14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol

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14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol
14 Beruf Lehrer/in –
     Klassenführung

10   Zum Abschied: Interview

                                                                    Februar
                                                                       2018
     mit Peter Höllrigl

24   Exkurs: Führung
     in Unternehmen

32   Meisterausbildung
     in Südtirol

     Extrabeilage zur neuen
     Bildungsdirektion

                 AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL           PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE
                                Deutsche Bildungsdirektion   Direzione Istruzione e Formazione tedesca
14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol
„Wer Menschen nicht lieben kann,
         ist unfähig, sie zu führen.“
                    Karlheinz Binder
                   (Manager und Buchautor)

                                                                    4                                         14
                               Im Überblick                                  Thema
                               Editorial                                5    Tutoren-Ausbildung der
                                                                             Pädagogischen Abteilung            15
                               kurz notiert                             6
                                                                             Gute Klassenführung                16
                               Im Gespräch mit Peter Höllrigl          10
                                                                             Klassenführung:
                               Interview mit Inspektorin Martina Rainer 13
                                                                             Mehr Verantwortung für Lernende    18
                                                                             Interkulturelle Klassen führen     20
                                                                             Stimmen von Lehrpersonen
                                                                             zur Klassenführung                 21
                                                                             Classroom Management aus
                                                                             gestaltpädagogischem Blickwinkel   22
                                                                             Führung im Unternehmen             24

2   Februar 2018
14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol
26                                        36
Lernwelten                                  Service
Tutoring an berufsbildenden Schulen    27   Aus der Pädagogischen Fachbibliothek   37
Klassenführung im Praxisunterricht     28   Evaluation:
                                            Überlegungen zu Klassenbesuchen        38
Kompetentes Arbeiten im Kindergarten   30
                                            PluriPro-Projekt                       41
Chorleitung und Klassenführung         31
                                            Deutsche Bildungsdirektion
Die Südtiroler Meisterausbildung       32
                                            Rundschreiben und Mitteilungen         42
Talente Tage 2017                      34
                                            Südtiroler Landesregierung: Beschlüsse 43
Aus dem Kindergarten                   35

                                                                                        Februar 2018   3
14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol
Im Überblick

Im Überblick
14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol
Editorial

Kompetente
Klassenführung
S  ei richtig streng! Eiserne Disziplin in den
   ersten drei Monaten, dann hast du die
Klasse im Griff und kannst die Zügel ruhig
etwas lockerer lassen.“ So lautete der gut
gemeinte Rat eines erfahrenen Kollegen zu
Beginn meines ersten Unterrichtsjahres.
Damals war in meinem Verständnis von
Klassenführung der Fokus vor allem auf den
Aspekt der Disziplin gerichtet.

Heute, um einiges an Berufserfahrung rei-
cher, weiß ich, dass kompetente Klassenfüh-
rung eine große Herausforderung im Unter-
richtsalltag darstellt und weit mehr umfasst
als einen reibungslosen und störungsarmen
Unterrichtsablauf.

Als Lehrpersonen haben wir die Aufgabe,           In der Unterrichtsforschung gilt Klassen­
Unterricht und Lernumgebungen so vorzu-           führung als bedeutsames Merkmal für
bereiten und zu gestalten, dass die zur Ver-      guten Unterricht, sie gehört zu den Kern-
fügung stehende Lernzeit aktiv und effizient      kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern.
genutzt werden kann. Darüber hinaus muss          Die Beiträge in diesem Heft zeigen auf, was
es uns auch gelingen, positive Beziehungen        effiziente Klassenführung ausmacht, und
zu unseren Schülerinnen und Schülern auf-         informieren über wirksame Interventions-
zubauen sowie Regeln und Rituale zu verein-       methoden im Umgang mit Störungen. Denn
baren und umzusetzen. Es gilt, fachliche         – darin sind sich Fachleute einig – erfolgrei-
und soziale Kompetenzen gleichermaßen zu          che Klassenführung ist keine angeborene
fördern, Fehler als Lerngelegenheiten zu          Kompetenz. Sie kann in der Ausbildung,
sehen, Reflexion zu ermöglichen und Lern-         durch Fortbildung, Reflexion der eigenen
prozesse aufmerksam zu begleiten. Ein zeit-       Unterrichtspraxis oder kollegiale Hospita-
gemäßes Verständnis von Klassenführung            tion erlernt und erweitert werden.
stellt eine angenehme Lern- und Arbeitsat-
mosphäre und die Qualität des Lernens in         Katharina Froner
den Mittelpunkt.                                 Pädagogische Abteilung

                                                                                  Februar 2018    5
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kurz notiert

                                                                                                   Auszeichnung der Besten
    Erster Bildungsdirektor                        Operation Daywork                               Absolventinnen und Absolventen der
    Gustav Tschenett tritt mit März sein           Themenheft und                                  Landesberufsschulen und -fachschulen
    Amt an                                         Sensibilisierungskampagne 2017/2018             ausgezeichnet

    Der Landesdirektor für die deutsche Berufs-    Operation Daywork (OD) ist ein gemeinnützi-     Während die Auszeichnung der Absolventin-
    bildung, Gustav Tschenett, wird Südtirols      ger Verein von Oberschüler/innen, der sich      nen und Absolventen der allgemeinbildenden
    erster Bildungsdirektor. Sein neues Amt        mit Entwicklungszusammenarbeit auf inno-        Schulen mit Höchstnote bereits Tradition ist,
    tritt er am 1. März an. Nachdem die Südtiro-   vative Weise kritisch auseinandersetzt. Im      stellt die Ehrung der besten Absolventinnen
    ler Landesregierung die Verordnung über        Themenheft 2017/2018 präsentiert OD den         und Absolventen der Berufs- und Fachschulen
    die Gliederung, Benennung und die Aufga-       diesjährigen Menschenrechtspreisträger          des Landes eine Neuheit dar. Am 4. Jänner
    ben der Deutschen Bildungsdirektion kurz       ONG Avosah, eine Organisation aus dem           2018 haben die beiden Landesräte Philipp
    vor Weihnachten genehmigt hatte, hat Bil-      Benin, die sich unter anderem gegen Men-        Achammer und Florian Mussner, die für die
    dungslandesrat Philipp Achammer im Sinne       schenhandel und Ausbeutung von Kindern          Schulen der deutschen und ladinischen
    dieser Verordnung den neuen Bildungsdi-        und für die Inklusion von Menschen mit          Sprachgruppen zuständig sind, in der Landes-
    rektor ernannt. „Als ehemaliger Lehrer und     Beeinträchtigung einsetzt. Weiters erfährt      berufsschule für Handwerk und Industrie in
    Direktor kennt Gustav Tschenett das Südti-     man im Themenheft mehr über diesen klei-        Bozen die Absolventinnen und Absolventen mit
    roler Bildungswesen ausgezeichnet. Als         nen Staat Westafrikas, der als Wiege des        den höchsten Abschlussnoten ausgezeichnet.
    Direktor des Realgymnasiums Schlanders         Voodoo gilt, und über seine bedeutende          Geehrt wurden insgesamt 168 Absolventen
    und des Oberschulzentrums Mals sowie an        Rolle zur Zeit des Sklavenhandels. In den       der acht deutschen Berufsschulen mit der
    der Spitze der deutschen Berufsbildung hat     Artikeln in deutscher, italienischer und eng-   Abschlussnote neun oder darüber. Darunter
    Gustav Tschenett Führungsqualitäten bewie-     lischer Sprache wird auch Bezug zur Situa-      waren sowohl Absolventinnen und Absolven-
    sen, die ihn für diese neue Aufgabe qualifi-   tion in Italien genommen: Gibt es auch bei      ten der dualen Ausbildung (Berufschule
    zieren“, sagte Landesrat Achammer. Die         uns Ausbeutung? Was tun wir für Menschen        begleitend zur Lehre im Betrieb) sowie der
    Aufgabe des Bildungsdirektors ist an die       mit Beeinträchtigung? Ab Jänner 2018 bietet     drei- oder vierjährige Vollzeit-Berufsschule.
    Amtszeit der Landesregierung gebunden.         OD Workshops und im März den Besuch von         Auch ein Absolvent einer ladinischen und 19
    Gustav Tschenett wird bis zum Ende der         Gästen aus dem Benin in den Schulen an.         der vier italienischen Berufsschulen wurden
    Amtszeit auch die Aufgabe des Landes­          Für weitere Informationen, Bestellungen         ausgezeichnet. Landesrat Philipp Achammer
    direktors für Berufsbildung fort­führen.       des Themenheftes (Download unter                gratulierte: „Die Ausbildung in unserem Land
                                                   www.operationdaywork.org) und Buchun-           braucht Vorbilder – und diese Vorbilder sind
                                                   gen der Workshops und des Gästebesuchs:         Sie!“, betonte Achammer. Musikalisch gestal-
                                                   info@operationdaywork.org.                      tet wurde die Feierstunde von einem Trompe-
                                                                                                   tenquartett der Musikschule Eppan.

    Aufgelesen                                                      Italien: Neuheiten zur Digitalisierung an Schulen präsentiert

                                                                    Einen Überblick über den Stand der Digitalisierung an den Schulen Italiens
                                                                    bot eine kürzlich organisierte Veranstaltung des Bildungsministeriums: Die
                                                                    Initiative „Futura – 3 giorni per il Piano Nazionale Scuola Digitale: formazi-
                                                                    one, dibattiti, esperienze“ fand vom 18. bis 20. Jänner 2018 in Bologna statt.
                                                                    Bei dieser Gelegenheit wurden verschiedene Workshops zum Thema Digita-
                                                                    lisierung und Innovation an Schulen angeboten. Die Umsetzung des Piano
                                                                    Nazionale Scuola Digitale, der vor zwei Jahren auf den Weg gebracht wurde,
                                                                    sei auf einem guten Punkt, sagte Carmela Palumbo, die für den Bereich
                                                                    „Programmierung“ am Bildungsministerium verantwortlich ist.
                                                                    • w ww.repubblica.it

6    Februar 2018
14 10 24 32 Kindergarten und Schule in Südtirol
kurz notiert

Lehrerausbildung                                  Knack die Nuss!                                     Schuljahr 2018/2019
Ministerrat genehmigt                             Die Anmeldungen zur                                 Online-Einschreibungen in die
Durchführungsverordnung                           Sommerakademie 2018 starten                         Ober-, Berufs- und Fachschulen

Mit der am 19. Jänner genehmigten Durchfüh-       Sprachen und Kunst, Archäologie, Film und           Bis 15. März 2018 können Schülerinnen und
rungsbestimmung zur Lehrerausbildung              Elektronik – das sind einige der Themen, um         Schüler der dritten Klasse Mittelschule von
wurde dem Land Südtirol nach mehr als 15          die es bei der diesjährigen Sommerakade-            den Eltern oder Erziehungsberechtigten in
Jahren wiederum eine neue Kompetenz im            mie Sapientia ludens geht. Die Veranstaltung        die erste Klasse der Ober-, Berufs- oder
Bildungsbereich übertragen. Die vom Minis-        richtet sich an begabte und motivierte              Fachschule eingeschrieben werden. Die
terrat genehmigte Durchführungsbestimmung         Grund-, Mittel- und Oberschülerinnen und            Einschreibungen sollen bevorzugt online
zum Autonomiestatut sieht vor, dass das Land      -schüler. Sie findet diesen Sommer wieder           durchgeführt werden, können aber auch
Südtirol auf der Grundlage des Artikels 19 des    im Juli statt. Schülerinnen und Schüler kön-        direkt bei der gewählten Schule vorgenom-
Autonomiestatutes im Einvernehmen mit der         nen sich jeweils eine Woche lang intensiv mit       men werden. Online können die Jugendli-
Freien Universität Bozen und dem Konserva-        einem Fachbereich ihrer Wahl beschäftigen.          chen zwischen 15. Februar und 15. März
torium die Ausbildung des Lehrpersonals für       Vernetztes Denken, eigenverantwortliches            eingeschrieben werden, und zwar unter
alle Schulstufen und alle Sprachgruppen           Arbeiten und zielorientiertes Zusammenwir-          https://onlinedialog.civis.bz.it/MyPosition_
selbst regelt, die Studienplätze festlegt und     ken im Team werden großgeschrieben.                 de.aspx?pos=PL07-SIS_IOLE
den Zugangsmodus definiert. Die Abschlüsse        Angeregt und unterstützt werden die Teilneh-        Das Recht auf Einschreibung steht allen
der Ausbildungen und die Spezialisierungen,       menden von besonders motivierten und quali-         Jugendlichen zu, die noch nicht die Schul- und
die von der Universität und dem Konservato-       fizierten Fachkräften. Zu verschiedenen The-        Bildungspflicht erfüllt haben. Die Einschrei-
rium in diesem Zusammenhang durchgeführt          men und Fachbereichen werden mehrere                bung in die nächsten Klassen wird von Amts
werden, sind italienweit gültig. „Damit gesteht   Workshops pro Schulstufe angeboten. Die             wegen vorgenommen. Für allfällige Fragen
uns Rom endlich den gewünschten Hand-             Workshops für Grundschülerinnen und Grund-          stehen die Schulsekretariate zur Verfügung.
lungsspielraum in der Ausbildung unserer          schüler finden von 2. bis 20. Juli 2018 an der
Lehrerinnen und Lehrer zu, sodass wir erst-       Fortbildungsakademie Schloss Rechtenthal in
mals einen eigenen Südtiroler Weg in der Leh-     Tramin und an der Fachschule für Land- und           Richtigstellung
rerausbildung gehen können“, so Bildungslan-      Hauswirtschaft „Salern“ in Vahrn statt, die          In unserer Dezember-Jänner-Ausgabe
desrat Achammer. Er erinnerte daran, dass         Workshops für die Schülerinnen und Schüler           2017/2018 hat sich ein Fehler eingeschli-
die Durchführungsbestimmung auf einen             der Mittelschule von 9. bis 13. Juli und jene für    chen. Die Autorin des Beitrages „Dialogo
Gesetzesartikel in der staatlichen Schulreform    die Oberschule von 16. bis 20. Juli. Die Anmel-      interculturale“ ist Emanuela Atz vom
„La buona scuola“ aufbaut, den Südtirols Par-     dungen erfolgen durch die Lehrpersonen über          Sprachenzentrum Unterland und nicht
lamentarier im Jahr 2015 eingebracht hatten.      das Sekretariat der Schule bis 22. März 2018.        Fabio Casati. Wir bedauern den Fehler.

Mehr Sport in der Schule                                                   Fragen zu Sexualkunde an Grundschulen sind nicht tabu

Seit Jahren belegen Neurowissenschaftler/innen die positive                Wenn Grundschülerinnen und Grundschüler der Lehrperson Fragen
Wirkung einer bewegten, gesunden Lebensweise auf ein erfolg-               zum Thema Sex stellen, darf die Lehrperson antworten – das
reiches Schul- und Berufsleben. In einer Studie mit mehr als               hat vor Kurzem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
einer Million junger Schweden und Schwedinnen fand Hans-                   (EGMR) klargestellt. Eine Frau hatte 2011 beantragt, dass ihre damals
Georg Kuhn vom Institut für Neurowissenschaften und Physiolo-              siebenjährige Tochter in der Grundschule nicht in Sexualkunde unter-
gie der Universität Göteborg vor Kurzem heraus, dass der                   richtet werden sollte. Nachdem die Mutter bei der Schulleitung und
Fitness-Zustand bei 18-jährigen Heranwachsenden in Zusam-                  bei den Schweizer Gerichten keinen Erfolg hatte, legte sie
menhang mit dem späteren Berufserfolg und damit mit einem                  Beschwerde beim EGMR ein. Die Straßburger Richter erklärten diese
entsprechenden Sozialstatus steht.                                         für unzulässig. Die Tochter habe in der Grundschule nie an einem sys-
• didacta – Das Magazin für lebenslanges Lernen,                          tematischen Sexualkundeunterricht teilgenommen. Die Lehrer hätten
  Ausgabe 4/2017, S. 46-49.                                                im Unterricht lediglich auf Fragen der Grundschüler zur Sexualität
                                                                           geantwortet, und das ist erlaubt. • www.spiegel.de

                                                                                                                                      Februar 2018     7
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kurz notiert

                                                    Erster Mathematik-Par-
    Neue Broschüre                                  cours in Südtirol                              „Reise durch die Epochen“
    Qualitätsrahmen im Kindergarten                 App vorgestellt                                Lerneinheiten in Augsburg vorgestellt

    Die pädagogische Qualität im Kindergarten       Kirchen, Häuser, Statuen, Türme werden zu      Mit ihren maßstabgerechten Zeittafeln sind
    weiterzuentwickeln ist eine permanente          Vermittlern von mathematischen Inhalten:       die Lerneinheiten „Reise durch die Epochen“
    Aufgabe und in den Rahmenrichtlinien für        Eine App macht‘s möglich. Die App wurde        an den Schulen Südtirols sehr beliebt. Die
    den Kindergarten festgeschrieben. Deshalb       Anfang Dezember auf dem Portal mathcity-       Materialien bieten Orientierung im Fach
    gilt es, die pädagogische Qualität und die      map.eu präsentiert. Entlang eines realen       Geschichte – vor allem durch das Arbeiten
    Bildungsqualität systematisch zu evaluieren.    Parcours in Sterzing können Grundschulkin-     mit der Zeitleiste. Mitte Dezember stellten
    Seit Jahren befassen sich die Führungs-         der mithilfe dieser App Aufgaben suchen, die   Karin Tanzer, Mitarbeiterin der Pädagogi-
    kräfte im Kindergarten kontinuierlich mit       sie gleich vor Ort lösen müssen. Der erste     schen Abteilung, und Walter Pichler, Lehrer
    der Qualitätssicherung und der internen         offizielle Mathematik-Physik-Parcours          für Geschichte an der Fachoberschule für den
    Evaluation. Es finden Kursfolgen für Fach-      wurde von Andreas Rainer mit Unterstüt-        technologischen Bereich Meran „Oskar von
    frauen zur internen Evaluation statt, 2013      zung des Bereichs Innovation und Beratung      Miller“, die Lerneinheiten im Rahmen eines
    haben die Führungskräfte und die Mitarbei-      (Matthias Ratering) erstellt. Geplant sind     Forschungskolloquiums der Geschichtsdi-
    terinnen in den Direktionsteams gemeinsam       weitere Parcours mit unterschiedlichen         daktik an der Universität Augsburg vor. Sie
    entschieden, den Qualitätsrahmen für den        Schwierigkeitsgraden für jede Schulstufe.      folgten der Einladung von Professorin
    Kindergarten in einer Arbeitsgruppe zu          Sie können jedoch von allen Interessierten     Susanne Popp, die den Bereich Innovation
    erstellen. Die Bereiche des Qualitätsrah-       erforscht werden.                              und Beratung bei der Erstellung der Lernein-
    mens wurden festgelegt, Qualitätskriterien      Der Mathematik-Physik-Parcours in Ster-        heiten wissenschaftlich begleitet hatte. Auf
    der internen Evaluation zu allen Bereichen      zing findet sich unter: https://mathcitymap.   Anfrage bieten Karin Tanzer und Walter Pich-
    erarbeitet. Die breite Mitwirkung der Fach-     eu/de/portal/?show=route&id=420                ler weiterhin Fortbildungsnachmittage zur
    und Führungskräfte hat es erlaubt, die Kri-                                                    Einführung in die Lerneinheit „Reise durch
    terien kontinuierlich – auch durch die Praxis                                                  die Epochen“ (4. und 5. Klasse Grundschule
    – zu überprüfen. Der Qualitätsrahmen ist                                                       und 1., 2. und 3. Klasse Mittelschule) an. Kon-
    verbindlich für die deutschsprachigen Kin-                                                     taktadresse: Karin.Tanzer@schule.suedtirol.it,
    dergärten im Lande.                                                                            www.bildung.suedtirol.it/publikationen/
                                                                                                   unterrichtsmaterial

    Köpfe der Pädagogik
    Roger Cousinet
                             D      er Gruppenun-
                                    terricht war
                               für den französi-
                                                    überträgt er auf den Unterricht. Mit
                                                    ihnen wird die Arbeitsfreude, das Selbst-
                                                    vertrauen und selbstständiges Lernen
                                                                                                   wählen. Die Lehrperson ist nun ganz in der
                                                                                                   Rolle der Beraterin und des Koordinators.
                                                                                                   Dieses Konzept findet langsam wieder
                               schen Pädagogen      gefördert. Die Gruppe hat dabei die Aufgabe    Eingang in die Schule.
                               Roger Cousinet       der Kontrolle und der Sozialisation. Schule    Geboren wurde Roger Cousinet 1881 in
                               das zentrale Kon-    und Unterricht müssen für ihn als Grup-        Acueuil (F), verstorben ist er 1973 in Paris.
                               zept, das er aus     penarbeit organisiert werden. Grundlegend      Er war Grundschullehrer, Inspektor für die
                               dem „natürlichen“    werden nun die Raumgestaltung und auch         Primarschule und hielt Vorträge an der
                               geselligen Leben     das Arbeitsmaterial, da ja nicht mehr das      Universität Sorbonne in Paris. Cousinet ist
                               der Kinder heraus    Individuum im Zentrum steht, sondern die       der Begründer der Zeitschrift „La Nouvelle
    entwickelte, wobei das Spiel zentral für ihn    Gruppe. Somit muss der Raum völlig             Education“ und der Schule „Ecole La
    war. Die Grundelemente, die er im Spiel fin-    anders gestaltet werden. Die Gruppen sind      Source“ in Meudon, die es heute noch gibt.
    det – freie Aktivität, natürliches Interesse,   autonom und organisieren sich selbst, sie      (Christian Laner)
    die Regeln und der kollektive Charakter –       können auch gänzlich frei ihre Themen

8    Februar 2018
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kurz notiert

                                                 Evaluationsecke
                                                 Grundsätzlich positive Einschätzungen
                                                 zur Klassenführung …

Die 100er                                                  4,0
Ehrung der besten Maturant(inn)en
                                                           3,5

Bei einer Feier im Palais Widmann in Bozen                 3,0
wurden Ende Dezember 134 Jugendliche
                                                           2,5
ausgezeichnet, die ihre staatliche
Abschlussprüfung der Oberschule (Matura)                   2,0
mit 100 Punkten abgeschlossen haben.
Fünfzehn davon haben die Prüfung sogar mit                 1,5

Auszeichnung (cum laude) bestanden.                        1,0
98 haben ihren Abschluss an einer deutsch-                           1            2                3                4      5
sprachigen Oberschule absolviert, 34 an                                               2015/ 2016       2016/ 2017
einer italienischsprachigen und zwei an
                                                          1. Nutzung der Zeit für den Unterricht (Pünktlichkeit,
einer ladinischen Oberschule. Landeshaupt-
                                                             kein Leerlauf, Material liegt bereit ...)
mann Arno Kompatscher und die Bildungs-
                                                          2. Überblick über die Schüleraktivitäten
landesräte Philipp Achammer, Christian                    3. Unterstützung der Unterrichtsabläufe durch Rituale
Tommasini und Florian Mussner würdigten                   4. Störungsfreier Unterricht
die außerordentlichen Leistungen der jun-                 5. Angemessener und effektiver Umgang mit
gen Menschen. Jeder von ihnen bat die Stu-                   vorkommenden Störungen
dierenden, sich außerhalb der Landesgren-
zen Wissen anzueignen und Erfahrungen zu         1067 beobachtete Unterrichtsstunden aus den Schuljahren 2015/2016
sammeln, aber dann irgendwann zurückzu-
                                                 und 2016/2017 in 39 Schulen
kehren. „Wir brauchen euch hier in Südti-
                                                 Die positivsten Einschätzungen bei den 1067 beobachteten Stunden im Rahmen der
rol“, lautete das einstimmige Anliegen.          externen Evaluation zur Klassenführung finden sich beim Überblick der Lehrpersonen
Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom          über die Schüleraktivitäten, beim störungsfreien Unterricht und bei der Unterstützung
Posaunenquartett der Musikschule Lana.           der Unterrichtsabläufe durch Rituale.

Aus meiner Schulzeit ...
                                             E   in Erlebnis, an das ich mich sehr gut
                                                 erinnere und das eng mit meiner Schul-
                                             zeit verknüpft ist, ist der Fall der Berliner
                                                                                            Anschließend haben wir die Ereignisse auf-
                                                                                            gearbeitet und reflektiert, wie es zur Öff-
                                                                                            nung gekommen war und was Freiheit
                                             Mauer im November 1989. Ein Lehrer kam         bedeutet. Mich hat Geschichte immer sehr
                                             an diesem Tag in die Klasse, hat den ordent- interessiert, besonders die „Geschichte
                                             lichen Unterricht unterbrochen und den         dahinter“, das kritische Hinterfragen. Bis
                                             Fernsehapparat eingeschaltet. Ich kann         heute bin ich
                                             mich deshalb so gut erinnern, weil er uns      diesem Lehrer dankbar, dass er uns ermög-
                                             gesagt hat, dass dies ein historischer         licht hat, dieses historische Ereignis quasi
                                             Moment sei, dessen wir uns vielleicht in die- „live“ am Bildschirm mitzuerleben, und dass
                                             sem Moment noch nicht bewusst seien. Wir       er uns zum kritischen Denken animiert hat.
                                             haben den ganzen Vormittag über die Ereig-
                                             nisse „live“ am Bildschirm verfolgt. Mir war Michela Morandini
                                             klar, da passiert etwas Großes.                Gleichstellungsrätin

                                                                                                                               Februar 2018   9
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Im Überblick

     Im Gespräch mit Peter Höllrigl

     Die Haltung macht`s
     Erste ernsthafte Überlegungen brachte der Frühling. Im Sommer war es für Peter Höllrigl beschlossene Sache: Er würde
     von seinem Dienst als Schulamtsleiter und Direktor des Bildungsressorts zurücktreten. Dieses Gespräch zum Abschied
     lässt erkennen, was ihn bewegt – und was er bewegt hat. Nie alleine – wie er betont – sondern gemeinsam mit den vielen
     Menschen, die Kindergarten und Schule in Südtirol gestalten.

                                                     Welche Erinnerungen tauchen auf, wenn
                                                     Sie an Ihre erste Zeit als Schulamtsleiter
                                                     zurückdenken?
                                                                                                       E    s hat viele Gespräche
                                                                                                            mit Menschen
                                                                                                        ge­geben, die mir bewusst
                                                     Damals habe ich mich sehr darüber gefreut,
                                                     dass mir diese Aufgabe übertragen wurde.           gemacht haben: Es lohnt
                                                     Ich wusste, ich lasse mich da auf etwas Gro-       sich, für diese wertvolle
                                                     ßes ein. Die erste Zeit war sehr turbulent.
                                                     Angefangen bei den Diskussionen rund um
                                                                                                        Sache, für die Bildung
                                                     die Einführung des Italienischunterrichts ab       unserer Kinder und
                                                     der ersten Klasse der Grundschule, mit der         Jugendlichen, mit ganzer
                                                     Reform der Unterstufe, der Reform der
                                                     Oberstufe, mit der Schulkalenderdebatte.
                                                                                                        Kraft zu arbeiten.
                                                     Das sind nur einige Stationen, die sehr viel
                                                     an Spannung in das System Schule brachten,       Von unterschiedlichen Positionen aus haben
                                                     Spannung, die sich immer wieder in Rich-         Sie sich für das Lernen eingesetzt. Worum
                                                     tung Turmspitze hin entlud, wo der Schul-        ging es Ihnen dabei grundsätzlich?
                                                     amtsleiter saß.                                  Ja, wenn ich das jetzt bedenke, dann
     Herr Höllrigl, haben Sie Ihre Entscheidung                                                       erkenne ich, dass sich in all den unter-
     inzwischen schon einmal bereut?                 Was hat Sie in diesen intensiven Zeiten zum      schiedlichen Rollen ein Gedanke scharf in
     Peter Höllrigl: Nein, im Gegenteil, es geht     Weitermachen motiviert?                          den Vordergrund gedrängt hat, und zwar so
     mir gut damit, sehr gut sogar. Es war der       Es waren die Gespräche mit Wegbegleiterin-       lange, bis er zur Überzeugung wurde und in
     richtige Schritt. Natürlich ist es eine ein-    nen und Gefährten, die mich dazu motiviert       meine Haltung einfloss. Ich bin überzeugt:
     schneidende Entscheidung, ich lasse viel        haben, Irritationen auszuhalten. Wir müssen      Alle Kinder wollen lernen. Alle Kinder kön-
     zurück.                                         wissen, Schule ist ein recht starres System      nen lernen.
                                                     und ohne Irritation bewegt sich oft wenig.
     War es der richtige Zeitpunkt fürs              Schwung gab mir die Auseinandersetzung         Eine solche Haltung verpflichtet.
     Aussteigen?                                     mit Menschen, bei denen ich gespürt habe,      Das stimmt. Das verpflichtet uns alle – Leh-
     Wann ist der richtige Zeitpunkt? Aus meiner     dass ihnen Bildung ein echtes Anliegen ist.    rerinnen und Lehrer, Schulführungskräfte,
     Sicht ist es ein guter. Es fügen sich jetzt     Da habe ich getankt.                           pädagogische Mitarbeiterinnen, Schulamts-
     mehrere Umstände günstig, sodass mein                                                          leiter, Politiker – alle, die wir in und für Kin-
     Ausstieg passt: Ich hatte die Möglichkeit,      An wen denken Sie da?                          dergarten und Schule arbeiten, dafür zu sor-
     15 Jahre lang die Gesamtverantwortung für       Es hat viele Gespräche mit Menschen gege- gen, dass die Lernwege eines jeden Kindes,
     das Südtiroler Bildungssystems zu tragen,       ben, die mir bewusst gemacht haben: Es         einer jeden Jugendlichen einen möglichst
     zu dem seit acht Jahren auch die Berufsbil-     lohnt sich, für diese wertvolle Sache, für die guten Verlauf nehmen. Es stört mich unge-
     dung und die Musikschulen gehören. Darü-        Bildung unserer Kinder und Jugendlichen,       mein, wenn ich ab und zu heraushöre: Wir
     ber hinaus haben große Projekte zu einem        mit ganzer Kraft zu arbeiten. Einer von        haben hier die falschen Kinder. Das drückt
     Abschluss gefunden. Es geht jetzt um die        ihnen war Rainer Brockmeyer. Die Gesprä- ein falsches Verständnis von Lernen aus.
     Umsetzung – mit neuen Erwartungen und           che mit ihm haben mich fasziniert. Was für
     neuen Vorstellungen. Dazu kommt mein per-       einen jugendlich frischen Blick er auf Bil-    In der Praxis ist das Lernen aber doch oft
     sönliches Motiv: Ich bin jetzt in einer Phase   dung und Schule hatte – trotz seines hohen mit Schwierigkeiten verbunden …
     meines Berufslebens, in der ich noch etwas      Alters. Sein Feuer ist auf mich übergegan-     Natürlich. Jedes Kind bringt seine eigenen
     Neues beginnen kann. In fünf Jahren wäre        gen. Und so ist es mir mit vielen Menschen Lebenserfahrungen mit, jeder Jugendliche ist
     das zu spät.                                    ergangen.                                      von seiner Biografie geprägt. Der Zugang

10    Februar 2018
Im Überblick

                                                                                                 Es lohnt sich, für diese wertvolle
                                                                                                 Sache, für die Bildung unserer Kinder
                                                                                                 und Jugendlichen, mit ganzer Kraft zu
                                                                                                 arbeiten.

zum Lernen ist nicht immer unverstellt, es      akademischer Ebene. Darüber hinaus, das          Hintergrund haben. Wir müssen uns perma-
gibt Umwege und Brüche. Manchmal wird           vermute ich, zieht sie etwas an, das über        nent fragen: Und was kann ich jetzt noch tun,
wirklich sehr viel verlangt von uns. Allen      diese Strukturen hinausgeht. Sie finden          um der Schülerin, dem Schüler trotzdem
schwierigen Umständen zum Trotz sind wir        eine einzigartige Lehr- und Lernhaltung in       noch eine Perspektive zu geben. Wir werden
da, um alles Notwendige und Gute zu tun, um     unseren Kindergärten und Schulen wieder.         an Grenzen stoßen, aber das darf uns nicht
sie mit ihrer Lernfreude, ihrer Neugierde,      Sie bekommen sicherlich keine didaktischen       von unseren Bemühungen abbringen, nach
ihrer Offenheit ins Leben zu führen. Kinder-    Feuerwerke zu sehen. Wir kochen alle nur         Möglichkeiten für den jungen Mensch zu
garten und Schulen sind für mich verlässliche   mit Wasser. Ich denke, es ist die Haltung        suchen.
Orte, wo Kinder und junge Erwachsene best-      dem Kind, dem Lernenden gegenüber, die

                                                                                                   W     as können die
möglich lernen und sich gut entwickeln kön-     das pädagogische Handeln zu etwas Faszi-
nen. Einem solchen Kindergarten, einer sol-     nierendem macht.
chen Schule fühle ich mich verpflichtet.
                                                                                                         Bildungs-
                                                Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie         institutionen in ihrer

  A   llen schwierigen                                                                             Gesamtheit tun, damit
                                                selbst die Schule abgebrochen …
                                                Nicht ganz. Beinahe. Ich erinnere mich gut
      Umständen zum Trotz                       an diese Krise. Ich hatte einen Handlauf in
                                                                                                   es gar nicht dazu kommt,
  sind wir da, um alles Not-                    dieser schwierigen Zeit. Meine Mutter. Es          dass ein junger Mensch
  wendige und Gute zu tun,                      war ganz banal: Sie hat den richtigen Ton          in die Null-Bock-Haltung
                                                getroffen und ich bin dann auf dem Gleis
  um Kinder und junge                           geblieben.
                                                                                                   gerät?
  Menschen mit ihrer Lern-
  freude, ihrer Neugierde,                      Sie haben danach eine bemerkenswerte             In Ihren unterschiedlichen beruflichen
                                                Karriere hingelegt. Was würden Sie               Rollen haben Sie immer geführt.
  ihrer Offenheit ins Leben                     Jugend­lichen sagen, die mit dem Gedanken        Was heißt „Führen“ für Sie?
  zu führen.                                    spielen, die Schule ohne Abschluss zu            Führen heißt Vertrauen und Zutrauen. So
                                                verlassen?                                       wie ich Vertrauen habe, dass junge Men-
Unser Bildungssystem zieht Schulleute           Ich, als Schulamtsleiter in Anzug und Kra-       schen lernen wollen, so vertraue ich auch
aller Couleur an – aus Island, Polen, Öster-    watte, als ein nun doch schon reiferer Herr,     auf die Bereitschaft der Mitarbeiter und Mit-
reich, Deutschland. Die frühere österreichi-    kann noch so gute Argumente bringen, ich         arbeiterinnen, die sich auf gemeinsame Pro-
sche Bildungsministerin Sonja Hammer-           werde keinen Jugendlichen erreichen. Ein-        jekte einzulassen. Grenzen setzen steht weit
schmid hat Sie als Berater hinzugezogen.        fach deshalb nicht, weil mir hier etwas Grund-   hinten in meiner Vorstellung von Führung.
Wonach suchen ausländische Bildungsver-         legendes fehlt, nämlich die Beziehung zu
antwortliche in Südtirols Kindergarten-         diesem jungen Menschen in der Krise. Aber        Wie ist eine solche Vorstellung bei den Füh-
und Schulwelt?                                  lassen Sie mich die Frage anders stellen.        rungskräften in den Kindergärten und
Es gibt einige strukturelle Besonderheiten,                                                      Schulen angekommen?
die anziehen, wie die Inklusion, die gemein-    Wie?                                             Einige haben das sehr geschätzt, andere
same Beschulung aller Kinder bis zum Ende       Was können die Bildungsinstitutionen in          haben bemängelt, dass sie zu wenig Führung
der Mittelschule, die Autonomie der Schu-       ihrer Gesamtheit tun, damit es gar nicht         erfahren hätten. Mir ist es mit meinem Füh-
len, die Freiräume und die Verantwortung,       dazu kommt, dass ein junger Mensch in die        rungsstil gutgegangen. Ich bin überzeugt,
die damit verbunden ist; die Organisations-     Null-Bock-Haltung gerät? Ich denke jetzt vor     dass sich jede Schule selbst entwickeln will.
form mehrerer Schulen, die eine Direktion       allem auch an jene Jugendlichen, die sich        Ich kann sie dabei begleiten, aber ich kann
bilden; die Ausbildung der Kindergärtnerin-     auf kein tragfähiges soziales Gefüge verlas-     ihr nicht vorschreiben, welchen Weg sie
nen und Grundschullehrpersonen auf              sen können, die keine Familie im                 gehen soll.

                                                                                                                                Februar 2018     11
Im Überblick

                                                                                                   Eine Aufgabe, die mich reizt.
                                                                                                   Ich werde eine Plattform gestalten, die an
                                                                                                   der Universität Bozen angesiedelt ist. Ziel ist
                                                                                                   es, eine bessere Vernetzung zwischen Uni-
                                                                                                   versität, Lehrerbildung, Weiterbildung zu
                                                                                                   schaffen. Ich werde also die Verantwortung
                                                                                                   für einen Gestaltungsprozess tragen und
                                                                                                   Menschen zusammenbringen, die für eine
                                                                                                   gemeinsame Idee arbeiten. Ja, so gesehen
                                                                                                   ist es durchaus wieder eine führende Auf-
                                                                                                   gabe.

                                                                                                   Ein Herzensprojekt, das Sie unbedingt
                                                                                                   realisieren möchten?
                                                                                                   Die neue berufliche Herausforderung gut
                                                                                                   annehmen – da bin ich auch sehr optimis-
                                                                                                   tisch. Im privaten Bereich wünsche ich mir

                                                      J   a, das ist mir ausge-
     Bei welchem Ihrer Vorhaben haben Sie das                                                      mehr Zeit, um etwa die skandinavischen
     Gefühl, nachhaltig etwas bewegt zu haben                                                      Länder bereisen zu können. Sie haben es
     – mit anderen gemeinsam?                             sprochen wichtig und                     mir in den letzten Jahren angetan, vor allem
     Ja, das ist mir ausgesprochen wichtig und        ich möchte es noch ein-                      auch wegen des dänischen Lebensgefühls –
     ich möchte es noch einmal betont haben:          mal betont haben:                            Hygge – das ich erst noch lernen muss
     Gemeinsam mit anderen. Alles, was in den                                                      [lacht].
     letzten fünfzehn Jahren gelungen ist, ist        Gemeinsam mit anderen.
     nur deshalb gelungen, weil viele, viele Men-     Alles, was in den letzten                    Interview: Elisabeth Hofer, Bildungsdirektion
     schen daran gebaut haben. Ich kann Ihnen
                                                      fünfzehn Jahren gelungen
     nicht sagen, ob es nachhaltige Projekte
     waren. Das wird die Zeit zeigen. Ich kann        ist, ist nur deshalb gelun-
     nur sagen, welche Projekte mich freuen.          gen, weil viele, viele Men-                    Peter Höllrigl
     Die Rahmenrichtlinien. Sie sind etwas Ver-
                                                      schen daran gebaut
     bindendes im Bildungswesen, ihre Philoso-                                                       Peter Höllrigl, Jahrgang 1962, ist Direktor
     phie zieht sich wie ein roter Faden vom Kin-     haben.                                         des Deutschen Bildungsressorts seit 2011
     dergarten bis in die Oberstufe. Es freut                                                        und Schulamtsleiter für die deutschspra-
                                                                                                     chige Schule in Südtirol seit 2003. Er ist
     mich, dass es uns gelungen ist, ein Gesetz     Es hat vage Spekulationen darüber gege-
                                                                                                     der Gesamtverantwortliche für die inhalt-
     zur Reform der Oberstufe – und nicht der       ben, ein berufliches Angebot aus dem Aus-        lich-systematische Gestaltung und Wei-
     Oberschule – zu erarbeiten, die es uns         land würde rufen?                                terentwicklung der Kindergärten, der
     ermöglicht, die Bildungslandschaft nach        Das waren Spekulationen. Ich werde in Süd-       Schulen staatlicher Art, der Landesbe-
                                                                                                     rufs- und Landesfachschulen, der Fach-
     der Mittelschule als eine gemeinsame Bil-      tirol weiterarbeiten. Allerdings kann ich
                                                                                                     schulen für Landwirtschaft, Hauswirt-
     dungslandschaft im Land zu sehen; dieser       Ihnen sagen, dass so falsch dann auch wie-       schaft und Ernährung, des Bereiches
     Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Dar-     der nicht spekuliert wurde. Einen Tag, nach-     Musikschulen und des Bereiches Innova-
     auf bin ich stolz. Es freut mich, dass es      dem ich meinen Ausstieg veröffentlicht hatte     tion und Beratung.
     gelungen ist, mit der Fakultät für Bildungs-   – am Morgen des 13. September – bekam ich        Er hat den Landesrat für Bildungsförde-
                                                                                                     rung, Deutsche Kultur und Integration bei
     wissenschaften ein gemeinsames Ver-            einen Anruf aus dem österreichischen Bun-        seinen bildungspolitischen Aufgaben
     ständnis für die gute Ausbildung unserer       desministerium für Unterricht, Kunst und         unterstützt und beraten.
     Kindergärtnerinnen und Lehrer zu entwi-        Kultur mit einem Angebot. Aber nach den          Von 1997 bis 2003 war Peter Höllrigl
     ckeln. Ich bin froh darüber, auch das Ler-     Wahlen hat sich die politische Situation in      Schulinspektor mit den Arbeitsschwer-
                                                                                                     punkten Schulentwicklung, Professionali-
     nen an außerschulische Orten stärker ein-      Österreich ja stark verändert.
                                                                                                     sierung des Lehr- und Direktionsperso-
     zubeziehen. Ich bin froh, dass uns der                                                          nals, Umsetzung der Schulautonomie.
     Aufbau der Bildungsdirektion gelungen ist      Sie bleiben also hier. Wird auch Ihre            Von 1994 bis 1997 war er als Grundschul-
     und damit eine Klammer zu schaffen, die        nächste Aufgabe eine führende sein?              direktor tätig. An der Universität Inns-
     aus vielen besonderen Bildungssystemen         Ich denke, es wird eine gestaltende und          bruck hat er das Studium der Erziehungs-
                                                                                                     wissenschaften absolviert und mehrere
     ein Bildungssystem mit vielen Besonder-        weniger eine führende sein, sicher eine          Jahre an der Grundschule unterrichtet.
     heiten formt.                                  spannende mit einem riesigen Potenzial.

12    Februar 2018
Im Überblick

Interview mit Inspektorin Martina Rainer

„Bewegungszeit erhöhen“
Sport und Bewegung sowie die Auseinandersetzung mit Fortbildung ziehen sich wie ein roter Faden durch das Berufsleben
von Martina Rainer. Seit dem Beginn des Schuljahres 2017/2018 ist sie Inspektorin für die Unterstufe. INFO hat ein Gespräch
mit ihr geführt.

                                              anderen Diensten und Organisationen,          Bezirksfortbildung fortgesetzt. Wir mussten
                                              Öffentlichkeitsarbeit sowie Aufsicht bei      sowohl auf organisatorischer wie inhaltli-
                                              Abschlussprüfungen gehören zu meinem          cher Ebene Neues entwickeln. Die Frage
                                              Aufgabenbereich. Mit einer Planungsgruppe war: Was brauchen wir im Bezirk für die
                                              wollen wir die Fortbildung für Schulfüh-      Zukunft? Mit Schulführungskräften, Fach-
                                              rungskräfte weiterentwickeln. Insgesamt       gruppenleiterinnen und -leitern sowie Lehr-
                                              kann ich sagen, dass ich Schulen einen Ser- personen haben wir ein Fortbildungskonzept
                                              vice anbiete, aber auch sehr gerne ihre Inno- erarbeitet. Der Bezirk ist über die Zusam-
                                              vationen begleite.                            menarbeit dieser gemeinsamen Fortbil-
                                                                                            dungsplanung stark geworden. Wir haben
                                              Sie haben Sport studiert. Ergeben sich        uns verständigt, was uns für Schul- und
                                              daraus Arbeitsschwerpunkte?                   Unterrichtsentwicklung wichtig ist. Ich hatte
                                              Ja, und das freut mich besonders. Das von     das Gefühl, Ergebnisse zu sehen.
                                              meinem Vorgänger geschnürte Maßnah-
                                              menpakt zu „Mehr Sport und Bewegung“ gilt Welche Chancen und Grenzen sehen Sie in
                                              es nun umzusetzen. Es geht um die Sensibi- der Bezirksfortbildung?
                                              lisierung für mehr Bewegung über die          Eine Chance sehe ich darin, dass Schulen im
                                              Schule hinaus, um insgesamt die Bewe-         Bezirk ein gemeinsames Bild von Schule
Inspektorin Martina Rainer                    gungszeit von Kindern zu erhöhen, die Kern- entwickeln, dass Themen gemeinsam ange-
                                              gruppe Sport für die Grundschule und die      gangen werden. Wie gehen wir mit Schüle-
INFO: Frau Rainer, Sie haben Ihre Aufgaben Fachdidaktik mit einzubeziehen.                  rinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten
als Schulführungskraft am Schulsprengel                                                     um? Wie stellen wir uns der Mehrsprachig-
Laas mit denen einer Inspektorin in Bozen     Wie möchten Sie die Umsetzung konkret         keit? Wie bewerten wir? Grenzen der
gewechselt. Wie haben Sie sich mit dem        angehen?                                      Bezirksfortbildungen kann es bei Fächern
Rollen- und Ortswechsel zurechtgefunden? Genau, auf das Wie kommt es an. Hier sehe          mit geringer Stundenanzahl geben, so zum
Martina Rainer: Das Angebot des Schul-        ich meinen Gestaltungsfreiraum. Gemein-       Beispiel Englisch an der Mittelschule.
amtsleiters zur Inspektorin für die Unter-    sam mit den Kerngruppen für Bewegung
stufe kam für mich völlig überraschend und und Sport werden wir versuchen, Gelunge-         Ihr Wunsch für die deutsche Schule
hat mich gefreut. So wie für mich typisch,    nes sichtbar zu machen und uns über Ideen     in Südtirol?
habe ich mich rasch entschieden – innerhalb und Modelle bewegter Schulen auszutau-          Unsere Schulen sind gut aufgestellt und
eines Tages. Sicher, das Pendeln kostet Zeit, schen. Wir wollen die Schulen auf dem Weg     ausgestattet, wir haben motivierte Lehrper-
wöchentlich an die zehn Stunden. Da ich       zu einem Bewegungskonzept begleiten.          sonen. Doch die Herausforderungen unserer
keine Familie habe, kann ich das machen.      Oberschülerinnen und -schüler beziehen wir Gesellschaft sind enorm. Ich wünsche mir,
Noch dazu kann ich, wann immer es die Ter- dadurch mit ein, indem sie selbst Vorschläge dass es den Schulen mit ihren Gestaltungs-
mine zulassen, einen Büroraum am Real-        unterbreiten können, wie sie zum Beispiel     spielräumen gelingt, sich gut in Balance zu
gymnasium in Schlanders benutzen.             ihre Pausen aktiver gestalten möchten.        halten, wenn sie auf individuelle Bedürf-
                                                                                            nisse der Familien, der Schülerinnen und
Welche sind Ihre Aufgaben als Inspektorin     Sie waren aktiv bei der Planung der           Schüler eingehen und gleichzeitig Leben und
der Unterstufe?                               Bezirksfortbildung im Vinschgau tätig. Wel- Lernen in der Gemeinschaft ermöglichen.
Meine Aufgaben bestehen in der Anpassung che Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
von gesetzlichen Bestimmungen. Ich berate Bereits als Grundschullehrerin war ich in         Interview: Elisabeth Mairhofer
und begleite Schulen bei deren Umsetzung.     der Kerngruppe Mathematik. Als Schulfüh-      Redaktion INFO
Netzwerkarbeit und Kooperation mit            rungskraft habe ich die Arbeit in der

                                                                                                                           Februar 2018     13
Thema

Beruf Lehrer/in –
Klassenführung
Thema

Tutoren-Ausbildung der Pädagogischen Abteilung

Die Lehrer-Tandems
Von erfahrenen Lehrpersonen lernen – wahrscheinlich eine der besten Methoden, sich in der Klassenführung und im
Lehrerberuf weiterzubilden. Die Tutorenqualifizierung der Pädagogischen Abteilung unterstützt diesen Austausch.

S   ie haben jahrelange Erfahrungen im
    Lehrberuf und geben gerne etwas von
ihrem Wissen weiter: die Tutorinnen und
                                                Lernen im Mittelpunkt steht und Praxiser-
                                                fahrungen regelmäßig und zeitnah reflek-
                                                tiert werden. Die berufserfahrenen Lehr-
                                                                                              • Wege und Etappen der Professional­i­
                                                                                                 sierung
                                                                                              • Merkmale guten Unterrichts
Tutoren an unseren Schulen. Der Bereich         personen sind offen und bereit, Einblick in   • Voraussetzungen und Instrumente für
Innovation und Beratung (seit Jänner 2018       ihr Berufsfeld zu geben, die Berufsneulinge      eine Unterrichtsbeobachtung
Pädagogische Abteilung) bietet seit             in den Unterricht einzubeziehen und mit       • Möglichkeiten der Rückmeldung und
2012/2013 die Seminarreihe „Qualifizierung      ihnen professionelle Planungs- und Bera-         des Gesprächs über das Beobachtete
von Tutorinnen und Tutoren“ an. Ziel dieses     tungsgespräche zu führen. Ziel ist es,        Nach Abschluss der Seminarreihe erhalten
einjährigen Lehrgangs ist es, Tutorinnen und    gemeinsam die Entwicklung eines qualitativ    die Teilnehmenden ein Zertifikat.
Tutoren auszubilden, welche Praktikantin-       guten Unterrichts im Auge zu behalten.
nen und Praktikanten, Studentinnen und          Durch die Auseinandersetzung mit der          Im Rahmen der Qualifizierung führen die
Studenten, Berufseinsteigerinnen und            beruflichen Praxis und die Reflexion von      Tutor­innen und Tutoren untereinander kollegi-
Berufseinsteiger, Lehrpersonen im Berufs-       Herausforderungen wird ein bedeutender        ale Hospitationen durch. Hierfür sind gegen-
bildungs- und Probejahr, Supplentinnen          Beitrag zur Professionalisierung beider       seitige Unterrichtsbesuche vorgesehen, die
oder Supplenten ohne gültigen Studientitel      Partner im Lerntandem geleistet.              von den Teilnehmenden der Seminarreihe
in der Probezeit an der Schule begleiten,                                                     eigenverantwortlich organisiert und geplant
unterstützen und in ihrer beruflichen Ent-      Die Seminarreihe „Qualifizierung von Tuto-    werden. Dabei liegt der Schwerpunkt darin,
wicklung fördern. Die Ausbildung richtet        rinnen und Tutoren“ besteht aus fünf Bau-     passende Kommunikationsstile kennenzuler-
sich an Lehrpersonen der Grund-, Mittel-,       steinen und umfasst folgende Inhalte:         nen, um ein professionelles Feedback bei
Oberschulen sowie der Berufsbildung.            • Rollenselbstbild als „Ausbildnerin und     Beratungs- und Nachbereitungsgesprächen
                                                   Ausbildner vor Ort“                        zu erteilen und Selbstreflexion anzuleiten.
Die Inhalte der Seminarreihe                    • Handlungsfelder und Kompetenzen der
Tutorinnen und Tutoren sind berufserfah-           Lehrperson                                 Petra Eisenstecken
rene Lehrpersonen, die den Schulbetrieb         • Informationen über die diversen Praktika   Katharina Froner
aus verschiedenen Perspektiven kennen, ihn         und ihre Schwerpunkte                      Pädagogische Abteilung
aktiv mitgestalten und offen für Unterrichts-
und Schulentwicklung sind. Sie haben
Zutrauen zu den Lern- und Entwicklungs-
möglichkeiten ihrer Schülerinnen und Schü-
ler, schaffen ein gutes Lernklima in ihren
Klassen und können ihre pädagogisch-
didaktischen Handlungen erklären. Sie
beobachten die individuellen Lernvorausset-
zungen und Fähigkeiten der Schülerinnen
und Schüler und begegnen diesen wert-
schätzend. Für ihre Unterrichtsvorbereitung
und die eigene Evaluation nutzen sie die
Plattform IQES-online und die dort veröf-
fentlichten Materialien und Instrumente.
Tutorinnen und Tutoren bilden zusammen
mit den von ihnen betreuten Lehrpersonen
ein „Lerntandem“, wobei das wechselseitige      Gemeinsam in dieselbe Richtung: So ist besserer Unterricht möglich.

                                                                                                                              Februar 2018     15
Thema

     Gute Klassenführung

     Stärken im Mittelpunkt
     Ein Rezept für gute Klassenführung und guten Unterricht wünscht sich wohl jeder Pädagoge und jede Pädagogin.
     Was man dafür tun kann und worauf man achten soll – einige Anregungen von Roswitha Raifer und Elisabeth Pallua.

                                                                                                      tion und positive Rückmeldung zu finden.
                                                                                                    In einem modernen Unterricht mit seinen
                                                                                                    zusätzlichen Facetten wie offener Unter-
                                                                                                    richt, Freiarbeit und Eigenverantwortung
                                                                                                    muss Klassenführung noch breiter interpre-
                                                                                                    tiert werden. Zentrales Ziel von modernem
                                                                                                    Classroom Management ist es, eine Lern-
                                                                                                    umgebung zu schaffen, bei der sowohl schu-
                                                                                                    lisches Lernen als auch soziale und emotio-
                                                                                                    nale Fähigkeiten bei den Schülerinnen und
                                                                                                    Schülern gefördert werden, um in der
                                                                                                    modernen Welt bestehen zu können. Schüler
                                                                                                    und Schülerinnen sollen in ihrer Selbststän-
     Wie kann ich die Schüler und Schülerinnen motivieren und für Kooperation                       digkeit und der Selbstregulation begleitet
     sorgen? Lehrpersonen von heute setzen sich damit täglich auseinander.                          werden, vor allem, wenn es darum geht, sich
                                                                                                    Lerninhalte und Kompetenzen anzueignen.
                                                                                                    Ein weiteres Ziel ist die gemeinsame Verant-

     J   ede Lehrperson hat in ihrer Klasse die
         Leitungsaufgabe mit dem Ziel inne, einen
     möglichst reibungs- und störungsfreien
                                                        Dadurch werden Lehrpersonen entlastet
                                                        und der Unterrichtsfluss gefördert.
                                                     • Allgegenwärtigkeit: Die Fähigkeit der
                                                                                                    wortung, mit Konflikten umzugehen und sie
                                                                                                    zu lösen, sowie ein gutes
                                                                                                    Klassenklima aufzubauen.
     Unterricht zu bieten. Jeder Schüler und jede       Lehrperson, mehrere gleichzeitig verlau-
     Schülerin soll dort die Möglichkeit haben,         fende Situationen und Handlungsstränge      Daher muss man von einem Paradigmen-
     sich in der Lerngruppe wohl- und sicher            im Klassenzimmer zu überblicken.            wechsel beim Classroom Management
     zu fühlen und gut arbeiten und lernen           • Zeitnutzung: Die Lehrperson versteht es,    sprechen und vier Weiterentwicklungen
     zu können.                                         die zur Verfügung stehende Zeit ohne        beachten:
     Für eine gute Klassenführung bieten sich           Leerläufe für das Lehren und Lernen zu      • Vom Gehorsam zur Selbstregulation
     folgende Strategien an:                            nutzen.                                     • Von Anweisungen zu Vertrauen und
     • Regeln: verbindliche Abmachungen, die        • Aufbau erwünschten Verhaltens und Abbau        Fürsorge
        helfen, den Unterrichtsfluss zu fördern.        unerwünschten Schülerverhaltens: Es geht    • Vom arbeitsorientierten Klassenzimmer
     • Prozeduren: Routinen und Rituale als ein-       darum, eine gute Balance zwischen Vermin-      zum lernorientierten
       geübte Verhaltensmuster für immer wie-           derung von störenden Verhaltensweisen       • Vom Management als einem Bündel von
       derkehrende Situationen. Sie werden vor          durch Intervention und Sanktion und der        Tricks zu einem Management sinnvoller
       allem durch Signale, Gesten und Symbole          Förderung von angemessenen Verhaltens-         Entscheidungsprozesse (nach Haag und
       anstelle von verbalen Äußerungen initiiert.      weisen durch wertschätzende Kommunika-         Brosig 2012)

16    Februar 2018
Thema

Mit folgenden wichtigen Themen setzt sich      bestimmen die Führungskompetenz. Die           Schülerinnen zu versetzen, die eigenen
eine Lehrperson heute auseinander:             Lehrerpersönlichkeit spielt dabei auch eine    negativen Gefühle im Klassenzimmer kont-
• Wie kann ich als Lehrperson für einen        große Rolle. Jede Lehrperson ist ein Indivi-   rollieren.
  geordneten und strukturierten Unter-         duum mit einer bestimmten Persönlich-          Somit bleibt Klassenführung eine Heraus-
  richtsablauf sorgen?                         keitsstruktur und muss daher auch einen        forderung für jeden Lehrenden. Wissens-
• Was gebe ich als Lehrperson vor, was kann    authentischen Leitungsstil entwickeln. Die     austausch untereinander kann hier eine
  ich mit den Schülern und Schülerinnen        Schüler und Schülerinnen müssen spüren,        gute Hilfestellung bieten. Ein einjähriger
  aushandeln oder an sie delegieren?           dass die Lehrperson für sich geklärt hat,      Lehrgang der Pädagogischen Abteilung
• Wie kann ich die Schüler und Schülerinnen    welche Erwartungen und Grenzen sie hat         (ehemaliger Bereich Innovation und Bera-
  für Kooperation gewinnen und für Motiva-     und wie sie diese einfordern will. Dabei ist   tung) bildet Lehrpersonen zu Tutorinnen und
  tion sorgen?                                 es wichtig, mit den Schülerinnen und Schü-     Tutoren aus, die Praktikantinnen und Prakti-
• Wie kann ich ein gutes Klassenklima auf-     lern klar und eindeutig zu kommunizieren       kanten, Berufseinsteigerinnen und -einstei-
  bauen?                                       und ihnen zugleich mit Wertschätzung, Inte-    ger in ihrer Anfangszeit begleiten (siehe
• Wie kann ich die Schüler und Schülerinnen    resse und Empathie zu begegnen.                Seite 15).
  ins Arbeiten und Lernen bringen und ihre

                                                 J  ede Lehrperson ist ein
  Selbstorganisationsfähigkeiten und Ver-                                                     Elisabeth Pallua
  antwortung für das eigene Lernen erhö-                                                      Roswitha Raifer
  hen?
                                                    Individuum mit einer                      Pädagogische Abteilung
                                                 bestimmten Persönlich-
Die Lehrerpersönlichkeit spielt                  keitsstruktur und muss
eine große Rolle
Lernen ist zunächst ein individueller Pro-
                                                 daher auch einen
zess, den jeder Schüler, jede Schülerin (für     authentischen                                Literatur
                                                                                              Eichhorn, Christoph (2015), Die Philosophie des
sich) allein meistern muss. Lernende sind        Leitungsstil entwickeln.                     Classroom-Management, in: Schulblatt Thurgau
dabei aber auf die Orientierung, Strukturie-                                                  1- Feb. 2015 , S. 14ff.
rung und Führung von außen angewiesen.         Hilfreich sind dabei: regelmäßige Reflexion    Helmke, Andreas und Tuyet (2015), Wie wirksam ist
                                                                                              eine gute Klassenführung? In: Schulblatt Thurgau
Auch wenn die Lehrperson nicht für alles im    des eigenen Unterrichtsverhaltens, struktu-    1 – Feb. 2015, S. 4 ff.
Klassenzimmer verantwortlich ist, ist (doch)   rierte Schülerfeedbacks einholen, realisti-    Jensen, Helle (2014), Klassenführung braucht
                                                                                              Beziehungskompetenz, in: Lernende Schule 65/2014,
ihre zentrale Position unbestritten. Autori-   sche Einstellungen Schülern und Schülerin-
                                                                                              S. 13 ff.
tät, Glaubwürdigkeit, Auftreten, Körperspra-   nen gegenüber – weder romantisch               Haag, Ludwig (2012), Brosig, Klemes, Klassenführung
che, Authentizität und subjektive Toleranz-    angehaucht noch zynisch oder kumpelhaft,       – Worauf kommt es an?, in: SchVw BY 6/2012.

spielräume sowie die Fähigkeit und             sondern wertschätzend und die Stärken in
Bereitschaft, die Beziehungen zu Schülern      den Mittelpunkt stellend, Bereitschaft sich
und Schülerinnen positiv zu gestalten,         auch in die Lage der Schüler und

                                                                                                                                   Februar 2018     17
Thema

     Klassenführung: Mehr Verantwortung für Lernende

     Logbuch des Lernens
     In der Klasse ist es laut. Die Schülerinnen und Schüler sind unmotiviert und am Lernstoff nicht interessiert. Was tun?
     Professor Ludwig Haag kennt diese Situation. Welche Konzepte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorschlagen
     und wie sich Klassenführung im Laufe der Jahre geändert hat.

     M    artina schwätzt mit ihrer Banknachba-
          rin, Markus wirft einen selbst gefalte-
     ten Papierflieger durchs Klassenzimmer,
                                                  auftreten. Auch in diesem neuen Verständnis
                                                  ist allein die Lehrperson für Ordnung und
                                                  Struktur im Unterricht verantwortlich.
                                                                                                     zugeschnitten sein.“) (Weimer 2002, S. XVI).
                                                                                                     Sie hebt damit noch mehr den Aspekt der
                                                                                                     Schülerzentriertheit hervor, ist noch mehr
     Martin brüllt lauthals drauflos. Das und vie-(3) Langfristig dürfte es zielführend sein,        auf den Schüler und die Schülerin fixiert.
     les mehr ist Alltag im Unterricht. Schule istwenn es Lehrpersonen gelingt, ihre „Kun-

                                                                                                       V  on Gehorsam zur
     nicht freiwillig und die zwangsläufige Anwe- dinnen und Kunden“ davon zu überzeugen,
     senheit von Schülerinnen und Schülern heißt  autonom Handelnde zu sein und Verantwor-
     nicht, dass alle von sich aus lernen wollen. tung für ihre Lernprozesse und deren Stö-
                                                                                                          Selbstregulation –
     Eine zentrale Aufgabe einer Lehrperson ist,  rungen selbst zu tragen.2 Tatsächlich hat            so könnte man das
     für die Sicherung von Unterricht zu sorgen.  sich seit den 1990er-Jahren Klassenführung           neue Paradigma der
     Die Schülerinnen und Schüler wiederum        nicht nur mit der Lehrerseite, sondern auch
     müssen erst die Rahmung erlernen, wie sich   mit der Schülerseite beschäftigt. Freiberg3
                                                                                                       Klassenführung
     eine Lehrperson Unterricht vorstellt. Klas-  und Evertson mit ihrem Team4 haben den               umschreiben.
     senführung ist gefragt.1                     Begriff des Classroom Managements auf
                                                  Lehrerhandeln erweitert, das lernförderli-         Evertson und Neal6 setzen sich sehr detail-
     Traditionslinien von                         che Lernumgebungen gestalten will. Sie             liert mit dem neuen Konzept von Classroom
     Klassenführung                               sprechen von „learning-centered class-             Management auseinander. Sie gehen von
     (1) Ganz in der Tradition des Behaviorismus  rooms“. Klassenführung soll nun beitragen,         folgenden vier Merkmalen aus:
     (wissenschaftliches Konzept, das das Ver-    dass die Schülerinnen und Schüler Selbst-          1. V erständnis von Unterricht, das auf
     halten von Mensch und Tier auf naturwis-     ständigkeit und Selbstregulation entwickeln,          selbstregulative Fähigkeiten der Lernen-
     senschaftlicher Basis untersucht, Anm. d.    wenn sie sich den Lernstoff aneignen. Die              den zielt und Verständigung über Ziele,
     Red.) wurde Klassenführung ursprünglich      Schülerinnen und Schüler sollen gemein-                Inhalte, Methoden oder Sozialformen
     wie auch der englisch verwendete Begriff     sam Verantwortung für eine gute Lernatmo-              beinhaltet
     Classroom Management eng auf Aspekte         sphäre übernehmen. Von Gehorsam zur                2. g emeinsame Entscheidung über die
     der Disziplin und den effizienten Umgang mit Selbstregulation – so könnte man das neue              Gestaltung der Lernumgebung und
     Störungen des Unterrichts reduziert. Im Mit- Paradigma umschreiben.                                 der Arbeitsformen
     telpunkt stand die Lehrperson. Sie alleine                                                      3. V erständigung über Strategien von
     war dafür verantwortlich, Disziplin, Ruhe    Merkmale von Learning-Centered                         Klassenführung und Steuerung, über
     und Ordnung herzustellen. Sie hatte Störun- Classrooms                                              ein Regelsystem und die Überwachung
     gen von Schülerinnen und Schülern abzu-      Weimer5 spricht direkt die Lernerinnen und             der Regeleinhaltung
     stellen beziehungsweise zu regeln.           Lerner an, indem sie von „Learner-Centered         4. U mgang mit Ergebnissen, Leistungen und
     (2) Zur ersten Erweiterung kam es durch die Teaching“ spricht. Der Begriff des Lernens ist          ihrer Beurteilung
     Studien von Jacob Sebastian Kounin (US-      für sie zu abstrakt. „We do not want more and
     amerikanischer Erziehungs- und Unter-        better learning at some abstract level; we         Sich selbst beobachten
     richtspsychologe) Ende der 1970er-Jahre.     need it specifically and concretely for the stu-   Freiberg7 stellt heraus, was Umgang mit
     Der Fokus richtete sich weg von der Inter-   dents we face in class“ („Wir möchten kein         Disziplin in Person-zentrierten Klassenzim-
     vention hin zur Vermeidung und Vorbeugung größeres und besseres Lernpensum auf abs-             mern bedeutet:
     von Störungen. Die Forschung beschäftigte    traktem Niveau; es soll spezifisch sein und        • Die Führung wird geteilt.
     sich mit der Frage, was eine Lehrperson tun konkret auf die Schülerinnen und Schüler,           • Schülerinnen und Schüler unterstützen die
     muss, damit Störungen erst gar nicht         denen wir in der Klasse gegenüberstehen,              Organisation.

18    Februar 2018
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