Urologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt

 
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Urologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Urologie – highlighted
Mit „Urologie – highlighted“ werden aktu-       lichen Verbesserung der Überlebenszeit         Fall 1: Ambulant erworbene
elle Entwicklungen des Fachgebietes Uro-        behandelt werden. Diese beeindruckende         Pyelonephritis
logie mithilfe von klinischen Musterfällen      klinische Effektivität ist jedoch häufig von
illustriert. In unserem aktuellen Beitrag be-   autoimmunassoziierten Nebenwirkungen           Fallvorstellung
leuchten wir unter anderem unerwünschte         begleitet, welche aufgrund der „Entfesse-      Eine 45-jährige Patientin stellt sich in der uro-
Arzneimittelnebenwirkungen etablierter          lung“ des eigenen Immunsystems durch die       logischen Notaufnahme bei seit ca. einer Woche
                                                                                               bestehenden dysurischen Beschwerden sowie seit
Antibiotika, welche auch aufgrund verän-        Checkpointblockade auftreten. Um dem
                                                                                               dem Vortag neu aufgetretene Flankenschmerzen
derter Resistenzmuster eine ständige An-        neuen Nebenwirkungsspektrum gerecht zu
                                                                                               beidseits vor. Anamnestisch sei es im Vorfeld
passung der Therapie bzw. Leitlinien erfor-     werden, bedarf es einer kontinuierlichen       bereits einmalig zu einer afebrilen Harnwegsin-
derlich machen.                                 Fortbildung im Bereich des Nebenwir-           fektion gekommen, der letzte Infekt liege jedoch
                                                kungsmanagements und interdisziplinärer        mindestens ein Jahr zurück. Zu Beginn der Be-
Zusätzlich hat die Zulassung von Immun-         Kooperation.                                   schwerden habe sie zunächst viel getrunken und
checkpointinhibitoren (als monoklonale                                                         ein rezeptfreies Mannose-Präparat aus der Apo-
Antikörper gegen die Immuncheckpoints           Auf dem Gebiet der Volkskrankheit des be-      theke eingenommen. Bei anhaltenden Beschwer-
PD-1, PD-L1 oder CTLA-4 – siehe Tabelle 1)      nignen Prostatasyndroms (BPS) sind konti-      den habe sie vor ca. fünf Tagen ihren Hausarzt
die Therapielandschaft in der Onkologie         nuierliche technische Weiterentwicklungen      aufgesucht, welcher ihr bei eindeutiger Klinik
und insbesondere der Uroonkologie revo-         zu verzeichnen. Insbesondere werden mo-        mit Dysurie und Pollakisurie sowie im U-Status
                                                                                               bestehender Leukozyturie und Erythrozyturie
lutioniert. Tumorerkrankungen, wie bei-         derne Laserverfahren, wie beispielweise die
                                                                                               Sulfamethoxazol/Trimethoprim rezeptiert habe.
spielsweise das metastasierte Nieren- oder      Holmium-Laser-Enukleation der Prostata
                                                                                               Hierauf seien die Beschwerden zunächst leicht
Urothelkarzinom, die vor der Zulassung          (HoLEP), von Patienten häufiger nachge-        zurückgegangen, aktuell jedoch wieder deutlich
dieser Therapeutika eine äußerst schlech-       fragt und präferiert. Zusätzlich stehen zur    stärker. Fieber habe die Patientin bislang nicht
te Prognose, gepaart mit einer geringen         Behandlung mittlerweile neue, interventi-      bemerkt. Die Flankenschmerzen seien drückend
Auswahl an medikamentösen Optionen,             onelle radiologische Therapiealternativen      und konstant, nicht kolikartig, es bestehe keine
aufwiesen, können heute mit einer deut-         zur Verfügung.                                 Übelkeit oder Erbrechen.

8       Bayerisches Ärzteblatt 1-2/2020
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Titelthema

                                                                                                                   Dr. Kristin Offner
                                                                                                                   Dr. Charis Kalogirou
                                                                                                                   Universitätsprofessor Dr. Hubert Kübler

Diagnostik und Therapie                             intravenöse antibiotische Therapie mittels ei-          für insgesamt zehn Tage kam es zur deutlichen
Im Rahmen der initialen Diagnostik erfolgte         ner Einmalgabe von Gentamicin gemäß unseren             Besserung bzw. letztlich zur Normalisierung des
nach ausführlicher Anamnese mit Ausschluss          hausinternen Antibiotikastandards begonnen.             Allgemeinzustandes.
von vaginalen Beschwerden sowie körperli-           Zur Schmerztherapie wurde Metamizol rezep-
cher Untersuchung mit einzig auffälligem Nie-       tiert. Die Patientin wurde ausdrücklich darüber         Diskussion
renlagerklopfschmerz beidseits zunächst eine        informiert, im Falle von Fieber/Schüttelfrost           Nach der deutschen S3-Leitlinie „Epidemiologie,
Urin-Status-Analyse sowie das Anlegen einer         wieder vorstellig zu werden.                            Diagnostik, Therapie, Prävention und Manage-
Urinmikrobiologie und eine Labor- und Ultra-                                                                ment unkomplizierter bakterieller, ambulant er-
schalldiagnostik. Es ergab sich die Konstellation   Nach Erhalt des Antibiogramms des Urins mit             worbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen
einer Pyelonephritis mit Nachweis leicht erhöhter   Nachweis von E. coli erfolgte die Informati-            Patienten, Aktualisierung 2017“ ist bei unkom-
Leukozyten, CRP sowie deutlicher Leukozyturie       on an die Patientin, die antibiotische Therapie         plizierter, nicht rezidivierender oder therapiere-
und Mikroerythrozyturie bei Nitrit positivem        durch die Gabe von Amoxicillin (3 x 500 mg              fraktärer Zystitis bei eindeutiger klinischer Sym-
Urin. Im routinemäßigen urologischen Ultraschall    p. o. für zehn Tage) anzupassen. Unter Fortfüh-         ptomatik keine mikrobiologische Untersuchung
zeigte sich primär kein pathologischer Befund,      rung der testgerechten antibiotischen Therapie          erforderlich [1].
die Nieren beidseits waren nicht ektatisch, es
ergab sich kein Hinweis auf das Vorliegen eines
Konkrementes oder einer Raumforderung. Es
zeigte sich kein Hinweis auf einen umschriebe-
                                                     Zielstruktur            Wirkstoffname                           Handelsname
nen abszessverdächtigen Nierenherd.
                                                     PD-1                    Avelumab                                Bavencio ®
Die Sonografie der Harnblase ergab ebenso einen                              Nivolumab                               Opdivo ®
unauffälligen Befund ohne Blasenwandverdi-                                   Pembrolizumab                           Keytruda ®
ckung oder Restharnbildung. Bei Fieberfreiheit
                                                     PD-L1                   Atezolizumab                            Tecentriq ®
sowie auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin
erfolgte letztlich die Entscheidung zur ambu-        CTLA-4                  Ipilimumab                              Yervoy ®
lanten Behandlung. Es wurde eine kalkulierte        Tabelle 1: In der Uroonkologie zugelassene Checkpointinhibitoren (in alphabetischer Reihenfolge).

                                                                                                                 Bayerisches Ärzteblatt 1-2/2020             9
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 Schweregrad        Symptomatik                                Therapie
                                                               Immuntherapie fortsetzen. Ambulantes Regime möglich. Infektausschluss (u. a. C. difficile).
                    Asymptomatisch,
 Grad 1                                                        Symptomatische Therapie mit Loperamid und Flüssigkeitssubstitution. Falls Symptome > 14d:
                    Stuhlfrequenz < 4/Tag
                                                               Prednisolon 0,5 bis 1 mg/kg p.o./d oder Budesonid 9 mg p.o./d
                                                               Immuntherapie unterbrechen. Ambulantes Regime möglich. Symptomatische Therapie und
                    Abdominelle Beschwerden,
                                                               Infektausschluss wie bei Grad 1. Falls Symptome binnen 72 Stunden nicht besser oder
 Grad 2             Blut- und Schleimbeimengungen,
                                                               Deterioration: Prednisolon 0,5 bis 1 mg/kg p.o./d oder Budesonid 9 mg p.o./d
                    Stuhlfrequenz 4 bis 6/Tag
                                                               Koloskopie/Schnittbildgebung Abdomen planen
                                                               Immuntherapie unterbrechen. Stationäre Aufnahme bis Infektausschluss. Gastroentero­
                                                               logisches Konsil. Methylprednisolon 1 bis 2 mg/kg i. v., Diagnostik mittels Koloskopie und
                                                               Schnittbildgebung Abdomen.
                    Grad 2 + Peritonismus, Fieber,
 Grad 3                                                        Falls Symptome binnen 72 Stunden nicht besser oder Deterioration:
                    Stuhlfrequenz > 7/Tag
                                                               Infliximab 5 mg/kg (nach Ausschluss Perforation, TBC, Hepatitis, chronische ­Herzinsuffizienz,
                                                               gegebenenfalls Wiederholung nach 14 Tagen). Gegebenenfalls orale Immunsuppression
                                                               (Tacrolimus) in Betracht ziehen.
                    Grad 3 + lebensbedrohliche Kompli-         Siehe Grad 3. Multiprofessionelle Behandlung (zum Beispiel Konsultation Viszeralchir-
 Grad 4             kationen, zum Beispiel Perforation,        urgie), Intensivtherapie. Nach Rekonvaleszenz oralisierte Steroide über 4 bis 8 Wochen
                    Nekrose, toxisches Megakolon               langsam reduzieren.
Tabelle 2: Schweregrade und Therapie der autoimmunvermittelten Colitis (nach [6]).

Sulfamethoxazol/Trimethoprim ist nach der                 fohlen, wobei aufgrund der Resistenzlage so-       Ipilimumab empfohlen und im April desselben
aktuellen Leitlinie für die kalkulierte Therapie          wie aufgrund des Nebenwirkungsprofils (Rote        Jahres begonnen. Da die Erstgabe bis auf eine
einer unkomplizierten Harnwegsinfektion nicht             Hand Brief für Fluorchinolone) für beide Sub-      asymptomatische Stuhlfrequenzerhöhung auf
Mittel der Wahl.                                          stanzen eine Alternative notwendig erscheint.      drei Stühle/Tag vom Patienten gut vertragen
                                                          Die Ausbreitung der Resistenzen mit zunehmend      wurde, begab er sich als Bauingenieur in lei-
Der obige Fall spiegelt die aktuelle lokale/na-           weniger zur Verfügung stehenden Standardanti­      tender Funktion auf ein Staudammprojekt ins
tionale Resistenzsituation insbesondere bei               biotika stellt alle behandelnden Ärztinnen/        osteuropäische Ausland. Hier entwickelte er
E. coli wider, die umso mehr eine leitlinienkon-          Ärzte vor eine Herausforderung. Alte Antibiotika   nach einer Latenzzeit von einer Woche blutige
forme Anwendung von Antibiotika nötig macht.              erfahren eine Renaissance, wie zum Beispiel        Diarrhoen (mehr als achtmal/Tag) sowie Fieber
Substanzen wie Sulfamethoxazol/Trimethoprim,              Aminoglykoside. Der lange postantibiotische        und peritonitische Beschwerden und wurde
Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure oder aber          Effekt (erlaubt ein Abwarten auf das endgültige    daraufhin nach einer kurzzeitigen Behandlung
auch Fluorchinolone sind daher nicht mehr em-             Resistogramm) sowie die noch günstige Resis-       in einem lokalen Krankenhaus in unsere Klinik
pirisch/kalkuliert für die Behandlung von Harn-           tenzlage ist hier als Vorteil zu sehen.            zurücküberwiesen. Bei Übernahme präsentier-
wegsinfektionen einsetzbar.                                                                                  te sich der Patient in einem reduzierten Allge-
                                                        » Die Wahl des geeigneten Antibiotikums sollte      meinzustand mit Exsikkose und einer Entzün-
Hier fällt dem Dialog zwischen AMS (Antimicro-            hier in Abhängigkeit von der lokalen Resistenz-    dungskonstellation mit einem CRP von 4,8 mg/dl
bial Stewardship) und behandelnden ärztlichen             lage und nach Möglichkeit in Rücksprache mit       (Norm: < 0,5 mg/dl) sowie einer Hyponatriämie
Kolleginnen und Kollegen eine entscheidende               dem Antimicrobial Stewardship (AMS) erfolgen.      von 121 mmol/l zu.
Bedeutung zu.
                                                        » Nach Erhalt des Antibiogramms sollte eine         Diagnostik und Therapie
In Anlehnung an § 23 des Infektionsschutzgeset-           erregergerechte Anpassung erfolgen.                Es wurde eine autoimmunvermittelte Colitis
zes und der S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung                                                           Grad 3 (siehe Tabelle 2) diagnostiziert, die Gabe
rationaler Antibiotika-Anwendung im Kranken-            » Die Dauer der Therapie sollte hierbei mindes-     der Immuntherapie gestoppt und nach Aus-
haus“ wurde am Klinikum die Arbeitsgruppe AMS             tens zehn Tage betragen.                           schluss einer infektiösen Ursache (unter ande-
etabliert, die sich mit allen Maßnahmen für einen                                                            rem Clostridium difficile-Antigen und TBC-PCR)
umsichtigen, verantwortungsbewussten Einsatz                                                                 sowie einer möglichen autoimmunvermittelten
von Antiinfektiva einsetzt.                             Fall 2: Immunvermittelte Colitis                     Hypophysitis (aufgrund der Hyponatriämie), eine
                                                        bei dualer Checkpointinhibition                      systemische Kortikosteroidtherapie mittels int-
Merke                                                                                                        ravenöser Gabe von Methylprednisolon 2mg/kg
» Die initiale Diagnostik bei ambulanter unkom-        Fallvorstellung                                      begonnen. Unter dieser und anderen supporti-
  plizierter Pyelonephritis sollte gemäß der S3-        Ende März 2019 wurde ein 58-jähriger Patient         ven Maßnahmen verbesserte sich der klinische
  Leitlinie immer das Anlegen einer Urinkultur          (ECOG 0) mit der Zufallsdiagnose eines synchron      Zustand des Patienten innerhalb der nächsten
  sowie eine Sonografie zum Ausschluss kompli-          pulmonal und hepatisch metastasierten Nieren-        72 Stunden nicht, sodass nach Ausschluss einer
  zierender Faktoren/eines Harnstaus beinhalten.        zellkarzinoms auf der linken Seite in unserer        Hohlorganperforation mittels Koloskopie (sie-
                                                        Klinik vorstellig. In der multidisziplinären Tu-     he Abbildung 1) eine Therapie mit 5 mg/kg des
» Entsprechend der Leitlinie wird kalkuliert zum       morkonferenz wurde als Erstlinientherapie eine       TNF-α-Inhibitors Infliximab begonnen wurde.
  Beispiel Cefpodoxim oder Ciprofloxacin emp-           duale Checkpointinhibition mit Nivolumab und         Hierunter besserte sich der klinische Zustand des

10        Bayerisches Ärzteblatt 1-2/2020
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Abbildung 1: Patientencharakteristika. (A) CT Abdomen mit Darstellung des Nierentumors auf der linken Seite (weißer Pfeil) mit den zugehörigen Lymphknotenmetasta-
sen (roter Pfeil). (B) Koloskopische Darstellung der ulzerierenden Colitis im gleichen Patienten.

Patienten zunehmend, sodass er nach nahezu                Onkologie wird auch die Inzidenz der autoim-        beim Urologen. Die Nieren wiesen keine Stau-
vollständiger Regulation der Stuhlfrequenz mit            munvermittelten Nebenwirkungen zunehmen.            ungszeichen oder andere Pathologie auf. Nach
oralisiertem Prednisolon inklusive (endokrino-            Der Umgang mit diesen neuen Substanzen              Miktion zeigten sich 250 ml Restharn. Die
logischem) Reduktionsschema in die ambulante              erfordert Erfahrung mit der Anwendung und           Prostata misst im transrektalen Ultraschall
Weiterbehandlung entlassen werden konnte.                 dem Nebenwirkungsmanagement und inter-              ca. 90 ml. Die Uroflowmetrie zeigt bei einem
Onkologisch wurde aufgrund der Schwere der                disziplinäre Zusammenarbeit.                        Miktionsvolumen von 315 ml einen maximalen
immunvermittelten Komplikation auf eine wei-                                                                  Flow von 12 ml/s (im Normalfall zwischen 15
tere Gabe der dualen Checkpointinhibition ver-         » Die frühzeitige Erkennung und multiprofes-          und 50 ml/s). Der Urin-Stix weist keine verän-
zichtet und mit dem Patienten bei gleichbleiben-          sionelle Behandlung dieser Nebenwirkungen           derten Befunde auf. Der PSA-Wert betrug 3,14
der Tumorlast in der Staginguntersuchung ein              müssen daher jedem Behandler geläufig sein.         ng/ml (Normwert bis 4,0 ng/ml). Aufgrund der
progressionsgetriggertes Vorgehen vereinbart.             Viele Fragen zum Nebenwirkungsmanage-               frustranen α-Blockertherapie mit deutlichen
                                                          ment sind zudem noch offen; insbesondere            Restharnwerten und entsprechender Sympto-
Diskussion                                                sollten hier in Zukunft Wege gefunden wer-          matik besteht die Indikation zur instrumentel-
Autoimmunassoziierte Nebenwirkungen können                den, Patienten mit einem hohen Risiko für           len Therapie des benignen Prostatasyndroms.
prinzipiell jedes Organsystem betreffen, häufig           Komplikationen bereits vor der Therapie zu          Aufgrund der dualen antithrombozytären The-
sind jedoch vor allem kutane, peripher neurologi-         identifizieren (zum Beispiel über Biomarker).       rapie wird dem Patienten eine transurethrale
sche und gastrointestinale Nebenwirkungen. Oft                                                                Holmium-Laserenukleation der Prostata (Ho-
treten kutane und gastrointestinale Nebenwir-                                                                 LEP) empfohlen.
kungen während der Therapie mit Checkpoint-            Fall 3: Benignes Prostatasyndrom
inhibitoren auf [2]. Anhand der „Jena Ampel“           mit Restharnbildung                                    Diskussion
können diese autoimmunassoziierten Neben-                                                                     Die klassische Trias von irritativen Miktions-
wirkungen analog der CTC-Kriterien (Common             Fallvorstellung                                        symptomen, vergrößertem Prostatavolumen
Toxicity Criteria) eingeteilt werden und das Ne-       Ein 70-jähriger Patient mit irritativ-obstruk-         und Auslassobstruktion bei Männern wird als
benwirkungsmanagement mit Glukokortikoiden             tiver Miktionssymptomatik wird seit ca. fünf           benignes Prostatasyndrom (BPS) bezeichnet,
initiiert bzw. die Dosis der Glukokortikoide es-       Jahren mit dem α-Blocker Tamsulosin behan-             welches bei den Patienten häufig einen erheb-
kaliert werden [3]. Beim Versagen dieser Thera-        delt. Darunter war der Patient die vergangenen         lichen Leidensdruck auslöst. Eine operative In-
piemaßnahmen stehen weitere Substanzen wie             Jahre subjektiv beschwerdefrei. In der letzten         tervention der BPS ist immer dann indiziert,
Infliximab, einem TNF-α-Inhibitor, oder Myco-          Zeit bemerkte der Patient jedoch eine deutli-          wenn mittels konservativer Maßnahmen wie zum
phenolat-Mofetil, einem Immunsuppressivum,             che Harnstrahlabschwächung und wieder ge-              Beispiel „Lifestyle“-Veränderungen, der Phyto-
zur Verfügung. Ob die Therapie mit Checkpoint-         häuften Harndrang. Aufgrund einer koronaren            therapie oder der medikamentösen Therapie
inhibitoren fortgeführt wird, kann ebenfalls an-       Herzerkrankung mit Zustand nach drug-eluting           mittels Alphablockern und/oder niedrigdosierten
hand der Graduierung der autoimmunassoziierten         Stentimplantation wird der Patient mit dualer          Androgenrezeptorantagonisten keine für den
Nebenwirkungen festgemacht werden.                     antithrombozytärer Therapie behandelt.                 Patienten zufriedenstellende Symptomkontrolle
                                                                                                              erreicht werden kann.
Merke                                                  Diagnose und Therapie
» Durch die Indikationsausweitung der Immun-          Aufgrund der verschlechterten Miktionssymp-            Als Goldstandard der operativen Therapie hat
  checkpointinhibition in vielen Bereichen der         tomatik erfolgt eine Ultraschalluntersuchung           sich hier seit den 70er-Jahren die transurethrale

                                                                                                                   Bayerisches Ärzteblatt 1-2/2020             11
Urologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Titelthema

                                                                                                                                                                                  ist die Reduktion des Prostatavolumens durch
Quelle: Dr. Jeremy Taylor on Twitter – https://twitter.com/drjtaylor

                                                                                                                                                                                  die Unterbindung der arteriellen Blutversorgung
                                                                                                                                                                                  mit entsprechender Symptomverbesserung. Da
                                                                                                                                                                                  die Intervention kurzstationär oder ambulant in
                                                                                                                                                                                  Lokalanästhesie erfolgt, müssen Thrombozyten-
                                                                                                                                                                                  aggregationshemmer oder orale Antikoagulantien
                                                                                                                                                                                  regelhaft nicht pausiert werden. Einschränkend
                                                                                                                                                                                  muss zur PAE gesagt werden, dass bezüglich der
                                                                                                                                                                                  Langzeitergebnisse noch keine ausreichend be-
                                                                                                                                                                                  lastbare Datenlage vorliegt. Hierzu haben jedoch
                                                                                                                                                                                  erste prospektive, randomisierte Studien gezeigt,
                                                                                                                                                                                  dass die PAE mit weniger Komplikationen als
                                                                                                                                                                                  beispielsweise die TUR-P behaftet war, jedoch
                                                                                                                                                                                  Abstriche bei der Symptomkontrolle gemacht
                                                                                                                                                                                  werden mussten [5].

                                                                                                                                                                                  Merke:
                                                                                                                                                                                  » Eine operative Therapie des BPS wird dann
                                                                                                                                                                                    erforderlich, wenn durch konservative Maß-
                                                                                                                                                                                    nahmen (insbesonder der medikamentösen
                                                                                                                                                                                    Therapie) keine zufriedenstellende Symptom-
                                                                                                                                                                                    kontrolle erreicht werden kann.

                                                                                                                                                                                  » Die TUR-P gilt für kleine Prostataadenome
                                                               Abbildung 2: Superselektive angiografische Darstellung der A. prostatica als Grundlage für die Prostataarterien-     weiterhin als Goldstandard. Für große Pro-
                                                               embolisation (PAE).                                                                                                  stataadenome haben sich heute neben der
                                                                                                                                                                                    offen operativen Therapie minimalinvasive
                                                                                                                                                                                    Verfahren wie die Holmium-Laserenukleation
                                                                                                                                                                                    der Prostata (HoLEP) etabliert.

                                                                                                                                                                                  » Für minimalinvasive Verfahren wie die Pros-
                                                               Resektion der Prostata (TUR-P) bewährt, wel-              fen wird. Da der Holmium-Laser im Gegensatz                tataarterienembolisation (PAE) liegen noch
                                                               che bei Prostatavolumina bis durchschnittlich             zu anderen Lasertechniken mit kontinuierlicher             keine belastbaren Langzeitdaten vor. Erste
                                                               ca. 60 bis 70 ml eingesetzt wird und mit einem            Energieabgabe ein gepulster Laser ist, können              Studienergebnisse weisen jedoch auf ein güns-
                                                               tolerablen Komplikationsprofil exzellente Lang-           während der Enukleation gleichzeitig Blutungen             tiges Nebenwirkungsprofil mit Abstrichen bei
                                                               zeitergebnisse in Bezug auf die Auslassobstruk-           im Bereich der Prostatakapsel verödet werden.              der Symptomkontrolle hin.
                                                               tion liefern kann. Prostatae mit einem größeren           Einen zusätzlichen Vorteil stellt die Morcellation
                                                               Adenomvolumen von > 100 bis 150 ml bedürfen               und das nachfolgende Absaugen des Prostatage-            Das Literaturverzeichnis kann im Internet
                                                               aufgrund des Risikos eines Einschwemmungs-                webes nach dem Abwurf in die Blase dar; analog           unter www.bayerisches-aerzteblatt.de
                                                               syndroms (hypotone Hyperhydratation – soge-               zur TUR-P und der offenen Prostataadenom-                (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
                                                               nanntes „TUR-Syndrom“) während der TUR-P                  enukleation ist so die vollständige histologische
                                                               einer offen operativen Therapie.                          Aufarbeitung möglich. Auch deshalb ist die HoLEP         Die Autoren erklären, dass sie keine finan-
                                                                                                                         das einzige Verfahren, das von der europäischen          ziellen oder persönlichen Beziehungen zu
                                                               Was die Therapie insbesondere großer Drüsen               Gesellschaft für Urologie (EAU) hinsichtlich der         Dritten haben, deren Interessen vom Ma-
                                                               angeht, haben sich in den vergangenen Jahren              Langzeitergebnisse als Alternative zur TUR-P             nuskript positiv oder negativ betroffen sein
                                                               neue Trends in der minimalinvasiven operati-              und offenen Prostataadenomenukleation mit                könnten.
                                                               ven Therapie etabliert, wie beispielsweise die            dem höchsten Evidenzgrad eingestuft wird [4].
                                                               transurethrale Holmium-Laserenukleation der
                                                               Prostata (HoLEP) sowie die Prostataarterien-              Als relativ junges, minimalinvasives Verfahren
                                                               embolisation (PAE).                                       ohne transurethrale Intervention hat sich seit
                                                                                                                         ca. 2010 an wenigen spezialisierten Zentren die
                                                               Im Gegensatz zur TUR-P ist die HoLEP nicht                Prostataarterienembolisation (PAE) etabliert.
                                                                                                                                                                                   Autoren
                                                               durch die Größe des Prostataadenoms limitiert;            Basis dieses Verfahrens ist die superselektive an-
                                                               auch sehr große Prostataadenome können mit                giografische Darstellung der A. prostatica über           Dr. Kristin Offner,
                                                               diesem Verfahren über die Harnröhre entfernt              einen femoralen Zugang und die Okklusion dieser           Dr. Charis Kalogirou,
                                                               werden. Basis dieser Technik ist ein Holmium-             Arterie mit kleinen Kunststoffpartikeln von 100           Universitätsprofessor Dr. Hubert Kübler
                                                               Laser, welcher wenige Millimeter tief in das Ge-          bis 500 µm Durchmesser (siehe Abbildung 2). Die
                                                               webe eindringt und eine Trennschicht zwischen             Embolisation der Gegenseite kann im Anschluss             Zentrum Operative Medizin,
                                                               dem Adenomgewebe und der chirurgischen Kapsel             über den gleichen arteriellen Zugang in einer Sit-        Universitätsklinikum Würzburg,
                                                               der Prostata herstellt, über die dann mit sanf-           zung erfolgen. Durch die erneute Applikation von          Oberdürrbacher Straße 6,
                                                               ten Druck des transurethralen Resektoskops das            Kontrastmittel kann der technische Erfolg des             97080 Würzburg
                                                               Adenom enukleiert und in die Blase abgewor-               Eingriffes überprüft werden. Ziel dieses Eingriffes

                                                               12        Bayerisches Ärzteblatt 1-2/2020
Urologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
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