Sustainable Urban Infrastructure - Ausgabe München - Wege in eine CO2-freie Zukunft
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Inhalt Kapitel 1.0 Wege in eine CO2-freie Zukunft Die Kernergebnisse 4 Was bedeutet CO2-Freiheit? 10 CO2-freie Zukunft – die Heraus- forderungen aus Expertensicht 11 2.0 Zwei Wege in die Zukunft Die Szenarien „Ziel“ und „Brücke“ 12 2.1 Wärmenachfrage Gebäude 16 Best Practice: Passivhaus und Gebäudesanierung 21 Technologie-Ausblick: Gebäudedämmung 23 2.2 Stromnachfrage Gebäude 24 Dieser Bericht basiert auf Forschungsergebnissen Best Practice: Energiesparcontracting 28 des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH und wurde von der Siemens AG unterstützt. Technologie-Ausblick: OLEDs 29 2 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
Inhalt 2.3 Verkehr 30 3.0 Der Musterstadtteil Best Practice: Intelligente Vorbild für die Zukunft 48 Verkehrssteuerung 33 3.1 Der Musterstadtteil im Detail Technologie-Ausblick: Wärmenachfrage der Gebäude 54 Elektromobilität 37 3.2 Der Musterstadtteil im Detail 2.4 Wärmebereitstellung 38 Stromnachfrage der Gebäude 58 Best Practice: Fernwärme 3.3 Der Musterstadtteil im Detail in Kopenhagen 41 Verkehr im Musterstadtteil 60 Technologie-Ausblick: LowEx-Konzepte 41 3.4 Der Musterstadtteil im Detail Wärme für den Musterstadtteil 66 2.5 Strombereitstellung 42 3.5 Der Musterstadtteil im Detail Best Practice: Beteiligung an Strom für den Musterstadtteil 70 regenerativer Stromerzeugung – Windkraft-Projekte 45 Best Practice: Malmö 73 Technologie-Ausblick: Smart Grid und Lastmanagement 45 4.0 Ausblick 74 München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 3
Wege in eine CO2-freie Zukunft – die Kernergebnisse K limaschutz muss in den Städten beginnen. An dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei, denn die Fakten sind erdrückend. Die Großstädte be- nung setzt Jahr für Jahr Milliarden Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid frei. Kein Zweifel: Die Städte tragen am stärksten sich die Problematik gut packen, denn Klima- schutzmaßnahmen entfalten hier ihre größte Wir- kung. So sind die Metropolen der Welt in der decken gerade einmal ein Prozent der Erdober- zum weltweiten Klimawandel bei. Zugleich einzigartigen Position, den Weg zum klima- fläche, verschlingen aber 75 Prozent der einge- werden die Folgen des Klimawandels hier in Zu- freundlichen Leben und Wirtschaften zu ebnen setzten Energie und stoßen 80 Prozent der kunft sehr deutlich zu spüren sein. Für München und Lösungen zu generieren, die anderen Re- weltweit emittierten Treibhausgase aus, allen zum Beispiel erwartet das Umweltbundesamt bis gionen als Vorbild dienen können. voran Kohlendioxid (CO2). Und die Städte Ende des Jahrhunderts eine deutliche Zunahme Diese Studie zeigt, wie eine urbane Metropol- wachsen. Heute lebt gut die Hälfte der Welt- sehr heißer Tage und Tropennächte. Extrem heiße region in den nächsten Jahrzehnten den Weg in bevölkerung in Städten. Im Jahr 2025 werden es Sommer wie der von 2003 werden nicht mehr die eine annähernd CO2-freie Zukunft gehen könnte. voraussichtlich bereits 60 Prozent sein. Das Ausnahme, sondern die Regel sein. Dass sich die Dafür dient die Stadt München mit ihren 1,3 Mil- Lebenselixier der pulsierenden Metropolen rund Ursachen des Klimawandels stark in den Städten lionen Einwohnern als Modell. Untersucht wird um den Globus sind bislang vor allem die fossilen konzentrieren, hat andererseits einen entschei- der Zeitraum von 2008 bis zum 900-sten Stadt- Energieträger Erdgas, Kohle und Öl. Ihre Verbren- denden Vorteil: Dank dieser Kompaktheit lässt jubiläum 2058. Bis 2030 hat sich die Stadt Mün- 4 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
1.0 Wege in eine CO2-freie Zukunft – die Kernergebnisse chen bereits selbst das Ziel gesetzt, die CO2-Emis- andere geht hierzu von konservativeren An- Das Wichtigste vorweg – die Kernergeb- sionen um 50 Prozent gegenüber 1990 zu ver- nahmen aus. Dennoch machen beide deutlich, nisse der Energieeffizienz-Studie: ringern. Die vorliegende Analyse baut auf diesen dass sich die CO2-Emissionen in nur wenigen Ergebnissen auf, blickt aber weiter in die Zukunft. Jahrzehnten tatsächlich eindrucksvoll reduzieren Die EU-Umweltminister haben auf Die Studie ist in zwei Abschnitte gegliedert. Im lassen. Basis des IPCC-Weltklimaberichts 2007 ersten Teil wird anhand zweier Szenarien all- Der zweite Teil der Untersuchung stellt exem- das Ziel formuliert, den Treibhaus- gemein aufgezeigt, wie sich die Energieeffizienz plarisch anhand eines konkreten Musterstadtteils gasausstoß bis zur Jahrhundertmitte durch verschiedene Maßnahmenbündel verbes- dar, wie die Transformation in eine fast CO2-freie weltweit um mehr als 50 Prozent sern lässt und welchen Anteil diese Aspekte an Metropole infrastrukturell und technologisch und damit auf durchschnittlich weniger der CO2-Reduktion haben. An ausgewählten vollzogen werden könnte. Analysiert wird, wie als zwei Tonnen pro Kopf zu reduzieren. Maßnahmen werden zudem Wirtschaftlichkeits- sich die Energieeffizienz in einem bereits beste- Dieses Ziel lässt sich für eine Großstadt betrachtungen durchgeführt. Die beiden Szena- henden Stadtteil und in einem direkt angren- wie München mit heute bekannten rien erwarten unterschiedlich große Effizienz- zenden Neubaugebiet so weit verbessern lässt, Technologien erreichen und sogar gewinne. Das eine ist sehr optimistisch, das dass CO2-Freiheit annähernd erreicht wird. übertreffen. München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 5
Wege in eine CO2-freie Zukunft – die Kernergebnisse In beiden hier entwickelten Szenarien gelingt Bestimmte Infrastrukturbereiche einer Stadt Bürger wären das rund 200 Euro pro Jahr – etwa es, bei durchgängiger und konsequenter Orien- lassen sich klar als größte CO2-Emittenten iden- ein Drittel der jährlichen Gasrechnung. Diesen tierung am Ziel der CO2-Freiheit die Treibhaus- tifizieren. Hier wirken sich Effizienzmaßnahmen Mehrinvestitionen aber werden im Jahr 2058 gasemissionen unter die von den EU-Umwelt- besonders stark aus. In München könnten vor jährliche Energiekosteneinsparungen zwischen ministern geforderte Zielmarke zu drücken. allem Einsparungen in den Bereichen Wärme 1,6 Milliarden und 2,6 Milliarden Euro gegen- Dieses Ziel basiert auf dem Weltklimabericht des und Strom zur CO2-Ersparnis beitragen. Dazu überstehen. Pro Kopf wären das jährliche Ein- Intergovernmental Panel on Climate Change gehören Maßnahmen wie die Wärmedämmung sparungen zwischen 1.200 und 2.000 Euro. Ins- (IPCC). Im Detail erwartet das Szenario „Ziel“, nach Passivhausstandard, der Einsatz effizienter gesamt würden sich die Energieeinsparungen dass die Emissionen bis zur Jahrhundertmitte Kraft-Wärme-Kopplung, sparsamer Elektrogerä- über den Zeitraum von 50 Jahren auf mehr als durch flächendeckende und konsequente Effi- te und Beleuchtungssysteme sowie die rege- 30 Milliarden Euro belaufen. zienzmaßnahmen um etwa 90 Prozent auf nur nerative und CO2-arme Energieerzeugung. Der noch 750 Kilogramm pro Einwohner und Jahr Strom etwa wird in einem geringeren Maße als Um die ambitionierten CO2-Reduktions- verringert werden – und das, obwohl die Münch- heute in zentralen Großkraftwerken produziert, ziele zu erreichen, müssen die Bürger ihr ner Bevölkerung entgegen dem bundesweiten sondern verstärkt dezentral erzeugt und gespei- Verhalten nicht grundsätzlich ändern. Trend in den kommenden Jahren weiter wach- chert, beispielsweise in Blockheizkraftwerken Allerdings müssen sie unterstützt und sen wird. Für 2008 liegt die Prognose für den oder im eigenen Haus mit Mikro-Kraft-Wärme- ermutigt werden, noch konsequenter in CO2-Ausstoß pro Münchner noch bei 6,5 Tonnen. Kopplungs-Anlagen. Auch die Verkehrsvermei- umweltfreundliche und meist auch wirt- Was die Verringerung des motorisierten Indivi- dung und -verlagerung sowie technische Ver- schaftliche Technik zu investieren und dualverkehrs und die sinkende Stromnachfrage besserungen der Fahrzeugeffizienz tragen wesent- stärker umweltfreundliche Verkehrsmittel betrifft, sind die Erwartungen des Szenarios lich zu einem niedrigeren Emissionsniveau bei. zu benutzen. „Brücke“ nicht ganz so groß. Zudem setzt dieses Szenario einen stärkeren Fokus auf die noch zu Die anfänglichen Investitionen in Die Einflussmöglichkeiten der Stadt auf die entwickelnde Technologie der CO2-Abscheidung effiziente, energiesparende Technik sind CO2-Ziele durch eigene Investitionen sind be- und -Lagerung (CCS). Im Szenario „Brücke“ ver- meist hoch, zahlen sich jedoch in der Regel grenzt. Energieeffizienz in öffentlichen Gebäu- ringern sich die Emissionen aber dennoch um durch Energieeinsparungen über den den oder der Ausbau des öffentlichen Nah- insgesamt 80 Prozent auf rund 1,3 Tonnen pro Produktlebenszyklus aus. verkehrs sind wichtige Schritte. Ein Großteil der Einwohner und liegen damit ebenfalls unter den Investitionen muss aber von den Bürgern und angestrebten 2 Tonnen CO2-Äquivalent pro Per- Die Wirtschaftlichkeit vieler Effizienzmaß- Unternehmen der Stadt aufgebracht werden, son und Jahr. nahmen lässt sich eindrucksvoll an diversen Bei- um anspruchsvolle Reduktionsziele zu errei- spielen zeigen. So müssten beispielsweise in chen. Doch bislang verhindern die oft hohen Die größten Hebel zur Minderung der München bis zur Mitte des Jahrhunderts für die Anfangsinvestitionen in effiziente Technologien, Emissionen sind die Wärmedämmung der Sanierung der Altbauten sowie die Errichtung dass diese flächendeckend eingesetzt werden. Gebäude, der Einsatz effizienter Kraft- von Neubauten nach dem besonders ener- Häufig werden mögliche Energiekosteneinspa- Wärme-Kopplung, sparsamer Elektro- giesparenden Passivhausstandard 13 Milliarden rungen nicht berücksichtigt und damit nicht die geräte und Beleuchtungssysteme sowie Euro mehr aufgebracht werden als nach der der- Kosten über die gesamte Produktlebenszeit zu- die regenerative und CO2-arme Energie- zeit gültigen Energieeinsparverordnung von grunde gelegt. Die Erfahrungen zeigen aber erzeugung. 2007. Heruntergerechnet auf alle Münchner deutlich, dass sich das Verhalten der Bürger 6 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
durch entsprechende Finanzierungs- und Ver- reduziert werden. Entsprechende bäude, führt aber in einem 40-Jahres-Zeitraum gütungsstrategien oder durch gezielte Aufklä- Passivhauskonzepte lassen sich bereits dank des reduzierten Energieaufwands zu jähr- rungskampagnen in die entsprechende Rich- heute wirtschaftlich realisieren. lichen Kosteneinsparungen. Die Mehrinvestition tung lenken lässt. Energieeffizienz wird vor in ein Passivhaus ist also attraktiv. Wie sich zeigt, allem dann interessant, wenn sie sich lohnt. Die für den Bau besonders energieeffizienter rechnet sich der Passivhausstandard nicht nur Eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Hand Passivhäuser erforderlichen Technologien wie im Neubau, sondern auch bei einer Sanierung wie auch der privaten Anbieter besteht daher etwa Dämmungen, Dreifachverglasung oder Lüf- von Gebäuden. Allerdings kann ein Bauherr darin, die Vorzüge und den finanziellen Gewinn tungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sind dadurch abgeschreckt werden, dass die einge- der Energieeffizienz-Technologien künftig noch heute im Markt etabliert und vielfach erprobt. sparten Energiekosten anfangs geringer sein transparenter zu machen und bestehende Der Wärmebedarf eines solchen Gebäudes ist mögen als die finanzielle Mehrbelastung durch Hemmnisse zu beseitigen. rund fünfmal geringer als der eines Durch- einen entsprechenden Kredit. schnittshauses. Ein Passivhaus ist meist nicht Durch eine umfassende Dämmung kann einmal zehn Prozent teurer als ein nach der Der wirtschaftliche Ausbau energie- der Wärmebedarf in Gebäuden drastisch Energieeinsparverordnung 2007 errichtetes Ge- effizienter Fernwärmenetze mit Kraft- CO2-Emissionen CO2-Emissionen nach Bereichen pro Kopf tsd. t CO2 p.a. kg CO2/Kopf p.a. 8.000 Personenverkehr Wirtschaftsverkehr 7.000 7.000 Stromerzeugung & Wäme aus KWK (Kohle) 6.000 Stromerzeugung & Wäme aus KWK (Erdgas) 6.000 Wärme aus KWK (Erdgas) 5.000 -87 % -79 % Strom aus KWK (Erdgas) 5.000 Stromerzeugung (Kohle mit CCS) -89 % -80 % 4.000 Wärmeerzeugung direkt (Heizöl) 4.000 Wärmeerzeugung direkt (Erdgas) Quelle: Abschätzung Wuppertal Institut 2008 6.549 Quelle: Abschätzung Wuppertal Institut 2008 3.000 3.000 2.000 750 2.000 1.000 1.300 1.000 0 Referenz Ziel Brücke 0 (2008) (2058) (2058) Referenz Ziel Brücke (2008) (2058) (2058) München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 7
Wege in eine CO2-freie Zukunft – die Kernergebnisse Wärme-Kopplung wird durch den gerin- sinkt der Absatz, andererseits aber soll das Netz Bei konsequenter Nutzung aller Ein- geren Wärmebedarf erschwert. Deshalb zu erheblichen Kosten ausgebaut werden, um sparmöglichkeiten kann der Strombedarf müssen neue Technologien wie beispiels- mehr Bürger mit der energieeffizient gewonnen größtenteils aus regenerativen und CO2- weise Niedertemperatur-Konzepte konse- Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung zu ver- armen Quellen gedeckt werden. Aller- quent weiterentwickelt werden, um die sorgen. Dieses Dilemma kann mit neuen Tech- dings kann dies nicht in den Städten allein Rentabilität zu verbessern. nologien wie etwa dem Konzept des Niedertem- erfolgen. Der Transport von klimaneu- peraturnetzes gelöst werden, das wesentlich traler Energie über weite Strecken muss Die zunehmende Dämmung der Gebäude geringere Betriebstemperaturen benötigt. In durch hocheffiziente, transnationale wird innerhalb von 50 Jahren zu einer drasti- einem solchen Netz ließe sich sogar zusätzliche Netze gewährleistet werden. schen Abnahme des Raumwärmebedarfs von industrielle Abwärme nutzen. Auch kostengüns- rund 80 Prozent führen. Damit ließe sich ein tigere Leitungs- und Anschlusstechnologien Wenn alle Einsparmöglichkeiten konsequent Fernwärmenetz heutiger Bauart nur noch können die Kosten des Fernwärmenetzes mit- genutzt werden, kann der Strombedarf einer schwer wirtschaftlich betreiben. Denn einerseits samt neuer Hausanschlüsse weiter verringern. Metropole wie München bis zur Mitte des Jahr- CO2-Emissionsminderung – Szenario Ziel A Wärmemehrbedarf durch Bevölkerungswachstum Wärmedämmung und B tsd. t CO2 Heizungseffizienz A B C D E F G H I J K L Regenerative Energien im C Wärmebereich +279 Effizienz durch KWK im D 8.000 Wärmebereich Mehrverkehr durch E Bevölkerungswachstum 7.000 -3.248 Verkehrsvermeidung und F -verlagerung auf den Umweltbund 6.000 3.719 - 88% Fahrzeugeffizienz und -300 G -45 +67 -458 -elektrifizierung 5.000 -397 +165 -524 H Biokraftstoffe -4 4.000 1.005 -1.556 406 Strommehrverbrauch durch I Bevölkerungswachstum 229 Wärme 3.000 330 Stromerzeugung aus KWK Kraftstoffe (Personenverkehr) J -1.145 (inkl. regenerative KWK) 111 Quelle: Wuppertal Institut 2008 Kraftstoffe (Wirtschaftsverkehr) Zusätzliche regenerative 2.000 K 3.220 Stromerzeugung Stromerzeugung 160 Stromeinsparungen durch 1.000 L Effizienzmaßnahmen 0 Referenz Wärme Kraftstoffe Strom Ziel (2008) (2058) 8 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
hunderts zu einem großen Teil aus regene- weise der Aufbau eines leistungsfähigen trans- trofahrzeugen bewältigen. Dank einer rativen Quellen gedeckt werden. Die Stadt wird nationalen Hochspannungsgleichstrom-Über- entsprechenden Infrastruktur lassen sich weiter einen Teil ihres Strombedarfs von außen tragungsnetzes (HGÜ), das Strom weitgehend Elektrofahrzeuge auch als Stromspeicher aus größeren Kraftwerken in der Region, in verlustfrei über Distanzen von mehreren Tausend nutzen. Deutschland und auch im Ausland beziehen. Kilometern transportieren kann. Diese Technik Dieser Strom könnte vor allem in großen Off- ist bereits heute verfügbar und etabliert. Der innerstädtische Verkehr der Stadt Mün- und On-shore-Windparks in Nordeuropa oder in chen könnte in 50 Jahren mehr noch als heute solarthermischen Kraftwerken in Südeuropa Der motorisierte Individualverkehr zu Fuß sowie mit Fahrrad, Bus und Bahn oder Nordafrika produziert werden. Ein Teil des kann durch kompakte Siedlungsstrukturen erfolgen. Persönlich angepasste Informations- Stroms ließe sich auch in CO2-armen Kohlekraft- und durch einen teilweisen Umstieg auf dienstleistungen, die den Verkehrsteilnehmern werken mit CO2-Abscheidung und Lagerung ge- Fahrrad, Bus und Bahn reduziert werden. über mobile Endgeräte übermittelt werden, ver- winnen. Voraussetzung für die Anbindung der Zudem lässt sich der innerstädtische Ver- einfachen die Nutzung von Bus und Bahn sowie weit entfernten Stromerzeuger ist beispiels- kehr in Zukunft fast vollständig mit Elek- die Kombination mehrerer Verkehrsmittel. Ver- CO2-Emissionsminderung – Szenario Brücke A Wärmemehrbedarf durch Bevölkerungswachstum Wärmedämmung und B tsd. t CO2 Heizungseffizienz A B C D E F G H I J K L Regenerative Energien im C Wärmebereich +279 Effizienz durch KWK im D 8.000 Wärmebereich Mehrverkehr durch E Bevölkerungswachstum 7.000 -3.248 - 79% Verkehrsvermeidung F (Wirtschaftsverkehr) 6.000 3.719 -300 Fahrzeugeffizienz und G -45 +67 -13 -494 -elektrifizierung 5.000 +165 -524 -4 -1.556 406 H Biokraftstoffe 4.000 1.005 621 Strommehrverbrauch durch I Bevölkerungswachstum 229 Wärme 3.000 -760 169 Stromerzeugung aus KWK Kraftstoffe (Personenverkehr) J (inkl. regenerative KWK) Quelle: Wuppertal Institut 2008 Kraftstoffe (Wirtschaftsverkehr) 545 2.000 Zusätzliche regenerative K 3.220 Stromerzeugung Stromerzeugung 1.000 L Fossile Stromerzeugung mit CCS 0 Referenz Wärme Kraftstoffe Strom Brücke (2008) (2058) München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 9
Wege in eine CO2-freie Zukunft – die Kernergebnisse kehrsleitsysteme sorgen im Liefer- und Perso- Was bedeutet CO2-Freiheit? nenverkehr für eine umwelt- und kostenopti- male Routenplanung. Der innerstädtische Auto- mobilverkehr könnte überwiegend mit Elektro- fahrzeugen bewältigt werden. Der Großteil des Nach der Veröffentlichung des 4. Weltklimaberichts des IPCC 2007 (Intergovernmental Panel dafür erforderlichen Stroms würde aus regene- on Climate Change) haben die Umweltminister der EU im Jahr 2008 genauer definiert, was die rativer Erzeugung stammen und aus dem öffent- Konsequenz zu sein hat: Bis zum Jahr 2050 müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen lichen Netz bezogen. Damit eröffnet sich die Mög- um „mehr als 50 Prozent gegenüber dem Stand von 1990“ reduziert werden. Dies entspricht lichkeit, Fahrzeuge als integralen Bestandteil einem weltweiten Ausstoß von circa 18 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent oder 2 Tonnen des Stromversorgungsnetzes zu nutzen. Elek- CO2-Äquivalent pro Kopf bei einer angenommenen Weltbevölkerung von rund 9 Milliarden trofahrzeuge könnten künftig als Stromspeicher Menschen im Jahr 2050. Für die Industrieländer folgt daraus, dass sie ihre Emissionen bis 2050 und Lastmanagementsystem für den Ausgleich um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 verringern müssen. Diesen Herausforderungen stellt von Fluktuationen fungieren, die durch den ver- sich das dieser Studie zugrunde liegende Konzept der weitgehenden CO2-Freiheit: So soll das stärkten Einsatz erneuerbarer Stromquellen wie Wirtschafts-, Energie- und Verkehrssystem Münchens, das heute – wie fast überall weltweit – Photovoltaik und Windstrom entstehen. So weitgehend auf der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Energieträger beruht, innerhalb der könnte der Elektrofuhrpark Strom zu Spitzen- nächsten 50 Jahre deutlich effizienter werden. Die dann noch benötigten Energiemengen lastzeiten ins Netz einspeisen, wenn der Strom sollen zu einem großen Teil erneuerbar, also CO2-frei beziehungsweise CO2-arm, erzeugt besonders teuer ist, sodass sich die Mehrkosten werden. Der Begriff der CO2-Freiheit bezieht sich vor allem auf die Versorgung der Bevölkerung für eine teure Batterie schneller amortisieren. mit Strom und Wärme sowie die Verkehrsinfrastruktur. Einige wichtige Wege und Technologien zur CO2-Freiheit werden in dieser Studie aufgezeigt. Für die Stromversorgung heißt das keines- Schon über einen Zeitraum von wegs, dass jede aus regenerativen Energien erzeugte Kilowattstunde Strom tatsächlich aus 30 Jahren lassen sich einzelne CO2-arme München stammen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass München bilanziell einen Teil Stadtteile verwirklichen. Dabei decken die des regenerativ erzeugten elektrischen Stroms von außen beziehen wird. In der Analyse eingesparten Kosten bei der Wärmever- wurden allerdings nicht alle Treibhausgasemissionen berücksichtigt, sondern nur energiebe- sorgung langfristig die Kosten der dingtes CO2, auf das in Industrieländern etwa 80 Prozent und weltweit circa 60 Prozent der energetischen Optimierung. Treibhausgasemissionen entfallen. Die hier gewählte Abgrenzung umfasst damit alle direkten CO2-Emissionen aus Heizungsanlagen und Kraftwerken auf dem Stadtgebiet, die CO2-Emis- Wie die Wirtschaftlichkeitsanalysen für den sionen des von außen bezogenen Stroms sowie die Verkehrsemissionen der Münchner inner- Musterstadtteil zeigen, rechnet sich die um- halb und außerhalb der Stadtgrenzen. Nicht betrachtet wurden der Luftverkehr sowie die mit fassende energetische Optimierung eines be- den durch Leben und Wirtschaften in München verbundenen Waren- und Güterströme stehenden Stadtteils sowie eines Neubaugebiets anderswo verursachten Emissionen. Verhaltensänderungen der Verbraucher wurden nur bereits innerhalb von 30 Jahren, selbst wenn die insofern berücksichtigt, als sie mit der Einführung neuer Technologien oder notwendigen Mehrkosten beträchtlich sind. Für den Mus- Investitionsentscheidungen einhergehen. Nicht mit einbezogen wurden zudem CO2-Kom- terstadtteil mit künftig etwa 27.000 Einwoh- pensationsmöglichkeiten wie etwa Aufforstung. nern nimmt diese Studie an, dass der Passiv- hausstandard umgesetzt und ein Fernwärmenetz ausgebaut wird, das seine Wärme aus Tiefen- 10 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
CO2-freie Zukunft – die Herausforderungen aus Expertensicht geothermie bezieht. Die Mehrkosten der Sanie- rung und Neubauten gegenüber dem Standard der Energieeinsparverordnung 2007 sowie der D ie Verbesserung der Energieeffizienz und die Entwicklung energiesparender Technologien sind fundamental wichtige hofer, der zum Vorstand des Weltklimarats IPCC zählt, sieht „keinen Grund, warum Wirt- schaften nur wachsen könnten, wenn sie geothermischen Fernwärmeversorgung wür- Werkzeuge, um den weltweit wachsenden mehr Energie verbrauchen. In den letzten den sich auf 177 Millionen Euro belaufen, wären CO2-Ausstoß zu drosseln und die Menschheit 150 Jahren ist die Arbeitsproduktivität stär- aber durch die Energiekosteneinsparung mehr vor den Folgen des Klimawandels zu bewah- ker gestiegen als die Energieproduktivität. als gedeckt. Es zeigt sich, dass die Investitionen ren. „Energieeffizienz ist heute ein weit ver- Diese Relation müssen wir nun eben um- in die CO2-freie Wärmeversorgung nicht nur sig- breiteter Planungsparameter und in der Fach- drehen“. Edenhofer dringt jedoch darauf, Kli- nifikante Emissionsminderungen bewirken, son- welt nicht mehr strittig – sie ist Common maschutzmaßnahmen so schnell wie mög- dern – über die Lebensdauer der Anlagen ge- Sense“, sagt Konrad Otto-Zimmermann, Ge- lich umzusetzen, denn die Menschheit könne rechnet – auch zu jährlichen Kostenentlastun- neralsekretär von ICLEI - Local Governments sich keine Katastrophe leisten. gen führen könnten. for Sustainability. Zu den wirksamen Maßnahmen gehören In Fortschrittstechniken zu investieren sei für ihn neben der allgemeinen Verbesserung Die konsequente Orientierung am Ziel hingegen noch keineswegs selbstverständ- der Energieeffizienz auch die Abscheidung der CO2-Freiheit eröffnet den Städten große lich: „Ich glaube, dass letztlich die Verknap- und Speicherung von CO2. Und auch eine fi- Chancen. Durch einen grundlegenden pung der natürlichen Ressourcen weltweit nanzielle Förderung der erneuerbaren Ener- Umbau der Gebäude- und Energiestruktu- ein Energiesparen erzwingen wird.“ Es steht gien ist für ihn ein wichtiges Mittel, um die ren können Energiekosten vermieden und außer Frage, dass der Klimaschutz vor allem Menschheit auf einen CO2-freien Pfad zu ökonomische Impulse gesetzt werden. in den Städten beginnen muss. In der Tat, sagt bringen. „Wir sehen, dass mit der zunehmen- Zudem wird ein Beitrag dazu geleistet, die der Nachhaltigkeits-Experte, haben Kommu- den installierten Kapazität der erneuerbaren Städte dauerhaft lebenswert zu erhalten. nen weltweit damit begonnen, ihre Hausauf- Energien die Kosten pro Kilowattstunde ziem- gaben zu machen: „In vielen Ländern sind es lich stark sinken.“ Unter dieser Vorausset- Mit den hier vorgelegten Analysen zeigt die- die Städte, die im Klimaschutz erfolgreich zung, sei eine Förderung durchaus gerecht- se Studie erstmals umfassend Wege auf, wie vorangehen, während manche Nationalre- fertigt – „wenn sie intelligent ist.“ Konrad sich eine Metropole wie München in 50 Jahren gierung noch befürchtet, dass der Klimasch- Otto-Zimmermann baut darauf, dass sich zu einer annähernd CO2-freien Stadt entwickeln utz die heimische Wirtschaft gefährdet.“ auch die Bürger künftig stärker für das Ziel könnte. Die Studie verdeutlicht, dass Klima- Tatsächlich gibt es aus wirtschaftlicher Energieeffizienz einsetzen werden. „Bürger schutz schon heute im großen Stil machbar und Sicht keinen Grund, den Klimaschutz auf die reagieren in der Regel vernünftig auf ver- durchaus wirtschaftlich ist. Darüber hinaus zeigt lange Bank zu schieben, meint auch Ottmar nünftige Anliegen. Sie machen mit, wenn sie, dass die konsequente Orientierung am Ziel Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Insti- alle mitmachen. Bürger müssen wissen, was der CO2-Freiheit zu einem vollständigen Umbau tuts für Klimafolgenforschung (PIK): „Klima- gewollt sein soll‘ “. Und was das ist, steht für der Gebäude und Infrastrukturen einer Groß- schutz und Wirtschaftswachstum sind mit- Otto-Zimmermann außer Frage: „Nur wenn stadt führen kann, der der Metropole, ihren Un- einander absolut vereinbar.“ Voraussetzung wir mit dem leben, was uns die Natur gibt, ternehmen, Bürgern und Forschungseinrichtun- dafür sei allerdings die Entkopplung von ohne dass wir sie zerstören, haben wir eine gen wertvolle Startvorteile bieten kann. Denn Wirtschaftswachstum und Emissionen. Eden- Zukunft.“ die Umstellung auf eine CO2-arme Gesellschaft steht weltweit bevor. München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 11
Zwei Wege in die Zukunft – die Szenarien „Ziel“ und „Brücke“ D ie Devise „Global denken, lokal handeln“ ist inzwischen viele Jahre alt, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt. Klimaschutz muss vor dabei, dass die Vision CO2-Freiheit im hier betrachteten 50-Jahres-Zeitraum tatsächlich annähernd erreicht wird. Demgegenüber ist das Ort beginnen, und das gilt in besonderem Maße Szenario „Brücke“ vor allem in Bezug auf das Ver- für die Städte. Diese Studie zeigt anhand von halten der Bürger etwas weniger optimistisch – zwei Szenarien, dass die 2008 aufgestellte insbesondere was den Verkehrsbereich und die globale Forderung der EU-Umweltminister, die Stromnachfrage betrifft. Der höhere Strombe- CO2-Emissionen in den Industrieländern bis darf wird noch über fossile Energieträger ge- 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber deckt. Allerdings erwartet das Szenario „Brücke“, 1990 zu verringern, für Städte anspruchsvoll, dass die Stromerzeugung aus Kohle künftig aber durchaus erreichbar ist. Das erste Szenario, dank Kohlenstoffabscheidung und -lagerung das Szenario „Ziel“, ist sehr konsequent und (CCS - Carbon Capture and Storage) deutlich erwartet hohe Effizienzgewinne und CO2-Ein- weniger Emissionen verursacht. Auch mit den sparungen. Der Begriff „Ziel“ versinnbildlicht im Szenario „Brücke“ aufgeführten Handlungs- 12 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
2.0 Zwei Wege in die Zukunft – die Szenarien „Ziel“ und „Brücke“ optionen ließe sich bis Mitte des Jahrhunderts Strom- und Verkehrsbereich an die durch Effi- werken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), von die Pro-Kopf-Emission der Münchner auf etwa zienzgewinne verringerte Nachfrage. Elektrofahrzeugen oder von intelligenter Ver- 1,3 Tonne Kohlendioxid jährlich reduzieren, was Weitgehender Umstieg auf erneuerbare und kehrsleittechnik und Gebäudesteuerung sowie ebenfalls unter den geforderten 2 Tonnen liegt. CO2-arme Energien. von Passivhauskonzepten. Die Studie berück- Der Terminus „Brücke“ beschreibt, dass sich die Kein Autarkie-Anspruch – die Stadt München sichtigt auch Verhaltensänderungen der Ver- Stadt München Mitte des Jahrhunderts noch importiert Energie zum Teil von außen, berück- braucher, soweit sie mit der Einführung neuer immer auf dem Weg zur CO2-Freiheit befindet. sichtigt dabei aber, dass diese Energie weitest- Technologien oder notwendigen Investitions- Die Leitlinien, mit denen der CO2-Ausstoß gehend klimaneutral erzeugt wird. entscheidungen einhergehen. Inwieweit die nennenswert reduziert werden soll, sind indes Natürlich können die Szenarien nicht jede Emissionen sonst noch durch Verhaltensände- für beide Szenarien dieselben: denkbare Effizienz- beziehungsweise Emissions- rungen beeinflusst werden könnten oder Hocheffiziente Energieanwendungen – bei minderungsmaßnahme berücksichtigen. Den- müssten, wird dagegen nicht untersucht. gleichem Komfort und Nutzen wird weniger noch betrachten sie die wesentlichen technolo- Konkret sieht das Szenario „Ziel“ eine gegen- Energie verbraucht. gischen Hebel – beispielsweise den Einsatz von über heute deutlich niedrigere Stromnachfrage Anpassung der Infrastruktur im Wärme-, regenerativen Energien, von effizienten Kraft- vor, weil effizientere Geräte und Technologien, München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 13
Zwei Wege in die Zukunft – die Szenarien „Ziel“ und „Brücke“ intelligente Gebäudesteuerungen und sparsa- me Beleuchtungssysteme zum Einsatz kommen. Energiebedarf München 2008 Die Stromnachfrage soll dabei zum großen Teil durch dezentrale und regenerative Anlagen Energiebedingte Primärenergie- gedeckt werden. CO2-Emissionen einsatz 8,2 Mio t CO2 40,4 TWh Für den Verkehrssektor wird angenommen, pro Jahr pro Jahr dass sich durch verkehrsvermeidende Maß- Verluste bei Energieerzeugung und -übertragung sowie Eigen- nahmen zum einen die zurückgelegten Wege Aus Kohle Kohle bedarf im Energiesektor: 7,4 TWh Quelle: Stadt München 2008; Stadtwerke München; Abschätzung Wuppertal Institut 2008 verkürzen. Zum anderen könnte der Umstieg 2,4 Mio t 11,4 TWh = 30% vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf Endenergiebedarf: 29,0 TWh pro Jahr den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie auf Fahrrad- und Fußverkehr erleichtert Industrie + Aus Erdgas Erdgas Gewerbe werden. Aufgrund einer Elektro- mobilitäts- Raum- und Prozesswärme 7,5 TWh 3,2 Mio t 15,8 TWh 11,8 TWh strategie nimmt zudem die Zahl der Elektrofahr- zeuge deutlich zu. Strom 4,3 TWh Im Szenario „Brücke“ hingegen wird ange- Haushalte 12,0 TWh nommen, dass die Stromnachfrage pro Kopf Aus Erdöl Erdöl Raumwärme 9,5 TWh 2,6 Mio t 9,7 TWh künftig etwa so groß wie heute sein wird. Das Szenario geht davon aus, dass die durch spar- Strom 2,5 TWh samere Techniken erreichten Effizienzgewinne Erneuerbare Verkehr durch die wachsende Zahl elektrischer Geräte 1,0 TWh 5,3 TWh Kraftstoffe 5,0 TWh und Anwendungen in Haushalten und im Kernenergie Strom 0,3 TWh Dienstleistungs- und Gewerbebereich kom- 6,5 TWh pensiert werden. Im Verkehrsbereich bleiben die Werte gerundet Wege pro Kopf auf heutigem Niveau und auch die Anteile von MIV, ÖPNV, Fahrrad- oder Fuß- verkehr verändern sich nicht. Verglichen mit dem „Ziel“-Szenario erwartet wird, unterscheiden sich die beiden Szenarien gegenüber konventionellen Technologien sind das Szenario „Brücke“, dass der Anteil der elek- nicht. Beide rechnen mit erheblichen Einspa- und mit welchen Energiekosteneinsparungen trisch betriebenen Fahrzeuge geringer ist. In rungen bei der Wärmeversorgung. gerechnet werden kann. Bei einem Betrach- diesem Szenario wird der Strom ebenfalls zu Ob und in welchem Maße effiziente Tech- tungszeitraum von 50 Jahren ist dies eine be- einem großen Teil in Kraft-Wärme-Kopplung nologien eingesetzt werden, hängt insbeson- sondere Herausforderung. Zum einen, weil die sowie regenerativ erzeugt. Einen weiteren Teil dere davon ab, ob sie wirtschaftlich sind. Diese technische Entwicklung dazu führen wird, dass liefern fossil befeuerte Kraftwerke mit Kohlen- Studie nimmt entsprechende Wirtschaftlichkeits- sich die Kosten der Effizienztechnologien, der stoffabscheidung (CCS). Bezüglich der Ener- betrachtungen anhand von einzelnen Beispielen regenerativen Technologien und der konventio- gieeffizienz von Gebäuden, in denen heute ein vor. Dazu wird gezeigt wie hoch die Mehr- nellen Energieerzeugungstechnologien mit der Großteil der Endenergie1 zum Heizen verbraucht investitionen für energieeffiziente Technologien Zeit verändern. Zum anderen kann die Wirt- 14 Sustainable Urban Infrastructure 1 Primärenergie ist jene Energiemenge, die zur Erzeugung von Wärme oder Strom in Form von Gas, Kohle oder Öl eingesetzt wird. Bei der Umwandlung dieser Primärenergie in nutzbare Energieformen treten Verluste auf – etwa durch Eigenverbrauch der Energieerzeuger oder während der Übertragung. Die Energiemenge, die dem Verbraucher am Ende zur Heizung oder zum Betreiben von elektrischen Geräten zur Verfügung steht, wird Endenergie genannt.
Energiebedarf Szenario Ziel vs. Szenario Brücke Szenario Ziel (2058) Primärenergie- Energiebedingte Energiebedingte Primärenergie- Szenario Brücke (2058) einsatz CO2-Emissionen CO2-Emissionen einsatz 11,7 TWh 1,0 Mio t CO2 1,7 Mio t CO2 20,9 TWh pro Jahr pro Jahr pro Jahr pro Jahr Aus Kohle Kohle 0,4 Mio t* 7,9 TWh Aus Erdgas Erdgas 0,5 Mio t 2,7 TWh Aus Erdöl Erdöl 0,8 Mio t 3,1 TWh Verluste bei Energieerzeugung Erdgas Aus Erdgas und -übertragung sowie Eigen- 2,7 TWh 0,5 Mio t bedarf im Energiesektor: Verluste bei Energieerzeugung und -übertragung sowie Eigen- 6,6 TWh = 31% bedarf im Energiesektor: Erdöl Aus Erdöl 1,3 TWh = 11% 1,7 TWh 0,5 Mio t Endenergiebedarf: 14,3 TWh pro Jahr Industrie + Raum- und Prozesswärme 2,3 TWh Quelle: Abschätzung Wuppertal Institut 2008 Endenergiebedarf: 10,4 TWh pro Jahr Gewerbe Industrie + 7,3 TWh Strom 5,1 TWh Raum- und Prozesswärme 2,3 TWh Gewerbe 5,4 TWh Strom 3,1 TWh * mittels CCS Haushalte 3,0 TWh Strom 2,1 TWh Haushalte 2,4 TWh Strom 1,3 TWh abgeschiedene und eingelagerte Verkehr 4,0 TWh Kraftstoffe 3,3 TWh Verkehr 2,6 TWh Erneuer- CO2-Emissionen: Erneuer- Strom 0,6 TWh bare 2,2 Mio t bare Strom 0,4 TWh Kraftstoffe 2,0 TWh 7,2 TWh 7,2 TWh Raumwärme 1,2 TWh Raumwärme 1,2 TWh Werte gerundet schaftlichkeit ein und derselben Effizienztech- wie schwierig eine langfristige Vorhersage des im Jahr 2058 aus. Für den Strom wird eine reale nologie sehr unterschiedlich sein, je nachdem, Preisniveaus für die fossilen Energieträger ist. Steigerungsrate von 2 Prozent pro Jahr von heute wie häufig oder wie viele Stunden pro Jahr sie Deshalb verwendet diese Studie für die Ent- durchschnittlich 0,14 Euro/kWh auf dann 0,36 eingesetzt wird. Drittens ist die Wirtschaftlichkeit wicklung der Energiepreise zwei Preispfade Euro/kWh angenommen. Der Niedrigpreispfad von effizienter Technologien wie beispielsweise (Hochpreis- und Niedrigpreispfad), um die Spann- hingegen erwartet einen realen Anstieg um 1,5 Energiesparbeleuchtung, Elektrofahrzeuge oder weite der Prognosen aufzuzeigen. Der Hoch- Prozent auf 0,16 Euro/kWh für Heizöl und Erdgas Wärmedämmung unmittelbar von der Entwick- preispfad geht für die kommenden Jahrzehnte sowie eine jährliche reale Steigerung der Strom- lung der Strom-, Öl- und Gaspreise abhängig. von einem durchschnittlichen realen Anstieg der kosten von 1 Prozent auf 0,23 Euro/kWh im Jahr Gerade die enormen Ausschläge des Roh- Heizöl- und Erdgaskosten um 2,5 Prozent pro 2058. Als Grundlage diente das Leitszenario ölpreises im Jahr 2008 haben deutlich gemacht, Jahr von heute 0,08 Euro/kWh auf 0,26 Euro/kWh 2008 des Bundesumweltministeriums. München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 15
Wärmenachfrage Gebäude 2.1 Wärmenachfrage Gebäude CO2-Emissionsminderung im Wärmebereich tsd. t CO2 A B C D 4.500 Bevölkerungszuwachs A 4.000 +279 Wärmedämmung und B Heizungseffizienz A llein die Beheizung der Münchner Gebäude verursacht heute fast die Hälfte der CO2- Emissionen der Stadt. Die energetische Sanie- 3.500 3.000 C D Regenerative Energien (direkt & KWK) Effizienzsteigerung durch KWK 2.500 rung der Häuser kann damit erheblich dazu -3.248 beitragen, die Emissionen zu reduzieren. Wie 2.000 3.719 wichtig es ist, dabei von vornherein auf eine 1.500 hochwertige Sanierung nach Passivhausstan- dard zu setzen, wird klar, wenn man sich ver- 1.000 Quelle: Wuppertal Institut 2008 -300 gegenwärtigt, dass der Sanierungszyklus bei Ge- 500 -45 406 bäuden etwa 50 Jahre beträgt. Ein wenig effi- 0 zienter Kühlschrank ist schnell ausgetauscht, eine Referenz Emissionsminderungen Ziel/Brücke schlecht isolierende Gebäudehülle nicht. Heutige (2008) (2058) Entscheidungen bei der Sanierung wirken sich damit bis weit in die Zukunft aus. 16 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
Beide Szenarien gehen von zwei wesentlichen thermie, Photovoltaik oder auch Mini-KWK-Anla- Es wird angenommen, dass folgende Maß- Paradigmenwechseln aus, die bis zur Mitte des gen. Der zweite Paradigmenwechsel betrifft die nahmen diesen Paradigmenwechsel ein- Jahrhunderts eine weitgehend CO2-freie Wär- Wärme-Infrastruktur: So würde der Restwärme- leiten: meversorgung ermöglichen würden. Zum einen bedarf im CO2-freien Gebäude nicht mehr direkt Bei der Sanierung von Wohn- und Dienstleis- ist dies die energetische Optimierung, mit der sich durch die Verbrennung fossiler Energieträger in tungsgebäuden wird angenommen, dass der Gebäude von Energieverbrauchern zu Energiepro- konventionellen Heizungsanlagen gedeckt, son- Passivhausstandard fast flächendeckend umge- duzenten entwickeln könnten. So wird ange- dern überwiegend durch Nah- und Fernwärme setzt werden kann. Damit fast alle Gebäude nommen, dass CO2- freie Gebäude den überwie- oder die Nutzung lokaler regenerativer Quellen innerhalb der nächsten 50 Jahre energetisch sa- genden Teil ihres Energiebedarfs zur Raum- wie etwa Biomasse-betriebener Blockheizkraft- niert werden, wird sich die Quote der energe- erwärmung und Warmwasserbereitung selbst werke (BHKW) oder Tiefengeothermie. In beiden tischen Sanierungen von 0,5 Prozent auf 2,0 Pro- decken. Möglich wird das durch die Optimierung Szenarien „Ziel“ und „Brücke“ würde damit der zent pro Jahr erhöhen. Dies bedeutet, dass der Gebäudehülle, die vor allem darauf abzielt, Energiebedarf für Raum- und Prozesswärme so- viermal mehr Hauseigentümer als heute ihre den Energieverbrauch deutlich zu verringern, und wie Warmwasser in München im Jahre 2058 um Häuser energetisch sanieren müssten. Der durch alternative Energiequellen wie etwa Solar- gut 80 Prozent unter dem heutigen Wert liegen. Heizwärmebedarf der sanierten Gebäude wird München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 17
Wärmenachfrage Gebäude dadurch von heute etwa 200 Kilowattstunden her erwogen werden, wenn Fassaden ohnehin strebt das Bundesbauministerium derzeit eine pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) auf 25 bis gestrichen oder Dachböden ausgebaut werden. jährliche Quote von drei Prozent bei energeti- 35 kWh/m2a abgesenkt. Da das Gebäude in einem solchen Fall sowieso schen Sanierungen an. Beim Neubau dürfte der Heizwärmebedarf eingerüstet oder das Dach erneuert wird, fallen Diese Studie nimmt an, dass bei allen ge- noch darunterliegen, da ein großer Teil der Ge- die Zusatzkosten für die optimale energetische nannten Maßnahmen der beste verfügbare und bäude sogar nach Plusenergiestandard errichtet Sanierung geringer aus. Zudem werden die umsetzbare Standard zum Einsatz kommt. Ins- wird. Solche Häuser produzieren mehr Energie Zusatzkosten durch Förderprogramme des gesamt sinkt der mittlere Heizwärmebedarf der als sie verbrauchen. Der Wärmebedarf der Neu- Bundes und der Stadt München abgefedert. Für Münchner Wohngebäude von heute circa bauten sinkt gegenüber dem heutigen Standard eine Sanierung spricht weiter, dass sich die 200 kWh/m2a auf durchschnittlich 23 kWh/m2a. von 80 bis 100 kWh/m2a auf 10 bis 20 kWh/m2a. Investitionen durch einen höheren Komfort, Damit läge der Heizwärmebedarf in München Gleichzeitig werden die neuen Gebäude mit eine bessere Vermietbarkeit oder sogar höhere Mitte des Jahrhunderts um 80 bis 90 Prozent Solarenergie ausgestattet, sodass die meisten Mieten ökonomisch auszahlen können. Auch unter dem heutigen Wert. bilanziell ihren Restenergiebedarf abdecken auf politischer Ebene wird die energetische Hinzu kommt Paradigmenwechsel 2 – die oder sogar die Überschussenergie ins Netz ein- Sanierung von Altbauten inzwischen forciert. So Veränderungen der Infrastruktur bei der Bereit- speisen können. Es wird weiterhin angenommen, dass diese anspruchsvollen Standards bei den meisten Ge- bäuden erreicht werden können – im Neubau zu Mehrinvestitionen für energetische Sanierung 85 und im Altbau zu 80 Prozent. Lediglich ein und Neubau im Wohnungsbereich kleiner Rest wird diese Standards aus ver- schiedenen Gründen nicht erreichen, beispiels- Mio. Euro Energetische Mehrinvestition im Altbau > 30 Mrd. Euro weise weil dem besondere Gebäudenutzungen gegenüber EnEV-2007 Energetische Mehrinvestition im Neubau (zum Beispiel Eissporthalle) oder der Denkmal- 3.000 gegenüber EnEV-2007 schutz entgegenstehen. Heutzutage werden in Deutschland jährlich 2.500 gerade einmal 1,5 Prozent des Gebäudebe- stands saniert. Denn so lange keine offensicht- 2.000 lichen Schäden auftreten, werden Gebäude 1.500 oder Gebäudeteile, wie etwa Fenster oder die Gesamt: Heizungsanlage, häufig über ihre ursprünglich 13 Mrd. Euro 1.000 vorgesehene Lebensdauer hinweg weiterge- Quelle: Wuppertal Institut 2008 nutzt. Es entsteht ein Sanierungsstau, der lang- 500 fristig den Wert der Bausubstanz reduziert. Ener- getisch saniert werden heute pro Jahr sogar nur 0 etwa 0,5 Prozent der deutschen Häuser, obwohl 2010 2020 2030 2040 2050 Mehr-Inv. auf Passiv- Energiekosten- damit wesentliche Einsparpotenziale verschenkt bis 2019 bis 2029 bis 2039 bis 2049 bis 2058 haus bis 2058 einsparung bis 2058 werden. Eine energetische Sanierung sollte da- 18 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
stellung der Wärmeenergie. Der drastisch ver- Wärmeversorger bedeutet dies indes eine große sätzliche Investitionen nötig. Die Mehrkosten ringerte Wärmeenergiebedarf könnte zur Mitte Herausforderung, denn zukünftig würde die gegenüber einem Standardbau nach Energie- des Jahrhunderts zu vier Fünfteln durch Fern- Zahl der Nah- und Fernwärme-Kunden und einsparverordnung (EnEV) 2007 sind beträcht- und Nahwärmesysteme abgedeckt werden, die damit der kostspieligen Hausanschlüsse steigen. lich. Wie die folgenden Wirtschaftlichkeitsbe- ihrerseits dank der gekoppelten Erzeugung von Der Wärmebedarf pro Haushalt und somit die rechnungen zeigen, lohnt sich der finanzielle Strom und Wärme wesentlich effizienter sind. Einnahmen hingegen erheblich schrumpfen. Aufwand trotzdem. Denn im Laufe der Zeit über- Der Rest, der noch dezentral in den Gebäuden Mögliche Lösungsansätze stellt diese Unter- steigen die Einsparungen aufgrund der erheb- erzeugt wird, könnte überwiegend aus rege- suchung im Kapitel „Wärmebereitstellung“ vor. lich reduzierten Ausgaben für Erdgas und Erdöl nerativen Energien wie etwa Solarthermie stam- die anfänglichen Investitionen bei Weitem. men. Die entsprechenden CO2-Emissionen wür- Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Die Däm- Nach den weiter unten im Detail dargestellten den durch beide Strategien auf knapp etwa mung von Gebäuden und eine Wärmesanierung Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen müssten die 400.000 Tonnen beziehungsweise rund 300 Kilo- nach Passivhausstandard gibt es freilich nicht Stadt sowie die Bürger Münchens bis Mitte des gramm pro Kopf und Jahr, also auf etwa ein zum Nulltarif. Und auch für den Neubau von Jahrhunderts für die energetische Sanierung der Zehntel des heutigen Wertes sinken! Für die Passiv- oder gar Plusenergiehäusern sind zu- Gebäude nach Passivhausstandard sowie für den Neubau von Passiv- und Plusenergiehäu- sern gegenüber der Trendentwicklung insge- samt rund 13 Milliarden Euro mehr als bei einer Wirtschaftlichkeit Neubau Passivhaus Sanierung nach EnEV-2007 aufbringen, um die Stadt auf einen CO2-freien Pfad zu bringen. (Mehrkosten 8% gegenüber EnEV-2007) Heruntergerechnet auf alle Münchner Bürger Euro/m2 p.a. wären das 200 Euro pro Jahr. Durch diese Mehr- 12 investitionen können im Jahr 2058 rund 10 Mil- Durchschnittliche jährliche liarden kWh Endenergie eingespart werden. Bei Energiekosteneinsparung 10 über 40 Jahre den für das Jahr 2058 angenommenen Endver- braucherpreisen für Wärme von 16 Cent/kWh im 8 Energiekosten- einsparung Niedrigpreispfad oder 26 Cent/kWh im Hoch- im Ausgangsjahr 6 preispfad beträgt die jährliche Kosteneinspa- rung bei der Endenergie dann im Gebäudebe- 4 reich rund 1,6 Milliarden Euro beziehungsweise 2 2,6 Milliarden Euro. Pro Kopf wären das Ein- sparungen von etwa 1.200 beziehungsweise 0 2.000 Euro. Insgesamt würden sich die Energie- Quelle: Wuppertal Institut Annuität bei 2008 Hochpreispfad Niedrigpreispfad 4% Realzins und (8 ct/kWh) kosteneinsparungen über den Gesamtzeitraum 40 Jahren Laufzeit bis 2058 auf mehr als 30 Milliarden Euro be- laufen. 2 Mehrkosten p.a. Energiekosteneinsparung pro Jahr Im Folgenden stellt diese Studie zwei Wirt- schaftlichkeitsbetrachtungen im Detail vor – 2 Allerdings ist zu beachten, dass sich die Mehrinvestitionen auf den heutigen EnEV-2007-Standard beziehen. Künftige Anhebungen des Standards, die die Mehrkosten verringern Sustainable Urban Infrastructure 19 würden, sind nicht mit eingerechnet. Zudem wurden in den Berechnungen auch die Finanzierungszinsen nicht berücksichtigt. Die Endenergieeinsparungen wurden ebenfalls in Bezug auf den EnEv-2007-Standard berechnet.
Wärmenachfrage Gebäude zum einen für Neubauten, die statt nach der Energieeinsparverordnung 2007 in Passivhaus- oder Plusenergiehausbauweise errichtet wer- den, zum Zweiten für Altbauten, die gemäß Passivhausstandard saniert werden. 1. Durchaus lohnend: Passivhaus und Plus- energiehaus: Passivhäuser und Plusenergie- häuser sind die Bauformen der Zukunft. Beide sind hocheffiziente, hervorragend gedämmte Gebäudetypen, die den Wärme- und Energie- bedarf drastisch reduzieren. Der Energiever- brauch eines Passivhauses ist bereits ausge- sprochen niedrig. Das Plusenergiehaus-Konzept aber geht noch einen Schritt weiter: Diese Bauten sollen keine zusätzliche Energie ver- brauchen, sondern sind so konzipiert, dass sie, etwa mithilfe von Solaranlagen, ausreichend Sanierungskosten und Endenergieverbrauch Strom und Wärme erzeugen und netto Energie (bei Sanierung auf annähernd Passivhausstandard) ins Netz einspeisen. Dank der hervorragenden Dämmung der Energiebezogene Sanierungskosten Endenergieverbrauch Wärme Wände, Decken und dreifachverglaster oder va- Euro/m2 Wohnfläche kWh/m2 Wohnfläche p.a. kuumgedämmter Fenster geben Passivhäuser im Winter kaum Wärme ab. Durch die großen 130 Euro 340 Euro Fensterflächen trägt vor allem die Sonnenstrah- 200 lung zur passiven Beheizung bei. Diese Gebäude 300 6,60 Euro/m2 benötigen deshalb nur noch eine Heizungs- pro Jahr* anlage mit sehr geringer Leistung, meist kom- 210 Euro 200 men sie sogar ohne konventionelle Heizung aus. 10,60 Euro/m2 17,20 Euro/m2 100 Stattdessen sind sie mit einer Lüftungsanlage pro Jahr* pro Jahr* mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Voraus- 100 setzung für den Betrieb einer solchen Anlage ist, Quelle: Wuppertal Institut dass das Gebäude luftdicht ist, denn ein solches System gewinnt Wärme aus der verbrauchten, 0 0 EnEV-2007- Mehr-Inv. Gesamt- Ausgangs- EnEV-2007- Mehr-Inv. warmen Raumluft und heizt damit über einen Standard auf Passivhaus kosten zustand Standard auf Passivhaus Wärmetauscher den Frisch- und Zuluftstrom. * Annuität bei 4% Realzins und 40 Jahren Laufzeit Wie erste Bauprojekte zeigen, ist die Nach- 20 Sustainable Urban Infrastructure München – Wege in eine CO2-freie Zukunft
Best Passivhaus und Gebäudesanierung Practice Obgleich der Passivhausstandard Beispiel ist die Grundschule am Agilolfingerplatz. Hier wurden die oberen längst Stand der Technik ist, ist er Geschossdecken gedämmt, die Flachdächer und Heizungsanlage saniert, bei Neubau und Sanierung noch stromsparende Lampen, eine Steuerung für die Gebäudetechnik sowie eine nicht die Regel. Dafür gibt es ver- Biomasse- und Solaranlagen installiert. Aus Rücksicht auf die historische schiedene Gründe. Zum einen Fassade wurden ferner nur die Heizungsnischen, Abseitenwände und Boden- mangelt es vielen Gebäude- platten im Keller, nicht aber die Außenwände wärmegedämmt. Dennoch eignern an Investitionskapital. sind die Energie- und CO2-Einsparungen beträchtlich. Der Kohlendioxidaus- Andere Eigner scheuen eine lang- stoß sank trotz leicht gestiegenen Strombedarfs um 43 Prozent. fristige Kapitalbindung. Vermieter Die Stadt Frankfurt am Main will laut Ratsbeschluss künftig noch weiter hingegen zögern, weil sie die gehen. Demnach wird die Stadt und insbesondere die mehrheitlich im Be- Mehrkosten für die entsprechen- sitz der Stadt befindliche Wohnungsbaugesellschaft bei allen städtischen de Sanierung nicht immer auf die Neubau- sowie bei Public-Private-Partnership-Projekten und Sanierungen Mieter umlegen können. Ein wei- den Passivhausstandard umsetzen. Nur in Ausnahmefällen dürfen Gebäude terer Hemmschuh ist die Tat- mit einem niedrigeren Effizienzstandard errichtet oder saniert werden. Als sache, dass der Passivhausstan- Vorgabe gilt in jedem Fall eine um 30 Prozent bessere Energieeffizienz als dard in der Praxis bei vielen derzeit in der EnEV-2007. Damit bekennt sich die Stadt Frankfurt als eine Handwerkern, Planern und Beratern noch wenig bekannt ist. Doch in- der ersten Kommunen sowie als einer der ersten größeren Gebäudeeigen- zwischen gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, die zeigen, wie Ener- tümer bundesweit zum routinemäßigen Einsatz des Passivhausstandard als gieeffizienzmaßnahmen im großen Stil umgesetzt werden – auch wenn der heutzutage erstrebenswerten Bauweise. dabei nicht von vornherein gleich der Passivhausstandard zum Einsatz Ein überzeugendes Beispiel für eine Energiesparkampagne, die sich an alle kommt, sondern nur einzelne Effizienz-Technologien. Schon 1998 startete am Bau oder der Sanierung beteiligten Kreise der Bevölkerung wendet, ist die Stadt München mit ihrem „Energiesparkonzept für 1000 Gebäude“ ein das von den niederländischen Umwelt-, Energie- und Bauministerien voran- Programm zur Verbesserung der Energieeffizienz in 50 Prozent aller städti- getriebene Programm „Meer met minder“. Die Kampagne verfolgt das Ziel, schen Gebäude. Ziel des Programms war es vor allem, Verbesserungen vor- private Hausbesitzer durch intensive Öffentlichkeitsarbeit davon zu über- zunehmen, die sich schnell umsetzen lassen und sich kurzfristig amortisie- zeugen, dass sich Energieeffizienzmaßnahmen lohnen. Einbezogen werden ren – der Austausch von Heizkesseln oder Pumpen etwa. Die Projektergeb- auch Handwerksbetriebe, die im Rahmen des Projektes an entsprechenden nisse zeigen, dass allein schon diese Einzelmaßnahmen jährlich 13 Prozent Fortbildungen teilnehmen können. Ziel der Regierung ist es, bis zum Jahr CO2 einsparen. Die Kosteneinsparung beträgt jährlich 2,2 Millionen Euro, 2020 den Endenergiebedarf in rund 2,5 Millionen Häusern und Wohnungen die Amortisationszeit im Schnitt nur 4,5 Jahre. In anderen Sanierungspro- um ein Drittel zu senken. Zu den Maßnahmen gehört der Einbau effizienter jekten hat die Stadt München noch größere Effizienzgewinne erreicht. Ein Geräte oder von Solaranlagen und auch die Gebäudedämmung. München – Wege in eine CO2-freie Zukunft Sustainable Urban Infrastructure 21
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