US-Wahl: Die fünf Kernbotschaften der Meinungsumfragen

 
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15 September 2020                                       Macro Research
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                                                                                      Übersetzung der englischen Originalversion
                                                                                                       vom 14. September 2020

US-Wahl: Die fünf Kernbotschaften der Meinungsumfragen
Dieser Artikel ist die deutsche Übersetzung des ersten Beitrags einer geplanten Serie zu den US-Wahlen. Die nächste
Ausgabe wird sich mit der Wirtschaftspolitik der Präsidentschaftskandidaten befassen.

■   Bewahrheiten sich die Meinungsumfragen, dann ist der Demokrat Joe Biden auf bestem Weg, der 46. Präsident der
    Vereinigten Staaten zu werden. Allerdings liegen die Umfragewerte so eng beieinander, dass noch alles möglich ist.

■   Donald Trump ist zwar eine extrem polarisierende Person, kann sich aber auf eine solide und stabile Wählerbasis stützen.
    Joe Biden braucht wahrscheinlich eine hohe Wahlbeteiligung, um sich den Sieg zu sichern.

■   Mit Blick auf den Kongress (Parlament) dürften die Demokraten (fast sicher) die Kontrolle über das Repräsentantenhaus
    behalten. Das Rennen um den Senat erscheint hingegen völlig offen.

Im Kampf um das Weiße Haus hat die heiße Phase begonnen. Der republikanische Kandidat, Präsident Donald Trump, hofft auf
eine zweite Amtszeit – also vier weitere Jahre an den Schalthebeln der Macht. Der Kandidat der Demokratischen Partei, der
ehemalige Vizepräsident Joe Biden, setzt hingegen auf einen Wechsel. Die Amerikaner sind am 3. November aber nicht nur zu
den Wahlurnen gerufen, um den 46. Präsidenten zu wählen, sondern auch 35 (von insgesamt 100) Senatoren sowie alle 435
Vertreter im Repräsentantenhaus neu zu bestimmen. Das Ergebnis der Wahl wird nicht nur wegweisende Auswirkungen auf die
USA haben, sondern auch auf den Rest der Welt. Ein neuerlicher Sieg von Donald Trump würde wohl „four more years of the
same“ bedeuten, einschließlich niedrigerer Steuern, Deregulierung und einer Außenpolitik, die auf der "America First"-Doktrin
basiert. Im Gegensatz dazu würde ein Biden-Sieg wahrscheinlich höhere Steuern und Staatsausgaben sowie die Rückkehr zu
einer tradierten und verlässlichen Außenpolitik mit sich bringen. Wer aber auch immer gewinnen wird – wie viel von seiner
Agenda er umsetzen kann, wird davon abhängen, wer den Kongress kontrolliert. Ohne die volle Kontrolle über die Legislative
werden die Kandidaten weitreichende, parteipolitisch umstrittene Vorhaben wohl zusammenstreichen müssen.

In diesem Beitrag fassen wir die fünf Kernbotschaften der aktuellen Meinungsumfragen zusammen und stellen sie durch den
Vergleich mit früheren Wahlen in eine historische Perspektive. Viel mehr als eine Momentaufnahme dessen, was
wahrscheinlich passieren würde, fände die Wahl heute statt, können Umfragen indes nicht leisten. Bis zum Wahltag kann sich
noch viel ändern. Trotz aller Mängel aber sind Meinungsumfragen immer noch das beste verfügbare Instrument zur
Vorhersage von Wahlergebnissen.

1. Biden liegt in den landesweiten Meinungsumfragen vorn, auch in den sogenannten umkämpften Bundesstaaten
   („battleground states“) – aber sein Vorsprung ist geschmolzen

Nach den jüngsten Meinungsumfragen liegt Joe Biden mit 50,5% der landesweit Befragten um rund 7,5 Prozentpunkte vor
Donald Trump. Die restlichen 7,5% sind größtenteils unentschieden oder wollen einen anderen Kandidaten wählen. Allerdings
hat sich im Laufe des Sommers Bidens Vorsprung tendenziell verringert (siehe Grafik 1). Trotzdem ist er noch immer deutlich
größer als der von Hillary Clinton vor vier Jahren. Damals lag sie etwa zwei Prozentpunkte vor Donald Trump. Dennoch
gewinnt nicht immer der Kandidat, der die Mehrheit der Stimmen der Bevölkerung („popular vote“) auf sich vereint, sondern
derjenige, der die meisten Wahlmänner bzw. -frauen („electoral college“) hinter sich scharen kann. Jeder Bundesstaat
entsendet eine bestimmte Anzahl von Abgesandten (abhängig von der Bevölkerung) in das Wahlkollegium, das dann den
Präsidenten wählt. In allen außer zwei Bundesstaaten erhält dabei der Kandidat mit der (relativen) Mehrheit die Stimmen aller
Wahlmänner bzw. -frauen dieses Bundesstaates. Das Wahlkollegium besteht aus insgesamt 538 Abgesandten, sodass der
Kandidat Präsident wird, der 270 oder mehr Stimmen auf sich vereinen kann. Im Jahr 2016 stimmten fast 3 Millionen mehr
Amerikaner für Hillary Clinton als für Donald Trump. Sie konnte sich dabei allerdings nur 227 Stimmen aus dem
Wahlkollegium sichern; für Donald Trump votierten hingegen 304 Wahlmänner bzw. -frauen. Das lag primär daran, dass
Hillary Clinton in mehreren Schlüsselstaaten, insbesondere in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin, die Wahl zwar sehr
knapp, damit aber sämtliche Wahlmänner bzw. -frauen dieser Staaten an ihren Widersacher verlor.

Aktuelle Umfragen deuten indes darauf hin, dass Joe Biden das Schicksal von Hillary Clinton diesmal erspart bleiben könnte.
Biden liegt in vielen umstrittenen Bundesstaaten vorn, darunter in den bereits erwähnten Staaten Michigan, Pennsylvania und
Wisconsin (siehe Grafik 2) – zudem auch in Arizona, Florida und North Carolina, die 2016 für Trump stimmten und zusammen
gut 20% der Wahlmänner bzw. -frauen stellen. Der Vorsprung Bidens in diesen umkämpften Staaten ist jedoch nicht so groß,
um sich nicht vorstellen zu können, dass er sich noch dreht – ein Punkt, auf den wir später noch zurückkommen werden.

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GRAFIK 1: BIDEN LIEGT IN DER WÄHLERGUNST VORN, ABER VORSPRUNG IST GESCHMOLZEN

60                                                                                                18
                       Vorsprung Biden (%-Punkte, RS)             Biden        Trump
55                                                                                                16

50                                                                                                14

45                                                                                                12

40                                                                                                10

35                                                                                                8

30                                                                                                6

25                                                                                                4

20                                                                                                2
 Mar-20              Apr-20    May-20         Jun-20           Jul-20      Aug-20        Sep-20

Quelle: www.realclearpolitics.com, UniCredit Research

GRAFIK 2: BIDEN LIEGT AUCH IN DEN UMKÄMPFTEN STAATEN VORN

          Bidens Vorsprung in umkämpften Staaten (%-Punkte)
     7
              32
                                       Zahl der Wahlmänner/-frauen (von 538 insgesamt)
     6
                              40
                                            44
     5
                                                          58
     4
                                                                          44
     3

     2
                                                                                       15
     1

     0
           Michigan      Pensylvania    Wisconsin       Florida         Arizona      North
                                                                                    Carolina

Quelle: www.realclearpolitics.com, UniCredit Research

2.       Trump kann sich auf eine stabile Wählerbasis stützen

Obwohl Joe Biden in den Meinungsumfragen vorn liegt, ist seine Wählerbasis wohl nicht so stabil wie die von Donald Trump.
Trump, eine extrem polarisierende Person, dessen Zustimmungsraten nie über 50% gestiegen sind, erfreut sich jedoch einer
stabil loyalen Unterstützung. Seine Zustimmungsraten variierten in den letzten knapp vier Jahren nur sehr wenig (siehe Grafik
3). Dies steht im krassen Gegensatz zur Popularität z.B. von George Bush, dessen Zustimmungsraten zwischen 25% und
90% äußerst stark schwankten. Und wie Trump nicht müde wird zu betonen, ist seine Zustimmungsrate unter den registrierten
Republikanern extrem hoch und stabil – was impliziert, dass er mittlerweile die Partei fast vollständig für sich vereinnahmt hat.
Joe Biden hingegen kämpft mit den ideologischen und generationsbedingten Spaltungen, die die Demokratische Partei in
diesen Tagen kennzeichnen. So muss er einerseits die fortschrittliche Bewegung „bedienen“, die dem selbsternannten
sozialistischen Senator Bernie Sanders anhängt, gleichzeitig aber auch nahe an der politischen Mitte bleiben, um die

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schwankenden ehemaligen republikanischen Wähler für sich zu gewinnen. Laut einer Umfrage des PEW Research Center
geben 66% von Trumps Anhängern an, dass sie ihren Kandidaten "stark" unterstützen; für Biden äußern das nur 46%. Eine
hohe Wahlbeteiligung wird wahrscheinlich der Schlüssel für Biden sein, um sich die Stimmen jener Amerikaner zu sichern, die
zur Linken des politischen Spektrums bzw. seiner Partei gehören.

GRAFIK 3: TRUMPS ZUSTIMMUNGSRATE IST NIEDRIG, ABER SEHR STABIL

                          Zustimmungsrate während der ersten Amtszeit (%)
100

 75

 50

 25

                           Minimum              Mittelwert              Maximum

   0
          Reagan (1981-    G. Bush (1989-   Clinton (1993-   G. W. Bush (2001-   Obama (2008-   Trump (2017-?)
             1984)             1992)             1998)             2004)            2012)

Quelle: American Presidency Project, UniCredit Research

Grafik 4 zeigt, dass sowohl Jimmy Carter als auch George Bush sen. wohl nicht wiedergewählt wurden, weil ihre Popularität
zu niedrig war. Allerdings schafften es sowohl Obama als auch Bush jun. trotz Zustimmungsraten von unter 50%, im Oval
Office zu bleiben. Gegenwärtig liegt die Zustimmungsrate von Donald Trump nicht weit unter der von Barack Obama, als
dieser sich um eine Wiederwahl im Jahr 2012 bemühte. Seine Popularität war von über 60% in den ersten Monaten seiner
Präsidentschaft auf deutlich unter 50% gefallen.

GRAFIK 4: ZUSTIMMUNGSRATE UND WIEDERWAHL

                          Zustimmungsrate im August bei einer Wiederwahl

       Jimmy Carter
                                                                            nicht wiedergewählt
         George H.W.
            Bush
                Trump

    Barack Obama

  George W. Bush

    Ronald Reagan

           Bill Clinton
            Dwight
          Eisenhower
                           0                         25                          50                       75

Quelle: Gallup, UniCredit Research

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3.       Eine hohe Wahlbeteiligung könnte Biden zugutekommen

Die USA stehen vor enormen Herausforderungen: Die COVID-19-Krise hat die US-Wirtschaft in eine tiefe Rezession getrieben
und die Arbeitslosigkeit anschwellen lassen, das Land ist tief gespalten, die sozialen Spannungen sind hoch, die Ungleichheit hat
zugenommen und die internationalen Beziehungen wurden von Präsident Trump einer großen Belastungsprobe unterzogen,
teilweise sogar auf den Kopf gestellt. Eine so stark polarisierende Persönlichkeit wie Trump hat sichtbare Brüche und Friktionen
in der amerikanischen Gesellschaft hinterlassen. Andererseits ist auch die Demokratische Partei tief gespalten, wenn es um
ideologische Schlüsselfragen zur Zukunft des Kapitalismus und zur Rolle des Staates in der Wirtschaft geht. Es überrascht daher
nicht, dass der Prozentsatz der Amerikaner, die glauben, dass die Wahl des Präsidenten einen großen Einfluss auf die Zukunft
des Landes haben wird, derzeit so hoch ist wie noch nie seit der Jahrtausendwende (siehe Grafik 5).

GRAFIK 5: STARKES INTERESSE AN DER WAHL

                     Umfrage: Es ist wichtig, wer die Wahl gewinnt (%)
100

                      Republikaner        Demokraten

    75

    50

    25

     0
             2000            2004          2008          2012           2016           2020

Quelle: PEW Research, UniCredit Research

Die Wahlbeteiligung (definiert als Relation der abgegebenen Stimmen zur Bevölkerung im Wahlalter) ist in den USA im
internationalen Vergleich ohnehin niedrig 1. Das gilt erst recht für die Halbzeitwahlen („mid-term elections“), bei denen die
Beteiligung in aller Regel noch deutlich hinter den Präsidentschaftswahlen zurückbleibt. Bei den letzten US-Halbzeitwahlen im
Jahr 2018 war dem allerdings nicht ganz so. Die Wahlbeteiligung stieg um über zehn Punkte (siehe Grafik 6). Das könnte sich
nun wiederholen. In einer kürzlich von CBS/YouGov durchgeführten Umfrage gaben 90% der registrierten(!) Wähler an, dass
sie "definitiv" wählen werden, weitere 6% bezeichnen es als "wahrscheinlich". 2016 gaben 87% der registrierten Wähler ihre
Stimme ab. Eine womöglich hohe Wahlbeteiligung dürfte für Joe Biden, dessen Unterstützerbasis stärker zersplittert ist, ein
gutes Zeichen sein. Nichtwähler sind in der Regel nicht weiß, weniger gebildet, ärmer, jünger und mehr Frauen als Männer.
Diese Gruppen tendieren eher zu den Demokraten. Das Haupthindernis für eine hohe Wahlbeteiligung ist die COVID-19-
Pandemie. Sie könnte viele Wähler davon abhalten, an die Wahlurne zu gehen, insbesondere dann, wenn die Zahl der
Infektionen weiter zunimmt.

1
    Siehe zum Beispiel https://www.pewresearch.org/fact-tank/2018/05/21/u-s-voter-turnout-trails-most-developed-countries/

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GRAFIK 6: AMERIKANER IN LETZTER ZEIT STÄRKER POLITISCH ENGAGIERT

                                     Wahlbeteiligung (%)
70
65
60
55
50
45
40
35
30                     Präsidentschaftswahl               Halbzeitwahlen
25
20

Quelle: American Presidency Project, UniCredit Research

4.    Früher wurden selbst größere Vorsprünge schon verspielt – die Wahl 1988

In den verbleibenden fast zwei Monaten bis zu den US-Wahlen kann noch viel passieren. Bis eine Woche vor der Wahl 2016
führte Hillary Clinton mit 6,5 Prozentpunkten in Wisconsin, verlor aber am Ende den Staat an Donald Trump (wenn auch mit
weniger als einem Prozentpunkt). Joe Biden hat dort derzeit ebenfalls einen Vorsprung von 6,5 Prozentpunkten, auch wenn er
US-weit derzeit besser abschneidet als Hillary Clinton vor vier Jahren. Das extremste Beispiel für einen Stimmungs-
umschwung nach den Sommermonaten in der jüngeren US-Geschichte sind indes die Wahlen von 1988. Damals, zwischen
Mai und August, führte der demokratische Kandidat Michael Dukakis in den Meinungsumfragen im Schnitt mit rund 10
Prozentpunkten vor George Bush sen. (siehe Grafik 7). Bush richtete seinen Wahlkampf zum Ende hin völlig neu aus und
konzentrierte sich in erster Linie auf Recht & Ordnung als Kernthema (Präsident Trumps Fokus auf Recht & Ordnung in seiner
Rede auf dem Republikanischen Konvent weist Ähnlichkeiten auf). Innerhalb weniger Wochen sank die Popularität von
Dukakis dramatisch und erholte sich auch nie wieder.

GRAFIK 7: VORSPRUNG IN DER WÄHLERGUNST KURZ VOR DER WAHL IST KEINE SIEGGARANTIE

                             Wählergunst 1988: Bush vs. Dukakis
     15%
                                                                             Bush
     10%

     5%

     0%

     -5%

 -10%

 -15%                                                                       Dukakis

 -20%

Quelle: Gallup, UniCredit Research

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5.    Wer auch immer gewinnt, wird sich wohl dem anderen politischen Lager annähern müssen, um etwas zu erreichen

Wer auch immer die Präsidentschaftswahl gewinnt, die Spielräume für die Umsetzung ihrer Wahlprogramme wird davon
abhängen, wer den Kongress kontrolliert. Gegenwärtig dominieren die Republikaner den Senat mit 53 zu 45 Sitzen (die
Unabhängigen, in aller Regel mit den Demokraten abstimmenden Senatoren halten zwei Sitze). Insgesamt stehen am 3.
November 35 der 100 Senatssitze zur Wahl (ein Drittel der Sitze, also 33, stehen zur regulären Wahl, plus zwei Sitze, die
derzeit noch frei sind, nämlich Arizona und Georgia). Von diesen 35 Sitzen haben die Republikaner derzeit 23 inne, die
Demokraten 12. Letztere müssten den Republikanern also drei oder mehr Sitze abjagen, um die Senatsmehrheit zu erringen
– vorausgesetzt, sie verteidigen ihre 12 Sitze (der Vizepräsident kann das Unentschieden bei Stimmengleichheit zugunsten
der Regierung auflösen). Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die Demokraten eine 50:50-Chance auf eine Mehrheit im
Senat haben (siehe Grafik 8). Aber sie werden sehr wahrscheinlich weit hinter der 60-Stimmen-Mehrheit zurückbleiben, die
erforderlich ist, um zu verhindern, dass die Republikaner die Möglichkeit der Hinhalte- bzw. Verzögerungstaktik („filibuster“)
nutzen, um bestimmte Gesetze zu blockieren. Anders sieht es im Repräsentantenhaus (Haus) aus. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass die Demokraten dort die Kontrolle behalten werden.

GRAFIK 8: RENNEN UM SENAT IST VÖLLIG OFFEN

                                   Zahl der Sitze (in %)

                                                                      Demokraten
     Haus
                                                                      umkämpft
                                                                      Republikaner

  Senat

            0                             50                    100

Quelle: www.realclearpolitics.com, UniCredit Research

Auf Basis der Meinungsumfragen sehen wir aktuell vier Hauptszenarien (siehe Schaubild 9). Die erste Variante ist, dass Joe
Biden die Präsidentschaftswahl gewinnt, seine Partei die Kontrolle über das Repräsentantenhaus behält und die Mehrheit im
Senat erringt. Diese so genannte "blue wave" würde es Joe Biden ermöglichen, auch die weitreichenden Reformen seiner
Agenda umzusetzen, insbesondere in Fragen des Gesundheitswesens, der Umwelt, der Bildung, des Kartellrechts, großer
fiskalischer Anreize sowie einer Rücknahme der Körperschaftssteuersenkungen von Trump. Genauso wahrscheinlich ist es
unseres Erachtens, dass Joe Biden die Wahlen gewinnt und das Repräsentantenhaus „verteidigt“, die Republikanische Partei
jedoch die Kontrolle über den Senat behält. Das wiederum würde wahrscheinlich zu einem Stillstand in zentralen Fragen
führen bzw. Joe Biden daran hindern, die progressiveren Elemente seiner Agenda umzusetzen. Dies wäre unserer Ansicht
nach wahrscheinlich zugleich das marktfreundlichste Ergebnis, da Biden die Exekutivgewalt hätte, die Importzölle
zurückzufahren und eine normalere Außenpolitik zu betreiben, während höhere Steuern und eine stärkere Regulierung
wahrscheinlich vom Senat blockiert würden. Sollte Donald Trump erneut gewinnen, wird er höchstwahrscheinlich entweder mit
einem gespaltenen Kongress konfrontiert sein, bei dem die Demokraten die Kontrolle über das Haus (d. h. den Status quo)
behalten, oder sich sogar einem gänzlich von den Demokraten kontrollierten Kongress gegenübersehen. So oder so und
angesichts des Stillstands der letzten zwei Jahre wird er sich dann weitestgehend auf Anordnungen der Exekutive („executive
orders“) verlassen müssen, was seine Gestaltungsmöglichkeiten erheblich einschränkt. In puncto Steuern und
(De)Regulierung würde sich gegenüber der gegenwärtigen Situation kaum etwas ändern.

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15 September 2020                            Macro Research
                                                                                                         US Election Brief

GRAFIK 9: MÖGLICHE SZENARIEN

         Wahlausgang                                                  Implikationen
                                                  Gesplitteter           Status quo:
                                                   Kongress            "America First":
                             Trump gewinnt                                Außen- &
                                                                       Handelspolitik,
                                                Demokratischer           Blockade im
                                                  Kongress                Kongress

              Wahl
                                                                        Blockade, kaum
         (3. November)                                                 Steuerreformen &
                                                  Gesplitteter          Re-Regulierung,
                                                   Kongress             Normalisierung
                                                                         Außenpolitik
                             Biden gewinnt
                                                                       Höhere Steuern &
                                                Demokratischer         Haushaltsdefizite,
                                                                        Re-Regulierung,
                                                  Kongress              Normalisierung
                                                                         Außenpolitik

Quelle: UniCredit Research

Es ist erst dann vorbei, wenn es vorbei ist

Die aktuellen Meinungsumfragen können nur einen Einblick auf das gaben, was wahrscheinlich passieren würde, wenn die
Wahlen heute stattfinden. Natürlich können sich die Meinungsumfragen bis zum Wahltag am 3. November 2020 noch ändern.
Die drei Fernsehdebatten des Präsidenten (am 29. September, 15. Oktober und 22. Oktober) – und eine Debatte der
Vizepräsidenten (7. Oktober) – liegen noch vor uns. Laut PEW-Forschungszentrum erachten etwa zwei Drittel der Wähler die
Debatten als "sehr" oder zumindest "etwas" nützlich für ihre Entscheidungsfindung – wenn auch meist auf parteipolitischer Linie.

In der Vergangenheit wurde der Gewinner der Präsidentschaftswahl in der Regel am frühen Morgen nach dem Wahltag
bekannt gegeben. Aber dieses Mal müssen wir möglicherweise länger auf das Ergebnis warten, eventuell sogar sehr viel
länger. Erstens möchte eine noch nie dagewesene Zahl von Amerikanern (etwa 34%) in diesem Jahr per Post wählen.
Hauptgrund dafür ist die COVID-19-Pandemie. Während einige US-Bundesstaaten nur Briefwahlstimmen akzeptieren, die bis
20:00 Uhr am Wahltag eingegangen sind, anerkennen andere (wie Kalifornien) Stimmen, sofern sie am oder vor dem Wahltag
abgestempelt sind, auch wenn sie später eintreffen. Die Auszählung der Stimmen beginnt in der Regel nach Schließung der
Wahllokale. Persönliche Stimmen werden zuerst ausgezählt, gefolgt von den per Post zugesandten Stimmen. Letzteres
dauert länger, da die Unterschrift mit der auf der Registrierkarte abgeglichen werden muss. Postalische Abstimmungen
könnten möglicherweise eine Quelle von Rechtsstreitigkeiten werden. Präsident Trump hat wiederholt die Pläne zur Erhöhung
des Briefwahlanteils heftig kritisiert und Befürchtungen geäußert, wonach die Briefwahl zu Wahlbetrug führen könnte (z. B.
durch Nichtberücksichtigung der per Post abgegebenen Stimmen). Die US-Post hat fast alle US-Bundesstaaten davor
gewarnt, dass sie möglicherweise nicht in der Lage ist, Briefwahlstimmen rechtzeitig bis zum 3. November zu bearbeiten. Es
scheint sehr wahrscheinlich, dass keiner der beiden Kandidaten bereit sein wird, seine Niederlage einzugestehen, bevor
wirklich jede Stimme ausgezählt ist. Und selbst wenn das Stimmenbild relativ klar wäre, könnte der „Unterlegene“ versuchen
in Frage zu stellen, ob jeder Staat die richtigen Verfahren für die Briefwahl auch eingehalten hat. Letztendlich wird es
möglicherweise Sache des Obersten Gerichtshofs sein, den Wahlsieger 2020 festzustellen.

Edoardo Campanella, Economist (UniCredit Bank, Milan)
+39 02 8862-0522
edoardo.campanella@unicredit.eu

Daniel Vernazza, PhD, Chief International Economist (UniCredit Bank, London)
+44 207 826-7805
daniel.vernazza@unicredit.eu

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Dieser Report wurde am 15. September 2020 um 15:37 Uhr fertiggestellt und erstmalig weitergeben.
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g) Zagrebačka banka d.d., Trg bana Josipa Jelačića 10, HR-10000 Zagreb, Kroatien.
Aufsichtsbehörde: Croatian Agency for Supervision of Financial Services, Franje Račkoga 6, 10000 Zagreb, Kroatien.
h) UniCredit Bank Czech Republic and Slovakia, Želetavská 1525/1, 140 92 Prag 4, Tschechische Republik
Aufsichtsbehörde: CNB Czech National Bank, Na Příkopě 28, 115 03 Prag 1, Tschechische Republik
i) ZAO UniCredit Bank Russia (UniCredit Russia), Prechistenskaya nab. 9, RF-119034 Moskau, Russland
Aufsichtsbehörde: Federal Service on Financial Markets, 9 Leninsky prospekt, Moskau 119991, Russland
j) UniCredit Bank Czech Republic and Slovakia, Slovakia Branch, Šancova 1/A, SK-813 33 Bratislava, Slowakei
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                   Erik F. Nielsen                                                    Dr. Ingo Heimig
                   Group Chief Economist
                                                                                      Head of Research Operations
                   Global Head of CIB Research
                                                                                      & Regulatory Controls
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  Head of Macro Research

                   Marco Valli
                   Head of Macro Research
                   Chief European Economist
                   +39 02 8862-0537
                   marco.valli@unicredit.eu

  European Economics Research

                   Dr. Andreas Rees                                                   Dr. Loredana Federico                                            Stefan Bruckbauer
                   Chief German Economist                                             Chief Italian Economist                                          Chief Austrian Economist
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                   andreas.rees@unicredit.de                                          loredanamaria.federico@unicredit.eu                              stefan.bruckbauer@unicreditgroup.at

                   Tullia Bucco                                                       Edoardo Campanella                                               Walter Pudschedl
                   Economist                                                          Economist                                                        Economist
                   +39 02 8862-0532                                                   +39 02 8862-0522                                                 +43 50505-41957
                   tullia.bucco@unicredit.eu                                          edoardo.campanella@unicredit.eu                                  walter.pudschedl@unicreditgroup.at

                                                                                      Dr. Thomas Strobel
                   Chiara Silvestre                                                   Economist
                   Economist                                                          +49 89 378-13013
                   chiara.silvestre@unicredit.eu                                      thomas.strobel@unicredit.de

  International Economics Research

                   Daniel Vernazza, Ph.D.
                   Chief International Economist
                   +44 207 826-7805
                   daniel.vernazza@unicredit.eu

  EEMEA Economics Research

                   Dan Bucşa                                                          Gökçe Çelik                                                      Mauro Giorgio Marrano
                   Chief CEE Economist                                                Senior CEE Economist                                             Senior CEE Economist
                   +44 207 826-7954                                                   +44 207 826-6077                                                 +43 50505-82712
                   dan.bucsa@unicredit.eu                                             gokce.celik@unicredit.eu                                         mauro.giorgiomarrano@unicredit.de

                   Artem Arkhipov                                                                                                                      Dr. Ágnes Halász
                   Head, Macroeconomic Analysis                                       Hrvoje Dolenec                                                   Chief Economist, Head, Economics and
                   and Research, Russia                                               Chief Economist, Croatia                                         Strategic Analysis, Hungary
                   +7 495 258-7258                                                    +385 1 6006-678                                                  +36 1 301-1907
                   artem.arkhipov@unicredit.ru                                        hrvoje.dolenec@unicreditgroup.zaba.hr                            agnes.halasz@unicreditgroup.hu

                   Ľubomír Koršňák                                                    Anca Maria Negrescu                                              Kristofor Pavlov
                   Chief Economist, Slovakia                                          Senior Economist, Romania                                        Chief Economist, Bulgaria
                   +421 2 4950 2427                                                   +40 21 200-1377                                                  +359 2 923-2192
                   lubomir.korsnak@unicreditgroup.sk                                  anca.negrescu@unicredit.ro                                       kristofor.pavlov@unicreditgroup.bg

                   Pavel Sobíšek
                   Chief Economist, Czech Republic
                   +420 955 960-716
                   pavel.sobisek@unicreditgroup.cz

  UniCredit Research, Corporate & Investment Banking, UniCredit Bank AG, Am Eisbach 4, D-80538 Munich, globalresearch@unicredit.de
                                                                                                                                                                                              MR 20/2
  Bloomberg: UCCR, Internet: www.unicreditresearch.eu

*UniCredit Research is the joint research department of UniCredit Bank AG (UniCredit Bank, Munich or Frankfurt), UniCredit Bank AG London Branch (UniCredit Bank, London), UniCredit Bank AG Milan Branch
(UniCredit Bank, Milan), UniCredit Bank AG Vienna Branch (UniCredit Bank, Vienna), UniCredit Bank Austria AG (Bank Austria), UniCredit Bulbank, Zagrebačka banka d.d., UniCredit Bank Czech Republic and
Slovakia, ZAO UniCredit Bank Russia (UniCredit Russia), UniCredit Bank Romania.

UniCredit Research                                                                                              Seite 9                                         Haftungsausschluss siehe letzte Seiten.
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