Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr

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Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Fachdienst für Kind und Familie e.V.
                    79539 Lörrach

Tüllinger Blätter             Ausgabe 21
                           Dezember 2020

             Ein heraus-
        forderndes Jahr
Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Die Tüllinger Höhe – Angebote und Standorte

Luftbild der Tüllinger Höhe vor dem Abriss des Altbaus    Heilpädagogische Wohngruppen

Unsere Schule in Obertüllingen                            Heilpädagogische Tagesgruppen

Schulkindergarten Tüllinger Höhe                          Jugendwohngemeinschaften

Wohnortnahe inklusive Schulstandorte (z.B. Rheinfelden)   Internat an der Gewerbeakademie Schopfheim

Außenstelle Beuggen                                       Außenstelle Haltingen (im Gebäude der Hans-Thoma-Schule)

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Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Editorial

Ein herausforderndes Jahr
Wenn uns das jemand vorher gesagt hätte …

Als wir uns 2019 entschlossen hatten, während           ein – inspiriert durch den Abriss des alten Heimge-
der Bauphase für unser neues heilpädagogisches          bäudes und der dadurch entstandenen Freifläche.
Zentrum in Obertüllingen zusammen zu rücken und         Inzwischen ist die Freifläche wieder ausgefüllt. Der
auf Containerbauten zu verzichten, dachte noch          Neubau nimmt Gestalt an und wir alle in Obertüllin-
niemand an Abstandsregeln oder Aerosolprobleme.         gen freuen uns auf den nächsten Sommer, der uns
Händeschütteln galt als wichtiges Begrüßungsritual      neben dem Einzug ins neue Haus hoffentlich auch
und Stoffmasken kannte man höchstens aus Bank-          das Ende des Abstandhaltens bringen wird.
räuberfilmen. Doch dann kam Corona. Kaum hatten
wir uns an die beengten Verhältnisse gewöhnt, da        In diesem Sinne grüßen wir Sie, wünschen Ihnen
wirbelte das Virus unsere Planungen und unseren         beim Lesen viel Freude und trotz aller Umstände
Alltag durcheinander. Dienstpläne, Reinigungspläne,     eine schöne Adventszeit.
Stundenpläne, Terminpläne, Ferienpläne, alles galt
nicht mehr und musste teilweise tages- oder wo-                         Das Vorstandsteam der Tüllinger Höhe,
chenweise neu zusammengestellt werden.                             Fachdienst für Kind und Familie e. V. Lörrach

So ist es nicht verwunderlich, dass im diesjährigen
Heft die Pandemie eine große Rolle spielt. Unsere
Kinder und Mitarbeitenden sahen sich von einer Wo-
che auf die andere vor Herausforderungen gestellt,
die wir so nicht kannten. Wie Sie aber lesen werden,
haben wir dabei nicht den Mut und schon gar nicht
den Humor verloren und versucht, das Beste aus der
Situation zu machen.

Wir haben mit diesem Heft aber auch an diejenigen
unserer Leser gedacht, die zur Entspannung lieber
coronafreie Artikel lesen möchten. Dafür haben wir
vollstes Verständnis und empfehlen Ihnen die ein-
leitenden Worte von Pfarrerin Dr. Beate Schmidtgen
                                                        Von links: Christof Schwald, Sonderschulrektor; Matthias Gärtner,
zu unserer Mitgliederversammlung. Sie geht dabei
                                                        Dipl. Ökonom (neu im Vorstand seit 2019); Lydia Müller Estefan,
auf die Geschichte und den Auftrag unseres Vereins      Dipl. Psychologin; Carsten Panse, Dipl. Sozialpädagoge (FH)

                                  Wenn Sie mehr über die Tüllinger Höhe,
                           Fachdienst für Kind und Familie e. V., erfahren wollen,
                            dann laden wir Sie zu einer kleinen Besichtigung ein:

                             www.tuellingerhoehe.de

                                                              Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 3
Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Tüllinger Höhe, Fachdienst für Kind und Familie

Ein neues Haus – damit die Arbeit
gut gelingen kann
Einleitende Worte zur Mitgliederversammlung 2019 von Dr. Beate Schmidtgen

Von weitem ist sie zu sehen, die Tüllinger Kirche, wie     das erste Mal wieder hier oben war und nur noch das
sie da oben auf dem Berg liegt. Ich bin viel beruflich     riesige Loch im Boden zu sehen war. Und ich kann
unterwegs, und wenn ich dann mit dem ICE durch Hal-        mir vorstellen, dass das auch ganz viel ausgelöst hat
tingen und Weil fahre, dann suche ich sie immer mit        bei Ihnen, die Sie darin gearbeitet und gelebt haben.
den Augen. Ein Zeichen von Heimat. Fast zu Hause.          Das war sicher nicht einfach, auch wenn der Umzug
Und mir geht das Herz auf, wenn ich die vertrauten         in die anderen Häuser gut geklappt hat.
Silhouetten vom Tüllinger und vom Rührberg sehe.           Jetzt wird ein neues Haus gebaut, an Stelle dieses
                                                           ersten Gebäudes, der Keimzelle der Tüllinger Höhe.
Herrmann Fingado kennt seinen Weg, er hat sein Ziel        Ein Zeichen dafür, wie sich die Arbeit im Rettungs-
vor Augen: Das neue Rettungshaus. Bei der Einwei-          haus über die Jahrzehnte und bald Jahrhunderte ver-
hung soll er sprechen, von seinen Erfahrungen als          ändert hat, wie die Aufgaben gewachsen sind – und
Hausvater in Dinglingen er-
zählen und wie wichtig es ist,
jungen Menschen eine Heimat
zu geben.
Wahrscheinlich ist er mit dem
Zug gekommen, von Lahr, an
der Station Leopoldshöhe,
dem heutigen Bahnhof Weil,
ausgestiegen. Und dann ist er
gelaufen. Über die Gemarkung
Weil Richtung Tüllingen.
Wie das für ihn war, beschreibt
er in seiner Ansprache so: „Als
ich gestern von der Leopolds-
höhe aus dem Berge der
schönen Aussicht zuwanderte,
erblickte ich zur Freude meines
Herzens neben dem Kirchlein
zu Obertüllingen das neue Ret- Jetzt ist da ein großes Loch, wo dieses erste Rettungshaus stand
tungshaus, welches die Liebe
derer ins Leben gerufen, denen der Jammer und das             auch die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die in
Verderben so vieler Kinder auch dieses Bezirks seit           ganz unterschiedlicher Intensität hier oben betreut
Jahren zu Herzen gegangen ist.“                               werden. Ein Rettungsdorf ist es geworden, so viele
Vor 160 Jahren wurde das neu gebaute Haus einge-              Häuser sind gebaut worden. Die Gründungsväter
weiht, die Keimzelle der heutigen Tüllinger Höhe.             würden staunen, was aus ihrem Werk geworden ist
Sechs evangelisch getaufte Waisenknaben fanden                – und sie würden es voll Dankbarkeit als Zeichen von
hier als erste Aufnahme.                                      Gottes Segen verstehen.

Jetzt ist da ein großes Loch, wo dieses erste Ret-         „Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und
tungshaus stand. Der Keller ist schon zu sehen, aber       selig zu machen, was verloren ist.“ über diesen Vers
ich habe ganz schön geschluckt, als ich im Sommer          aus dem Evangelium des Lukas hat Pfarrer Odenwald

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Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Tüllinger Höhe, Fachdienst für Kind und Familie

aus Blansingen die „Festre-
de“ gehalten, die Hauptan-
sprache unter den vielen
Ansprachen. Vieles von dem,
was er sagt, ist heute immer
noch gültig. Bei manchem
muss man sagen – leider.
Seine Klage über den Stand
des Glaubens kann man
heute genauso hören. Und
die Notwendigkeit, Kindern
Unterstützung und Heimat in
einer Einrichtung, in einem
Rettungshaus zu geben,
besteht immer noch – trotz
allem materiellen Reichtum
in unserem Land.

„Des Menschen Sohn ist ge-      Das alte Heimgebäude in den 1950er-Jahren
kommen, zu suchen und se-
lig zu machen, was verloren ist.“ So übersetzt Luther.         keiten zu entdecken und zu entwickeln, zur Ruhe zu
Ich bin Exegetin. Deshalb habe ich nachgeschaut,               kommen, manche auch Heilung zu finden. Und ihnen
was da auf Griechisch steht. Und da heißt es: „Des             damit die Chance zu geben, einen Platz in der Gesell-
Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und zu                   schaft zu finden, für sich selbst sorgen zu können.
retten, was verloren ist.“                                     Wie schwer das mitunter sein kann, davon erzählen
Mit diesem Vers wird die Geschichte von Zachäus                alle Ansprachen bei der Einweihung des Rettungs-
abgeschlossen. Und diese Geschichte macht deut-                hauses. Von Frust, auch wenn das damals nicht so
lich, was Lukas unter Rettung versteht. Die Rettung            benannt wird, von dem Gefühl, sich vergeblich zu
bezieht sich vor allem auf das Leben hier und jetzt:           mühen, aber auch von der Freude, wenn eine Ent-
Zachäus wird gesehen, wie er da auf seinem Baum                wicklung positiv verläuft, ein Kind seinen Weg findet.
hockt und vergeblich versucht hat, in die Nähe von
Jesus zu kommen. Er wird gesehen, in seiner Not                Den Gründungsvätern war es in erster Linie wichtig,
und als Mensch – und er findet dadurch zurück in               für das Seelenheil zu sorgen. Dazu war die Sorge für
die Gemeinschaft, die er verloren hat. Das ist Ret-            das leibliche Wohl eine Voraussetzung, aber sie woll-
tung. Eine Rettung, die sich auf unser Leben hier              ten vor allem dafür sorgen, dass die Kinder das, was
bezieht, im Hier und Jetzt, nicht auf ein Leben nach           sie in der Taufe geschenkt bekommen haben, nicht
dem Tod.                                                       verlieren: Die Gnade Gottes, das ewige Leben. So
                                                            haben sie das „selig machen“ verstanden. Denn wie
„Zu suchen und zu retten, was verloren ist“ – das           sollen die Kinder davon erfahren, wenn niemand da
beschreibt immer noch zutreffend die Aufgabe der            ist, der es ihnen erzählt? Deshalb war Bildung wich-
Tüllinger Höhe: Jungen Menschen eine Heimat auf             tig, musste überhaupt erst einmal Wissen über den
Zeit zu geben, in der sie den Raum haben, ihre Fähig-       Glauben vermittelt werden.

                                                                  Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 5
Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Tüllinger Höhe, Fachdienst für Kind und Familie

Das Rettungshaus sollte deshalb nicht
nur für eine gute Erziehung sorgen,
sondern auch für einen tragfähigen
Glauben. Mit der Konfirmation endete
der Aufenthalt und die Jugendlichen
kamen in Stellung oder in Ausbildung
bei Bauern und Handwerkern. Und bis
dahin musste auch die Grundlage für
ein christliches Leben gelegt sein.

Heute ist nur noch ein Bruchteil
der Kinder hier getauft, nur weni-
ge nehmen an der Konfirmation
teil. Der Religionsunterricht ist, wie
damals, religiöse Grundbildung. Bei
der Vorbereitung der Gottesdienste
zum Sommerfest haben wir immer
wieder gemerkt, dass solche grund-          Oktober 2020: Das neue Gebäude fügt sich in seine Umgebung ein
legenden Dinge wie das Vaterunser
unbekannt sind, aber die Kinder auf der anderen               unseres Könnens und unserer Kräfte zu kommen, die
Seite mit Begeisterung und großem Engagement                  Verheißung Gottes gilt, wie sie Johannes in Worte
die Gottesdienste mitgestaltet haben. Erfahrungen,            gefasst hat – und damit schlage ich die Brücke zum
die hoffentlich irgendwann Früchte tragen. Denn wir           vergangenen Sonntag, dem Ewigkeitssonntag:
können nur Wissen vermitteln. Dass daraus Glaube
wächst, das ist ein Geschenk, eine Gabe.                      Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,
                                                              und der Tod wird nicht mehr sein,
Jetzt wird ein neues Haus gebaut – damit die Arbeit           noch Leid noch Geschrei noch Schmerz
gut weitergehen kann. Manche Hoffnungen verbin-               wird mehr sein;
den sich damit, weniger Reibungsverluste im Alltag,           denn das Erste ist vergangen.
weniger Unterhaltskosten, das freut den Wirt-                 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe,
schaftsprüfer, weniger Energieverbrauch, das ist gut          ich mache alles neu!
für die Umwelt, mehr Raum für Beratung und Be-
gleitung. Alles wichtige Bedingungen, die wir in der          Bauen wir das neue Haus im Vertrauen auf Gott.
Hand haben. Die wir gestalten können und sollen,
damit möglichst viele Kinder und Jugendliche eine             Amen
Chance bekommen auf ein besseres Leben. Aber ob
es gelingt, das haben wir nur zum Teil in der Hand –
und da kommt unser eigener Glaube ins Spiel: Das                                                    Dr. Beate Schmidtgen
Vertrauen darauf, dass Gott vollendet, was begon-                                                                Pfarrerin
nen ist, dass Gott heilt, was wir nicht heilen können,                             Leiterin der Ev. Erwachsenenbildung
dass Gott neues Leben schenkt. Und dass auch                                                   Hochrhein-Markgräflerland
dann, wenn wir das Gefühl haben, an die Grenzen                                                                   Lörrach

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Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Heilpädagogische Wohngruppen

Sommer, Sonne, Gruppenferien
Wir lassen uns den Sommer nicht vermiesen!

Gruppenferien 2020                                       gen? Was sind möglicherweise Alternativen? Was
Die Ferienfreizeiten sind ein fester Bestandteil im      machen wir, wenn in den Sommerferien niemand
Jahreszyklus der Wohngruppen und besonders die           fahren darf?
großen Freizeitmaßnahmen in den Sommerferien
sind immer ein Highlight und ein schöner Ausklang        Die geplanten Freizeitmaßnahmen in den Pfingstferien
des Schuljahres.                                         wurden allesamt abgesagt und teilweise interessante
                                                         Alternativen (zum Beispiel Zelten im Garten vor dem
Einerseits bieten die Gruppenferien die Möglichkeit,     Gruppenhaus) gefunden. Im Zuge der Lockerungen
dass sich die Kinder und Jugendlichen mit den päda-      konnten die Gruppenferien in den Sommerferien glück-
gogischen Fachkräften in einem anderen Rahmen            licherweise stattfinden. Jeweils zwei Wohngruppen
als im pädagogischen Wohngruppenalltag erleben           sind – in enger vorheriger Absprache mit den Eltern der
und anderseits stehen die Gruppenferien auch             Kinder und Jugendlichen, sowie der Pädagogischen
immer für kulturelle Erfahrungen, für gemeinsame         Leitung – nach Italien gefahren, eine Wohngruppe war
Erlebnisse und auch für eine wohlverdiente Auszeit       am Bodensee und von den anderen Gruppen wurde der
vom zum Teil doch recht anstrengenden zurücklie-         nahe Schwarzwald, der Westerwald und das Emsland
genden Schuljahr.                                        in Niedersachsen angesteuert. Es sind alle - mit einer
                                                         Ausnahme (siehe unten) – gesund wiedergekommen.
Die Mitarbeitenden der Wohngruppen beginnen in
der Regel schon Monate im Voraus mit der Planung.        Die Ferienfreizeiten in den Sommerferien sind Jahr für
Die Ferienhäuser müssen oft schon im Herbst des          Jahr ein Erlebnis. Ich bin sehr froh, dass die Kinder, die
Vorjahres für den Sommer gebucht werden.                 Jugendlichen und die Mitarbeitenden auch in diesen
Auch in den ersten Monaten des Jahres 2020 lief          herausfordernden Zeiten diese Erfahrung machen
die Planung der Gruppenferien auf vollen Touren.         konnten!
Häuser wurden gebucht, Ausflugsziele recherchiert,
Fahrzeuge reserviert, die Personalplanung war im         Im Folgenden lesen Sie Berichte aus den Gruppenferien
Gange... und dann war aufgrund der Pandemie mit          (von den Kindern und Jugendlichen geschrieben). Es
den bekannten Auswirkungen und Einschränkun-             ist interessant und irgendwie auch schön, dass recht
gen alles mit einem riesengroßen Fragezeichen            selten Begriffe rund um die Pandemie auftauchen.
versehen. Dürfen wir denn überhaupt noch wegfah-
ren? Können wir ggf. das Haus stornieren? Müssen                                               Carsten Panse
wir die Gruppenferien in den Pfingstferien absa-              Bereichsleitung Heilpädagogische Wohngruppen

Wohngruppe Haus 106                                      erste Nacht haben wir alle überlebt, allerdings war
Da wir wegen Corona nicht in unser tolles Haus fah-      der Morgen nicht angenehm, da die Sonne dezent
ren konnten, haben wir in den Pfingstferien beschlos-    heiß auf unsere Zelte gestrahlt hatte. Manch einer
sen, dass wir, also die Kinder von beiden Häusern, die   der Gruppenmitglieder hat das Prinzip des Flüsterns
nicht heimfahren konnten, draußen im Garten zelten.      nicht verstanden. Nach einem ausgiebigen Frühstück
Dafür haben wir 5 Zelte in mühsamer Handarbeit auf-      begannen wir selbstgemachte Pasta zu machen, was
gebaut und eingerichtet. Unsere erste Aktion war ein     sich als sehr arbeitsintensiv herausstellte. Als wir die
Ausflug zum Tierpark Mundenhof. Am Abend muss-           Pasta zum Trocknen ausgelegt hatten, starteten wir
ten wir alle duschen, weil wir nach Ziege gerochen       Richtung Todtmoos. Dort begannen wir unsere Fluss-
haben. Anschließend wurde ausgiebig gegrillt. Die        wanderung in der Wehra. Diese ähnelte eher einer

                                                               Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 7
Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Heilpädagogische Wohngruppen

Rutschpartie auf dem Eis. Der Sinn und Zweck des        re Zelte abbauen. Alles in allem waren es schöne aber
Ganzen, eine Abkühlung zu bekommen, wurde erfüllt       zu kurze Gruppenferien.
und die Landschaft war wirklich schön. Als wir zu-
rückkehrten gab es eine riesige Pastaparty. An diesen   Wohngruppe Haus 115
Abend erwartete uns noch eine Nachtwanderung mit        In den Sommerferien waren wir zwei Wochen in Italien.
Fackeln und einem gemütlichen Lagerfeuer an der         Wir hatten ein Ferienhaus in dem Ort Triora, der zu der
Daurhütte. Am Feuer genossen wir ein Sandwich be-       Provinz Imperia in Ligurien gehört. Unser Haus sah
stehend aus Butterkeksen, Marshmallows und einem        nicht sehr groß aus, aber war so verwinkelt, dass es
Kinderriegel. Anschließend gab es noch eine Mutpro-     genügend Platz für uns alle geboten hat. Es gab zwar
be durch den finsteren Wald. Die übliche Morgenrou-     drei Duschen aber kein warmes Wasser. Das bedeutete
tine alle zu wecken übernahmen unsere Flüsterspezia-    jeden Abend kalt duschen. Das Haus hatte einen kleinen
listen. Das Highlight begann in Weitenau. Wir durften   Garten, der für gesellige Spieleabende aber vollkom-
eine Wanderung mit Lamas und Schafen antreten.          men ausreichte. Die Küche hatte einen Herd der für zwei
                                                        Stromausfälle gesorgt hat. Jedes Mal, wenn mehr als
                                                        drei Herdplatten genutzt wurden, hat es die Sicherung
                                                        rausgehauen. Wir hatten keinen Pool aber dafür einen
                                                        Fluss in der Nähe, der Taggia heißt und oft von uns ge-
                                                        nutzt wurde. Dadurch, dass kein direkter Weg zum Fluss
                                                        führte, mussten wir manchmal ein kleines Stück über
                                                        Stock und Stein zu Fuß gehen. Für den Fluss hatten
                                                        wir auch Luftmatratzen, die aber nicht lange gehalten
                                                        haben. An einem Tag machten wir eine Wanderung zu
                                                        einem Stausee, in dem wir eigentlich baden wollten,
                                                        doch das war nicht erlaubt und dadurch sind wir noch
                                                        auf den Gipfel gelaufen. Wir waren auch dreimal am
                                                        Meer und haben direkt auf dem Rückweg noch einge-
                                                        kauft, weil unser Haus eine Dreiviertelstunde von Arma
                                                        di Taggia, der nächst größeren Stadt entfernt war und
                                                        damit auch von sämtlichen Einkaufsläden. Wir haben
                                                        einen Tagesausflug nach Monaco, einer sehr luxuriösen
Auf Wandertour in bester Begleitung
                                                        Stadt, die zwischen Frankreich und Italien liegt, ge-
                                                        macht. Bekannt ist Monaco für die vielen teuren Autos
Jedes Lama hatte zwei Jugendliche als Begleitung        der reichen Leute. Von Porsche bis Bentley konnten wir
dabei. Die Schafe sind wild um uns herumgerannt und     alles bestaunen. Auf der Rückfahrt nach Deutschland ist
mussten ab und zu zurück zur Herde gebracht werden.     noch einer von uns aus dem stehenden Auto gefallen
Zu Hause angekommen haben wir unfassbar viele Ble-      und hatte sich am Kopf verletzt. Somit haben wir die
che Flammkuchen selber gemacht und verzehrt. Der        Ferien mit einem Krankenhausbesuch beendet. Schön
Abend wurde mit einem Freiluftkino, in dem Forrest      war’s trotzdem.
Gump lief, mit Chips und anderen Leckereien abge-
rundet. Am letzten Morgen wurde uns ein türkisches      Wohngruppe Südhaus
Frühstück der Extraklasse serviert. Nachdem unsere      Wir, die Gruppe Südhaus, waren in den Gruppenferien
Bäuche vollgeschlagen waren, mussten wir noch unse-     in einem kleinen Ort namens Niederirsen im Wester-

8 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Heilpädagogische Wohngruppen

                                                          Wasser zu dürfen ein Armband tragen, da die Anzahl
                                                          der Personen im Wasser dadurch geregelt wurde.
                                                          Die Armbänder wurden am Beckenrand ausgegeben
                                                          und wer kein Band hatte durfte nicht ins Wasser und
                                                          musste warten, bis wieder ein Armband „frei“ war.
                                                          Im Affen- und Vogelpark, einem Tier und Freizeitpark,
                                                          wo wir ebenfalls waren, musste man die Maske (wie
                                                          bei vielen anderen Ausflügen) nur im Eingangsbereich
                                                          und in den Innenräumen tragen, im Freigelände nicht.
                                                          Wir hatten daher kaum Einschränkungen. Die Affen im
                                                          Park durften nicht wie sonst direkt gefüttert werden,
                                                          das Futter konnte man nur durch Rohre ins Gehege
                                                          rutschen lassen. Zu den Ziegen durfte man in das
                                                          Gehege und sie füttern. Die Ziegen haben die Abstand-
                                                          regelung definitiv nicht eingehalten und uns das Futter
Campingurlaub zuhause, mit schönem Blick in die Schweiz
                                                          samt Tüte aus den Händen gerissen. Natürlich muss-
wald. Wir hatten ein Haus direkt am Wald- um uns          ten wir beim Einkaufen Maske tragen, aber das waren
herum nichts außer Bäume. Das Haus lag so abge-           wir ja schon gewohnt. Wir hatten viel Spaß und trotz
schieden, dass es nicht einmal Handyempfang gab.          Corona schöne Ferien.
Auf dem Grundstück hat im Nebenhaus der Vermie-
ter mit seiner Familie gelebt. Alle waren sehr nett.
Außerdem haben Hund, Hasen, Ziegen und Hühner
dort gelebt und wir durften mit den Tieren spielen,
sie streicheln und haben sogar ab und zu frische Eier
geschenkt bekommen. In und um das Haus herum
hatten wir keinerlei Einschränkungen durch Corona.
Bei den vielen Ausflügen, die wir gemacht haben, sah
das etwas anders aus. Aber wir waren trotzdem sehr
froh, dass wir mal wieder Ausflüge machen konn-
ten. Wir waren wandern (unsere Erzieher nannten
es spazieren gehen), wir waren im Schwimmbad, im           Bau´ an Deiner Zukunft!
Bergwerk und im Tier- und Freizeitpark usw.. Je nach
                                                           Bundesfreiwilligendienst,
Ausflug hatten wir durch Corona verschiedene Aufla-
                                                           Freiwilliges Soziales Jahr
gen. Beim Wandern im Wald hatten wir natürlich keine
                                                           im Schulkindergarten, in einer Wohngruppe oder
Einschränkungen. Im Schwimmbad war das anders.             in einer Tagesgruppe.
Von Bad zu Bad gab es Unterschiede. Angefangen bei         Für das Schuljahr 2021/2022 sind noch Plätze frei.
der Art der Buchung bis hin zum Tragen der Maske.          Weitere Informationen erhalten Sie über unsere
Manchmal konnte man nur Online vorab buchen und            Website: www.tuellingerhoehe.de
bezahlen, bei manchen Schwimmbädern direkt bar             Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung an:
bezahlen. Bei einem Schwimmbad musste man die              mail@tuellingerhoehe.de
Maske im Eingangsbereich und auf der Toilette tragen,      Tüllinger Höhe Fachdienst für Kind und Familie e.V.,
                                                           Obertüllingen 112, 79539 Lörrach
in einem anderen Schwimmbad musste man um ins

                                                               Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 9
Tüllinger Blätter - Ein heraus-forderndes Jahr
Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum

Unterricht in Corona-Zeiten
Hauptsache an der frischen Luft – auch wenn’s stinkt

„Außergewöhnliche Umstände erfordern
außergewöhnliche Maßnahmen“ – das in
letzter Zeit viel bemühte Sprichwort mag
zur Platitude geworden sein. Standen
doch wir alle – und alle heißt tatsäch-
lich alle – vor der Herausforderung, ein
grassierendes Virus an seiner weite-
ren Verbreitung zu hindern oder doch
zumindest darin zu verlangsamen. Das
öffentliche Leben war und ist noch immer
starken Einschränkungen unterworfen.
So mussten auch die Bildungseinrich-
tungen außergewöhnliche Maßnahmen
ergreifen, um den außergewöhnlichen
Umständen zu begegnen. An der Tüllin-
ger Höhe standen wir vor der zusätzlichen
Herausforderung, dass manche unserer
Schutzbefohlenen in unseren Wohngrup-
pen in Obertüllingen, andere wiederum        Erstaunlich, was unsere zwei Ponys produziert haben
bei ihren Eltern wohnen.
Während der Großteil unserer „Auswärtigen“ zu-                 zu einer ungefähr 300 m entfernten Obstwiese. Dort
hause bleiben musste und über E-Mail oder Telefon              brachten wir sie als wertvollen Dünger aus. Bei
unterrichtet wurde, hielten wir den Unterricht für             keinem Wandertag war die Begeisterung über die
unsere Wohngruppen-Schüler zum großen Teil mit                 zurückgelegte Wegstrecke so groß wie bei dieser Ak-
Außenprojekten aufrecht. Wir stellen hier exempla-             tion. Die Beteiligten versuchten sich gegenseitig mit
risch einige unserer Aktivitäten vor, die wir ab Mitte         der Anzahl der beförderten Fuhren zu übertreffen. Die
März unternommen haben.                                        einzelnen Schubkarren fassen 80 Liter. Das Gewicht
                                                            des stark verdichteten Mists beträgt knapp 700 kg/m3.
Mist als Dünger auf der Obstwiese                           Die rekordverdächtige Leistung einer Schülerin belief
Auf dem Gelände der Tüllinger Höhe leben zwei               sich auf 63 (!) Fuhren. Ohne von den betreuenden
Pferde, die Isländer Baldur und Klerkur. In den ver-        Lehrern dazu ermuntert worden zu sein, fingen die Ju-
gangenen zwei Jahren hat sich aus ihrem Stall ein           gendlichen zu rechnen an: Wegstrecken, Rauminhalte,
ansehnlicher Haufen Mist von mehreren Kubikmetern           Gewichte, Hochrechnungen über noch zu bewegende
angesammelt, der hinter unserem Reitplatz aufge-            Volumina und die dabei umgesetzten Kalorien.
häuft worden war. Besucher, die sich vom Lindenplatz
her der Tüllinger nähern, wurden beim Betreten des          Bau eines Sandkastens für unseren Schulkindergarten
Geländes gewissermaßen von den Hinterlassenschaf-           Der Schulkindergarten der Tüllinger Höhe hatte
ten Baldurs und Klerkurs begrüßt – für empfindliche         einen kleinen Sandkasten, der nur für wenige Kin-
Nasen kein allzu erfreulicher Eindruck. Wir, die Schü-      der Platz bot. Daher sollte ein großer Sandkasten
lerinnen und Schüler der Klasse 7 und das zugehörige        geschaffen werden, in dem viele Kinder gleichzeitig
Lehrerteam, beluden mit Schaufeln und Mistgabeln            graben und bauen können. Der bereits bestehende
Schubkarren und transportierten die duftende Fracht         kleine Kasten am unteren Ende des Grundstücks

10 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum

sollte zum Haus hin verlängert werden. Da das                   Schuljahr erntete die fleißige Truppe die sonnenrei-
Gartengrundstück am Hang liegt, wurde der Sand-                 fen Früchte. 200 kg behielt die Tüllinger Küche für
kasten in zwei weiteren Stufen angelegt. Gesägte                die hausinterne Produktion von Apfelmus zurück.
Eschenstämme gaben die Maße für die Außenbe-                    Den Großteil, ca. 400 kg, brachten wir an einem
grenzung. Die bewährte Gruppe aus Lehrkräften                   Schulvormittag zum Mostmobil, für das wir an
und Jugendlichen machte sich mit Spitzhacken,                   diesem Tag einen Termin in Steinen hatten. Das
Spaten und Schaufeln an die Arbeit. Der über                    Mostmobil wird von einem in der Nähe von Bad
Jahrzehnte festgetretene Boden war stark mit den                Krozingen ansässigen Obstsafthersteller betrieben.
Wurzeln des in der Nähe stehenden Kirschbaumes                  Auf der mobilen Saftpressanlage wird das angelie-
durchzogen und konnte daher nur unter großer An-                ferte Obst nicht nur sofort gepresst sondern auch
strengung abgetragen werden. Die Tiefe der Grube                gleich pasteurisiert und so der Saft vor Vergärung
reicht von 20 cm am unteren Ende bis zu 40 cm am                geschützt. Der fertige Saft wird an Ort und Stelle
oberen. Die ausgehobene Grube wurde mit schwar-                 in 5-Literbeutel abgefüllt. Im Verlauf des Mostens
zer Gartenfolie ausgelegt und anschließend mit                  hielt der Fahrer eines teuren SUVs bei uns an und
3 m³ feinem Sand gefüllt. Sowohl den Jugendlichen               fragte, ob er eine große Kiste Äpfel von uns kaufen
als auch den Lehrern machte die Arbeit am Sand-                 könne. Er sei bereit, 5,- € (!) zu bezahlen. Dieses
kasten Spaß und es entwickelte sich ein beinahe                 Angebot mussten wir ausschlagen, da wir einen
schon spielerisches Miteinander.                                möglichst hohen Ertrag an Saft erzielen wollten.
                                                                Am Ende stellte sich heraus, dass wir 39 der Beutel
Apfelernte und Mostpressen                                      füllen konnten. Ein Ehepaar, das den Mosttermin
Am Südhang des Tüllinger Berges stehen alte                     nach uns hatte, überließ uns dankenswerterweise
Apfelbäume, die noch aus der Zeit stammen, in                   einen von ihren 5-Literbeuteln, so dass wir tatsäch-
der unsere Einrichtung eine eigene Landwirtschaft               lich mit 200 Litern Apfelsaft beladen nach Tüllingen
betrieb. Während der ersten beiden Wochen im                    zurückkehren konnten.

                                                                           Diese und viele andere Erlebnisse
                                                                           machten und machen diese für Alle
                                                                           schwierige Zeit zu einer Phase nicht nur
                                                                           der Einschränkungen sondern auch der
                                                                           positiven Erfahrungen. Lehrende und
                                                                           Lernende sind sich auf weit über den
                                                                           schulischen Kontext hinausreichenden
                                                                           Betätigungsfeldern begegnet. Das hat
                                                                           aber das schulische Lernen nicht etwa
                                                                           behindert. Durch die erfolgreichen ge-
                                                                           meinsamen Aktionen konnte darüber hi-
                                                                           naus soziales Lernen stattfinden, wie es
                                                                           ohne die Corona bedingten Restriktionen
                                                                           wahrscheinlich nicht stattgefunden hätte.

                                                                                                      Klaus Streicher
Vor dem Pressen werden die faulen Äpfel aussortiert                                                    Klassenlehrer

                                                                    Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 11
Neubauvorhaben Haus 111

          Reihe links: Der Baufortschritt von Westen her gesehen   Reihe rechts: Der Baufortschritt von Osten her gesehen

            Planung und Bauleitung Böttcher & Riesterer Architekten Partnerschaft 79588 Efrin
Partnerschaft 79588 Efringen-Kirchen Friedrich-Rottra-Straße 64 Tel. 07628-8055010

          12 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Neubauvorhaben Haus 111

Unser neues Zentrum nimmt Form an
Die Vorfreude auf den Einzug wächst täglich

Neubau am 20.10.2020

Die Arbeiten auf unserer großen Baustelle mitten in      Daten zum Neubauvorhaben
Obertüllingen schritten aufgrund des milden Winters      „Heilpädagogisches Zentrum“
und des trockenen Herbstes gut voran. Im Juli konn-      Bauzeit:      September 2019 – Juni 2021
ten wir in coronabedingt bescheidener Besetzung          Nutzfläche:   1500 qm
Richtfest feiern. Danach kamen die Fenster und aktu-
                                                         Kosten:	4,69 Mio €, inkl. Abbruch
ell erfolgt der Innenausbau. Über die Weihnachtszeit
                                                                  und Außenanlagen
soll dann der frisch verlegte Estrich in Ruhe trocknen
                                                         Architekten:	Böttcher und Riesterer,
können. Die Kinder und die Mitarbeitenden sind
                                                                       Efringen-Kirchen
guten Mutes, dass wir im Juli in den großzügigen
Neubau einziehen können.                                 EG:	Empfang, Elternsprechzimmer, Schülerfir-
                                                              ma, Werkstatträume, Hauswirtschaft
Neben einem großen Lob für die Bauhandwerker,            1. OG:	3 Tagesgruppen, Tagesgruppenleitung,
Architekten und Ingenieure für ihre gut koordinierte             Besprechungsräume
Arbeit bedanken wir uns auch herzlich bei vielen Le-     2. OG:	Psychologischer Fachdienst, Heilpäda-
serinnen und Lesern, die unserem Spendenaufruf im                gogische Einzelförderung, Mediathek,
letzten Heft gefolgt sind. Sie helfen mit kleinen und            1 Tagesgruppe
großen Beiträgen mit, dieses für unseren Verein sehr     UG:	Lagerräume
herausfordernde Projekt zu realisieren.                  Außen-     Bewegungs- und Spielfläche, Bühne,
                                                         bereich:   Gartenbeete, Jugendraum

Wir bitten auch weiterhin um Unterstützung und suchen Sponsoren für Bäume, Außenbänke, Schaukeln, zwei
Holzpodeste, Einrichtungsgegenstände und Werkzeuge für zwei Werkstätten. Ebenso freuen wir uns über jede
Unterstützung zur Bewältigung der allgemeinen Baukosten.

                                                             Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 13
Heilpädagogische Tagesgruppen

Ein außergewöhnliches Jahr
Wenn uns das jemand vorher gesagt hätte ...

In den Tagesgruppen war in diesem Jahr fast alles an-   schäftigungsmaterial ausgestattet und dann ...
ders und ungewöhnlich! In Vorfreude auf die Rückkehr    – dann wurde es richtig außer- und ungewöhnlich.
in den großzügigen und modernen Neubau verließen        Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tages-
wir im Juli 2019 unsere Tagesgruppenwohnungen im        gruppen unterstützten die Lehrer in der Schule (die
alten Haus 111. Den Umzug in die Übergangsgruppen       Wohngruppenkinder hatten Präsenzunterricht) und
hatten wir bewältigt, wir hatten ausgemistet und was    waren in der Notgruppe, die unmittelbar nach dem
nicht unbedingt gebraucht wurde oder keinen Platz       Lock-Down am 18. März startete, eingesetzt.
in den Interimsräumlichkeiten gefunden hatte, wurde     Den größten Teil der Arbeit nahm jedoch die Eltern-
katalogisiert und sicher eingelagert.                   und Familienarbeit ein. Telefonisch, per E-Mail oder
                                                        mit Videotelefonie wurden die Kontakte zu den Eltern
Ein Hauch von Alltag hatte sich eingestellt.            und den Kindern gehalten und intensiviert. Es gab
Die Planungen für die täglichen Abläufe waren den       Vorlesezeiten am Telefon, Bastelvorschläge, die über
Gegebenheiten, die sich durch die räumliche Verände-    Briefkästen zu den Kindern gelangten und Anregun-
rung ergeben hatten, angepasst. Die sich allmählich     gen für Sport und Spiel im häuslichen Umfeld.
wieder einstellenden Routinen gaben den Kindern         Koch- und Backrezepte für und mit Kindern machten
und Jugendlichen und nicht zuletzt auch den Erwach-     die Runde und die Eltern wurden angeregt, den Tag
senen Sicherheit. Die Neuntklässler bereiteten sich     zu strukturieren und Abläufe sowie Rituale einzufüh-
auf ihre Abschlussprüfung vor, die Grundschüler lern-   ren bzw. beizubehalten.
ten fleißig lesen und schreiben und in den Gruppen      Zwei- bis dreimal wöchentlich waren unsere Päda-
wurde gespielt, gesungen, gewandert, Sport getrie-      gogen mit den Eltern im Kontakt. Schwierige und
ben, gelacht, gestritten, gebastelt und, und, und ...   problematische Situationen in den Familien konnten
Außergewöhnlich war einzig, dass Frau Isemann,          so bearbeitet werden. In Krisensituationen haben wir
unsere langjährige Schulleiterin, sich Ende Februar     Kinder in unsere Notgruppen aufgenommen und es
in den Klassen von den Kindern und Jugendlichen         fanden regelmäßige Absprachen mit den Fachkräften
verabschiedete. Einige Kinder haben automatisch         des Jugendamtes statt.
angenommen, dass ich als Tagesgruppenleitung nun
ebenfalls in den Ruhestand gehen würde. Und dann        Sehr außergewöhnlich:
kam Corona. Jetzt war es vorbei mit der Routine!        Die Osterferienfreizeit musste abgesagt werden und
                                                        es wurde festgelegt, dass auch die Ferienfreizeiten im
Die Tagesgruppen hat der Lock-Down einen Tag            Sommer anders stattfinden müssen. Tägliche Ausflü-
früher erreicht.                                        ge, Fahrradtouren, Grillen an unterschiedlichen Orten
Das Busunternehmen, das unsere Kinder am Morgen         und Plätzen, Wanderungen rund um den Dinkelberg
holt und am Nachmittag wieder nach Hause fährt,         und Spiel und Spaß auf unserem Sportplatz wurden
konnte aufgrund der Pandemie den Fahrdienst nicht       von den Kindern und Jugendlichen gut angenommen
mehr gewährleisten. Es kamen am 16. März also nur       und haben allen Beteiligten viel Freude bereitet.
die Kinder und Jugendlichen, die den Weg selbststän-
dig bewältigen oder aber von ihren Eltern gebracht      Außergewöhnlich überrascht waren wir auch, wie
werden konnten.                                         unkompliziert unsere Mädchen und Jungen mit der
                                                        Maskenpflicht (zunächst in den Bussen unseres
Jetzt wurde es außergewöhnlich:                         Fahrdienstes) umgegangen sind. Wir hatten Befürch-
Alle Eltern wurden zur Situation und zum weiteren       tungen, die von „vermummten Rollenspielen“ bis hin
Vorgehen informiert, die Kinder mit Schul- und Be-      zu Verweigerungen gingen. Die Frage, wie wir damit

14 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Heilpädagogische Tagesgruppen

umgehen, hat sich erfreulicherweise nicht gestellt.       Ja und außergewöhnlich war auch, dass ich mich
Die Kinder sind, bis auf sehr wenige Ausnahmen,           als Tagesgruppenleitung in meinem Büro unter dem
außergewöhnlich entspannt mit den Vorgaben der            Dach des Hauses 107 so weit weg vom Geschehen
Maskenverordnung zurechtgekommen.                         der Tagesgruppen fühlte und deshalb noch einmal
Ganz erstaunlich – und auch damit hatten wir nicht        meine Siebensachen zusammengepackte und erneut
unbedingt gerechnet – sind die Kinder und Jugend-         umgezog. Meine Arbeit erledige ich nun wieder mit-
lichen mit dem Wechsel in andere Gruppen (die             ten in Obertüllingen – erfreulicherweise nicht mehr
notwendig wurden, um eine Vermischung zwischen            so weit entfernt von den Kindern, Jugendlichen und
Klasse und Gruppe zu vermeiden) umgegangen. Au-           Mitarbeitenden, sondern mitten im Geschehen.
ßergewöhnlich unkompliziert.
                                                          Der Außergewöhnlichkeiten nun genug – zu berichten
Und außergewöhnlich ungewohnt waren die Auf-              wäre noch von einem außergewöhnlichen Erntedank-
enthalte im Freien. Jede Gruppe hatte vorgegebene         fest, das als Gruppenaktivität in Form einer Herbst-
Zeiten und Plätze zum Toben, Spielen und anderen          wanderung durchgeführt wurde.
Beschäftigungen im Freien. Erstaunlich wie gut diese
Regelungen angenommen wurden.                             Und wie wird die Adventszeit ohne gemeinsames
                                                          Singen, ohne gemeinsame Feiern und ohne Weih-
Aber es gab auch Außergewöhnliches, das nicht mit         nachtsmärkte?
der Pandemie in Verbindung stand und steht. Unser
neues Haus 111 wuchs und wächst und die Baustelle         Ein außergewöhnliches Jahr liegt hinter uns und ein
ist ständig in Betrieb. Unsere Kinder und Jugend-         unbekanntes neues Jahr liegt vor uns. Letzteres ist
lichen gehen mit den Einschränkungen durch die            allerdings nun wirklich nichts Außergewöhnliches!
Baustelle trotz allem gelassen um. Die Jüngeren ver-
folgen teilweise fasziniert das rege Treiben des Krans,                                   Bärbel Waldhausen
der Bagger und der Lastwagen.                                         Leitung Heilpädagogische Tagesgruppen

              Hornberger Druck GmbH
              Belchenstraße 8
              D-79689 Maulburg
              Tel. +49 (0) 76 22 / 68 66-0
              www.hornberger-druck.de

                                                              Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 15
Außenstelle Beuggen

Wie aus der Not ein kleines
Paradies entstand
Die Neugestaltung des Beuggener Gartens

Als ab Mitte März viele unserer Tages-
gruppenkinder plötzlich nicht mehr zur
Schule kommen durften, war die allge-
meine Verunsicherung angesichts der
epidemiologischen Lage ganz in unserem
pädagogischen Alltag angekommen. Wie
lang würde dieser Ausnahmezustand
dauern? Was kommt da noch auf uns zu
und was ist jetzt zu tun? Die Auseinan-
dersetzung mit diesen Fragezeichen und
Unsicherheiten öffnete uns den Blick für
das, was in dieser Situation möglich war
und sich anbot.

Neben der Begleitung der Kinder und
Eltern per Telefon und E-Mail widmeten
wir uns nun Ideen und Projekten, die im
                                            Was man aus einer alten Hütte machen kann!
dichten normalen Alltag nur zögerlich
vorankommen konnten. So gingen wir daran, das Gar-          Anstrich samt farblich abgesetzter Dachumrandung
ten- und Spielgelände umzugestalten. Der Sandkasten         und wurde schließlich ebenfalls mit einem Stauden-
wurde neu angelegt, vergrößert und zum Teil mit einer       beet umrahmt. Für die Einfassung der Staudenbeete
Bruchsteinmauer eingefasst, neuer Lebensraum für            verwendeten wir wieder die schönen hellen und
Eidechsen geschaffen. Die zuvor bis zum Schulhaus           eidechsenfreundlichen Dinkelberger Bruchsteine.
reichende etwas eintönige Rasenfläche wurde durch
ein neu angelegtes Staudenbeet belebt. Es war wun-          Hinter der Gartenhütte hatten wir bereits einen Kom-
derschön, wahrzunehmen, wie sich hier einige Wochen         posthaufen angelegt, in dem in den vorhergehenden
später bereits ein von Schmetterlingen, Bienen und          Monaten eine Vielzahl von Regenwürmern und ande-
verschiedensten anderen Insekten umflattertes buntes        ren kleinen Helfern in bestens abgestimmter Team-
Farbenspiel entfaltete.                                     arbeit dafür gesorgt hatten, dass Laub, Rasen- und
                                                          Grünschnitt sich zu duftender Erde für unsere Beete
Als dann schon nach wenigen Tagen im Rahmen der           verwandelten. Die Vogelnestschaukel, als sehr belieb-
Notbetreuung und der alternierenden Beschulung wie-       ter und wohltuender Anziehungspunkt für die Kinder,
der zunehmend Kinder nach Beuggen zurückkamen,            bekam ein neues Bett aus frischem Rindenmulch.
war es naheliegend, sie in die Projekte einzubeziehen.
Unser Werklehrer baute mit ihnen einen farbenfrohen       Uns Kolleginnen und Kollegen hat es gut getan, ins
Zaun zur Einfriedung des entstehenden kleinen Hütten-     gemeinsame Tun und Gestalten zu kommen, gemein-
dorfs, indem die Kinder die Möglichkeit bekamen, sich     sam etwas Sichtbares und Schönes für die Kinder
im Sägen, Hämmern und Bauen unter Aufsicht auszu-         zu erschaffen und es zusammen mit ihnen dann zu
probieren und sich als wirksam zu erleben.                vollenden.

Auch der verwitterten Gartenhütte wurde neues Leben       Einer Ecke des Gartens mit verwilderten Beeten und
eingehaucht. Sie bekam einen neuen himmelblauen           einer Kräuterspirale hatten sich schon seit letztem

16 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Außenstelle Beuggen

Herbst zwei Jungen der Torhausgruppe angenom-             Viele unserer Kinder in Beugen haben bereits die
men. Mit unglaublichem Eifer und Durchhaltevermö-         Erfahrung gemacht, dass wir nicht in einer heilen
gen schafften sie es, den ehemaligen Gemüsegarten         Welt leben. Und mit dieser Erfahrung stehen sie ge-
wieder zu kultivieren. Sie entfernten Brennnesseln        wiss nicht allein. Vielleicht spiegelt der Lebensraum
und andere Wildkräuter, schnitten Sträucher, gruben       „Garten“ die Sehnsucht und den hoffnungsvollen
den Boden um, verlegten Wegplatten und pflanzten          menschlichen Versuch wider, ein Stück Welt zu hei-
schließlich Setzlinge ein. Unser Grundstück glich         len und selbst darin heil, das heißt ganz zu werden,
an schönen Tagen einem mittelgroßen Garten- und           Vertrauen ins Leben zu finden, sich mit der Erde
Landschaftsbaubetrieb. Die Nachbarn waren von den         und den Mitgeschöpfen zu verbinden, Boden unter
emsig schaffenden Jungs so begeistert, dass sie sie       die Füße zu bekommen und so auf seinen eigenen
prompt mit einer Tafel Schokolade bedachten und           Beinen stehen und gehen zu können.
deren Einsatz so anerkannten.
                                                          Die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf den
Neben den beschriebenen, stark eingreifenden und          Umgang mit der Corona-Krise, dem Klimawandel
gestaltenden Aktivitäten war es uns auch wichtig, im      und allen anderen globalen Veränderungsprozessen
behutsamen Beschneiden von Büschen und Sträu-             machen es nochmal deutlicher, wie wichtig die Rück-
chern verschiedenste „Räume“ zu schaffen, die die         bindung an unsere natürlichen Lebensgrundlagen
Kinder zum Versteckspielen einladen oder einfach nur      und -quellen sind, um Lebensmut zu finden und zu
dazu, sich mal vor dem Trubel in eine bergende Blätter-   behalten.
höhle zurückzuziehen oder aber nur den Blick dorthin
schweifen zu lassen und sich hineinzuträumen, je nach     Jetzt aber schnell wieder zurück aus luftiger Gedan-
Bedürfnis und Temperament.                                kenhöhe zum erdigen Beuggener Alltag! Neben dem
                                                          Spielen und Werkeln im Garten gehen wir regelmä-
Hier klingt schon an, wie stark das Draußen – in der      ßig, jeden Montag, mit einer Gruppe in den Wald,
Natur sein – auf Kinder (und nicht nur auf sie) wirken    wo die Kinder Abhänge hoch und runter klettern,
kann.                                                     Hütten bauen und sich einfach im Wald bewegen.
                                                          Donnerstags bieten wir eine Natur-AG an, wo es
Was bedeutet es auf einer tieferen Ebene für Kinder       darum geht in verschiedenen natürlichen Lebens-
draußen im Garten zu spielen und zu sein? Mein erster     räumen mit allen Sinnen auf Entdeckungstour zu
Gedanke dazu: „Das hängt ganz vom Garten ab. Es           gehen. Wir merken deutlich, wie vielen unserer
gibt solche und solche, pflegeleichte, gut zu kontrol-    überwiegend bewegungsfreudigen Kinder diese
lierende Schottergärten, sogenannte „Gärten des           Angebote gut tun und ihnen helfen ihr seelisches
Grauen“ (Ulf Soltau) oder aber möglichst naturnahe        Gleichgewicht zu finden.
Gärten, die einer vielfältigen Lebensgemeinschaft
Entfaltungsraum bieten. Ein solcher Garten spricht alle   Aus all den positiven Erfahrungen heraus sind wir wild
Sinne an Riechen, Hören, Sehen, Tasten und Füh-           entschlossen, mit den Kindern weiter am heilsamen
len, bietet viele schöne Überraschungen und ist ein       Puls des Lebens zu bleiben und die Verbindung mit
lebendiger Ort. Es scheint mir für Kinder so elementar    Garten und Natur zu pflegen.
wichtig zu sein, sich in solchen Orten zu erleben und
sich im Erleben mit dem Lebendigen zu verbinden. Es                                          Christian Klaphake
ist immer wieder zu beobachten, dass das Wesentliche                                           Sozialpädagoge
wie nebenbei und indirekt passiert.                                             Leiter der Außenstelle Beuggen

                                                              Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 17
Eine Mitarbeiterin im Portrait

Am meisten motivieren mich
die Kinder selbst
Persönliche Fragen – beantwortet von Eleonora Meister, M.Sc. Psychologin

                                                        und Natur. Im Wald zu sein oder in den Bergen
                                                        wandern zu gehen, die Ruhe, die ich in der Natur
                                                        spüre, gibt mir viel. Dann gibt es noch Yoga, Musi-
                                                        zieren (v.a. Klavierspielen) alleine und mit anderen,
                                                        Tanzen, handwerkliche Tätigkeiten (v.a. Nähen oder
                                                        Arbeiten mit Holz), Gärtnern, Kochen und Backen
                                                        – das alles hilft mir, abzuschalten und aufzutanken.
                                                        Und was natürlich nicht vergessen werden darf,
                                                        ist die Zeit mit meinem Partner und meinen guten
                                                        Freunden, mit denen ich Perspektiven wechseln,
                                                        viel lachen und Freude haben kann, und dies bei
                                                        ganz unterschiedlichen gemeinsamen Unterneh-
                                                        mungen.

                                                        Welcher Beruf (außer dem eigenen) wäre für Sie
Was motivierte Sie, sich vor eineinhalb Jahren in       noch interessant und warum?
einer Jugendhilfeeinrichtung zu bewerben?               Mein Kindheitstraum war es, in einer Schimpan-
Ich habe bereits in meinem Studium mehrere Praktika     sen-Aufzucht-Station zu arbeiten. Nach dem Abitur
im Bereich der Arbeit mit Kindern mit Förderbedarf
im sozial-emotionalen Bereich gemacht. Die Be-          Eleonora Meister ist in der Nähe von Nürnberg auf-
gegnungen mit den Kindern und Jugendlichen fand         gewachsen. Nach einem Studium der Psychologie in
ich stets spannend. Insbesondere die Möglichkeit,       Bamberg, mit mehrmaligen längeren Unterbrechun-
junge Menschen auf einem Stück ihres Lebenswegs         gen aufgrund von Praktika, ging sie für ein halbes Jahr
begleiten und fördern zu können, erschien mir schon     nach Neuseeland, um auf ökologischen Bauernhöfen
damals wertvoll. Darum freue ich mich, die Gelegen-     mitzuhelfen und das andere Ende der Welt zu entde-
heit dafür nun auf der Tüllinger Höhe zu haben.         cken. Von dort aus bewarb sie sich für die ausgeschrie-
                                                        bene Stelle in der Psychologisch-Therapeutischen-Ab-
Was motiviert Sie im Ihren beruflichen Alltag?          teilung der Tüllinger Höhe. Das Bewerbungsgespräch
Am meisten motivieren mich die Kinder und Jugend-       fand via Skype statt – eine Premiere für die Tüllinger
lichen selbst. Es ist toll zu sehen, wenn es unsere     Höhe und auch ein Wagnis, das aber gut gegangen ist.
Kinder und Jugendlichen schaffen, trotz aller Hinder-   Das Gespräch überzeugte die Leitung so sehr (obwohl
nisse und Schicksalsschläge (und der Steine, die sie    es in Neuseeland während des Gesprächs schon Mit-
sich auch manchmal selbst in den Weg legen), einen      ternacht war), dass Frau Meister eingestellt wurde. So
guten Weg für sich zu finden. Kleine Erfolge in diese   begann sie im Mai 2019 kurz nach ihrer Rückkehr aus
Richtung geben mir Kraft und Motivation auch für die    Neuseeland mit ihrer Arbeit bei uns.
schwierigen Momente.
                                                        Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören: Leistungs-
Wie und wo tanken Sie auf, damit Sie auch nach          diagnostik / Entwicklungsdiagnostik von Kindern
anstrengenden Arbeitstagen Ihre positive Aus-           und Jugendlichen, Beratung von Mitarbeitenden und
strahlung bewahren können?                              Teams sowie von Eltern, Krisenintervention, Arbeit
Ich habe verschiedene Wege, über die ich wieder         mit Kleingruppen und Intervision und die psycholo-
Kraft schöpfen kann. Da sind zum einen Bewegung         gische Einzelarbeit mit Kindern.

18 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Eine Mitarbeiterin im Portrait

wollte ich Sonderschullehrerin werden. Schließlich    Über welche Figur der Weltgeschichte haben Sie
bin ich dann bei Psychologie gelandet, da mich die    bisher viel nachgedacht?
Einzelarbeit mit Kindern und Jugendlichen ansprach.   Da gibt es keine konkrete bzw. immer wieder andere.
Diese Entscheidung bestätigte sich immer wieder in    Mich berühren viele Geschichten von Menschen,
verschiedenen Praktika. Auch habe ich immer mal       die es im Laufe ihres Lebens geschafft haben, sich
überlegt, wie ich das Kochen/Backen und Gärtnern      selbst kennen- und lieben zu lernen. Aber auch Ge-
beruflich hätte einbinden können.                     schichten darüber, wie Menschen es nicht schaffen,
                                                      einen guten Weg in der Welt zu finden, sind immer
Auf welche drei Dinge in Ihrem Leben möchten Sie      wieder faszinierend. Zuletzt beschäftigte mich hier
nicht verzichten?                                     der kolumbianische Drogenbaron Pablo Escobar.
Auf meinen Partner, auf meine Freunde und ausrei-
chend Ausgleich zur Arbeit – und dafür braucht es     Was würden Sie gern ändern in der Welt?
dann auch noch die Natur (auch wenn das jetzt noch    Einiges. Da sind vorrangig die Kriege, die enden
eine vierte Sache ist ...).                           müssen, das Leid, die Ungerechtigkeiten in unserer
                                                      Welt, die Machtsucht von einigen Menschen und die
Haben Sie ein Steckenpferd?                           in so vielen Ländern existierende Korruption. Nicht
Eigentlich all die Hobbies, die ich weiter oben be-   zuletzt ist der Schutz der Natur und des Klimas eine
schrieben habe.                                       der wichtigsten Herausforderungen, die wir angehen
                                                      müssen. Erträumen würde ich mir eine Welt, in der
In welchen Situationen achten Sie nicht aufs Geld?    es auch weiterhin viel intakte Natur gibt, jeder sein
Wenn es um mir wichtige Menschen geht, ist Geld für   darf, wie er oder sie ist, in der Macht und Geld keine
mich weniger wichtig. Meinen Lieben eine Freude zu    Rolle spielten und in der jeder die Grenzen seiner
bereiten, macht auch mich selbst glücklich.           Mitmenschen achtet.

                                                          Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 19
Außenstelle Beuggen

200 Jahre Jugendhilfe
in Schloss Beuggen
Vorbild für zahlreiche Neugründungen - auch für die Tüllinger Höhe

Nach über 500-jähriger Geschichte als Stützpunkt des    Mit dem Beuggener Schloss fand sich dann auch ein
Deutschen Ritterordens gingen 1805 – nach umfang-       Gebäude, das groß, geräumig und erschwinglich war.
reichen territorialen Neuordnungen durch Napoleon
– das Beuggener Schloss selbst sowie die dazuge-        Mit tatkräftiger und finanzieller Unterstützung vieler
hörigen Güter an das Großherzogtum Baden über.          Bürger wurde das marode Gebäude wieder in Stand
Es folgten 15 Jahre, in denen das Schloss teilweise     gesetzt. Bereits im April 1820, als vieles noch improvi-
als Lazarett für verwundete Soldaten genutzt wurde.     siert und in Bau war, wurden die ersten Kinder aufge-
Als in den dicht belegten Schlossräumen Typhus und      nommen. Im Mai betrug die Zahl der Zöglinge bereits
andere Seuchen ausbrachen, starben an die 3000          30, dazu zogen 10 Auszubildende, sogenannte Semi-
der bedauernswerten Männer. Die hohe Zahl lässt         naristen, ein. Die offizielle Einweihung erfolgte am 22.
erahnen, wie es um die Pflege und Unterbringung im      Juni 1820, dem Chronisten nach bei schönstem Wetter
Schloss gestanden haben muss. Es ist nicht verwun-      und mit mehreren hundert Gästen.
derlich, dass das Schlossgebäude danach von der
Bevölkerung gemieden wurde und sein Zustand sich        Im Unterschied zu seinem Vorbild Pestalozzi vertrau-
mit jedem Winter verschlechterte.                       te Zeller nicht alleine auf die im jungen Menschen
                                                        schlummernden Gaben, die es zu wecken gelte. In
                                                        seiner Eröffnungsrede soll er seine Freude darüber
                                                        ausgesprochen haben, dass man wieder anfange
                                                        einzusehen, dass durch Bildung und Aufklärung und
                                                        verbesserte Unterrichtsmethoden die kranke Mensch-
                                                        heit nicht könne geheilt werden, sondern allein durch
                                                        den von Jesus Christus ausgehenden Heiligen Geist
                                                        (aus Eugen Zeller 1920).

                                                        Zusammen mit der ebenfalls 1820 gegründeten Pauli-
                                                        nenpflege in Stuttgart wurde Beuggen zum Vorbild der
                                                        sogenannten Rettungshausbewegung. In den Folgejah-
                                                        ren erfolgten im südwestdeutschen Raum zahlreiche
                                                        Neugründungen, ausgehend von in Beuggen ausgebil-
Schlafsaal der Buben im ehemaligen Kinderheim Beuggen   deten Armenschullehrern oder von der Basler Mission
                                                        inspirierten Christen. Einer von ihnen war Ferdinand
1816 lernten sich der Pädagoge Christian Heinrich       Fingado, der 1848 das Rettungshaus in Lahr-Dinglingen
Zeller, ein Anhänger der Erziehungslehren von Jo-       aufbaute und auf Seite 4 dieses Heftes erwähnt wird.
hann Heinrich Pestalozzi und Friedrich Spittler, ein    Er war 1860 als Festredner zur Gründungsfeier unseres
prägender Kopf der Basler Mission, kennen. In den       Hauses nach Obertüllingen eingeladen worden. Einer
damaligen Notzeiten, ausgelöst durch Ernteausfälle      seiner damaligen Mitarbeiter war Johannes Linder aus
und die vorausgegangenen Kriegsjahre, entwickelten      Tüllingen. Mit seinen unter Fingado erworbenen päd-
Zeller und Spittler die Idee einer Ausbildungsstätte    agogischen Erfahrungen wurde er der erste Hausvater
für Armenschullehrer, die gleichzeitig Auffangstation   unserer Einrichtung. Am Einweihungstag, dem 22. No-
für verwaiste und vagabundierende Kinder sein soll-     vember, heiratete er Elisabeth Rupp aus Tüllingen, die
te. So verbanden sie Theorie und Praxis, wie es heute   fortan als Hausmutter mit wenigen Hilfskräften die bald
noch in vielen Berufen erfolgreich gehandhabt wird.     auf 50 Kinder angewachsene Schar zu versorgen hatte.

20 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
Außenstelle Beuggen

                                                                      satzungsgemäß an die Evangelische
                                                                      Landeskirche über.

                                                                       In Tüllingen hatte man bereits Ende
                                                                       der Sechzigerjahre damit begonnen,
                                                                       familienähnliche Wohngruppen in
                                                                       dafür geeigneten Reihenhäusern
                                                                       einzurichten. In den Siebzigerjahren
                                                                       hatte man erste Erfahrungen mit Kin-
                                                                       dern und Jugendlichen gesammelt,
                                                                       die unsere Schule besuchten, ganz-
                                                                       tägig betreut wurden und abends
                                                                       wieder nach Hause fuhren. Daraus
                                                                       entstand die erste Tagesgruppe. Mit
                                                                       Schließung des Beuggener Kinder-
                                                                       heims im Jahr 1980 stand nun das
Schloss und Schulhaus heute
                                                                       ins Schlossgelände integrierte, 1978
Zurück nach Beuggen: 1980 wurde das dortige           fertiggestellte Heimschulgebäude leer. Dieses über-
Kinderheim nach 160-jähriger Geschichte aufgelöst.    nahm die Tüllinger Höhe und richtete eine Außenstel-
Die großen Schlafsäle in den Schlossräumen ent-       le mit Schule und Tagesgruppen ein. Seither führt die
sprachen nicht mehr den Vorstellungen einer zeitge-   Tüllinger Höhe die Jugendhilfetradition der eigenen
mäßen Heimerziehung. Die Mittel und die Gebäude       „Großmutter“ in Beuggen erfolgreich weiter.
des Evangelischen Kinderheims Beuggen gingen
                                                                                          Christof Schwald

   SGI GmbH
   Alemannenstraße 24
   DE-79689 Maulburg
   Tel. +49 76 22 - 684 69 - 0
   info@sgi-gmbh.com

   www.sgi-gmbh.com

                                                          Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020 | 21
Tüllinger Höhe, Fachdienst für Kind und Familie

Herzlichen Dank ihr beiden– genießt
die neue Freiheit!
Abschied nach 45 und 35 Dienstjahren

                                                                                            Kolleginnen und Kollegen
                                                                                            ein paar Worte auf Distanz
                                                                                            zu wechseln – mehr geht ja
                                                                                            leider grad nicht.

                                                                                               Ina Isemann, unsere lang-
                                                                                               jährige Schulleiterin, wurde
                                                                                               am 21. Februar gerade noch
                                                                                               rechtzeitig, bevor der Lock-
                                                                                               down das verunmöglicht
                                                                                               hätte, mit vielen Gästen in
                                                                                               einer fröhlichen Feier in den
                                                                                               Ruhestand verabschiedet.
                                                                                               Sie arbeitete 35 Jahre als
                                                                                               Sonderschullehrerin, Leite-
                                                                                               rin der Außenstelle Beuggen
                                                                                               und schließlich als Schul-
                                                                                               leiterin in Obertüllingen bei
                                                                                               uns. Mit viel Sachverstand,
Ina Isemann (links) und Erika Koch beim Spaziergang über den Tüllinger Berg. Nach 35 gemeinsa- großem Engagement und
men Arbeitsjahren geht der Gesprächsstoff nicht so schnell aus!                                fürsorglicher Führung prägte
                                                                                               sie die Entwicklung unserer
Erika Koch und Ina Isemann treffen sich neuer-                          Schule in den letzten Jahrzehnten. Wenn sie auch
dings zum Spazierengehen auf dem Tüllinger Berg                         die Übergabe sorgfältig vorbereitet und mit Nor-
– natürlich nicht, ohne dabei mit den ehemaligen                        bert Reckel-Probst einen tüchtigen Nachfolger gut

In den 1980er-Jahren: Erika Koch bei einem Mitarbeiterausflug   und Ina Isemann bei einer Theateraufführung mit ihrer Klasse

22 | Tüllinger Blätter Ausgabe 21 | Dezember 2020
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