Unternehmer - Transformation Aus Unternehmersicht Entsorgung in der Zukunft Die Contena-Ochsner AG treibt die Entwicklungen voran - Credit Suisse
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Unternehmer Juni 2019 Aus Unternehmersicht Transformation Entsorgung in der Zukunft Fix, grün, flexibel Die Contena-Ochsner AG treibt GreenPlaces erobern die Entwicklungen voran. die Gewerbezonen. Renato Heiniger, CEO Contena-Ochsner AG
Contena-Ochsner AG Die Contena-Ochsner AG handelt mit Abfallbehältern und Kehrichtfahrzeugen. CEO Renato Heiniger ist sich sicher: Ruetschi Technology AG In der Abfalllogistik wird sich bald einiges Christoph Ruetschi, Co-CEO des ändern. Seite 04 hochspezialisierten Herstellers von Implantaten und Einweg-Instrumenten, weiss, was es bedeutet, eine Situa- tion komplett neu zu denken und zu gestalten. Seite 12 Bernis SA Die vom motivierten Start-up gebauten GreenPlaces hauchen trostlosen Nidecker SA Gewerbeflächen neues Leben ein. Dabei sind sie umweltfreundlich, Steil den Berg hinauf und schnell wieder kostengünstig, fix gebaut und flexibel hinunter ging es in der Geschichte der in der Unterteilung. Seite 20 Nidecker SA nicht nur mit den Snowboards, die das Unternehmen produziert. Die innovativen Brüder retteten das Familien- erbe mit viel Herzblut. Seite 24 2
Editorial Inhalt Lebendiger Wandel 04 «Transformation ist ein immer- währender Prozess.» Die Contena-Ochsner AG will die bevor- stehende Transformation aktiv mitgestalten. 10 Wechselkurse: Risiken beschäftigen Die Mehrheit der Unternehmen sichert sich gegen schwankende Wechselkurse ab. 12 Im Einsatz für die Patientensicherheit Krisen ins Positive wenden – darin kennt sich die Ruetschi Technology AG genauso gut Liebe Unternehmerin, lieber Unternehmer aus wie in der MedTech-Branche, in der sie heute erfolgreich operiert. Der amerikanische Autobauer Henry Ford sagte einst: «Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie 16 Immobilienmarkt schnellere Pferde gesagt.» Seine Aussage beschreibt den Zwischen Erholung und Herausforderung. technischen Wandel vor gut 100 Jahren, dessen Dimensio- nen für die meisten Menschen kaum vorstellbar waren. Verän- 17 Unternehmensnachfolge derungen in noch grösserem Ausmass erleben wir heute Die wichtigsten Fragen, die wertvollsten Tipps. durch die Digitalisierung. Deshalb betrachten wir in dieser Ausgabe alles aus dem Blickwinkel der Transformation. Ich bin beeindruckt, wenn ich sehe, wie die Contena-Ochsner 18 «95 Prozent der Aktiengesellschaften AG den Wandel in ihrer Branche aktiv vorantreibt. Oder können nicht genau sagen, wer zum wie die Ruetschi Technology AG aus einer Krise heraus ge- Aktionariat gehört.» zwungen war, innovative Produkte zu entwickeln, die heute Unklare Eigentumsverhältnisse können für den Erfolg des Unternehmens stehen. unangenehme Folgen haben. Auch die Credit Suisse hat sich seit ihrer Gründung als 20 Grüne Hallen in grauen Industriezonen Schweizerische Kreditanstalt durch Alfred Escher Das Start-up Bernis SA füllt mit seinen günsti- immer wieder gewandelt. Vor allem aber sind wir darauf gen, umweltschonend erbauten GreenPlaces spezialisiert, für Sie in jeder Phase Ihrer Unternehmens eine Marktlücke. geschichte – von der Gründung bis zur Nachfolge – das passende Werkzeug bereitzuhalten und Sie bei jeder Trans- 24 Bergauf und bergab im Wintersport- formation mit dem entsprechenden Know-how zu begleiten. business Die Nidecker-Brüder erreichten mit einer komplett Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen dieser neuen Strategie zweistellige Wachstumsraten. «Unternehmer»-Ausgabe. 29 In Kürze Wissenswertes auf einen Blick: 1e-Lösungen Freundliche Grüsse und Online Leasing. Andreas Gerber 30 Aufgefallen Leiter KMU-Geschäft Schweiz Fernsehen – ein Auslaufmodell? Zattoo erkannte schon früh die Möglichkeiten des ursprünglichen Mediums in einer digitalisierten Welt. Unternehmer Juni 2019 3
Renato Heiniger, CEO der Contena-Ochsner AG, übernahm seinen Posten 2014, zeitgleich mit der Fusion der beiden Traditionsunternehmen Contena Handels AG und J. Ochsner AG.
Contena-Ochsner «Transformation ist ein immerwährender Prozess.» Als CEO der Contena-Ochsner Herr Heiniger, jede Person in der Schweiz pro- duziert jährlich 716 Kilogramm Siedlungsabfall. AG handelt Renato Heiniger Damit gehören wir zu den Ländern mit dem mit Kehrichtfahrzeugen höchsten Abfallvolumen. Was bedeutet das für Sie? und Abfallcontainern. Im Als Unternehmen, das Produkte für die Abfalllogistik anbietet, profitieren wir in erster Linie natürlich von Gespräch äussert er sich zur dieser enormen Menge. Gleichzeitig sind wir uns be- wusst, dass sich hier etwas grundlegend verändern Abfalllogistik von morgen, muss! Wir sind als Unternehmen gefordert, aber auch jeder Einzelne als Verbraucher. Das beginnt bei die sich von der heutigen stark der Herstellung und Verpackung von Produkten, die infrage gestellt werden sollten. Zugleich ist die unterscheiden wird. Text: Mariska Beirne Schweiz führend, was Recycling anbelangt. Wir pro- duzieren zwar viel Abfall, rezyklieren aber auch sehr viel davon. Sie erwarten Veränderungen im Abfallmarkt. Haben Sie konkrete Vorstellungen? Längerfristig sehe ich einen umfassenden Wandel auf uns zukommen, der seinen Ursprung in der Digitalisierung hat. Die Logistik rund um die Keh richtabfuhr wird sich durch die Digitalisierung verändern – wir stecken schon mitten in dieser Transformation. Zurzeit arbeiten wir beispielsweise an einem intelligenten Container. Das heisst, der Unternehmer Juni 2019 5
Contena-Ochsner Container besitzt einen Sensor, der mit dem Logistiker sind vielfältig und teilweise auch recht ausgefallen. kommuniziert. Wenn Sie in den Ferien sind, muss der Zudem gibt es heute schon Unternehmen, die mit Mitarbeiter am Kehrichtwagen Ihren Container gar nicht der Lieferung von Waren gleich den Abfall mitnehmen. mehr anfassen, weil er vorher schon die Meldung erhält, Auch solche Dienstleistungen werden sich weiter dass dieser leer ist. Ist der Container hingegen schon entwickeln. zwei Tage vor der regulären Abfuhr voll, geht ebenfalls eine Meldung an den Abholer, der dann früher kommt. Und womit wird sich die Contena-Ochsner AG dann beschäftigen? Sie sprachen vorhin von umfassenden Veränderun- Die traditionelle Abfallbewirtschaftung wird ja nicht gen, die Sie längerfristig erwarten. Was meinen Sie komplett wegfallen, sondern sich lediglich verändern. damit? Dadurch gehen neue Geschäftsfelder auf, mit Kehrichtwagen werden wahrscheinlich nicht mehr die denen wir uns parallel zum aktuellen Tagesgeschäft gleiche Rolle spielen, auch wenn ich persönlich hoffe, beschäftigen, um bei den Entwicklungen mit dabei dass es bis dahin noch lange dauern wird. Derzeit gibt es zu sein. verschiedene Ideen zur zukünftigen Abfalllogistik. Dies geht von selbstfahrenden Kehrichtfahrzeugen, die dem Wie gehen Sie dabei vor? Mitarbeiter von Behälter zu Behälter automatisch folgen, Um diese Frage zu beantworten, muss ich Ihnen kurz bis hin zu Robotern, welche die Container vom Stellplatz unser Unternehmen skizzieren. Mein Mitaktionär ist bis zum Fahrzeug transportieren und leeren. Die Ideen das deutsche Unternehmen Faun Umwelttechnik, Im Werkstattbereich arbeiten 25 Personen. Diese Fachleute kennen sich in der Schlosserei gut aus, müssen aber auch in der Elektronik topfit sein. 6
Die 2. und 3. Generation: Vater Kurt Heiniger (l.) ist Verwaltungsratspräsident, Sohn Renato Heiniger leitet die Geschäfte. «Mir kommt es oft so vor, als sei die Credit Suisse ein KMU wie wir und nicht ein riesiger Konzern.» das Kehrichtfahrzeuge herstellt. Die Firma Faun Nein, aber wir haben zusammen mit einem anderen wiederum ist im Besitz der Kirchhoff-Gruppe, zu der Partner eine weitere Firma gegründet. Sie heisst weitere Firmen aus dem Abfallentsorgungsbereich Koco Solutions AG und beschäftigt sich mit der Digi- gehören. Somit sind wir Teil einer grösseren Gruppe, talisierung im Entsorgungsbereich und den Daten- die sich über mehrere Länder hinweg – Deutschland, flüssen zwischen Kehrichtwagen und Logistiker. Österreich, Polen, Frankreich, England, Tschechi- Dieses neue Unternehmen ist als Ergänzung zur sche Republik – mit derselben Thematik beschäftigt. Contena-Ochsner AG zu sehen. Wir profitieren von Innovationen, die in dieser Gruppe entstehen, und haben in der Schweiz den idealen Ihr Grossvater und Ihr Vater gründeten einst die Markt, um diese zu testen. Contena Handels AG – war Ihnen schon immer klar, dass Müll Ihr Thema sein würde? Sie profitieren also von diesem starken Nein, ganz und gar nicht. Als Kind begleitete ich Partner an Ihrer Seite. Hier in der Schweiz meinen Vater in den Ferien zwar zu Kunden in der haben Sie keine Abteilung für Forschung und ganzen Schweiz, aber ich sah mich überhaupt nicht Entwicklung? in der Firma. Der Betrieb war perfekt auf ihn zuge- Unternehmer Juni 2019 7
Credit Suisse Kundenbera- ter Markus Walker (r.) ist gerne Sparringspartner für Renato Heiniger. Manchmal ist dafür ein Rundgang durch den Betrieb nötig. Der 800-Liter-Stahlcontainer wird nur in der Schweiz verwendet. Die Kehricht fahrzeuge erhalten deshalb ein Swiss Finish. 8
Contena-Ochsner schnitten mit 13 Mitarbeitenden sowie ihm als Geschäfts- ohne dass ich etwas erzähle, und sie kennen unsere führer und -inhaber. Für mich sah ich keinen Platz. Projekte. Das finde ich faszinierend und natürlich schmeichelt es mir auch ein bisschen. Aus Kundensicht Auch nicht als sein Nachfolger? gibt es nichts Besseres, als auf diese Weise betreut zu Wie kam es trotzdem dazu, dass Sie CEO der werden und dadurch zu merken: Die interessieren sich Contena-Ochsner AG wurden? für uns und die tauschen sich aus. Ich liebäugelte schon lange mit einer Fusion zwischen Contena und Ochsner. Ochsner hatte unter anderem In welchen Angelegenheiten sind Sie besonders durch den Patent-Ochsner-Kübel und die ersten Keh- froh um die Unterstützung der Bank? richtfahrzeuge in der Schweiz einen sehr bekannten Kürzlich ging es um eine mögliche Akquise. Am Anfang Namen und eine Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert gehe ich jeweils mit einer Idee auf Markus zu. Von ihm zurückreicht. Mit 27 Mitarbeitenden war das Unterneh- werde ich nicht nur beraten, sondern auch herausgefor- men doppelt so gross wie wir und räumlich waren wir nur dert. Wenn er irgendwo einen Haken sieht, sagt er das wenige Kilometer voneinander entfernt. Für mich war direkt – ich schätze und brauche diesen Challenge. klar: Wenn wir das Traditionsunternehmen Ochsner Kürzlich war ich bei den laufenden Verhandlungen einen übernehmen können, dann bin ich dabei und hätte gerne Moment lang am Ende meines Lateins. Da half die eine führende Position. Bank wieder mit neuen Anregungen und brachte den Stein noch mal ins Rollen. Und so war es dann auch? Es hat tatsächlich funktioniert. Natürlich war es ein län- Die Contena-Ochsner AG will also weiterhin wachsen? gerer Prozess. Ochsner gehörte damals schon zur Kirch- Das ist unsere gelebte Transformation. Die beginnt nicht hoff-Gruppe und so kam es nicht zu einer Übernahme, bei A und hört bei B auf. Transformation ist ein immer- sondern zu dieser gelungenen Fusion. Vom ersten Tag währender Prozess. Allein in unserem Kernbereich wird an durfte ich die Geschäftsführung übernehmen. Später sich in den kommenden Jahren viel ändern, bei den An- kaufte ich die Aktien meines Vaters ab. Für ihn war der triebsmöglichkeiten der Fahrzeuge etwa. Ich habe schon Übergang somit ideal. Noch heute betreut er mit mir erwähnt, dass ich überzeugt bin, dass sich der Abfall- gemeinsam langjährige Kunden, was ihm nach wie vor markt verändern wird. Wenn wir Unternehmen sehen, die Spass macht. Auch meine Schwester arbeitet im Betrieb strategisch zu uns passen und wir dadurch unsere und ist für die Neufahrzeugkoordination und Disposition Kunden mit neuen Lösungen besser unterstützen können, verantwortlich. Wir konnten alle 40 Arbeitsstellen halten, suchen wir das Gespräch. Mit den Firmen und mit der darauf bin ich stolz. Durch die Fusion wurden wir Credit Suisse. effizienter und mit den gewonnenen freien Kapazitäten begannen wir, unsere Dienstleistungen auszuweiten. Eine letzte Frage: Hören Sie eigentlich Patent Ochsner? Begleitete die Credit Suisse die Fusion von (lacht) «Scharlachrot» ist einer meiner Lieblingssongs Contena und Ochsner? überhaupt. Am liebsten würden wir Patent Ochsner Nein, damals war die Credit Suisse weder die Hausbank einmal für eine Veranstaltung bei uns engagieren – das von Contena noch von Ochsner, das geschah einige wäre grossartig. Zeit später. Ich kam über Umwege erst als Privatkunde zur Credit Suisse und wurde Geschäftskundenberater Markus Walker vorgestellt. Es stimmte von Anfang an einfach alles. Er ist bis heute unser Mann bei der Credit Suisse. Contena-Ochsner AG Sprechen Sie von der Kommunikation oder von Die Firma entstand 2014 durch den Zusammenschluss der den Dienstleistungen? Was macht diese Beziehung 1976 gegründeten Contena Handels AG und der Firma aus? J. Ochsner AG, die 1846 ihre Tätigkeit aufnahm und für ihr Mir kommt es vor, als sei die Credit Suisse ein KMU wie Mülleimer-Patent bekannt war. Heute beschäftigt das Familien- wir und nicht ein riesiger Konzern. Das ist vielleicht er- unternehmen Contena-Ochsner AG mit Firmensitz in Urdorf klärungsbedürftig: Wir haben Markus Walker, der uns 40 Mitarbeitende unter der Führung von Renato Heiniger. Das Tätigkeitsfeld umfasst drei Kerngebiete: den Handel mit direkt betreut, ich kenne aber inzwischen auch seine und Service von Kehrichtfahrzeugen, den Handel mit Abfall Vorgesetzten und Andreas Gerber, der dem ganzen Firmen containern aus Kunststoff und Metall sowie den Verkauf kundengeschäft vorsteht. Wenn ich diese Leute an von Recyclinganlagen zum Trennen, Sieben und Zerkleinern Anlässen treffe, wissen sie über unsere Firma Bescheid, von Abfall. contena-ochsner.ch Unternehmer Juni 2019 9
Devisenkursentwicklung Wechselkurse: Risiken beschäftigen Die Studie über Wechselkur- D ie Schweizer Wirtschaft ist exportorientiert. Ob Grosskonzern oder KMU – Schweizer Unterneh- se und Währungsabsiche- men sind stark mit dem Ausland verflochten. Der Export bietet Zugang zu neuen Märkten, rung der Credit Suisse zeigt: birgt aber auch Risiken. Denn die meisten Transaktionen im Ausland erfolgen in Fremdwährung mit entsprechenden Die Mehrheit der Schweizer Wechselkursrisiken. Schwankungen an den Devisenmärk- ten können unberechenbar sein. Das haben die letzten Unternehmen agiert auch im Jahre eindrücklich gezeigt. Nicht nur Änderungen der Ausland. Wechselkursrisiken Geldpolitik eines Landes, auch geopolitische und politische Unsicherheiten können zu grösseren Veränderungen bei beschäftigen sie. den Wechselkursen führen. Text: Andrea Marthaler Mehrheit sichert sich ab In der Schweiz sind auch kleinere und mittlere Unterneh- men auf den Export angewiesen und damit beträchtlichen Währungsrisiken ausgesetzt. Andreas Gerber, Leiter KMU Schweiz bei der Credit Suisse, geht davon aus, dass «weit über 50 Prozent der KMU ihre Währungsrisi- ken (zumindest teilweise) absichern». Diese Einschätzungen werden von der Studie der Credit Suisse über Wechselkurse und Währungsabsiche- rung gestützt. Im Rahmen dieser Studie wurden 760 Firmen- kunden aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor befragt. Darunter sind Grosskonzerne mit über einer Milliarde Franken Umsatz und mehr als tausend Mitarbei- tenden, aber auch Einzelunternehmen mit einem Umsatz von einigen Hunderttausend Franken jährlich. Nur jedes sechste der befragten Unternehmen operiert ausschliess- lich in der Schweiz. Von jenen Unternehmen, die mindes- tens 20 Prozent ihrer Einkäufe oder Verkäufe in US-Dol- lar abwickeln, sichern sich 75 Prozent ganz oder teilweise mit Finanzinstrumenten gegen Währungsrisiken ab. Etwas tiefer ist der Anteil bei Unternehmen, die Geschäfte 10
Devisenkursentwicklung in Euro tätigen. Von ihnen verzichten 32 Prozent ganz auf eine Währungsabsicherung. Besonders bei Expor- USD-Transaktionen werden häufiger abgesichert teuren ist dies der Fall. Sie wickeln gemäss der Umfrage «Sichern Sie Ihre Währungsrisiken ab?» Antworten von Unternehmen mit 72 Prozent der Verkäufe und 57 Prozent der Einkäufe in mind. 20 % Exposure in der jeweiligen Fremdwährung ausländischer Währung ab. Viele ihrer Inputgüter stam- men bereits aus dem Ausland. Bei Importeuren dagegen ist die natürliche Währungsabsicherung geringer. Sie USD EUR kaufen mit 71 Prozent primär in Fremdwährungen ein, Ja 25 % 32 % verkaufen aber grösstenteils in Schweizer Franken. Teilweise Nein Herausforderung Frankenstärke 27 % Die Frankenstärke ist für Schweizer Unternehmen eine 37 % 38 grosse Herausforderung. Sie tangiert die Bilanz und ver- % 41 % teuert Schweizer Produkte im Ausland. Für Exporteure ist eine starke Heimwährung deshalb problematisch. Als «sicherer Hafen» gerät der Franken insbesondere bei Quelle: Credit Suisse Firmenkunden-Umfrage 2018 politischen oder wirtschaftlichen Unsicherheiten unter Aufwertungsdruck. Daher beobachten die befragten Unternehmer die Situation genau. Mitunter am meisten Einfluss auf den Schweizer Franken hat gemäss ihrer Exporteure sind öfter «natürlich abgesichert» Einschätzung die Geldpolitik der Europäischen Zentral- Anteil von ausgewählten Währungen am Einkaufs- bzw. Verkaufsvolumen bank EZB und der US-Notenbank Fed. Auch die Haus- haltsverschuldung in Italien schätzen sie als einflussreich Importeure Exporteure ein. Weniger Bedeutung messen sie dagegen den Brexit-Verhandlungen wie auch der sich abzeichnenden Wachstumsverlangsamung in China zu. Vorteil für Akquise Andererseits kann sich ein starker Schweizer Franken auch positiv auswirken – so beispielsweise bei Event- Transaktionen wie Akquisitionen im Ausland. Dies, «solange der Währungskauf und die Transaktionsdurch- führung abgesichert sind», betont Albert Angehrn, Leiter Large Swiss Corporates. Auch im Wareneinkauf GBP EUR Aussen: Verkauf könne ein starker Franken positiv sein, wenn die Effekte USD CHF Innen: Einkauf nicht durch einen Verkauf des Endprodukts im Ausland wieder vernichtet werden. «Das Thema beschäftigt somit Quelle: Credit Suisse Firmenkunden-Umfrage 2018 alle auf die eine oder andere Art.» Wie sichern andere Firmen Währungsrisiken ab? In der Studie über Wechselkurse und Währungsabsicherung geben drei Unternehmer Auskunft über ihre Währungsabsiche- rungsstrategie. Lesen Sie die Interviews online: credit-suisse.com/waehrungsrisiken Unternehmer Juni 2019 11
Ruetschi Technology Im Einsatz für die Patientensicherheit Die Ruetschi Technology AG hat sich in den letzten 20 Jahren von einer Dreherei zu einem international tätigen MedTech-Unternehmen entwickelt. Ihre Spezialität sind steril verpackte und gebrauchsfertige Einweg-Instrumente sowie Implantate für die Wirbel- säulen- und Dentalmedizin. Nicht nur die Firma, auch der Verwaltungsratspräsident und Co-CEO Christoph Ruetschi hat sich gewandelt – und fand so zum Erfolg. Text: Anja Kutter Bei den medizinischen Instrumenten gibt es national erfolgreich und an drei Standorten aktiv: noch viel zu tun», sagt Christoph Ruetschi. in der Schweiz in Muntelier und Yverdon sowie «Deren Wiederaufbereitung und Sterilisation im deutschen Renquishausen. Dank innovativer ist aufwendig und oft mangelhaft. Noch heu- Produkte und hoher Präzision ist sie ein bedeuten- te sterben in Europa jedes Jahr über 90’000 Personen der Player für die Entwicklung und Herstellung an den Folgen von Spitalinfektionen.» Deshalb setzt er von Hightech-Produkten in der Dental- und Ortho- als Geschäftsführer der Ruetschi Technology AG vor allem pädietechnik. auf Einweg-Instrumente. Diese werden gemeinsam mit den dazugehörigen Implantaten in sterile Kits ver- Als junger Mann in der Verantwortung packt. Solche sogenannten Procedure Kits verkürzen die «Das war nicht immer so», erzählt Christoph Ruetschi Operationszeit und verringern die Gefahr von postopera- – und blickt zurück auf die Anfänge des Unterneh- tiven Wundinfektionen. Das Spezialgebiet der Ruetschi mens. Sein Vater Charles Ruetschi gründet die Firma Technology AG ist die Wirbelsäulen- und Dentalchirur- im Jahr 1960 in La Chaux-de-Fonds, dem Herzen gie. Um Produkte herzustellen, die dem Arzt die Arbeit der Schweizer Uhrenindustrie. Für diese stellt er erleichtern, ist Christoph Ruetschi häufig in Operations- Schweissmaschinen her, später kommen Ziffer- sälen anzutreffen. «Es ist meine Leidenschaft, Dinge zu blatt-Stifte und Drehteile hinzu. Ein Neubau in Yverdon entwickeln, die die Lebensqualität von Menschen stei- trägt der grossen Nachfrage Rechnung. Mitte der gern. Wäre unser Familienunternehmen nicht gewesen, Achtzigerjahre fertigt die Ruetschi Technology AG wäre ich vermutlich Chirurg geworden.» Sein Engage- erstmals Teile für die Medizintechnik. Alles bewegt ment zahlt sich aus. Die Ruetschi Technology AG sich in geordneten Bahnen, als der Patron plötzlich an beschäftigt derzeit über 200 Mitarbeitende, ist inter Alzheimer erkrankt. Schnell ist er nicht mehr in der 12
Co-CEO Christoph Ruetschi. Der zweite Mann ist Christian Moser. Unternehmer Juni 2019 13
Ruetschi Technology Lage, die Firma zu leiten. Seine Frau muss einspringen, gesamtheitlicher Hersteller von Medical Devices auf – ein No- gleichzeitig wird Christoph Ruetschi vor die Entscheidung vum in der Branche. «Die Resonanz und damit der Geschäfts gestellt, ob er die Firma übernehmen will. «Ich war 26, verlauf waren entsprechend positiv», erinnert sich Ruetschi. Ingenieur und spielte in der Nati B Volleyball. Eigentlich wollte ich noch eine Weile das Leben geniessen», erinnert er sich. Persönliche Neuorientierung Daraus wurde nichts. Kurzerhand packte er seine Koffer und Der Weg zum heutigen Vorzeigebetrieb verlief allerdings reiste in die USA, um vor der Geschäftsübernahme noch nicht gradlinig und erforderte einiges an Durchhaltevermögen. ein zweijähriges Betriebswirtschaftsstudium in Boston zu In den Folgejahren der Wirtschaftskrise 2009 etwa verlor absolvieren. die Ruetschi Technology AG ihre beiden grössten Kunden. «Plötzlich konnten wir nicht mehr investieren», so Ruetschi. Vom Lohnfertiger zum Entwickler Zusätzlich setzte bei ihm eine körperliche und emotionale Kaum gestartet, erkannte Christoph Ruetschi, dass sich sein Erschöpfung ein. Die Symptome kamen schleichend, doch Unternehmen weiterentwickeln musste. «Wir waren ein rei- irgendwann war sie da, die Diagnose Burn-out. Gerade ner Lohnfertiger. Jemand hat uns die Zeichnung eines Bau- noch rechtzeitig, um den Zusammenbruch abzuwenden. teils gegeben, wir haben es produziert, fertig.» Das ging zwar «Da habe ich gemerkt, dass ich fundamental etwas ändern noch eine Weile gut, dann brachen die Margen in der Bran- muss. Nicht nur in der Firma, sondern auch bei mir selber», che ein. Es gab nur Eines, um bestehen zu können: eine erzählt Christoph Ruetschi. Was war es schliesslich, dass komplette Neuorientierung. «Zu diesem Zeitpunkt haben wir die Ruetschi Technology AG und ihn selber zurück in ruhige uns entschieden, voll und ganz auf den Bereich Medizintech- Gewässer führte? Ruetschi lacht: «Eine Portion Glück – nik zu setzen. Zudem – und das war der grösste Meilenstein und Veränderungen auf allen Ebenen. Angefangen mit dem in unserer Firmengeschichte – haben wir mit der Entwick- Eingeständnis, dass ich das alles nicht mehr alleine schaffe.» lung von Produkten begonnen.» Es war eine grosse Heraus- Als Erstes verbreiterte Ruetschi das Management. Sein forderung für den Betrieb mit damals rund 60 Mitarbeiten- Schwager Christian Moser kam zurück ins Unternehmen den. Der Paradigmenwechsel zahlte sich aber aus und und teilt sich seither die CEO-Rolle mit ihm. Gleichzeitig leitete eine positive Phase im Unternehmen ein. Zusätzlichen wurden der Verwaltungsrat und das Aktionariat erweitert, um Aufwind gab eine weitere Entscheidung: «Bis dahin be- neuen Schwung ins Unternehmen zu bringen. «Danach wa- herrschten wir zwar die Arbeit mit metallischen Komponen- ren wir so gut aufgestellt, dass wir sogar den Frankenschock ten und konnten zum Beispiel Wirbelsäulen- oder Zahnim- überraschend gut wegstecken konnten. Seit 2013 wachsen plantate herstellen. Für die Instrumente aber, die man wir jedes Jahr zweistellig.» zum Setzen solcher Implantate im Operationssaal braucht, muss man auch Kunststoffteile produzieren können. Wir Partner in guten wie in schlechten Zeiten beschlossen, uns auch auf diesem Gebiet zu spezialisieren, Am meisten beschäftigt Christoph Ruetschi im Moment, wie und kauften 2006 die André Gueissaz SA, einen Spritz- die grosse Menge an Aufträgen und Projekten überhaupt guss-Betrieb.» Kurz darauf trat die Firma Ruetschi erstmals als bewältigt werden kann. «Gerade jetzt sind wir froh um einen «Noch heute sterben in Europa jedes Jahr über 90’000 Personen an den Folgen von Spitalinfektionen.» 14
In den Reinräumen der Ruetschi Technology AG werden die Instrumente und Implantate für Chirurgen in sogenannte Procedure Kits verpackt, die im Anschluss sterilisiert werden. Partner wie die Credit Suisse. Sie hat die ganze Transforma- Arbeitgeber zu entwickeln. «Wir glauben fest daran, dass der tion mit uns durchlebt, hat auch in den schlechteren Zeiten Erfolg eines Unternehmens mit seinen Mitarbeitenden an uns geglaubt und steht uns auch jetzt zur Seite, wo steht und fällt. Deshalb beschäftigen wir uns intensiv mit der das Wachstum finanziert werden muss», betont Christoph Frage, was wir tun können, damit gute Fachkräfte zu uns Ruetschi. Solche Partner seien essenziell, um als Firma kommen und auch bei uns bleiben. Dabei will Ruetschi offen voranzukommen. Das habe er in den vergangenen 17 Jah- sein für neue Ideen. «Nicht nur auf Produktebene, sondern ren gelernt. Und noch etwas: «Damit eine Firma einen auch in Prozessen, Abläufen und im Umgang miteinander.» Wandel vollziehen kann, braucht es nicht nur eine Entwick- lung in der Technologie, sondern auch im Menschen.» Auch als Arbeitgeber innovativ Sein Ziel mit der Ruetschi Technology AG ist es, weiter zu wachsen und im Bereich Procedure Kits für die Wirbelsäu- len- und Dentalmedizin Marktführer zu werden. Dass das aktuelle Thema Klimaschutz den Erfolg der in den Kits ent- Ruetschi Technology AG haltenen Einweg-Instrumente schmälern könnte, glaubt er Das Unternehmen entwickelt und produziert Hightech-Produkte nicht. «Die Energiebilanz von Einweg-Instrumenten ist sogar für die Medizinbranche. Seine Spezialität ist es, Metall und besser als bei konventionellen Produkten. Ausserdem sind Kunststoffkomponenten optimal zu kombinieren, was sie zu das so kleine Mengen an Kunststoff – und diese können die einem führenden Hersteller von sterilen Einweg-Produkten für Patientensicherheit deutlich erhöhen.» die Wirbelsäulenchirurgie und Dentalimplantologie macht. Das Ebenso wichtig wie die Entwicklung ihrer Produkte ist Schweizer Unternehmen mit Sitz in Muntelier FR betreibt einen zweiten Standort in Yverdon sowie einen im deutschen Renquis- dem CEO aber auch die interne Entwicklung der Firma. hausen. Es wird von Christoph Ruetschi und Christian Moser Kürzlich hat das Management die Initiative «Employer of gemeinsam geführt und beschäftigt rund 200 Mitarbeitende. choice» lanciert. Dabei geht es darum, sich zu einem Top- ruetschi.com Unternehmer Juni 2019 15
Immobilienmarktstudie Immobilienmarkt: zwischen Erholung und Herausforderung Investitionen in Immobilien sind dank tiefer Zinsen attraktiv. Doch nicht in allen Segmenten kann die Nach- Der Umsatz pro Fläche ist gar gesunken. Schuld daran ist der Onlinehandel. Er setzt den stationären frage mithalten. Das zeigt die Detailhandel unter Druck und gewinnt zunehmend Immobilienmarktstudie der Marktanteile. Damit geht der Strukturwandel im Schweizer Detailhandel weiter. Besonders im Beklei- Credit Suisse. Wie es um den dungsgeschäft kam es in den vergangenen Jahren zu Ladenschliessungen und Stellenabbau. Büro- und den Verkaufs- Anbieter von Verkaufsflächen haben auf die Probleme im Detailhandel reagiert und erstellen bereits flächenmarkt steht. Text: Andrea Marthaler weniger neue Verkaufsflächen. Trotzdem nimmt das Angebot an inserierten Flächen zu. Besonders ausserhalb von Top-Lagen ist es schwieriger gewor- den, leer stehende Ladenlokale wieder zu vermieten. Das ist nicht nur ein Problem für umliegende Geschäfte, sondern auch für die Innenstädte, die an Aufenthaltsqualität einbüssen. D ie gute Konjunktur 2018 wirkte sich auf das Beschäftigungswachstum und damit auf die Nachfrage Nachfrage nach Büroflächen aus. Im vergange- Zusatznachfrage nach Büroflächen (in 1000 m2) nen Jahr stieg sie gemäss Schätzungen um 2000 600’000 Quadratmeter. Auch 2019 dürften Unternehmen zusätzliche Büroflächen nachfragen, allerdings etwas 1500 weniger als im Jahr 2018. Wie weit die Erholung in den 1000 2019 einzelnen Büromärkten fortgeschritten ist, hängt jedoch + 403’000 m2 von der lokalen Branchenzusammensetzung ab. Zudem Langfristmittel 500 stieg das Angebot an Büroflächen unter dem Strich stärker als die Nachfrage. Denn nach wie vor wird viel gebaut. 0 An zentralen Lagen ist eine Erholung des Büromarkts –500 deutlich spürbar. So hat sich die Fläche der zur Vermietung 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 ausgeschriebenen Büros in den inneren Büromärkten der Grosszentren um knapp ein Fünftel reduziert. In Genf Steigende Beschäftigung hat Nachfrage nach Büroflächen belebt. Trotz Konjunkturabkühlung setzt sich Nachfragebelebung fort. und Zürich sind zunehmend auch gut erschlossene 2019: Abschwächung der Nachfrage auf immer noch Standorte in den mittleren Büromärkten gefragt. Ob sich überdurchschnittliches Niveau die Erholung auf die äusseren Büromärkte ausdehnen kann, wird von der weiteren Nachfrage und damit vom Beschäftigungswachstum abhängen. Erfahren Sie mehr! Nachfrage nach Verkaufsflächen sinkt Weitere Fakten und Informationen zum Schweizer Im Gegensatz zum Büromarkt konnte der Verkaufsflächen- Immobilienmarkt finden Sie in der Studie: markt nicht vom konjunkturellen Aufschwung profitieren. credit-suisse.com/bueroflaeche 16
Unternehmensnachfolge Unternehmensnachfolge: die wichtigsten Fragen, die wertvollsten Tipps In der Schweiz steht in den kommenden Jahren etwa bei jedem fünften KMU ein Generationenwechsel an. Genaue Pläne, wie die Nachfolge vonstattengehen soll, sind aber in den wenigsten Fällen vorhanden. Text: Mariska Beirne D ass viele KMU sich lieber mit ihrem Tagesge- • Management-Buy-out (Verkauf an Mitarbeiter) schäft auseinandersetzen, als eine Nachfolge in • Management-Buy-in (Verkauf an Mitbewerber) Angriff zu nehmen, bestätigt auch Toni Neuhaus, • Verkauf an Investor Spezialist für Unternehmensnachfolgen bei der Credit Suisse. Er hat schon mehr als 150 Stabsübergaben Käufersuche: zum Beispiel mit Opportunity Net begleitet. Sein wichtigster Tipp lautet: «Eine Firmennach- Ergibt sich aus der Familie oder dem Betrieb keine ge- folge sollte man möglichst früh angehen.» eignete Lösung, kann es schwierig werden. Für diesen Fall betreibt die Credit Suisse mit Opportunity Net eine Wünsche und Tabus Vermittlungsbörse. Sie bringt Verkäufer und Käufer von Ist der Entscheid, die Nachfolgethematik genauer anzu- Unternehmen zusammen. Neuhaus rät: «Fragen Sie schauen, einmal gefallen, stellt sich sogleich eine Reihe erst mal Ihren Kundenberater. Die Credit Suisse verfügt von Fragen. Etwa: über ein riesiges Netzwerk und kennt die Unternehmer- welt in der Schweiz ziemlich gut.» 1. Wie ist die Familiensituation und was passiert, wenn nichts unternommen wird? 2. Was möchte der Hauptaktionär? Erfahren Sie mehr! 3. Was sind die Wünsche der weiteren Aktionäre? Das Unternehmen Bigler AG Fleischwaren 4. Sind alle Aktionäre überhaupt bekannt? mit 600 Mitarbeitenden und einem Aktionariat von rund 20 Familienmitgliedern regelte kürzlich «Viele Familienbetriebe sind damit überfordert. Als Bank seine Nachfolge an die vierte Generation. übernehmen wir als neutrale Instanz in dieser ersten Warum das KMU diesen Prozess mit der Credit Phase die Auslegeordnung.» Denn nicht selten sei etwa Suisse als Partner anging, erzählt CEO Markus der Wunsch zu verkaufen innerhalb der Familie tabu. Bigler im Video. credit-suisse.com/nachfolge Durchspielen von Lösungen Ist die Auslegeordnung erarbeitet, zeichnet sich meist schon eine mögliche Lösung ab. Möglichkeiten innerhalb der Familie: • Nachfolge aus der Familie • Fremd-Management mit Familienkontrolle (im Verwaltungsrat) • Interimslösung, da potenzielle Familiennachfolger noch nicht alt oder erfahren genug sind Unternehmer Juni 2019 17
Digitale Aktien «95 Prozent der Aktiengesellschaften können nicht genau sagen, wer zum Aktionariat gehört.» Über den meisten Aktiengesellschaften schwebt ein Damoklesschwert: Oftmals gehören nicht alle vermeintlichen Aktionäre zu den rechtmässigen Eigentümern des Unternehmens. Text: Mariska Beirne Wir sprechen heute über klare Verhältnisse im Aktienbuch eingetragen. Inhaberaktien dagegen machen Aktionariat. Herr Arni, Herr Vischer, warum ihren Besitzer zum Aktionär. In der Schweiz gibt es rund ist dieses Thema für Unternehmen interessant? 50’000 Gesellschaften mit Inhaberaktien, das ist etwa Andreas Arni (AA): Viele Verwaltungsräte von Aktienge- ein Viertel. Am meisten verbreitet sind jedoch Gesell- sellschaften sind sich zu wenig bewusst, wie wichtig das schaften mit Namenaktien, fast immer mit vinkulierten Thema «klare Verhältnisse im Aktionariat» für sie ist. Bei Namenaktien, was bedeutet, dass die Übertragbarkeit Unternehmensnachfolgen stellen wir fest, dass etwa zwei dieser Aktien beschränkt ist. Drittel nicht genau sagen können, wer ihre Aktionäre sind. Markus Vischer (MV): Das kann ich bestätigen. Ich Und bei der Übertragung der Aktien liegt das frage einen Unternehmer oft gerne provokativ: Sind Sie Problem? sicher, dass Sie der Inhaber Ihres Unternehmens sind? MV: Je nach Art der Aktie gibt es unterschiedliche Rege- Aus meiner Erfahrung würde ich sogar behaupten: lungen, die befolgt werden müssen. Oftmals glauben 95 Prozent können nicht genau sagen, wer zum Aktio- die Verantwortlichen, mit einem Eintrag ins Aktienbuch nariat gehört. Das kann fatal sein. sei die Übertragung erledigt. Doch es braucht, etwa bei verbrieften Namenaktien, ein Indossament, eine Art Was passiert denn im schlimmsten Fall? Übertragungserklärung auf der Aktie. Unverbriefte Na- MV: Das Unternehmen wird handlungsunfähig. Weil es menaktien müssen per Zession übertragen werden. seine Aktionäre nicht kennt, kann es nicht mehr rechtlich Es ist also eine schriftliche Abtretungserklärung notwen- korrekt zu einer Generalversammlung einladen und eine dig. Neben dem Aktienbuch muss seit 2015, als die solche durchführen. Möglicherweise sind auch vorherge- GAFI-Vorschriften in Kraft getreten sind, ein Verzeichnis hende Generalversammlungen nichtig und ihre Entschei- der Inhaberaktionäre und unter Umständen auch ein Ver- de hinfällig. Ein Richter könnte unter Umständen die zeichnis der wirtschaftlich Berechtigten geführt werden. konkursrechtliche Auflösung beantragen. Zusammengefasst gibt es demzufolge ziemlich viele AA: Die meisten Unternehmen sind sich dessen aber Stolpersteine und Punkte, wo Fehler passieren können. nicht bewusst. Erst wenn eine Nachfolge oder ein Ver- kauf ansteht, kommen solche Dinge ans Licht. Und das Wir haben jetzt ausführlich das Problem bedeutet dann viel Arbeit für Leute wie Markus Vischer. erörtert – verraten Sie uns die Lösung! MV: Ich empfehle mindestens bei grösseren Unterneh- Warum ist das Problem, dass Unternehmen ihre men sogenannte Bucheffekten, eine Form der digitalen Aktionäre nicht kennen, so verbreitet? Aktien, zu schaffen und ihre Handhabung der Bank zu AA: Dazu erklären wir am besten kurz die unterschiedli- übergeben. So vermeiden Sie Fehler in der Übertra- chen Arten von Aktien. Es gibt z. B. Namenaktien, diese gungskette. Und: Die Bank ist auch in fünf oder in zehn lauten auf den Namen des Aktionärs und werden im Jahren noch da. 18
Andreas Arni, Leiter Entrepreneurs & Executives bei der Credit Suisse, und Markus Vischer, Partner der Anwaltskanzlei Walder Wyss AG. Herr Arni, welche Lösungen bietet die Nun gibt es Bucheffekten ja nicht kostenlos und Credit Suisse? gerade Start-ups setzen ihr Kapital wahrscheinlich AA: Für ein kleines Familienunternehmen mit zwei oder lieber für etwas anderes ein als für Bucheffekten … vier Aktionären und wenig Änderungen braucht es eher AA: Es fallen beim Aufsetzen in der Tat Kosten an. Die keine Bucheffekten, sondern einen sauberen Umgang Bank übernimmt die Rolle der Zahlstelle. Das heisst, mit den notwendigen Papieren. Wenn eine Firma ihre sie verrechnet Gebühren, etwa bei der Auszahlung von Aktientitel bei uns deponiert, buchen wir sie bei uns ein Dividenden. Wenn man weiterdenkt, lohnt sich diese und helfen so. Sobald ein Unternehmen eine gewisse Investition aber häufig. Grösse hat, sagen wir ein mittleres Familienunterneh- MV: Wir betreuen viele Aktiengesellschaften, die bei men, kann es spätestens ab der 3. oder 4. Generation einer Nachfolge oder aus anderen Gründen feststellen, sehr komplex werden, weil die Aktien durch Vererbung dass sie den Überblick über ihre Aktionäre verloren ha- oder Scheidung weitergegeben werden. Solche Firmen ben. Die Aufarbeitung durch eine spezialisierte Anwalts- haben rasch einmal 50 oder 100 Aktionäre. Dann kön- kanzlei kostet ein Vielfaches im Vergleich zur Umstellung nen Bucheffekten sinnvoll sein. auf Bucheffekten. Hier muss man nicht mehr lange überlegen, ob sich die Bucheffekten wohl gelohnt hätten. Gibt es Unternehmen, denen Sie digitale Aktien besonders ans Herz legen? AA: Ja, insbesondere schnell wachsenden Start-ups. Und generell Firmen, die ihre Mitarbeitenden in Form von Mehr Informationen? Aktien am Unternehmen beteiligen. Mitarbeitende kom- Möchten Sie mehr über Bucheffekten und ganz men und gehen. Das wird nach kurzer Zeit schon sehr allgemein über digitale Aktien erfahren? Ihre komplex. Zudem gehen Start-ups oftmals in mehrere Kundenberaterin bzw. Ihr Kundenberater wird Sie Kapitalbeschaffungsrunden. Wenn da die Beteiligungs- spezifisch im Hinblick auf Ihr Unternehmen beraten. verhältnisse nicht klar sind, gibt es kein Geld. Für solche Weitere Informationen finden Sie zudem hier: Unternehmen sind Bucheffekten sehr sinnvoll. credit-suisse.com/digitaleaktien Unternehmer Juni 2019 19
Rubrik Grüne Hallen in grauen Industriezonen Die Bernis SA schafft flexibel nutzbare und erschwingliche Gewerberäume. Mit dem Bau ihrer umweltfreundlichen Hallen, den sogenannten GreenPlaces, wertet das Start-up die meist grauen Industriezonen auf. Und legt dabei ein flottes Tempo vor. Text: Eva-Maria Morton de Lachapelle 20
Bernis I mposant ragt das grüne Industriegebäude in den blau- Umweltfreundlich und bezahlbar en Himmel. Wer durch die Fenster späht, erhascht ei- Die grünen Industriehallen bestehen hauptsächlich aus nen Blick auf die Tuning-Werkstatt zweier Autoliebha- Holz. Fenster, Tor und Türen sind dreifachverglast. Das ber, das Lager eines Antiquariats oder eine Backstube Dach ist mit Solarpanelen bestückt und sorgt zusammen für Kebab-Brot. Durch die Tür mit der knallorangen «1» mit den Mauern für eine sehr gute Wärmedämmung. Den geht es in das Büro der Bernis SA. Im Besprechungszim- Begriff «umweltfreundlich» findet Bertrand de Sénépart mer des Start-ups versammelt sich das Team. Die Be- jedoch zu gewöhnlich. Ihm geht es ums Prinzip. Die Ge- grüssung ist herzlich, es wird viel gelacht. Zum Interview winnmarge sei schmäler als bei günstigen Bauten. Aber mit CEO Fabrice Bezençon und Architekt Bertrand de die GreenPlaces bewiesen, dass umweltschonend und Sénépart bleiben auch die Mitarbeitenden. Sie alle tragen bezahlbar sich nicht widersprächen. An jedem Standort stolz das Logo der GreenPlaces auf der Brust. liegt die Bernis SA mit ihrem Angebot rund zehn Prozent unter dem Marktpreis. Sonst wird das Projekt gar nicht Raum für kleine Betriebe und Heimwerker erst in Angriff genommen. Bertrand de Sénépart, Architekt und Mitgründer, erklärt das Geschäftsmodell: «Wir schaffen flexibel nutzbare Schnell sein ist die Devise Gewerberäume und richten unser Angebot an kleine und Möglich macht das die effiziente Bauweise der GreenPla- mittelständische Betriebe, z. B. Handwerksfirmen wie ces. Frei nach dem Motto von CEO Fabrice Bezençon «Du Elektriker, Spengler oder Maler. Aber auch an Privatperso- musst schnell sein, sonst wirst du überholt» vergehen vom nen, die einen Platz zum Basteln suchen oder einem Hob- ersten Spatenstich bis zur Inbetriebnahme nur acht Mona- by nachgehen möchten.» Diese Zielgruppen kommen heu- te. Erfahrungsgemäss ist der Standort nach etwa zehn te meist in Scheunen, Garagen oder Kellern unter. Die weiteren Monaten zu 80 Prozent belegt. Teile der Fabrik- GreenPlaces sollen das ändern. Die Gründer wollen mit hallen werden in Schaffhausen von der MTM Construction ihrem Konzept dem Grau-in-Grau der Industriezonen einen AG vorgefertigt und vor Ort zusammengesetzt. Erst ent- grünen Touch verleihen – und dies in doppelter Hinsicht. steht das Fundament, dann folgen die Aussenwände und Die knallgrünen Fassaden, hier in Bösingen bei Freiburg, sind das Markenzeichen der GreenPlaces. Die Farbe verkörpert die nachhaltige Unternehmensphilosophie der Bernis SA und erregt die Aufmerksamkeit von potenziellen Nutzern dieser Industriehallen. Unternehmer Juni 2019 21
Bernis das Dach. Die Innenwände werden zum Schluss eingezo- tragsunterschrift weiter zu begleiten. Zum Beispiel bei der gen. Die Halle lässt sich so in beliebig grosse Abschnitte Beantragung der Baubewilligungen bei den Gemeinden, unterteilen. Einem Stück Salami gleich, könne sich der zu denen die Mitarbeitenden der Bernis SA einen guten Interessent ein kleines oder grosses Stück abschneiden, Draht haben. «Wir betreiben hier Hotellerie für Unterneh- schmunzelt Bertrand de Sénépart. Die Standard-Einheit men», sagt der CEO voller Begeisterung. Es ginge darum, misst sechs mal zwölf Meter und ist 10,8 Meter hoch. Synergien zwischen den Handwerksbetrieben zu fördern und eine Gemeinschaft wachsen zu lassen. Ab einer Flexible Nutzung Belegungsquote von 60 –70 Prozent sind Networking- Die Einheiten werden im Rohbau geliefert und zum Kauf Anlässe geplant. Danach soll eine Onlineplattform die oder zur Miete angeboten. «Je nach Nutzung entscheiden Nutzer der GreenPlaces auch digital vernetzen. Handwer- Käufer und Mieter über den Investitionsaufwand selbst. ker können so Werkzeuge teilen oder tauschen, Kunden Für ein Depot etwa braucht es keinerlei Innenausbau. Für gleichzeitig mehrere Dienstleister suchen. Bei einem der ein Büro müssen Bodenbeläge, Küche und Sanitäranlagen nächsten Projekte stehen industrielle Co-Working-Spaces installiert werden», erklärt der Architekt die Flexibilität der auf dem Programm. Gewerberäume. Ein Handwerksbetrieb nutzt typischerwei- se das Erdgeschoss als Werkstatt, das Zwischengeschoss Expansionspotenzial auch ins Ausland als Depot und den obersten Stock als Büro oder Aufent- Zwei Standorte sind seit 2018 in Betrieb. Der Green- haltsraum. Place in Bösingen bei Freiburg mit 34 Modulen war das erste Projekt, Moudon in der Nähe von Lausanne das Die Bernis SA als Asset Manager der GreenPlaces zweite. Bis Jahresende werden mutmasslich sieben Ansprechpartner für Interessenten, Käufer und Mieter ist weitere mit dem Bau oder Betrieb starten: in den Kanto- die Bernis SA. Sie fungiert als Asset Manager der Green- nen Baselland, Solothurn, Thurgau, Bern und Waadt. Places. In dieser Funktion sucht sie nach geeigneten Zusätzlich läuft zurzeit die Vorstudie für drei GreenPlaces Standorten und Investoren, kümmert sich um Bewilligun- in Deutschland: in der Nähe von Mannheim, Freiburg im gen, leitet den Bau und die folgende Bewirtschaftung. Breisgau und Schaffhausen. Aber auch nach den USA Jeder der GreenPlaces ist eine eigene Aktiengesellschaft strecken die Unternehmer ihre Fühler aus. Erste Gesprä- und finanziert sich als eigenständiges Unternehmen zu che seien vielversprechend verlaufen. Ein solches Kon- jeweils 50 Prozent mit Eigen- und Fremdkapital. Hier spielt zept existiere in den Staaten noch nicht, so Bertrand de die Credit Suisse eine wichtige Rolle. Als Partner der Sénépart. Architekten arbeiten derzeit an Bauplänen, ersten Stunde unterstützt die Bank die GreenPlaces bei welche die Gebäude den US-amerikanischen Normen deren Finanzierung. In dieser Zeit hat sich zwischen dem anpassen, damit sie Erdbeben oder Wirbelstürmen trot- Start-up und der Bank ein enges Vertrauensverhältnis zen. «Deutschland ist gross, die USA sind riesig und wir entwickelt. «Unser Credit Suisse Berater ist für uns da, er sind klein. Wir müssen smart sein», sagt der Architekt glaubt an unseren Erfolg und setzt sich für unsere Projekte mit einem Augenzwinkern. Die grösste Herausforderung ein», lobt CEO Fabrice Bezençon die Zusammenarbeit. bestehe darin, geeignete Standorte zu identifizieren, wo Es seien auch hier, wie so oft, die zwischenmenschlichen der Baugrund bezahlbar und die Nachfrage gross genug Beziehungen, die den Unterschied machten. sei. In der Schweiz erfolge die dafür nötige Recherche noch über herkömmliche Wege. Eine eigens dafür entwi- Ein umfassender Service ckelte Software mit künstlicher Intelligenz werde die Su- Fabrice Bezençon kommt aus der Hotelbranche. Für ihn che in Zukunft jedoch automatisieren. ist wichtig, sowohl Käufer als auch Mieter nach der Ver- Starkes Team Die kurze Unternehmensgeschichte zeigt, dass die Ber- nis SA nicht nur beim Bau ihrer Hallen ein flottes Tempo Bernis SA vorlegt. «Am 18. März 2016 haben wir uns zum ersten Die Bernis SA und ihre 13 Mitarbeitenden bauen umweltfreundliche Mal getroffen», erinnert sich Fabrice Bezençon. Das Industriehallen, sogenannte GreenPlaces. Damit schafft das Start- Start-up sei jung, die Gründer Senioren. Das Team be- up flexiblen und bezahlbaren Gewerberaum für kleine und mittel- stehe aus «grossen Kalibern». Die Mitarbeitenden bringen grosse Betriebe sowie private Bastler. Seit 2018 sind erste Stand- viele Jahre Erfahrung in der Baubranche und dem Finanz- orte in Bösingen bei Freiburg und Moudon bei Lausanne in Betrieb. management mit. Die Gründer sind selbst an der Bernis Zehn weitere Hallen sind in der Schweiz und Deutschland in Planung oder im Bau. Die Gründer möchten mit ihrem Angebot den SA beteiligt. Jeder kommt zu Wort. «Bei uns sind über Gewerberaum in den Industriezonen ausweiten und aufwerten. sieben Personen in den Entscheidungsprozess involviert, greenplaces.ch mehr als beim Bundesrat», lacht der CEO. Das starke Team sei für ihn das Fundament, auf dem der Erfolg der GreenPlaces wachse. 22
Rubrik Das Team der Bernis SA sitzt auf der Treppe zum Zwischengeschoss in einer noch leer stehenden Einheit der GreenPlaces in Bösingen. Zum Fototermin sind die Mitarbeitenden aus der ganzen Schweiz angereist. «Gute Ideen reichen heute nicht mehr. Entscheidend ist, diese schnell umzusetzen.» Fabrice Bezençon CEO Fabrice Bezençon ist ein alter Hase der Hotelbranche. Für ihn besteht die grösste Herausforderung des jungen Start-ups darin, das schnelle Wachstum erfolgreich zu meistern. Unternehmer Juni 2019 23
Bergauf und bergab im Winter- sportbusiness Henry Nidecker (r.) führt zusammen mit seinen Brüdern Cédric (l.) und Xavier (nicht im Bild) die Nidecker Group. Die jungen Unternehmer teilen nicht nur die Unternehmensleitung, sondern auch die Leidenschaft für den Wintersport. 24
Nidecker Der Snowboard-Hersteller Nidecker hat sich in seiner langen Geschichte immer wieder neu erfunden. Heute leiten drei Brüder das Unternehmen. Sie schafften es, nach einer rasanten Talfahrt in nur zehn Jahren zur Nummer 2 im weltweiten Snowboard-Business zu werden. Text: Eva-Maria Morton de Lachapelle W er die Tür zum Firmensitz der Nidecker- Betrieb übernommen und 1912 die ersten Ski für Gruppe öffnet, steht nach wenigen die Schweizer Armee gefertigt», entführt uns Cédric Schritten in einem Potpourri aus 130 Nidecker in die Firmengeschichte. Sein Vater, der Jahren Firmengeschichte: An der Wand vierte Henri, gerade bei seiner täglichen Stippvisite im lehnt ein hüfthohes Wagenrad, daneben liegen Holz- Betrieb, kommt hinzu und ergänzt, die Nideckers ski, gegenüber leuchten Snowboards in Neonfarben. seien damals Meister im Holzbiegen gewesen. Und Die Suche nach CEO Henry Nidecker führt vorbei ein Ski sei ja eigentlich nur ein Stück Holz mit einer am Töggelikasten und am Pingpong-Tisch in das gebogenen Spitze. Zuerst hat Nidecker Alpinski Grossraumbüro, wo um die 30 Personen vor ihren hergestellt, danach Langlaufski. Die Holzski kamen Computern sitzen. Sportlich, lässig und jung wirken ursprünglich aus dem flachen Finnland. Doch das sie, genauso wie man sich die Mitarbeitenden eines Bergauf und Bergab in den Schweizer Bergen mach- Snowboard-Produzenten vorstellt. Wer von ihnen der te die Bretter kaputt. Der findige Henri III. wandte die Chef ist, lässt sich aber weder anhand der Kleidung Herstellungstechnik der Alpinski auf Langlaufski an noch anhand der Sitzordnung erkennen. Ein junger, und verstärkte das Holz mit Glasfaser. «Damit waren schlanker Mann kommt auf uns zu. Er stellt sich vor: wir in Europa so ziemlich die Ersten. Wir hatten immer Cédric Nidecker, ein Bruder des CEO. Er bringt uns in eine Skispitze Vorsprung», so Henri IV. stolz. den Showroom. Neben der Tür hängt eine Kreidetafel mit Wolken. Cédric Nidecker lacht: «Das ist unser Der Snowboard-Boom Wetterbericht. Wir haben folgende Regel: Liegen mehr 1984 gelingt Henri Nidecker der Durchbruch. Die als 30 cm Neuschnee, können unsere Mitarbeitenden Firma startet mit ihm als erstes europäisches Unter- in die Berge. Oder bei starkem Wind zum Kitesurfen nehmen die Produktion von Snowboards. Diese auf den See. Das steht so im Personalreglement.» Im Entscheidung macht die Schweizer Firma zu einem Showroom stösst der grosse Bruder, Henry Nidecker, internationalen Unternehmen, das seine Snowboards dazu. Er entschuldigt sich, weil auf dem Boden stapel- in mehr als 30 Länder verkauft. Die Produktion fand weise Boards, Bindungen und Boots liegen – die in dem Gebäude statt, das heute als Büro und Lager Vertäfelung des Raumes werde gerade erneuert. Ein dient. «Wir haben uns damals auf die Herstellung aromatischer Duft von frisch gehobeltem Holz liegt in konzentriert und waren einfach froh, wenn wir danach der Luft. So muss es damals auch gerochen haben, etwas verkauft haben», beschreibt Henri IV. die Situa- als die erste Generation der Nidecker-Dynastie in ihrer tion vor 30 Jahren. Immerhin waren es dann mehr Werkstatt Räder und Möbel schreinerte. als 120’000 Snowboards. In den 1990er Jahren boomt die Branche. Doch dann kommt der Carvingski. Vom Rad zum Ski Viele Snowboarder lassen sich davon zurück auf «Unser Ururgrossvater produzierte Wagenräder, Tische die Skier locken. Erinnerungen an eine schwere Zeit und Stühle. Sein Sohn, der zweite Henri, hat den für Henri IV. Unternehmer Juni 2019 25
Nidecker Krisenbewältigung Neue Markenstrategie Mit den Verkäufen und dem Cashflow geht es bergab. Parallel zur Umstrukturierung arbeitet Henry Nidecker Es wird für die 20 Nidecker-Mitarbeitenden zunehmend an einer neuen Markenstrategie. Der Name Nidecker schwierig, die Produktion und Entwicklung in der ist zu restriktiv, vor allem für das Geschäft in den USA Schweiz, den Vertrieb in den USA und eine Fabrik in Tu- und Japan. Das Kapital für Marketingkampagnen nesien zu managen. In dieser misslichen Lage holt Vater oder Übernahmen fehlt dem Schweizer Unterneh- Henri Nidecker den 20-jährigen Sohn, Henry V., in die men. Also tun sich die Brüder mit bekannten Snow- Firma. Die beiden jüngeren Brüder, Cédric und Xavier, boardern zusammen. «Meine Söhne waren damals folgen. «Das Unternehmen musste sich verändern, um zu genauso alt wie die Profisportler und mindestens so überleben», blickt Henry Nidecker zurück. Die Produktion snowboardversessen», erzählt Vater Henri. Auf die in der Schweiz wird geschlossen und die Fabrik in Tunesi- Lancierung der ersten Marke «Yes» im Jahr 2008 fol- en verkauft. Letztere arbeitet zwar weiter für Nidecker, gen mit «Jones Snowboard» und «Now» zwei weitere. jedoch wie die Produktionspartner in China, Dubai und Ein Novum in der Winter-Actionsport-Industrie. Henry Taiwan als externer Lieferant. In Rolle bleiben Forschung Nidecker kreiert zusammen mit seinen Brüdern eine und Entwicklung, Verkauf und Marketing. Eine schwere Multi-Brand-Plattform. «Die Marken sind sehr kom- Entscheidung, vor allem für den Vater, dessen Herz für plementär und konkurrenzieren sich gegenseitig das Handwerk schlägt. Ihn interessiert die Produktion, kaum», begründet Henry Nidecker ihr Vorgehen. «Wir die Söhne eher die Markenführung und die Geschäfts- können in den Sportläden mit mehreren Marken ver- strategie. treten sein und alle Kundensegmente bedienen.» Eine Starke Familienbande: Vater Henri Nidecker (rechts im Bild) hat sich 2008 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Der gelernte Schreiner ist stolz auf den Erfolg seiner Söhne und sorgt bei seinen täglichen Besuchen für gute Stimmung. 26
Sie können auch lesen