Transparenzbericht an die Aktionärinnen und Aktionäre der UBS AG
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Transparenzbericht an die Aktionärinnen und Aktionäre der UBS AG Finanzmarktkrise, grenzüberschreitendes US-Vermögensverwaltungsgeschäft, Verantwortlichkeitsfragen und interne Aufarbeitung
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Vorwort des Verwaltungsrates Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre Sehr geehrte Damen und Herren Die enormen Verluste der UBS im Zusammenhang mit der für die Schäden soweit möglich aufkommen? Wie konnte es Finanzmarktkrise, die Auseinandersetzungen mit den US-ame- überhaupt geschehen, dass ein scheinbar so erfolgreiches Un- rikanischen Behörden sowie die Tatsache, dass die UBS durch ternehmen in eine derartige Situation geriet? Will der heutige die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Schweizerische Verwaltungsrat mit dem Verzicht auf Klagen die Verantwort Nationalbank gestützt wurde, haben zu heftigen Reaktionen lichen gar schützen? geführt. Vor dem Hintergrund der vorübergehenden Staatsbe- Solche Fragen sind umso berechtigter, als der Bund mit Steu- teiligung wird in der Öffentlichkeit gefordert, dass die UBS über ergeldern Kapital in die UBS einschiessen und die Schweize die damaligen Geschehnisse innerhalb der Bank Klarheit schaf- rische Nationalbank von der UBS gewisse Risiken übernehmen fe und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehe. Transpa- musste. Dass der Bund seine Beteiligung mit einem markanten renz ist auch nach unserer Überzeugung unverzichtbar, damit Gewinn abstossen konnte und dass sich auch die Nationalbank die UBS verlorenes Vertrauen wiedergewinnen kann. gute Chancen für einen Gewinn ausrechnen kann, tut der Be- In ihrem Bericht vom 30. Mai 2010 forderten die Geschäfts- rechtigung dieser Fragen keinen Abbruch. Auch im GPK-Bericht prüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPK) von und in nachfolgenden Gesprächen zwischen einer Delegation der UBS konkret, dass sie den bankinternen Umgang mit der des Bundesrates und einer Delegation der UBS kam die Forde- Krise und mit dem grenzüberschreitenden US-Geschäft auf rung nach Klärung dieser Fragen deutlich zum Ausdruck. arbeitet; dass sie in einer öffentlich nachvollziehbaren Weise Transparenz herstellt bezüglich des Entscheids, auf die Einlei- Vergangenheitsbewältigung tung strafrechtlicher und zivilrechtlicher Schritte gegen das frü- here UBS-Management zu verzichten; und dass sie die Öffent- Ein grundlegend erneuerter Verwaltungsrat und eine umfassend lichkeit über die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse erneuerte Geschäftsleitung haben 2009 die Aufgabe übernom- informiert. men, die UBS zu restrukturieren und zu nachhaltigem Erfolg zu Mit dem vorliegenden Transparenzbericht nehmen wir die führen. Dabei konzentrieren wir uns in einem komplexen wirt- Empfehlungen der GPK auf und kommen den Wünschen einer schaftlichen und regulatorischen Umfeld auf die Zukunft, berück- bundesrätlichen Delegation nach. Unser Bericht ist darauf aus- sichtigen bei dieser Zukunftsgestaltung aber auch die Erkenntnisse gerichtet, die Entwicklungen bei der UBS, die zu den Verlusten aus der Vergangenheit. Eine umfassende Vergangenheitsbewälti- und Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre geführt gung war daher auch im Interesse der Unternehmung. haben, die daraus gezogenen Lehren und die in der Folge ge- Wir haben uns bei dieser Arbeit und den entsprechenden troffenen Massnahmen nachvollziehbar aufzuzeigen. Wir legen Entscheidungen auf umfassende Grundlagen – Untersuchun- auch klar, weshalb wir darauf verzichtet haben, rechtliche gen der Bank selbst, Gutachten externer Experten aus dem In- Schritte gegen ehemalige Organpersonen einzuleiten. Was die und Ausland und Berichte der Aufsichtsbehörden – gestützt. geforderte bankinterne Aufarbeitung betrifft, so sind wir über- Diese umfangreichen internen und externen Untersuchungen zeugt, dass diese umfassend durch die Untersuchungen ver- haben der Bank Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verur- schiedener Aufsichtsbehörden erfolgt ist. Der vorliegende Be- sacht. Sie wurden in über einem Dutzend Berichte, welche Tau- richt macht dies deutlich und rundet die Aufarbeitung zuhanden sende von Seiten umfassen, zusammengefasst. Die Lehren, die aller Interessengruppen ab. wir daraus gezogen haben, setzte und setzt die Bank in ihrer Strategie und im Tagesgeschäft um. Unmut in der Öffentlichkeit Wichtige Erkenntnisse aus den internen und externen Unter- suchungen wurden auch zu den Verantwortlichkeitsfragen ge- Die UBS hatte vor der Krise den Ruf einer erfolgreichen und um- wonnen. Dass der Verwaltungsrat zum Schluss kam, auf ent- sichtig geführten Bank. Manche Schweizerinnen und Schweizer sprechende Klagen zu verzichten, hat stichhaltige Gründe: Zum mögen gar ein wenig stolz darauf gewesen sein, dass ein global einen wären die Erfolgsaussichten, wie der vorliegende Bericht derart renommiertes und offenbar solides Unternehmen Sitz zeigt, mehr als ungewiss. Zum andern dauern solche Verfahren und Wurzeln in der Schweiz hat. In der Finanzkrise zeigte sich erfahrungsgemäss viele Jahre, verursachen horrende Kosten, aber, dass es unter der damaligen UBS-Führung zu schwer führen immer wieder zu Schlagzeilen und behindern damit wiegenden Fehlentwicklungen gekommen war. Die Bank erlitt den Wiederaufbau von Vertrauen, vor allem auch dann, wenn einen enormen Vertrauensverlust. sie ohne Ergebnis enden. Auch sind gegen Einzelpersonen ge- Für den durch diese Ereignisse entstandenen Unmut haben richtete Klagen nicht geeignet, die Ursachen einer Krise um wir Verständnis. Die Fragen, die in der Öffentlichkeit aufgewor- fassend zu erhellen. Zudem hätten solche Verfahren einen fen werden, sind nachvollziehbar: Wer trägt die Verantwortung lähmenden Einfluss auf das Unternehmen selber und behinder- für die Verluste der Bank und für das Fehlverhalten in den USA? ten die notwendige Ausrichtung auf die Zukunft. Schliesslich – Müssen die Verantwortlichen bestraft werden, und sollen sie und dies wiegt besonders schwer – würden die Verfahren die 1
Vorwort des Verwaltungsrates Rechtsposition der UBS in hängigen Prozessen signifikant schwä- Dank diesem günstigen Umfeld konnten sich auch die UBS chen. Dies schafft unverantwortbare finanzielle Risiken für die UBS. und ihre Vorläuferbanken im Laufe vieler Jahre zu einem Unter- Aus diesen Gründen kann für den Verwaltungsrat eine Klage nehmen entwickeln, das für die gesamte Schweizer Wirtschaft gegen ehemalige Organe nicht in Frage kommen. Es ist wichtig, und deren Finanzsektor von grosser Bedeutung ist. Dies veran- dies in aller Klarheit festzuhalten. Für den Verwaltungsrat ist schaulicht eine wichtige Wechselwirkung: Leistungsfähige Un- dies keine Frage des Ermessens: Es ist eine Frage der Pflicht, die ternehmen bringen der Schweiz Wohlstand, und gute wirt- er auch im Lichte intensiver öffentlicher Kritik zu erfüllen hat. schaftspolitische Rahmenbedingungen sind eine unverzichtbare Basis für leistungsfähige Unternehmen. Das bedeutet, dass die- Transparenz se Unternehmen in hohem Masse vom Standort profitieren und auch diesem gegenüber Verantwortung tragen. Dessen ist sich Wir sind überzeugt, dass wir mit dem vorliegenden Bericht über der Verwaltungsrat der UBS bewusst. Wenn ein Grosskonzern die Entscheidungsgrundlagen des Verwaltungsrates, die zu die- von globaler Ausstrahlung strauchelt, beschädigt dies nicht nur sem Klageverzicht geführt haben, umfassend Aufschluss geben seine eigene Reputation, sondern auch die seines Standortes. und damit dem Transparenzbedürfnis aller Interessengruppen Das hat sich auch im Fall der UBS gezeigt. Rechnung tragen. Wenn wir den Verzicht auf rechtliche Schritte gegen die frü- Um der Öffentlichkeit und den Aktionären noch eine unab- heren Verantwortlichen in erster Linie mit der gesetzlichen hängige Zweitmeinung zur Verfügung zu stellen, haben wir Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft be- Prof. Peter Forstmoser, eine Autorität auf dem Gebiet des Ge- gründen, so bedeutet dies nicht, dass sich der Verwaltungsrat sellschaftsrechts, gebeten, völlig unabhängig die Plausibilität seiner Verantwortung dem Heimatstaat gegenüber nicht be- der Entscheide des Verwaltungsrates zu beurteilen. wusst wäre. Nicht zuletzt deshalb hat die UBS systematisch und Eine unabhängige Evaluation der Gründe, warum ein so re- konsequent die Lehren aus früheren Fehlern gezogen. Sie be- nommiertes Unternehmen wie die UBS derart in Schwierigkei- müht sich um eine Unternehmenskultur, die ein Verhalten aus- ten kommen konnte, ist nicht nur relevant für die Aktionärin- schliesst, das nicht nur die Reputation der UBS selber, sondern nen und Aktionäre, sondern auch für die Führung der UBS. auch des Standortes Schweiz beschädigt. Wir glauben denn Dabei ist es wichtig, Strategie und Handeln der UBS im Kontext auch, dass der Klageverzicht durchaus im langfristigen Interesse des wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrundes und des Verhal- des Wirtschaftsstandortes Schweiz liegt. Niemand kann ein In- tens anderer relevanter Akteure zu beurteilen. Mit dieser Auf- teresse daran haben, dass die UBS mit einer Klage beträchtliche gabe haben wir den auf Finanzmärkte spezialisierten Wirt- Risiken eingeht und noch lange nicht zur Ruhe kommt. schaftshistoriker PD Dr. Tobias Straumann beauftragt. Auch er arbeitete völlig unabhängig. Dank Verantwortung Verwaltungsrat und Konzernleitung sind Parlament, Bundesrat, Verwaltung und Nationalbank zu Dank verpflichtet. Unser Dank Was geschehen ist, hätte nicht geschehen dürfen. Der vorlie- gilt vor allem auch den Aktionären und Kunden, die der UBS in gende Bericht zeigt, durch welche Umstände, durch welches schwieriger Zeit die Treue gehalten, sowie unseren Mitarbeite- Fehlverhalten und durch welche Versäumnisse es dazu gekom- rinnen und Mitarbeitern, die unter anspruchsvollsten Bedingun- men ist. Mit unserem Entscheid, auf rechtliche Massnahmen zu gen vollen Einsatz gezeigt haben. verzichten, wollen wir weder begangene unternehmerische Die UBS soll nach menschlichem Ermessen nie mehr in eine Fehler beschönigen noch die handelnden Personen von ihrer solche Situation geraten können. Sie ist heute finanziell stabil, unternehmerischen Verantwortung freisprechen. Zu dieser und wir werden alles daransetzen, dass sie ihre Dienstleistun- müssen all jene stehen, die als Organe die Geschicke der UBS gen für die Schweiz und ihre Wirtschaft, für die anderen Län- damals mitbestimmt haben, auch wenn straf- und zivilrecht der, in denen sie tätig ist, sowie für all ihre Kunden zuverlässig liche Fragen in letzter Konsequenz offenbleiben müssen. Ein und in überdurchschnittlicher Qualität erbringt. Bis wir dies für grosser Teil der betreffenden Personen hat im Übrigen durch alle ersichtlich erreicht haben, werden wir nicht ruhen. Verzicht auf Ansprüche und durch Rückzahlungen solche un- ternehmerische Verantwortung indirekt übernommen. Zürich, im Oktober 2010 Die Schweiz als Standort für global tätige Firmen Dass die kleine Schweiz einen überdurchschnittlichen Wohl- stand erarbeiten konnte, hat nicht nur mit unternehmerischer Tüchtigkeit der Wirtschaft, sondern auch mit ausgezeichneten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun. Für diese Rah- Kaspar Villiger menbedingungen ist die Politik verantwortlich. Präsident des Verwaltungsrates 2
Inhaltsverzeichnis 4 I. Zusammenfassung 33 III. Grenzüberschreitendes US-Vermögensverwaltungsgeschäft 34 A. Wie kam es zu den Problemen mit den US-Behörden? 15 II. Finanzmarktkrise 34 1. Das grenzüberschreitende Vermögensverwaltungsgeschäft der UBS 16 A. Wie kam es zu den Verlusten der UBS in der Finanzmarktkrise? 34 2. Rechtliche Rahmenbedingungen 16 1. Finanzprodukte im US-Immobilienmarkt 35 3. Das US-Crossborder-Geschäft der UBS zwischen 2000 und 2007 18 2. Engagement der UBS im US-Immobilienmarkt 37 4. Kontaktaufnahme durch US-Behörden 18 3. Ausbruch der Krise 38 B. Wie hat die UBS die Ereignisse aufgearbeitet? 19 4. Massnahmen der UBS zur Stärkung ihrer Kapitalbasis 38 1. Untersuchung durch Wachtell, Lipton, Rosen & Katz 20 B. Wie hat die UBS die Krise aufgearbeitet? 40 2. Interne disziplinarische Untersuchung durch die UBS 20 1. Untersuchungen der UBS 40 3. Wie konnte es zu den Problemen im US-Crossborder-Geschäft kommen? 21 2. Von den Verlusten betroffene Geschäftsbereiche 42 C. Wie haben die Aufsichtsbehörden die Ereignisse aufgearbeitet? 22 3. Wie konnte es zu den Verlusten kommen? 42 1. Untersuchung durch die Eidgenössische Bankenkommission 24 C. Wie haben die Aufsichtsbehörden die Krise aufgearbeitet? 44 2. Untersuchungen der US-Behörden 24 1. Untersuchung durch die Eidgenössische Bankenkommission 47 D. Welche Schritte hat die UBS unternommen, damit sich die 25 2. Untersuchung durch die SIX Swiss Exchange Probleme nicht wiederholen? 26 3. Untersuchungen durch ausländische Aufsichtsbehörden 47 1. Rückzug aus dem US-Crossborder-Geschäft 27 D. Welche Schritte hat die UBS unternommen, damit sich («US Settlement Execution Program») solche Verluste nicht wiederholen? 48 2. Umfassende Massnahmen zur Identifikation und Kontrolle der 27 1. Massnahmenplan der UBS Risiken im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft 28 2. Strategie («Crossborder Business Review Program») 29 3. Unternehmensführung (Governance) 51 3. Änderungen im Bereich der Organisation des Rechtsdienstes 29 4. Risikomanagement und der Compliance 29 5. Risikokontrolle und Finanzwesen 51 4. Verbesserung der Organisation und des Programms zur Kontrolle 30 6. Mittelbeschaffung und Bilanzbewirtschaftung der Umsetzung des QI Agreement 30 7. Vergütung 53 IV. Verantwortlichkeitsfragen 55 A. Zivilrechtliche Ansprüche gegen die ehemaligen Organe der UBS 55 1. Voraussetzungen für eine Klage aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit 56 2. Untersuchungen im Auftrag der UBS 57 3. Ansprüche im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise 57 4. Ansprüche im Zusammenhang mit dem US-Crossborder-Geschäft 58 5. Weitere Überlegungen des Verwaltungsrates 60 B. Strafrechtliche Schritte gegen die ehemaligen Organe der UBS 60 1. Gutachten Bär & Karrer 60 2. Abklärungen durch die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich 61 3. Beurteilung durch den Verwaltungsrat 62 C. Entscheid des Verwaltungsrates 63 V. Wo steht die UBS heute? 64 A. Notwendigkeit einer neuen Unternehmenskultur 65 B. Blick nach vorne 69 Glossar 3
I. Zusammenfassung I. Zusammenfassung Die UBS AG («UBS») durchlebte zwischen Mitte 2007 und Ende Schaffen von Transparenz 2009 die schwerste Krise ihrer Unternehmensgeschichte. Diese Turbulenzen bewältigte die UBS vor allem auch durch die Un- Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte terstützung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und ihrer («GPK») führten von März 2009 bis Ende Mai 2010 eine umfassen- Behörden: Im Herbst 2008 verpflichtete sich die Schweizerische de Untersuchung durch, die das Verhalten der involvierten Schwei- Nationalbank («SNB»), von der UBS gehaltene Wertschriften im zer Behörden unter dem Druck der Finanzmarktkrise und die Betrag von bis zu USD 60 Milliarden zu übernehmen, um deren Herausgabe von UBS-Kundendaten durch die schweizerischen Be- Bilanz zu entlasten. Eine von der SNB gegründete Zweckgesell- hörden an die USA zum Gegenstand hatte. Der GPK-Bericht vom schaft, der SNB StabFund, übernahm bis im Frühjahr 2009 30. Mai 2010 enthält unter anderem 19 Empfehlungen an den Wertpapiere im Betrag von insgesamt USD 39,6 Milliarden. Bundesrat für das weitere Vorgehen. Empfehlung 19 richtet sich Gleichzeitig erhielt die UBS von der Schweizerischen Eidgenos- auch direkt an die UBS und verlangt in der Hauptsache Folgendes: senschaft einen Kapitaleinschuss von CHF 6 Milliarden. Die –– Die UBS solle dafür sorgen, dass der bankinterne Umgang Schweizer Behörden begründeten ihren Entscheid, die UBS mit mit der Subprime-Krise und ihrem grenzüberschreitenden diesen Massnahmen zu unterstützen, mit der Systemrelevanz Geschäft in den USA aufgearbeitet wird; der UBS für den schweizerischen Finanzplatz und die Volkswirt- –– der UBS-Verwaltungsrat solle Transparenz herstellen bezüg- schaft. Im Kontext der Auseinandersetzungen mit den US-Be- lich des Entscheids, auf die Einleitung strafrechtlicher und hörden im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsge- zivilrechtlicher Schritte gegen das frühere UBS-Management schäft musste der diplomatische Weg beschritten werden. zu verzichten; und Heute, im Oktober 2010, steht die UBS wieder gesund und –– die UBS solle die Öffentlichkeit über die wesentlichen Ergeb- schlagkräftig da. Seit dem vierten Quartal 2009 schreibt sie nisse und Erkenntnisse informieren. wieder Gewinne, ihre Eigenkapitaldecke ist solide, und sowohl die Bilanzsumme als auch die Risiken der Bank sind seit Aus- Mit dem vorliegenden Bericht nimmt die UBS die Empfehlung bruch der Finanzmarktkrise um fast die Hälfte reduziert wor- 19 der GPK auf und beleuchtet die Entwicklungen der letzten den. Die Schweizerische Eidgenossenschaft konnte die UBS- Jahre, die intern und extern durchgeführten Untersuchungen Aktien, die sie aus dem Kapitaleinschuss erhalten hatte, im und die bei der UBS getroffenen Massnahmen. Auch erläutert Sommer 2009 mit Gewinn verkaufen. Per Ende Juni 2010 war der Verwaltungsrat der UBS mit diesem Bericht den Aktionärin- das Gesamtengagement des SNB StabFund auf USD 19,2 Mil- nen und Aktionären und der interessierten Öffentlichkeit, wes- liarden gesunken. halb er darauf verzichtet hat, rechtliche Schritte gegen ehema- Diese positiven Entwicklungen in jüngster Zeit sollen aber lige Organpersonen einzuleiten. keineswegs über die gravierende Lage hinwegtäuschen, in die Dieser Bericht ist im Auftrag des Verwaltungsrates der UBS sich die UBS während ihrer Krisenjahre gebracht hatte. Insbe- erstellt worden. Zusätzlich hat der Verwaltungsrat zwei externe sondere stellt sich die Frage, wie es im Rahmen der Finanz- Gutachten unabhängiger Experten in Auftrag gegeben. marktkrise zu derart hohen Verlusten der Bank kommen konnte –– Zum einen hat Prof. Dr. Peter Forstmoser, emeritierter Profes- und wie sich die UBS in eine derart schwierige Lage im grenz- sor an der Universität Zürich und eine Autorität auf dem Ge- überschreitenden US-amerikanischen Vermögensverwaltungs- biet des Gesellschaftsrechts, eine Beurteilung zur Frage der geschäft manövriert hatte. Wie in diesem Bericht dargelegt aktienrechtlichen Verantwortlichkeit abgegeben. Prof. Forst- wird, hatten interne Ursachen, vorab organisatorische Mängel moser geht speziell darauf ein, ob der Entscheid des Verwal- und mangelnde Kontrollen innerhalb der Bank, zu den gravieren- tungsrates, auf die Einleitung rechtlicher Schritte gegen das den Verlusten der UBS im Zusammenhang mit der Subprime- frühere UBS-Management zu verzichten, vertretbar ist und Krise beigetragen. Die Probleme der UBS beim Engagement ob dem Verwaltungsrat für diesen Entscheid ausreichende im grenzüberschreitenden US-Vermögensverwaltungsgeschäft Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung standen. gründeten teilweise auf der mangelnden Durchsetzung inter- –– Zum anderen hat Dr. Tobias Straumann, Privatdozent an der ner Vorschriften und auf ungenügender Kontrolle derselben, Universität Zürich und auf Finanzmärkte spezialisierter Wirt- teilweise aber auch auf einer Unternehmenskultur, welche die schaftshistoriker, die Ursachen der Finanzmarktkrise und der Verletzung von Vorschriften durch einzelne Mitarbeiter zu we- Probleme der UBS mit ihrem grenzüberschreitenden Geschäft nig resolut anging. Die zwei Problemkreise hatten zwar nichts in den USA aus wirtschaftsgeschichtlicher und -politischer miteinander zu tun, trafen die Bank aber gleichzeitig und führ- Sicht aufgearbeitet. Dr. Straumann verfügt unter anderem ten daher zu einem grossen Vertrauensverlust. über grosse Erfahrung mit der Aufarbeitung der internatio- Was ist zwischen Mitte 2007 und heute passiert? Wie konn- nalen Finanzgeschichte und der europäischen Geld- und te es zu den folgenschweren Ereignissen kommen, und was ist Währungspolitik. Er geht in seiner Analyse den Fragen nach, seither unternommen worden? Mit diesem Bericht will die UBS warum die UBS von der Subprime-Krise besonders stark be- die nötige Transparenz schaffen, um alle relevanten Fragen of- troffen war und was die Fehlentwicklungen im Bereich der fen und direkt zu beantworten. grenzüberschreitenden US-Vermögensverwaltung auslöste. 4
Beide unabhängigen Experten hatten Zugang zu allen relevan- Brothers im September 2008. Zentralbanken weltweit mussten ten Unterlagen, insbesondere zu allen in diesem Transparenzbe- mit massiven Liquiditätsspritzen für die Aufrechterhaltung des richt erwähnten internen und externen Untersuchungsberich- Kreditgeschäftes im Interbankenverkehr sorgen, und verschie- ten und Gutachten. Die UBS hat den Experten mit Bezug auf dene Regierungen, unter anderem in den USA, in Grossbritan- den Umfang, den Inhalt und die Schlussfolgerung ihrer Arbeit nien und in Deutschland, verordneten einzelnen Banken, für die keinerlei Instruktionen oder Auflagen erteilt. sie direkt verantwortlich waren, staatliche Kapitalzuschüsse. Auch die Schweiz stellte Finanzhilfen für das Bankensystem zur Finanzmarktkrise Verfügung. Am 16. Oktober 2008 vereinbarte die UBS mit der SNB, Entwicklungen einen Teil ihrer Positionen in US-amerikanischen und anderen Zwischen dem dritten Quartal 2007 und dem vierten Quartal Wertschriften an eine von der SNB zu gründende Zweckgesell- 2009 nahm die UBS Wertberichtigungen im Umfang von mehr schaft mit dem Namen «SNB StabFund» zu verkaufen. Die UBS als CHF 50 Milliarden vor. Diese Wertberichtigungen erfolgten beteiligte sich am Eigenkapital der Zweckgesellschaft mit einem grösstenteils im Zuge der weltweiten Finanzmarktkrise, die im Betrag im Wert von 10% der transferierten Wertpapiere, ver- Geschäft mit strukturierten Finanzprodukten mit Bezug zum bunden mit der Möglichkeit zum Rückkauf dieser Positionen. US-amerikanischen Wohnimmobilienmarkt ihren Anfang nahm. Zur Finanzierung der Eigenkapitalbeteiligung und gleichzei Solche Finanzprodukte, die die Risiken der zugrunde liegenden tigen Wahrung einer starken Kapitalbasis der UBS zeichnete die Hypothekardarlehen abbilden, erfüllten vor der Finanzmarktkrise Schweizerische Eidgenossenschaft eine Pflichtwandelanleihe im eine steigende Nachfrage der Anleger, wurden aber mit der Zeit Betrag von CHF 6 Milliarden. Zudem erklärte sie ihre Bereit- immer komplexer. Die Finanzinstitute wie die UBS waren auf ver- schaft, im Bedarfsfall neue kurz- und mittelfristige Interbank- schiedenen Stufen des Marktes involviert und führten solche Pro- verbindlichkeiten sowie Geldmarktgeschäfte von Schweizer dukte auch in ihren eigenen Bilanzen. Ausgelöst durch einen Banken zu garantieren. Zwischen Herbst 2008 und Frühjahr unerwartet heftigen und raschen Preiszerfall auf dem US-ameri- 2009 wurden Wertschriften im Wert von insgesamt USD 39,6 kanischen Immobilienmarkt, führte ein Zusammentreffen ausser Milliarden an die Zweckgesellschaft übertragen. gewöhnlicher Faktoren dazu, dass der Markt für diese Produkte Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Ban- ab Ende Juli 2007 innert kurzer Zeit komplett austrocknete. Die ken im Zuge der Finanzmarktkrise bis im April 2010 weltweit Heftigkeit der Abwärtsbewegung im US-amerikanischen Markt rund USD 2300 Milliarden an Wertberichtigungen vornehmen für strukturierte Finanzprodukte kam für die meisten Marktteil- mussten. Am meisten betroffen waren die US-amerikanischen nehmer, so auch für die UBS, überraschend. Banken Citibank und Merrill Lynch; die UBS ist die Bank, die Die Konzernleitung der UBS erkannte den Umfang der mög- weltweit die drittgrössten und in Europa die meisten Verluste lichen Konsequenzen im Geschäft mit verbrieften Produkten erlitten hat. mit Bezug zum US-Häusermarkt erst Ende Juli 2007, als die Märkte bereits unter Druck kamen. Der Verwaltungsratspräsi- Aufarbeitung der Ereignisse dent und die beiden vollamtlichen Vizepräsidenten des Verwal- Nach Ausbruch der Finanzmarktkrise und den ersten Verlusten tungsrates der UBS (das sog. «Chairman’s Office») sowie die machte sich die UBS daran, die Ursachen zu ergründen, die zu Konzernleitung wurden am 6. August 2007 über das Ausmass diesen Entwicklungen geführt hatten. Die Aufsichtsbehörden der Probleme orientiert. haben die in diesem Zusammenhang geführten internen Unter- Am 14. August 2007 warnte die UBS den Markt vor Proble- suchungen begleitet. Eine interne Untersuchung der UBS, de- men im Zusammenhang mit der sich anbahnenden Krise. Am ren Ergebnisse im April 2008 in zusammengefasster Form 1. Oktober 2007 orientierte sie über die im dritten Quartal vor- öffentlich bekannt gemacht wurden, ortete eine Reihe institu genommenen Wertberichtigungen auf ihren Positionen, und tioneller Fehlleistungen, die dazu führten, dass die UBS stärker am 10. Dezember 2007 wurde eine Reihe von Kapitalmassnah- als andere von der Krise getroffen wurde: men, einschliesslich der Ausgabe einer Pflichtwandelanleihe an –– Wachstumsstrategie: Die UBS hatte im Sommer 2005 einen einen Staatsfonds der Regierung Singapur und an einen Inves- wesentlichen Teil ihres Geschäftes mit festverzinslichen Anla- tor im Mittleren Osten im Umfang von insgesamt CHF 13 Milli- geprodukten in die Tochtergesellschaft Dillon Read Capital arden, öffentlich bekanntgegeben. Zusammen mit zwei weite- Management («DRCM») abgespalten. Ende 2005 wurde be- ren Massnahmen, nämlich dem Verkauf eigener Aktien und der schlossen, parallel zu DRCM dasselbe Geschäft auch inner- Ausrichtung einer Aktiendividende anstelle einer Bardividende, halb der Investmentbank der UBS auszubauen, denn die UBS konnte die Kapitalbasis der UBS um insgesamt CHF 19,4 Milli- wollte auch in diesem Bereich zu den weltweit besten Ban- arden verbreitert werden. ken vorrücken. Die Ressourcen dazu mussten allerdings erst Weitere Wertberichtigungen im ersten Halbjahr 2008 mach- noch aufgebaut werden, da viele Spezialisten inzwischen zu ten eine zusätzliche Kapitalerhöhung notwendig: Am 1. April DRCM gewechselt hatten. Im Rückblick wurde die Wachs- 2008 wandte sich die UBS an ihre bisherigen Aktionäre und tumsstrategie zu wenig systematisch geplant und in der Um- nahm im Juni 2008 im Rahmen einer Publikumskapitalerhö- setzung zu wenig kontrolliert. hung zusätzlich rund CHF 15 Milliarden auf. Die Krise war da- Im Ergebnis führte diese Wachstumsstrategie dazu, dass mit indes noch nicht zu Ende. DRCM einerseits und die Investmentbank anderseits in ähnli- Ihre Spitze erreichte die Finanzmarktkrise nach dem Zusam- che Kategorien von Anlageprodukten investierten. Da DRCM menbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman unter anderem in Produkte mit tiefer Bonität, die UBS aber 5
I. Zusammenfassung grossenteils in Produkte mit vermeintlich hoher Qualität inves- –– Übertriebenes Vertrauen in statistische Modelle: Im Rück- tierte, wurde dem Risiko eines Kurszusammenbruchs in allen blick zeigte sich, dass die Fachleute der UBS im Bereich der Anlagekategorien gleichzeitig zu wenig Beachtung geschenkt. Risikokontrolle zu sehr auf statistische Modelle vertraut hat- –– Keine Bilanzlimiten: Bis zur Finanzmarktkrise bestanden kei- ten. Auch mass die Bank den Kreditprüfungsagenturen und ne Limiten für die Bilanzsumme. Im Verbund mit den übrigen den von diesen verliehenen Bestnoten für gewisse Anlage- hier geschilderten Ursachen führte dies dazu, dass massive produkte zu grosse Bedeutung bei. Diese modellgestützte Bestände an US-amerikanischen Hypothekenpapieren auf- Betrachtungsweise, welche zudem stark auf das Urteil der gebaut werden konnten, was verheerende Folgen hatte, als Kreditprüfungsagenturen abstellte, führte letztlich dazu, dieses Geschäft einzubrechen begann. dass der Blick auf die zugrunde liegenden fundamentalen –– Günstige Refinanzierung: Bis zur Finanzmarktkrise fiel es der Risiken im US-Häusermarkt verstellt war. UBS leicht, zu günstigen Konditionen an den Kredit- und Ka- –– Vergütung: Die vor der Finanzmarktkrise angewandten Ver- pitalmärkten Geld aufzunehmen. Die auf den Märkten erhal- gütungsmodelle unterschieden zu wenig streng zwischen tenen kurzfristigen Mittel wurden innerhalb der Bank ohne der Schaffung von echtem Mehrwert durch überdurch- Risikozuschläge weitergegeben, ungeachtet der Risiken, wel- schnittliche Leistung und der Generierung von Erträgen che die einzelnen Geschäftseinheiten einzugehen bereit wa- durch das Ausnützen von Marktvorteilen, etwa tiefen Refi- ren. Die Investmentbank hatte somit die Möglichkeit, ver- nanzierungskosten. Es bestand ein Anreiz, Umsatz zu gene- meintlich sichere Anlagen im US-Hypothekenmarkt zu tätigen rieren, ohne das damit verbundene Risiko angemessen zu und sich gleichzeitig sehr günstig zu refinanzieren. Als im berücksichtigen. Rahmen der Finanzmarktkrise die Kreditmärkte austrockne- ten, implodierte diese Strategie, da auf den Märkten keine Die Aufsichtsbehörden – allen voran die damalige Eidgenössi- günstige Refinanzierung mehr möglich war. sche Bankenkommission («EBK»; die heutige Eidgenössische –– Falsche Sicherheit trotz Warnzeichen: Gegen Ende 2006, Finanzmarktaufsicht, «FINMA») – führten eigenständige Unter- also weniger als ein Jahr vor dem Ausbruch der Finanzmarkt- suchungen durch. Diese wurden im September 2008 abge- krise, zeichnete sich ab, dass die Entwicklung am US-ameri- schlossen und Mitte Oktober 2008 öffentlich bekannt gemacht. kanischen Immobilienmarkt möglicherweise die Form einer In ihrer Gesamtwürdigung hielt die EBK fest, dass sie die Analy- spekulativen Blase annehmen könnte. se der UBS betreffend die wahrgenommenen Schwächen teilt. Dennoch wähnte sich die Leitung der Investmentbank der Die EBK führte ferner aus, die UBS habe ihre Subprime-Risiken UBS bis Ende Juli 2007 einerseits in der falschen Sicherheit, unzulänglich erfasst, begrenzt und überwacht. Diese Feststel- vorwiegend in hochwertige Anlageprodukte hoher Bonitäts- lung betreffe die Gesamtheit der Führungs-, Geschäfts- und stufe mit einer als ausreichend beurteilten Verlustabsicherung Kontrollprozesse, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. investiert zu sein. Entsprechende Produkte wurden aufgrund Die EBK kam zum Schluss, dass nicht jede der aufgeführten der angenommenen Qualität der zugrunde liegenden Sicher- Schwächen für sich allein genommen Ausdruck einer unzurei- heiten als hochwertig eingestuft, das heisst als AA, AAA oder chenden Organisation oder von schlechtem Management oder teils sogar noch höher, als sog. Super-Senior. Soweit die UBS mangelhafter Führung sei – wesentlich sei vielmehr das im Er- anderseits im Ankauf, in der Bündelung und dem Weiterver- gebnis ungenügende Zusammenspiel gewesen. kauf von strukturierten Finanzprodukten tätig war, ging sie Zusammenfassend stellte die EBK fest, die UBS als Ganzes überdies davon aus, die im sog. «Warenlager» gehaltenen habe im Umgang mit den Subprime-Wertschriften das banken- Anlageprodukte jederzeit am Markt verkaufen zu können. gesetzliche Gebot der Gewähr für einwandfreie Geschäftsfüh- Gestützt auf diese – im Nachhinein unzutreffenden – Annah- rung verletzt, die damals aktuellen Funktionsträger der Bank men verzichtete die UBS darauf, zusätzliche Massnahmen zur treffe aber keine aufsichtsrechtliche Verantwortung. Was da- Begrenzung des Risikos am US-Häusermarkt einzuleiten. mals bereits ausgeschiedene Organe betrifft, stellte sich die –– Keine Gesamtbetrachtung der Risikopositionen: Das Ma- Frage nicht, weil die EBK gemäss langjähriger und bestätigter nagement der Investmentbank der UBS kannte zwar die ein- Praxis mit Bezug auf ausgeschiedene Funktionsträger keine Ge- zelnen Positionen innerhalb der Geschäftseinheiten, die in währsprüfung unternimmt. Die EBK bemerkte ferner, ihre Un- US-amerikanische Hypothekenprodukte investierten bzw. tersuchung habe keine Hinweise zu Tage gefördert, die darauf diese Produkte bündelten und weiterverkauften. Allerdings hindeuten würden, Manager der UBS hätten die Bank gezielt fehlte eine über die gesamte Bank einheitliche Betrachtung schädigen wollen oder seien allein um hoher Boni willen be- der damit einhergehenden Kredit- und Ausfallrisiken. wusst unkalkulierbare Risiken eingegangen. Ebenfalls bestün- –– Vertrauen auf die Informationen aus den Geschäftseinhei den keine Anzeichen dafür, dass die für die Risikokontrolle zu- ten: Die Konzernleitung der UBS vertraute bis Ende Juli 2007 ständigen Stellen die eingegangenen Risiken zwar erkannt, den Aussagen der Leiter der zuständigen Geschäftseinhei- aber bewusst darüber hinweggesehen hätten. ten, Risikomanagement und Risikokontrolle auch im US- Die UBS teilt die Einschätzungen, die aus diesen Untersu- amerikanischen Hypothekenmarkt im Griff zu haben. Erst ab chungen resultierten. Sie hat seit 2008, teilweise bereits unter Ende Juli 2007 hatte die Leitung der Investmentbank Klar- der alten Führung der Bank, eine Reihe von Massnahmen ein- heit über das mögliche Ausmass der Risikopositionen. Das geleitet und zu einem wesentlichen Teil bereits umgesetzt. Die- Chairman’s Office des Verwaltungsrates und die übrige Kon- se sollen dazu führen, Führung und Risikokontrolle massiv zu zernleitung wurden am 6. August 2007 über diese Entwick- stärken, so dass sich die Verluste der Finanzmarktkrise nicht lungen orientiert. wiederholen werden. Dazu zählen die folgenden: 6
–– Strategie: Die Gesamtstrategie der Bank wurde insgesamt so heute vereinfacht und vereinheitlicht. Jeder Chief Risk Officer angepasst, dass das direkt im Kundenauftrag vollzogene Ge- einer Geschäftseinheit hat nur den Group Chief Risk Officer schäft zukünftig im Fokus steht. Damit einher geht eine Re- als direkten Vorgesetzten, und die Risikokontrolle des Kon- duktion des Eigenhandels und der damit verbundenen Risi- zerns erfolgt heute unabhängig von den Geschäftsbereichen. ken. Als Sofortmassnahme hat der CEO der Investmentbank Die innerhalb der Bank verwendeten Regeln und Modelle im Jahr 2008 zudem die Portfolios jedes Geschäftsbereichs zur Risikokontrolle sind umfassend überprüft und wo nötig überprüft. Neu stellt die Konzernleitung zusammen mit dem verbessert worden. Dies gilt insbesondere für Value-at-Risk- CEO der Investmentbank sicher, dass periodisch auf allen Berechnungen, Stresstests, die Risikoaggregation und die Stufen Überprüfungen durchgeführt werden, die eine um- Überwachung von Bewertungs- und Buchungsmodellen. fassende Beurteilung der Risiken sicherstellen sollen. Ebenso sind Qualität und Frequenz der Berichterstattung für –– Unternehmensführung (Governance): Seit Beginn der Fi- die Erfolgsrechnung der Bank erhöht worden. Im Rahmen nanzmarktkrise hat die UBS den Verwaltungsrat und die der vereinheitlichten und integrierten internen Berichterstat- Konzernleitung grundlegend erneuert. Die neue Konzern- tung erhalten heute alle Mitglieder des Verwaltungsrates spitze der UBS wurde dabei in erheblichem Umfang von aus und der Konzernleitung ein «Monthly Performance Up- sen rekrutiert. Die Erfahrung, die sich diese Spitzenkräfte bei date». Dieser Bericht analysiert die Geschäftsentwicklung anderen Finanzdienstleistern aneignen konnten, kommt nun der Bank und thematisiert umfassend die relevanten inter- der UBS zugute. nen und externen Risiken, denen die Bank ausgesetzt ist. Auf Ebene der Gesamtbank erfolgte eine klare Trennung Der Eintritt in neue Geschäftsfelder (New Business Initia der Kompetenzen des Verwaltungsrates einerseits und der tives) unterliegt neu einer verschärften Kontrolle und muss Konzernleitung anderseits. Im Juli 2008 wurde das Chairman’s letztlich dem Risikoausschuss des Verwaltungsrates vorgelegt Office aufgelöst und durch Ausschüsse des Verwaltungsrates werden. Für die Prüfung von grossen und risikobehafteten ersetzt; gleichzeitig wurde ein neuer Risikoausschuss ge- Transaktionen sind auf verschiedenen Stufen Gremien geschaf- schaffen, dem ausschliesslich unabhängige Verwaltungsräte fen worden, welche die Transaktion zu genehmigen haben. angehören. Im Oktober 2008 wurden neue Verwaltungsrats- –– Mittelbeschaffung und Bilanzbewirtschaftung: Die Konzernlei- mitglieder zugewählt. Im Frühling 2009 erfolgte eine noch- tung bildet heute zugleich das Asset and Liability Committee malige personelle Erneuerung der Konzernspitze, mit der der («ALCO») auf Stufe Konzern. Die jeweils verantwortlichen Mit- Bank als Ganzem ein Neuanfang ermöglicht werden sollte. glieder dieses Komitees vertreten im Verwaltungsrat die Zutei- Der Verwaltungsrat trägt die oberste Verantwortung im lung von Bilanzlimiten, risikogewichteten Aktiven und Kapital Bereich der Strategie. Er genehmigt die Risikokapazität und an die einzelnen Geschäftsbereiche. Zudem genehmigt das den Risikoappetit des Konzerns sowie die Zuteilung von ALCO konzerninterne Finanzierungen. Kapital und Bilanzlimiten an die Geschäftsbereiche. Die Kon- Auf Konzernebene und insbesondere auf Ebene der In- zernleitung ist direkt für die Umsetzung der Strategie ver vestmentbank sind Limiten bezüglich Bilanzwachstum und antwortlich, weist den Geschäftsbereichen die dazu not- risikogewichteter Aktiven eingeführt worden. Finanzie- wendigen Ressourcen zu und wird an ihrem risikoadjustierten rungskosten werden heute risikogerecht behandelt. Erfolg gemessen. –– Vergütung: Die Vergütungen der Verwaltungsratsmitglieder –– Risikomanagement: Die Erfassung von Positionen, deren Be- und der Konzernleitung wurden vor dem Hintergrund des wertung und die Beurteilung von deren Risiken bzw. Aus Ziels einer nachhaltigen Entwicklung der Bank überprüft, wirkungen auf die Erfolgsrechnung sind nun konzernweit überarbeitet und angepasst. geregelt. Die Bank hat ein Verfahren eingeführt, das kom- Sämtliche Aspekte der individuellen Zielsetzungen und plexe Produkte und Transaktionen laufend überwacht, um der Leistungsbeurteilung der obersten Kader der Bank wur- Risikokonzentrationen frühzeitig zu identifizieren. Jede Ge- den verbessert. Damit soll sichergestellt werden, dass die schäftseinheit muss in der Lage sein, ihre Bilanz (inklusive Führungskräfte bei den Entschädigungsentscheiden der Risikopositionen) und Erfolgsrechnung anhand einheitlicher nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes ein hö- Messgrössen zu erklären. heres Gewicht beimessen als vor der Krise. Darüber hinaus Die Geschäftspläne werden heute sowohl auf Konzern- wird die Vergütung vermehrt in Aktien und eigenkapitalbe- stufe als auch auf Stufe der einzelnen Geschäftsbereiche zogenen Instrumenten ausgerichtet. nach einheitlichen Kriterien beurteilt und regelmässig hinter- Schliesslich hat die UBS im Vergleich zu der Zeit vor der fragt. CEO und Konzernleitung überprüfen mindestens vier- Finanzmarktkrise insofern die Grundzüge der Vergütung ge- mal im Jahr die Erreichbarkeit der gesetzten Ziele. Im Rahmen ändert, als die variable Vergütung nicht nur eine Bonus-, der Berichterstattung werden die Erträge und die Kosten der sondern teilweise auch eine Malus-Komponente beinhaltet. einzelnen Geschäftseinheiten mit den Planvorgaben abge Insbesondere wird ein Malus gebucht, falls auf Stufe Kon- glichen, womit die Unternehmensführung Fehlentwicklun- zern- oder Geschäftsbereich ein Verlust resultiert oder die gen frühzeitig erkennen und korrigieren kann. Konzernbilanz massiv korrigiert werden muss. Beim einzel- –– Risikokontrolle und Finanzwesen: Während Spezialisten vor nen Kadermitglied kann darüber hinaus ein Malus gebucht der Finanzmarktkrise zum Beispiel im Bereich Risikokontrolle werden, wenn grobe Verstösse gegen Compliance-Regeln häufig zwei Vorgesetzten unterstellt waren – dem Leiter des oder eine Verletzung von Risikorichtlinien festgestellt wer- Geschäftsbereichs als Linienvorgesetztem und einem Fach- den. In besonders krassen Fällen verfällt die aufgeschobene spezialisten im Bereich Risikokontrolle –, sind die Strukturen Vergütung vollständig. 7
I. Zusammenfassung Eine detaillierte Beleuchtung der Gründe, die zu den Verlusten geheimnisses in der Schweiz Vermögen halten können, wenn der UBS in der Finanzmarktkrise geführt haben, findet sich in diese nicht in US-Wertschriften investieren. In den USA steuer- Teil II.A (vgl. hinten Seite 16 ff.) dieses Transparenzberichts. Auf- pflichtige Kunden, die in US-Wertschriften anlegen wollen, schluss über die Untersuchungen der UBS, die den Ursachen müssen den Banken ein sog. «Formular W-9» einreichen, was der Verluste in der Finanzmarktkrise nachgingen, gibt Teil II.B im Ergebnis bedeutet, dass die Kontobeziehung des Kunden (vgl. hinten Seite 20 ff.). Die in diesem Zusammenhang durchge- gegenüber dem IRS offengelegt wird. Die Banken sind zudem führten Untersuchungen der in- und ausländischen Aufsichts- verpflichtet, für den IRS gewisse Verwaltungshandlungen, ins- behörden werden in Teil II.C (vgl. hinten Seite 24 ff.) erläutert. besondere die Identifikation aller wirtschaftlich Berechtigten Teil II.D (vgl. hinten Seite 27 ff.) schliesslich umfasst eine detaillier- der bei ihnen angelegten Vermögenswerte, vorzunehmen, die te Betrachtung der Schritte, welche die UBS unternommen hat, für die korrekte Anwendung der Quellensteuersätze auf Erträge um sicherzustellen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht aus US-Wertschriften gemäss anwendbarem DBA nötig sind. wiederholen. Das QI Agreement zwischen dem IRS und der UBS trat auf den 1. Januar 2001 in Kraft. Die UBS setzte das Vertragswerk Grenzüberschreitendes US-Vermögensverwaltungsgeschäft und die dadurch erforderlichen organisatorischen Massnahmen fristgerecht um, was bei ihr wie bei allen anderen betroffenen Entwicklungen Banken einen ausserordentlich grossen Aufwand verursachte. Die UBS betreut einen grossen Teil ihrer Kunden über Niederlas- Wie sich später herausstellte, war diese Umsetzung bei der UBS sungen in dem Land, in dem diese Kunden wohnen. Dieses Ge- jedoch mangelhaft, und in einer Reihe von Fällen wurden die schäft wird als «Onshore-Geschäft» bezeichnet. Ein weiterer im Zusammenhang mit dem QI Agreement erlassenen internen Teil ihrer Kunden hat ein Konto bei einer Niederlassung bzw. Richtlinien der Bank missachtet. Mangelhafte Kontrollen führ- Tochtergesellschaft der UBS ausserhalb des Landes ihres Wohn- ten dazu, dass diese Vorfälle erst sehr spät erkannt und diszipli- sitzes. Hier spricht man vom grenzüberschreitenden, dem sog. niert wurden. «Offshore-» oder «Crossborder-Geschäft». Das Crossborder- Zusätzlich zu den Bestimmungen des QI Agreement hatte die Geschäft war und ist für die UBS und für viele andere, vor allem UBS auch Einschränkungen des US-amerikanischen Finanz- Schweizer Banken, die im Bereich der internationalen Anlage- marktaufsichtsrechts zu beachten. Wer in den USA Anlagebera- beratung und Vermögensverwaltung tätig sind, ein wichtiger tung, Vermögensverwaltung oder den Handel mit Wertschriften Geschäftszweig. Im Rahmen des Crossborder-Geschäftes für betreibt, muss über eine Lizenz verfügen. Dies gilt auch für das US-amerikanische Kunden hatte die UBS nicht nur das schwei- grenzüberschreitende Geschäft, insbesondere dann, wenn sich zerische Recht zu beachten, sondern auch das Recht am Wohn- der Kunde bei einem konkreten Geschäftskontakt – egal, ob die- ort des Kunden, also das US-amerikanische Recht. ser persönlich, per Telefon, Telefax, Post oder per E-Mail stattfin- Viele Offshore-Kunden wählen eine Bankbeziehung zu einer det – in den USA befindet. Die UBS war in der Zeit bis 2005 in Bank in der Schweiz aufgrund der politischen Stabilität des Lan- den USA nicht für das grenzüberschreitende Vermögensverwal- des und der hohen Dienstleistungsqualität im Bankenwesen. tungsgeschäft lizenziert und hatte daher die aus der Registrie- Andere schätzen aus persönlichen Diskretionsgründen speziell rungspflicht fliessenden Beschränkungen zu beachten (Restriktio- das Schweizer Bankensystem und das im Bankengesetz ver nen der US Securities Exchange Commission, «SEC-Restriktionen»). ankerte Bankkundengeheimnis. Bei gewissen Kunden ging es So war es der UBS, solange sie noch nicht über eine Lizenz ver- dabei auch darum, im Land ihres Wohnsitzes Steuern zu ver- fügte, nicht gestattet, in den USA beispielsweise einen Auftrag meiden. Dies war die Wurzel des Problems, das zu den Ausein- für den Kauf oder den Verkauf von Aktien entgegenzunehmen andersetzungen zwischen der UBS und den US-amerikanischen oder dort mit ihren Kunden konkrete Anlageberatungsgespräche Behörden führte. zu führen. Wie sich im Rahmen der Untersuchungen zeigte, hat- Gegen Ende der Neunzigerjahre revidierte die US-amerika ten Kundenberater die SEC-Restriktionen in Verletzung interner nische Steuerbehörde (Internal Revenue Service, «IRS») das Richtlinien in einer Reihe von Fällen missachtet. bestehende Quellensteuersystem in weiten Teilen und führte Im September 2007 informierte das US Department of Justice insbesondere das sog. «Qualified Intermediary System» («QI- («DoJ») und später auch die US Securities Exchange Commissi- System») ein. Mit dem QI-System wollte der IRS erreichen, dass on («SEC»), dass sie gegen die UBS Untersuchungen eröffnet die Erträge, welche nicht-US-amerikanische Steuerpflichtige hätten, nachdem sie von Bradley Birkenfeld, einem ehemaligen mit US-Wertschriften erzielen, mit den korrekten Quellensteu- UBS-Kundenberater, auf angebliche Missstände im US-Cross- ersätzen gemäss anwendbaren Doppelbesteuerungsabkom- border-Geschäft hingewiesen worden seien. Die beiden Behör- men («DBA») belastet werden. Zudem sollte erreicht werden, den machten insbesondere geltend, dass die UBS in vielen Fällen dass US-amerikanische Steuerpflichtige ihre Erträge, die sie mit die Verletzung von SEC-Restriktionen geduldet hätte und dass US-Wertschriften erzielen, welche sie bei nicht in den USA an- es im Zusammenhang mit der Einführung des QI Agreement bei sässigen Finanzinstituten halten, ordnungsgemäss deklarieren in den USA steuerpflichtigen Kunden zu Umgehungsgeschäften und versteuern. gekommen sei. Ende Februar 2008 verlangte das DoJ die Offen- Das QI-System beruhte auf einem Vertrag (Qualified Inter- legung von Informationen über gewisse Kontobeziehungen mit mediary Agreement, «QI Agreement»), den ausländische Ban- US-amerikanischen Kunden in der Schweiz, einschliesslich der ken mit dem IRS abschliessen können. Für Banken, die dem QI Identität dieser Kunden. Im Juni und Juli 2008 ergänzte der IRS Agreement unterstellt sind, gilt, dass ihre in den USA steuer- diese Informationsbegehren des DoJ zuerst mittels eines sog. pflichtigen Kunden nur dann unter Wahrung des Bankkunden- «John Doe Summons»-Verfahrens und später auch mittels eines 8
Amtshilfegesuchs an die Eidgenössische Steuerverwaltung DBA zwischen den beiden Ländern. Zweck dieses Gesuchs war, («EStV») gemäss DBA zwischen der Schweiz und den USA. Am Informationen zu erhalten über bestimmte Konten, die US- 17. Juli führte das Permanent Subcommittee on Investigations Kunden bei der UBS in der Schweiz hielten. Die UBS wurde ver- des US-Senats zum US-Crossborder-Geschäft der UBS eine öf- pflichtet, Informationen über Konten, die in der Vereinbarung fentliche Anhörung durch. Bereits ab März 2008 ersuchte die zwischen den USA und der Schweiz genau umschrieben waren, UBS die Schweizer Behörden um Unterstützung. Die von der an die EStV herauszugeben. Weiter musste die Bank die betref- UBS selbst, der EBK sowie den amerikanischen Behörden durch- fenden US-Kunden schriftlich dazu aufrufen, von einem freiwil- geführten Untersuchungen sowie das Amtshilfeverfahren durch ligen Offenlegungsprogramm des IRS Gebrauch zu machen. die EStV nahmen viel Zeit in Anspruch. Rückblickend hatten sich Viele Kunden der UBS haben diese Gelegenheit ergriffen und die UBS und die Schweizer Behörden über die zunehmende Es- ihre Steuersituation inzwischen bereinigt. kalationslage gegenseitig nicht genügend informiert und beide hatten die politische Lage letztlich falsch eingeschätzt. Der Ver- Aufarbeitung der Ereignisse waltungsrat beauftragte erst relativ spät einen Ausschuss mit Ab dem zweiten Halbjahr 2007 wurde eine darauf spezialisierte einer engeren Beobachtung und Überwachung der Angelegen- US-amerikanische Anwaltskanzlei mit der Durchführung einer heit. Die Untersuchungen durch die UBS, die EBK sowie die US- unabhängigen Untersuchung zu den vom DoJ und der SEC ge- amerikanischen Behörden führten zur Feststellung, dass die UBS machten Vorwürfen beauftragt. Diese Untersuchung wurde in und ihre Mitarbeiter in den Jahren 2001 bis 2007 Verpflichtun- laufender Absprache mit diesen Behörden durchgeführt. Es gen unter dem QI Agreement und den SEC-Restriktionen ver- entwickelte sich daraus die aufwändigste und umfassendste letzt hätten und dass die Bank deren Einhaltung nicht genügend Untersuchung, welche die UBS je in Auftrag gegeben hatte. Sie kontrollierte hätte. beleuchtete jeden erdenklichen Aspekt des grenzüberschreiten- Nach Abschluss der Untersuchungen durch die UBS und die den Vermögensverwaltungsgeschäftes mit US-amerikanischen EBK nahmen die UBS und die amerikanischen Behörden Ver- Kunden der UBS. Die EBK war ebenfalls über diese Untersu- handlungen über einen möglichen Vergleich auf. Die Verhand- chung informiert und führte darüber hinaus eine eigenständige lungen mit dem DoJ gestalteten sich äusserst schwierig. Die Untersuchung durch. US-Behörden stellten sich unter anderem auf den Standpunkt, Im Ergebnis haben die folgenden Fehler zu den Problemen dass ein Vergleich ohne gleichzeitige Lieferung einer Anzahl mit den US-Behörden geführt: Kundendaten, sei es über die seit Juli 2008 laufende steuerliche –– Fehlen einer ganzheitlichen und kontinuierlichen Risikoana Amtshilfe oder anderweitig, nicht möglich sein werde. Zugleich lyse: Die UBS hatte die Risiken im Zusammenhang mit dem stand die Erhebung einer strafrechtlichen Anklage gegen die US-Crossborder-Geschäft seit 2000 zunehmend erkannt. Bank und ihre obersten Organe im Raum. Die EBK, ihre Nach- Dies galt sowohl für die Risiken im Zusammenhang mit der folgebehörde FINMA und der Bundesrat wurden regelmässig Implementierung des QI Agreement als auch mit der Einhal- über den Verlauf der Verhandlungen orientiert. Aufgrund des tung der SEC-Restriktionen. Die Risikobeurteilung und die sich abzeichnenden Justizkonflikts standen die Schweizer Be- entsprechenden Massnahmen wurden indes – mit gewissen hörden bereits seit Frühling 2008 auch selber mit den US-Be- Ausnahmen – für die beiden Komplexe separat vorgenom- hörden in direktem Kontakt. Am 18. Februar 2009 konnte die men. Den Risiken, die sich aus dem gleichzeitigen Betreiben UBS schliesslich einen Vergleich mit dem DoJ und der SEC ab- eines Onshore- und eines Offshore-Geschäftes ergaben, wur- schliessen. Als Teil dieses Vergleiches verpflichtete sich die UBS, de zu wenig Beachtung geschenkt. Die Folgen eines mögli- insgesamt USD 780 Millionen zu bezahlen und den bereits ein- chen Zusammengehens der verschiedenen Behörden bei der geleiteten Ausstieg aus dem grenzüberschreitenden Vermö- Durchsetzung ihrer Vorschriften und die grössere Angriffsflä- gensverwaltungsgeschäft mit US-amerikanischen Kunden ab- che, welche die UBS den Regulatoren mit ihrer stärkeren Prä- zuschliessen. Die UBS wurde sodann unter dem Druck einer senz in den USA bot, wurden nicht ganzheitlich beurteilt. drohenden strafrechtlichen Anklage in den USA und den Aus- Diesbezüglich wurde zu stark darauf abgestützt, dass die SEC wirkungen einer solchen von der FINMA angewiesen, ihr gewis- die Einhaltung der SEC-Restriktionen im grenzüberschreiten- se Daten zu einzelnen Kundenbeziehungen zu liefern, welche den Verkehr mit Privatkunden bislang kaum durchsetzte. Da- die FINMA dann an das DoJ weitergab. Trotz intensiver Bemü- rüber hinaus hatte die UBS die Konsequenzen, die aus dem hungen Ende 2008 und Anfang 2009 war es nicht gelungen, zunehmenden Fokus der US-amerikanischen Behörden auf gleichzeitig mit den Vergleichen mit dem DoJ und der SEC auch die Durchsetzung ihres Steuerrechts und dem zunehmenden mit dem IRS eine Einigung betreffend die «John Doe Summons»- innenpolitischen Druck entstanden, nicht zeitgerecht in die Verfahren zu erzielen. entsprechenden Massnahmen umsetzen können. Die weiteren Verhandlungen mit dem IRS im «John Doe –– Zögerliche und unvollständige Umsetzung beschlossener Summons»-Verfahren zogen sich bis in den Sommer 2009 hin. Massnahmen: Da die Risiken, zumindest isoliert, weitgehend In diesem Verfahren hatte der IRS die UBS gerichtlich dazu wahrgenommen wurden, hat die UBS im Verlauf der letzten zwingen wollen, sämtliche Bankdaten von US-Steuerpflichtigen Jahre auf oberster Führungsstufe sinnvolle Massnahmen be- mit Konten bei der UBS in der Schweiz herauszugeben. Dieses schlossen, um die weitgehende Einhaltung der massgebli- Verfahren konnte am 19. August 2009 auf staatsvertraglicher chen US-amerikanischen Gesetze zu gewährleisten. Es fehlte Ebene zwischen der Schweiz und den USA einvernehmlich erle- indes wiederholt an der nötigen Rigorosität und Geschwin- digt werden. Im Zuge dieser Vereinbarung stellte der IRS bei der digkeit bei der Umsetzung dieser Massnahmen. Das gilt EStV ein Amtshilfegesuch auf der Grundlage des bestehenden etwa für die Anpassung des Geschäftsmodells im Jahr 2002, 9
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