Urgestein Bündner - Weingut Hermann
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wein / C O M P L E T E R Frisch, elegant und komplex zeigt sich der Completer von Martin Donatsch. Bündner Urgestein Mit dem raren Completer pflegen die Winzer Graubündens einen Schatz, um den sie viele Weinproduzenten des Landes beneiden. Text M a rtin K ilc h m an n Fotos: Nicola Pitaro 20 falstaff mär–apr 2018 mär–apr 2018 falstaff 21
wein / C O M P L E T E R kühlen Gewölbekeller aus dem 12. Jahrhun- dert in Barriques, im Stahltank, wiederum im Holz und schliesslich in der Flasche. Die Menge ist mit 1700 bis 1900 Flaschen klein. Gewiss: Giani Boner könnte es auch kom- fortabler haben und wie andere Betriebe auf säureärmere, ertragssicherere Completer- Selektionen des Plantahofs zurückgreifen oder den Most entsäuern. Doch das würde den Wein um seine Authentizität bringen, ihm den kernigen Charakter rauben, der begleitet wird von der nussigen Sherrynote, dem Duft nach Quitten und exotischen Gewürzen und dem salzig-säurebetonten Abgang, der in wärmeren Jahren wie 2007 oder 2009 auch leicht restsüss ausfallen kann – kurz, ihn um all das bringen, was ihn unverwechselbar und einzigartig macht. Nicht viel weiter als einen Steinwurf ent- fernt liegt in Malans ein anderes Weingut, in dem mit vergleichbarer Leidenschaft dem Completer gehuldigt wird: jenes der Familie Heidi, Thomas und Martin Donatsch. Die Donatschs, weithin für ihren Pinot Noir und Schwer zu finden: der Chardonnay bekannt, haben den Completer legendäre, rare Completer erst in jüngster Vergangenheit wiederent- aus dem Hause Donatsch. deckt. Grossvater Hans Donatsch hatte 1947 die letzten Pflanzen ausgerissen – genervt von D ihren verhassten Eigenschaften, die neben der Verrieselungs- und Fäulnisanfälligkeit in der er Completer geniesst einen Giani Boners Completer der Wein überlebt, der den Chorherren des ungeniessbar hohen Säure kulminierte. Ruf wie Donnerhall. Dabei reift in der Regel Churer Stifts nach dem Abendgebet, dem Zum hundertjährigen Betriebsjubiläum müsste der Wein eher als zehn Jahre im Holzfass Completorium, als Schlummertrunk kredenzt pflanzte Thomas 1994 die Sorte wieder in den und im Stahltank. Christian und Francisca Gerücht gelten: Seine wurde. Die 33 Aren grosse Anlage gehört Selvenen nordwestlich des Dorfs. 1997 konnte Obrecht bewirtschaften Anbaufläche zwischen Chur Gaudenz von Salis von Schloss Bothmar. der erste Wein angeboten werden. Sohn Mar- die weltweit grösste und Fläsch beträgt gerade 1991 mussten die teilweisen uralten Rebstö- tin teilt die Begeisterung des Winzers: «Der Completer-Rebfläche. mal 3,8 Hektaren. Vielleicht hängt der Ruhm cke wegen Altersschwäche ersetzt werden. Completer zeigt alle Facetten, die ein Weiss mit dem eigentümlichen Namen zusammen. Sie waren noch wurzelecht, nicht auf reb- wein haben kann: die Mineralität des Char- Oder mit seiner Geschichte, die weit ins Mit- lausresistente Unterlagen gepfropft. Giani donnay ebenso wie den Spätlesecharakter des telalter zurückreicht. Sicher aber mit seinem Boner liess sich von der Rebschule Meier in Rheinrieslings», schwärmt er. Deshalb erwei- einzigartigen Geschmacksprofil zwischen Würenlingen aus altem Holz neue Setzlinge terten die beiden in den Lagen Halde und Opulenz und Eleganz, das ihn wie einen zweien, wiederum ohne sie auf eine Unter- Frassa die Anbaufläche und verfügen nun Findling in die Schweizer Weinlandschaft lagsrebe zu pfropfen. Boners Completerreben über «rund sechzig Aren» Completer. Sie setzt. haben deshalb so ihre Launen: anfällig für Fotos: Nicola Pitaro, malerapaso, Siffert/weinweltfoto.ch, Christian Obrecht keltern daraus im Barrique einen hinreissen- Wer mehr über die geheimnisumwitterte Verrieselung während der Blüte, unregelmäs- den Wein mit reifer Säure (Ernte Mitte Sorte und ihren gewaltigen Wein erfahren sig im Ertrag und nicht immer perfekt ausrei- November) und einem gut kaschierten Quent- will, ist bei Giani Boner in Malans an der fend. Deshalb gibt es bei ihm nicht jedes Jahr chen Restsüsse, moderner und eleganter, aber richtigen Adresse. Boner, ein zurückhaltender, einen Wein. Er peilt bei der Ernte 115 Grad nicht minder klassisch als jener von Boner. sympathischer Winzer mit Meisterausbil- Öchsle an. 14 Volumenprozent Alkohol Rheinabwärts, in Jenins, arbeitet auf dem dung, erzeugt einen Completer von beeindru- brauche sein Completer, um die schneidende Weingut zur Sonne mit Christian und Fran- ckender Alterungsfähigkeit. Er führt uns in Säure von 13 bis 19 Promille im Most zu cisca Obrecht ein Paar, das sich in den letzten die Completerhalde, wo in Terrassen die parieren. «Erreichen die Trauben die Vollrei- zehn Jahren ebenfalls fulminant um den Trauben für den kantig-herben, säurebeton- fe nicht, verschwinden sie im Pinot Gris.» Completer verdient gemacht hat. «6216 ten Wein wachsen. Die warme Lage südöst- Um einen Tropfen mit derart wuchtigen Quadratmeter Completer bewirtschaften lich des Dorfs wird von Mauern geschützt. Analysewerten trinkbar zu machen, bedarf wir heute und sind damit die weltweit gröss- Hier sollen die Mönche vor über tausend es eines jahrelangen Ausbaus. Zehn Jahre ten Completer-Produzenten», sagt Christian Jahren die Reben gepflanzt haben. Hier hat schlummert Boners Completer im tiefen, Obrecht schelmisch und lanciert damit > 22 falstaff mär–apr 2018 mär–apr 2018 falstaff 23
wein / C O M P L E T E R Winzer Roman Hermann glaubt an das immense Potenzial der urbünderischen Completer Sorte Completer. Der Completer ist eine uralte, einheimische weisse Rebsorte. Er wird auch Malanser Rebe genannt, weil er bereits im Mittelalter in der Malan- ser Completerhalde angebaut wurde. In einer Urkunde des Domprobsts Rudolf von Montfort wird 1321 erstmals ein Completer-Rebberg als Besitz des Dom kapitels Chur genannt. Seinen Namen verdankt der Completer dem Umstand, dass die Chorherren des Churer Stifts den Wein jeweils nach dem Nachtgebet, dem Completorium, als Schlummertrunk genos- sen haben. In seinen wegweisenden pflan- zengenetischen Studien konnte Rebforscher José Vouillamoz keine Vorfahren identifi- zieren. Der Completer ist also ein Solitär. Dagegen hat Vouillamoz die Oberwalliser Sorte Lafnetscha als Nachkomme von Completer und Humagne Blanche bestim- men können. Die ungemein säurereiche Sorte ist ein Massenträger, im Anbau sehr anspruchsvoll, anfällig für Verrieselung und Fäulnis und bringt es nur in wärmsten Lagen zur vollen Erntereife. Mitte des D 20. Jahrhunderts war sie deshalb praktisch er Completer besitzt ein einzigartiges ausgestorben. In jüngster Zeit erlebt sie Geschmacksprofil, das sich zwischen nun in Graubünden eine schüchterne Renaissance. Opulenz und Eleganz bewegt. > definitiv den Wettstreit um die Comple- 220 Liter fassende Tonkugeln umgefüllt und ter-Krone. Die beiden wenden bio-dynami- schliesslich, unfiltriert und nur sehr diskret sche Methoden an. «Anbau und Kelterung geschwefelt, abgefüllt wird. Nicht fehl geht, sind ab Jahrgang 2017 zertifiziert.» Die wer dabei an Orange-Weine denkt. Christian Rückbesinnung auf den Completer, der Obrecht stimmt dem zu, wenn er diese spezi- vor der frostbedingten Vernichtung 1956 in elle Keltermethode «als unsere Interpretation der Sonne eine gewisse Tradition hatte, geht der Naturweine» bezeichnet und anfügt: einher mit der Konzentration auf die drei «Oxidation darf aber nicht sein. Wir wollen Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir – und frische Weine.» Ein kraftvoller Vertreter eben Completer. seiner Art: der Completer Drei Weingüter, drei Weinphilosophien, Die Obrechts lassen die Trauben voll vom Weingut Hermann in drei unterschiedliche Weinstile – jeder auf Fläsch. ausreifen, ernten Ende Oktober bei zirka seine Art genussvoll und beglückend. Es 100 Öchslegraden und einer Säure von wären die weiteren Namen von Completer- 12 bis 15 Gramm und keltern die Ernte auf Produzenten zu nennen – Luzi Boner, Cotti- geradezu avantgardistische Weise: Die Trau- nelli, Hermann, Lauber, Jan Luzi, Plantahof, ben werden mit ihren eigenen Hefen in alten Studach, Volg, von Tscharner. All diesen Holzbütten spontan maischevergoren. Säure- wackeren Winzern mit ihren unterschiedli- Fotos: beigestellt abbau und Reifung finden zwölf Monate in chen Weinen ist es auch zu verdanken, Barriques aus Akazie und Eiche statt, bevor dass der Completer in Graubünden kein der Most für weitere zwölf Monate in Gerücht geblieben ist. < 24 falstaff mär–apr 2018
wein / C O M P L E T E R best of COMPLETER 95 92 91 Malanser Completer 2007 Completer 2015 Churer Completer 2012 Giani Boner Weinkellerei, Malans Sprecher von Bernegg Gian-Battista von Tscharner Helles Bernstein; in der üppigen Jan Domenic Luzi, Jenins Reichenau Nase frische Eiche, Bitterorange, Mittleres Zitronengelb; verspieltes, Mittelkräftiges Goldgelb; kräftiges, kandierte Früchte, Honig; im leichtes, frisches Bukett mit Anflug reifes Bukett, leicht staubige Note Gaumen süsslich-öliger Auftakt, von Bienenwachs, Quittengelee, (altes Holz), daneben Orangenscha- kompakt, Schmelz, gut integrierte Orange, Minze; im Geschmack eher le, Quittengelee, Zartbitterschoko- Säure, spürbare Restsüsse; salziger schlank, etwas spitze, aber lade; im Gaumen kräftiger Auftakt, Abgang. Komplexer, perfekt ge saftige Säure, frisch; im Abgang eher schlank, massive Säure, unge- reifter Completer, nicht im mit Reifenoten. Ehrlicher, unge- stüm; mittlerer Abgang. Trockener, bonertypischen oxidativen Stil. schminkter, eher moderner noch etwas spröder Completer, ein www.gianiboner.ch Completer. ungeschliffener Diamant. CHF 65,– www.sprechervonbernegg.ch www.reichenau.ch ausverkauft CHF 37,– (50 cl) 94 92 90 Completer Completer Barrique Malans 2016 Malanserrebe 2016 Grand Maître 2016 Volg Weinkellereien, Winterthur Weingut Donatsch, Malans Weingut Hermann, Fläsch Mittleres Zitronengelb; in der Nase Blasses Goldgelb; in der Nase Mittelkräftiges Gelb; im kräftigen reife Gelbfrucht, nussig, Vanille dezent fruchtbetont, Aprikose, Bukett dezente Holzprägung, Vanil- (Holz), leicht flüchtig; im Gaumen Rosenblätter, Bitterorange; kräftiger le, daneben viel Frucht, Aprikose, weicher Auftakt, dann übernimmt Auftakt, spürbare Kohlensäure, ver- Quitte, kandierte Früchte; im Gau- eine spitze Säure, schlank, am Ende spielte Säure, Apfelaromatik; langer men ziemlich breit, etwas seifig, guter Schmelz; leichte Bitternote Abgang auf einem Hauch Restsüs- fast ölig, noch etwas spitze Säure; im Abgang. Gut gemachter, insge- se. Vielversprechender, sehr fri- langer, leicht bitterer Abgang. samt eher unauffälliger Completer. scher Completer. Üppiger, etwas breiter Completer, www.divino.ch www.donatsch-malans.ch braucht Reife. CHF 25,– CHF 46,– www.weingut-hermann.ch CHF 43,– 93 91 89 Completer 2015 Malans Completer 2016 Completer Malans 2015 Francisca und Andrea und Anita Lauber Cottinelli, Malans Christian Obrecht Malans Helles Zitronengelb; in der Nase Jenins Mittleres Zitronengelb; im Bukett leicht oxidativ, Noten von Haselnüs- Kräftiges Goldgelb; im üppigen frisch und klar, Anflug von Quitte, sen, Dörrobst, Bitterorange, Bienen- Bukett viel reife Frucht, Quitten, Kräuternoten, etwas Joghurt; im wachs; im Gaumen weicher Auftakt, Aprikose, ätherische Öle; im Gau- Gaumen trockener Antrunk, mittel- cremig, dezente Säure, deutliche men zackiger Auftakt, fordernde gewichtig, markante Säure, gradli- Holznote; im Abgang gewisse Süs- Säure, spürbares Tannin, saftig, nig, dezente Holzprägung; endet se, etwas flach. Bereits ziemlich gute Struktur, dicht; endet noch lang und trocken. Schnörkelloser gereifter Completer. Fotos: beigestellt etwas spröd. Charaktervoller Wein, Completer. www.cottinelli.ch frisch, muss und kann reifen. www.lauber-weine.ch CHF 19,90 (50 cl) www.obrecht.ch CHF 20,– (50 cl) CHF 53,– 26 falstaff mär–apr 2018
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