TAGESSPIEGEL BERLINER - "ALS ICH DER KUNST ZUM ERSTEN MAL BEGEGNET BIN, HAT DAS EINE SEHNSUCHT AUSGELÖST." - IQ digital media-marketing GmbH

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TAGESSPIEGEL BERLINER - "ALS ICH DER KUNST ZUM ERSTEN MAL BEGEGNET BIN, HAT DAS EINE SEHNSUCHT AUSGELÖST." - IQ digital media-marketing GmbH
TAGESSPIEGEL BERLINER    Nr. 10
                         April
                         2019

  „ALS ICH DER
KUNST ZUM ERSTEN
MAL BEGEGNET BIN,
  HAT DAS EINE
   SEHNSUCHT
  AUSGELÖST.“
    Die Sammlerin
     Julia Stoschek
  ist eine Institution
   in der Kunstwelt.
  Große Inszenierung,
amerikanischer Glamour
  – und das in Berlin.
     Wer ist sie?
TAGESSPIEGEL BERLINER - "ALS ICH DER KUNST ZUM ERSTEN MAL BEGEGNET BIN, HAT DAS EINE SEHNSUCHT AUSGELÖST." - IQ digital media-marketing GmbH
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*Stromverbrauch (kombiniert) in kWh/100 km: 26,2–22,6 (WLTP); 24,6–23,7 (NEFZ);
     CO2-Emissionen (kombiniert) in g/km: 0. Angaben zu den Kraftstoff-/Stromverbräuchen und
CO2-Emissionen bei Spannbreiten in Abhängigkeit von der gewählten Ausstattung des Fahrzeugs.
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Dunkle Louisiana-Wälder.
 Zydeco, Funk und Rock ‘n‘ Roll.
 Ein Ritual, um die Sinne
 wieder zu erwecken.

Spiegelpalast, Hertzallee
SHOWDATEN Mi – So 10. April – 19. Mai 2019
EINTRITT ab 25 EUR
TICKETS unter 030 – 4799 7474,
www.hoodoo.berlin und www.eventim.de
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die vorleserin                                                             inhalt

                                         Worum geht es in diesem Magazin
                                         eigentlich? Oft hilft der Blick von außen.
                                         Diesmal: Hengameh Yaghoobifarah
                                                                                                                                         Titel Auf Julia Stoscheks Gesicht ist die
                                                                                                                                        Videoinstallation „Silent“ der Künstlerinnen
                                                                                                                                        Pauline Boudry und Renate Lorenz projiziert

                                                                                                                                         6 Kunstwerk des Tages
                                                                                                                                           von Moritz Frei
                                                                                              Foto Valerie Schmidt
                                                                                                                                         8 Berliner*innen
                                                                                                                                           Laura Naumann hört endlich auf,
                                                                                                                                           die Zähne zusammenzubeißen
                                                                                              ihren Bruder Ramadan kennenlernen.
                                                                                                                                        10 Schönstpersönlich
                                                                                              Als ich nach den Bundestagswahlen
                                                                                                                                           Zehn Lebensverbesserungen
                                                                                              2017 mit spitzen Gel-Nägeln gegen            von Ilona Scholl und Max Strohe
                                                                                              Nazis aufrüsten wollte, saß ich zufäl-
                                                                                                                                        12 Das Nächste
                                                                                              lig im gleichen Friedrichshainer Studio      Hilflose Strichmenschchen, Pasta Frutti
                                                                                              wie Nura. Sie gönnte sich fliederfarbe-       di Plage und klassischer Techno
                                                                                              ne Stiletto-Nails und ließ sich beim      14 Let me love you
                                                                                              Rausgehen noch auf ein Fan-Selfie mit         Amerikanischer Glamour. Große Insze-
                                                                                              dem Girl neben mir ein, deren frisch         nierungen. Und sehr viel Geld. Wer ist
                                                                                              aufgefüllten Nägel in Mandelform ge-         die Kunstsammlerin Julia Stoschek?
                                                                                              rade im UV-Licht trockneten. Stabile      24 „Ich bin der Boss, ich bin der Boss,
                                                                                              Chaya eben! Die R&B-Sängerin rapp-           ich bin der Boss“
                                                                                              te einst gemeinsam mit ihrer Kollegin        Die Sängerin und Rapperin Nura
                                                                                                                                           über feige Nazis, ungeschminkte Fotos
                                                                                              Juju im Duo SXTN, von dessen Texten

                                         Ç
                                                                                                                                           und den deutschen Pass
                                                 üs, eine Zeitreise in die 1960er Jah-   Sie sich hundertpro schon mal provoziert
                                                                                                                                        28 Die zehn berlinigsten Orte
                                                 re mit Nena, Deutschlands legen-        gefühlt haben. Auf ihrem neuen Solo-Album
                                                                                                                                           Berlins ...
                                                 därstem Promi? Fast. Die Dame im        „Habibi“ macht Nura weiterhin geile Tracks        ... von denen wir diesen Sommer schweiß-
                                               Blumenkleid heißt Julia Stoschek          mit Ansage, zum Beispiel übers Kiffen,            gebadet träumen
                                         und zeigt, dass die reichen Pferdemädchen       über Hater und über Sex. (Jujus Soloalbum      30 Deborah & Linda
                                         mit CSU-Vater und Nazi-Uropa von damals         droppt übrigens am 31. Mai.)                      Netflix verfilmt das Leben der Bestseller-
                                         heute auch interessante Dinge machen              Wenn Ihre Lieblingsbeziehungen Freun-           autorin Deborah Feldman. Ihre beste
                                         können. Wie sie sich durch die Kunst mit        dinnenschaften sind, dann sollten Sie un-         Freundin ist noch näher dran
                                         Themen wie Rassismus oder Transidentität        bedingt auf Seite 30 blättern und die pla-     35 Wie gemalt
                                         auseinandersetzt, erzählt Julia Stoschek in     tonische Lovestory zwischen den beiden            Acht aufregende Arbeiten in Berliner
                                         der Titelgeschichte ab Seite 16. Mir begeg-     Autorinnen Deborah Feldmann und Linda             Galerien, erklärt von den Künstler*innen –
                                                                                                                                           und Mode, inspiriert von der Kunst
                                         nete ihr Name zum ersten Mal im Sommer          Sabiers lesen. Was die beiden verbindet,
                                         2016: Meine damalige Freundin arbeitete in      geht über ihr Jüdischsein und Gin Tonics in    44 Melting Pot
                                                                                                                                           Mentaiko Spaghetti
                                         einem ihrer Ausstellungshäuser und sagte        einer Kreuzberger Bar weit hinaus.
                                         zu mir, ich solle unbedingt mal hingehen.         Ungebändigte Emotionen gibt es ansons-       44 Impressum
                                         Das ist fast drei Jahre her und ich war bis     ten auf Seite 8. Unter dem Motto „Stay soft“   45 Dr. Om
Titel: Gene Glover; Oberteil von Prada

                                         heute nicht ein Mal dort. Vielleicht sind Sie   war Laura Nauman wegen ihrer Bandschei-           Kleine Meditationen über
                                         da schneller als ich.                           ben im Pilates-Kurs, als die weichmachen-         die großen Fragen des Lebens
                                           Das beeindruckt Sie nicht, weil Sie fin-       den Worte der Trainerin sie trafen – und sie   46 Sicherheit / Freiheit
                                         den, Pferdemädchen bleibt Pferdemädchen?        zum Seestern wurde. Uff. Wer kennt’s nicht?       Der Schauspieler Armin Mueller-Stahl
                                                                                                                                           kehrt der DDR den Rücken
                                         Auch okay. Ab Seite 24 kann man die Bossla-     Nur Ihre Pollenallergie kann Sie noch kras-
                                         dy und Ehrenfrau Nura Habib Omar sowie          ser zum Heulen bringen.
                                                                                                                                            berliner@tagesspiegel.de
                                                                                                                                            tagesspiegel.de / berliner
                                                  Hengameh Yaghoobifarah, Jahrgang 1991, ist Autor*in, Kolumnist*in und DJ,                 twitter.com / tspBRLNR
                                              außerdem Herausgeber*in des Sachbuchs „Eure Heimat ist unser Albtraum“ (Ullstein).            instagram.com / tagesspiegelberliner

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Kunstwerk des tages

                                      Urknall
Moritz Frei, geboren 1978 in Frankfurt am Main, schafft jeden Tag ein Kunstwerk. Fast jeden.
                               Hier präsentiert er eines davon.

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                                                                                                                           Berlin

                                                                   Privatsammlung
                                                                         Ivo Wessel

                                                                                                                                                      Klaus Siegers – Vorsitzender des Vorstandes
                                                                                                                                                               der Weberbank. Gudrun Wurlitzer –
                                                                                                                                                            Artitious, Andreas Schleicher-Lange –
                                                                                                                                                                            Sprüth Magers (v.l.n.r.)
                                                                                           Klaus Siegers – Vorsitzender des Vorstandes
                                                                                           der Weberbank. Gudrun Wurlitzer – Artitious,
                                                                                           Florian Wojnar – Esther Schipper (v.l.n.r.)

                                                     Anspruch verbindet
                                                     Als Privatbank der Hauptstadt unterhält die Weberbank ausgewählte
                                                     Partnerschaften aus den Bereichen Kunst und Kultur, Gesellschaft und Sport.
                                                     Neben dem Förderaspekt bieten die vielfältigen Kooperationen den Kunden
                                                     der Weberbank eine erstklassige Möglichkeit, interessante Kontakte aufzubauen
                                                     und an ausgewählten Veranstaltungen teilzunehmen.

                                                     Klaus Siegers, Vorsitzender des Vorstandes                     / .!$ $   !#$ % .  0
                                                     der Weberbank, über die Berliner Galerieszene,                   !#  $! ! !#% !#+!!! !  %#
Fotos: Duve Berlin, Magnus Pettersson, Uwe von Loh

                                                     die ihm persönlich sehr am Herzen liegt:                         $#!## $ &!# .!##
                                                     / .  0  &  ! !  *# -$!               $! ! #'& !  .  $!# $ $#$ (
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                                                                                 www.weberbank.de | service@weberbank.de | +49 (0)30 / 897 98 - 234
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BERLINER*INNEN

Abtauchen! Laura Nauman
hört auf, die Zähne
zusammenzubeißen

A
          ls das Neonlicht wieder anging, war                                                                  die Lehrerin, walnusshaarig,
          ich zu einem Seestern geworden. Ich                                                                  langgliedrig und samtstimmig,
          fühlte mich ganz aufgehoben zwi-                                                                     hatte was anderes mit uns vor.
schen den dreißig fremden Seeanemonen,                                                                            Ganz. Weich. Sollten wir
Korallen und Tintenfischen in Activewear                                                                         werden. Weiche Arme, wei-
neben mir.                                                                                                      che Beine, Wirbelsäule wie
  Seitdem mein Körper nämlich beschlossen hat-                                                                  eine Perlenkette, fließende
te, spontan zu altern und mich mit zwei Bandschei-                                                              Bewegungen machen, die
benvorfällen überrascht hat, ehe ich 30 werden konn-                                                             mich fürchten ließen, dass ich
te, sehe ich mich mit einer neuen Selfcare-Challenge                                                           mich doch in die Ausdrucks-
konfrontiert: Sport. Im Idealfall dreimal die Woche,                                                      tanz-Klasse verirrt hatte. Sibylle, so
mindestens eine Stunde, und auf jeden Fall mit Schwitzen,                                           nenne ich sie hier, wollte, dass wir uns
hat der Orthopäde gesagt. Und bloß nicht schleifen                                           vorstellen, wie wir durch Wasser tauchen und zu
lassen, denn: „Ihr Bandscheibenvorfall schläft nie.                                        Meerestieren unserer Wahl werden. Und ich, die
Der wartet auf Sie.“
  Mit so einem Rückenproblem ist man plötzlich
                                                         Weich wie                         ich dachte, Moment mal, Sibylle, fest soll ich doch
                                                                                           sein und stark und groß, brach prompt in Tränen
immer verabredet. Wie machen das andere berufs-         ein Seestern                       aus in meiner Vorbeuge, als mich ihr Satz „Tauch
tätige Menschen? Die vielleicht sogar noch Kinder                                          mal ab, du kleiner Seestern!“ traf. Wenn einen je-
haben on top? Deren Kinder vielleicht zum Gitar-                                           mand mit einem Meerestier-Namen anspricht an
renunterricht müssen und zum Judo? Und die selbst vielleicht              einem Tag, an dem man sich in einen Betonsockel verwandeln
Chorprobe haben und Therapie und auch ganz gerne mal schlafen?            wollte – da kann schon mal eine Träne kommen. Oder viele.
  Immerhin, dank einer dieser Apps, die das Modern Life hervor-             Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu heulen bei ihrem an-
gebracht hat, kann ich in ungefähr jedem Sportclub, Fitnesscenter,        schließenden Monolog, den sie in ihrer Adidas-Knopfhose zwi-
Boxverein und Tanzstudio der Stadt spontan einchecken und an              schen unseren Matten auf und ab schreitend hielt, während wir
den wildesten Kursen teilnehmen (Salsa-Workout! Bootcamp!                 in einer seitlichen Dehnung immer tiefer auf den Meeresgrund
Schwimmen!). So habe ich viele schöne Begegnungen mit ande-               sanken: „Es ist so wichtig, wieder weich zu werden,“ sagte sie.
ren Rücken. Nebeneinander auf Matten zu liegen und stupide                „Man muss immer hart sein da draußen, aber man kann nicht
Bewegungsabläufe zu wiederholen, um geheime Muskelgruppen                 immer nur hart sein. Das ist so schön, weich sein zu können. Sich
zu stärken, die einem das ewige Sitzen auf Stühlen erleichtern sol-       weich sein zu lassen. Und dann kann man beides sein. Das ist ja
len, bringt einem seine Mitmenschen echt näher. Und was für eine          das Schöne – die ganze Welt.“
Lektion in Demut, die Einzige im Kurs zu sein, die immer noch               Bringt die wirklich noch eine Liebeserklärung an das Leben in
null Sit-Ups schafft, während die Senior*innen wie die Schnapp-           diesen 55 Minuten Pilates unter! In mir ging „Both Sides Now“
messer zugange sind.                                                      von Joni Mitchell an. Ich heulte mit geschlossenen Augen, vor
  Neulich, am Ende einer Woche, nach der ich mich elend, unfähig          Erleichterung, dass Zähnezusammenbeißen vielleicht doch nicht
und vom Leben überfordert fühlte, fand ich mich freitagabends             die einzige Option ist. Natürlich nicht. Sibylle hatte mich daran
in einem Pilates-Kurs wieder, in dem ich noch nie war. Ich hatte          erinnert. Und nicht nur mich. „Sehr schön, einfach alles kommen
mich auf dem Heimweg hineingeschubst und ein hartes Core-Trai-            lassen“, sagte sie noch.
ning erwartet, für innere wie äußere Stabilität. Dachte, das könn-          Ich brauchte lange zum Abtrocknen. Und bevor ich Sibylle dan-
te vielleicht helfen. Krisenfest dank starker Körpermitte. Aber           ken konnte, war sie schon verschwunden.
                                                                                                                                                   Foto: Privat

                                  Laura Naumann, geboren 1989 in Leipzig, ist Theaterautorin und Performerin.
                       In dieser Kolumne erzählt sie von wärmenden Begegnungen in der manchmal viel zu coolen Stadt.

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schönstpersönlich

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Ilona Scholl und Max Strohe über
Steaks, Toaster und acht weitere
Lebensverbesserungen
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W
          ir betreiben selbst ein Restaurant, aber wenn wir uns mal        das japanische Blazen-Messer (6): Eleganz, Kraft und eine ewige, fast
          zurücklehnen und auf hohem Niveau essen gehen möchten,           skandalöse Schärfe. Klamotten trägt Max, bis sie auseinanderfallen,
          gehen wir ins Cordo in der Großen Hamburger Straße (1)           liebt sie inniglich und kauft, wenn sie irgendwann in den ewigen
und verleiben uns das große Menü ein. Womit wir gern selbst kochen:        Jagdgründen landen, dasselbe Modell noch mal. Wie die Cordovan-
Fleisch vom Schlemmermeier’schen Freilandrind (2) – von einem              Boots von Alden (7). Sein erstes Paar bekam er mit 15 von seinem
absoluten Food-Enthusiasten-Paar im Barnim gezüchtet. Trinkbares           Vater in New York: unzerstörbares Pferdeleder, locker zehn Jahre
holen wir bei Fräulein Brösels Weinerwachen in der Friedelstraße           tragbar! Dann das „Katz“-Filzcap von Ebbets (8). Vintage von 1961,
(3). Einzigartige, aufs Angenehmste bewusstseinsverändern-                           die Kappe für den alten Herrn. Und der Parka von Ten C
de Auswahl! Ilonas liebste Designer sind die Mädels vom                              (9), für Oasis-Fans ein Muss und die ideale Alternative zur
Pattern Studio (4), sie haben die Tapete des Tulus Lotrek                            Barbour-Jacke. Zum Schluss die Brille: lange das ideale Mo-
angefertigt. Max besitzt wenige Dinge, die immer hochwertig                          dell gesucht, in der „Voyage Voyage“ von Lunettes gefunden
und manchmal hochpreisig sind. Wie der Rowlett-Toaster                               (10). Rund, edel, getönte Gläser. Dazu etwas, das auch uns
(5): echt retro, ein Reminder, gutes Brot zu toasten! Oder                           wichtig ist: toller Service im Laden.
                                                                                                                                                   Fotos: PR

           Ilona Scholl und Max Strohe, 36 und 37, betreiben das Sternerestaurant Tulus Lotrek in der Fichtestraße 24 in Kreuzberg.

                                                                      10
Auch wenn mein
Wein mal die ganze
Welt erobert – meine
Wurzeln sind hier.
Weine aus deutschen Regionen:
Qualität, die man schmeckt.

               Die 13 deutschen Weinregionen sind
               geschützte Ursprungsbezeichnungen.

Weine aus deutschen Anbaugebieten überzeugen nicht
nur mit außergewöhnlichem Geschmack, sondern auch
mit höchster Qualität. Das garaentiert auch die Europäische
Union, die alle 13 deutschen Weinregionen als geschützte
Ursprungsbezeichnungen anerkannt hat.
Das Nächste

                                             ANZEIGE
Endlich                                                                                                                          TSCHAKA-BUM

                                                                                                                         Das nächste Open-Air,
am                                                                                                                        bei dem wir zu melo-

Wasser
                                                                                                                         dischem House selbst-
                                                                                                                        verloren durch die Sonne
                                                                                                                          tänzeln, ist fast schon
                                                                                                                           Tradition: Seit Jahren
                                                                                                                          eröffnet das 1998 ge-
                                                                                                                        gründete Label Kompakt
                                                                                                                        aus Köln den Reigen der
                                                                                                                         Raves, dieses Jahr mit
                                                                                                                        Sets von Michael Mayer,
                                                                                                                        Tobias Thomas, Rex The
                                                                           PIANO, FREUNDE!
                                                                                                                         Dog und dem Berliner
                                                                                                                             T.Raumschmiere.
                                                               Wir jagen die Monotonie
                                                                                                                        Kompakt Open Air, 5. Mai, ab 14 Uhr,
Im Handel erhältlich.                                  Das nächste nicht ganz so klassische Konzert, bei dem wir
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shop.tagesspiegel.de
                                                       auf gar keinen Fall still sitzen bleiben, spielen die Akustik-
Bestellhotline: (030) 290 21-520                       Techno-Pioniere von Brandt Brauer Frick im Prince Charles
9,80 € | 7,50 € für Abonnenten                         in Kreuzberg. Schon seit 2008 komponiert das Berliner Trio
Auch als E-Magazin erhältlich.
                                                       Techno mit den Mitteln der neuen Musik, treibend, modern
                                                       und wunderbar monoton – sogar Kanye West wurde aufmerk-
                                                       sam. Nach der Oper „Gianni“, die die Band 2017 gemeinsam
                                                       mit dem Regisseur Martin Butler aufführte, erscheint nun
                                                       mit „Echo“ das neue Album, auf dem sich Daniel Brandt, Jan
                                                       Brauer und Paul Frick zurück zu ihren Wurzeln begeben. Und
                                                       zwar zu beiden: So ist der Track „Chamber 1“ tatsächlich ein
                                                       flirrendes, energetisches Stück Kammermusik, „Fuel“ dagegen
                                                                                                                                   IN SCHALE
                                                       eine düstere Clubhymne über ein sanftes Pianomotiv – bis der
                                                                 massive Drop kommt. Rave me, Amadeus!                        Einmal Pasta
                                                                        Brandt Brauer Frick: „Echo“,                         Frutti di Plage,
                                                          am 10. Mai live im Prince Charles, ab 31. Mai im Handel
                                                                                                                                  bitte
                                                                                                                        Das nächste Schalentier, das wir uns
                                                                                                                        schmecken lassen, stammt aus loka-
                                                                                                                        lem Wildfang, nämlich direkt aus der
                                                                            FERNSTEUERUNG
                                                                                                                        Havel. Der Amerikanische Sumpfkrebs
                                                       Die nächste Gelegenheit, uns fremdbestimmen zu lassen,           hat sich derart in Berliner Gewäs-
                                                       ergreifen wir bei „Remote Mitte“ des Theaterkollektivs           sern ausgebreitet, dass er zum Fang
                                                       Rimini Protokoll. Auf dieser virtuellen Schnitzeljagd leitet     freigegeben wurde. Wie praktisch,
                                                       eine Roboterstimme die Besucher*innen durch die Stadt:           dass diese Plage so lecker ist! Beim
                                                       50 Menschen mit Funkkopfhörern auf dem Invaliden-                „Crabfeast“-Festival bereiten die Food-
                                                       friedhof, am Hauptbahnhof, am Alex. Hier stehen bleiben,         Aktivisten von „Holy Crab“ aus der in-
                                                                                                                                                                  Fotos: PR (4), iStcock

                                                       diese Geste machen – und darüber nachdenken, wie es              vasiven Art Krebsbrötchen, Bouilla-
                                                       sein wird, wenn die Maschinen irgendwann übernehmen.                 baisse und Pasta Frutti di Plage.

               Preis inkl. MwSt.
                                                                               Gorki Theater,                                   11. Mai, 14 –18 Uhr,
   Anbieter: Verlag Der Tagesspiegel GmbH,
      Askanischer Platz 3, 10963 Berlin
                                                              29. und 30. April., 7., 8., 13. –15., 28. und 29. Mai     Sage Beach, Köpenicker Straße 18 – 20

                                                                                                               12
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                                    STRICHMENSCHCHEN

Die nächsten kleinen Lektionen in Gegenwartsdemut, bei denen wir nicht wissen, ob wir lachen
oder weinen sollen, kommen von Christiane Haas. Die Zeichnerin schaut sich unser hilfloses
Leben in ihrem neuen Comicband ganz genau an: eklige Bockwurst, größenwahnsinnige Ele-
fanten und Homeoffice in Unterhose, gezeichnet in krakeligem Strich, der genau so viel zeigt,
wie nötig ist. „Letzten Endes verstehe ich nicht,“ sagt in einem Bild eine ältere Dame, „wieso
es heißt ‚sich beschweren‘, und nicht ‚die andere Person beschweren‘.“ Man wünschte fast, das
                               alles wäre nicht ganz so treffend.

         „Natürlich bist Du glücklich, wenn Du keine Erwartungen hast“ von Christiane Haas,
                                   Avant-Verlag, 120 Seiten, 16 Euro

      DEIN LAIB KOMME

Das nächste Brot, das wir
   uns Alman-mäßig mit
  orgasmischem Augen-
 rollen einverleiben, ist ein                                                                                             ANDREW
Saftkorn mit hausgemach-                                                                                                   MANZE
tem Buchweizenmalz von                                                                                                Martin Helmchen Klavier
Aera Bread in der Fasanen-
straße. Das „beste gluten-                                   FAHRTENBUCH                                                       Fr 03.05.
                                                                                                                                  Casual Concert
     freie Brot der Welt“                                 Lonely Planet                                                   20.30 Uhr | Philharmonie
          soll es sein.                                                                                                  NIELSEN Symphonie Nr. 4
                                        Die nächste Fahrt, auf die wir gehen, findet in unseren Köpfen
                                                                                                                             ›Das Unauslöschliche‹
   Aera Bread, Fasanenstraße 74,        statt. Wir schlagen Tom Schulz‘ Gedichtband „Reisewarnung
   auch online via aerabread.com        für Länder, Meere, Eisberge“ auf und fliegen nach Medellín,
                                        Venedig, ins Elbsandsteingebirge. Schulz findet Geschichte                             Sa 04.05.
                                        und Geschichten, kleine Erleuchtungen und große Fragen:                              20 Uhr | Philharmonie
                                        „Ich gleite von einem Zwischenparadies / in ein anderes, stehe
                                                                                                                   BEETHOVEN Klavierkonzert Nr. 4
                                        vor der Champagner-Bar in Heathrow / über einen Bildschirm                      NIELSEN Symphonie Nr. 4
                                          kann ich wählen: / Zu welcher Welt wollen Sie gehören?“                           ›Das Unauslöschliche‹

                                                      Hanser Berlin, 96 Seiten, 18 Euro
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                                                 13
LET
 ME
LOVE
YOU

 14
15
Zwei große Ausstellungshäuser
                      voller Videokunst.
                  Amerikanischer Glamour.
                   Große Inszenierungen.
                     Und sehr viel Geld.
                 Wer ist die Kunstsammlerin
                       Julia Stoschek?

Text                                                  Fotos
 Julia Friese                                   Gene Glover

                               16
17
E
              in Ausstellungsraum ist das
              Gegenteil von Kunst. Er ist
              Wand und Wand und Wand.
              Fast eigenschaftslos ist er,
              und muss er sein, denn je
weniger er ist, desto mehr scheinen seine
Exponate.

Julia Stoschek steht in ihrer eigenen
Sammlung auf einer Schutzfolie, über ei-
nem weißen Teppich in einem gänzlich
weißen Raum. Sie wird fotografiert. Fast
regungslos steht sie da, über ihrem Kör-
per brechen sich die Bilder von „Silent“.
Einer Video-Performance, inszeniert von
dem Künsterinnen-Duo Pauline Boudry
und Renate Lorenz. Vier Minuten und 33
Sekunden lang schweigt die Opernsänge-
rin Aéra Negrot in viele Mikrofone. Ganz
wie einst John Cage das tat. Und es ist, wie
es immer war: Auch in der Stille ist etwas
zu hören.
„Kannst du uns ein paar Emotionen zei-
gen“, fragt der Fotograf Julia Stoschek, und    sagt sie, beschäftige sie. Sie organisieren   Macht sie das stolz?
die sagt, sie sei vom Sternzeichen Zwilling,    Talks, Führungen und Events. Bei Eröff-
also solle das wohl zu schaffen sein für sie.   nungen flimmern die dunklen Räume des                     „Eher glücklich.“
Kurz ändert sie ihre Miene, aber nur mini-      Ausstellungshauses. Überall Videoprojek-
mal, bis sie sich – für den Bruchteil einer     tionen, als ginge man in einen Club.          Julia Stoschek ist eine Institution in der
Sekunde – nach vorn beugt und das Kinn                                                        Kunstwelt. Wie Christian Boros und sein
vorschiebt, lustig, als würde sie posieren.     Zum Berliner Gallery Weekend startet          Bunker. Zu ihren Partys muss man gehen,
Aber dann, als würde mit jeder Leichtig-        ein einjähriges Programm, das Stoscheks       denn jeder wird dort sein. Stoschek, die
keit immer ein schwerer Fehler begangen,        neue Kuratorin Lisa Long verantwortet.        Screen-Queen. Markante Ponyfrisur. Ver-
zieht sie sich wieder zurück, schnell, in den   Gezeigt werden Arbeiten aus der Samm-         schachtelte Sätze. Amerikanischer Gla-
aufrecht geraden Stand. Der Blick kühl, der     lung, aber nicht nur. Die Ausstellung „On-    mour. Und das in Berlin.
Mund neutral. Im Nebenraum beginnt              going Experiments With Strangeness“ von       Sie rede gern persönlich, aber nie privat,
Aéra Negrot zu singen.                          Boudry und Lorenz erzählt von Protest         sagt sie immer wieder. Und sie gehöre der
                                                und Widerstand. Gerade erst ist sie auf-      Generation MTV an, das sagt sie auch im-
Julia Stoschek sammelt Videokunst und           gebaut worden. In den Räumen des ehe-         mer wieder. Was sagt sie sonst noch?
besetzt damit eine Nische. Denn Video-          maligen Tschechischen Kulturzentrums
kunst hat es schwer auf dem Markt. Besitzt      an der Leipziger Straße. Stoschek kann        Wir sitzen im zweiten Stock, der von ei-
man sie, besitzt man oft nicht mehr als eine    es nicht kaufen. Nur mieten. Videokunst       nem gerafften Vorhang verhüllten Berliner
Datei und eine Urkunde. Und installiert         auszustellen muss teurer sein, als sie zu     Sammlung. Der Raum glänzt mit weißem
man sie, auf drei Bildschirmen in seinem        sammeln.                                      Mobiliar. Alles ist so glatt, dass man sich
Wohnzimmer, ist es schwer, sich ihr zu ent-     Leisten kann sie es sich. Julia Stoschek      unzulänglich fühlt. Zu menschlich, zu
ziehen. Sie taugt nicht als Wandschmuck.        wurde hineingeboren in eine Indus-            verfleckt, zu vernarbt. Julia Stoschek aber
Stoschek erklärt, Wertsteigerung sei nicht      triellenfamilie. Brose Fahrzeugteile. 6,3     passt in diesen Raum.
ihr primärer Antrieb. Es gehe ihr um das        Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018.          Macht das Leben mit der Kunst einen
Bewahren, Zeigen, Unterstützen.                 26 000 Mitarbeiter weltweit. Sie ist Ge-      etwa selbst zum Kunstwerk? Nein, nein.
Ihre Sammlung ist privat, aber fast insti-      sellschafterin. Ihre Leidenschaft scheinen    Sie schüttelt den Kopf. Kunst ist ein Wort,
tutionell organisiert. Sie hat zwei Häuser,     Gurtstraffer und Gebläse jedoch nicht zu      dem sie mit Demut begegnet.
eines in Düsseldorf, eines in Berlin. Zu fes-   sein, denn sie schwärmt nie davon. Aber
ten Zeiten kann man ihre Ausstellungen          sie schwärmt:                                 „Ich bin künstlerisch leider total
besichtigen.                                                                                   unbegabt. Ich kann nicht malen,
                                                     „50 000 Menschen kamen                   nicht zeichnen. Nicht mal singen.
   „Ein gut organisiertes Team                       vergangenes Jahr in meine                  Schon in der Schule wurden
 aus Mitarbeitern und Experten“,                          Ausstellungen.“                       meine Bilder nie ausgestellt.“

                                                                    18
Im ehemali-
                              gen Tschechi-
                              schen Kultur-
                              zentrum in       Künstler, die sich ihretwegen erst etablie-   sagt Stoschek. Sie lernt den Fotografen An-
                              der Leipziger    ren konnten. Und nein, das Sammeln war        dreas Gursky kennen. Sie werden ein Paar.
                              Straße 60        nicht immer einfach. Es reicht nicht, wie     Sie zieht in seine Heimat Düsseldorf, sie
                              läuft noch       Stoschek es formuliert,                       eröffnet eine Galerie und verkauft: nichts.
                              bis 28. Juli                                                   Also beginnt sie zu besitzen. Mehr, immer
                              Videokunst             „die finanziellen Mittel“                mehr, von dem, was sie fasziniert, was sie
                              von Pauline                                                    haben, aber nicht sein kann. 2007 eröffnet
                              Boudry           zu haben. Man muss auch das Vertrauen         sie ihre Sammlung in Düsseldorf. 2010, mit
                              und Renate       der Künstler, der Galerien gewinnen. Pro-     33, trennt sie sich von Gursky.
                              Lorenz           fessionell sein. Sich etablieren.
                                                                                             Mit Künstlern zu tun zu haben, mit ihnen
                                               Und man muss einen Namen haben.               zu reden, zu arbeiten – Julia Stoschek sagt,
                                                                                             das ist Glück. Inwiefern?
                                               Julia Stoschek ist Tochter von Michael
                                               Stoschek. CSU-Mitglied. Rallye-Fahrer.        „Jeder Künstler, mit dem ich eine
                                               Vorsitzender der Brose-Gesellschaftsver-       Ausstellung machen darf, nimmt
                                               sammlung. Sie wuchs in Oberfranken auf,        mich mit in seine Welt, gibt mir
                                               hatte Pferde, ritt Dressur. Studierte Be-     daraus etwas mit. Ich erfahre neue
                                               triebswirtschaft in Bamberg. Wie sie zur       Meinungen und Sichtweisen. Ich
                                               Kunst kam?                                    bin sehr neugierig. Ich schaue mir
                                                                                             erst mal unvoreingenommen alles
                                               Anfang der 2000er Jahre führte sie ein        an. Ich habe sehr viel von anders-
                                               Brose-Betriebsausflug zur Sammlung              denkenden Menschen gelernt,“
Im Gespräch wirkt sie wärmer als vor der       Falckenberg nach Hamburg. Sie sah die
Kamera oder in den Interviews, die sie au-     kopulierenden Teddybären in den Zeich-        sagt sie. Und was sind Andersdenkende?
torisiert. Julia Stoschek lächelt. Sie wirkt   nungen von Simon English und die Be-
nahbar. Über ihre für das Shooting gelie-      geisterung und Leidenschaft, mit der                   „Künstler leben und
hene Designerkleidung hat sie eine graue       Harald Falckenberg von seiner Kunst                      denken anders.“
Sweatjacke gezogen.                            erzählte. Sie war fasziniert. Ging wenig
                                               später in New York zum ersten Mal in die      Es sei bereichernd, an ihren Gedanken teil-
   „Je mehr man mit Künstlern                  Galerien. Sah Douglas Gordons Videoins-       haben zu können. Nicht nur das. Auch an
 arbeitet, desto mehr wird einem               tallation „Play Dead; Real Time“: Ein Ele-    ihren Ängsten und Nöten.
 auch klar: Was die können, dazu               fant spielt in einem völlig weißen Raum       Vergangenes Jahr zeigte sie den amerikani-
wird man selbst nie imstande sein,“            seinen eigenen Tod.                           schen Filmemacher Arthur Jafa, kuratiert
                                                                                             von Hans-Ulrich Obrist und Amira Gad.
sagt sie. Ihre Aufgabe hat sie verstanden:        „Das hatte etwas unheimlich                Laut Internationalem Kunstkritikerver-
Sie ist eine Plattform.                         Berührendes, diese Verwischung               band eine „Besondere Ausstellung 2018“.
                                                   der Grenze zwischen Natur
Sie kauft Kunst am liebsten, wenn sie neu        und Kultur. Ich habe Stunden                   „Bei Jafa ging es vornehmlich
ist. Sie nennt keine Namen, aber ja, es gibt        in der Galerie verbracht“,                 um Rassendiskriminierung von

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                                                                   10. BIS 12.05.19
                                                                   Palais Am Stadthaus
                                                                   Friedrich-Ebert Str. 37
                                                                   14469 Potsdam
                                                                   Täglich 11 bis 19 Uhr
                                                                   artantique-potsdam.com
In der Berliner Julia Stoschek Collection gibt es ein Wohn-Atelier,
in das Künstler*innen sich zurückziehen können. Die Objekte auf dem rechten
        Bild sind keine Fernseher, sondern Skulpturen von Peter Weibel

                                    20
Oben steht Julia Stoschek in der Videoinstallation „To Valerie Solanas and Marilyn Monroe in Recognition of
 their Desperation“ von Boudry / Lorenz. Merchandise, Kunstbücher und hölzerne Pilze in Stoscheks Büro –
                ihre Mutter arbeitete einst für die Firma, die die Pilz-Modelle hergestellt hat.

           Mantel und Top: Dries van Noten, Hose: Stella McCartney, Schuhe: Francesco Russo

                                                    21
Julia
                                                                                                                                  Stoschek
                                                                                                                                  im Schein
                                                                                                                                  des Werks
                                                                                                                                  „Silent“ von
                                                                                                                                  Boudry /
                                                                                                                                  Lorenz.
                                                                                                                                  Darin schweigt
                                                                                                                                  eine Sängerin
                                                                                                                                  in viele
                                                                                                                                  Mikrofone.

                                                                                                                                  Stoschek
                                                                                                                                  trägt Prada

 Afro-Amerikanern. Durch den                    nach Venedig mitnehmen. Alle zwei Jahre           Großvater Max Brose, war seit Juni 1933
Künstler ist mir wieder bewusst                 findet die statt. Der Sohn ist drei. Es ist sei-   NSDAP-Mitglied, Wehrwirtschaftsführer,
geworden, welch omnipräsentes                   ne zweite internationale Kunstausstellung.        Eigentümer einer der ersten Hitler-Büsten
Problem das heute noch darstellt.                                                                 überhaupt. Seine Firma war kriegswichtig,
In den USA, in Europa und auch                      „Ich frage mich auch, was                     beschäftigte kriegsgefangene Zwangsarbei-
  bei uns. Das war mir so nicht                      das eines Tages mit ihm                      ter. Im gleichen Jahr, als die Stadt Coburg
            bewusst,“                               machen wird. Ich meine, er                    den Gründer ihres wirtschaftlichsten Un-
                                                    wächst mit Kunst auf – ich                    ternehmens rehabilitieren wollte und eine
sagt Stoschek. Die Kunst, sie weitet ihr          bin weitestgehend ohne aufge-                   ihrer Straßen in „Max-Brose-Straße“ um-
Sichtfeld.                                       wachsen. Als ich der Kunst dann                  benannte – was der Zentralrat der Juden in
                                                  zum ersten Mal begegnet bin,                    Deutschland kritisierte – zeigte Julia Sto-
Julia Stoschek ist 43 Jahre alt. Mit dem Vor-      hat das eine Sehnsucht aus-                    schek als erste deutsche Privatsammlerin
standsvorsitzenden der Axel Springer SE,           gelöst. Einen inneren Drang,                   eine Ausstellung in Tel Aviv. Das war 2015.
Mathias Döpfner, hat sie ein Kind. Ein Paar        mehr noch, eine Notwendig-                     Das 50-jährige Jubiläum deutsch-israeli-
sind sie nicht. Ist sie eine strenge Mutter?         keit, Kunst total intensiv                   scher diplomatischer Beziehungen.
                                                             zu leben.“
   „Leider gar nicht. Bevor ich                                                                    „Ich hab die Firmengeschichte
   Mutter wurde, hatte ich mir                  Auf ihr Ausstellungshaus in Düsseldorf             nicht mit meiner Ausstellung in
 vorgenommen, autoritär zu sein.                hat sie ein Penthouse gebaut. Weil sie               Zusammenhang gebracht,“
 Ich komme aus einem sehr kon-                  ohne Kunst aufwuchs, zog sie später ins
servativen Haushalt. Und ich finde               Museum. „Kinder entwickeln häufig eine             sagt Stoschek.
  das recht gut. Daran gemessen,                Gegenwehr gegen die elterlichen Vorlie-
    wie ich aufgewachsen bin,                   ben“, sage ich. Und Stoschek sagt:                Sie reist viel. Silvester im Oberengadin, ein
    erziehe ich wachsweich.“                                                                      paar Tage in New York, dann Kalifornien.
                                                                  „Total“.                        Vor ein paar Wochen war sie bei dem dä-
Sie macht eine Pause.                                                                             nischen Künstler Jeppe Hein im Studio,
                                                Zwei Tage die Woche verbringt sie mit der         und dann gleich Teil seiner Performance
 „Mein Sohn wickelt mich ständig                Arbeit für die elterliche Firma. Einmal im        „Breathe With Me“. Erst haben sie bewusst
 um den kleinen Finger. Ich muss                Monat trifft sie die anderen Gesellschafter       geatmet, dann eine Leinwand bemalt und
  dringend an meiner Autorität                  in Coburg, um über operative Entschei-            zu Mittag gegessen.
       zu Hause arbeiten.“                      dungen abzustimmen. Das Unternehmen
                                                hat eine allzu deutsche Geschichte: Der                „Das war ein unerwarteter
Im Mai wird sie ihren Sohn zur Biennale         Unternehmensgründer, Stoscheks Ur-                         Glücksmoment,“

                                                                      22
23

sagt Stoschek. Von Jeppe Hein stammt auch                                „Herzlich Willkommen.                                          Sie sagt:
das letzte Kunstwerk, das sie gekauft hat.                                Hallo. Schön, dass du
Ein Leuchtkasten. Wie der aussieht? Sie                                     gekommen bist“,                                                    „Mir geht der heilige Ernst
beschreibt ihn nicht, sondern ruft nach                                                                                                       dieser Debatte aufs Gemüt.“
einer Mitarbeiterin. Wo ist ihr Handy? Sie                     sagt sie während der Vernissage immerzu.
bekommt es, geht durch ihre Bildergalerie                      Ihre Höflichkeit ist professionell und                                    Wenn eine Frau gut sei, sei sie gut, sagt
voller Exponate, dann zeigt sie ihn: ein qua-                  knapp. Aber die Kinder der Gäste lächelt                                 sie. Schulterzuckend wirkt sie. Ihre erste
dratischer, nach vorne offener Kasten aus                      sie an, streichelt einem über den Rücken.                                Ausstellung hatte Stoschek 2007 nach ei-
Spiegeln. In leuchtenden Neonbuchstaben                        Ein Herr im blauen Jackett und Einsteck-                                 nem Werk der feministischen Künstlerin
steht darin: „LET ME LOVE YOU“.                                tuch bringt Kuchen vorbei. Im Hof ist ein                                Bonvicini benannt: „Destroy, she said“.
                                                               Altbier-Wagen aufgebaut. Dann steigen die
Düsseldorf, Oberkassel. Nirgends könnte                        Düsseldorfer die Treppen zur Ausstellung                                 Am Montag nach der Eröffnung telefonie-
die Rheinstadt Berlin unähnlicher sein. Die                    empor, werden gefilmt und mitten in die                                   ren wir noch mal. Sie will es so. Sie ist
Menschen hier sind weiß, wohlhabend.                           Ausstellung des Videokünstlers Rindon                                    Perfektionistin, will sichergehen, dass sie
Fahren Porsche und BMW. Ein Schaufens-                         Johnson hineinprojiziert.                                                Antworten in ihrem Sinne gegeben hat.
ter wirbt in großen Buchstaben für Krug                        Stoschek sucht mich. Sie will mir was zei-                               Die Vernissage hat sie genossen. Ihre Fa-
Champagner. In der Brasserie Hülsmann                          gen. Wir gehen am Eingang vorbei zu ei-                                  milie war nicht da, nein. Aber ihr Sohn
gibt es Kalbsbries und Jakobsmuscheln.                         ner kleinen weißen Wand, neben der ein                                   und engste Freunde. Der Artist-Talk mit
In Hinterhof der nahegelegenen Schan-                          Fernseher steht. Er zeigt Monica Bonvici-                                Rindon Johnson am Sonntag hat sie fas-
zenstraße steht ein Fabrikgebäude, es war                      nis „Wallfuckin‘“: Eine Frau, nackt, bewegt                              ziniert. Ebenso wie seine Virtual-Reality-
mal eine Matratzenfabrik, gehörte mal zur                      sich breitbeinig gegen eine weiße Wand.                                  Arbeiten.
Metallindustrie, nun trägt es eine Dachter-                    Ein Protest gegen die männliche Architek-
rasse mit Dachgeschoss: die Julia Stoschek                     tur des Lebens.                                                               „Er ist eine Trans*person.
Collection Düsseldorf. An einem Freitag-                                                                                                 Interessant fand ich deshalb seine
abend Ende März steht Stoschek in deren                             „Diese gemauerte Wand hier                                             Aussage, dass Virtual Reality,
geöffneten Türen, um ihre neue Kuratorin                             ist der aus der Performance                                            als ein Transit zwischen den
Lisa Long vorzustellen.                                                    nachempfunden,“                                                  Realitäten, dem Transdasein
                                                                                                                                                       ähnelt,“
  „Sie hat in New York am Bard                                 sagt Stoschek und hält sich kurz an ihr fest.
  College studiert und reist aus-                              Ist sie Feministin?                                                      sagt die Sammlerin, die Mäzenin, und
gesprochen viel. Sie stellt mir und                                                                                                     dann, nur kurze Zeit später, verabschie-
meinem Team neue Künstler vor.                                  „Ich würde mich als emanzipiert                                         den wir uns.
  Bringt frischen Wind herein,“                                  bezeichnen. Anders als manche
                                                                    Frauen habe ich aber kein                                           Auch Stoschek wandelt in verschiedenen
sagte Stoschek zuvor im Gespräch mit mir.                       Männer-Feindbild. Im Gegenteil.                                         Welten. Die Familie, in der sie aufgewach-
Nachdem sie 2017 ihr zehnjähriges Samm-                         In Berlin beobachte ich oft, dass                                       sen ist, ist ihr Fundament und Wand. Die
lungsbestehen gefeiert hatte, war ihr klar,                    es Frauen gibt, die es nicht mögen,                                      Kunst ist ihr Fenster. Ihren Reichtum nutzt
dass sie nicht weiterhin nur die Kunst zei-                      wenn ein Mann ihnen die Türe                                           sie, um den Blick durch dieses Fenster mit
gen will, die sie besitzt. Das wäre ihr zu                          aufhält. Zu denen gehöre                                            anderen zu teilen – und, natürlich, um sich
einseitig gewesen, sagt Stoschek.                                       ich sicher nicht.“                                              darin zu spiegeln.

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                                                                                      präsentiert:
                                                                                  bis 20. April 2019
                                                                         Sonja Edle von Hoeßle - Skulpturen
                                                                        Heike Jeschonnek - Paraffinzeichnungen
                                                                           Sabine Ostermann - Linolschnitte

                                                                           26. April - 22. Juni 2019
                                                                                Eröffnung: 26. April 2019 19.00 Uhr
                                                                                  Es spricht: Prof. Dr. Dieter Ronte
                                                                    Dietmar Brixy                    Thomas Röthel
                                                                        Malerei                         Skulpturen

                D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14   Tel: +49 (0)30 225 027 910     Fax: +49 (0)30 225 027 911   info @ galerie-tammen-partner.de   www.galerie-tammen-partner.de
„Ich bin
der Boss,

                          ich bin
                        der Boss,

             ich bin
            der Boss“
Ein äthiopisches
                                                                              Restaurant in

N     ura, was machen wir hier
      im gutbürgerlichen West-
Berlin? Deine Musik, dein ganzer
                                     In einem Fragebogen hast du auf
                                     die Frage, was du mal gerne
                                     für einen Tag wärst, geantwortet:
                                                                              Charlottenburg:
                                                                              Nura Habib Omer
                                                                                                       Nura, bei einem Konzert in Berlin
                                                                                                       hast du dich in einem Schlauch-
                                                                                                       boot auf der Menge rumtragen
Auftritt klingt nach Kreuzberg       weiß.                                    betritt den Raum,        lassen, dazu skandierten die Leu-
oder Neukölln.                       Ganz im Ernst: Dann wären viele          die Sängerin, Rapperin   te: „Refugees are welcome here“.
Ich habe zuerst in Kreuzberg         Sachen ganz anders. Ich würde                                     Ich bin pro Asyl, auf jeden
                                                                              und Podcasterin ist
gewohnt, dann lange in Fried-        nicht blöde angeglotzt werden,                                    Fall. Wenn Rechte sagen: Geh
richshain. Aber ich bin weg-         wenn ich in der Bahn neben ir-           sofort ganz              doch zurück nach Hause – tja,
gezogen, weil es so viele Pro-       gendeiner Oma Richtung Osten             da, umarmt alle,         vielleicht kann ich nicht zurück?
bleme gab. Jeder wusste, wo          fahre. Manche Menschen sagen                                      Schon mal darüber nachge-
ich wohne, ich hatte gar keine       mir dann: Hä, mir ist das noch
                                                                              selbstverständlich       dacht? In Eritrea ist die Lage
Privatsphäre mehr. Da war eine       nie passiert – ach, komisch, mit         duzt man sich, der       immer noch kritisch, ich würde
Schule, es gab Uhrzeiten, da         deinem blonden Lockenköpf-               Auftritt macht klar:     gern mal hinreisen, aber erst,
konnte ich nicht rausgehen.          chen! Man müsste manche Leute                                     wenn sich das beruhigt. Es ist
                                     für einen Tag schwarz machen.
                                                                              alles andere wäre        schade, dass man nicht in sein
Nervt dich die Aufmerksamkeit?       Fahr mal durch den Osten, fahr           totaler Quatsch.         eigenes Land kann, weil es
Im Gegenteil: Ich habe übertrie-     mal durch irgendwelche Dörfer –          Nuras Bruder             dort zu gefährlich ist. Des-
ben Bock drauf, dass Leute mich      und guck, wie das ist.                                            wegen kann ich es auch kom-
anquatschen und sagen, sie                                                    Ramadan begleitet        plett verstehen, dass Leute
hören meine Musik und wollen         Du warst drei, als deine Mutter          sie, ein fröhlicher      hierherkommen.
ein Foto. Aber es gibt Tage, wo      mit deinen drei Geschwistern             Typ mit medizinball-
ich einfach kurz was erledigen       nach Deutschland geflohen ist.                                     Deine Mutter hat heute, nach
will, zum Späti oder in den Dro-     Nura: Ja, wegen des Golfkriegs.          großem Afro. Er ist      fast 30 Jahren, eine unbefristete
geriemarkt, Waschmittel kau-         Meine Eltern kommen aus                  ihr „Daily Manager“,     Aufenthaltserlaubnis. Aber du
fen, und dann zurück ins Bett.       Eritrea, ich bin geboren in                                       musst immer noch regelmäßig
                                                                              erklärt er, Vollzeit –
Ich bin privat eigentlich auch       Kuwait City, mein Vater hat da                                    zum Ausländeramt.
nicht geschminkt, und ich mag        gearbeitet. Er ist dageblieben,          die beiden wohnen zu-    Ja, alle zwei Jahre gehe ich da
das auch sehr – aber dann will       heute haben wir eigentlich               sammen. Neulich hat      hin, dann geben die mir einen
ich nicht so gern Fotos machen.      keinen Kontakt zu ihm. Oder,                                      Stempel und sagen: Du warst
                                     Ramadan, haben wir ihn danach
                                                                              er sogar gestoppt, wie   brav, du darfst noch ein biss-
Machst du viele schlechte Erfah-     noch mal gesehen?                        lange seine Schwester    chen hierbleiben. Abschieben
rungen mit der Öffentlichkeit?       Ramadan: Ja, wir sind zu                 morgens im Bad           können sie mich nicht, weil
Nur im Internet. Mir persönlich      meinem 18. Geburtstag nochmal                                     Eritrea immer noch unsicher
ins Gesicht hat noch nie jemand      hingeflogen, vor 15 Jahren.
                                                                              braucht, damit er        ist. Also bin ich hier gefangen …
etwas Schlechtes gesagt.             Nura: Ach ja, stimmt – wir haben         besser planen kann:      nein, Quatsch, ich bin gerne
Noch nie! Und es kommt immer         zusammen mit meiner Mama                 45 Minuten.              hier.
auf die Sachen an, die ich aus-      eine Pilgerfahrt nach Mekka
spreche: Nach meinem Auftritt        gemacht. Da war mein Vater,                                       Ist das für dich ein Thema: der
beim #wirsindmehr-Konzert            stimmt. Aber ich erwähne ihn
                                                                              Warum ausgerechnet       Status, der Pass, was man ist?
in Chemnitz habe ich Hate be-        eigentlich nie.                          dieser Treffpunkt?       Ich wäre safe, wenn ich einen
kommen. Da finde ich es echt                                                   „Es gibt Mama-Essen      deutschen Pass hätte. Dann
lustig, dass ich Hate bekomme        Wie war die Flucht?                                               könnte ich nach L.A. fliegen und
dafür, dass ich etwas sage – und     Ramadan: Wir vier Geschwister            hier“, sagt Nura.        dort Mucke machen, ich kenne
Leute, die die Schnauze halten,      und unsere Mom sind ins Flug-            Ihre Eltern stammen      viele Künstler dort, die haben
nicht. Ich habe einmal ein AfD-      zeug gestiegen, sind in Frankfurt                                 mich oft eingeladen. Aber ich
                                                                              aus Eritrea – „das ist
Plakat abgerissen, da hieß es:       gelandet, und dort wurden wir                                     darf nur innerhalb Europas
Ich schlitz dich auf. Aber es kam    von unserer Familie abgeholt.            ein und dieselbe         reisen. Mit dem Pass, den ich
keiner. Dann die Beleidigungen       Die Brüder meiner Mom und                Kultur. Meine Kultur!“   habe, gibt mir auch kein Land
gegen meine Hautfarbe: Scheiß-       meine Oma haben schon hier                                        ein Visum. Ich habe Visa für
neger. Ja, ich bin dunkelhäutig,     gelebt, das ist auch der Grund,                                   Australien beantragt, meine
und jetzt? So was verletzt mich      warum wir nach Deutschland                                        beste Freundin lebt da – sechs
nicht. Die Rechten merken:           gekommen sind. Dann saßen                                         Mal abgelehnt. Ist halt schwer,
Oh, die kleine Schwarze hat eine     wir im Auto, auf der Autobahn            Interview                wenn man ein Dritte-Klasse-
krasse Reichweite. Und ihre          haben wir alle eine Caprisonne           Jan Oberländer           Mensch ist. Aber das werde ich
Fans sind nicht blöde. Ich bin ein   Orange bekommen. So ging                 Fotos                    auch noch hinkriegen. Das
ebenbürtiger Gegner.                 unsere Reise los.                        Alena Schmick            Musikmachen hilft mir dabei.

                                                                         25
„Ich bin ein
                                    krasses Arbeits-
Wie denn?                           tier. Ich hab                             auch happy. Es ist sogar besser:     Wie ist das: Allein auf sich
Es gibt diesen Punkt: öffent-       nie gechillt, nie                         Wäre ich Ärztin geworden, hät-       gestellt zu sein? Die Verant-
liches Interesse. Die auf dem       was geschenkt                             ten wir uns nie gesehen. So bin      wortung zu haben?
Amt sehen, du bist wichtig – und                                              ich zwar auch krass busy, aber       Bei SXTN wurde uns viel Ar-
dann geben sie mir einen Pass.
                                    bekommen,                                 ich kann sagen: Mama, komm           beit abgenommen durch das
Es ist wie bei Sportlern: Wenn      immer krass viel                          mit! Das würde im OP-Saal nicht      Management, wir haben dann
du Kanake bist und gut Fußball      geackert“                                 gehen. Bei unserem allerersten       immer zusammen Entschei-
spielen kannst, dann heißt es:                                                Festival mit SXTN saß sie direkt     dungen getroffen. Aber hier war
Mach den mal schnell zum                                                      hinter der Bühne. Als wir dann       es so, dass ich die volle Macht
Deutschen hier!                     Armschmerzen vom Tellertra-               „Deine Mutter“ gespielt haben …      hatte: Nein, das machen wir so,
                                    gen, im Cookies an der Bar, im                                                 nein, „Was ich meine“ wird die
Ist das ein Ansporn für dich?       Urban Spree an der Bar und                Mit Zeilen wie: „Ich ficke deine      Single. Ich bin der Boss, ich bin
Die sollten mich auch so            an der Tür, im Spindler und Klatt         Mutter ohne Schwanz“ oder:           der Boss, ich bin der Boss. Das
nehmen. Die hätten mich vorher      an der Tür.                               „Fick dich, du Hurentochter“.        war nice. Und das habe ich alles
schon nehmen können. Ich lebe                                                 … da hab ich natürlich gesagt:       während des Albums gelernt.
seit 30 Jahren hier, die ganze      Du bist stolz auf deinen Fleiß?           „Ey, alle Mamas außer du,            Vielleicht hätte jemand anders
Familie zahlt Steuern, meine        Ich bin alleine hergekommen.              Mama!“ Einmal haben wir              dieses Paket nicht tragen kön-
Mama arbeitet, seit sie hier ist.   Ich hab immer gearbeitet. Wenn            backstage zusammen gechillt.         nen. Aber deswegen hat Gott,
Sie ist Reinigungskraft, natür-     ich krank geworden bin, gab es            Juju, meine Partnerin bei SXTN,      oder wer da oben ist, mir das ge-
lich, sie hat ja nichts gelernt.    kein Geld, also habe ich immer            wollte einen Sekt trinken –          geben. Weil er sich denkt: Die
Nie krank, nie geschwänzt,          gearbeitet. Ich bin ein krasses           aber ich trinke nicht vor meiner     heult vielleicht und sie wird blu-
würde sie niemals machen.           Arbeitstier. Das hab ich von mei-         Mama, aus Respekt. Ich rauche        ten, aber sie wird es hinkriegen.
Hat immer noch keinen deut-         ner Mutter, ich hab nie gechillt,         auch keine Zigaretten oder
schen Pass. Aber zwei Jobs.         nie was geschenkt bekommen,               Joints, wenn sie da ist. Klar weiß   In „Könnt Ihr mich hören“, einem
                                    immer krass viel geackert. Acht           sie, dass ich das mache, aber        Buch über deutschen Rap, er-
Du bist als Jugendliche von         Stunden, zehn Stunden die Bar             ich muss ihr das nicht unter die     zählst du: „Die Gesellschaft hat
zu Hause abgehauen, hast im         gemacht, dann hieß es: Hast               Nase halten. Also, Juju sagte:       immer noch Schiss vor Rappern.
Heim gelebt. Warum?                 du Bock, den Laden zuzuma-                Hey, lass uns anstoßen – es war      Aber die Kinder von diesen Leu-
Das war ein Culture Clash.          chen? Dann musst du noch fünf             ja der erste Tag unserer ersten      ten, die Schiss haben, feiern uns.“
Unsere Mutter ist sehr religiös,    Stunden bleiben, es gibt aber             Tour. Und meine Mama hat             Verstehst du die Sorge der Eltern?
ich wollte meinen westlichen        soundso viel Geld direkt auf die          ihr Wasserglas gehoben und           Ich kann das verstehen. Aber
Lifestyle durchsetzen. Einfach      Hand. Okay, dachte ich, ich bin           mit uns angestoßen. Das war          daran merkt man, dass die
normal sein. Ich hatte dann aber    ja schon hier.                            schon krass.                         Eltern sich nicht damit befasst
in Wuppertal so viel Stress,                                                                                       haben. Seit ich eine kleine Nichte
die ganze Stadt hat mich so         Wann war dir klar: Clubjobs,              In deinem Podcast erzählst du,       habe, habe ich eine andere
belastet. Da habe ich noch gar      Ausbildung, das ist es alles nicht        dass dieses Album die erste          Sichtweise. Sie darf die Liebes-
keine Musik gemacht, sondern        – ich muss auf die Bühne?                 Sache in deinem Leben sei, die       lieder hören, die anderen nicht.
nur Scheiße gebaut, gekifft,        Die Crackhuren waren eine                 du „alleine durchgezogen“ hast.      Aber ich würde es ihr erklären.
gesoffen, war auch depressiv.       Ausprobierphase. Da habe ich              Du sagst: „Ich hätte nie gedacht,    Wenn sie darauf angesprochen
Ich wollte die ganze Zeit einfach   gemerkt: Ich bin so extrover-             dass ich etwas alleine schaffe.“     wird, soll sie sagen können: Ja,
weg. Jeder hat mich gekannt,        tiert, ich bin der Showmaster,            Woher die Selbstzweifel?             meine Tante macht diese Musik.
aber für etwas, auf das ich nicht   ich brauche mein eigenes Ding.            Das waren keine Selbstzweifel.       Aber das ist eine Kunstform, so
stolz war. Ich war nur die, die     Dann kam SXTN, auch eine                  Vorher war es meistens so:           drückt sie sich aus. Musik ist
da im Heim wohnt. Ich brauchte      Ausprobierphase, und die Tür,             Ich hab irgendwas angefangen,        Kunst, die muss nicht jedem ge-
einen Neuanfang. Jetzt kennen       die alles geöffnet hat. Jetzt bin         und dann kam irgendein Rück-         fallen. Deshalb finde ich: Kinder
mich wieder alle. Aber anders.      ich bei Nura angelangt. Und               schlag und ich habe es liegen        sollten ihren Eltern Rapmusik
                                    eigentlich kann ich mich auch             lassen. Wie meine Ausbildung:        näherbringen. Ich habe das mit
Du bist dann nach Berlin gezogen.   immer nur auf Nura verlassen.             immer schnell Ausreden gefun-        meiner Mama auch gemacht.
Ich habe eine Ausbildung zur        Sie hat mir immer Kohle nach              den, aufzuhören. Oder bei die-
Sozialassistentin angefangen,       Hause gebracht. Sie war immer             sem Album, da ist ein sehr guter
aber dann war ich mit meiner        am Start.                                 Freund von mir verstorben,                  „Meine Fans
ersten Band, den Toten Crack-                                                 und ich hätte das fast wieder als
huren im Kofferraum, auf Tour.      Welchen Traum hatte deine                 Ausrede dafür genommen,
                                                                                                                         wissen: Wenn
Die Ausbildung habe ich zwei        Mutter für Nura?                          dass ich nicht weitermache.             eine ältere Dame
Mal abgebrochen, hab gearbei-       Anwältin, Ärztin, solche Sachen.          Aber ich habe es durchgezogen.            in den Bus ein-
tet, im Café, im Restaurant,        Aber ich glaube, jetzt ist sie            Aus eigener Kraft gecheckt.             steigt, dann stehe
                                                                                                                       ich auf und gebe
                                                                         26                                              ihr den Platz“
27                                                   „In meinem
                                                                                                                            Diddl-Freund-
Also: gar keine Bedenken, dass       Du brauchst Representer auf              anderes machen, und eigentlich              schaftsbuch von
15-jährige Fans die Krawall-Nura     einem Album. Tracks, auf denen           müssten alle sagen: Hey, krass!             1998 steht drin,
zum Vorbild nehmen?                  du sagst: Haltet die Fresse,             Bei euch standen viel mehr                   was ich werden
Bei meinen Fans gibt es eine         ihr Bastarde, ich bin der King.          Leute vor der Bühne! Ihr habt
Gruppe, sechs Mädels. Berline-       Aber auf Dauer finde ich das              das Festival gefickt! Aber nein,
                                                                                                                           will: Sängerin“
rinnen, so zwischen 15 und 17,       echt eintönig. Ich hab das am            sagt keiner. Weißt du, warum?
das sind die Nura-Ultras, meine      Anfang bei SXTN eher als                 Weil sie neidisch sind.
aktivsten Fans. Mit deren Eltern     Scherz mitgemacht. Juju hat                                                  die zeigen soll: Männer prügeln
bin ich eng, die fahren ihre         gerappt, also hab ich mitgerappt.        Im Video zu deiner Single           sich für mich, aber Männer
Kinder zu Fantreffen und holen       Ich liebe es, Sachen, auszu-             „Was ich meine“ scharwenzeln        kümmern sich auch um mich.
sie wieder ab. Sie wissen, dass      probieren. Aber eigentlich war           muskulöse Typen halbnackt           Und die Stripclubszene, die
ihre Kinder safe wieder nach         Rappen nie so mein Ding. In              um dich und zwei andere Diven       sagen soll: Klar, ich bin eine
Hause kommen. Die kriegen            meinem Diddl-Freundschafts-              herum, reichen Champagner           Olle, aber ich kann auch den und
keinen Asi-Brainwash von mir.        buch von 1998 steht drin, was            und Trauben an …                    den kaufen, ich hab auch Kohle.
                                     ich werden will: Sängerin.               Ge-nau! Ja, da habe ich alles       Das war auch noch so ein Clou:
Du hast echt keine Sorge, dass                                                selbst gemacht: Treatment ge-       Ich habe ja Katja Krasavice und
du deine Fans mit einem Song wie     Bekommen Frauen im Rap-                  schrieben, Location gescoutet,      Cherry Rebelle dabei…
„Sativa“ zum Kiffen anstiftest?      geschäft zu wenig Respekt?               Casting, Regie. Ich hab bei
Das ist das Ding. Ich habe ja nie    Mit SXTN kamen wir aus dem               Instagram ein Bild von Brad Pitt    … zwei, nun ja, Erotik-
gesagt: Ich mache jetzt Musik        Nichts, sind auf Platz 8 gechar-         gepostet und gesagt: Wenn           Instagram-Stars.
für Über-30-Jährige. Nur weil        tet und drei Mal Gold gegangen           du so aussiehst, melde dich.        Wo alle immer denken: die
ich weiß, dass ich 13-jährige Fans   – aber das schätzt keiner.               Die Leute dachten, ich suche        Huren! Die tanzen jetzt schön
habe, werde ich nicht meine          Es schätzt auch keiner, dass wir         einen Freund. Zum einen hatte       im Video! Die ganzen Perversen
Songs verändern. 13-Jährige          alles selbst geschrieben haben.          ich die Idee mit dem Fight Club:    dachten, dass sie Titten sehen
können differenzieren, wenn          Rapper sind gierig und wollen            Dass ich die Puffmutter bin und     würden – aber wir zeigen nur
ich eine lustige Story erzähle.      nichts abgeben. Es gibt 500              da sitze und chille, und wenn       Männerkörper. Katja ist genau
„Sativa“ ist meine Traumvorstel-     Typen, die gleich aussehen und           ich Bock habe, lege ich nen Fuffi   so eine Frau: Im Club rennen ihr
lung davon, wie es wäre, wenn        gleich rappen. Dann kommen               hin und die Typen prügeln sich.     die Männer wie Hunde hinter-
ich in so einen Schickimickiclub     zwei Mädels, die was ganz                Dann diese Champagnerszene,         her. Denkt ihr, bei uns ist das
gehen würde und alle zum Kiffen                                                                                   anders als bei euch? Wir sind
anstiften, sogar den Türsteher.                                                                                   auch im Game. Aber ich mache
Das ist Comedy. Ich weiß, dass                                                                                    das nur im Video, als Verar-
meine Fans so schlau sind, dass                                                                                   schung. Männer, die so ein
sie niemals sagen würden: Ich                                                                                     kleines Ego haben, die machen
kiffe jetzt, weil Nura auch kifft.                                                                                das in Wirklichkeit.

Du machst dir also schon
Gedanken.
Meine Fans wissen: Die Musik
ist das eine, die Person Nura
ist das andere. Aus meinen
Instagram-Stories wissen sie,
wie ich bin, wie ich rede. Wenn
ich sage, sie sollen gerade sein,
höflich sein. Die sind genauso                                                                                     Nura Habib Omer, Jahrgang
empathisch wie ich. Sie können                                                                                    1988, redet maschinen-
bei manchen Liedern total asi                                                                                     gewehrschnell. Immer wieder
sein, aber sie wissen: Wenn eine                                                                                  klingt rheinischer Singsang
ältere Dame in den Bus ein-                                                                                       durch, sie ist ja in Wuppertal
steigt, dann stehe ich auf und                                                                                    aufgewachsen. Gerade hat
gebe ihr den Platz.                                                                                               Nura mit „Habibi“ ihr erstes
                                                                                                                  Soloalbum veröffentlicht, ihr
Während deiner Zeit bei SXTN                                                                                      Podcast „Allo Leute“ läuft auf
hast du mal gesagt „Wir mögen                                                                                     Spotify. Ab Mai wird Nura auf
Mütter, aber manchmal machen                                                                                      Festivals spielen, im September
wir halt Battle-Rap“.                                                                                             beginnt die offizielle Albumtour.
Die bekannten Berliner Hotspots sind totfotografiert und völlig überfüllt.
                   Wir brauchen neue Orte, neue Trends, neue Visionen!
                       Für Instagram, aber auch für das wahre Leben

                                                                                                                          4.

                                                                                                              Waschen,
                                                                                                           trocknen, ziehen
                                                                                                          Weiße Socken sind der wichtigs-
                                                                                                          te Modetrend seit keine Socken.
                                                                                                          Wer reich ist, kauft sich für jeden
                                                                                                          Tag zwischen April und Oktober
                                                                                                          ein frisches Paar. Alle anderen
                                                                                                          waschen sie in der ersten spezi-
                 1.
                                                                                                          ellen Tennissocken-Reinigung auf
  Diabetes Typ III                                                                                        der Torstraße. Der Clou: Hier wird
                                                                                                          nach Marken getrennt! Wer lieb
Gentrifizierung finden alle blöd,                                                                           fragt, bekommt vielleicht noch ein
besonders wenn zwei Investoren                                                                              bisschen weißes Pulver gratis.
aus Stuttgart mitten in Kreuzberg
28 Familien aus der Wohnung
klagen. Aber im Erdgeschoss hat
jetzt zum Trost das tausendste
niedlichste Zuckercafé der Stadt
(Zitat: alle Stadtblogs der Stadt)
                                                                    Text
aufgemacht. Um die aufgebrach-
                                                                 Jacqueline
ten Anwohner zu besänftigen,
                                                                 Schäufele
sind alle verwendeten Zutaten
nicht aus der Markthalle IX, son-
           dern von Aldi.

                                                                                                                          5.

                2.                                                                                              Schwierige
    Einmal Bolte-                                                                                                Ramen-
                                                                                                               bedingungen
    Zwiebel in der
     Waffel, bitte                                                                                        Nudelsuppe mit Ei und Dosen-
                                                                                                          mais gibt es jetzt auch in Lank-
Weil man für Eis länger warten                                                                            witz. Doch trotz anhaltenden Hy-
muss, als man es isst, ist die beste                                                                      pes in den Szenebezirken will der
Eisdiele der Stadt die mit der stim-                                                                      Laden nicht recht laufen. Die Kon-
mungsaufhellendsten Umgebung.                                        3.
                                                                                                          kurrenzanalyse zeigt: Nebenan
In der Choriner Straße steht man                       Re: Out of Office                                  gibt’s das Pastagericht, das eine
zwischen Vintage-Shops, Klima-                                                                            ganze Generation von Millenials
Aktivist*innen und selbstgenäh-        Freitage sind für die Zukunft! Und weil jetzt alle nur noch vier   groß, stark und entscheidungsun-
ten Wimpeln an. Und lernt eine         Tage die Woche arbeiten, treffen auch wir Erwachsenen uns          fähig gemacht hat: Spaghetti-Eis.
Menge jener Kinder kennen, die         regelmäßig mit unseren lustigen Demo-Schildern an zentralen
später mal unsere Rente nicht be-      Orten und tun was für die Umwelt („Homeoffice spart CO2!”).
                                                                                                                                                Fotos: Tobias Heuser

zahlen. In diese Lücke zwischen        Hauptsache, man kann dabei sitzen und trinken. Emilia, lässt
Hoffnung und Realität passen üb-       du bitte die Trinkflasche von der Mama. Nein, das ist kein
rigens genau zwei Kugeln Spar-         Apfelsaft. Nein, das ist wirklich nicht für Kinder. EMILIA! DU
        gelsorbet (vegan).                   WARTEST GLEICH IM SUV, BIS WIR FERTIG SIND!

                                                                     28
8.

                                                                          Feuchte Träume
                                                                          im Trockenbau
                                                                        Der Wedding kommt. Ganz buch-
                                                                        stäblich, denn im verruchtesten
                                                                        neuen Sexshop weit und breit fin-
                                                                        den alle Berliner*innen (m /w / x)
                                                                        unterderklebrigenLadenthekedas,
                                                   7.                   was selbst die intimsten Fanta-
                                                                        sien übertrifft: Mietverträge mit
                                           Mit Obst                     Preisen unter 10 € /m2. Ab U Turm-
                                          zur Bikini-                   straße einfach immer dem lustvol-
                                            frisur                      len Seufzen folgen! An Verhütung
                                                                        wurde übrigens auch gedacht,
                                    Neuer Trendsnack: vorgeschnit-      denn alle angebotenen Wohnun-
                                    tener Obstsalat im Plastikbecher.          gen sind im Wedding.
                                    Den gibt es normalerweise beim
               6.                   Späti, diese Saison aber prakti-                                                        10.
                                    scherweise als Lieferware von
       Vorsprung                    einem Start-Up namens Fruitdo-                     9.                           Der Sky
         durch                      ra. Mit dem mitgelieferten Piek-                                            ist der Himmel
                                                                              Lieber
        Hektik                      ser kann man sich nochmal die
                                    Augenbrauen richten, bevor man        Gras rauchen                       Wer sich keine vier Wochen Som-
Freelancer, die im Sommer arbei-    wieder auf’s Longboard steigt.
                                                                        als Heuschnupfen                     merurlaub auf Bali leisten kann,
ten müssen? Uff. Wenn schon,        Bei dem ganzen Mikroplastik in                                           investiert dieselbe Summe in vier
dann im frisch eröffneten Cowor-    der Blutbahn riecht es allerdings   Es geht nichts über echte Street     Tage auf dem „Hey Leute, ich bin
king-Space – so neu, da ist noch    jetzt nach Stürzen auf dem Tem-     Credibility. Findige Bauunterneh-    auch auf einem Festival!”-Festival
die Schutzfolie auf dem Barista.    pelhofer Feld ein bisschen nach     mer haben den Trend erkannt und      kurz hinter der Stadtgrenze. Da
Das altbekannte Konzept funk-              verbranntem Gummi.           unweit des Flughafens Schöne-        gibt’s Sand für jede Körperöff-
tioniert jetzt auch am schattigen                                       feld die erste Schau-Baustelle der   nung, kreativ gestreckte Drogen,
Ende der Sonnenallee: reinset-                                          Region erschaffen. Hier lässt es     und irgendwer bringt seine Gitar-
zen, so tun, als würde man ar-                                          sich ungestört urban und edgy        re mit, die, Überraschung!, auch
beiten und warten, bis einem ein                                        in der Russenhocke posen, ohne       nachts um fünf auf dem Zeltplatz
nervöser Aufsteiger Flat White                                          dass der Charme von frischem         funktioniert. Bei Heimweh kurz
über das Macbook schüttet. Von                                          Zement in absehbarer Zeit einem      zum Food-Court, denn alles kos-
der Versicherungszahlung kann                                           betriebsfertigen Gebäude weicht.     tet noch mehr als am Flughafen
man dann wieder einen Monat                                             Geo-Tag nicht vergessen: BER         Tegel. Die Rückkehr ins überfüllte
             überleben.                                                   Flughafen Berlin Brandenburg.       Berlin ist dann: Entspannung pur.

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                                                                   Das IT-PIECE
                                                                        für den perfekten Umzug
                                                                                                             030 - 61 0 61
                                                                                                                  zapf.de
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