VERIRRTEN SICH IM WALD - nach "Hänsel und Gretel" der Gebrüder Grimm - Deutsches Theater Berlin

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VERIRRTEN SICH IM WALD - nach "Hänsel und Gretel" der Gebrüder Grimm - Deutsches Theater Berlin
VERIRRTEN SICH IM WALD
  nach „Hänsel und Gretel“ der Gebrüder Grimm
    Eine Stückentwicklung von Robert Lehniger
mit Virtual und Augmented Reality der CyberRäuber

         MATERIALIEN FÜR
       DEN SCHULUNTERRICHT
           Premiere: 30. März 2019, Box

                    Kontakt: Junges DT
   Deutsches Theater • Schumannstr. 13A • 10117 Berlin
      Tel. 030.284 41 220 • E-Mail: info@jungesdt.de
VERIRRTEN SICH IM WALD - nach "Hänsel und Gretel" der Gebrüder Grimm - Deutsches Theater Berlin
Junges DT Spielzeit 18/19                                     Materialien VERIRRTEN SICH IM WALD

INHALTSVERZEICHNIS

Stückinfo und Besetzung / 2
Vorbemerkung / 3

I Das künstlerische Team / 4
II Stückentwicklung und Proben / 6
III Zum Thema: Märchen, Virtual Reality, Parallelwelten / 8
IV Vor- und Nachbereitung mit der Klasse / 14

Impressum / 16

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VERIRRTEN SICH IM WALD - nach "Hänsel und Gretel" der Gebrüder Grimm - Deutsches Theater Berlin
Junges DT Spielzeit 18/19                                        Materialien VERIRRTEN SICH IM WALD

                                     Verirrten sich im Wald
                            Nach „Hänsel und Gretel“ der Gebrüder Grimm
  Eine Stückentwicklung von Robert Lehniger mit Virtual und Augmented Reality der CyberRäuber

„Hänsel und Gretel“ ist eines der bekanntesten deutschen Märchen. Zwei Geschwister wer-
den von ihren Eltern verstoßen. Ausgesetzt in einem finsteren, bitterkalten Wald entdecken
sie ein Haus. Doch was von außen verlockend erscheint, birgt eine dunkle Innenwelt. Die
Kinder geraten in die Fänge einer menschenfressenden Hexe und können nur entkommen,
indem Gretel die alte Frau tötet. Beladen mit Edelsteinen kehren sie zurück zum Vater und
märchenhaft kann gesagt werden: Ende gut, alles gut.
Du glaubst, das Märchen zu kennen, oder? Doch was, wenn es ganz anders passiert wäre?

„Verirrten sich im Wald“ lädt das Publikum ein, einen neuen Blick auf die Geschichte zu wer-
fen. Dabei verbindet sich die bildmächtige Inszenierung von Robert Lehniger mit der Aug-
mented und Virtual Reality (VR) der CyberRäuber. Es irren verschiedene Versionen von Hän-
sel und Gretel durch den Wald – auf der Bühne und in der virtuellen Realität. Immer wieder
tauchen die Geschwister auf und führen die Zuschauer_innen an die Grenzen zwischen Wirk-
lichkeit und den dunklen Parallelwelten aus Märchen, Fantasy-Romanen und Netflix-Serien.
Und die Hexe ist nicht die einzige Gefahr, die im Wald lauert.

                                          Ab der 8. Klasse

                                             Es spielen
    Mina Christ, Christine Flegel, Enzo Herrmann, Luna Jordan, Daria Kleyn, Kalina Krone,
       Alexander Nagel, Justin Otto, Hanno Prigge, Veronika Schulze, Jasmin Sebastiani,
                               Leni von der Waydbrink, Cedric Ziouech
                                       Regie Robert Lehniger
                  Virtual Reality CyberRäuber (Björn Lengers, Marcel Karnapke)
                                       Bühne Janja Valjarević
                                        Kostüme Linda Spörl
                        Musik RLisa Morgenstern, Miguel Murrieta Vásquez
                            Dramaturgie + Theaterpädagogik Lasse Scheiba
                      Aufführungsdauer 1 Std. Premiere 30. März 2019, Box

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Junges DT Spielzeit 18/19                                  Materialien VERIRRTEN SICH IM WALD

                                     VORBEMERKUNG
Die Inszenierung „Verirrten sich im Wald“ in der Regie von Robert Lehniger empfehlen wir
für Schüler*innen ab der 8. Klasse. Vor allem empfiehlt sich eine Verbindung mit den Fä-
chern Deutsch und Darstellendes Spiel.

In dieser Materialmappe finden Sie Hintergrundinformationen zur Inszenierung. Aufgrund
des besonderen künstlerischen Zugriffs auf das Märchen wird neben einführenden Informa-
tionen vor allem die Arbeitsweise vorgestellt.

Der Inszenierungsbesuch eignet sich dazu, moderne Theaterformen und die Verschränkung
von neuen technischen Medien und dem Theater kennenzulernen sowie zu diskutieren.
Außerdem kann ein Inszenierungsbesuch eigene kreative Prozesse anstoßen und dazu ani-
mieren mit klassischen Stoffen, wie einem Märchen, frei umzugehen. So kann der Besuch
besonders Darstellenden-Spiel-Kursen, die eine Inszenierung entwickeln wollen, die zahlrei-
chen Möglichkeiten zeigen, eigene Ideen auf eine Bühne zu bringen. Oder im Unterrichtsfach
Deutsch Anstöße für eine kreative Textproduktion bieten.

Im Folgenden schließen sich verschiedene Fragestellungen, Übungen und Diskussionsanre-
gungen an, die es ermöglichen, sich Text und Themen aus verschiedenen Perspektiven zu
nähern und im Anschluss an die Vorstellung ins Gespräch zu kommen und die Auseinander-
setzung zu vertiefen.

Zur Vorbereitung bietet das Junge DT auf Anfrage einen ca. 90-minütigen bis dreistündigen
Workshop oder eine Einführung vor der Vorstellung an. Auch ein Nachgespräch nach der
Vorstellung mit einer Begutachtung der VR-Brillen ist möglich. Alle Angebote sind bei einem
Besuch der Vorstellung kostenfrei.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Schüler*innen viel Spaß beim Ausprobieren!

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                            I Das künstlerische Team

Robert Lehniger – Regie
                                    Robert Lehniger studierte Visuelle Kommunikation und
                                    Mediengestaltung (Experimentelle Television) in Wei-
                                    mar. In seinen filmischen Arbeiten, Bühneninszenie-
                                    rungen, Videoinstallationen und Transmedia-Projekten
                                    untersucht er die Schnittstelle von Theater und Neuen
                                    Medien und spielt mit den Formen des medialen Er-
                                    zählens im Realraum und im Netz. In der Spielzeit
                                    2015/16 inszenierte er zum ersten Mal am Deutschen
                                    Theater Berlin (Herr der Fliegen: survival mode). In
                                    dieser Inszenierung verband er die Romanvorlage mit
                                    dem erfolgreichen Computerspiel minecraft und lud
                                    die jugendlichen Spieler*innen und das Publikum zu
                                    einer Beschäftigung mit virtuellen Spielwelten ein.

CyberRäuber (Marcel Karnapke, Björn Lengers) – VR / AR
                                    Marcel Karnapke und Björn Lengers bilden seit 2016
                                    das Künstlerkollektiv „CyberRäuber – Theater der vir-
                                    tuellen Realität“ (vtheater.net). Sie verbinden Theater
                                    mit dem virtuellen Raum, bringen – oft gemeinsam mit
                                    anderen Künstler*innen – digitale und virtuelle Welten
                                    ins Theater und das Theater auf virtuelle Bühnen. Sie
                                    erforschen neuartige Erzählmöglichkeiten und experi-
                                    mentieren mit Laserscans kompletter Bühnenbilder,
                                    dreidimensionalen Aufzeichnungen von Schauspie-
ler*innen, Echtzeit-Bühnenbildern und mobilen Applikationen auf der Bühne.

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Lisa Morgenstern und Miguel Murrieta Vásquez – Musik

                            Lisa Morgenstern ist eine deutsch-
                            bulgarische Pianistin, Sängerin und
                            Komponistin.

                            Miguel Murrieta Vásquez, geboren
                            in Ecuador, lebt seit zehn Jahren in
                            Deutschland und ist vorwiegend als
                            Tonmeister für Werbe- und Doku-
                            mentarfilme tätig.

Lasse Scheiba – Dramaturgie / Theaterpädagogik
                                             Lasse Scheiba ist Dramaturg, Theaterpädago-
                                             ge und Kulturwissenschaftler. In seinen Arbei-
                                             ten bilden von den Spieler*innen geschriebe-
                                             ne Texte das Ausgangsmaterial für die Insze-
                                             nierung. Er mischt Texte, die in den Proben
                                             entstehen, mit zum Thema passender Fachli-
                                             teratur und erschafft so Collagen, in denen
                                             biographisches, fiktionales und wissenschaftli-
                                             ches in einen Austausch tritt.

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                            II Stückentwicklung und Proben
Was für eine Geschichte muss in einem Theaterabend erzählt werden, der das Bühnenge-
schehen mit Virtual Reality mischt? Eine Inszenierung, in der zwei Welten aufeinandertref-
fen?
Diese Fragen beschäftigten das künstlerische Team um den Regisseuren Robert Lehniger vor
dem Probenbeginn. Das Märchen der Gebrüder Grimm schien ein passender Ausgangspunkt:
Zwei Kinder verlieren sich im Wald und entdecken ein Haus aus Lebkuchen. Es ist wie ein
verzerrtes Spiegelbild des Elternhauses. Ein verwunschener Ort, der schreckliche Gefahren
beherbergt.

Die Proben zu „Verirrten sich im Wald“ begannen mit mehreren Was wäre, wenn-Fragen, die
die Spieler*innen an das Märchen stellen sollten:

Was, wenn die Hexe nur eine missverstandene Frau wäre?
Was, wenn Hänsel und Gretel vor lauter Hunger zu Kannibalen geworden wären?
Was wäre, wenn Gretel und Hänsel einander im Wald verloren hätten? etc.

Ausgehend von diesen Fragen, dachten sich die Spieler*innen neue Märchenfassungen aus.
Dabei arbeiteten immer zwei Spieler*innen zusammen und überlegten, welche Geschichte
sie erzählen könnten. Was, wenn Hänsel und Gretel zwei kleine Kinder oder ganz alt wären?
Was, wenn zwei Mädchen Hänsel und Gretel spielten?

In der Inszenierung stehen neun Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren sowie drei Seni-
or*innen auf der Bühne. Sie stellen mehrere Hänsel-und-Gretel-Variationen dar. Jedes Ge-
schwisterpaar erzählt eine andere Geschichte, einen anderen Blick auf das Märchen. Es ist
ein Kaleidoskop aus Möglichkeiten. Dies spiegelt auch die virtuelle Realität in der Inszenie-
rung wieder: Sie fungiert als ein Opernglas, das nicht einfach das Geschehen auf der Bühne
vergrößert, sondern umdeutet und neue Eindrücke liefert.

Das Publikum wird dabei zu Fährtenleser*innen. Es gilt, die auftauchenden Pärchen, die Bil-
der in der virtuellen Realität und die zahlreichen Erzählstränge zusammenzubringen. Ein
Richtig oder Falsch gibt es dabei nicht. Jede*r deutet seine*ihre Spuren anders.
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Aus den Proben
Worum geht es in dem Märchen?

HUNGER / ESSEN
UNLOGISCH
IDENTITÄT
ABNORM
VERLOREN
AUSGESTOSSEN
SELBSTFINDUNG
ORIENTIERUNGSLOSIGKEIT
BOSHEIT
HALLUZINATION
REAKTION
GERECHTIGKEIT
ABHÄNGIGKEIT
GESCHWISTERLIEBE
HOFFNUNG
VERLASSEN
FREIHEITSKAMPF
URVERTRAUEN
ZUSAMMENHALT
TRÄUME&ENTSCHEIDUNGEN
DAS BÖSE
ANGST
FATA MORGANA
IGNORANZ
VERANTWORTUNG
FÜRSORGLICHKEIT
NATURVERBUNDENHEIT

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III Zum Thema: Hintergrundwissen zur Inszenierung

                                             Das Märchen ist die tiefste Offenbarung
                                             des Volksgemüts. Nirgends erfährt man
                                             wohl die Schicksalswege der Volksseele –
                                             ihre geheimen Leiden – so unmittelbar, als
                                             wenn man ihren Märchen lauscht.“
                                             RUDOLF MEYER – DIE WEISHEIT DER DEUTSCHEN
                                             MÄRCHEN

   Das Denken des Mystikers ist ein „Denken mit den
   Augen“. Es geht im Prinzip darum, den Sinn der
   Märchen, wie den Mythos überhaupt, vom Bildli-
   chen her zu entschlüsseln, denn im bildlichen Ele-
   ment der Märchen liegt das Zentrum ihres Geheim-
   nisses. Nur mit einer visuellen Methode kann man
   offen dieses Geheimnis entschleiern.
   REGINA BÖHM-KORFF - DEUTUNG UND BEDEUTUNG VON HÄNSEL
   UND GRETEL

                                                   Die Märchen vermitteln wichtige
                                                   Botschaften auf bewußter, vorbe-
                                                   wußter und unbewußter Ebene ent-
                                                   sprechend ihrer jeweiligen Ent-
                                                   wicklungsstufe. Da es ihnen um
                                                   universelle menschliche Probleme
                                                   geht und ganz besonders um solche,
                                                   die das kindliche Gemüt beschäfti-
                                                   gen, fördern sie die Entfaltung des
                                                   aufkeimenden Ichs; zugleich lösen
                                                   sie vorbewußte und unbewußte
                                                   Spannungen.
                                                   BRUNO BETTELHEIM – KINDER BRAUCHEN
                                                   MÄRCHEN

    Was wäre, wenn die Hexe eine ganz normale Frau ist, die von
               der Gesellschaft verstoßen wurde?

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 Das Seltsame und das Gespenstische in Stranger Things

Stranger Things:
„Sie nehmen die Zuschauer an die Hand und bringen sie dorthin, wo
sie noch nie waren“
Eine düstere Herbstnacht in einer US-amerikanischen Kleinstadt. Ein Junge fährt mit dem
BMX über eine Landstraße. Trübe Straßenlaternen zeigen Umrisse eines Waldes. Plötzlich
sieht der Junge etwas. Er erschrickt, fährt in eine Böschung, stürzt. steht wieder auf, rennt zu
Fuß weiter. Etwas verfolgt ihn. „Mom!“, ruft er, als er zu Hause ankommt. Sie ist nicht da.
Das Etwas, nur in den furchterfüllten Augen des Jungen zu erahnen, ist schon da. Eine Glüh-
birne leuchtet auf, ein greller Klang ertönt, dann ist es still – und der Junge verschwunden.

Von jetzt an ist alles anders. Die Welt hat einen Riss bekommen. Durch ihn ist etwas einge-
drungen in die intakte Welt von Hawkins in der Netflix-Serie Stranger Things. Jetzt ist da et-
was, das da nicht sein sollte.

Die von Winona Ryder mit dauerverzerrter Mimik gespielte Joyce ist überzeugt, dass ihr
Sohn Will noch lebt, von übernatürlichen Kräften gekidnappt wurde und immer wieder ver-
sucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, ob über das Telefon oder die Lichterketten, die sie in
einem verzweifelten Anfall im ganzen Haus aufhängt.

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Neben Joyce und dem Sheriff sind auch Wills Kumpels den bösen Mächten auf der Spur.
Womöglich ist es kein Zufall, dass die Kids jener fremden Welt mutiger begegnen als die Er-
wachsenen. In der Lebensphase glauben wir stets mehr, als vermeintlich wahr ist, stehen
dem Fremden offen gegenüber und sind zugleich bereit, die Kategorien, mit denen die Reali-
tät erfasst wird, ständig neu anzupassen. Durch die Linse der präpubertären Hauptfiguren,
die weitgehen außerhalb der erwachsenen Wirklichkeit agieren, wird das Seltsame sichtbar.
Sie nehmen die Zuschauer an die Hand und bringen sie dorthin, wo sie noch nie waren: in
eine Welt voller Schrecken, aber auch voller Faszination, eine Welt, die größer ist als die
sichtbare physikalische.
PHILIPP RHENSIUS – STRANGER THINGS VS. MARK FISHER. IN: SPEX NO 377

                                                        Weil wir Phantasien haben,
                                                        fühlen wir uns in der wirkli-
                                                        chen Welt nie vollständig zu
                                                        Hause; wir sind nie ganz si-
                                                        cher, ob wir wirklich das
                                                        sind, wofür die anderen uns
                                                        halten etc.
                                                        ROBERT PFALLER – ZWEITE WELTEN

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Die technische Geschichte der virtuellen Realität

Der Begriff der künstlichen oder virtuellen Realität (artificial bzw. virtual reality) existierte in
den fünfziger Jahren noch nicht. Allerdings sind erste Implikationen bereits in Wieners
Kommunikationsmodell und in der Echtzeit-Simulation des WhirlwindComputers enthalten.
Einen weiteren Schritt machte die Philco Corporation, die 1958 ein Head-Sight-Television-
System entwickelte. Das System besteht aus einer helmartigen Kopfvorrichtung mit einem
kleinen Monitor, dessen Bild direkt vor den Augen des Benutzers erscheint. Das Bild stammt
von einer entfernten Kamera, die der Träger mit seinen Kopfbewegungen lenkt. Auf diese
Weise entsteht der Eindruck, daß er sich in
diesem Bild bewegt. Die Steuerung der Kamera
erfolgt über am Helm angebrachte Sensoren,
die Veränderungen eines Magnetfeldes regist-
rieren. Sowohl der Operateur als auch die
ferngelenkte Kamera sind dabei von identi-
schen Magnetfeldern umgeben. Das System
sollte der Beobachtung entfernter Orte die-
nen, die für den Menschen gefährlich sind. Mit
diesem Sichtgerät wurden zunächst nicht die
interaktiven Qualitäten der Technologie wei-
terentwickelt. Entscheidender war, daß ein
Bild entstand, das das Gesichtsfeld ausfüllte und so die Illusion des »im-Bild-Seins« entste-
hen ließ. Aufgrund dieser illusionistischen Qualität der VR-Technologie zeichnet Erkki Huh-
tamo mit seiner »Media Archeology« eine Traditionslinie von der Stereografie und den Dio-
ramen sowie den Panoramen des 19. Jahrhunderts bis zur heutigen VR-Technologie.

In dieser Traditionslinie steht auch der Sensorama Simulator Morton Heiligs, der allerdings
keinen Computer verwendet. Morton Heilig konstruiert 1956 den Prototyp eines Ein-
Personen-Kinos, das außer der binokularen Ansicht eines Films von einer Motorradfahrt
durch New York auch Stadtgeräusche, Gerüche und taktile Reize miteinander kombiniert.
Das Gerät besitzt sogar einen Propeller, der Wind produziert. Morton Heiligs Sensorama
dient keinem bestimmten Zweck; Heiligs Interesse galt vielmehr der Erweiterung der künst-
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lerischen Ausdrucksmittel durch den direkten Umgang mit den menschlichen Sinnen. Er
spricht von “[...] providing the artist With a much wider palette of sense material [...].” Das
Kino der Zukunft, das er sich vorstellte, sollte alle menschlichen Sinne ansprechen. Während
sich Heiligs Sensorama sowohl gegen die Kategorisierung als Kunstwerk als auch gegen die
Einordnung in den technisch-funktionalen Bereich sträubt, entstanden in den späten sechzi-
ger Jahren Arbeiten im Kunstkontext, die an die Idee des Sensoramas anknüpften. Auf die
direkte Aktivierung sensueller Empfindungen zielten auch die Arbeiten Ay-Os', Tactile Room
(1965) und Finger Box Suitcase (1964) sowie Marta Minujins Minuphone ( 1967).
Die weitere Entwicklung der Computertechnologie schlug aber zunächst eine andere Rich-
tung ein: die interaktive Beziehung zwischen System und Anwender. Diesen Aspekt entwi-
ckelt Ivan E. Sutherland mit seinem SketchpadProgramm weiter. Es erlaubt dem Anwender,
mit Hilfe des Lichtstifts auf dem fernsehähnlichen Display, der Kathodenstrahlröhre, zu
zeichnen und so die Daten im Computerspeicher zu verändern.

                                             Ein großer Vorteil der Systeme Sutherlands ist,
                                             daß Anweisungen des Anwenders nicht erst in
                                             einem Programm formuliert werden mußten,
                                             sondern in Anlehnung an bereits erlernte kultu-
                                             relle Verhaltensweisen ausgedrückt wurden.
                                             Dieser Schritt ist für die weitere Entwicklung
                                             des Computers entscheidend. Neben der Adap-
                                             tion kultureller Interaktionsmuster, wie dem
                                             Zeichnen, galt das Bestreben Sutherlands der
                                             Entwicklung einer Apparatur, mit der man sich
                                             über den Sehsinn in computergrafischen Bild-
                                             räumen orientiert. Zwischen 1966 und 1970
                                             knüpft Sutherland an das Head-Sight-System
                                             der Philco Corporation an und entwickelt sein
                                             Head-Mounted-Display (HMD). Es besteht aus
zwei kleinen Monitoren, die aber im Unterschied zu seinem Vorgänger kein fotorealistisches
Bild einer Kamera, sondern ein computergeneriertes Bild zeigen. Die Monitore des HMD be-
finden sich seitlich an den Schläfen und projizieren ihr Bild ebenfalls durch Linsen und halb-

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durchlässige Spiegel vor die Augen des Benutzers. Im Unterschied zu dem zweidimensiona-
len Bild, das beim Head-Sight-Television-System entsteht, ist das Bild in Sutherlands Display
stereoskopisch und wird so dreidimensional wahrgenommen.
Sensoren, die am HMD angebracht sind, registrieren Veränderungen der Kopfposition. Die
Daten werden an die angeschlossenen Computer übertragen, wo die Perspektive der beiden
Bilder entsprechend berechnet und verändert wird. Auf diese Weise entsteht der Eindruck,
der Betrachter könne sich im räumlich erscheinenden stereoskopischen Bild bewegen. Das
Bild wird von dem Spiegelsystem reflektiert und erscheint als im Raum schwebend. Im Un-
terschied zu den heutigen Datenbrillen war es dem Träger eines Head-Mounted-Systems
daher möglich, auch den ihn umgebenden realen Raum zu sehen. Eingabeinstrumente wie
Datenhandschuh und Datenanzug wurden später entwickelt und erweiterten die Hand-
lungsmöglichkeiten im computergenerierten Bild. Das Bild, das auf Sutherlands Display er-
schien, stellte das Drahtgittermodell eines Kubus dar. Zu aufwendigeren Bildberechnungen
in Echtzeit waren die Computer zu dieser Zeit nicht in der Lage.
Wieners Thesen, die weitgehend prognostischen Charakter hatten, sind mit der Entwicklung
Sutherlands — weniger als zwanzig Jahre später — mindestens teilweise realisiert: Die im-
mer direktere Mensch-Computer-Kommunikation, in der die Programme dem Benutzer das
Erlernen der Computersprache abnehmen, war Ende der vierziger Jahre in der Frühzeit des
Digitalcomputers kaum vorstellbar. Wiener hatte aber zugleich mit seiner Analogisierung von
zwischenmenschlicher und Mensch-Computer-Kommunikation Hoffnungen geweckt, die
zunächst nicht einzulösen waren — und dies wurde oft beklagt. Dennoch machte die kurze
Zeitspanne zwischen Prognose und ihrer annähernden Realisierung den Computerforschern
die enorme Schnelligkeit der technologischen Entwicklung bewußt und bedingten immer
utopischere Einschätzungen zukünftiger Möglichkeiten. Von einer »Man-Computer-
Symbiosis« sprach J.C.R. Licklider schon 1960 und Alan Turing fragte mit Blick auf den Com-
puter: „Can a machine think?“ Er evozierte damit die vielversprechende Metapher des Elekt-
ronenhirns, die bereits bei Wiener in Form einer Lernmaschine auftauchte.
SÖKE DINKLA – PIONIERE INTERAKTIVER KUNST

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IV Vor- und Nachbereitung des Inszenierungsbesuchs
Selbst ausprobieren, erfahren und weiterentwickeln, was in der Inszenierung und auch auf
den Proben Fragen und Herangehensweisen waren. Darum geht es in diesem Teil. Idealer-
weise machen Sie diese Übungen nicht im Klassenzimmer, sondern suchen einen geeigneten
Raum, der Bewegungsfreiheit ermöglicht.

Vorbereitung
Natürlich können Sie zur Vorbereitung das Märchen der Gebrüder Grimm lesen. Den meisten
Schüler*innen ist es allerdings durchaus bekannt und die Erinnerungen an das Märchen aus
der Kindheit reichen aus, um der Inszenierung zu folgen – vor allem, weil die Inszenierung
Geschichten erzählt, die nur angelehnt an das Märchen sind.
Wenn das Märchen den Schüler*innen bekannt ist, können Sie direkt mit folgenden Übun-
gen den Inszenierungsbesuch vorbereiten. Die beiden Vorbereitungen (im Klassenzimmer
und szenische Vorbereitung) lassen sich auch verbinden.

Vorbereitung im Klassenzimmer
    1. „Hänsel und Gretel“ ging so…
Lassen Sie die Schüler*innen die Geschichte nacherzählen. Nach einer Reihenfolge (Erste bis
letzte Reihe, im Kreis sitzend im Uhrzeigersinn o.ä.) sollen die Schüler*innen das Märchen
chronologisch nacherzählen. Dabei gilt es zwei Dinge zu beachten: Niemand darf so viel er-
zählen, dass danach nicht mehr genug für die anderen bleibt und es sollen keine Teile der
Geschichte übersprungen werden. Sollte ein*e Redner*in etwas vergessen, können die an-
deren durch lautes Klatschen dazwischen gehen und erzählen was vergessen wurde. Danach
geht es der Reihenfolge entsprechend weiter.

    2. Was wäre, wenn…
Lassen Sie die Schüler*innen eigene „Was wäre, wenn“-Fragen über das Märchen aufschrei-
ben. Jede*r braucht mindestens eine Frage. Geben Sie gerne zum Anfang ein paar Beispiele
(„Was wäre, wenn die Hexe Vegetarierin ist?“, „Was wäre, wenn Hänsel und Gretel nie beim
Hexenhaus angekommen wären?“, „Was wäre, wenn Hänsel und Gretel Superhelden gewe-
sen wären?“)

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    3. Kurzgeschichten schreiben
Lassen Sie die Schüler*innen die Fragen untereinander austauschen. Sie sollen nun die Fra-
ge, die sie erhalten haben, in Form einer Kurzgeschichte beantworten.

Szenische Vorbereitung
    1. Warm-Up
Beginnen Sie szenische Übungen immer mit einem Warm-Up, damit die Schüler*innen in
ihre Körper kommen. Leichte Dehnübungen vom Nacken bis runter zu den Füßen können
bereits reichen. Oder vielleicht kennen Sie selbst andere Aufwärmübungen?

    2. Raumlauf
Lassen Sie die Schüler*innen durch den Raum gehen. Dabei sollten sie darauf achten, nicht
nur im Kreis zu gehen, sondern in Schlangenlinien den Raum zu durchlaufen. Rufen Sie nach
und nach unterschiedliche Figuren aus dem Märchen rein – die Schüler*innen sollen ihren
Gang der jeweiligen Figur entsprechend verändern:
Holzfäller / Hänsel / böse Stiefmutter / Gretel / Hexe / Spatz / Ente
Anregung: Sie können zusätzlich auch die Intensität der Figurendarstellung bestimmen. Sol-
len die Schüler*innen den Holzfäller einmal ganz überzogen und so „groß“ wie möglich spie-
len, können sie eine andere Figur ganz fein und nah an sich dran spielen, so dass man die
Veränderung in ihrem Gang erst nach längerem Hinsehen bemerkt.

    3. Hänsel und Gretel Origin
Nun sollen immer zwei Schüler*innen zusammenkommen. Sie haben 10 Minuten Zeit, sich
zu überlegen, was für eine „Hänsel und Gretel“-Geschichte sie erzählen könnten. Zum Bei-
spiel zwei beste Freundinnen, die eigentlich zum Shoppingcenter gehen wollten. Oder zer-
strittene Geschwister. Oder Auftragskiller, die der Hexe das Lebkuchenrezept klauen wollen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die Pärchen sollen nach den 10 Minuten nachei-
nander auftreten und sich dem Rest der Klasse vorstellen. Dabei sollen sie auch Auftritt,
Gangart und Sprache ihren Rollen anpassen.

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                                    Deutsches Theater Berlin
                                     Intendant Ulrich Khuon
                            Redaktion Lasse Scheiba Foto Arno Declair
                                       www.jungesdt.de

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