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vetmed Das Magazin der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien 1/2021 Forschung, Impfung, Schutz RÜCKSCHAU UND AUSBLICK Wechsel im Vizerektorat für Lehre AB SEITE 24 Impfstoffentwicklung in der TIPPS FÜRS TIER Stressfreier Katzentransport Tiermedizin SEITE 32/33 AB SEITE 12
vetmed 1/2021 Editorial CA M PU S N EWS Foto: Michael Bernkopf/ Vetmeduni Foto: Doris Kucera/Vetmeduni Vienna Tiermedizin: »06 Vienna Relevant für unsere Kurz notiert 04 Gesellschaft Die wichtigsten Neuigkeiten vom Campus der Vetmeduni Vienna Das neue Jahr startet an der Vetmeduni Vienna nicht weniger auf- Bei Anruf Maus 06 regend als das vergangene. Diesmal jedoch mit einem Unterschied: Maik Dahlhoff ist neuer Professor Wir sind uns der Veränderung bereits bewusst. 2021 wird sich das für In-vivo- und In-vitro-Modelle Rektoratsteam der Vetmeduni Vienna neu formieren und ich darf mich nicht nur im Namen des Rektorats, sondern auch der gesamten Nachhaltigkeit 08 Universität bei Sibylle Kneissl für ihren unermüdlichen Einsatz als „Kein Hunger“: Hier setzt die Vizerektorin für Lehre bedanken. Forschung der Vetmeduni Vienna an Mit Jürgen Rehage begrüßen wir den neu bestellten Vizerektor für Lehre und klinische Veterinärmedizin und freuen uns darauf, die gemeinsame Arbeit aufzunehmen. Auch im Rahmen unserer dreijährigen Schwerpunktkommunikation, die von den Sustainable Development Goals (SDG) – der Nachhaltigkeits- offensive der Vereinten Nationen (UNO) – bestimmt wird, starten wir in eine neue Runde. Nachdem 2020 das Thema „Gesundheit und Wohlergehen“ im Fokus stand, ist es nun „Kein Hunger“. Dass die Veterinärmedizin eine essenzielle Rolle in der Versorgung der Be- völkerung mit sicheren und hochwertigen Lebensmitteln tierischer Herkunft spielt, wollen wir auch in die Gesellschaft tragen. Während sich die gesamte Weltbevölkerung momentan intensiv mit Impfungen bei sich selbst beschäftigt, wird die Auseinandersetzung mit der Impfung beim Tier oft stiefmütterlich behandelt. In unserem Schwerpunkt „Forschung, Impfung, Schutz: Impfstoffentwicklung für die Tiermedizin“ erfahren Sie: Wie entstehen Impfstoffe im Veterinär- bereich, welche Arten gibt es und wogegen sollten welche Tierarten geimpft werden? Petra Winter » COVER Rektorin Der Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe des VETMED beschäf- tigt sich mit der Impf- stoffentwicklung in der Veterinärmedizin. Wie neue Impfstoffe erforscht werden, was Garfik: Matthias Moser Gedruckt auf Recyclingpapier nach der Richtlinie des österreichischen Umweltzeichens „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“. es dabei zu beachten Druckerei Janetschek GmbH UWNr. 637 gibt und wie Impf- empfehlungen erstellt werden, findet sich ab Seite 12. Grafik: Matthias Moser 2
vetmed 1/2021 INHALT STUD I E RE N FO R S CHEN AU S D ER PRA XIS Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Foto: Anantara Golden Triangle Foto: Christoph Liebentritt »24 Vienna »34 »36 Alumni Splitter 23 Tipps fürs Tier 32 Ein Fall für(s) VETMED 36 HVU-Kommentar 23 Katzentransport leichtgemacht Kooperation mit neunerhaus Tierärztliche Versorgung Der Weg der Lehre 24 Forschen und Publizieren Sibylle Kneissl blickt zurück auf Aktuelle Forschungsergebnisse 34 Tipps fürs Tier 40 vier Jahre als Vizerektorin und Publikationen Notaufnahme: Was passiert im Fall der Fälle? Im Porträt 26 Jürgen Rehage ist neuer Vizerektor für Lehre und klinische SERVICE Veterinärmedizin Bild der Ausgabe 30 Karrierewege 28 Buchtipps 42 Andreas Liebhart, Leiter der Impressum 42 Anstaltsapotheke, im Gespräch Termine 43 Rätselbild 43 SCHWE RP UN KT Forschung, Impfung, Schutz Impfstoffentwicklung in der Tiermedizin Impfstoffkandidat gesucht 12 Vom Design zum Einsatz in der Praxis Entstehung der Vakzination 14 Den Schutz eingeimpft Forschungsprojekte 16 Neue Impfstoffe fürs Tier Immunisierung bei Haustieren 19 Warum impfen? 3
CAMPUS NEWS vetmed 1/2021 Kurz notiert Text: Nina Grötschl Für die Zukunft alles Gute! Die Vetmeduni Vienna dankt für das langjährige Engagement Gilles Dupre UPD AT E Leiter Abteilung Kleintierchirurgie Yves Moens Leiter Tierpflegeschule an der Vetmeduni Vienna Alle Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna Franciscus Smulders Leiter Abteilung für Hygiene und Technologie von Lebens- mitteln, Institut für Lebens- mittelsicherheit, Lebensmittel- technologie und Öffentliches Gesundheitswesen Alle Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Neubau der Hubert Simhofer Universitätsklinik für Kleintiere Universitätsklinik und Pferde für Kleintiere Maria Paula Larenza Leiterin » MEHR INFORMATION Klinische Abteilung für Aktuelle Fotos und detaillierte Anästhesiologie und peri- Informationen zum Neubau der operative Intensivmedizin Kleintierklinik finden Sie online der Universitätsklinik für unter: www.vetmeduni.ac.at/ Kleintiere und Pferde kleintierklinikneu Zimmer in Wohngemeinschaft 1210 Wien, Mizzi-Günther-Weg 1 freies Zimmer in moderner WG 15 m² mit eigenem Badezimmer Pauschalmiete: € 465,-- (inkl. Strom, Heizung, Wasser) Kaution: 6 Bruttomonatsmieten zahlreiche Gemeinschaftsräume gute Infrastruktur kurzfristig beziehbar HWB: 24,60 kWh/m²a 4
vetmed 1/2021 CAMPUS NEWS Wir gratulieren! Auszeichnungen, Preise und Abschlüsse von Foto Conrady: Thomas Suchanek/Vetmeduni Vienna; Foto Pohlin: H. Kaarakainen; Foto Robben: Privat; Foto Ribitsch: Stephanie Scholz/Vetmeduni Vienna; Foto Angehörigen der Vetmeduni Vienna. Christian Robben Friederike Pohlin (Institut für Lebensmittelsicherheit, Lebens- (Institut für Wildtierkunde und Ökologie) mitteltechnologie und Öffentliches Ge- zum FUTURA-Förderpreis 2020 für junge sundheitswesen) zum ALIMENTARIUS SüdtirolerInnen im Ausland. Wissenschaftspreis 2020. Beate Conrady (ehem. Pinior) (Institut für Lebensmittelsicherheit, Lebens- mitteltechnologie und Öffentliches Gesund- heitswesen) zu folgenden Preisen: Armin Tschermak von Seysenegg-Preis 2020, Karoline Kollmann Iris Ribitsch Konrad-Bögel-Preis 2021 für veterinärmedi- (Institut für Pharmakologie und Toxiko- (Klinische Abteilung für Pferdechirurgie) zinische Epidemiologie und Veterinary Public logie) zum Elisabeth Lutz-Preis 2020. zum Bank Austria Stiftungspreis 2021. Kollmann: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Health der Tierärztlichen Hochschule Hannover sowie zum Kardinal-Innitzer-Förderungspreis 2020. Sabine Felkel (Institut für Populationsgenetik) zum Award of Excellence des Bundesminis- teriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF). GRA WIR TUL Habilitationen an der Vetmeduni Vienna IERE N! Jahresrückblick 2020: Wir gratulieren allen PrivatdozentInnen der Vetmeduni Vienna zum erfolgreichen Abschluss ihrer Habilitation, durch die sie die Lehrbefugnis in ihrem Fach erlangt haben. Hans-Peter Führer Igor Loncaric Fenja Klevenhusen Zsófia Virányi Habilitationsschrift: „Mosquitoes Habilitationsschrift: „Methicillin- Habilitationsschrift: „Kohlen- Habilitationsschrift: „Dog-human and mosquito-borne parasitic di- Resistant Staphylococcus Species hydrate in der Wiederkäuer- communication revisited: origins seases: distribution, ecology and of Animal Origin” fütterung – Konsequenzen für and underlying mechanisms of molecular diagnosis of alien and Institut für Mikrobiologie Tiergesundheit, Leistung und dogs' use of human pointing and neglected indigenous species in Nachhaltigkeit der Milch- gaze" Austria“ Iris Ribitsch produktion“ Messerli Forschungsinstitut Institut für Parasitologie Habilitationsschrift: „Experimental Institut für Tierernährung und investigations and strategies to funktionelle Pflanzenstoffe Michael Iwersen Beate Conrady (ehem. Pinior) improve musculoskeletal tissue Habilitationsschrift: „Einsatz Habilitationsschrift: „Ökonomische regeneration” Andrea Hölbl-Kovacic elektronischer Hilfsmittel im Bewertung von Tierseuchen und Universitätsklinik für Kleintiere Habilitationsschrift: „JAK/STAT si- Herdenmanagement von Wieder- deren Interventionsprogramme“ und Pferde gnalling in leukaemia: drug target käuern am Beispiel der Erkennung Institut für Lebensmittelsicherheit, identification and validation” der subklinischen Ketose" Lebensmitteltechnologie und Institut für Pharmakologie und Universitätsklinik für Öffentliches Gesundheitswesen Toxikologie Wiederkäuer 5
CAMPUS NEWS vetmed 1/2021 L A B O R T I E R K U N D E N Ä C H S T E S L E V E L U N D A LT E R N AT I V E N Z U T I E R V E R S U C H E N Eine Maus für alle Fälle Wenn er von KollegInnen angerufen wird, dann hilft MAIK DAHLHOFF mit seinen Fertigkeiten und Fachwissen über Genetik und genetisch veränderte Organismen. Der neue Professor am Institut für In-vivo- und In-vitro-Modelle hatte sechs Jahre eine eigene Forschungsgruppe am Institut für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie und bringt aus München Experimentierfreude, die ERBB-Rezeptoren als Spezial- gebiet, fruchtbare Forschungsverbindungen und sein Fahrrad mit. Text: Astrid Kuffner » Ich untersuche die Funktion von Genen, indem ich diese Gene in Zellen und Mäusen ausschalte oder verändere und anschließend die Zellen bzw. Mäuse im Labor molekular- biologisch charakterisiere.« MAIK DAHLHOFF Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Genmodifikation noch bei anderen Kolle- gen und Kolleginnen erfragt werden muss- ten. „Es braucht viel Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit entsprechender » GMO-Fachmann Ausstattung zu sein. Aber wenn man eine Genetik war schon in der Schule Maik Dahlhoffs Leidenschaft und Methode etablieren möchte, dann muss so entschied er sich im Studium letztlich für dieses Fachgebiet. man es einfach mal selbst machen“, sagt Maik Dahlhoff und ergänzt: „Das kann ich A nur jedem empfehlen.“ ls junger Postdoc führte roinjektion – ist nicht mehr so aufregend. Bei Anruf Maus Maik Dahlhoff noch eine Seine Faszination für die erfolgreiche Ver- Wenn eine Kollegin oder ein Kollege an- Liste. Wie viele genetisch bindung von Zellkulturen und Modellor- ruft und um Hilfe bittet, lehnt er prinzi- modifizierte Organismen ganismen, um medizinische oder grundle- piell nicht ab: „Nein sagen ist in der Wis- (GMO) für spezifische For- gende Forschungsfragen zu beantworten, senschaft für mich ein No-Go. Man hilft schungsfragen er in seiner Karriere bereits ist ungebrochen. Kolleginnen und Kollegen, wenn man designt und gezüchtet hat, kann er aktuell kann. Ich versuche, diesen Spirit und be- nicht beantworten – Nummer 25 war der Maik Dahlhoff ist ein anerkannter Fach- währte Technologien weiterzuvermitteln.“ letzte Eintrag, an den er sich erinnert. Zu- mann für GMO und leitete ab 2014 eine Er besuchte als Visiting Scientist mehr- dem ist ihm wichtig zu betonen, dass er eigene Forschungsgruppe am Institut für mals das Yarden Laboratory am Weiz- ebenso intensiv an Alternativen zu Tier- Molekulare Tierzucht und Biotechnolo- mann Institute oder das Max-Planck-Insti- versuchen arbeitet: „Ich wusste irgend- gie der LMU München. Die Bandbreite tut für Psychiatrie und gab Wissen weiter. wann, dass ich es kann, und die Methoden „seiner“ GMO-Mäuse reicht von der Erfor- Und stets nahm er auch Know-how und funktionieren – da habe ich aufgehört zu schung von epigenetischen Faktoren bei persönliche Kontakte mit, die jetzt der zählen“, erklärt der mit 1. Oktober 2020 Adipositas und Posttraumatischer Belas- Vetmeduni Vienna zugutekommen. Wien berufene Professor am Institut für In-vivo- tungsstörung (PTBS) bis zur Onkologie ins- findet er „wunderschön und man kann und In-vitro-Modelle. Die Durchführung besondere in Haut und Pankreas. Er nutzte sich hier wohlfühlen“. Erstmals besuchte des Engineerings – seine Gruppe in Mün- bereits 2013 die „CRISPR/Cas9-Genschere“ er die Stadt 2015 für einen dermatologi- chen arbeitete routinemäßig mit CRISPR/ für die Modifikation von Zellkulturen, als schen Kongress. Als eine Professur ausge- Cas9, Stammzellmodifikation für Knock- die Methode noch nicht in aller Munde schrieben wurde, die seine beiden Leiden- in- und Knock-out-Mäuse und DNA-Mik- und Medien war und die „Zutaten“ für die schaften verbindet, bewarb er sich. 6
vetmed 1/2021 CAMPUS NEWS Ein weiterer Grund für Dahlhoffs thema- tische Breite ist, dass er nicht an einem Krankheitsbild wie zum Beispiel Diabetes oder Krebs forscht, sondern am ERBB-Re- zeptorsystem in gesunden und kranken Geweben. Aus der Familie dieser Rezepto- » In vitro und ren ist vor allem EGFR (Epidermal Growth in tazza Maik Dahlhoff will Factor Receptor) bekannt. Zu viel EGF-Re- Zellkulturen als Alter- zeptor-Aktivität führt häufig zu Tumoren, native zu Tiermodellen etablieren. Bei Kaffee was umgekehrt Ansatzpunkte für gezielte geht er keine Therapien bietet. Da der EGF-Rezeptor in Kompromisse ein. Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna fast allen Geweben exprimiert wird, „ent- deckt man laufend neue Zusammenhän- ge“. Im Rahmen seiner Doktorarbeit „Ac- Umzug mit Mäusen, aber ohne Möbel seines Studiums nicht klar. Maik Dahlhoff tions of betacellulin in the gastrointestinal Hat er alle „seine“ Mäuse nach Wien mit- wuchs in Warendorf an der Ems im Müns- tract: studies in transgenic mouse lines“ gebracht? „Alle Linien, die wir in München terland auf. Wer es nicht weiß: Warendorf begann er, sich mit dem ERBB-System zu generiert haben und die ich für meine For- ist als Pferdestadt weltberühmt mit dem beschäftigen. Betacellulin ist ein Bindungs- schung verwenden möchte, sind bereits in Landesgestüt Nordrhein-Westfalen, dem partner (Ligand) des EGF-Rezeptors und Wien“, so Dahlhoff und ergänzt ein fros- Sitz des Olympiade-Komitees für Reiterei wer die Menge der Bindungspartner kon- tiges Detail: „In Spermaform in flüssigem und der Deutschen Reiterlichen Vereini- trolliert, wirkt auch auf den Rezeptor ein. Stickstoff.“ Bevor er also loslegen kann, gung. „Ich wollte als Schüler natürlich ein An der Vetmeduni Vienna will er zunächst braucht er Vorlauf und Fachkräfte. „Wir Tierarzt mit Kleintierpraxis werden. Dass die Forschung zum Feedback-Loop-Sys- tauen auf, was wir brauchen: Zelllinien und man nicht gleich an die Forschung denkt, tem vertiefen: „Die Feedback-Loop-Protei- Mäusesperma. Die Mauslinien werden mit- ist ja ganz normal.“ Während des Prakti- ne an der Zelloberfläche sind ein Teil des tels In-vitro-Fertilisation (IVF) in den Tier- kums in der Pferdeklinik Telgte schienen Regulationsmechanismus. Wir wollen das stall gebracht.“ Seine „Mäuse“ in Form von ihm Großtiere eine Option. Eine „Exoten- Spiel zwischen diesen Proteinen und den Forschungsprojektmitteln sind leider an phase“ macht er in seiner Zeit an der Repti- ERBB-Rezeptoren genau beobachten und den Standort Deutschland gebunden. Aber lienklinik München durch. Tatsächlich hat dann beginnen, den Rezeptor gezielt zu es gibt einen Industriepartner, der mit ihm ihm Genetik als Fach schon in der Schule blocken oder seiner Aktivität entgegenzu- auch in Wien weiterarbeiten möchte. Spaß bereitet und dieses Steckenpferd hat wirken.“ Dies geschieht selbstverständlich letztlich das Rennen gemacht. Unterwegs im Mausmodell und in der Zellkultur. Den Cryotank nach Wien zu transportie- ist er hingegen mit dem Drahtesel. Ob in ren war im Corona-Herbst 2020 einfacher Münsterland, München oder Wien, sein als der Rest der Übersiedlung: „Das kann Rad war immer dabei. Von der Wohnung ich niemandem empfehlen: Keine Ab- zum Campus braucht er gemütlich zehn » LEXIKON schiedsfeier nach immerhin 17 Jahren, Minuten. Für die Erkundung von Wien keine Einstandsfeier für den Neubeginn. und Umgebung will er sich noch ein Gra- Lexikon der In-vivo- und Ich habe im Wintersemester hier in Wien vel-Bike zulegen. Zu seinem Ausgleichs- In-vitro-Modelle keinen einzigen Studierenden gesehen.“ programm gehören Schwimmen und Fit- ERBB-Rezeptoren Unterrichtet hat er – wie alle – online. Was ness ebenso wie Lesen und Zeichnen. Proteine auf der Zelloberfläche, die Sig- Maik Dahlhoff mitbringt, ist Erfahrung nale von außen in die Zelle vermitteln mit dem Design, der Erzeugung und der Der aktuellste Eintrag auf der nicht mehr GMO Charakterisierung von genetisch erzeug- geführten Liste ist wohl eine GMO-CO- Genetisch veränderte Organismen ten Mausmodellen für medizinische An- VID-Maus, die Maik Dahlhoff an die viro- CRISPR/Cas9 wendungen und Grundlagenforschung. logische Forschungsstätte auf der Insel Eine Genschere, mit der man sehr einfach Auch die praktische Anwendung von Al- Riems geschickt hat. « Gene modifizieren kann ternativen wie 3D-Modellen und Organoi- Knock-in- und Knock-out-Mäuse den sowie neue Entwicklungen (Stichwort Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna Mauslinien, in denen bestimmte Gene hinzugefügt bzw. ausgeschaltet wurden „human on a chip“ oder „organ on a chip“) will er vermitteln. Gemäß seiner eigenen Organoide Organe, die in der Zellkultur entwickelt Maxime: den Anschluss behalten und vor wurden neuen Sachen nicht zurückschrecken. „human on a chip“/„organ on a chip“ » Betriebsmittel Für Mobilität setzt Organe bzw. ein Organismus, die/der auf Vom Pferd zum Steckenpferd Maik Dahlhoff auf sein einem Chip für die Zellkultur entwickelt Dass er als Tierarzt forschen und sich auf Fahrrad, für Wachheit wird auf Espresso. Auch in molekulare Genetik/Genetic Engineering Wien wird er mit dem spezialisieren würde, war ihm zu Beginn Rad unterwegs sein. 7
CAMPUS NEWS vetmed 1/2021 I M F O K U S D E R N A C H H A LT I G K E I T S O F F E N S I V E Fachlicher Input: Hermann Schobesberger, Büro für Forschungs- SDG2: Kein Hunger förderung und Innovation Redaktionelle Aufbereitung: Julietta Rohrhofer Die Welt ist nicht in Ordnung. Initiative der UN: den, sicheren und qualitätsvollen Lebens- Die Menschheit wächst unauf- 17 Sustainable Development mitteln tierischer Herkunft. Goals (SDG) hörlich, das Klima gerät außer 193 Mitgliedsländer der Vereinten Natio- „Wir nehmen den Auftrag der UNO zum Kontrolle, Lebensraum und nen (UN) haben sich 2015 unter anderem Anlass und wollen als Mitglied der Allianz Ressourcen werden knapp, deshalb zu 17 Zielen für eine nachhaltige Nachhaltige Universitäten in Österreich unzählige Arten sterben aus. Entwicklung der Welt verpflichtet. Ziel 2 unsere Aktivitäten dazu nicht nur sichtbar In vielen Regionen der Welt (SDG2) ist die Bekämpfung des weltweiten machen, sondern auch in die Gesellschaft Hungers: tragen und aktiv kommunizieren. Nachhal- herrscht Hunger. Eine tief- tigkeit geht uns alle an – deshalb wollen wir greifende VERÄNDERUNG DES „Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit als Lehr-, Forschungs- und Klinikstandort ERNÄHRUNGS- UND LANDWIRT- und verbesserte Ernährung erreichen und ganz bewusst Akzente setzen.“ SCHAFTSSYSTEMS ist erforderlich, eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.“ — Rektorin Petra Winter um die Ernährung der globalen So hat sich auch Österreich dazu verpflich- Das Jahr 2021 widmet die Vetmeduni Bevölkerung sicherzustellen. tet, sein Möglichstes zur Verwirklichung Vienna den Aktivitäten des SDG2 Kein Dabei müssen Formen der dieses Ziels beizutragen. Mit gleichem Ehr- Hunger. Zum einen arbeitet sie zusammen Lebensmittelproduktion gefunden geiz leistet die Veterinärmedizinische Uni- im UniNEtZ (Kooperation von 17 Uni- werden, die eine nachhaltige versität Wien ihren Beitrag. versitäten) an einem Optionenpapier für Versorgung gewährleisten, ohne Österreich. Zum anderen liefert sie kon- Die Rolle der krete Beiträge in der Forschung, Lehre und das natürliche, klimatische oder Vetmeduni Vienna Öffentlichkeitsarbeit. auch das soziale Gefüge des Die Universität ist schon per eigener Mis- Planeten zu beeinträchtigen sion und Kernauftrag ein Stützpfeiler der Diese sollen auf den folgenden Seiten kurz oder zu zerstören. Versorgung der Bevölkerung mit gesun- vorgestellt werden. 8
vetmed 1/2021 CAMPUS NEWS » Wir nehmen den Auftrag der UNO zum Anlass und wollen als Mitglied der Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich unsere Aktivitäten dazu nicht nur sichtbar machen, sondern auch in die Gesellschaft tragen und aktiv kommunizieren. Nachhaltigkeit geht uns alle an – deshalb wollen wir als Lehr-, Forschungs- und Klinikstandort ganz bewusst Akzente setzen. « Rektorin Petra Winter Subziele SDG2: Kein Hunger ernährt. Fehlernährung zeigt sich anders: Nutztierpopulation konzentrieren sich in In der Altersgruppe der 9- bis 15-Jährigen immer weniger Hände. hat sich seit 1975 die Fettleibigkeit mehr 2.1 als verdoppelt.2 Bei einer durchschnittlichen Arbeitskraft Bis 2030 den von 1,3 Vollzeitkräften pro Hof in Öster- Hunger beenden Die Ursachen dafür sind längst bekannt: reich ist die Einflussnahme des Einzelnen ungesunde Ernährung, insbesondere Über- begrenzt. Ein Landwirt oder eine Landwir- Hungern muss in Österreich niemand. Im genuss von kalorienreichen Lebensmitteln tin kann sich zu jeder Zeit nur an einem Ort Gegenteil, ein Großteil der Fehlernährung und Getränken, gepaart mit mangelnder aufhalten und eben auch nur mit zwei Au- in industriellen Ländern entsteht durch ein körperlicher Bewegung. gen die Tiergesundheit und Produktivität Überangebot und einen Überkonsum an beobachten. kalorienreicher Nahrung. Untergewichtig- Adipöse Haustiere keit liegt in unseren Breiten eher im Bereich Unterstützung durch sozialer Fragestellungen wie Armut begrün- Noch drastischer zeigt sich die Überge- Smart Farming det, aber auch im persönlichen choice of life- wichtigkeit unter unseren Haustieren. style, beispielsweise in Form des Nachei- Experten schätzen rund 40 Prozent der Automatisierte Systeme zu Stallklima, ferns eines bestimmten Körperideals. Haustiere in den Industrieländern Mittel- Fütterung oder Milchgewinnung bis hin europas als zu dick ein.3 In den USA gelten zu diversen Biosensoren an und um das Weitere zwei Milliarden hungernde gar 56 Prozent der Hunde und 60 Prozent Tier erlauben eine bis dato nicht gekannte Menschen bis 2050 der Katzen als zu schwer.4 Die Risiken der Einsicht in den Gesundheitsstatus und das Fehlernährung gleichen jenen der Men- Wohlbefinden der Tiere (Stichwort „Gläser- Global gesehen zeigt sich ein ganz anderes schen. Es drohen Stoffwechselerkrankun- nes Tier“) in objektivierten Messungen und Bild. Nach erfreulichen Jahren des Rück- gen sowie Erkrankungen des Bewegungs- in Echtzeit, was wiederum eine schnellere gangs nimmt der Hunger weltweit seit ei- apparates. Die Tiere leiden. Reaktion und Einflussnahme durch die nigen Jahren stetig wieder zu. Allein in den LandwirtInnen ermöglicht. Jahren 2017 – 2018 um +37 Millionen auf weltweit 821 Millionen Menschen.1 Der 2.3 Dadurch werden Tiergesundheit und Tier- Hunger ist durchaus menschengemacht, Bis 2030 die landwirt- wohl verbessert, die Produktivität und Ef- etwa die Hälfte der Hungernden lebt in schaftliche Produktivität fizienz der Arbeitskraft des Einzelnen um Konfliktgebieten. verdoppeln ein Vielfaches erhöht und die wirtschaft- liche Überlebensfähigkeit der familiären Die Landwirtschaft in Österreich ist seit Höfe bestärkt. 2.2 vielen Jahren einem drastischen Struk- —————————— 1 Bis 2030 alle Formen der turwandel unterworfen. Seit 1970 hat sich UN Economic and Social Council (2019) Report – Progress towards the SDGs (E/2019/68). Fehlernährung beenden die Anzahl der Gehöfte und der Beschäf- 2 Statistik Austria. 3 tigten mehr als halbiert. Dadurch steigt 2018, Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik, Universität Leipzig, bzw. 52 Prozent aller Haustiere Österreichs Kinder sind in der Regel nur die durchschnittliche Betriebsgröße der gemäß einer Studie der LMU München. marginal unterentwickelt oder unter- verbleibenden Höfe an. Anbaufläche bzw. 4 Association for Pet Obesity Prevention. 9
CAMPUS NEWS vetmed 1/2021 2.4 Die Herausforderungen Bis 2030 Nahrungsmittel- der Zukunft sind groß produktion nachhaltig und resilient gestalten Veränderte Klima- und Ökosysteme und ansteigende Überschneidung der tieri- Mit einem Anteil an Biobetrieben von schen und menschlichen Lebensbereiche 22,5 Prozent ist Österreich europäischer führen zum Übersprung neuer Pathogene Spitzenreiter.5 Auch weltweit steigt der auf den Menschen. Weltweite Mobilität Anteil an nachhaltig geführten Betrieben sorgt für eine rasche Ausbreitung von Seu- (+ 4,7 Prozent von 2016 bis 2017).6 Die He- chen und Pandemien – wie uns COVID-19 rausforderung ist jedoch, dass biologische schmerzhaft vor Augen geführt hat. Landwirtschaft mehr Fläche für dieselbe Menge an Ertrag benötigt. Und eben genau Um diese Umstände zu meistern, verfolgen diese landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist Universitäten und Forschungseinrichtun- in Österreich und auf der Welt begrenzt. gen auf der ganzen Welt die Ergründung der Ursachen und entwickeln umsetzbare, nachhaltige Lösungen. So hilft auch die 2.5 Veterinärmedizinische Universität Wien Foto (2): L. Konicek/Vetmeduni Vienna; Foto (4): Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna; Foto (6): Felizitas Theimer/Vetmeduni Vienna; Foto (8): Walter Obritzhauser/Vetmeduni Vienna; Bis 2020 genetische tatkräftig mit, den weltweiten Hunger zu Vielfalt erhalten bekämpfen, die planetare Gesundheit zu erhalten und die Zukunft erfolgreich zu Der Erhalt der Artenvielfalt unter unseren bestehen. Denn das Recht auf ausreichende Nutztieren ist von essenzieller Bedeutung. Nahrung ist ein Menschenrecht.« Foto (10): Vetmeduni Vienna; Foto (11): Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung/Vetmeduni Vienna; Foto (12): Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna HERMANN SCHOBESBERGER Nur ein entsprechend komplexer Genpool macht eine züchterische Selektion und » ONLINE-VERANSTALTUNG Hermann Schobesberger be- damit eine Anpassung an zukünftige He- Am 21.04.2021 findet um 17.00 Uhr ein Online-Event schäftigt sich seit vielen Jahren zum Thema „Afrikanische Schweinepest“ statt. mit der Koordination und stra- rausforderungen möglich. Erst dadurch Dabei wird die für Schweine lebensbedrohliche Virus- tegischen Ausrichtung tierge- lassen sich Resilienzen gegen Krankhei- erkrankung und ihre Auswirkungen, die ein Ausbruch sundheitlicher Forschung auf Foto: www.fotoweinwurm.at ten, Peste und Umwelteinflüsse wie Klima- auf Österreich haben kann, beleuchtet. universitärer und länderüber- wandel (Hitzetoleranz, Wasserbedarf etc.) greifender Ebene, insbesondere in internationalen Gremien zur erzüchten. » MEHR INFO Verhütung und Bekämpfung im Veranstaltungskalender —————————— www.vetmeduni.ac.at/de/ von bedeutenden Tierseuchen 5 Agrarstrukturerhebung 2016. infoservice/veranstaltungen landwirtschaftlicher Nutztiere. 6 World of Organic Farming, 2019. » Beteiligte Institute und Einrichtungen an der Vetmeduni Vienna 1 Kompetenzzentrum Feed & Food Quality, Safety and Innovation (FFOQSI) 2 Institut für Lebensmittelsicher- heit, Lebensmitteltechnologie und Öffentliches Gesundheits- 1 2 3 4 wesen in der Veterinärmedizin 3 Tierärzte ohne Grenzen Österreich 4 Institut für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe 5 Precision Livestock Farming Hub (PLF Hub) auf der VetFarm 6 VetFarm (Kremesberg, Berndorf) 7 Innovationsplattform Digitali- sierungs- und Innovationslabor 5 6 7 8 in den Agrarwissenschaften (DiLaAg) 8 Abteilung Öffentliches Veteri- närwesen und Epidemiologie 9 Fachstelle des Bundes für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz 10 Messerli Forschungsinstitut 11 Institut für Tierschutzwissen- schaften und Tierhaltung 12 Forschungsinstitut für Wildtier- 9 10 11 12 kunde und Ökologie (FIWI) 10
vetmed 1/2021 CAMPUS NEWS Die Rolle der Vetmeduni Vienna bei der Umsetzung des SDG2: Kein Hunger Bis Subziel Forschung und Maßnahmen Institute und Einrichtungen* an der Vetmeduni Vienna 2030 Den Hunger Sichere Gewinnung von Lebens- Kompetenzzentrum Feed & Food Quality, Safety and beenden mitteln tierischer Herkunft und Innovation (FFOQSI) und Verringerung des Verderbs ent- Institut für Lebensmittelsicherheit, Lebensmittel- lang der gesamten Wertschöp- technologie und Öffentliches Gesundheitswesen in fungskette der Veterinärmedizin Vororthilfe in von Hunger be- Tierärzte ohne Grenzen Österreich** troffenen Gebieten für mehr Lebensmittelsicherheit und Re- duzierung von Infektionsrisiken 2030 Alle Formen der Forschungsarbeiten und Infor- Institut für Tierernährung und funktionelle Fehlernährung mationsarbeit zur Ernährungs- Pflanzenstoffe physiologie und richtigen beenden Diätetik unserer Haustiere 2030 Die landwirtschaft- Forschung und Lehre im Bereich Precision Livestock Farming Hub (PLF Hub) liche Produktivität Smart Farming an der VetFarm und Innovationsplattform Digitalisierungs- und Innovations- verdoppeln labor in den Agrarwissenschaften (DiLaAg) 2030 Nahrungsmittel- Epidemiologische Forschung Abteilung Öffentliches Veterinärwesen und produktion zu Tierseuchen, Konzepte zur Epidemiologie Bekämpfung und Prävention nachhaltig und resilient gestalten Forschung zu Antibiotikaeinsatz und Konzepte zur nachhaltigen Reduktion Zusammenarbeit mit Veterinär- verwaltungen, Tiergesundheits- diensten und der AGES sowie wichtigen Stakeholdern des Nutztiersektors Wissenschaftliche und ethische Institut für Tierschutzwissenschaften und Forschung zu Tierschutz und Tierhaltung und Tierwohl Messerli Forschungsinstitut und Fachstelle des Bundes für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz** 2020 Genetische Vielfalt Forschungen und Maßnahmen Forschungsinstitut für Wildtierkunde und erhalten zum Erhalt der Biodiversität Ökologie (FIWI) im Rahmen der Conservation Medicine Gelebter One–Health–Ansatz = Verknüpfung der Gesundheit des Menschen, der Tiere und der Umwelt * Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit ** an der Vetmeduni Vienna ansässig 11
SCHWERPUNKT vetmed 1/2021 Analyse des Krankheitserregers Welchen Teil des Krankheits- erregers erkennt das Immun- system von infizierten Tieren (Typisierung und genetische Charakterisierung) Überlegungen zum Design des Impfstoffs Art des Impfstoffs » Inaktivierter Impfstoff » Attenuierter Lebendimpfstoff » Vektorimpfstoff (z.B. Adenovirusvektor) » Subunit-Impfstoff » DNA/RNA-Impfstoff Art der Immunisierung oral, intramuskulär, subkutan, in ovo Verwendung von Adjuvantien (Hilfsstoffen) Etablierung eines Weitere Faktoren Belastungsmodells » Belastungsversuche » Klinische Studien » Correlates of Protection Preis Stabilität Menge Einsatzort (z.B. neutralisierende Antikörper oder antigen- spezifische T-Zellen) Erprobung im Feld – klinische Studien » Natürliche Infektion » Vergleich vakziniert vs. Placebo-vakziniert » Überlegung Messparameter » Große Tierzahlen Impfstoffkandidat
vetmed 1/2021 SCHWERPUNKT Zulassungsverfahren » European Medicines Agency (EMA) » Paul-Ehrlich-Institut (PEI) / nationale Zulassungsstellen Großproduktion Einsatz in der Praxis » Empfehlungen/Leitlinien der StiKo Vet » Schutz des Einzeltiers und der Population » Anwendung im Rahmen von Impfprogrammen SCHWERPUNKT Impfstoffentwicklung in der Tiermedizin Sie ahmen Krankheitserreger nach, ohne die eigentliche Krankheit auszulösen, und bewahren vor großem Leid: Schutzimpfungen zählen zu den wichtigsten Maßnahmen, um Infektionskrankheiten bei Heim- und Nutztieren vor- zubeugen. Wird das Ziel eines vollständigen Schutzes vor der Infektion erreicht, sind das Einzeltier, die Population und bei Zoonosen letztendlich auch der Mensch ge- schützt. ExpertInnen der Vetmeduni Vienna geben einen kompakten Überblick über IMPFSTOFFFORSCHUNG UND -ENTWICKLUNG sowie die wichtigsten Impfungen und die Grundimmunisierung bei Pferden und Hunden.
SCHWERPUNKT vetmed 1/2021 » Krankheiten vermeiden Impfungen sind neben der Betriebshygiene, den Haltungs- ENTSTEHUNG DER VAKZINATION bedingungen, der Fütterung Den Schutz sowie der Biosicherheit eine der wichtigsten Säulen im Tier- gesundheitsmanagement. eingeimpft Text: Stephanie Scholz E Grafik: Matthias Moser s begann mit einem britischen Landarzt, einer Kuh und einem Virus. 184 Jahre später, im Jahr 1980, erklärte die WHO das Pockenvirus im Menschen für ausgerottet. Der britische Arzt Edward Jenner hatte die Beobachtung genutzt, dass Menschen, die engen Kontakt mit Kühen und den für Menschen relativ un- gefährlichen Kuhpocken hatten, nicht am gefürchteten menschlichen Pockenvirus erkrankten. Aus heutiger Sicht medizi- nethisch unvorstellbar impft Jenner am 14. Mai 1796 dem achtjährigen Sohn sei- nes Gärtners das Pustelsekret aus der Hand einer an Kuhpocken erkrankten Magd ein. Als er den Jungen sechs Wochen später mit echten Pocken in Berührung bringt, zeigt dieser sich als immun. Die Idee der Imp- Übertragungswege zwischen fektionen wie Salmonellen, schützt wie- fung mit abgeschwächten Erregern war Tier und Mensch derum auch den Menschen. Durch die geboren. Der Fachbegriff „Vakzination“ Dass Erkrankungen bei Mensch und Tier Verwendung von Köderimpfungen bei für Impfungen erinnert noch heute an den miteinander verbunden sind, hatte auch Füchsen konnte in Teilen Europas die Ursprung der medizinischen Erfindung: Maria Theresia erkannt und 1765 ange- Tollwut eingedämmt werden. Jährlich ster- Vacca, lateinisch die Kuh. wiesen, eine „Lehrschule zur Heilung der ben dennoch mehr als 50.000 Menschen Viehkrankheiten“, die heutige Veterinär- an der Krankheit, insbesondere in Asien Schon jahrhundertelang hatte es im Orient medizinische Universität Wien, zu grün- und Afrika. Nach Angaben der Weltorga- die Praxis gegeben, auf „Pockenpartys“ Ge- den. Gesunde Tiere bedeuten gesunde nisation für Tiergesundheit könnte durch sunde gezielt mit dem menschlichen Po- tierische Lebensmittel und eine Vermin- eine Vakzination von 70 Prozent der welt- ckenvirus anzustecken, einer sogenannten derung der Gefahr von zoonotischen – weiten Hundepopulation das Risiko einer Variolation oder Inokulation. Eine teilwei- zwischen Mensch und Tier übertragbaren Tollwutinfektion für den Menschen elimi- se erfolgreiche, aber auch gefährliche und – Erregern. „Gegen mehr als 100 verschie- niert werden. umstrittene Methode, bei der Pustelsekret dene Tierkrankheiten gibt es inzwischen der Pocken in eingeritzte Haut übertragen Impfstoffe“, sagt Armin Saalmüller, Lei- Basis für die Tiergesundheit wird. Erzherzogin Maria Theresia brachte ter des Instituts für Immunologie an der Die Art und Weise, wie Impfstoffe Tieren die Inokulation 1768 nach Wien, zuvor Vetmeduni Vienna. Die Leitlinie dabei, so verabreicht werden, ist vielfältig. „Ein war sie selbst an den Pocken erkrankt und Saalmüller: „Mehr Tiere impfen, dafür das effektiver Vakzinationserfolg entsteht, hatte Familienangehörige sowie drei ih- einzelne nur so häufig wie nötig.“ Durch wenn alle Teile des Immunsystems ange- rer Kinder durch die Infektionskrankheit die sogenannte Herdenimmunität werden sprochen und aktiviert werden“, erklärt verloren. 1798 publizierte Edward Jenner bei einer Impfrate von 70 Prozent das Ein- Immunologe Saalmüller. In der Tierme- schließlich seine Erkenntnisse zur weit- zeltier und die Population geschützt, Epi- dizin wird eine Vielzahl von verschiede- aus weniger gefährlichen Impfung mit demien letztendlich verhindert. nen Impftechniken etwa oral, über die Kuhpocken, am 10. Dezember 1800 fand Schleimhaut (Nase, Auge, Maul, Rachen) in Österreich die erste öffentliche Massen- Die Kontrolle von Zoonosen, wie Tollwut oder mittels Injektion in die Haut oder impfung statt. oder durch Lebensmittel übertragene In- den Muskel angewendet. „Bei großen Tier- 14
vetmed 1/2021 SCHWERPUNKT » GLOSSAR Lexikon der Impfstoffentwicklung Eine Impfung, auch Vakzination genannt, bezeichnet die Anregung des Immunsystems » Mehr Tiere impfen, durch die Gabe eines Impfstoffs mit dem Ziel, den Körper vor einer Krankheit zu schützen. dafür das einzelne Tier nur so häufig wie nötig. « Als Antigen wird eine Substanz bezeichnet, die vom Immunsystem als fremd erkannt wird und dadurch die Bildung von Antikörpern und eine ARMIN SAALMÜLLER zelluläre Immunreaktion auslöst. Leiter Institut für Immunologie Von Immunität wird gesprochen, wenn das körpereigene Immunsystem durch Erkrankung Ein Ausbruch der Pferdeinfluenza in Aus- oder Impfung die Fähigkeit erworben hat, einen spezifischen Krankheitserreger abzuwehren. tralien im Jahr 2007 zeigt, dass auch bei Haustieren Epidemien möglich sind. „Zu T-Zellen bilden gemeinsam mit B-Zellen die diesem Zeitpunkt gab es keinen Impf- erworbene Immunantwort des Körpers. Nach schutz, 75.000 Pferde wurden infiziert“, einer Impfung oder einer Krankheit bleiben T- und B-Gedächtniszellen als „Immunologisches erklärt Jessika-M. Cavalleri, Leiterin der Gedächtnis“ im Körper erhalten und können in Klinischen Abteilung für Interne Medizin ihrer erhöhten Frequenz bei einer erneuten In- Pferde. Erst nach vier Monaten konnte die fektion mit demselben Erreger sofort aktiviert Epidemie durch Isolation, Sperrzonen, Hy- werden. B-Zellen produzieren bei bekannten Antigenen entsprechende Antikörper. gienemaßnahmen und die Impfung von 140.000 Pferden gestoppt werden. „Daran Ein Lebendimpfstoff bzw. lebend-attenuierte- sehen wir: Impfen schützt das Einzeltier, Impfstoffe (= lateinisch: attenuare „schwächen“) den Bestand und die Population“, so Caval- besteht aus lebenden Keimen, die zum Beispiel mittels Kultivierung abgeschwächt wurden. leri. Krankheitserreger wie das Staupevirus Diese können sich zwar im Körper vermehren, beim Hund, Influenzaviren beim Pferd, nicht aber die Krankheit auslösen. oder die klassische Geflügelpest (Aviä- re Influenza) zirkulieren nach wie vor in Totimpfstoffe, auch inaktivierte Impfstoffe genannt, enthalten entweder abgetötete heimischen Wildtierpopulationen oder Krankheitserreger oder nur Bestandteile eines beständen und in hohen Populationsdich- werden aus dem Ausland eingeschleppt. Erregers bzw. lediglich das Gift davon. Die ten ist der Infektionsdruck sehr groß“, so Durch Immunisierung können schwere Erreger können sich nicht vermehren oder die Saalmüller. Impfungen sind daher eine Folgeerkrankungen, der Einsatz von Me- Krankheit auslösen. Je nach Art der Herstellung und dem Grad der Aufreinigung wird zwischen wichtige prophylaktische Maßnahme zur dikamenten und die Übertragung verhin- Ganzvirus-, Spalt- oder Untereinheiten-/ Verhinderung von Infektionen und tragen dert werden. (Subunit-)Impfstoffen unterschieden. bei Nutztieren wesentlich zur sicheren und nachhaltigen Versorgung mit tieri- Einhalten von Richtlinien Genbasierte Impfstoffe schen Lebensmitteln bei. Sicherheit und Effizienz sind die wichtigs- Während bei Lebend- und Totimpfstoffen dem ten Kriterien einer Impfung, so Immuno- Körper abgeschwächte Erreger oder Erre- Erfolgsgeschichten aus dem Tierreich gibt loge Saalmüller. Ein umsichtiger Gebrauch gerantigene zugeführt werden, müssen die es inzwischen einige. So etwa durch einen von Vakzinen und Vorinformationen über Körperzellen bei genbasierten Impfstoffen das fremde Antigen selbst anhand des zugeführten – nach Impfdosen gerechnet – weltweit die Patienten seien essenziell. Welche Imp- „Bauplans“ herstellen: Die Körperzellen bauen am häufigsten verwendeten Impfstoff, der fungen bei Haustieren empfehlenswert das Antigen und geben es in den Körper ab, Hühner vor der Infektiösen Bronchitis sind, hängt von den jeweiligen Lebensum- wo eine Immunantwort in Gang gesetzt wird. schützt. Ausgelöst wird die Erkrankung ständen des Tiers ab. Sind Reisen geplant, Als Vektoren werden veränderte Viren be- durch ein Coronavirus. „Anders als bei können zusätzliche Impfungen ratsam oder zeichnet, die dafür verwendet werden, geneti- SARS-CoV-2, das der Gruppe der Betaco- sogar erforderlich sein. Generell richten sich sches Material in eine Zelle zu schleusen. ronaviren zugeordnet wird, handelt es TiermedizinerInnen sowohl bei Nutz- als sich jedoch um ein Gammacoronavirus“, auch bei Haustieren nach Empfehlungen Vektorimpfstoffe nutzen diesen Mechanismus, um durch ein für den Organismus harmloses erklärt Michael Hess, Leiter der Univer- zum Beispiel seitens der Ständigen Impf- Virus (zum Beispiel Adenovirusvektor, Vaccinia- sitätsklinik für Geflügel und Fische. Die kommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) virusvektor, Herpesvirusvektor) Informationen Impfung selbst erfolgt als Spray, meist und erstellen individuelle Impfstrategien. zum Aufbau von einem oder mehreren Protein- schon in der Brüterei. In Österreich wer- „Es muss immer zwischen Risiken und molekülen (Antigenen) des Krankheitserregers in die Zelle zu schleusen. Diese stellt anschlie- den, so Hess, jährlich etwa 100 Millionen Nutzen abgewogen werden“, so Saalmüller. ßend das Antigen her, das vom Immunsystem Dosen zur Bekämpfung dieser Infektions- „In den allermeisten Fällen überwiegt aller- erkannt wird und dadurch eine Immunantwort krankheit verimpft. dings der Nutzen einer Impfung.“ auslöst. 15
SCHWERPUNKT vetmed 1/2021 FORSCHUNGSPROJEKTE Neue Impfstoffe fürs Tier Fachlicher Input: Kerstin Mair (Institut für Immunologie), Christiane Riedel (Institut für Virologie) und Anna Schachner (Klinische Abteilung für Geflügelmedizin) Redaktionelle Aufbereitung: Stephanie Scholz Grafik: Matthias Moser Mehr als 100 verschiedene Definition prognostischer Marker Tierkrankheiten lassen sich durch für eine erfolgreiche Vakzination Impfungen verhindern. Inzwischen CORREL ATES OF PROTECTION sind laut Bundesverband für Tiergesundheit e.V. über 400 tierartenspezifische Impfstoffe für Erkrankungen bei 19 Tierarten Impfstoff Analyse der Gedächtniszellen Typ A Schutz vor Infektion zugelassen. Erteilt werden diese Immunantwort Zulassungen entweder über nationale Einrichtungen oder seit einigen Jahren durch die Europäische Arzneimittel-Agentur Gedächtniszellen Typ B Kein Schutz vor Infektion (EMA) zentral für die gesamte EU. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bestands- bzw. » PROJEKT stallspezifische Impfstoffe zu entwickeln und einzusetzen, um Christian Doppler Labor für ein besonderes Problem in einem Optimierte Vorhersage des Tierbestand zu lösen. Wie NEUE Impferfolgs in Schweinen (PIGVAC) IMPFSTOFFE ERFORSCHT werden I und welche Faktoren dabei eine mpfstoffe können nur dann effektiv beim Schwein an Reagenzien zur Cha- Rolle spielen, hat sich das VETMED wirken, wenn das Immunsystem ein rakterisierung der zellulären Immunant- von Forschenden anhand von krankheitsspezifisches Gedächtnis wort mangelt, forscht das CD-Labor PIG- durch spezielle Immunzellen ausbildet. VAC an Strategien zur Identifizierung drei Projekten erklären lassen. Je länger dieses Erinnerungsvermögen be- dieser Gedächtniszellen und der Defini- steht, desto besser ist der Impferfolg. Zur tion weiterer correlates of protection. effektiven Impfstoffentwicklung gilt es, die Mechanismen dieser Gedächtniszell- In diesem Zusammenhang steht die Er- bildung zu verstehen und nachvollziehen kennung von spezifischen Molekülen auf zu können. „Dazu müssen bestimmte den Gedächtniszellen im Fokus um po- Parameter in Korrelation zur Immunität tentere von weniger potenteren Gedächt- der Tiere nach Vakzination gebracht wer- niszellen unterscheiden zu können. In den, sogenannte correlates of protection“, er- der Impfstoffentwicklung könnte daher klärt Kerstin Mair vom Institut für Immu- gezielt nachvollzogen werden, welcher nologie, Leiterin des Christian Doppler Impfstoffkandidat besonders vielverspre- Labors für Optimierte Vorhersage des chend ist, wenn er die Bildung bestimmter Impferfolgs in Schweinen (PIGVAC) an Populationen von Gedächtniszellen för- der Vetmeduni Vienna. dert. „Die so verbesserten zielgerichteten Monitoringmöglichkeiten fördern nicht Zelluläre Immunantwort als Fokus nur nachhaltig die Impfstoffentwicklung Meist wird die Produktion von Anti- fürs Schwein, sondern tragen auch dazu körpern als Korrelat der Immunität he- bei, dass weniger Tiere bei der Entwick- rangezogen. „Nicht zu unterschätzen ist lung und Testung neuer oder verbesserter aber die Relevanz der zellulären Immun- Impfstoffe benötigt werden“, erklärt Mair antwort“, fügt Mair hinzu. Da es jedoch das Ziel des Forschungslabors. 16
vetmed 1/2021 SCHWERPUNKT » PROJEKT » GLOSSAR Form, Verpackung und Immunität: Wie Antigen-Struktur und Präsentation die Immunantwort beeinflussen können mRNA, auch messenger-RNA (englisch: ribo- nucleic acid) oder Boten-RNS, ist eine einzel- E strängige Ribonukleinsäure, die genetische Information (Bauplan eines Proteins) trägt. ine wichtige funktionelle Kompo- finale Struktur des Proteins darstellt. Die nente in der erfolgreichen Immun- Faltung von Proteinen kann durch ver- Bei der Anwendung eines mRNA-Impfstoffs antwort gegen virale Infektionen schiedenste Faktoren, wie umgebendes wird den Zellen im Muskelgewebe eine mRNA sind Antikörper, die die Infektion einer Medium, Verankerung in einer biolo- zugeführt, die die genetische Information für ein ausgewähltes Protein (zum Beispiel Ober- Zelle durch ein Virus verhindern können. gischen Membran oder Interaktion mit flächenprotein eines Erregers) enthält. Ähnlich „Diese Antikörper werden neutralisieren- anderen Proteinen, beeinflusst werden. der Infektion mit einem Virus beginnt die Zelle de Antikörper genannt“, sagt Christiane nach dem Bauplan der mRNA mit der Produk- Riedel vom Institut für Virologie. Neu- Zugänglichkeit für tion der entsprechenden Proteine, die dann als Antigene vom Immunsystem erkannt werden tralisierende Antikörper binden an spezi- neutralisierende Antikörper und eine Immunantwort auslösen. Da es sich fische Oberflächenstrukturen der Viren. „Ziel unserer Arbeit ist es, zu untersuchen, nur um einzelne Proteine handelt, die von den Wenn ein Impfstoff eine möglichst gute wie Proteine an der Oberfläche von Viren Zellen hergestellt werden, ist mit dieser Metho- Bildung an neutralisierenden Antikör- angeordnet sind und welche Form sie dort de keinerlei Infektionsrisiko vorhanden. pern hervorrufen soll, muss – neben einer annehmen“, erklärt Riedel. Mithilfe neu- Darreichungsformen: Reihe weiterer Faktoren – sichergestellt ester elektronenmikroskopischer Tech- Arten der Immunisierung werden, dass die im Impfstoff enthaltenen, niken werden die Viren bei extrem nied- » Oral (= Schluckimpfung, Spray, Aerosol) immunogenen Komponenten denen des rigen Temperaturen analysiert. Um die » Intramuskulär (= in den Muskel injiziert) realen Virus so ähnlich wie möglich sind. Oberfläche der Viren in größerem Detail » Subkutan (= in das Gewebe unter der Haut injiziert) darstellen zu können, nehmen die For- » In ovo (= im Ei) Aufbau von Proteinen schenden sie nicht nur von einer Seite auf, Proteine bestehen aus 21 Aminosäuren, sondern fertigen viele Bilder aus unter- Unter Adjuvantien (= lateinisch: adjuvans „un- terstützend“) werden zusätzliche Substanzen in die in unterschiedlicher Reihenfolge an- schiedlichen Winkeln an. „Sozusagen ein den Impfstoffen bezeichnet, die die Reaktion einandergereiht werden. „Aminosäure- CT für Viren“, so Riedel. Mithilfe dieser des Immunsystems steigern sollen. Diese Hilfs- ketten entsprechen jedoch nicht einem Informationen können die Forschenden stoffe sollen zum einen zu einer verzögerten geraden oder leichtgewellten Strang, son- Aussagen zur Morphologie der Proteine Freisetzung der Impfantigene beitragen und zum anderen das angeborene Immunsystem dern können als Helix oder Faltblatt vor- direkt auf der Virusoberfläche treffen, stimulieren und damit zu einer verbesserten liegen, der sogenannten Sekundärstruk- und somit auch zur Zugänglichkeit, Lo- Impfreaktion beitragen. tur“, so Virologin Riedel. Diese Formen kalisation und Form wichtiger, für die Bil- wiederum bilden miteinander einen dung von neutralisierenden Antikörpern In einem Belastungsmodell kann die Effizienz eines Impfstoffkandidaten gegen einen be- größeren Komplex, der schließlich die relevanter Bereiche. stimmten Erreger mit klinischen Parametern getestet werden. Dazu werden Tiere mit dem Impfstoffkandidaten geimpft oder Placebo-im- Aufbau von Proteinen Zugänglichkeit der Proteine munisiert. Nach einer angemessenen Zeit für Antikörper werden beide Gruppen mit einer entsprechen- wird durch Verankerung und den Dosis des Erregers infiziert. Während in Anordnung beeinflusst der Placebo-immunisierten Gruppe klinische 21 Bausteine Primärstruktur: Symptome auftreten sollten, sollte die geimpf- (Aminosären) lineare Strukturen Antikörper te Gruppe vor entsprechenden Symptomen Protein und Organschäden geschützt sein. (in Virusmembran verankert) Correlates of protection oder Korrelate für Viruspartikel einen Impfschutz stellen immunologische Spezifische Anordnung der Parameter dar, die einen Impferfolg auch ohne Proteine auf Belastungsinfektion nachweisen können. Das Virusmembran kann beispielsweise der Titer von neutralisie- Interaktion der Sekundärstrukturen: Sekundärstrukturen zu Spiralen, Faltblätter renden Antikörpern sein. Antikörper, die es größerem Komplex verhindern, dass ein Erreger an eine Wirts- zelle andocken kann. Das können aber auch Parameter sein, die die Aktivität der zellulären Immunität beschreiben. Hier kann zum Beispiel Protein die Frequenz antigen-spezifischer T-Zellen, Proteine können mit Gleiches Protein, (frei) gleichen oder anderen unterschiedliche Struktur** die bestimmte Funktionen ausüben können, Proteinen neue Komplexe (Proteine können strukturell Antikörper bestimmt werden. (Multimere*) bilden sehr flexibel sein) zusätzliche An- dockstellen bei freiem Protein *Multimere = funktionelle Form des Proteins ** 5l2m und 5l2s 17
SCHWERPUNKT vetmed 1/2021 » PROJEKT Christian Doppler Labor für Innovative Geflügelimpfstoffe (IPOV): Adenovirus-Impfstoff für Hühner A denoviren haben als Vektor reaktives Einzelteil des Virus, Sub- gestrebt“, erklärt Anna Schachner. Dies für COVID-19-Impfstoffe aktu- unit genannt“, so Geflügelmedizinerin sichert zum einen den Schutz vor verti- ell Bekanntheit erlangt. Beim Schachner. Dieser wird synthetisch von kalem Eintrag des Virus und sichert zum Huhn vorkommende Adenoviren (Fowl Fremdzellen hergestellt, in diesem Fall anderen die Weitergabe von Impfanti- adenovirus [FAdV]) gelten jedoch primär Insektenzellen, die mit der Erbgut-Se- körpern. In einer wesentlichen Weiter- als Krankheitserreger, insbesondere für quenz des viralen Teils bestückt wurden. entwicklung wurde das FAdV-Subunit Leberentzündungen, die zum Tod der Dies bietet die Sicherheit eines erreger- zudem speziell modifiziert, um gegen Tiere führen können. „Das Virus wird freien, nicht-infektiösen Systems. mehrere verbreitete Untertypen des Vi- von Tier zu Tier und über das Ei auf die rus zu wirken. „Da der Kreuzschutz mit Nachkommen übertragen“, erklärt Anna Um den neuen Impfstoff in der Praxis dem Wildtypus nur begrenzt ist, stellt Schachner von der Klinischen Abteilung einsetzen zu können, muss eine wissen- dies eine weitere Innovation gegenüber für Geflügelmedizin. „Diese vertikale In- schaftliche Prüfung des Impfschutzes Vollvirus-basierten Impfungen dar“, so fektion ist aufgrund schwererer Verläufe erfolgen. Dafür wurde ein Belastungstest Schachner. bei Jungtieren besonders problematisch.“ (Challenge) eingesetzt, ein unersetzbarer Umgekehrt sind auch Antikörper infol- Tierversuch, da nur so Immunitätsbil- ge einer früheren FAdV-Exposition der dung, Infektionsverlauf und Gesamtwirk- Elterntiere auf die Nachkommen über- samkeit überprüft werden können: Zuvor tragbar, die in der kritischen frühen Le- geimpfte Hühner wurden mit FAdV in- bensphase schützen können. fiziert, anschließend Antikörperbildung, » NACHLESE die Schwere der Symptome sowie Organ- Interview über das CD-Labor Vererbbarer Schutz schäden und Viruslast erhoben. Dabei für Innovative Geflügelimpf- stoffe sowie die Entwicklung An der Klinischen Abteilung für Geflü- konnten die Forschenden deutliche Un- einer Vakzine gegen die gelmedizin entwickelten Forschende der terschiede zwischen geimpften und un- Schwarzkopfkrankheit (Histomonose) bei Vetmeduni Vienna ein FAdV-Vakzin, geimpften Tieren feststellen. Geflügel in VETMED 03/2020 ab Seite 14: das zur neuen Generation der Impfstof- fe gehört. „Während für den bisher be- Weitergabe von Antikörpern » www.vetmeduni.ac.at/ darfsmäßig erhältlichen Impfstoff das „Aufgrund der Epidemiologie der Hüh- fileadmin/v/z/info-service/ gesamte Virus vermehrt werden muss, neradenoviren wird der Einsatz der vetmedmagazin/2020/vetmed_ 2020_03_WEB_03.pdf nutzt das neuartige Vakzin ein immun- Impfung auf Ebene der Elterntiere an- » GENERATIONEN UND PRODUKTIONSEBENEN Produktionsebenen der Geflügelwirtschaft Übergeordnete Generationen dienen Zucht als Zuchtreservoir bzw. für die Vermeh- Größenordnung: rung der Nachkommen, die in unterster dutzende Millionen Großelterntiere Ebene die Endproduktion (Fleisch bzw. Eier) darstellen. Je nach Vorhandensein Virus ist sowohl die Übertragung des Hühner- Vermehrung ODER Antikörper adenovirus selbst als auch der er- Größenordnung: gegen das Virus wünschten schützenden Antikörper mehrere hundert Elterntiere Vererbun auf die Nachkommen möglich. Millionen g Da sich die Populationen zur Basis hin massiv vergrößern, kann eine Impfung der Elterntiere die Schutzwirkung durch Produktion Größenordnung: Impfantikörper vertikal erheblich po- mehrere dutzend tenzieren. Geimpfte Elterntiere können Milliarden Masthühner/Legehennen das Virus nicht mehr übertragen. 18
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