Transmitter - Freies Sender Kombinat
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/ / / / / / / / a b s e n d e r − a g r a d i o e . V. , V a l e n t i n s k a m p 3 4 a - 2 0 3 5 5 H a m b u r g , p o s t v e r t r i e b s s t ü c k c 4 5 4 3 6 , e n t g e l d b e z a h l t , d p a g / / / / / / / / / transmitter freies Radio im Oktober Freies Sender Kombinat 93,0 mhz Antenne 101,4 mhz kabel www.fsk-hh.org/livestream 1019
Werde Fördermitglied*in des Freie Sender Kombinat FSK finanziert sich über Fördermitgliederianer. Die redaktionelle Arbeit im Freien Radio ist zwar unbezahlt, trotzdem kostet die Produktion von Sendungen Geld: Miete, Übertragungsleitungen, Technik, GEMA, Telefon, Büromaterial usw. Eine Vielzahl von Unterstützer_innen kann die die Unabhängigkeit von FSK gewährleisten. Wer beschliesst, das Freie Sender Kombinat zu unterstützen (oder jemand anderen davon überzeugt) bekommt dafür eine der hier abgebildeten Prämien. Aber nur, so lange der Vorrat reicht! Kristine von Soden: »Ob die Möwen manchmal an mich denken?«, Aviva Verlag 1 Mit dem Aufstieg der Seebäder im Wilhelminischen Kaiserreich kam sogleich auch der »Bäder-Antisemitismus« auf. »Judenrein!« lautete die Parole an der deutschen Ostseeküste, lange bevor der NS-Staat Wirklichkeit war. Schon damals drucken jüdische Zeitungen »Bäder- listen« ab, warnen vor Badeorten, in denen jüdische Gäste unerwünscht sind. Als »Juden- bäder« wiederum gelten Orte wie Heringsdorf, wo zunächst noch eine liberale Atmosphäre herrscht. Buch 208 Seiten, gebunden. Tom Combo: Inneres Lind, Verbrecher Verlag 2 Bruno, Gerda, Miriam und Patrick, sie waren einmal Subkultur, Mountainbiker, die in den Wäldern der Provinz rund um Winterthur illegale Bike Partys organisierten. Jetzt sind sie in der Stadt angekommen. Radfahren tun sie, wenn überhaupt noch, allein. Dafür stehen sie sich im Weg. Bewusst und unbewusst. Sie begegnen sich in der alternativen Kneipe, dem Eck, oder bei der Arbeit. Sie versuchen, im Leben Fuß zu fassen, aber sie landen im Wasser, im Dreck oder auf der Wache. Die Vergangenheit, die an die Tür klopft, lässt die Freundschaften bröckeln. Und manch einer, der Verantwortung übernehmen und eingreifen möchte, fragt sich, wozu das gut sein soll, wenn am Schluss doch alles wieder anders kommt. Buch 240 Seiten, Hardcover Enno Stahl: Die Sprache der Neuen Rechten, Kröner Verlag 3 Eine bedenkliche Aggressivität im verbalen Umgang, eine Abstumpfung gegenüber Gewalt und dem tragischen Schicksal anderer treten immer deutlicher zu Tage – es sind dies Re- flexe, die gerade die Politiker und Politikerinnen der Neuen Rechten gerne und ausgiebig bedienen. In Internetforen und sozialen Netzwerken, den »digitalen Stammtischen« von Facebook, Twitter und Co., nehmen die Menschen kein Blatt mehr vor den Mund; zune- hmend sind hier brutale, menschenverachtende und volksverhetzende Sprachausfälle zu verzeichnen, die einen angst und bange werden lassen. Womöglich ist das rechte Lager be- reits dabei, den Boden zu bereiten, auch wenn heute noch nicht so viel auf eine neuerliche Machtübernahme von rechts hinweist. Doch damit rechnete vor 86 Jahren auch niemand. Buch 208 Seiten, Broschur. abschneiden und an FSK schicken / bei fragen anrufen unter 040 43 43 24 Ich werde Fördermitglied*in des FSK Vor/Nachname und spende monatlich.. Straße/Nr. 5,- 10,- Zahlungsweise: monatlich 20,- 50,- vierteljährlich PLZ Ort ... euro halbjährlich Telefon Ich erteile einen Abbuchungsauftrag. Email Wenn das Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, Fördermitglieder bekommen zum Jahresende eine Spenden- besteht seitens des kontoführenden Geldinstituts keine Ver- quittung zugeschickt. Bitte teilt uns Adress-/Kontoänderungen pflichtung zur Einlösung. Der erteilte Abbuchungsauftrag umgehend mit. Es entstehen sonst zusätzliche Kosten. gilt bis er schriftlich oder telefonisch widerrufen wird. Ich will... IBAN das Buch “Ob die Möwen manchmal an mich denken?” das Buch “Inneres Lind” BIC Das Buch “Die Sprache der Neuen Rechten” Ich möchte die Programmzeitschrift Transmitter zugeschickt bekommen und spende zusätzlich 12,- Euro jährlich für die Nichts. danke. Programmzeitschrift Transmitter. Ort / Datum Ich möchte zum Jahresende bitte eine Spendenquittung zugeschickt bekommen. Adresse bitte mitteilen. Unterschrift
Editorial Das wir tanzen werden „Ein Ergebnis bisheriger DDR Politik ist die Trennung der Inhalt FSK unterstützen Künstler von der Bevölkerung durch Privilegien. Wir brauchen seite 2 Solidarität statt Privilegien … Wir dürfen uns nicht mehr organisieren lassen – auch nicht von neuen Männern und Frauen. Wir müssen uns selbst organisieren. Die nächsten Jahre Uni Hamburg werden für uns kein Zuckerschlecken. Die Daumenschrauben sollen angezogen werden.“ Seite 4 Die warnenden Worte waren von Pfiffen unterbrochen, der Redner fügt hinzu: „Darf ich Liebe Lehrer*innen noch einen persönlichen Satz sagen?: Wenn in der nächsten Woche die Regierung zurücktre- Seite 6 ten sollte, darf auf Demonstrationen getanzt werden.“ Weg mit §218 & 219§ Diese Sätze sprach der heute vielleicht nicht mehr so bekannte Heiner Müller auf Seite 6 dem Berliner Alexanderplatz fünf Tage vor der Maueröffnung, am 4. November 1989 vor einer Million Mensch*innen. „Kein Zuckerschlecken“ kann als ökonomistische Metapher Liebe Schüler*innen verstanden werden. Nicht nur die DDR, auch die BRD war 1989 einigermaßen tief in Seite 8 der Krise, was heute gern übersehen bleibt. Zu Hartz 4 brauchte es keine 10 Jahre – zum Radiogruppe Gagarin Jugoslawienkrieg ebenso. Politisch umgesetzt jeweils durch Rot Grün. Zu den Pogromen Seite 9 von Rostock Hoyerswerda Mölln Solingen war es ein weit kürzerer Zeitraum ohne jeden Umweg. Nicht der 4., aber der 9. November 1989 hat den Weg zum alten neuen Deutsch- Radiogruppe Acadi Seite 10 land freigemacht. Neben den Wahlen in einigen Gebieten der ehemaligen DDR wird dieser deutsche Avakino Filmkollektiv Herbst 2019 medial eingefangen durch Erinnerungen des Herbstes 1989. Erinnerun- Seite 11 gen, nicht Erinnerungsarbeit und schon gar keine Trauerarbeit. Letztere schüfe Raum Qual der Wahl für Neues, erstere hätte zu klären wohin die emanzipatorischen Potentiale der „friedlich Seite 12 gescheiterten Revolution“ (telegraph_cc) entschwunden waren. Knüpfen wir zumindest also an: Buch Seite 13 „Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen! Nach all’ den Jahren der Stagna- tion – der geistigen, wirtschaftlichen, politischen; – den Jahren von Dumpfheit und Radioprogramm Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Seite 14 Taubheit. […] Einer schrieb mir – und der Mann hat recht: Wir haben in diesen letzten Impressum & Termine Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang seite 31 zu erlernen!“ – Stefan Heym auf der Demonstration am 4. November 1989. Dieser 4. November ist jetzt 30 Jahre her. 30 Jahre täglichen Wissens „Der Schoß ist fruchtbar noch“. 30 Jahre tagtäglichen Kampfes gegen die Verdrängung, gegen das Kleinreden der Gefahr. 30 Jahre auch der Suche, des Studiums, des Ausprobierens, des Verarbeitens linken Versagens, der großen Niederlage(n). Dreißig Jahre der kleinen Widerständigkeiten, des Alltags. 30 Jahre besetzte und unverträgliche Rote Flora, Hafenstrassen- verträge. 32 Jahre Barrikadentage ebendort und 10 Jahre Gängeviertelbesetzung. Bald 30 Jahre auch Bestand des FSK. Versucht zu sagen in ständiger Bewegung, Umwälzung und vielerlei Krise. Im Juli 2016 schrieben wir an dieser Stelle: „Das FSK ist kein Fähnchen im Wind und es ist kein Überirgend- was. Wenn das FSK stark ist, dann ist es stark aus sich heraus. Wenn das FSK schwach ist, dann fühlen und sehen es die Richtigen.“ Jetzt, mehr als 3 Jahre später, hindurch und in vielen und schweren Wegen der Suche und der Auseinan- dersetzung hat das FSK einen Weg begonnen, die inneren Strukturen nicht nur zu erneuern, vielmehr den ewigen Wunsch nach Partizipation aus sich selbst heraus mit der Gründung neuer Radiogruppen ernsthaft zu beginnen. Im Juli, August und September haben sich vier neue Gruppen von FSK Sendenden als „Neue Radio- gruppen“ vorgestellt. Es sind die Äthergruppe Flausch, Radyo Azadi, Radiogruppe Akonda, und Radio Gaga- rin. Alle langjährig, manche schon seit Jahrzehnten stabil FSKsendend. Die ersten zwei der Vorstellungstexte von Gagarin und Azadi lest Ihr in diesem transmitter. Der Herbst also hat begonnen. Für Hamburg heißt das nur noch wenige Monate bis zur Bürgerschafts- wahl. Es ist sowohl mit einem Anwachsen der Naziaktivitäten zu rechnen, wie auch mit der Rückkehr des ewi- gen Dudde, der jetzt schon Fußballspiele braucht, sich seiner im G20 billig geschossenen Überwachungstech- nologie und der Bereitschaft zur Deunziation bedienen mag – wir bleiben ganz mit Heiner Müllers Worten, in dem Wissen daß manchmal auch die Worte Stefan Heyms gelten werden. transmitterredaktion 3
Zum Jubiläum ... 100 Jahre Universität Hamburg und 111 Jahre Kolonialinstitut – Spektakel oder Geschichte? Unsere Reihe zur kritischen Betrachtung der nis zu anderen wissenschaftlichen Institutionen Geschichte der Universität Hamburg (UHH) und mangelt: Auch diese nunmehr dreizehnte Runde ihrer Darstellung im Rahmen des Universitätsjubi- der Exzellenzinitiative ist nur ein Tropfen auf den läums setzen wir hier fort. Dazu widmen wir uns heißen Stein der Unterfinanzierung. heute verschieden, aber aufeinander bezogenen, Andererseits zeigt der Präsident hier, dass es theoretischen Zugängen zur Auseinandersetzung die Konkurrenzfähigkeit und die Meinung von mit ‚Geschichte‘. Geldgeber*innen sind, die er als relevant für das Das Jubiläumsjahr ist noch nicht vorbei, es ste- Ansehen einer Universität erachtet. Nimmt man hen noch Veröffentlichungen und Feierlichkeiten an an, dass Prestige hier das wirkliche Ziel ist, dann und dennoch macht sich das Gefühl breit, man hätte wundert es nur wenig, dass das Uni-Jubiläum bisher das ganze Tohuwabohu end- mehr wie eine Marketingver- lich hinter sich gebracht. Der anstaltung daherkam, denn eilends zum Campus-Fest als die kritische Auseinan- ausgerollte Rasen verdorrt dersetzung, die es mit der längst und von dem müh- Gründung und dem Wirken seligen Entfernen der vielen der Uni durch die hundert Sticker im Campusbild ist Jahre hinweg bräuchte. schon seit einiger Zeit nichts So wird einmal mehr mehr zu ahnen. Wohin die deutlich, in welchem Re- ‚feierliche Anspannung‘, mag ferenzrahmen das Uni- man sich als (bei den Festivi- Jubiläum stattfindet: in täten sicherlich mitgemeinte) dem der „Gesellschaft des Studi da fragen. Spektakels“(Guy Debord). Den Kontext dazu liefert Ohne Frage ist es selbst für der Präsident höchstselbst, die ganz Schmerzbefreiten nachdem bekannt gegeben eine defizitär-peinliche Form wurde, dass die Uni Ham- des Spektakels: Vom Festakt burg im Juli Gelder aus der mit wahlweise dem reaktio- ‚Exzellenz‘-initiative zuge- nären Philosophenverschnitt sprochen bekommen hat: Sloterdijk (Rathaus) oder Interviewerin: „Was bedeutet [der Exzellenzsta- der schwarzen Null Schäuble (Audimax), über das tus] denn jetzt für die Universität Hamburg?“ schale Anbiedern mit nautischen Motiven („Hei- Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen: „Zum ersten mathafen Wissenschaft“ – weil in Hamburg nichts Mal darf niemand mehr sagen, dieses ist eine mittel- etwas wert ist, das nicht zumindest einen Abglanz mäßige Universität. Wer das tut ist bösartig und lügt. der Produktivität des Hafens trägt), bis hin zu Um das mal in aller Klarheit zu sagen. Es war nie „Wahrzeichen gratulieren“, einer Aktion, bei der die richtig, aber jetzt ist es amtlich: dieses ist eine wunder- Hamburger „Wahrzeichen [...] die Uni jeweils von bare, großartige Universität, die auf höchstem Niveau 17 Uhr bis 22 Uhr [mit angestrahlten Schriftzügen] operiert.“ grüßen“(Beschreibung auf der Homepage zum Uni- Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Len- Jubiläum). Dass die Uni nicht in der Lage ist, ein zens höchstes Ziel sei es einzig, ‚seine Uni‘ im aller- befriedigendes Spektakel auf Höhe der bürgerlich- besten Lichte dastehen zu sehen. Darin liegt eine kapitalistischen Gesellschaft zu bieten, tut der Inten- doppelte Zynik. Denn eigentlich sollte man meinen, tion indes keinen Abbruch: Wenn Lenzen sich und dass die Freude über zugesprochene Mittel doch da- die Uni auf dem Exzellenzmarkt in einer riesen An- durch etwas getrübt wird, dass in dem (v)erbitter- trags- und Auswahl-Show als „Star-Ware“ feilbietet, ten Konkurrenzkampf der unterfinanzierten Hoch- um dann die Uni (und vor allem: sich selbst) mit schulen die allergrößte Mehrheit leer ausgegangen Geld-und-Konfetti-GIF zu feiern, bekommt man ist. Doch wenn es schon am solidarischen Verhält- einen Eindruck davon, was es heißt, dass in der Ge- 4
sellschaft (bzw.: Uni) des Spektakels „die Ware sich chend zu historisieren. Die Untersuchung der In- selbst in einer von ihr geschaffenen Welt anschaut.“ stitution von innen heraus mit dem Fokus auf die Es handelt sich um eine große „Bewegung der Ba- bloße Dauer des Bestehens führt, nach Hammer- nalisierung“, die verdrängt, was Wissenschaft sein stein, auch dazu, dass Hochschulen häufig als eigens könnte und müsste. In Zeiten von Kommerzialisie- in sich abgeschlossene Räume konstruiert werden rung und Exzellenzinitiative ist dies allerdings der und in der historischen Betrachtung Verflechtun- Normalfall und nicht die Ausnahme: „Die Wirt- gen über Stadt- und Landesgrenzen hinaus in „dorf- schaft verwandelt die Welt, aber nur in eine Welt der patriotischem Eifer“ glatt übersehen werden. Füssel Wirtschaft.“(alle Zitate: Debord) beobachtet, dass es häufig ebenfalls zu einer Tren- Der Spektakel-Charakter des Uni-Jubiläums nung von Universitäts- und Studierendengeschich- wirkt sich auch auf die Möglichkeiten der Ge- te kommt und Studierende allzu leicht „auf statis- schichtsauseinandersetzungen aus. Die Wider- tisches Material, Hörerzahlen und Frequenzen“ be- sprüchlichkeit von Jubiläen im Kontext von Unige- grenzt werden. Dadurch wird ein wesentlicher Teil schichtswissenschaft greift auch Notker Hammer- der Universitätsgeschichte unsichtbar gemacht. stein in seinem Aufsatz Jubiläumsschrift und All- Gegen dieses Verständnis der Erzählung von tagsarbeit auf. Der Titel charakterisiert zugleich das Universitätsgeschichte lässt sich mit Alf Lüdke das Spannungsverhältnis, in dem Hammerstein die Uni- Konzept der Alltagsgeschichte setzen. Diese geht geschichte als Disziplin verortet: anerkannt immer davon aus, dass man den Bezugsrahmen der Ge- nur zu bestimmten Zeiten und stets lokal begrenzt. schichtserzählung erweitern muss, ohne Unter- Hammerstein zeigt aber auch auf, wie relevant diese scheidungen wie die von Herrschenden und Be- wiederkehrenden Anlässe der Geschichtsausein- herrschten aufzugeben: Eine „Bewegung [ist] von andersetzung für die Dokumentation von histori- oben und von unten materialisiert.“ So ist es möglich, schem Material sind: Selbstvergewisserungsschrif- dem Problem zu entrinnen, gesellschaftliche Ver- ten, wie sie in Jubiläumsjahren erscheinen, sind hältnisse und ihre Ausdrücke in historischen Pro- gleichsam wertvolle Zeitdokumente. Allerdings zessen als statisch zu verstehen. Es bleibt die Frage, kritisiert er, dass so mancher „Jubelband“ zwar von wie sich historische Prozesse als Alltagsgeschichte geschichtswissenschaftlichen Akteur*innen erstellt und Alltagsgeschichtlichkeiten beschreiben lassen; wird, diese aber über alle Traditionsbekräftigung wie diese Verflechtungen, Aneignungen, Abhängig- und Identifikationsstiftung den wissenschaftlichen keiten nuanciert dargestellt werden können. Hierbei Anspruch vermissen lassen. gilt für die Alltagsgeschichte, was bereits Marx be- So überrascht es dann auch nicht weiter, dass tonte: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte während der diesjährigen Hamburger Jubiläumsfei- [...] unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und erlichkeiten und in den entsprechenden Publikatio- überlieferten Umständen.“ nen vor allem betont wird, dass dies die Universität Mit diesen Perspektiven auf Geschichte wird es von den jüdischen und liberalen Professoren Wil- nun nach dem „Spektakel Jubiläum“ für uns darum liam Stern und Ernst Cassirer gewesen ist, während gehen, Wissenschaft weiter zu historisieren und den die Selbstgleichschaltung der Universität in den Bezugsrahmen der Geschichtserzählung zu öffnen. Hintergrund gedrängt wird. Und – wenn man über- haupt erwähnt, dass man eben diese (sowie Jüdin- Maulwurf der Vernunft nen und Juden insgesamt) von der Uni vertrieben hat – dann wird wenigstens erwähnt, dass dies „wie Verwendete Literatur: überall in Deutschland“(Uni-Broschüre zum Jubi- Guy Debord, Die Gesellschaft des Spestakels (1967), Berlin 2013. läum) geschah, ‚man‘ sich also im guten antisemiti- Marian Füssel, Wie schreibt man Universitätsgeschich- schen Durschnitt befand. te?, in: NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaf- Diese Tendenz beobachtet auch Ma- ten, Technik und Medizin 22 (2014), S. 287-293. rian Füssel, der in der Vertrautheit der Notker Hammerstein, Jubiläumsschrift und Alltagsar- Geschichtswissenschaftler*innen mit der „eigenen beit. Tendenzen bildungsgeschichtlicher Literatur, in: Institution“ auch eine Gefahr sieht. Allzu schnell Historische Zeitschrift 236 (1983), S. 601-633. werden, ihm nach, vertraute Konzepte und Begrif- Alf Lüdtke, Alltagsgeschichte – ein Bericht von unterwegs, fe aus der Gegenwart auf Vergangenes übertragen, in: Historische Anthropologie 11 (2003), S. 278-295. ohne zu reflektieren, welchen Bedeutungswandel Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bo- Wörter wie „Professor“ oder „Promotion“ eigentlich naparte (1852), in: MEW 8, S. 111-207. durchgemacht haben und diesen Wandel entspre- 5
Vor allem ihr als Lehrer*innen habt eine Vorbildfunk- Liebe Lehrer*innen tion und das Potenzial der nächsten Generation zu vermitteln wie wichtig diese Gleichberechtigung ist. Schon seit mehr als hundert Jahren sind Frauen in Achtet doch mal darauf ob ihr auf euren Arbeitsblät- Deutschland wahlberechtigt. Von einer Gleichberech- tern, Klausuren oder Präsentation beide Formen be- tigung der Geschlechter sind wir jedoch weit entfernt. nutzt. Auch im Unterrichtsgespräch ist Gendern nicht Frauen verrichten einen Großteil der Arbeit zuhause zu vergessen. und in der Familie, ohne auch nur einen Cent dafür zu bekommen. Bei gleicher Qualifikation verdienen Außerdem bitten wir euch, vielleicht auch mal bei der sie im Schnitt 20% weniger als Männer. Zudem sind Korrektur von Schulaufgaben, das nicht-gendern an- sie in Führungspositionen immer noch stark unter- zustreichen, jedoch vielleicht nicht unbedingt zu be- repräsentiert und auch im Alltag werden Frauen viel werten. So wird auch bei den Schüler*innen ein Be- zu oft diskriminiert. Es gilt jetzt etwas gegen diesen wusstsein dafür geschaffen. strukturellen Sexismus zu tun! Einer der notwendigen Schritte ist, die Sprache Damit jedoch niemand beim Sprechen anzupassen. unterbrochen wird und man trotzdem Das sogenannte „Gendern“, also statt nur der maskuli- auf den Fehler hinweisen kann, gibt es nen Form auch die feminine durch ein „*innen“ zu in- ein einfaches Handzeichen das man tegrieren, ist ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung. machen kann: Das heißt anstatt nur „Lehrer“ zu sagen, sagt man z.B. „Lehrer*innen“. Es ist keine Mühe zu gendern und man gewöhnt sich schnell daran. Sogar die Denn dadurch, dass viele von „Lehrern“ oder „Schü- Schulbehörde hat bereits umgeschaltet, lern“ sprechen, wird ein Bild erzeugt, als handle es sich um eine rein männliche Gruppe an Personen, obwohl warum sind wir also so hinterher? .elchen/Ha das meist nicht der Fall ist. Weg mit §218 und §219 StGb! Die Verurteilung Kristina Hänels als Einstieg in eine Neuauflage der Kämpfe gegen die Anti-Abtreibungsparagraphen Im November 2017 wurde die Allgemeinme- abschaffen – jetzt!“ und kündigten damit auch un- dizinerin Kristina Hänel wegen unerlaubten Wer- sere erste Demonstration „Für die Abschaffung aller bens für den Schwangerschaftsabbruch verurteilt. Anti-Abtreibungsparagraphen“ an, die wir als neu Hänel wurde von Anti-Abtreibungsaktivisten der gegründetes „Bündnis für körperliche Selbstbestim- selbsternannten „Lebensschutzbewegung“ ange- mung Frankfurt“ organisierten. zeigt, da sie auf ihrer Homepage darüber infor- mierte, dass sie Abtreibungen vornimmt und wel- Die Wiederbeschäftigung mit dem Themen- che Methoden sie anwendet. Begründet wurde das komplex „Abtreibung“ war von unserer Seite eine Urteil damit, dass eine gesellschaftliche Normali- Gegenreaktion zu der Aufkündigung des beste- sierung von Schwangerschaftsabbrüchen verhin- henden gesellschaftlichen Burgfrieden von rechts, dert werden solle. der vor allem von der „Lebensschutzbewegung“ getragen wurde und wird. Ihr Ziel ist die Krimi- Dieser Urteilsspruch bedeutete die unerwarte- nalisierung von Abtreibung, die Bedrohung von te Neuauflage feministischer Kämpfe für das Recht ungewollt Schwangeren und, wie im Fall von Kris- auf Abtreibung. Auch wir reagierten auf die Verur- tina Hänel, die Verschlechterung des Zugangs teilung mit einer Pressemitteilung unter dem Titel zu Abtreibung über die Einschüchterung von „Skandalurteil gegen Kristina Hänel – § 218 ff. StGB Ärzt*innen. Mit dem Aufstieg der AfD und dem 6
virulent werdenden Antifeminismus der letzten Dass das Nachdenken über Schwangerschafts- Jahre sahen sie die Zeit gekommen, in die Offen- abbrüche sehr erkenntnisreich sein kann, wurde sive zu gehen. uns während der Vortragsreihe klar: Beispielsweise hatten wir die Auswirkungen der prekären Geset- Diesem Vorhaben steht die gefühlte Selbst- zeslage auf gesellschaftlich bereits marginalisierte verständlichkeit des Zugangs zu einer Abtrei- Personen kaum im Blick. Auch dass der Fokus der bung gegenüber, mit der auch wir aufgewachsen deutschen Frauenbewegung auf die rechtliche Di- sind. In unserem ersten Aufruf fassten wir das so mension eine unnötige Begrenzung linksradikaler zusammen: feministischer Praxis bedeutet, fiel uns erst wäh- rend eines Vortrags der internationalen Gruppe „Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein ganz „Women on Waves“ so richtig auf. normaler medizinischer Eingriff und sollte auch so behandelt werden. Schwangere müssen selbst Weiterhin hielt die erst einmal simple Forde- bestimmen können, was mit ihrem Körper pas- rung »Für die Abschaffung aller Anti-Abtreibungs- siert. Frauen sind mündige Bürgerinnen und paragraphen« auf den zweiten Blick manches Di- brauchen niemanden, der ihnen höchstpersön- lemma für uns bereit: liche Entscheidungen abnimmt.“ Beispiel 1: Wie weit soll das Selbstbestim- Die deutsche Frauenbewegung hatte bereits in mungsrecht der ungewollt Schwangeren reichen? der Weimarer Republik sowie in den 1970er und Endet es nicht, wenn dadurch nur bestimmte, der 80er Jahren überzeugend erklärt, dass jede schwan- Norm entsprechende, als gesund geltende Kinder gere Person einen kostenfreien und legalen Zugang gewollt sind? zu Schwangerschaftsabbrüchen haben muss – auch Wir haben für uns das Fazit gefunden, dass das wir hatten dem erstmal nichts hinzuzufügen. gesamtgesellschaftliche Problem der Behinderten- Dass diese gefühlte Selbstverständlichkeit aber feindlichkeit und struktureller Ausgrenzung nicht eben nicht rechtlich abgesichert ist, wurde mit der zu einem individuellen Problem der ungewollt Verurteilung Hänels deutlich: Abtreibungen wer- Schwangeren gemacht werden darf. Daher muss den immer noch als illegale aber unter bestimmten unterschieden werden zwischen der individuellen Umständen straffreie Rechtsverstöße eingestuft. Frage nach persönlichen Ressourcen und Plänen Auch die verdruckste Debatte um die Streichung (Möchte ich ein Kind bekommen? Bin ich mit der des §219a StGB zum ›Werbungs‹-verbot, die wir Situation überfordert? Fehlen mir Ressourcen?) nach der Verurteilung Hänels erlebten, zeigte, dass und einem Sprechen über Schwangerschaftsabbrü- feministische Forderungen wie die Streichung aller che, bei dem zwischen ›lebenswertem‹ und ›nicht- Paragraphen, die Abtreibungen als Straftatbestand lebenswertem‹ Leben differenziert wird. fassen, nicht mehr präsent, sondern im Gegen- teil sogar tabuisiert sind. Bei einer intensiveren Beispiel 2: Sprache. Beschäftigung fiel zudem auf, dass auch wir vom Immer wieder standen wir vor dem Prob- juristischen Rahmen und der tatsächlichen medi- lem, wie wir über Schwangere sprechen können, zinischen Durchführung einer Abtreibung wenig ohne strukturelle Dimensionen zu verdecken Ahnung hatten. Über Schwangerschaftsabbrüche und gleichzeitig möglichst wenig ausschließend und alles, was damit verbunden ist, wird kaum pri- zu sein. Unser Vorgehen war dann pragmatisch: vat oder öffentlich geredet. Wenn die konkrete, individuelle Situation und die Handlungsoptionen diskutiert werden, sprechen Eigentlich sollte das Bündnis für körperliche wir meistens von schwangeren Personen. Wenn Selbstbestimmung Frankfurt ein einmaliger Zu- wir Zugriffe auf den weiblichen Körper und ge- sammenschluss sein, um den Prozess gegen Kristi- schlechtsspezifische Herrschaftsverhältnisse the- na Hänel zu begleiten. Wir entschieden uns jedoch, matisieren, sprechen wir zumeist von Frauen. unsere Aktivität etwas zu verlängern, um eine Vor- Trennscharf ist das natürlich nicht. tragsreihe zu organisieren. Wir nannten die Reihe „We Can’t Believe We Still Have to Protest this Shit!“, Beispiel 3 um zu verdeutlichen, dass zu diesem Thema ei- Für uns war und ist es selbstverständlich, dass gentlich schon alles gesagt ist. jede Person das Recht auf eine selbstbestimmte Beendigung einer Schwangerschaft haben muss. 7
Wir gehen auch nicht davon aus, dass eine Abtrei- ist zudem eine Broschüre entstanden, die nied- bung traumatisierend ist. Gleichzeitig ist es wich- rigschwellig Informationen zu den Aspekten der tig, anzuerkennen, dass die aktuelle Verortung des Rechtslage, der Pflichtberatung, den Kosten für Schwangerschaftsabbruchs im halblegalen Bereich einen ›Standard‹-Schwangerschaftsabbruch sowie wenig Raum für Zwischentöne gibt. Von funda- den gängigen medizinischen Verfahren zusam- mentalistischen Christ_innen wird Frauen vorge- menfasst. Die Broschüre wurde beispielsweise betet, dass die Mutterschaft ihre Erfüllung sei und bei Gegenprotesten zu den Mahnwachen christ- jede Abtreibung Schuld auf sie lade. Der Staat wie- licher Frauenhasser_innen der ›Lebensschutz‹- derum präsentiert einen Zellhaufen als »ungebore- Bewegung im Herbst 2018 vor der pro familia-Be- nes Leben«. Eine Entscheidung für einen Abbruch ratungsstelle in Frankfurt verteilt. bedeutet die Notwendigkeit, sich in diesem Feld Die Nachfrage ist weiterhin groß, aktuell wird klar zu positionieren. Das lässt wenig Raum für anlässlich des Safe Abortion Day am 28.9.2019 Verlustgefühle, die mit einem Abbruch auch ver- die dritte Auflage gedruckt, Exemplare gibt es bei bunden sein können. uns (bfks.ffm@web.de) und beim Black-Mosquito Versand. Auch die diskus-Ausgabe „We can’t belie- Aus dieser Vortragsreihe haben wir gemein- ve we still have to protest this shit!“ gibt es dort zu sam mit der Frankfurter Studierendenzeitschrift bestellen. diskus eine Sonderausgabe gestaltet. Aus dem Vortrag »How to Abtreibung in Deutschland?« Bündnis für körperliche Selbstbestimmung Frankfurt Es ist nur eine Kleinigkeit, die jedoch viel verändern Liebe Schüler*innen kann und vor allem im Schriftlichen sollte es konse- quent benutzt werden. schon seit mehr als hundert Jahren sind Frauen in Damit jedoch niemand beim Sprechen Deutschland wahlberechtigt. Von einer Gleichberech- unterbrochen wird und man trotzdem tigung der Geschlechter sind wir jedoch weit entfernt. auf den Fehler hinweisen kann, gibt es ein Frauen verrichten einen Großteil der Arbeit zuhause einfaches Handzeichen das man machen und in der Familie, ohne auch nur einen Cent dafür zu kann: bekommen. Bei gleicher Qualifikation verdienen sie im Schnitt 20% weniger als Männer. Zudem sind sie in Achtet auch gerne bei euren Lehrer*innen Führungspositionen immer noch stark unterreprä- darauf und macht sie mit dem Handzei- sentiert und auch im Alltag werden Frauen viel zu oft chen darauf aufmerksam oder korrigiert diskriminiert. Es gilt jetzt etwas gegen diesen struktu- den geschriebenen Satz. rellen Sexismus zu tun! Dafür sind vor allem wir Schüler*innen verantwort- Es ist keine Mühe zu gendern und schon nach kurzer lich, denn wir sind die Zukunft dieser Welt. Zeit gewöhnt man sich daran. Trotzdem wird es kaum Einer der notwendigen Schritte ist, die Sprache an- gemacht und zu oft vergessen. Lasst uns bewusst die zupassen. Das sogenannte „Gendern“, also statt nur deutsche Sprache verändern und jeglichen Sexismus der maskulinen Form auch die feminine durch ein in unserer Gesellschaft bekämpfen. „*innen“ zu integrieren, ist ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung. Wie bei allem in der deutschen Sprache gibt es je- Das heißt anstatt z.B. nur „Schüler“ zu sagen, sagt doch auch hier Regeln. Die beiden anerkannten man „Schüler*innen“. Varianten des Genderns, sind entweder der Stern; Denn dadurch, dass viele nur von „Lehrern“ oder „Schüler*innen“ oder der Unterstrich; „Schüler_ „Schülern“ sprechen, wird ein Bild erzeugt, als handle innen“. Bitte benutzt auch diese beiden Varianten da es sich um eine rein männliche Gruppe an Personen, der Stern oder der Unterstrich auch Platz für alle an- obwohl das meist nicht der Fall ist. deren Geschlechter abseits des männlichen und weib- Achtet doch mal bei euch selbst und in eurem Freun- deskreis darauf und probiert es mal aus! lichen lässt. elchen/Ha 8
RADIOGRUPPEN STELLEN SICH VOR Statement der Radiogruppe Gagarin und Antrag auf Anerkennung als Radiogruppe im FSK Wir von Radio Gagarin sind schon seit den Radio Gagarin befasst sich im Wesentlichen 90ern im FSK aktiv und sehen mit Erschrecken, mit der Vermittlung sogenannter Randständiger wie sehr Konflikte zwischen überkommenen Ra- Musik, vor allem aus dem elektronischen und elek- diogruppen den Sender lähmen und gefährden tro-akustischen Bereich. Der von der kommerziel- können. Wir würden gern helfen, die bestehende len Musikindustrie und den offiziellen „Kulturver- Blockadesituation aufzubrechen und mittelfristig mittlern“ pejorativ benutzte Begriff „Randständige veraltete Strukturen aufzulösen (möglicherweise Musik“ hat für uns die genau entgegengesetzte Be- hin zu einer Art Rätemodell). deutung: Künstlerische Impulse, weiter weisende Konzepte und radikale Neuerungen kommen na- Wir haben Distanz zu den Konfliktparteien hezu ausschließlich von den „Rändern“. Der alt- gehalten, wollen die Polarisierung nicht mitma- hergebrachte Kultur- bzw. Musikbetrieb (ob nun U chen, sind aber nicht die Unbeteiligten, sondern oder E) ist völlig sklerotisch und erstarrt in einer die Macht- bzw. Hilflosen. Die 3 bestehenden Ra- billigen Event-Attitüde. Das gilt insbesondere für diogruppen entscheiden über Wohl und Wehe des den Bereich, der sich selbstherrlich als „fortschritt- Senders, das Gros der Sendenden hat kaum Ein- lich“ oder - schlimmer noch - „avantgardistisch“ fluss, zumindest nicht institutionell. bezeichnet. Hier erleben wir einen Jahrmarkt der Eitelkeiten, der bevölkert ist mit zeitgeistigen Po- Die 3 alten Radiogruppen scheinen aus sich panzen (Kurator*innen, Kulturmanager*innen selbst heraus unfähig zu sein, strukturelle Proble- u.ä.). Das vermeintlich Widersätzliche ist in der me zu benennen und zu ändern (z.B. dass sich ihre Mitte angekommen, also tot. Zahl auf 3 reduziert hat, dass ihre interne Mitglie- derzahl massiv geschrumpft ist bzw. dass Mitglie- Radio Gagarin will seinen Hörer*innenn zei- derzahlen nicht glaubwürdig offen gelegt werden, gen, wie lebendig, wie vielfältig und politisch be- dass informell entstandene Strukturen den Alltag wusst es dort zugeht, wohin die gierigen Arme der im Sender bestimmen ...). Vielmehr werden struk- Mitte nicht reichen, wo obszöne Angebote der Kul- turelle Probleme in unwürdiger Weise personali- turindustrie (Förderungen, Akademisierung, Sti- siert durch Schuldzuweisungen, Mobbing bis hin pendien usw.) ins Leere laufen und wo weder für zur Androhung von Gewalt. Unerträglich ange- die Macher*innen noch für die Rezipient*innen sichts des politischen Anspruchs unseres Senders. künstlerische Helmpflicht besteht. Vor allem aber will Radio Gagarin deutlich machen, dass die Mar- Uns ist eine kulturelle bzw. künstlerische Ver- ginalisierung der musikalischen „Ränder“ durch ortung wichtig, d. h. das Kulturerzeugnisse und herrschende Medien und Institutionen ein proba- -praktiken im historischen, kulturellen und sozi- tes Mittel ist, sich die eigentlichen und natürlich alen Kontext abgelichtet werden sollen. Das ver- unbequemen Neuer*innen vom Hals zu halten. suchen wir mit unseren Sendungen zu realisieren Wir wollen für eben diese ein Sprachrohr sein und – mit Buch- vorstellungen in „Archive und Au- ihre Arbeit unseren Hörer*innen laut und deutlich genzeugen“, Konzert- und Veranstaltungstipps im vermitteln. Wir sind keine Utopisten: Der Kosmo- AUSFLUG, Live-Konzerten im Sender und au- naut Gagarin war wirklich im All, und irgendwann ßerhalb, häufiges Nutzen des Sendeplatzes „Die werden die Ränder über die Mitte hereinbrechen. ganze Platte“ , dem ubRadio Salon und eben Radio Gagarin. Unsere Haltung lässt sich am besten am Bei- spiel der zuletzt genannten Sendung verdeutlichen. Sie ist eine der am längsten bestehenden Sendun- gen im FSK, über sie haben wir uns kennen gelent, sie ist unser gemeinsamer Bezugspunkt. 9
RADIOGRUPPEN STELLEN SICH VOR Radyo Azadî – Grundlegendes und Konzept Wir als Sendende von Radyo Azadî sind In- Hamburg berichten und sie in einen global wie lo- ternationalistInnen und Aktive aus Hamburg und kalen Zusammenhang stellen. verfolgen mit unserer Sendung das Ziel, im globa- len Zeitalter und der Interdependenz und Verwo- Als designierte Radio-Gruppe streben wir an, benheit diverser Regionen, hier insbesondere der den Neuaufbauprozess des FSK demokratisch, Mittlere Osten und Europa, die vielfältigen Zusam- nicht-hierarchisch zu begleiten und stehen für eine menhänge und Geschehnisse tiefgründig und dif- Horizontalisierung des institutionellen Gefüges ferenziert jenseits der massenmedialen Berichter- des Senders, möglicherweise in Form einer Rä- stattung Interessierten zu vermitteln. Der Mittlere testruktur. Ferner wollen wir das linke Selbstver- Osten ist derzeit ein wichtiges Zentrum der vielfäl- ständnis, die Solidarität unter den diversen Sen- tigen globalen Krise und zentraler Schauplatz der denden und das Verantwortungsbewusstsein des ideologisch, geostrategisch und politisch geführten Senders stärken, sodass wir in der Politik, im Alltag Kriege - als ein solches Zentrum in der Peripherie sowie im Medialen der Stadt Hamburg unsere pro- steht er im engen Zusammenhang mit der Politik gressive Rolle bewusster, gezielter und effizienter und den Gesellschaften Europas. Es ist möglich einnehmen können. Themen wie Islamismus, Terrorismus, Wiederer- starkung rechter Denke und Bewegungen, Sexis- Wir lehnen jeglichen Monopolismus und das mus, Flüchtlingskrise, Rassismus etc. zusammen- Machtstreben sowohl innerhalb des Senders als hängend in einen Topf zu werfen. Wir wollen mit auch im Allgemeinen ab, stattdessen stehen wir für unserer Sendung aufzeigen, wie diese scheinbar die Stärkung und Selbstermächtigung der Men- losen Punkte miteinander verflochten sind und der schen und gesellschaftlichen Gruppen, der Unter- Mittlere Osten um Kurdistan ein zentraler Ort der drückten und Ausgebeuteten – wir verstehen den Aushandlungen in der Krise und des Umbruchs Sender als eine Ressource zur Informierung, Ver- unserer Gegenwart ist. Im Fokus unserer Sendun- netzung und der Stärkung libertärer und egalitärer gen stehen auch internationalistische Kämpfe welt- Ideen und Gesellschaftlichkeit. weit und ihre gegenseitige Vernetzung und Solida- rität ist uns ein Anliegen. Mit Freude und Hoffnung auf eine erfolgreiche demokratische und progressive Umorientierung Neben den Kriegen und der Krisenhaftigkeit und Umstrukturierung des FSKs ist in Nordsyrien auch ein progressives und eman- zipatorisches – radikal- und rätedemokratisches, und lieben Grüßen, ökologisch und feministisches sowie strukturell Radyo Azadî und normativ pluralistisches – Gesellschaftsmodell im Werden, welches sich als kreative und lösungs- orientierte Reaktion auf die diversen Probleme des Mittleren Ostens und unserer Zeit versteht - mit diesem Projekt und den Akteuren dieser Bewe- gung solidarisieren wir uns ausdrücklich! Wir wol- len in unserer Sendung die Theorien und Diskur- se im Zusammenhang mit dem »Demokratischen Konföderalismus« diskutieren und von den all- tagspraktischen Entwicklungen in Kurdistan sowie 10
Eröffnung Avakino Filmkollektiv Im Gängeviertel, selbst ein lebendiger Ort on einer Bandbreite an Filmen; der Entwicklung, der vielfältigen Kunst- und Kulturproduktion, er- Kritik, Produktion und Vorführung von kriti- öffnen wir die Türen des Avakino Filmkollektivs. scher Filmkunst und Schauspiel; der Teilnahme Uns als in Hamburg lebenden Menschen eint der an Film- und Kulturfestivals; des Aufbaus eines Wunsch nach sozialkritischer, revolutionärer Film- Archivs kurdischer Filmkunst, auch um dieser kunst. Als Kollektiv mit einem radikaldemokrati- mehr Bekanntheit zu verschaffen; der Vernetzung schen Selbstverstädnis auf der Suche nach Alterna- und Zusammenarbeit mit alternativen Filmschaf- tiven beginnen wir dieses Projekt. fenden weltweit sowie der Aufbau einer Brücke zu fortschrittlichen und alternativen Filmschaffenden Die Unterdrückung und Verfolgung der Kur- Kurdistans. dInnen führte auch das Verbot der kurdischen Sprache mit sich. Bis Ende des letzten Jahrhunderts Die Kollektivgründung zum Anlass nehmend, wurde alles Kurdische in allen Teilen Kurdistans wird das Musikkollektiv bANDiSTA aus Istanbul durch die regionalen Nationalstaaten verboten, so- ein Solidaritätskonzert geben. Ihre Musik nährt dass bis in die 1990er Jahre auch keine Filme auf sich von revolutionären Klängen aus aller Welt und Kurdisch gemacht werden konnten. Dies änderte der kulturellen Vielfalt Europas und des Nahen Os- sich mit dem Sturz der Saddam-Diktatur im iraki- tens. Grup Cemre wird ebenfalls spielen, im An- schen Teil Kurdistans, wo sich anschließend zum schluss ein DJ auflegen. Auch hierzu die herzliche ersten Mal kurdische Filmkunst entwickeln konn- Einladung, am 3. Oktober 2019 gemeinsam unsere te. Mit der Revolution in Rojava im neuen Jahr- Eröffnung zu feiern. hundert gelang es der kurdischen Filmkunst, in Kontinuität zu der bei der kurdischen Freiheitsbe- wegung entstandenden Filme, neue Ausrichtungen 3. Oktober 2019 einzunehmen: Kritik am Kapitalismus und am Na- Einlass 19:00, Beginn 20:00 tionalstaat, Ökologie, Feminismus prägen das neu Fabrique im Gängeviertel entstehende Kino. Valentinskamp 28b, 20355 Hamburg Wir verstehen uns als Teil dieser Art von Film- www.Avakino.de und Kulturproduktion, sowie als Brücke zu ande- Avakino-filmkollektiv@gmx.de ren alternativen Projekten. Wir laden euch alle, die ihr dieselben Ziele teilt, ein, sich einzumischen. Twitter, Facebook, Instagram: Avakino Filmkollektiv Die Schwerpunkte der Arbeiten liegen zu- nächst auf folgenden Bereichen: der gemeinsamen Bildung und der öffentlichen, kritischen Diskussi- Die Qual der Wahl Ein Land voller Phantomschmerz des realen Wahlausgangs nehmen wir das mal als Am 1. September wurde in zwei Bundeslän- blanken Zynismus. Über 30% für die CDU in Sach- dern der Bundesrepublik gewählt. In mindestens sen sind mehr als eine kräftige Investition in die einem der beiden Bundesländer entschied sich eine Zukunft jener Partei, gegen die Michael Kretsch- beinahe 2/3 Mehrheit der zur Wahl Gegangenen mer am Ende seines Wahlkampfes mehr oder we- für Schwarz-Braun. Sofort entbrannte ein Kampf niger glaubwürdig zu Felde zog. Schließlich, und um die Deutungshoheit über den Begriff des Kon- das galt es eben in diesem Wahlkampf immer wie- servatismus. Auch dieser soll sich von Neurechts/ der auch zu überdecken, ist es eben die beinahe Altright angeeignet werden. Daß am Wahlabend 30jährige CDU-Alleinherrschaft gewesen, die „das gar Stimmen zu hören waren, die den Ausgang die- Problem“ erst hat wachsen lassen. Jene Partei ist ser Wahl als Erfolg verzeichneten und von der Ver- ins Parlament getragene außerparlamentarische hinderung des Schlimmsten sprachen - angesichts Bewegung; die APO unserer Tage. Deutscher Win- 11
ter. Dass der sächsische CDU-Landesverband ein Handschlag vom Bürgermeister begrüßt und ein- besonderer ist, stellt er dabei nur all zu gerne kon- geladen. Gleichzeitig stellt sich die CDU-Innenpo- tinuierlich unter Beweis. In diesem Wahlkampf, litik mit einem Sondereinsatzkommando zu seiner so beschleicht eine/n das Gefühl, hat Michael Sicherung bereit. Antifaschistisches Engagement, Kretschmer die CDU-Veranstaltungen mit Betei- das versucht örtliche Strukturen zu unterstützen, ligten wie Maaßen noch meiden sollen; offensicht- wird kriminalisiert und nach Möglichkeit auf Di- lich aber ist geworden, dass wichtige Teile seiner stanz gehalten. Doch es wäre zu kurz gedacht, die Partei sich nun doch endlich offen mit dem weiter sächsischen Zustände zu exotisieren. Es ist, neben rechts stehenden Spektrum zu verbünden suchen, dem Ministerpräsidenten, die CDU-Bundesvorsit- um eine „stabile Zweierkoalition, eine bürgerliche“ zende die am Tag der Unteilbar-Demo Fotos von zu bilden. Diese sind nicht nur selbstbewusster ge- einer Oldtimer-Messe verbreitet und kurzerhand worden, sondern auch erfolgreicher. Die CDU in den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes (und Sachsen hat, seitdem sie Regierungen stellt, Politik damit war mehr als offensichtlich das gesamte gemacht die auf einen Koalitionspartner wie die Bundesgebiet gemeint) mitteilt: Protest, Organisa- AFD nur wartet. Nun gibt es einen Juniorpartner, tion und Widerstand sind die falschen Mittel und der mit verbalen Entgleisungen, welche als solche Wege. Nicht nur, dass sie damit nahezu sämtliche nur gelten, Aufmerksamkeit bündelt und die eige- emanzipatorischen Errungenschaften der vergan- ne, schon längst mehr als radikal reaktionäre Poli- genen Jahrhunderte in Abrede stellt, offenbart sie tik zu übertünchen hilft. eine ohnehin schon deutliche Unglaubwürdigkeit und Unfähigkeit in der Auseinandersetzung und Zu spüren ist das fast überall – vollständig Bekämpfung völkischen Denkens und Handeln. sichtbar wird es in Orten wie Wurzen, Bautzen Diese Ohnmacht und dieser Unwille eines sich oder Chemnitz. Hier werden von der Mehrheit der selbst als (noch) bürgerlich bezeichnenden Spek- Bevölkerung die wenigen Überreste an demokra- trums ließ sich bereits Wochen zuvor, nach der tischer Kultur bereitwillig aufgegeben. Das macht Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke erstmal keinen Unterschied zu Bundesländern wie beobachten. Selbst in diesem Moment schien die etwa Hessen oder Baden-Württemberg, doch zu- Erkenntnis einer akuten Bedrohung erfolgreich gleich ist ein nicht geringer Teil des Wahlvolkes verdrängbar zu sein. Getreu dem Motto: die Opfer eben anschlussfähig für Narrative a la „Wende 2.0“ werden immer die anderen sein, vertraut sich die und „die Vollendung der friedlichen Revolution“ deutsche Seele. Dabei sind die Wahlen in Sachsen, und setzt sich (sollte man diesen Sprachwirrungen Brandenburg und Thüringen formalisierter Aus- glauben) für ein Mehr an (volks-)demokratischer druck manifester Rache- und Gewaltfantasien. Teilhabe und Teilnahme ein. Dass dabei ein fehlen- Von Links wird als Erklärungsmodell dieses des Verständnis für die Ereignisse 89/90 vorliegt ostdeutschen Wahlverhaltens immer wieder die macht sich eben diese AFD nun zu Nutze. Vormals Politik der Treuhand ins Feld geführt. Dabei muss hatte diese Aufgabe der Integration von Oppositi- notwendig verdrängt werden, dass es die Bevöl- on zum „BRD-System“ mehr oder weniger erfolg- kerung der ehemaligen DDR war, die sich mehr- reich die Linke übernommen - nun aber, und das heitlich im Jahre 1990 für Nation und Kapital zeigt diese Wahl überdeutlich, entscheidet sich die entschieden hat. Die vorangegangene Niederlage Mehrheit deutscher Wähler*innen für das Origi- nicht nur der radikalen Linken innerhalb der DDR nal: völkisch, national. wird dabei unter den Tisch gekehrt, um nun, rück- blickend, im Osten der BRD die deutsche Mehr- Das Ausmaß dieser Entwicklung ist bei Vie- heitsbevölkerung als neue Opfergruppe ausfindig len - vor allem im Westen der Bundesrepublik zu machen. Die ökonomische Situation im Ostteil noch lange nicht angekommen. Bei aller berech- der Republik ist angespannter als im Westen und tigter Kritik an der Unteilbar-Demo in Dresden, unleugbar fanden in den letzten 30 Jahren Prozesse wobei der größte Teil aus weiter Ferne vorge- statt, die die Ungleichheit nicht verringert sondern bracht wurde, übersah eben diese Kritik oftmals vertieft haben - das ersehnte Versprechen des Kapi- einen nicht unwesentlichen Faktor: sächsische talismus hat seine Wirkung entfaltet. Schmerzhaft Verhältnisse. Nicht nur, dass ein Nazi-Hooligan aber scheint erneut für einige Linke die Erkenntnis wie Benjamin Brinsa in Wurzen ins Stadtparla- zu sein, dass sich „das deutsche Volk“ im Augen- ment gewählt worden ist, er wird dort auch noch blick der Krise eben völkisch entscheidet und nicht als Demokrat legitimiert, normalisiert und per für den Sozialismus. 12
Gerade in Brandenburg wurde die AFD auch letzten 30 Jahren jene Kräfte innerhalb der ehema- und vermehrt von Arbeiter*innen gewählt (wobei ligen DDR zur Sprache kamen, die sowohl von der dieser * nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass BRD als auch von dieser Form des abgewrackten die AFD vor allem - und das umfasst sämtliche Pseudosozialismus nichts mehr wissen wollten. Wählergruppen - verstärkt von Männern gewählt Gleichzeitig wird deutlich, dass die AfD eben nicht wird. So ist es auch wenig überraschend, dass der nur die Partei alter frustrierter Männer ist, son- Anteil an Frauen in den Landesparlamenten für dern erfolgreich jene anspricht, die „das System“ die kommende Legislaturperiode so gering ist wie überwinden wollen. Die AFD betreibt mit einem schon lange nicht mehr. Und das liegt auch - aber Wahlkampf a la „Wende 2.0“ offensichtlich erfolg- nicht nur - daran, dass von Seiten der AFD aus- reich die Revitalisierung des Mythos als politisches schließlich Männer in die Parlamente entsandt Mittel. Dem mit dem identitätspolitischen Kon- werden. Auch innerhalb der Fraktionen der CDU zept einer ostdeutschen Schicksalsgemeinschaft zu ist ein Rückgang des Frauenanteils zu beobachten.) begegnen, wie es seit Beginn des Sommers in letz- Gleichzeitig sind es auch besonders junge ter Verzweiflung begonnen wurde, scheint wenig Leute und Erstwähler*innen die ihr Kreuz am zielführend. rechten Rand machen. Daran wird auf der einen tm colaboration Seite deutlich, wie wirkmächtig Narrative familien- intern weitervererbt werden und wie wenig in den Buch: Die Sprache der Neuen Rechten. Populistische Rhetorik und Strategien »Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie wieder und wieder bemüht, und das ist weder neu werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wir- noch irgendwie hilfreich zur Verbesserung der Situa- kung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung tion in einer Gesellschaft, die immer roher zu werden doch da.« (Victor Klemperer) droht: Hetze, Fremdenhass, die Verunglimpfung von Minderheiten, unanständigste Beschimpfungen von Und die Giftwirkung ist da, wie das erste Sep- Privatpersonen aus der alleruntersten Schublade. In tember-Wochenende unmissverständlich gezeigt hat, Internetforen und sozialen Netzwerken nehmen die an dem rechte Populisten es in Sachsen und Bran- Menschen kein Blatt mehr vor den Mund; zuneh- denburg jeweils zur zweitstärksten Partei gebracht mend sind brutale, menschenverachtende und volks- haben. Als wir dieses Buch begonnen haben, war verhetzende Sprachausfälle, gar Aufrufe zur Gewalt uns klar, dass es wichtig war. Dass es so wichtig sein zu verzeichnen, die einen angst und bange werden würde, hätten wir ehrlich gesagt nicht gedacht, und lassen. Dass die Rezepte, die unsere Politiker dagegen die Freude darüber bleibt uns naturgemäß im Halse anwenden, kaum Wirkung zeigen, haben wir gese- stecken. Eine breite Leserschaft wünschen wir ihm hen. »So, wie wir aktuell mit der Rechten umgehen, trotzdem bzw. gerade deshalb, denn indem Enno schaffen wir das nicht!«, lautet denn auch Enno Stahls Stahl die Sprache der Neuen Rechten, von Identitärer ernüchterndes Fazit. Komplexe Kausalzusammen- Bewegung, Antaios Verlag, AfD, PEGIDA und Co., hänge haben dazu geführt, dass es so weit hat kom- auseinanderklaubt, entlarvt er klar und deutlich, was men können. Dieser Essay schaut hinter die Kulissen dahinter steckt – und was so viele der Wähler und und analysiert die Bedingungen, die diese Entwick- Sympathisanten der Neuen Rechten wahrscheinlich lung begünstigt haben. Was man dagegen tun kann? nicht wahrhaben wollen bzw. bewusst und beharrlich Enno Stahl schließt mit einigen Hinweisen zur Stra- leugnen: Es handelt sich nicht um originäre Rezep- tegie im Handeln gegen Rechts. te zur Verbesserung der Situation sozial Benachtei- ligter oder der Situation der Gesellschaft insgesamt; Julia Aparicio Vogl, Lektorin des Kröner Verlags der Rezepte sind überhaupt nicht viel und die soge- nannten Rezepte zur Verbesserung der Situation der Enno Stahl: Die Sprache der Neuen Rechten. Populisti- ›Kleinen Leute‹ entpuppen sich bei genauem Hinse- sche Rhetorik und Strategien, Stuttgart: Kröner 2019. hen sogar als das genaue Gegenteil. Nur eines wird ISBN: 978-3-520-72101-3, 208 Seiten, 14,90 € 13
RADIO IM OKTOBER Die Untüchtigen: »My „Die Distanz war gegebenen“ only friend the End. Ein - Eine radiophone Annähe- ABC der Apokalypse« rung an Christian Geissler Donnerstag, 03. Oktober, um 09.00 h Montag, 21. Oktober, um 15.30 Uhr „Ein ABC der Apokalypse anlässlich der Wieder- Da sprach ein Kommunist und er wagte es sich mit geburt der Untüchtigen. Szenische Lesung und der Geschichte, auch und vor allem der kommunisti- kleine Feierstunde mit Gala Winter, Ruth Marie schen, anders als wissenschaftlich auseinanderzuset- Kröger, Roger Behrens, dem Granulitpavillon und zen. Er suchte, auch in der Sprache, einen Weg zu fin- den Untüchtigen.“ den, mit den Niederlagen, Rückschlägen und Irrun- gen, die das 20. Jahrhundert der kommunistischen Alles längst Geschichte?! Utopie unwiederbringlich zugefügt hatte, umgehen zu können. Mögen seine Erzählungen und Reden Freitag, 11. Oktober, um 10.00 Uhr sich vor einem konkreten historischen Zusammen- hang abspielen, ist doch etwas darin, was darüberhin- „[N]ichts, was sich jemals ereignet hat, [ist] für die aus weist. Die vielleicht zentrale Fragestellung in z.B. Geschichte verloren zu geben“, formulierte Walter kamalatta danach, was der Hauptprotagonist Proff Benjamin einst als Anspruch von Geschichtsschrei- bereit ist für das Erlangen der Utopie aufzugeben, bung. Dagegen wird Geschehenes häufig nur zu hat nichts an ihrer Aktualität verloren – mehr noch gerne als Geschichte abgehakt, um die „versteinerten stellt sie eigentlich die weit verpönte Frage nach der Verhältnisse“(Marx) zu affirmieren. In der Auseinan- konkreten Erscheinungsform der Utopie und dem dersetzung mit der aktuellen Geschichtsschreibung Weg dorthin. Christian Geissler war und ist dabei nie zum 100. Jubiläum der Uni Hamburg setzen wir uns unvoreingenommen, nie unparteiisch, nie aber auch mit verschiedenen geschichtswissenschaftlichen An- ohne Widerspruch. sätzen auseinander. Messitsch Radio Show #4 Dr. Rhytm & Soul Dienstag, 22. Oktober, um 22.00 Uhr Samstag, 12. Oktober, um 17.00 Uhr Musik, Interviews und Radioessay zur DDR- Indie- Soulfull music for open minded soulfull lovers szene und aktuellen ostdeutschen Alternativszene. Die „anderen“ Bands bis Punk und Electronic mit No Future? Das Potential Hodscha und Christo. Benannt nach dem Leipziger Musikmagazin MESSITSCH (1987-1993). der Utopie - SchwarzRund und María do Mar Cast- Ein migrantisches 1968? ro Varela in der W3 Montag, 28. Oktober, um 14.00 Uhr + Montag, 14. Oktober, um 14.00 Uhr Mittwoch 30. Oktober um 08.00 Uhr Warum erscheint die Student*innenbewegung im Mit dem Bild der Alternativlosigkeit kommt häufig Nachhinein als „urdeutsche“ Angelegenheit? Offen- eine lähmende Resignation, die höchstens noch an bar wird der Anteil von Migrant*innen am Erbe von Schadensbegrenzung glaubt. Ist ein hoffnungsvoller 1968ff. unterschätzt oder vergessen. Jedenfalls sind in Ort in der Zukunft utopisch? der Rezeption diese historischen Kämpfe nicht wirk- lich präsent – ob nun in den Medien, der Wissen- schaft oder selbst der Linken. 14
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