Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung

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Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
Tagungsband LÜKEX 2015
 1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

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Fac fo
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       ati

 BBK. Gemeinsam handeln. Sicher leben.
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
Tagungsband
LÜKEX 2015

1. Thementag
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Tagungsband LÜKEX 2015
1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

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Stand: März 2019

Titelbild: GettyImages | Lechnermedia
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Inhalt   •   5

Inhalt

1	Vorwort                                                                                                               6

2	Beiträge der Referentinnen und Referenten                                                                           10

    2.1	Warnung der Bevölkerung in Europa – Meteorologische Warnsysteme
         und Warnstrategien
         Thomas Kratzsch                                                                                               11

    2.2	Das deutsche Warnsystem – Warnung im Föderalismus
         Hans-Gerrit Möws, Botho von Schrenk und Holger Poser                                                          17

    2.3	Risikokommunikation – Voraussetzung einer erfolgreichen Warnung
         Hans-Peter Weinheimer                                                                                         24

    2.4	Die Fähigkeiten der Bundeswehr im Bereich Warnungsunterstützung
         Norma Mätschke                                                                                                28

    2.5	Warnung und vernetzte Sicherheit – Herausforderungen und Chancen
         für Smart-City-Technologien
         Dr. Ulrich Meissen                                                                                            32

    2.6	Paneldiskussion „Wie entstehen (Sturmflut-/Sturm-/Hochwasser-)
         Warnungen und welchen Weg gehen sie?“
         Dr. Manfred Bremicker, Frerk Jensen, Dr. Sylvin H. Müller-Navarra                                             44

    2.7	Projekt Wexicom – Umgang mit Unsicherheit und Auswirkungen auf die Warnung
         Thomas Kox und Dr. Martin Göber                                                                               56

    2.8	Warnung der Bevölkerung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
         Claudia Schedlich, Kerstin Fröschke und Dr. Jutta Helmerichs                                                  60

    2.9	Der Blick nach Europa: Warnung in Dänemark
         Maximilian Ritzl                                                                                              69

3	Anlagen                                                                                                             72

    Abkürzungsverzeichnis                                                                                              73

    Tagungsprogramm                                                                                                    74

    Notizen                                                                                                            76

    Impressum                                                                                                          79
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
6   •   Kapitel   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

Bild: GettyImages | Volker Schlichting / EyeEm

                                                                                           1
Vorwort
Von Dr. Miriam Haritz

Leiterin der Projektgruppe LÜKEX 15 Bund

Leiterin des Referates I.4 – Ressort- und Länderübergreifende Krisenmanagementübungen,
LÜKEX im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Vorwort   •   7

Im vorliegenden Tagungsband sind Beiträge                 Das Übungsszenario Sturmflut in der deutschen
zum 1. Thementag mit dem Titel „Warnung der               Bucht der LÜKEX 15 bietet dabei eine große
Bevölkerung“, welcher im Rahmen des Übungs-               Bandbreite an möglichen Themen, die aus der
zyklus LÜKEX 15 am 19. und 20. November 2014              Sicht von Wissenschaftlern ebenso wie praxiser-
in Berlin am Fraunhofer-Institut FOKUS mit                fahrenen Experten eine vertiefte Betrachtung
rund 90 Teilnehmenden stattgefunden hat,                  sinnvoll erscheinen lassen.
zusammengetragen.
                                                                        Nicht erst nach den tragischen
LÜKEX-Übungen als strate-                                                  Erfahrungen der Sturmflut
gische Krisenmanagement-                                                     1962, die auch deswegen zu
übungen finden seit 2004 in                                                    zahlreichen Opfern führte,
Deutschland mit wechseln-                                                       weil es damals keine zuvor
der Beteiligung von Bund,                                                        abgestimmten Warnmecha-
Ländern und Unternehmen                                                          nismen gab, ist die Warnung
der Kritischen Infrastruktur                                                     der Bevölkerung ein zent-
(KRITIS) in regelmäßigen                                                        rales Element beim Umgang
Abständen statt. Die LÜKEX                                                      mit Katastrophen in Deutsch-
15 als siebte strategische Kri-                                               land. Gab es bis zum Ende des
senmanagementübung ihrer Art                                                Kalten Krieges zumindest ein für
wird ressort-, länder- und bereichs-                                    den Verteidigungsfall ausgelegtes
übergreifend zum Thema „Sturmflut an                                Sirenennetz in ganz Deutschland, so ist
der deutschen Nordseeküste“ vorbereitet.                    die Technik der flächendeckenden, ursachenun-
                                                          abhängigen Warnung heute nach wie vor eine
Der diesem Band zugrundeliegende Themen-                  nicht gänzlich abgeschlossene Aufgabe von Bund
tag, der sich mit verschiedenen Aspekten der              und Ländern. Basierend auf dem satellitenge-
Warnung der Bevölkerung vor Gefahrensitua-                stützten, modular erweiterbaren Warnsystem des
tionen und den Herausforderungen hierbei für              Bundes (MoWaS), welches durch das Bundesamt
die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und           für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Wirtschaft befasste, bildete den Auftakt als erster       (BBK) für den Zivilschutzfall vorgehalten und
von insgesamt dreien, welche die Vorbereitungs-           betrieben wird, eröffnet sich den Ländern die
phase der LÜKEX 15 zu ausgewählten Themen                 Möglichkeit, alle noch vorhandenen technischen
fachlich begleiten. Thementage bieten dabei               Warnlücken durch Anbindung ihrer jeweils be-
einem breiten Teilnehmerspektrum auch jenseits            vorzugten Warnmittel auch für Katastrophenfälle
der Übungsbeteiligten eine Plattform, in fachlich         zu schließen.
fundierter Weise auf bestimmte Teilaspekte des
Übungsszenarios vertieft einzugehen, oder sogar           Jedoch ist die Lösung der technischen Heraus-
Aspekte aufzugreifen, die in der Übung selber kei-        forderung nicht die einzig notwendige Antwort
nen Raum haben, aber interessante Fragen zum              auf die Frage, wie die Bevölkerung im Ereignisfall
Übungsthema aufwerfen. Damit dienen sie nicht             am besten gewarnt werden kann. Mindestens
nur der Nachhaltigkeit von Erkenntnissen eines            genauso wichtig wie das technische Vorhan-
jeden Übungszyklus, sondern tragen zum fachli-            densein eines verfügbaren Warnmittels ist der
chen, zum Teil auch wissenschaftlichen Diskurs            Inhalt der Warnaussage: Wie formuliere ich eine
über den Kreis der unmittelbaren Übungsbeteilig-          Warnbotschaft so, dass Sender und Empfänger
ten hinaus bei. Um diesem Anspruch noch besser            das Gleiche verstehen? Erkenntnisse aus dem
gerecht werden zu können, werden die Ergebnisse           psychologischen Krisenmanagement und aus
eines jeden Thementages in einem Tagungsband              der Katastrophensoziologe müssen hier Berück-
zusammengetragen, um so auch für für diejeni-             sichtigung finden, um eine heterogene Bevölke-
gen zur Verfügung zu stehen, die nicht selbst an          rung mit unterschiedlichen Bedürfnissen in der
der Veranstaltung teilgenommen haben.                     Kommunikation zu erreichen. Hinzu kommt,
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
8   •   Vorwort   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

dass eine Kommunikation mit der und für die                          Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieser
Bevölkerung in der Krise am besten gelingt, wenn                     Publikation eine interessante und inspirierende
diese auf einer vorangegangenen Kommunikation                        Lektüre.
über mögliche Risiken aufbauen kann. Ziel des
ersten Thementages war es daher, weniger auf die                     Für die behördenübergreifende Projektgruppe
technischen Aspekte der Warnung einzugehen,                          LÜKEX 15 Bund
sondern vielmehr den Menschen in den Mittel-
punkt zu stellen. Hierzu wurde auch die Rolle
der Medien bei der Warnung der Bevölkerung
beleuchtet. Bei Wetterereignissen, die drohen, zu
Katastrophen zu führen, ist zwischen Vorhersage
und Warnung zu unterscheiden – auch dies eine
besondere Herausforderung im Zusammenspiel
staatlicher und nicht-staatlicher Akteure und den                    Dr. Miriam Haritz
Medien. Der Blick ins Ausland, um zu sehen, wie
andere Länder das Thema Warnung angehen, trug                        Leiterin der Projektgruppe LÜKEX 15 Bund
dazu bei, die Komplexität des Themas und interes-
sante Lösungsansätze zu diskutieren.                                 Leiterin des Referates I.4 – Ressort- und
                                                                     Länderübergreifende Krisenmanagement-
Doch auch der technische Aspekt bei der War-                         übungen, LÜKEX im Bundesamt für
nung der Bevölkerung blieb nicht unberücksich-                       Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
tigt, gerade die Zusammenarbeit mit Fraunhofer
FOKUS bot hier die Möglichkeit, sich über aktu-
ellste moderne Entwicklungen im Bereich der
Warntechnik zu informieren.

Dieser Tagungsband bildet den Großteil der
anlässlich des Thementages vorgetragenen und
diskutierten Aspekte ab. Ich danke allen Vortra-
genden und Diskutanten für Ihre wertvollen Bei-
träge, besonders jenen, die nach ihren mündlichen
Beiträgen zusätzliche Mühe auf sich genommen
haben, um diesen Band mit ihren schriftlichen
Beiträgen zu ermöglichen. In Zeiten enger Res-
sourcen ist es keine Selbstverständlichkeit, wenn
neben der alltäglichen Arbeit auch noch diese
Zusatzbelastung in Angriff genommen wird. Ich
weiß dieses Engagement zu schätzen und hoffe
auch für die weiteren Veranstaltungen auf diese
Unterstützung, um auch so einen Beitrag dazu
leisten zu können, das Krisenmanagement in der
Bundesrepublik wirksamer und belastbarer zu
machen.
Tagungsband LÜKEX 2015 - F a - Thementag: Warnung der Bevölkerung
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Vorwort   •   9
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10   •   Kapitel 2.1   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

Bild: GettyImages | jakkapan21

                                                                                                2
Beiträge der Referentinnen
und Referenten
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Kapitel 2.1   •   11

2.1 Warnung der Bevölkerung
in Europa – Meteorologische
Warnsysteme und Warnstrategien
Von Thomas Kratzsch

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) betreibt zur                sagen auf das mögliche oder wahrscheinliche
Unterstützung der Länder im Katastrophenschutz              Eintreffen von Wettergefahren hingewiesen.
ein Warnsystem, das sich an meteorologischen                Dieses einmal am Tag erstellte, ggf. mehrmals am
Schwellenwerten orientiert. Grundlage für die               Tag aktualisierte Produkt für ganz Deutschland ist
– für den Katastrophenschutz entgeltfreien –                ein Textbericht des DWD, die „Wochenvorhersage
Leistungen ist das DWD-Gesetz, das den DWD                  Wettergefahren“. Stufe 2: Mit Annäherung an das
im Paragraph 4 Abs.1 beauftragt zur Herausgabe              Ereignis werden die o.g. Parameter betroffenes
von amtlichen Warnungen über Wettererschei-                 Gebiet, ggf. Höhenstufe, Beginn und Ende sowie
nungen, die zu einer Gefahr für die öffentliche             Intensität des Ereignisses (ab der Stufe Unwet-
Sicherheit und Ordnung führen können. Der                   ter) meist schon konkretisiert und auf einzelne
DWD unterstützt als nationaler meteorologi-                 Bundesländer hin regionalisiert. Die daraus
scher Dienst der Bundesrepublik Deutschland                 resultierende Vorabinformation Unwetter wird
die Katastrophenschutzorganisationen bei der                typischerweise für größere Gebiete, z. B. Bundes-
Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Da die Aufgaben                 länder oder Teile davon herausgegeben, mitunter
des Katastrophenschutzes überwiegend von den                1–2 Tage im Voraus. Auch dann sind Detaillie-
Bundesländern wahrgenommen werden, ist eine                 rungen wie Landkreiswarnungen in vielen Fällen
der Kernaufgaben des DWD die Unterstützung                  noch nicht möglich. Der größere Vorlauf soll aber
der Länder bei der Durchführung ihrer Aufgaben              Reaktions- und Vorsorgemaßnahmen ermög-
im Bereich des Katastrophenschutzes sowie die               lichen, welche eben diesen Vorlauf benötigen
Beteiligung an der zivilen Verteidigung und der             und nicht innerhalb von wenigen Stunden bis
zivil-militärischen Zusammenarbeit. Mit den                 Minuten getroffen werden können. Warnlagebe-
Bundesländern sowie mit einzelnen bundesweit                richte beschreiben außerdem – mehrmals täglich
operierenden Institutionen wie BBK, THW, DRK                aktualisiert – mit einer zeitlichen Gültigkeit von
und Dt. Feuerwehrverband ist die Zusammenar-                etwa 24 Stunden das erwartete Wettergeschehen
beit über Verwaltungsvereinbarungen geregelt.               bezogen auf die definierten Warnkriterien auf
Mit der Bundeswehr besteht eine enge Zusam-                 Bundeslandebene.
menarbeit in meteorologischen Fachfragen und
bei der Leistungserbringung.                                Stufe 3: Erst wenn die bevorstehenden Ereignisse
                                                            hinreichend sicher sind in Raum, Zeit und In-
Das Warnsystem des DWD ist bzgl. der Vorher-                tensität, ggf. sogar mit einem zeitlichen Verlauf
sage-/Vorlaufzeit in 3 Stufen gegliedert: Stufe 1:          beschrieben werden können, werden die amtli-
Relativ früh, d. h. mehrere Tage vor einem meteo-           chen Landkreiswarnungen ausgeben. Hier werden
rologischen Ereignis, wird in Frühwarninforma-              für einzelne Landkreise oder Gruppen von Land-
tionen auf das Bevorstehen eines warnwürdigen               kreisen sowohl die meteorologische Intensität
Ereignisses hingewiesen. Da i.a. mit großer Vor-            des Ereignisses, eine Unterscheidung in 200m-
laufzeit das genau betroffene Gebiet, die Andauer           Höhenstufen angegeben und der voraussichtliche
und die Intensität des Ereignisses noch relativ             Beginn und wahrscheinliches Ende genannt.
unsicher sind, wird mit Wahrscheinlichkeitsaus-             Darüber hinaus finden sich darin auch Hinweise
12   •   Kapitel 2.1   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

zu möglichen, von dem meteorologischen Ereig-                          die Warnkriterien deutschlandweit einheitlich
nis ausgehenden Gefahren. Je nach dem erwarte-                         festgelegt, mit Ausnahmeregelungen in den
ten Ereignis können diese Warnungen manchmal                           Höhenlagen der Mittelgebirge und der Alpen. Sie
erst Minuten, meist eine halbe bis eine Stunde                         wurden mit Katastrophenschutzeinrichtungen
vor dem erwarteten Ereignis ausgegeben werden,                         abgestimmt, werden bei Bedarf weiterentwickelt
z. B. für Starkregen, Gewitter und Hagel, dagegen                      und an die Anforderungen angepasst. Sie finden
für Sturmböen oder Schneefälle oftmals schon 6                         sich auch in den Dokumenten über die „Naturge-
bis 12 Stunden, für Dauerregen manchmal auch                           fahren Deutschlands“ des BBK (pers. Kommunika-
24 bis 36 Stunden im Voraus. Ähnliche zeitliche                        tion). Die Warnungen des DWD sind im Internet
Unterschiede gelten meistens auch für die Andau-                       in vier verschiedenen Farben dargestellt, welches
er solcher Warnungen. Die amtlichen Warnungen                          die Intensität des erwarteten Ereignisses schnell
dienen den Einheiten des Katastrophenschutzes                          erkennen lässt: Amtliche Wetterwarnungen gelb,
wie auch der Öffentlichkeit zum Ergreifen vor-                         markante Warnungen ocker, Amtliche Unwet-
beugender, schadenreduzierender oder –verhü-                           terwarnungen in rot, Warnungen vor extremem
tender Maßnahmen.                                                      Unwetter in violett.

Die Warnkriterien des Deutschen Wetterdienstes                         Als Beispiel sind in Tabelle 1 die Warnkriterien für
sind anhand meteorologischer Erscheinungen                             Wind- bis Orkanböen aufgelistet, sie orientieren
und Schwellenwerte definiert. Der DWD warnt                            sich an der Beaufort-Skala (Bft).
u.  a. vor Wind- bis Orkanböen, vor Stark-, Dauer-
regen und Tauwetter, vor Schneefall und -verwe-                        Die Warnungen des DWD werden nicht nur auf
hungen, Gewittern mit unterschiedlich starken                          den Internetseiten www.dwd.de oder www.wet-
Begleiterscheinungen, vor Nebel, Frost, Glätte/                        tergefahren.de für jedermann frei zugänglich dar-
Glatteis und Leiterseilschwingungen sowie vor                          gestellt, sondern auch an Einrichtungen des Kata-
Hitze und erhöhter UV-Strahlung. Dabei sind                            strophenschutzes per Fax, SMS und Email verteilt.

  Amtliche Wetterwarnungen
  Meteorolog. Erscheinung                        Schwellenwerte                                 Bezeichnung
  Böen Bft 7
  in ca. 10 Meter Höhe über                      mehr als 50 km/h                               Windböen
  offenem, freien Gelände
  Böen Bft 8 – 9
  in ca. 10 Meter Höhe über                      65 – 89 km/h                                   Sturmböen
  offenem, freien Gelände
  Böen Bft 10
  in ca. 10 Meter Höhe über                      90 – 104 km/h                                  schwere Sturmböen
  offenem, freien Gelände
  Amtliche Unwetterwarnungen
  Böen Bft 11 – 12                               105 – 119 km/h                                 orkanartige Böen
  in ca. 10 Meter Höhe über
                                                 ab 120 km/h                                    Orkanböen
  offenem, freien Gelände
                                                 überörtlich mehr als 140 km/h                  Extreme Orkanböen

Abb. 1: Amtliche Wetterwarnungen, Böen
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Kapitel 2.1   •   13

Für die Öffentlichkeit gibt es einen Newsletterser-         Niederschlagsverhältnisse verkraften, ohne Scha-
vice. Für Feuerwehren wurde das Internet-Portal             den zu nehmen. Pflanzen sind z. B. dort weniger
FeWIS (FEuerwehrWetterInformationsSystem)                   verbreitet, wo die typischen meteorologischen
entwickelt, das weitere wetterrelevante, aber nicht         Bedingungen ihren Anforderungen nicht zu-
für die Öffentlichkeit frei verfügbare Informa-             träglich sind. Auf seltene (und extreme) Wetter-
tionen enthält. Die Warnungen des DWD sind                  ereignisse sind Mensch, Natur und Infrastruktur
außerdem in die App des BBK integriert, werden              allerdings i.a. weniger gut vorbereitet, so dass
in KatWARN des Fraunhofer-Instituts dargestellt             diese dann stärkere Auswirkungen und höhere
und der DWD bietet auch selbst seit dem Sommer              Schäden zur Folge haben. Gipfellagen der Mit-
2015 eine WarnWetter-App mit Warninformati-                 telgebirge sind auch deshalb kaum bewachsen,
onen an. Darüber hinaus sind die Warnungen im               weil häufig wiederkehrende Stürme die Bäume
europäischen Warnsystem www.meteoalarm.eu                   dort schon umgelegt haben und neue Pflanzen
visualisiert.                                               nicht genügend sturmfreie Zeit vorfinden, um
                                                            nachzuwachsen. Brücken sind an der Küste und
Die Warnungen vor meteorologischen Ereignis-                in sturmreichen Tälern bereits auf höhere Wind-
sen werden letztlich ausgegeben, um den Katas-              last ausgelegt als in windschwachen Regionen.
trophenschutz und die Öffentlichkeit auf damit              Man könnte es auf eine kurze Formel reduzieren:
verbundene Gefahren oder Schäden hinzuweisen.               Unwetter haben dort die größten Auswirkungen,
Sie beschreiben diese Gefahren allerdings nicht             wo sie am seltensten auftreten. Jeder hat schon
detailliert, weil die Auswirkungen – wie nachfol-           von den „Jahrhunderthochwassern“ gehört,
gend erläutert wird – von vielen weiteren Para-             ein Ereignis einer Intensität, wie es weniger als
metern abhängig sind, welche vom Wetterdienst               einmal in hundert Jahren auftritt. Daher liegt es
nicht vorhergesagt werden. Wie kommt man zu                 nahe, die erwarteten meteorologischen Ereignisse
Aussagen über die Auswirkungen der meteorolo-               nach der Häufigkeit ihres Auftretens bzw. nach
gischen Ereignisse? Dazu gibt es in Europa ver-             der Wiederkehrzeit des Ereignisses zu sortieren
schiedene Vorgehensweisen:                                  und ggf. die Wiederkehrzeit des Ereignisses mit
                                                            anzugeben. Für viele meteorologische Ereignisse
Die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes                  verfügt der Wetterdienst über Statistiken, wel-
enthalten üblicherweise ab der Warnstufe ocker              che Ereignisse in welchen Gebieten in welcher
fast durchweg Hinweise auf mögliche Gefahren.               Jährlichkeit auftreten. Für sehr kleinräumige und
Diese werden standardisiert, überwiegend auto-              sehr seltene Ereignisse ist die Basis für solche Sta-
matisch in Abhängigkeit vom Warnereignis an                 tistiken jedoch gering, weil sie zum Teil gar nicht
die Warninformation angeheftet. Sie informieren             alle beobachtet und gezählt werden können.
über mögliche Gefahren, zu erwartende, teilweise            Auch sind diese Jährlichkeiten nicht zwangsweise
vermeidbare Schäden, aber nicht über tatsäch-               konstant, sondern scheinen sich in Zeiten des Kli-
lich im Einzelfall, abhängig von Ort und Zeit               mawandels durchaus zu verändern. Da Bauwerke
zu erwartende Auswirkungen. Das Treffen von                 nach verschiedenen Normen den Ereignissen
Schutzmaßnahmen, schadenverhütende Maß-                     bestimmter Jährlichkeiten standhalten müssen,
nahmen, insbesondere Beschränkungen und Eva-                gibt eine solche Angabe auch Hinweise darauf,
kuierungen, sind in Einzelfällen möglich. Diese             welches Gefährdungspotential eine erwartete
Verbindung von meteorologischem Ereignis und                Wetterlage auf welche Teile der Infrastruktur
erwarteten Auswirkungen tragen sicher zu einem              enthält. Die Intensität des met. Ereignisses, seine
besseren Verständnis der Warnungen vor allem                Wiederkehrzeiten und seine Schadenswirkung
für die Öffentlichkeit bei.                                 sind i.a. miteinander korreliert. Daher verwenden
                                                            einzelne meteorologische Dienste in Europa die
Auf häufig vorkommende Wettererscheinungen                  Kenntnisse über Wiederkehrzeiten zur Bezeich-
sind Mensch und Natur i.a. gut vorbereitet, die             nung und Einfärbung ihrer Warnungen, z. B. gelb
Infrastrukturen sind so ausgelegt, dass sie die             für einjährige, ocker für 10-jährige, rot für 50-jäh-
eher typischen Temperaturbereiche, Wind- und                rige Ereignisse. In vielen Fällen möchte man die
14   •   Kapitel 2.1   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

Aussagen aber noch konkretisieren, denn sie sind                       Daten der vorhergesagten Windentwicklung (ins-
in politischen Gebilden wie Bundesländern oder                         besondere Windgeschwindigkeit und -richtung,
Landkreisen sicher nicht überall einheitlich.                          Andauer und Fetch der Windstauwirkung) u. a.
                                                                       den Gezeitenkalender und aktuelle Pegelstände.
Eine genauere Möglichkeit zur Bestimmung der
Auswirkungen sind sogenannte Wirkmodelle, bei                          Bei Hochwasservorhersagen sind neben der
denen neben den meteorologischen Informatio-                           detaillierten Niederschlagsvorhersage (Verlauf,
nen des DWD weitere Daten eingehen und deren                           Intensität, Phase) vor allem die Bedingungen zu
Zusammenwirken in Hinblick auf Gefahren und                            Beginn des schadenbringenden Niederschlags-
Auswirkungen berechnet wird. Diese Modelle                             ereignisses (Historie) zu berücksichtigen: Boden-
können beliebig komplex werden, je nachdem wie                         sättigung, Dürre, Pegelstände von Flüssen und
konkret die Auswirkungen bestimmt werden sol-                          Talsperren. Weiterhin müssen die Eigenschaften
len. Die Komplexität hängt vor allem von der Zahl                      der Flusssysteme, wie z. B. Durchflussmengen,
der zusätzlich zu berücksichtigenden Informa-                          Rückhaltegebiete und die Zuflüsse bekannt sein
tionen und deren räumlich-zeitlicher Heteroge-                         und für eine Abflussvorhersage modelliert wer-
nität ab. Ob bei Windstärke 10 ein Baum auf eine                       den. Da diese Informationen und Modelle dem
Straße oder Oberleitung fällt, hängt z. B. von dem                     DWD typischerweise nicht zur Verfügung stehen,
Zustand des Baumes ab, vom Zustand des Bodens,                         sondern den Hochwasservorhersagezentralen,
in dem er verankert ist (nass, trocken, gefroren),                     können sie nicht in die Warnaussagen des DWD
von der Windlast (bzw. -stau) wirkung des Baumes                       integriert werden. In einigen Ländern Europas
selbst (Nadelbaum, belaubt oder nicht), aber auch                      sind meteorologischer und hydrologischer Dienst
auf welcher Seite der Straße/Oberleitung bzgl.                         eins, und daher ist es dort möglich, genauere
der Windrichtung der Baum steht. Als ein solches                       Informationen zu den Auswirkungen in den
Wirkmodell kann man die Sturmflutvorhersagen                           Warnungen des meteorologischen Dienstes anzu-
des BSH bezeichnen. Diese verwenden neben den                          geben.

Vom Warnereignis zu dessen Auswirkungen

                                                                       Mittelwind, Böen

                                                                         Windrichtung

                                                                             Andauer                  haben
 Warnereignis (DWD)              Wirkmodell (BSH)                                                    Einfluss
     Sturmböen                     „Sturmflut“                                                       auf die
                                                                               Fetch               Auswirkung

                                                                             Gezeiten
 Wird nicht vom DWD vorhergesagt
                                                                          Wasserstände

Abb. 2: Vom meteorologischen Warnereignis zu dessen Auswirkungen
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Kapitel 2.1   •   15

Noch weiter gehen die Entwicklungen in Groß-                                              als in Deutschland, weniger auf die dahinter
britannien: Die Einfärbung und Bezeichnung                                                stehende Meteorologie. Diese Art der Kombinati-
der Warnungen stellt eine Kombination von den                                             on ist aus Risikoanalysen durchaus bekannt (vgl.
erwarteten Auswirkungen und der erwarteten                                                http://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Down-
Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Ereignisses                                         loads/BBK/DE/Publikationen/Wissenschafts-
(Risiko) ab. Die Kombination, d. h. das Produkt                                           forum/Bd8_Methode-Risikoanalyse-BS.pdf?__
beider Parameter stellt den Impact, ein Maß für                                           blob=publicationFile), aber bisher in Deutschland
das Schadenspotential der Wetterlage dar. Sehr                                            im Zusammenhang mit einer konkreten Warnung
wahrscheinlich auftretende Ereignisse mit ho-                                             nicht gebräuchlich. Die Farben sind stärker auf
her Schadenswirkung haben daher einen hohen                                               die angeratene Reaktion hin ausgelegt: „Be aware“
Impact, werden rot dargestellt und erfordern typi-                                        bei gelb, „be prepared“ bei ocker, „take action“ bei
sche (Re)Aktionen der Bevölkerung, aber auch des                                          rot. Die Hinweise zum Verhalten der Bevölkerung
Katastrophenschutzes. Wenig wahrscheinliche                                               muten fast wie Anweisungen an, zu denen der
Ereignisse mit nur geringem Schadenspotential                                             DWD jedoch nicht autorisiert ist. In den Warnun-
erfordern ggf. weitere Aufmerksamkeit, bedeuten                                           gen selbst sind auch weiterhin die verursachen-
aber keine große Gefahr und werden daher in gelb                                          den meteorologischen Ereignisse erläutert.
dargestellt. Vergleichsweise kompliziert wird es
dann aber bei gemischten Kombinationen: ge-                                               Der DWD ist in Deutschland für die Ausgabe me-
ringe Wahrscheinlichkeiten und hohes Schaden-                                             teorologischer Warnungen zuständig, aber nicht
potential sowie hohe Wahrscheinlichkeit für ein                                           autorisiert für die Ausgabe von z. B. Sturmflut-
schadenarmes Ereignis werden gleich, in ocker,                                            oder Hochwasserwarnungen. Daher beschäftigen
eingefärbt. Was diese Farbe/Einfärbung konkret                                            sich z. B. die Hochwasservorhersagezentralen
aussagt, wird erst bei genauerem Hinsehen klar.                                           oder das BSH mit den Auswirkungen der vom
Diese Warnstrategie ist stärker auf die Auswir-                                           DWD vorhergesagten Niederschläge oder der
kungen und notwendigen Reaktionen fokussiert                                              Windsituation.

                                                   katastophal
                                                        5

                                                      groß                                                                             RISIKO
                                 SCHADENSAUSMASS

                                                        4

                                                                                                                                          sehr hoch
                                                     mäßig
                                                      3                                                                                   hoch

                                                     gering
                                                                                                                                          mittel
                                                       2

                                                                                                                                          niedrig
                                                   unbedeutend
                                                        1

                                                                         sehr                    bedingt                     sehr
                                                                       unwahr-      unwahr-       wahr-        wahr-        wahr-
                                                                      scheinlich   scheinlich   scheinlich   scheinlich   scheinlich
                                                                           1           2            3            4             5

                                                                     EINTRITTSWAHRSCHEINLICHKEIT

Abb. 3: Risiko-Matrix aus der Risikoanalyse des Bundes
16   •   Kapitel 2.1   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

Schaut man über die nationalen Grenzen hinaus,                         kunden höchste Priorität, unmittelbar gefolgt
so findet man sehr unterschiedliche Schwellen-                         von den Anforderungen an Warninformationen
werte bei der Bezeichnung und Einfärbung der                           von Öffentlichkeit und Medien. Es ist daher die
Warnstufen, da diese nur national entwickelt und                       Aufgabe des Katastrophenschutzes, auf Basis von
abgestimmt worden sind. Zwar findet man ver-                           eigenen Erfahrungen und den Entwicklungen in
ständlicherweise ähnliche, vergleichbare Schwel-                       Europa seine Anforderungen zu überprüfen und
lenwerte in benachbarten Ländern, aber auch ein                        zusammen mit dem DWD die Zusammenarbeit
völlig unterschiedliches Vorgehen beim Warnen.                         und Informationsvermittlung zu meteorologi-
Dieses führt letztlich dazu, dass gleiche meteoro-                     schen Gefahrenlagen zu optimieren.
logische Ereignisse auf den Warnseiten im Inter-
net benachbarter Wetterdienste unterschiedlich
dargestellt werden. So sind z. B. mehr als 60 l/m²                        Zum Autor   
Niederschlag in 24 h entsprechend der nationalen
Regeln in Deutschland rot, in den Niederlanden                         Dipl.-Met. Thomas Kratzsch
in grün (nicht warnwürdig), in Frankreich gelb, in
Belgien ocker und in Luxemburg rot dargestellt!                        DWD – GB Wettervorhersage –
Daher hat sich ein europäisch initiiertes Projekt                      Leiter der Abteilung Basisvorhersagen
damit beschäftigt, die Warnungen der einzelnen                         Frankfurter Str. 135
Wetterdienste zu vergleichen, sie gemeinsamen                          63067 Offenbach
Kategorien zuzuordnen und dann auf einer ge-
meinsamen Webseite darzustellen:
www.meteoalarm.eu. Von Anfang an war die
komplexe Situation der unterschiedlichen Warn-                            Links, Literatur
strategien in den beteiligten Ländern Anlass zu
Bestrebungen, diese zu vereinheitlichen. In der                           Liste der Naturgefahren Deutschlands, BBK,
oben dargestellten Nivellierung über die Wieder-                          pers. Kommunikation
kehrzeiten wurde eine Möglichkeit der Verein-
heitlichung gesehen, so dass einige Wetterdienste                         http://www.bbk.bund.de/SharedDocs/
sich bei der Darstellung daran orientiert haben.                          Downloads/BBK/DE/Publikationen/Wissen-
Man geht daher zu einer in der Öffentlichkeit                             schaftsforum/Bd8_Methode-Risikoanalyse-
vielleicht besser verständlichen (ist sie das wirk-                       BS.pdf?__blob=publicationFile
lich für Laien?) Darstellung über: Be aware, be
prepared, take action. Ob sich diese Strategie lang-                      www.dwd.de und www.wettergefahren.de
fristig durchsetzt, ist noch offen. Diese Bestrebun-
gen entfernen sich jedoch von der rein meteoro-                           www.meteoalarm.eu
logisch orientierten Strategie des DWD. Aufgrund
der Festlegungen der Zuständigkeiten des DWD in
Deutschland für den Bereich von Warnungen und
Katastrophenvorsorge kann der DWD diese in
Europa begonnenen Entwicklungen alleine nicht
vollziehen.

Der DWD will sein Warnsystem und seine Warn-
strategie kontinuierlich weiterentwickeln. Neben
den Anforderungen der nationalen Kunden kann
er sich den internationalen Entwicklungen nicht
völlig verschließen. Für die Weiterentwicklung
der Warnstrategie des DWD haben die Anfor-
derungen der nationalen Katastrophenschutz-
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Kapitel 2.2   •   17

2.2 Das deutsche Warnsystem –
Warnung im Föderalismus
Von Hans-Gerrit Möws, Botho von Schrenk und Holger Poser

Einleitung                                                  dieser föderalen Bund-Länder-Zuständigkeit
                                                            die Bevölkerung ursachenunabhängig jederzeit,
Der Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkun-               schnell, an jedem Ort mit Warnmeldungen inklu-
gen von Gefahren ist eine fundamentale Aufgabe              sive einem Wecksignal und Verhaltensempfeh-
des modernen Staatswesens, da ein 100 %iger Aus-            lungen zu erreichen.
schluss eines Bedrohungsfalls nicht realistisch ist.
Während die Bevölkerung diesen Schutz einfordert
ohne weiter auf die Modalitäten der staatlichen             I   Entwicklung der Warnung bis heute
Umsetzung zu blicken, unterscheidet die föderale
Rechtsordnung in Deutschland, beginnend mit                 Mit den Erfahrungen aus zwei Weltkriegen und
dem Grundgesetz, Zuständigkeiten von Bund und               unter dem Eindruck der sich in Europa unmit-
Ländern, die auch den Bereich der „Warnung der              telbar gegenüber stehenden Machtblöcke, etab-
Bevölkerung“ regeln. Im Verteidigungsfall ein-              lierten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
schließlich des Schutzes der Bevölkerung behält             derts umfangreiche Strukturen und Verfahren
der Bund sich die ausschließliche Zuständigkeit             zur Warnung der Bevölkerung vor Gefahren bei
vor (Art. 73 GG) und überträgt durch das Gesetz             militärischen Konfrontationen in Deutschland.
über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des          Hierzu gehörte neben den Warnämtern und wei-
Bundes (§4 Abs.2 Zivilschutz- und Katastrophenhil-          teren Einrichtungen zur Erfassung der Luftlage
fegesetz – ZSKG) die Aufgaben auf das Bundesamt             sowie der Ausbreitungsprognose und -erfassung
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe                insbesondere radioaktiver Strahlungsbelastung,
(BBK). Nach § 6 ZSKG gehört die Warnung der Be-             ein großer Personalstamm, der in verhältnismä-
völkerung zu diesen Aufgaben. Dies beinhaltet die           ßig kurzer Zeit verfügbar war und nach Bedarf
Erfassung relevanter Gefahren im Verteidigungs-             aufwachsen konnte. Die Bevölkerung wurde über
fall sowie die Vorbereitung und Durchführung                Warnsignale, weitere Informationsmöglichkeiten
von Maßnahmen zur eigentlichen Warnung. Die                 und richtige Verhaltensweisen über die damals
Länder führen die Warnung im Auftrag des Bundes             verfügbaren Medienkanäle informiert. Übungen
durch, wobei auf die dort vorhandenen Warnmittel            des für die Warnung vorgesehenen Personals
zugegriffen werden soll. Sofern die Warnmittel für          sowie z.T. bundesweite Probewarnungen stellten
den Zweck der Warnung vor den besonderen Ge-                eine unbestrittene Maßnahme zur Aufrechter-
fahren im Verteidigungsfall nicht ausreichen, kann          haltung der Funktionsfähigkeit des Systems und
der Bund das Instrumentarium ergänzen.                      der Awareness der Bevölkerung dar. Nach dem
                                                            Wegfall der Teilung Europas und der Wiederverei-
Die Länder und Kommunen sind für die Warnung                nigung wurden die bundeseigenen Ressourcen bis
der Bevölkerung vor allgemeinen Gefahren und                auf ein Maß zurück gefahren, das den grundge-
Katastrophen zuständig. Überwiegend werden                  setzlichen Verpflichtung zum Schutz der Bevölke-
diese Aufgaben auf die Gemeinden, Städte, kreis-            rung vor den Gefahren im Verteidigungsfall unter
freien Städte und Kreise delegiert. Die vorhande-           Berücksichtigung der damaliger Bedrohungsana-
nen Warnmittel befinden sich aufgrund dessen                lysen genügte. Das bis zu seinem Abbau nahezu
überwiegend in kommunaler Hand.                             flächendeckend ausgebaute Sirenenwarnnetz
                                                            wurde den Ländern und Kommunen zur Über-
Die große Herausforderung aller Ebenen für die              nahme angeboten. Davon befinden sich derzeit
„Warnung der Bevölkerung“ besteht darin, mit                nur noch ca. 11.000 Sirenen im Betrieb, die das
18   •   Kapitel 2.2   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

Warnsignal senden können. Die letzten Verteidi-                        II 	Technische und strukturelle Lösungen
gungspolitischen Richtlinien und Weißbücher ge-                             im föderalen Rahmen
hen davon aus, dass die Fähigkeiten zur Warnung
der Bevölkerung bundesseitig innerhalb mehrerer                        Die Bevölkerung erreichen Warnungen der Be-
Jahre bis zur vollen Einsatzfähigkeit hochgefah-                       hörden meistens nur bei großen Unglücksfällen,
ren werden können. Dies schließt selbst bauliche                       Katastrophen oder bei der Gefahr von terroris-
Maßnahmen ein.                                                         tischen Anschlägen. Für diese Warnungen sind
                                                                       überwiegend die Kommunen, die kreisfreien
Die Strukturen und Verfahren zur Warnung der                           Städte oder die Länder zuständig. Sie bedienen
Bevölkerung im Verteidigungsfall orientieren                           sich unter anderem der Medien (Rundfunk, Fern-
sich bis heute an diesen Vorgaben, wobei eine                          sehen), der direkten Verbreitung über Lautspre-
Risikokommunikation mit der Bevölkerung zu                             cherwagen und in den Fällen, in denen Sirenen
potentiellen Risiken kaum stattfindet und somit                        noch verfügbar sind, ggf. auch dieser Technik. Die
eine Awareness insbesondere zur Bedrohung                              technischen Mittel befinden sich überwiegend bei
im Zivilschutzfall nicht mehr vorausgesetzt                            den Kommunen und kreisfreien Städten. Dadurch
werden kann.                                                           ergibt sich ein ausgesprochen heterogenes Bild
                                                                       zur Warnung der Bevölkerung. In der überwie-
Erkenntnisse nach den Anschlägen von New                               genden Zahl der Auslösungen werden die Sirenen
York setzten einen Umdenkungsprozess in Gang,                          zur Alarmierung der Feuerwehren genutzt. Nur
der z. B. in der „Neuen Strategie zum Schutz der                       ein kleiner Anteil dient ausschließlich oder auch
Bevölkerung“ oder im „Grünbuch“ ihren Nieder-                          der Warnung der Bevölkerung. Dies ist unter an-
schlag fanden. Es wurde ein Restrukturierungs-                         derem in der Umgebung kerntechnischer Anlagen
prozess eingeleitet, der noch andauert und einen                       oder in sturmflutgefährdeten Ballungsräumen
Generationensprung in der verwendeten Technik                          der Fall. Dies führt im Zusammenspiel mit fehlen-
einschließt, da alte Ressourcen kaum noch existent                     den einheitlichen Probewarnungen und geringer
waren. Die Ereignisse auf dem Balkan und in der                        öffentlicher Aufklärung im Ergebnis dazu, dass
Ukraine führten zu einer neuen Bewertung des Ge-                       Sirenensignale falsch gedeutet werden können.
samtprozesses. Dies wird in absehbarer Zeit dazu
führen, dass grundlegende Strategiepapiere wie                         Die Auslösung von Warngeräten erfolgt über-
eine gesamtpolitische Verteidigungsrichtlinie oder                     wiegend durch die Rettungs-Leitstellen in den
das Weißbuch des BMVg (letzter Stand 2006) über-                       (Land-)Kreisen oder kreisfreien Städten. Der Bund
arbeitet werden. Veränderte Vorgaben auch für den                      und die Länder haben mit wenigen Ausnahmen
Schutz der Bevölkerung und damit für die War-                          keine direkte Möglichkeit, auf diese Ressourcen
nung im Verteidigungsfall sind damit zu erwarten.                      zuzugreifen. Die Länder beteiligen sich an der
                                                                       Aufgabe der Warnung der Bevölkerung in unter-
Bund, Länder und Kommunen als Akteure in                               schiedlichem Umfang und mit unterschiedlichen
unserem föderalen System sind aufgerufen,                              Zielrichtungen. In einigen Fällen wird die War-
künftig effiziente Lösungen zu entwickeln und                          nung der Bevölkerung einschließlich der dafür
einzusetzen. Ein erster Erfolg ist die bereits vom                     notwendigen Ressourcen (Warnmittel und Aus-
Bund entwickelte und eingesetzte gemeinsame                            lösestellen) in der Zuständigkeit der Kommunen
Auslösetechnik für Warnmeldungen und –mittel.                          belassen. Andere Länder nehmen mehr Einfluss,
Dieses Modulare Warnsystem (MoWaS), das seit                           indem sie Vorgaben machen oder über Finan-
2001 aus dem Satellitengestützen Warnsystem                            zierungen auf einheitliche Strukturen drängen.
(SatWaS) des Bundes weiterentwickelt wurde,                            Dabei variiert die Wahl der Warnmittel sehr stark.
erlaubt es seit Mitte 2013 allen Berechtigen, die                      Dies reicht von Ländern, die Sirenensysteme nicht
in ihrem Zuständigkeitsbereich angeschlossenen                         unterstützen und auf andere Warnkanäle wie
Warnmittel und -multiplikatoren direkt und                             etwa die Möglichkeiten von Verkehrs- und Rund-
ohne einen Medienbruch mit Warnmeldungen                               funkdurchsagen setzen, bis zu Ländern, die sich
zu versorgen.                                                          an der Modernisierung sowie dem Ausbau und
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Kapitel 2.2   •   19

einer zunehmenden Einheitlichkeit des Sirenen-              Die in diesem Zusammenhang erteilten Auflagen
netzes aktiv beteiligen. Nur in wenigen Einzelfäl-          beinhalten in vielen Fällen auch eine regelmäßige
len ist bereits heute eine Nutzung unterschied-             Risikokommunikation mit der Bevölkerung (z. B.
lichster Warnmethoden vorgesehen.                           Flyer, Informationsveranstaltungen). Diese findet
                                                            auf behördlicher Seite oftmals nur in ehemals be-
Der Bund mit seiner für den Verteidigungsfall               troffenen oder z. B. durch besondere Naturgefahren
grundgesetzlich festgeschriebenen Aufgabe zur               gefährdeten Bereichen (z. B. Überflutungsgebiete
Warnung der Bevölkerung nutzt seit 2001 ein satel-          in Hamburg) statt. In diesen Bereichen kann ein
litengestütztes Warnsystem (SatWaS). Mit diesem             gewisses Maß an Sensibilisierung der Bevölkerung
System können Warnmeldungen an alle öffentlich-             für Risiken und die Warnung sowie die Umsetzung
rechtlichen und an einen Großteil der privaten              erwarteter Verhaltensweisen erwartet werden.
Rundfunkanstalten, Medienbetreiber, Fernseh-
anstalten und die Deutsche Bahn AG übermittelt
werden. Darüber hinaus besteht für den Bund die             III 	Aktuelle Herausforderungen und
Möglichkeit über die Leitstellen, mit den überwie-               Entwicklungen für die Warnung
gend in kommunaler Hand befindlichen Warnmit-
teln, seine Warnungen verbreiten zu lassen.                 Die im Rahmen des Möglichen zuverlässige
                                                            Anbindung öffentlicher und privater Rundfunk-
Das vom Bund betriebene SatWaS steht seit 2002              anstalten zur Aussendung von Warnmeldungen
zunehmend auch den Ländern für die Übermitt-                kann als nahezu abgeschlossen gelten. Mit dem
lung von Warnungen im Katastrophenschutz an                 Aufbau von MoWaS-Sendestationen in (Land-)
die Medien zur Verfügung.                                   Kreisen und kreisfreien Städten werden noch
                                                            weitere regionale Sender hinzukommen, um diese
Seit Mitte 2013 befindet sich mit dem Modularen             den Leitstellen als Warnmultiplikatoren verfügbar
Warnsystem (MoWaS) die vierte Ausbaustufe von               zu machen. Hierbei entscheiden die Länder und
SatWaS im Betrieb. Dieses überwiegend durch den             Kommunen über die Einrichtung einer Sendesta-
Bund finanzierte System dient den Warnungen                 tion und finanzieren diese.
im Zivil- und Katastrophenschutz und kann über
die Landesebene hinaus auch für die kommunale               Einige Entwicklungen zur Anbindung techni-
Ebene verfügbar gemacht werden. Bund und Län-               scher Warngeräte (z. B. Rauchwarnmelder) sind
der können mit dem integrativen MoWaS in ihren              fachlich gelöst, werden jedoch seitens der Indus-
Bereichen Warnmeldungen z. B. an Rundfunkan-                trie nur zögerlich umgesetzt, weil aufgrund der
stalten, Paging-Dienste und Betreiber regionaler            höheren Produktkosten nur ein geringer Absatz
Warndienste versenden, die diese ausstrahlen.               erwartet wird.
Erste Nutzungen fanden bereits durch die Länder
Hamburg, Bremen und das Saarland statt. Einige              Derzeit besteht die Herausforderung in der
Länder erweitern derzeit das Netz der Sendesta-             Erschließung weiterer Kanäle, um Warnung und
tionen auf eigene Kosten auf die Leitstellen der            Weckeffekt in den alltäglichen Lebensraum der
(Land-)Kreise und kreisfreien Städte.                       Bevölkerung zu bringen. Damit könnte der Anteil
                                                            der durch Warnmeldungen erreichten Personen
Eine besondere Stellung nehmen die Bereiche ein,            kontinuierlich erhöht werden. Folgende Planun-
die aufgrund von gesetzlichen Auflagen eine War-            gen und Maßnahmen können hier beispielhaft
nung der Bevölkerung sicherstellen müssen (z. B.            genannt werden:
Bundesimmissionsschutzgesetz, Seveso-II-Ver-
ordnung der EU). In diesen Fällen werden Warn-              •   Ausbau des Stationsnetzes von MoWaS in die
mittel durch Unternehmen betrieben, von deren                   Kreise und kreisfreien Städte
Betriebsbereichen im Schadensfall ein besonderes                Durch die mit dem Jahreswechsel 2014/2015
Risiko für die Bevölkerung ausgehen kann (z. B.                 in Kraft getretene Vertragsanpassung zum
Betriebe der chemischen Industrie).                             MoWaS-Betrieb ist es Dritten möglich zu ein-
20   •   Kapitel 2.2   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

    heitlichen Konditionen an das Auslösesystem                            maschine, Anlagen zur Steuerung und Überwa-
    angeschlossen zu werden. Verbunden damit ist                           chung von Gebäuden, Brandmeldeanlagen)
    die Möglichkeit, alle vorhandenen und zukünf-                          Zusätzlich zu den bereits etablierten Möglich-
    tig erschlossenen Warnkanäle auch regional für                         keiten ein Wecksignal oder eine Warnmeldung
    Warnmeldungen nutzen zu können. Durch die                              zu jeder Tageszeit an die Bevölkerung zu ver-
    Einführung von Vertretungsfunktionen wird                              breiten ist es erforderlich, bundesweit einheitli-
    auch der Ausfall einzelner Sendestationen zu                           che Signale zu etablieren und der Bevölkerung
    kompensieren sein. Die Vorhaltung einiger mo-                          deren Bedeutung zu vermittelt. Bei der Einrich-
    biler Sendestationen unterstützt diese Strategie.                      tung der europaweiten Notrufnummer 112 ist
    Sie können auch zu Schulungszwecken oder                               dies bereits beispielhaft gelungen.
    der temporären Verwendung an Einsatzstellen
    genutzt werden.                                                    •   Mit dem Einzug der vernetzten Haustechnik
                                                                           oder vernetzter Gegenstände des alltäglichen
•   Technische Anbindung vorhandener Sirenen-                              Gebrauchs eröffnen sich auch für die War-
    systeme an das MoWaS-System, um aus allen                              nung und Information der Bevölkerung neue
    drei auslöseberechtigten Ebenen (Kommune,                              Kanäle. Dabei muss in einem frühen Entwick-
    Land, Bund) Sirenen auslösen zu können.                                lungsstadium dafür gesorgt werden, dass die
    Die Ressource „Sirene“ ist i.d.R. nur auf kom-                         Möglichkeit zum Empfang und der Umsetzung
    munaler Ebene verfügbar. Die föderalen                                 einer einheitlichen Warnmeldung/Auslösung
    Zuständigkeiten und mögliche Szenarien                                 vorgesehen wird. Im Rahmen eines Normungs-
    erfordern jedoch auch die Möglichkeit einer                            verfahrens (Vorbereitung des Entwurfs zur DIN
    Auslösung durch Bund und Länder. Derzeit                               14600 „Signalton für Rauchwarnmelder“) soll
    wird dies überwiegend unter Nutzung mensch-                            diese Einheitlichkeit gewährleistet werden und
    licher Schnittstellen in der Steuerkette (Dis-                         gibt Herstellern gesicherte Vorgaben an die
    ponent in der Leitstelle) umgesetzt. Um eine                           Hand.
    höhere Reaktionsgeschwindigkeit zu erlangen
    und ggf. Bedienungs- oder Übertragungsfehler                       •   Ausrüstung geeigneter Alltagsprodukte mit
    zu vermeiden, sollen technische Anbindungen                            der Fähigkeit, Warnmeldungen zu empfangen
    dieser beiden Ebenen etabliert werden. Die An-                         und ein Warnsignal und ggf. eine Information
    steuerung oder Angleichung der heterogenen                             (Schrift oder Sprache) zu senden.
    Ausstattung z. B. der Leitstellentechnik und der                       Die angestrebte Normung eines einheitlichen
    Sirenensteuerungen werden dabei die größ-                              Signaltons zur Verwendung in Alltagsgegen-
    te Herausforderung sein. Die Zielvorstellung                           ständen ist die Grundlage dafür, dass Hersteller
    besteht darin, Sirenen aus jeder Ebene heraus                          die Kosten der erforderlichen Technik niedrig
    auslösen zu können. Dafür sind Strukturen und                          halten können und die Fähigkeit des Warnens
    Verfahren zu schaffen, die es den anderen Ebe-                         überhaupt in Alltagsgegenständen Einzug
    nen erlauben erforderliche Begleitmaßnahmen                            halten kann. Inwieweit der Gesetzgeber ggf.
    einzuleiten. Die verschiedenen vorhandenen                             EU-weit von bestimmten Geräten oder Anla-
    und neuen Übertragungsnetze müssen in die                              gen diese Fähigkeit sogar fordern wird bleibt
    Überlegungen einbezogen werden. Aus logisti-                           abzuwarten.
    schen und finanziellen Überlegungen heraus ist
    ein über Jahre dauernder Migrationsprozess zu                      •   Nutzung des Mobiltelefons für die Warnung
    erwarten. Der Bund wird dafür auch die Über-                           der Bevölkerung
    tragung der Sirenenauslösung über das TETRA                            Der hohe Verbreitungsgrad der Mobilfunk-
    BOS Netz in Erwägung ziehen.                                           telefone lädt geradezu ein, diese Geräte für
                                                                           die Warnung und Information der Bevöl-
•   Normierung eines einheitlichen Signaltons zur                          kerung verfügbar zu machen. Hierzu gibt es
    Warnung für den Einsatz in alltäglichen Ge-                            verschiedene technische Möglichkeiten, die
    brauchsgegenständen (z. B. Kaffee- oder Wasch-                         in Deutschland und anderen Staaten un-
Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung   •   Kapitel 2.2   •   21

    terschiedlich genutzt werden. Bei der Ent-                  Problematik bei allen Mobilfunklösungen ist
    scheidung welche Technik zum Zuge kommt,                    die Tatsache, dass vom Nutzer immer Einstel-
    spielen Erwägungen des Datenschutzes, der                   lungen vorgenommen werden müssen (An-
    Übertragungsgeschwindigkeit, der möglichen                  meldungen, Registrierung) die ein aktives Tä-
    Massenversendung und der Kosten eine Rolle.                 tigwerden voraussetzt und ggf. sogar erweiterte
                                                                Kenntnis für diese Einstellungen erforderlich
•   Das BBK hat in einer Studie festgestellt, dass              sind. Zukünftige Lösungen könnten den anbie-
    die Warnung bei großflächigen Gefahren über                 terunabhängigen Empfang von Warnmeldun-
    den Mobilfunk per SMS nicht möglich ist.                    gen auf Mobilfunkgeräten unter Beachtung der
    Aufgrund der auftretenden Netzlast kommt                    o.g. Randbedingungen zum Ziel haben.
    es zu großen Zeitverzögerungen („Silvesteref-
    fekt“). Dies ist auch auf den Einsatz automa-            Neben diesen technischen Herausforderungen
    tisierter Sprachansagen übertragbar. Für eine            müssen auch die Fähigkeiten zur Erfassung der
    regional begrenzte Warnung ist die Nutzung               Bedrohungslage sowie zur unmittelbaren Aus-
    von SMS möglich. Zurzeit sind Warnsysteme                lösung einer Warnung insbesondere auf Landes-
    im Einsatz, bei denen man seine Mobilnum-                und Bundesebene ertüchtigt werden.
    mer für eine Postleitzahl registrieren lassen
    kann oder seine GPS-Position übermittelt.                Der Bund ist für den alltäglichen Betrieb an
    Somit können Personen erreicht werden, die               zwei Standorten zur Erfassung von Luftgefah-
    sich entweder für das betroffene Postleit-               ren vertreten und mit der Warnzentrale in der
    zahlgebiet angemeldet haben oder die sich in             Lage, eine Warnlage zu führen sowie Ausbrei-
    das Gebiet hineinbegeben. Für eine effektive             tungsprognosen zu erstellen. Die Fähigkeiten
    Nutzung des Mobilfunks auch bei großflä-                 der Warnung zur Lageerfassung basiert auch auf
    chigen Gefahrenlagen ist CellBroadcast, ein              Informationen der Nachrichtendienste sowie der
    Mobilfunkdienst zum Versenden von Kurz-                  zivilen und militärischen NATO-Dienststellen,
    mitteilungen, geeignet. Im Gegensatz zur SMS             deren Aufgabe es ist, sich mit den nationalen
    wird eine CB-Nachricht von der Basisstation              Kontaktpunkten auszutauschen. Die personelle
    (Sendemast) an alle Mobiltelefone gesendet,              und technische Ausrüstung folgte den bisheri-
    die sich in der Zelle befinden. Weil dieser              gen Annahmen und Vorgaben, die sich z. B. aus
    Dienst von LTE nicht mehr unterstützt wird,              den Verteidigungspolitischen Richtlinien oder
    stellt sich derzeit die Frage der Zukunftsfähig-         dem Weißbuch des BMVg (aktueller Stand 2006)
    keit dieser Technik.                                     ergaben.

•   Apps bieten die Möglichkeit auf den neuen                Die Ereignisse der letzten Monate z. B. in der
    Kommunikationsmedien des Alltags (Smart-                 Ukraine sowie zunehmende Raketenreichweiten
    phone, Tablet) Informationen und Warnungen               und Mobilität von Waffensystemen zeigen, dass
    direkt an den Bürger zu bringen. Ein zusätz-             bisher angenommene Zeiträume zur Ertüchti-
    licher Nutzen ist durch die Vernetzung mit               gung der Warnsysteme heute nicht mehr realis-
    anderen Anwendungen wie z. B. Navigation                 tisch sind. Technische und bauliche Maßnahmen
    möglich. Auch bei den Apps kann es durch                 müssen künftig in Zeiten ohne akute Bedrohung
    die hohe Netzbelastung im Falle einer groß-              umgesetzt und stets auf aktuellem Stand gehalten
    flächigen Bevölkerungswarnung zu einem                   werden.
    zeitverzögerten Versand von Warnmeldungen
    kommen. In MoWaS integriert ist die vom BBK              Die bisherigen Betrachtungen zu Strukturen und
    entwickelte Notfall-Informations-Nachrichten             Verfahren zur Warnung der Bevölkerung unter
    Applikation (NINA). Weitere Apps können                  Berücksichtigung föderaler Zuständigkeiten sind
    durch den offenen Übertragungsstandard in                unvollständig, wenn nicht auch auf Maßnahmen
    das Modulare Warnsystem des Bundes und der               vor und nach der Auslösung einer Warnmeldung
    Länder ebenfalls angesteuert werden.                     Bezug genommen wird.
22   •   Kapitel 2.2   •   Tagungsband LÜKEX 2015   –   1. Thementag: Warnung der Bevölkerung

Selbst beste Arbeitsbedingungen für die Warnung                        Warntexte in der geforderten kurzen Frist mehr-
auf allen Ebenen werden keinen optimalen Erfolg                        sprachig senden können. Die mit einer höheren
im Falle der Auslösung einer Warnmeldung                               Lebenserwartung steigende Zahl wahrneh-
haben, wenn die Bevölkerung zuvor nicht infor-                         mungsbehinderter Menschen muss von Warn-
miert wurde. Eine vorbereitende Risikokommu-                           meldungen ebenfalls erreicht werden. Die offene
nikation ist somit der Schlüssel zur Wirksamkeit                       Datenschnittstelle des MoWaS-Systems erlaubt es,
von Warnungen und rettet damit unmittelbar                             Hilfsmittel wie etwa Braillezeilen, Brailledisplays,
Menschenleben. Frühere Bedenken der Verunsi-                           Sprachausgabeanwendungen an Computern oder
cherung der Bevölkerung durch die Mitteilung                           Rüttelkissen (Weckeffekt) anzusteuern. Bereits
von Risiken und Verhaltensmaßnahmen bei einer                          erhältliche Vorleseprogramme sollten zukünftig
Warnung erscheinen aus heutiger Sicht nicht                            Inhalte der Warnmeldungen vorlesen. Hier ste-
stichhaltig. Dieses wird jedoch durch eine gezielte                    hen Bund und Länder noch ganz am Anfang, um
Erhebung noch zu bestätigen sein, um auch dem                          wahrnehmungsbehinderten Menschen mit ihren
politischen Raum Handlungsbedarf zu signali-                           alltäglichen Hilfsmitteln den Zugang zu Warnmel-
sieren. Die in den letzten Jahren unterbliebene                        dungen zu erleichtern. Die Grundlagen sind gelegt.
Basisinformation der Bevölkerung zu den Zielen
einer Warnung, den verwendeten Signalen und
den zusätzlichen Informationsmedien sowie die                          IV Fazit
ausschließlich lokale oder regionaler Ausrichtung
von Probewarnungen haben Spuren hinterlas-                             Die Ressourcen und Fähigkeiten der Warnung
sen. Die Bevölkerung kann heute im Eintrittsfall                       waren auf ein über lange Zeit nicht umfassend
oftmals nicht mit Warnungen umgehen und                                fortgeschriebenes Anforderungsspektrum aus-
folglich ist eine lageangepasste Verhaltensweise                       gerichtet. Die sich wandelnde Beurteilung der
nicht zu erwarten. Im Fall zunehmender Be-                             Gesamtbedrohungslage und angekündigte
drohungslagen sollte die Risikokommunikation                           Neupositionierungen bei der Strategie der
verstärkt werden, um die Awarenes und Resilienz                        Gesamtverteidigung machen einen Ausbau und
der Bevölkerung in dieser Phase zu erhöhen. Die                        eine Anpassung der Fähigkeiten zur Warnung der
Auslösung einer Warnung muss innerhalb und                             Bevölkerung unumgänglich.
außerhalb betroffener Gebiete eine leistungsfähi-
ge Krisenkommunikation nach sich ziehen. Dies                          Die Strukturen, Verfahren und Ressourcen zur
ist im Hinblick auf die zu verwendende Technik                         Warnung der Bevölkerung weisen aufgrund der
und die vorhandenen personellen Ressourcen                             föderalen Zuständigkeiten ein stark heterogenes
eine Herausforderung.                                                  Bild auf. In diesem sind die Warnmittel überwie-
                                                                       gend in der kommunalen Ebene angesiedelt und
Neben der Betrachtung der Senderseite von                              werden dort auch ausgelöst.
Warnungen haben auch Veränderungen auf der
Empfängerseite – der Bevölkerung in Deutsch-                           Mit der Einführung von SatWaS im Allgemeinen
land – einen Einfluss auf zukünftige Strukturen,                       und MoWaS im Besonderen gelang es in einer
Verfahren und Techniken, derer sich Bund und                           Bund-Länder-Allianz ein gemeinsames Auslöse-
Länder bei der Warnung bedienen werden. Ins-                           system in Betrieb zu nehmen. Die öffentlichen
gesamt betrachtet wird die Bevölkerung älter                           und privaten Rundfunkanstalten können mit
(Stichwort demografischer Wandel) und durch den                        Warnmeldungen versorgt werden, zu deren Aus-
zunehmenden Aufenthalt nicht deutsch sprechen-                         strahlung auch eine Verpflichtung besteht. Der
der Menschen entstehen weitere Anforderungen                           Ausbau weiterer, insbesondere technischer, Kanä-
an eine „verständliche“ Warnung. Sofern es um die                      le zur Warnung der Bevölkerung ist aufgrund des
Übertragung von zu lesenden oder vorgelesenen                          geänderten Konsumverhaltens sowie z. B. bauli-
Texten geht, wird zu entscheiden sein, ob Warn-                        chen Gegebenheiten zwingend. Hierbei spielt die
medien mehrsprachig arbeiten müssen. Es bleibt                         Nutzung moderner Informations- und Kommu-
zu klären, ob und wie z. B. Rundfunkanstalten                          nikationsnetze, die sich weitgehend in Händen
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