in einem Umkreis von circa 100 päischen Ländern quasi un- in relativ kurzer Zeit auf dramatische Wei- (Oder), Cottbus, Templin, Neuruppin und Kilometern an Berlin gebunden würden. regulierte, von schierer Armut se. Es war nicht nur die schon erwähnte Brandenburg. Sie sind aufgrund der his- Und der Berlin selbst aus seiner störri- getriebene Landflucht, hatte die Verlagerung der Landflucht in das Gebiet torischen Entwicklung und der hydrogeo- schen und eingebildeten Stadtverharrung bayerische Verwaltung eine gezielte Ent- zwischen Elbe und Oder, sondern das grafischen Besonderheit der Landschaft lösen könnte. Die Grundform dieses poly- kernung, also die „innere Evakuierung“, zweigeteilte Berlin selbst wurde aus einem im Urstromtal ausschließlich auf Berlin be- zentrischen Großgebildes ist bereits in den ins Auge gefasst. Mit anderen Worten: die Dornröschenschlaf geweckt. Es sollte wie- zogen. Eine besondere Rolle spielt dabei im 19. Jahrhundert geschaffenen Kopf- Preisgabe ganzer Dörfer und ihre Rück- der wie schon 1925 „Groß-Berlin“ werden. eine Art geografische „Illusion“, wonach bahnhöfen entwickelt worden, nur dass verwandlung in „Wüstungen“ sowie die War der westliche Teil durch einen offen- Berlin sich als ein von Seen, Flüssen und jetzt beziehungsweise künftig der Fluss Umsiedlung der Bevölkerung in stadt- be- bar für unversiegbar gehaltenen Geld- und Wäldern verwöhntes Gebilde begreift und zwischen Berlin und den einzelnen Städ- ziehungsweise industrienahe Bereiche. Materialstrom an die Herz-Lungen-Ma- damit einen Blick in die weitere Runde für ten durchlässiger gestaltet wäre und die Bezeichnender- oder – besser gesagt – schine Bonns angeschlossen, so war der überflüssig hält. Als habe man Stadt und kleineren Städte auch untereinander zum groteskerweise hatte die DDR bereits seit östliche Teil zu einer die Ressourcen der Land schon auf sich vereinigt. Tatsäch- ersten Mal gut verbunden wären. Dass dem Mauerbau (1961) begonnen, eine DDR verschlingenden „Hauptstadt“ mu- lich war es der umweltpolitisch kühne das zwischen Sand und Sumpf, also land- Reihe von Dörfern am östlichen „Zonen- tiert. Bereits der maßstabsetzende und Dauerwaldvertrag von 1915, bei dem der schaftlich verwöhnte Berlin immer noch randgebiet“ zwangsweise zu entvölkern städtebaulich kühne Bau der Stalin-Allee Senat von Berlin dem preußischen Staat sehr viel Baufläche für eine gesunde Ver- und zu „verwüsten“. Ein militärtechnischer durch Henselmann Ende der 50er Jahre in langen, zähen Verhandlungen einen un- dichtung besitzt, ohne den Dauerwald an- Prozess, dessen Ziel die „Schuss- und brachte die DDR-Wirtschaft an den Rand veräußerbaren Bestand an Wäldern und zutasten, sei hier nur am Rande erwähnt. Aufmarschfreiheit“ Richtung Westen war. des Ruins, wovon sie sich zeitlebens nicht Seen abkaufte und in einen großzügig Allein ein Viertel des Tempelhofer Felds Dieser in der neueren Geschichte ziemlich mehr erholen sollte. Mit dem Wandel von konzipierten Stadtentwicklungsplan integ- würde die große Stadtlücke schließen hel- einmalige Vorgang der Selbstentleibung der „Hauptstadt“ zur „Metropole“ ging rierte. Es wurden mit diesem Vertrag, der fen, die 1936 durch den Faustschlag des eines Landes wird in dem deprimierend dann eine schon in den 70er Jahren ein- für die 50 Jahre währende Entstehung von NS-Architekten Sagebiel in den Stadtkör- realistischen Katalogbuch „Wüstungen“, setzende Deindustrialisierung Berlins ein- Groß-Berlin eine unverzichtbare Garantie per gerissen wurde. hg. v. Heinlein/Gnaudschun (Berlin 2017), her, die auch durch die Wiedervereinigung bildete, die Interessen sowohl der erho- zum ersten Mal dokumentiert. nicht aufgehalten wurde. Was vielen heute lungsbedürftigen Einwohner als auch der dabei nicht mehr bewusst ist: Bis etwa Stadt- und Verkehrsplaner und der Inves- PS: Den Gürtel weiter Was rückblickend wie ein bloßes Gedan- 1971, dies zur Erinnerung, war Berlin nicht toren auf ungewöhnlich kluge Weise aus- schnallen! kenspiel von besorgten Planern anmutet, nur rein rechnerisch noch die größte deut- balanciert, bis heute. war damals, als das „Zonenrandgebiet“ sche Industriestadt. Die Banlieue von Paris ist auch deshalb zu ein hochsubventionierter riesiger Land- Dieser Vertrag macht sichtbar, was das einem Schreckgespenst der Stadtplanung schaftsstreifen war, zu einem ernsten Was seit den 90er Jahren bis heute auffällt Wesen, den Körper dieser Stadt kenn- geworden, weil eine großräumige Entlas- Problem geworden. Einen Plan B gab es und offenkundig für selbstverständlich ge- zeichnet: Es ist eine polyzentrische Anla- tung viel zu spät ins Auge gefasst wurde, Über den Autor. nicht – er trat gewissermaßen von selbst halten wird, ist das, was ich den Berliner ge, in der man anders als in vielen anderen da alles sich auf das innere Paris konzen- auf den Plan: die Wiedervereinigung. Da- Solipsismus nennen möchte. Die Stadt ist Städten vergeblich nach einem (einzigen) trierte. Die mittlerweile gigantischen Plä- Man kennt ihn vor allem aus Film und Fernse- mit waren fürs Erste und für die folgen- in einer Weise selbstbezogen, als gäbe es Zentrum sucht. Die „Mitte“ ist nur ein ne für das Très Grand Paris sind noch zu hen: Hanns Zischler spielte in deutschen und den Jahrzehnte die geheimen Sorgen der kein osmotisches, sondern allenfalls kon- Areal, nicht aber das Zentrum. Und selt- vage, als dass man an eine wirkliche Ent- internationalen Filmen und Fernsehprodukti- (bayerischen) Planer vom Tisch. Die Land- sumistisches Verhältnis zum umgebenden samerweise ist es genau diese polyzent- lastung der Stadt glauben könnte. Wenn onen mit. Claude Chabrol engagierte ihn und flucht verlagerte sich jetzt nach Osten, Land. Mit der politisch ungeschickt insze- rische Anlage, die das Konzept für einen Berlin es schafft, den Dauerwald, den es auch Steven Spielberg besetzte ihn in "Mu- vor allem nach Nordosten, in die blüten- nierten und blauäugig betriebenen Initiati- sehr viel weitergehenden Entwurf in sich in seinem Innern als ein unverzichtbares nich" ("München", US 2005) als Mossad-Killer. und seenreichen Landschaften Mecklen- ve einer Nach-Wiedervereinigung Berlins trägt – gewissermaßen einen sehr viel wei- Gut beherbergt und der für das städtische Aber Hanns Zischler ist mehr als das. Als Au- burg-Vorpommerns. mit Brandenburg 1995 wurde eine eigent- ter gefassten, generellen Dauerwaldver- Leben sichtbar von dem S-Bahn-Gürtel, tor verfasste er zahlreiche literarische Essays lich wünschenswerte Verwaltungslösung trag. 1993, als Berlin im Strohfeuer einer dem sogenannten Hundekopf, zusam- und eine Reihe von Büchern über Franz Kafka für lange Zeit ausgesetzt. fragilen Euphorie vor lauter Kraft kaum mengefasst wird, auf die gesamte Seen- und Berlin sowie Essays rund um das Berliner mehr gehen konnte und über Berlin hin- und Waldlandschaft im weiten Umkreis Berlins Aufschwung aus gar nicht denken wollte, entwickelte auszuweiten, könnte ein großer Wurf ge- Naturkundemuseum. In diesem Jahr veröffent- lichte er seinen ersten Roman: „Der zerrissene zur Metropole. Der dritte Ring. der Städteplaner Christoph Stroschein lingen. Wir müssen den Gürtel nur weiter Foto Jennifer Frey Brief“. Hanns Zischler begreift sich selbst als zusammen mit dem italienischen Büro schnallen. • „unabhängigen Forscher“. Für ihn wird es dort Mit der Wiedervereinigung, die geografisch Woran es Berlin mangelt, ist ein dynami- Gregotti Associati Int. einen landschafts- spannend, wo der Drehort aufhört, Drehort zu und verwaltungsmäßig tasächlich nur in sches, auf Gegenseitigkeit gegründetes und städteübergreifenden Plan für einen sein – denn er bringt eine natürliche Neugier für dem Bundesland Berlin vollzogen wurde, Verhältnis zu den im weiten nördlichen dritten Eisenbahnring, demzufolge die Stadt und Land mit. Bauwerk 03 | 2020 20 | 21
Stadt, Land, Fluss Im Fokus Moin. unserem Cover erkannt ;-) ? PS: Haben Sie die Stadt auf Aus unserem Büro am Wasser. Hamburg – eine Stadt mit Anziehungskraft. Für unse- direkt am Fischmarkt – wo einst Fische gekühlt re Auftraggeber und Partner. Für aktuelle, aber natür- wurden – lässt es sich nicht einfach nur arbeiten. Hier lich auch potenzielle Kollegen. Und ebenso natürlich fühlen wir uns wohl. Direkt am Wasser und zugleich für uns als Unternehmensgruppe. Deshalb ist im letz- mitten in der Stadt. In einer innovativen Nachbarschaft ten Jahr die Entscheidung gefallen: Wir expandieren und zugleich in einem traditionellen, liebevoll aufbe- weiter – und zwar in die Hansestadt. reiteten Gebäude mit Charakter. Und in Flächen, in denen es den Innenarchitekten brandherm + krumrey Und dann mussten unsere Projektentwickler ran. Denn gelungen ist, die Offenheit des Lofts beizubehalten wer – wenn nicht sie – kennt sich mit guten Stand- und zeitgleich Rückzugsorte für jeden Anlass anzu- orten aus? Und heute, wenn wir unseren Blick vom bieten. Schreibtisch über die Elbe und den Hafen schweifen lassen, können wir nur sagen: Hut ab, die Kollegen Gäste sind natürlich jederzeit herzlich willkommen. haben ganze Arbeit geleistet. Hier im Elbkaihaus Große Elbstraße 145 D, 22767 Hamburg • Foto LIST Gruppe Bauwerk 03 | 2020 22 | 23
Anzeige
Stadt, Land, Fluss Was geht? URBAN JUNGLE – nichts bleibt, wie es ist. Städte stehen dauerhaft unter dem Einfluss verschiedener Megatrends. Veränderung gehört zur Tagesordnung. Die Projektentwicklung auf das Zusammenbringen von Standort, Nutzer und Kapital zu reduzieren, scheint da grob fahrlässig. Aber was müssen Immobilien und ihre Entwickler heute leisten, um im Urban Jungle zu bestehen? Foto ©Barselona Dreams - stock.adobe.com In Innenstädten hatte der Handel bislang die Oberhand im Erdgeschoss. Das könnte sich bald ändern. Bauwerk 03 | 2020 26 | 27
Stadt, Land, Fluss Was geht? Eigentlich haben wir uns heute „nur“ getroffen, um ein paar Fotos der neuen Geschäftsführung von LIST Develop Commercial zu machen. Denn Jenny Gesterkamp und ihr Team von LIST Projekt Management haben sich mit dem Team von Michael Garstka zusam- mengeschlossen. Aber warum bündeln die beiden Gesellschaften ihre Kompetenzen und verschmelzen zu einer großen Einheit? „Damit werden wir der gestiegenen Komplexität im Projektentwicklungsge- schäft gerecht“, erklärt Michael Garstka. Klingt logisch, bleibt aber natürlich nur an der Oberfläche. Also haben wir nachgefragt. Was sind die veränderten Einflüsse und Ansprüche im Dickicht der Stadt, mit denen die Projektentwickler und die Projektsteuerer jonglieren müssen? Gelandet sind wir bei Schlagworten wie Kiez, Last-Mile- Logistik und Maßstäblichkeit. Und zwischen den Zeilen geht es immer wieder um eines: Nachhaltigkeit in ihren verschiedensten Formen und Farben. Jenny Gesterkamp und Michael Garstka bündeln zukünftig ihre Kompetenzen. Vom Dorfleben in der Stadt. eine Projektentwicklung, die diese Entwick- empfangen. Nur unter Berücksichtigung durchaus auch wie eine Art Verteilere- gerspitzengefühl und eine gute Kommuni- Jenny Gesterkamp in den Raum. „Wenn wir lung befeuert und vor Ort vieles verändert. von diesem gesamtgesellschaftlichen Kon- bene genutzt werden. Dann bekommen kation an. Das bestätigt Michael Garstka: die Wertschöpfung im städtischen Umfeld „Als ich mich vor vielen Jahren auf die Pro- „Wenn die Menschen plötzlich in ihrem text schaffen wir nachhaltige Lösungen, die die Nutzungen zwar einen aufmerksam- „Auch kleinere Nutzungen müssen aufei- weiter verbessern und den Menschen alles jektsteuerung spezialisiert habe, war un- Stadtteil nicht mehr nur wohnen, sondern sich auch für Investoren rechnen.“ keitsstarken Eingangsbereich im Erdge- nander abgestimmt sein – vielleicht sogar an einem Ort ermöglichen wollen, dann ge- ser Geschäft definitiv noch ein anderes“, auch arbeiten können, dann wird auch ihr schoss. Haben die Kunden oder Gäste mehr denn je. Denn nur so können wir Syn- hören diese Themen auch mit in die Quar- erklärt Jenny Gesterkamp, die Michael Bewegungsradius viel kleiner. Das wiede- das Gebäude aber betreten, werden sie ergieeffekte schaffen, von denen alle profi- tiere.“ „Das beschäftigt uns gerade sehr“, Garstka seit September in der Geschäfts- rum verhindert den Kaufkraftabfluss im Die Karten werden noch weiter nach oben geleitet. Die eigentliche tieren. Hotels haben da beispielsweise den führt Michael Garstka weiter aus. „Die gro- führung von LIST Develop Commercial Stadtteil und erhöht zum Beispiel die Rele- stärker gemischt. Nutzung befindet sich dann ein oder meh- Anfang gemacht und nicht mehr auf einen ße Herausforderung, mit der wir und auch ergänzt. „Wir haben uns eher um die Errich- vanz für kulturelle Angebote. Und mit jeder rere Stockwerke höher.“ Und auch kultu- ebenerdigen Empfangsbereich bestanden. die Unternehmen uns dabei aber noch tung von Monostrukturen gekümmert. Da neuen Entwicklung wird dieser Effekt grö- Dieser neue Fokus sowie eine gewisse relle Einrichtungen erhalten bei den beiden Zurzeit spüren wir wiederum erste Verän- konfrontiert sehen, ist Integration. Man war die Komplexität geringer.“ Seitdem hat ßer“, führt Jenny Gesterkamp weiter aus. Vorsicht bei den Mietern in Sachen Neu- Geschäftsführern eine echte Chance. Sie derungen bei den Handelskonzepten, die kann einen Produktionsstandort nicht eins sich einiges getan. Bereits vor fünf bis zehn ansiedlung – entstanden durch die Coro- müssen aus wirtschaftlicher Perspektive sich eher auf Klasse statt Masse fokussie- zu eins von der grünen Wiese in die Stadt- Jahren haben unsere Projektentwickler da- In Fachartikeln liest man in diesem Zu- na-Situation – führen außerdem dazu, dass natürlich tragbar sein, damit die Produk- ren. Die Entwicklung von City-Konzepten teile übertragen. Und auch in der Logistik mit begonnen, die Nutzungen zu durchmi- sammenhang immer häufiger das Wort die Maßstäblichkeit der Flächen immer te für Endinvestoren interessant bleiben. nimmt deutlich zu. So hat die Bünting- müssen neue Lösungen her. Die städtische schen. Das Quartier eroberte die Städte. „Konnektivität“. „Ein Wort, das alles und stärker in den Mittelpunkt rückt. „Die Mieter Trotzdem wollen Michael Garstka und Gruppe für ihre Flächen in unseren Neutor Infrastruktur hat vielerorts ihr Kapazitätslimit Heute liegt die Vermutung nahe, dass der nichts heißen kann“, schmunzelt Michael und auch Endinvestoren können bei einer Jenny Gesterkamp den Nutzer zukünftig Arkaden in Emden beispielsweise erstmals erreicht, das ist kein Geheimnis. Innovative Veränderungsprozess abgeschlossen ist. Garstka. „Nein, mal ganz ehrlich. Es geht kleinteiligeren Verteilung der Flächen ihr noch stärker in den Fokus setzen. einen Combi-Verbrauchermarkt im spezi- Zustell-Konzepte für die letzte Meile zu den Dem ist aber nicht so, weiß Michael Garst- in meinen Augen darum, die Menschen zu Risiko besser streuen. Außerdem können ellen City-Format geplant. Und selbst die Kunden brauchen aber ebenso innovative ka: „Das Quartier und ‚Mixed Use‘ wurden verbinden. Begegnungsstätten zu schaffen wir den Ansprüchen an eine nachhaltige Diese Entwicklung macht wiederum die Lebensmittel-Discounter drängen verstärkt Immobilienlösungen.“ Diese Entwicklung bislang synonym verwendet. Es ging vor und Barrieren abzubauen. Das ist der eine Entwicklung für den Stadtteil besser ge- Genehmigungsprozesse und die Realisie- in diese Richtung. Jetzt liegt es an uns, das sei zwar schon viel diskutiert, stünde aber allem darum, mehreren Nutzungen unter Aspekt, der mit diesem Wort zum Aus- recht werden“, erklärt Michael Garstka die rung natürlich nicht einfacher, weiß Jenny bestmöglich zu kombinieren.“ noch ganz am Anfang. „In der Quartiers- einem Dach Platz zu bieten. Das reicht druck kommt. Außerdem müssen Quartie- Hintergründe. „Wir bleiben also bei Mixed Gesterkamp: „Die B-Pläne stammen in der entwicklung ist diese neue Nutzungsform heute aber längst nicht mehr aus. Der eige- re integrativ sein. Sie müssen sich inhaltlich Use und werden dabei noch flexibler. Das Regel aus einer Zeit, in der eine Durch- definitiv noch kein fester Bestandteil“, gibt ne Stadtteil wird für die Menschen wieder und auch ästhetisch in die Nachbarschaft Erdgeschoss zum Beispiel ist längst nicht mischung in derartiger Form gar nicht Neue Konkurrenten Jenny Gesterkamp einen tieferen Einblick. wichtiger. Schnell und bequem wollen sie einfügen und zu einem Teil von ihr werden. mehr dem Handel vorbehalten. Ebenso vorgesehen war. Das muss man unbe- im Spiel. „Wir spüren aber, dass das Umdenken alles am liebsten direkt vor der Haustür er- Deshalb werden die Architektur und auch können Gastronomie oder Hotel eine Rol- dingt schon in seiner Planung frühzeitig bereits stattgefunden hat, und verstehen Foto a|w|sobott ledigen. Das erhöht den Anspruch an die Beteiligungsprozesse für die Stadtteilbe- le spielen. Dabei haben wir uns davon ge- berücksichtigen.“ Im Bau habe man zudem „Die Flächenverteilung in Immobilien noch uns als Sparringspartner. Wie lassen sich Quartiersentwicklung enorm.“ Man könnte wohner in unseren Projekten immer wich- löst, dass das Erdgeschoss ausschließlich viel mehr Ansprüche, die untereinander ab- einmal zu überdenken heißt zudem, dass die sogenannten Micro-Hubs erfolgreich in sagen, dass sich eine Art Dorfleben in der tiger. Wir müssen etwas schaffen, das die die Funktion des Frequenzbringers inne- gewogen und kombiniert werden müssten. zum Beispiel Logistik und Produktion unsere Quartiere integrieren? Wie gehen Stadt ausbreitet. Und manchmal ist es nur Menschen in ihrem Kiez mit offenen Armen hat. Denn es kann – zumindest in Teilen – Dafür komme es mehr denn je auf das Fin- plötzlich auch eine Rolle spielen“, stellt wir mit den Themen Lärmschutz, Lauf- ‣ Bauwerk 03 | 2020 28 | 29
Stadt, Land, Fluss Was geht? Bündelung der Kompetenzen in der Projektentwicklung. Auch die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisie- Als Unternehmensgruppe versuchen wir stets, rung werden enormen Einfluss auf unsere Städte flexibel und pragmatisch auf die Entwicklungen und deren Immobilien nehmen. am Immobilienmarkt zu reagieren. So auch in diesem Zusammenhang. Im Projektentwick- lungsbereich hat diese Weiterentwicklung zwei konkrete Auswirkungen: 1. Bisher agierten die zwei Projektentwicklungsge- und Transportwege im Gebäude oder auch genen Jahre sind vielen ein Dorn im Auge unseren Experten von LIST Ingenieure so mulationen durchgeführt, die den tatsäch- sellschaften LIST Develop Commercial und LIST Park- und Beladeflächen um? Es geht nicht geworden – zu Recht. Und Langlebigkeit effizient wie nur irgendwie möglich für den lichen Bedarf unter Berücksichtigung einer Develop Residential unabhängig voneinander. nur um die eigentliche Logistiklösung, son- erschaffen wir nur, indem wir die Zweitver- Betrieb gestalten und dann auch die Mög- möglichen Zweitverwendung errechnen. Das soll sich jetzt ändern: Die bisherige gesell- dern auch um eine intelligente Integration wendbarkeit von Beginn an mit einplanen.“ lichkeiten der Digitalisierung für die Steue- Und je nachdem wie diese ausfallen, hin- schaftsrechtliche und organisatorische Trennung in ein städtisches Umfeld, das Vorbehalte Und Wohnen ist dabei ja auch nicht gleich rung dessen nutzen.“ Die Anwendung der terfragen die Geschäftsführer auch ver- der Gesellschaften wollten wir so nicht mehr. Un- gegen diese neue Nutzung hat. Nur wenn Wohnen. Wenn die klassische Dreizim- BIM-Methode sei dabei eine Art Grundla- altete DIN-Normen und VDI-Richtlinien sere bundesweiten Aktivitäten im Bereich Projekt- wir echte Lösungen präsentieren, die für merwohnung sich in dem Grundriss der genschaffung, holt Michael Garstka weiter – natürlich in engem Austausch mit den In- entwicklung werden wir zukünftig daher über alle alle Beteiligten funktionieren, können wir Produktionsräume nicht ohne weiteres un- aus. „Während sich alle den Kopf darüber vestoren und zugunsten einer verbesserten Assetklassen hinweg zusammenführen. Unter der mit der Immobilie einen positiven Einfluss terbringen lässt, sind vielleicht Modelle von zerbrechen, wie sie ihre eigenen Prozesse CO2-Bilanz. „Das ist ein neuer Ansatz, der Bereichsmarke LIST Develop wird es zwar weiter- auf das Image und den ökologischen Fuß- Longstay-Anbietern, die sich gerade einen digitalisieren und die BIM-Methode sinnvoll bei unseren Investoren aber durchaus auf hin die beiden Gesellschaften LIST Develop Resi- abdruck der Kurier-, Express- und Paket- festen Platz im Markt erarbeiten, möglich. anwenden, wäre ich zu gerne schon einen Interesse stößt“, schließt Michael Garstka dential und LIST Develop Commercial geben. Die dienstleister nehmen und zeitgleich zu einer Schritt weiter. Mich treibt die Frage um, wie das Thema ab. „Denn eines haben die letz- Kollegen beider bisheriger Projektentwicklungsge- weiteren Durchmischung beitragen.“ wir nicht uns, sondern die Immobilie noch ten Jahre schon gezeigt: Nur was nachhal- Die Möglichkeiten stärker digitalisieren. Und zwar so, dass es tig ist, funktioniert auch langfristig.“ Wobei sellschaften bilden zukünftig aber ein gemeinsames Team. Wir glauben, somit die Immobilien noch bes- Die aktuelle Aufgabe der Marktakteure ist es der Technik. die Qualität unserer Produkte erhöht. Aber wir wieder bei dem Ausgangspunkt unse- ser auf unsere Kunden zuschneiden zu können – momentan also, den theoretischen Mehr- ich möchte nicht zu ungeduldig sein.“ res Termins wären, schließt Jenny Gester- unabhängig davon, ob es sich um Wohnnutzung, wert zu einem praktischen zu wandeln. Es Bleibt noch die Frage nach der Technik und kamp den Kreis: „Die Verschmelzung von gewerbliche Nutzung oder gemischt genutzte Im- müssen Rahmenbedingungen geschaffen der Digitalisierung. Werden die Gebäude Mit der Tatsache, dass sämtliche neue Projektentwicklung und Projektmanage- mobilien handelt. Fotos ©Dan Race - stock.adobe.com, a|w|sobott werden, in denen sich für Unternehmen jetzt alle smart? Und können sie zukünftig Projektentwicklungen von LIST Develop ment hilft uns dabei, diesen städtischen die neugewonnene Nähe zu den Kunden CO2-neutral betrieben werden? Dazu hat Commercial von nun an mithilfe eines Urwald noch besser in den Griff zu bekom- 2. Jenny Gesterkamp fusioniert mit ihrem Team und Mitarbeitern auch auszahlt. „Gleichzei- Jenny Gesterkamp eine klare Meinung: BIM-Modells umgesetzt werden, schaffen men. Wir verzahnen die Disziplinen und von LIST Projekt Management mit dem Team von tig dürfen wir die Zweitverwendbarkeit der „Auch wenn das für uns alle noch viel die Kollegen zum Beispiel schon die Mög- können uns jeweils doch auf das konzen- LIST Develop. Die beiden Gesellschaften arbei- Immobilie nicht aus dem Blick verlieren“, Arbeit bedeutet, würde ich beide Fragen mit lichkeit für eine digitale Besichtigung der trieren, was wir am besten können. Das ten so oder so bereits seit einiger Zeit sehr eng wirft Michael Garstka ein. „Das muss man einem klaren Ja beantworten. Der schon Räume. Außerdem kann der Hausmeister macht uns und auch unsere Lösungen zusammen. Die Anzahl und Komplexität der LIST immer im Gleichgewicht halten. Da, wo in genannte Anspruch auf Konnektivität macht von zu Hause aus nachgucken, welches wieder etwas nachhaltiger.“ • Develop-Projekte ist in den letzten Jahren stark ge- den nächsten fünf Jahren gearbeitet wird, auch hier keinen Halt. Das fängt bei einer Leuchtmittel er für die kaputte Lampe be- stiegen. Dies stellt hohe Anforderungen an das Pro- ist vielleicht schon in zehn Jahren eine intelligenten, zentral geregelten Müllentsor- sorgen muss, zu der sich gerade ein Mieter jektmanagement. Daher war der jetzige Entschluss, Wohnnutzung sinnvoller. Und darauf müs- gung an und hört bei der individuellen Kli- gemeldet hat. Und auch in Sachen Ener- miteinander zu verschmelzen, der nächste logische sen wir die Flächen vorbereiten. Die kurzen matisierung der Räume auf. Wir müssen gieeffizienz kommen die Projektentwickler Schritt. Damit wächst das Team von LIST Develop Lebenszyklen der Immobilien der vergan- die Technische Gebäudeausrüstung mit Stück für Stück voran. Vorab werden Si- auf 25 Mitarbeiter. Bauwerk 03 | 2020 30 | 31
Stadt, Land, Fluss So kanns gehen Auf der obersten Etage des dreistöckigen Bau- ernhofs leben die Kühe in einem Stall, der von lichtdurchlässigen Kunststoffbögen überspannt wird. 27 mal 27 Meter misst die Grundfläche. Schwimmende City-Kühe. Landwirtschaftliche Flächen sind knapp in den Niederlanden. Warum nicht neue Lösungen versuchen und einen Kuhstall aufs Wasser verlagern? Das fragten sich Minke und Peter van Wingerden Foto Iris van den Broek/Rotterdam Partners und gründeten die erste Floating Farm der Welt. So leben heute im Hafen von Rotterdam 34 Kühe in einem schwimmenden Stall. Die Milchfarm ist ein Testlabor, das wissenschaftlich begleitet wird. Die Produkte kann man kaufen. Ist das die Landwirtschaft der Zukunft? Bauwerk 03 | 2020 32 | 33
Stadt, Land, Fluss So kanns gehen I m Rotterdamer Hafenbecken schaukelt Dach gespeist wird und aus dem die Kühe ein graues, quadratisches Schiff auf getränkt werden. Es geht den Gründern dem Wasser. Oder ist es ein Gebäude? nicht nur darum, die Wasserfläche in der „The Floating Farm“ bietet auf jeden Fall Stadt zu nutzen. „Wir versuchen, so nach- seinen Bewohnern einen ungewöhnlichen haltig und kreislauforientiert wie möglich zu Ausblick. Seit Mai 2019 leben 34 Kühe in arbeiten“, sagen sie. dem Kuhstall auf dem Wasser, im Merwe- haven, nicht weit vom Rotterdamer Haupt- Eine Maschine im Unterdeck trennt Jau- bahnhof entfernt. Es ist weltweit der erste che und Trockenmist. Abfälle aus der Stadt schwimmende Milchbauernhof. werden als Futter genutzt, wie Malzrück- stände von Brauereien und abgeschnit- Ein Drittel der Niederlande liegt auf oder tenes Gras aus Grünanlagen. Neben der unter dem Meeresspiegel. Seit Jahrhun- Floating Farm schwimmt ein Ponton, derten sind die Menschen damit beschäf- auf dem Solarzellen Strom generieren. tigt, ihr Land vor dem Wasser zu schützen. Den Liegeplatz mieten sie von der Stadt Heute betrachten sie das Wasser aber Rotterdam an. Private Investoren und Ko- nicht mehr nur als Gefahr, sondern auch operationen mit verschiedenen Partnern als Chance. So sind bereits viele innovative unterstützen das Projekt, von einer Uni- Ideen in den Niederlanden entstanden, mit versität wird es wissenschaftlich begleitet. Peter van Wingerden posiert mit und auf dem Wasser zu leben. Einen Kuh- „Wir sind davon überzeugt, dass man die- seiner Herde an Bord der schwim- stall zu bauen, der im Wasser liegt, diese ses Modell weltweit einsetzen kann“, sa- menden Milchfarm. Diese hat im Idee kam den beiden Niederländern Min- gen die Gründer. Hafen Rotterdams festgemacht ke und Peter van Wingerden, als sie 2012 und verfügt über zwei Roboter. in New York erlebten, wie es nach einem Eine Herausforderung war es, das schwim- Einen, der die Kühe melkt, und Hurrikan zu Versorgungsengpässen bei mende Gebäude zu stabilisieren. Da die einen weiteren, der den Mist auto- Lebensmitteln kam. Transportwege waren Kühe frei herumlaufen, könnte die Farm matisch aufnimmt. abgeschnitten, frische Produkte nicht lie- schnell Schlagseite bekommen, wenn die ferbar. Tiere sich in Gruppen zusammenstellen. Dafür wurden zwei im Hafengrund veran- Ein schwimmender Stall hätte den Vorteil, kerte Stahlpfeiler installiert, an denen die sich dem steigenden Meeresspiegel an- Farm mit den Gezeiten nach oben und zupassen, so die Idee der beiden Initiato- unten gleiten kann. Und es gab natürlich ren. Sie wollen die Lebensmittel möglichst Fragen hinsichtlich des Tierwohls, die vor- nah am Konsumenten produzieren. Und ab geklärt werden mussten. Zum Beispiel, auf dem Wasser ist noch Platz. Schließ- ob Kühe eigentlich seekrank werden kön- lich wächst die Weltbevölkerung, urbanes nen. Erst als eine tierärztliche Hochschule Land ist knapp und wird immer knapper. grünes Licht gab, erhielten die van Winger- Zwei Drittel der Erdoberfläche sind Wasser, dens die Zulassung für den schwimmen- das meiste davon ist Salzwasser. Warum den Kuhstall. also nicht die Wasserflächen nutzen, um Kühe zu halten? Und die Milchfarm ist erst der Anfang, davon sind Minke und Peter van Winger- Fotos Iris van den Broek/Rotterdam Partners, picture alliance/AP Photo/Mike Corder Auf der obersten Etage des dreistöckigen den überzeugt. In Zukunft sollen nicht nur Bauernhofs leben die Kühe in einem Stall, Kühe auf dem Wasser leben. Es gibt be- der von lichtdurchlässigen Kunststoffbö- reits Pläne und Entwürfe für einen schwim- gen überspannt wird. 27 mal 27 Meter menden Hühnerstall und für ein vertikales misst die Grundfläche. Gemolken werden Gewächshaus. • die Tiere an einer automatischen Melkan- lage. Die Milch fließt von dort direkt in die Hühner auf dem Wasser. mittlere Etage, wo sie pasteurisiert und teilweise weiterverarbeitet wird. Die Pro- In Zukunft soll auch eine Hühnerfarm neben dukte – Milch, Joghurt und Butter – kann der Milchfarm im Rotterdamer Hafen schwim- man vor Ort, in einigen Supermärkten oder men. Das Rotterdamer Architekturbüro Gold- online einkaufen. smith hat bereits die Entwürfe dafür erstellt. Im obersten Stockwerk werden 7.000 Lege- Für den Weidegang können die Kühe über hennen leben. Auf der untersten Etage sollen einen Steg eine Wiese auf dem Festland Nutzpflanzen angebaut werden. In der mittle- erreichen. Vom Mitteldeck aus wird das ren Ebene werden die Eier und die Feldfrüch- Futter für die Kühe per Laufband nach te in einer Fabrik verarbeitet. Auf dem Dach oben transportiert. Das unterste Stock- generiert eine Photovoltaik-Anlage Strom. Die werk der Floating Farm liegt fast ganz un- Stadtbewohner sollen die Farm besuchen kön- ter Wasser. Dort befinden sich Lagerräume nen und so mehr über die Lebensmittelproduk- und ein Regenwassertank, der über das tion vor Ort erfahren. Bauwerk 03 | 2020 34 | 35
Sie können auch lesen