VERKEHRSPOLITIK ZWISCHEN DEN POLEN - Vereinigte Altstadtleiste von Bern ...
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Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten Bern 35. Jahrgang | 4 / 2019 VERKEHRSPOLITIK ZWISCHEN DEN POLEN Die einen wollen unter Hinweis auf den Klimawandel städtische Verkehrsflächen massiv redu- zieren, die anderen fühlen sich von der Mehrheit in die Ecke gedrängt und verteidigen jeden Qua- dratmeter Strassenfläche. Ist das eine gute Ausgangslage für eine konstruktive Verkehrspolitik in unserer Stadt? Editorial WOFÜR ES LEISTE AUCH BRAUCHT Die Rathausgasse durchlebt schwierige Zeiten. Die Sanierung der Leitungen dauert nun schon seit 2017, bis die Pflästerung realisiert ist, wird es voraussichtlich Ende 2020. Zudem stehen Gebäudesanierungen an, deren Baustellen die Rathausgasse bis Ende 2023 belasten werden. Unter solchen Voraussetzungen leiden alle: Anwohnende und Hotels durch die Lärmbelastung, Geschäftstreibende durch ausbleibende Kundschaft und Verschmutzung, die Anlieferung durch fehlende Warenumschlagsflächen. Die Nicht-Kommunikation der Bauverantwortlichen am Kornhausplatz brachte das Fass zum Überlaufen: Die Begegnungszone in der Unteren Altstadt hat sich bewährt und sollte weiterentwickelt werden. Urplötzlich war die Rede von einer Baustelleninstalla- tion inklusive eines Tunnels vom Kornhausplatz bis zur Brunngasse. Der Leist wurde innert Tagesfrist Die Diskussion um die städtische Verkehrspolitik ist Die Klimadiskussion ist sicher nötig. Wenn aber der aktiv und organisierte eine Besprechung mit Behör- lanciert, die Medien bringen fast täglich weitere Be- Wunsch nach dem autofreien Spielplatz vor der den, Bauverantwortlichen und den direkt betroffenen richte über zusätzliche Einschränkungen in der gan- Haustüre in diesen Zusammenhang gebracht wird, Nachbarn. In den folgenden vier Monaten liefen die zen Stadt. Die BrunneZytig hat zwar ihren Fokus in wird die Klimadiskussion nur noch als Zusatzargu- Gesprächskanäle heiss, Einsprachen und Beschwerden der Unteren Altstadt, aber die aktuelle Entwicklung wurden formuliert, immer mit dem Ziel, die Belastung in den anderen Quartieren betrifft letztendlich auch auf ein einigermassen verträgliches Niveau zu bringen. unser Quartier. Die Erreichbarkeit für Lieferanten, Dank der breiten Vernetzung konnte der Leist den Kunden und Anwohnende hängt direkt mit der INFO RathausgässlerInnen eine Stimme verleihen und so AUS DEM INHALT künftigen Entwicklung der Altstadtgassen zusam- das Schlimmste verhindern. Die Baustelleninstallation men. fand ihren Platz im Zibelegässli, auch nicht optimal, aber immerhin für die Gasse weniger belastend. BERNER MÜNSTER-STIFTUNG: Der neue Stiftungspräsident Gehässige Diskussionen in Kommentarforen Das Schöne an der Sache: Die Ausnahmesituation Christophe von Werdt will die Bedeutung des Münsters Vor allem in den Kommentarforen überborden Ar- schweisst zusammen. Samuel Klötzli von der «Mes- auch Nicht-KirchgängerInnen vermitteln. Das Gespräch gumente, die mit seriösem Abwägen nichts mehr zu mit ihm und dem alten Präsidenten Arthur Liener auf serschmiede» an der Rathausgasse 84 wurde aktiv tun haben. Dabei zeigt sich, dass es die viel zitierten Seite 8. und organisiert ein grosses Schild, das den Kran vom «Wutbürger» nicht mehr nur im rechten Spektrum Kornhausplatz her einladend gestalten wird. Zur wei- gibt, sondern immer mehr auch im linken (sofern DIE NYDEGG-BRÜCKE: 175 Jahre ist sie in diesem Jahr ge- teren Belebung der Gasse realisiert er seine Idee, den diese alte Politzuordnung überhaupt noch verwendet worden – und sanierungsbedürftig. Voraussichtlich 2022 alten Gassenbelag zu bemalen. Eine Aktion, die Farbe steht die Rundumerneuerung an. Die Geschichte der Ny- werden soll). Verletzende Aussagen und persönliche in den tristen Baustellen-Groove bringen wird. deggbrücke auf Seite 14. Diffamierungen sind an der Tagesordnung. Die öf- Der Leist unterstützt organisatorisch, BernCity finan- fentliche Diskussion über Verkehrsprobleme gleicht ORGANIST UND ORGELBAUER: Jürg Brunner baut in seinem ziell. Ohne die bestehenden Leiststrukturen wäre das mittlerweile einer Abfallmulde, in der jeder rein- Keller an der Junkerngasse kleine, mobile Orgeln. Eine kippt und rausnimmt, was ihm gerade so passt. höchst anspruchsvolle Handwerksarbeit. Der Besuch in sei- alles kaum entstanden. ner Werkstatt auf Seite 24. Edi Franz, Präsident Rathausgass-Brunngass-Leist
BrunneZytig 2 22. November 2019 Titelgeschichte ment für die Anspruchshaltung zum eigenen Nutzen missbraucht. In den Quartieren ist das heute Diskus- sionsalltag, in der Unteren Altstadt ist zu befürchten, dass diese auf eigene Bedürfnisse fokussierten An- sprüche auch Einzug halten werden. Behördliche Verantwortung wahrgenommen? Wenn allen voran die Behörden mit Schlagwörtern wie autofreie Innenstadt, der Hauptteil des Pendler- verkehrs habe das Ziel Innenstadt oder es habe zu viele Parkplätze die Diskussion anfeuern, dann ist das einer vernünftigen Lösung nicht förderlich: – Die Aussage «autofreie Innenstadt» wurde nach der Lancierung an einer Pressekonferenz gleich relativiert: Damit seien der ÖV und die Liefer- und Servicefahrten nicht gemeint, und Anwohner soll- ten auch weiterhin zu ihren Wohnungen kommen. Somit sind die Kunden wohl die einzigen, die man nicht mehr mit dem Auto in der Altstadt sehen will. Wer fährt denn sonst nochmit dem Auto in die Altstadt, wenn es nicht unbedingt sein muss? – Die Behauptung (von der Verkehrsplanung schriftlich formuliert), dass der Hauptteil des Dienstag gegen Mittag – viele Dauerparkende in der Postgasse. Pendlerstroms das Ziel Altstadt habe, lässt sich kaum verifizieren. Sonst würde diese ja jeden Morgen aus allen Nähten platzen, denn wo sollen 30 in der Schüttestrasse vorgezogen wurde, ist her die Parkkarte, aber dennoch zu akzeptablen denn diese Massen von Autos hin? Eine Tatsache ebenfalls auf den Druck der Leiste zurückzuführen, Konditionen. Bereits seit zwei Jahren liegt diese Lö- ist, dass seit der Verkehrsberuhigung im Nord- die damit dem Wunsch vieler Anwohnenden Rech- sung auf dem Tisch und wird seither verzögert und quartier an der Schüttestrasse der Verkehr massiv nung trugen. verzögert. Auch das war ein Grund für den Austritt zugenommen hat, da diese als Umfahrungsstrasse des Gewerbeverbands aus der Sitzungsrunde. des Nordquartiers missbraucht wird. Da verbes- Die Lösung des Parkplatzproblems wird sern mit Sicherheit Massnahmen in der Unteren beständig verzögert Zu guter Letzt wurde nun der im November geplante Altstadt die Situation überhaupt nicht. Dass in der Altstadt immer noch zu viele Autos her- Medien-Informationstermin über den Start dieser – Zu viele Parkplätze hat es in der Altstadt mit Sicher- umstehen, ist auch den Leisten bewusst, nicht nur neuen Parkierungsregelung Untere Altstadt seitens heit nicht. Die wenigen, die sich unterhalb der den auswärtigen BesucherInnen. Seit bald drei Jah- der Direktorin der Verkehrsplanung kurzfristig ab- Kreuzgasse befinden, sind Kurzzeitparkplätze und ren suchen deshalb die Vereinigten Altstadt-Leiste, gesagt. Dies mit der Begründung, es müsse nochmals dienen primär Kunden. Richtig ist, dass diese nachts Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften in zähen alles juristisch abgeklärt werden, sonst gebe man wenig genutzt werden, tagsüber sind sie aber nach und langwierigen Verhandlungen mit den Behörden dem Gewerbeverband wieder einen Grund zur Ein- wie vor ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. einen weiteren Kompromiss, denn eine völlig auto- sprache. Der böse Verdacht kommt auf, dass der freie Untere Altstadt ist sowohl für Anwohnende wie nicht optimale jetzige Zustand erhalten bleiben soll, Diese Beispiele belegen, dass die Öffentlichkeits- Gewerbetreibende nicht vorstellbar. Aber klar ist: damit unter dem Druck der Klimadiskussion weiter- wahrnehmung mit nicht belegbaren, zum Teil fal- Die unnötig in den Gassen parkierten Fahrzeuge sol- hin das Bild einer vollgeparkten Altstadt präsentiert schen Aussagen getäuscht wird. Dass sich die len weg! Und klar ist auch, wie das geschehen kann. werden kann. Wirtschaftsverbände, die sich gegen weitere Ver- Entgegen den Beteuerungen der Stadt als Mitbesit- schlechterungen des Wirtschaftsstandorts Altstadt zerin des Rathaus-Parkings, dass dort keine Kapa- Denn das könnte helfen, das vom Gemeinderat for- wehren, vor den Kopf gestossen fühlen, ist nachvoll- zitäten frei seien, ergab der direkte Kontakt mit den mulierte Ziel einer gänzlich autofreien Altstadt zu er- ziehbar. Dass Aktionen Reaktionen hervorrufen, ist Parkhausbetreibern nämlich, dass diese sehr wohl reichen, welches entgegen aller laufenden seit dem alten Herrn Newton bekannt. vorhanden seien. Damit konnte die Lösung des Pro- Diskussionen im Frühsommer bei der Präsentation blems angepeilt werden. Das Resultat: Berechtigte der Klimamassnahmen als Hauptziel für die Innen- Begegnungszone Untere Altstadt ist aus AnwohnerInnen und Gewerbebetreibende in der stadt formuliert wurde. Funktioniert so konstruktive Kompromiss entstanden Altstadt hätten die Möglichkeit, das Auto dort zu Demokratie? Die Begegnungszone in der Unteren Altstadt war einem verträglichen Tarif abzustellen. Teurer als bis- eine der ersten und damals die grösste der Stadt Bitte Diskussionen versachlichen Bern. Entstanden aus dem Willen zum Kompromiss Unter «autofrei» versteht der normale Bürger, dass zwischen total autofrei und unbeschränkter Zufahrt. es keine Autos mehr in der Unteren Altstadt hat. Leiste und Planer setzten sich zusammen, hörten Dass das unrealistisch sei, erklärte der Stadtpräsi- einander zu und schlossen am Schluss diesen Kom- dent zwei Stunden nach der Pressekonferenz in promiss. Dass diese Begegnungszone funktioniert, einer weiteren Sitzung des Ausschusses «Verkehrs- beweist sie seit Jahren: Durchgangsverkehr praktisch konzept Wirtschaftsverkehr Innenstadt». Wenn also Null, Erreichbarkeit jederzeit gegeben. Einzig die Lö- der Bus weiterhin durch die Altstadt fahren können sung mit den 48-Stunden-Parkkarten führte zum soll, Anlieferung und Warenumschlag ebenfalls Problem der optisch als zugeparkt wahrgenomme- möglich bleiben sollen und Liefer- sowie Service- nen Altstadt. Der erhöhte Verkehr an der Schütte- fahrzeuge mit Bewilligung abgestellt werden können, strasse ist, wie bereits erwähnt, erst später dann hat das mit autofrei wenig zu tun. Vor allem ist entstanden, als im Nordquartier der Verkehrsfluss all das mit der heutigen Begegnungszone in Kombi- eingeengt wurde. Dass die Einführung von Tempo Dienstag gegen Mittag – Kramgasse – ein paar Autos. nation mit der Zubringerdienst-Regelung bereits
BrunneZytig Titelgeschichte 22. November 2019 3 möglich. Also weckt man mit der Bezeichnung «au- tofrei» falsche Vorstellungen. LIEBE LESERINNEN UND LESER Dasselbe gilt für die Diskussionsforen: Da wird er- In den Kellern der Unteren Altstadt gibt es viele Kul- vor, die Schwestern Fatime und Fatmire Kamili, die klärt, dass der Fussgänger a priori in jedem Fall Vor- turorte, Galerien, Musiklokale, Theaterbühnen. Ins- den Laden auf eigene Rechnung führen. Leider sind tritt hat und Kinder dort spielen können. Das ist besondere Letztere sind finanziell alles andere als auf auch weitere Geschäftsschliessungen zu vermelden. teilweise richtig, nur sollte die gesetzliche Grundlage Rosen gebettet und auf Zuschüsse der öffentlichen Gleich drei langjährige Altstadt-Geschäfte hören auf vollständig beachtet werden: Hand angewiesen. Doch gerade für die kleinen Thea- Ende Jahr auf: Das Modegeschäft Stalder am Casino- Regelungen Strassenverkehrsverordnung: ter ist es schwieriger geworden, an Fördermittel her- Platz 2 und das Juweliergeschäft Rolf Dillmann, das Begegnungszonen anzukommen. Deshalb erregte es durchaus Aufsehen, offenbar wegen der Umbaupläne des Hauseigentü- 1 Das Signal «Begegnungszone» kennzeichnet Strassen als Stadtpräsident Alec von Graffenried im September mers seine Geschäftsräume am Theaterplatz 1 nach in Wohn- oder Geschäftsbereichen, auf denen die ein mit 100’000 Franken gefülltes Kässeli ankün- 40 Jahren aufgeben muss. Nach fast 15 Jahren ver- Fussgänger die ganze Verkehrsfläche benützen dür- digte, aus dem er in eigener Regie Förderkredite an schwindet auch das Schuhgeschäft «Nina» aus der fen. Sie sind gegenüber den Fahrzeugführern vor- Kulturkeller in der Altstadt verteilen kann. Warum Kramgasse – und mit ihm Gabriela Hagen. Mehr dazu trittsberechtigt, dürfen jedoch die Fahrzeuge nicht ihm dieses Fördertöpfchen so am Herzen liegt, was er auf Seite 18. Nicht fehlen dürfen in dieser Ausgabe unnötig behindern. damit erreichen will und was die Kriterien sind, um auch Hinweise auf saisonale Veranstaltungen. Auf 2 Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h. in den Genuss einer solchen stadtpräsidentiellen För- Seite 5 informieren wir Sie über vorweihnachtliche 3 Das Parkieren ist nur an den durch Signale oder derung zu kommen – das erklärt Alec von Graffen- Aktivitäten und Anlässe in der Unteren Altstadt – Markierungen gekennzeichneten Stellen erlaubt. Für ried gleich selbst auf Seite 9. speziell natürlich auch über den beliebten verkaufs- das Abstellen von Fahrrädern gelten die allgemeinen offenen ersten Advent. In unserer losen Serie «Unbekannte Bekannte» stellen Vorschriften über das Parkieren. wir auf Seite 6 Vincent O. Carter vor. Der Mann aus Doch bevor Sie sich jetzt mit der BrunneZytig auf Spielen im Strassenraum: Kansas City war Mitte der 50er Jahre der wohl erste Ihren Lieblingssessel oder das Sofa für einen gemüt- In der Schweiz ist das Spielen im Strassenraum nicht und einzige schwarze Schriftsteller in Bern. Für lichen Leseabend zurückziehen, gestatten Sie mir, Sie an eine definierte Signalisierung gebunden. Es ist auf Carter war das keine einfache Zeit. Er beschrieb sie noch explizit auf unsere beiden Beilagen aufmerksam allen verkehrsarmen Nebenstrassen erlaubt: 2bis in «The Bern Book», das gleichzeitig auch ein Porträt zu machen, die wir in diese Ausgabe eingelegt haben. Für Tätigkeiten, namentlich Spiele, die auf einer der Unteren Altstadt ist, in der er 30 Jahre lang lebte. begrenzten Fläche stattfinden, darf die für die Fuss- Da ist zum einen unser Spendenaufruf. Ungefähr alle 35 Jahre nach seinem Tod wartet sein Nachlass in gänger bestimmte Verkehrsfläche und auf verkehrs- zwei Jahre bitte wir Sie um Ihre Unterstützung für die Bern auf eine Wiederentdeckung – und «The Bern armen Nebenstrassen (z. B. in Wohnquartieren) der BrunneZytig. Denn wir finanzieren uns zu einem Book» auf eine deutsche Übersetzung. gesamte Bereich der Fahrbahn benützt werden, so- guten Teil aus Ihren Spenden. Bitte lesen Sie sich den fern die übrigen Verkehrsteilnehmer dadurch weder Wenn wir schon bei Büchern sind: Ende Oktober ist Spendenbrief in aller Ruhe durch. Wir sind dankbar behindert noch gefährdet werden. ein interaktiver Stadtführer der besonderen Art für für jeden einbezahlten Betrag! Kinder erschienen. «Berns Verborgene Geschichten» Zum anderen haben wir noch einen Unterschriften- Es ist also nicht so, dass zu Fuss Gehende und Kinder heisst er, und die Kids können anhand von Berner bogen der Petition für ein Feuerwerksverbot in der nur Rechte haben, sie sind auch an Pflichten gebun- Sagen und Legenden die Stadt erkunden und viel über Altstadt beigelegt. Wie Sie wissen, sind im Sommer den. Werden diese ignoriert, kann das zu gefährli- die Berner Geschichte erfahren. Ein leichter Grusel- im Stadtrat zwei Motionen eingereicht worden, eine chen Situationen führen, an denen nicht nur die faktor ist dabei auch garantiert. Dieser spezielle Stadt- Interfraktionelle Motion, getragen von SP/JUSO, Autolenkenden schuld sind. Ebenso steht nirgends führer stammt von Münsterturmwartin Marie FDP/JF sowie BDP/CVP, und eine von SVP-Stadtrat geschrieben, dass mit Einführung einer Begeg- Thérèse-Lauper und der US-Amerikanerin und pen- Alexander Feuz. Beide Motionen machen sich für ein nungszone Parkplätze aufgehoben werden müssen. sionierten Lehrerin Jeanne Darling. Mehr dazu auf Feuerwerksverbot im UNESCO-Altstadt-Perimeter Falls dies trotzdem gemacht wird, erfolgt dies allein Seite 11. stark, wenn auch nicht aus den ganz gleichen Moti- aus politischen Beweggründen. Das sollten auch die Apropos Stadtgeschichte: Viele Häuser in der Unteren ven. Im Januar wird der parlamentarische Prozess für Kritiker der Begegnungszonen wissen, denn es ist Altstadt blicken auf eine jahrhundertealte Geschichte die Behandlung der Motionen beginnen. Bis dahin soll bedauerlich, wenn Begegnungszonen damit schlecht zurück. Entsprechend nagt der Zahn der Zeit an die Unterschriftenaktion der Vereinigten Altstadtleiste geredet werden. ihnen. Die Burgergemeinde baut demnächst gleich weiterlaufen. Helfen Sie also bitte mit, noch weitere zwei solcher Häuser um. Auf Seite 20 stellen wir die Unterschriften zu sammeln! Sie tragen damit auch Begegnungszone oder autofreie Pläne für den Umbau des Patrizierhauses an der Her- dazu bei, noch mehr Menschen für die Gefahr zu sen- Ausgehmeile? rengasse 23 vor und auf Seite 23 die Pläne für die sibilisieren, die durch das unkontrollierte Abbrennen Zurück zur Begegnungszone Untere Altstadt: Diese Doppelliegenschaft Kramgasse 59 und Münstergasse von Raketen und Knallkörpern für Menschen und hat sich in all den Jahren mehr als bewährt. Die 54 – das Haus, in dem sich auch das Restaurant «Froh- Häuser in der Altstadt entsteht. Menschen bewegen sich in den Gassen, die Anliefe- Sinn» befindet. Neues wird entstehen. rung zu den vielfältigen Geschäften funktioniert, da Im Namen des Teams der BrunneZytig wünsche ich sie jederzeit erfolgen kann. Der Warenumschlag Neues bereits entstanden ist zur Freude vieler An- Ihnen bereits jetzt geruhsame Festtage und einen würde zwar besser funktionieren, wenn auch die wohnerInnen an der Kramgasse 54. Dort ist eine guten Rutsch ins Neue Jahr in einer Silvesternacht, Flächen zur Verfügung stünden, die jetzt von Dau- VOI-Filiale einzogen und bietet vielerlei Migros-Le- die hoffentlich ruhiger und weniger brandgefährlich erparkierenden mit Bewilligung belegt werden, An- bensmittel inklusive Frischprodukte an. Auf Seite 17 sein wird als die letzte! Fortsetzung Seite 4 stellen wir Ihnen die beiden Geschäftsführerinnen Barbara Büttner, Chefredaktorin
BrunneZytig 4 22. November 2019 Titelgeschichte IN FO IMPRESSUM Die «BrunneZytig» wird von den Altstadt- leisten gemeinsam gestaltet. Unter den Leist- rubriken finden Sie auch leistinterne Informationen. VERANTWORTLICH FÜR DIE HERAUSGABE: Vereinigte Altstadtleiste Bern; Chefredaktion: Barbara Büttner redaktion@brunnezytig.ch REDAKTION LEIST DER UNTERN STADT: Iris Gerber (ig), Zahai Bürgi (ZB) REDAKTION KESSLERGASS-GESELLSCHAFT: Beat Schwaller (sw), Claudia Engler (CE) REDAKTION RATHAUSGASS-BRUNNGASS-LEIST: Edi Franz (ef) REDAKTION KRAMGASSLEIST: Barbara Büttner (babü), Evelyn Kobelt (koe), REDAKTION MATTE-LEIST: Sophie Muralt (sm) KOORDINATION, INSERATEANNAHME, PRODUKTION: Druckerei Weiss GmbH, Claudia Weiss und Pascale Thomann-Weiss, Kalchackerstrasse 7, Dienstag gegen Mittag – Warenumschlag in der Rathausgasse. 3047 Bremgarten/BE, Tel. 031 301 22 79, weissdruck@bluewin.ch ISSN2235-1531, www.altstadtleiste.ch JAHRES-ABONNEMENTS-BESTELLUNG wohnende können in die Nähe ihrer Wohnungen traditionelle Betriebe ihrer Arbeit nachgehen, nicht Preis: Fr. 20.–. Bestellung bei Druckerei Weiss GmbH, fahren, wenn es für sie notwendig ist; Spitex, Lie- globalisiert, wenig filialisiert, oft inhabergeführt. weissdruck@bluewin.ch, Tel. 031 301 22 79 ferdienste, Behindertentransporte, alles ist jederzeit Dieser gefährdete Mix an Läden, etwas verschroben LEIST-ADRESSEN möglich und trotzdem entsteht nie das Gefühl, in der mitunter, aber mit Herz, schätzen die BesucherInnen Vereinigte Altstadtleiste: Sekretariat VAL, Postfach, Altstadt herrsche viel Verkehr (ausser bei Staus der Altstadt. Schnellschüsse unter dem jetzigen Pro- 3000 Bern 8, val@bern-altstadt.ch, www.altstadtleiste.ch wegen Baustellen). filierungszwang, ja alles zu tun, was unter dem Kramgassleist: Postfach 852, 3000 Bern 8, Deckmantel Klima-Label gefordert wird, könnten Kontakt: info@kramgasse.ch, Web: www.kramgasse.ch Wenn nun diese funktionierende Lösung nicht opti- diese gewachsene Struktur schneller ins Wanken Matte-Leist: Postfach 29, 3000 Bern 13, miert, sondern durch eine viel einschränkendere bringen als uns lieb ist. www.matte-leist.ch, matteleist.info@gmail.com Variante abgelöst werden sollte, droht der Altstadt Rathausgass-Brunngass-Leist: Kontakt: Edi Franz, ein schneller Schritt in eine charakterlose Zukunft, Hoffen wir, dass die letzte Hürde für einen vernünf- c/o intraform ag, Rathausgasse 76, 3011 Bern, die zwar Fun und Wohlbefinden auf jedem Pflaster- tigen Kompromiss zeitnah genommen werden kann, edi.franz.rbl@bern-altstadt.ch stein verspricht, aber schlussendlich zu einer Sou- damit wir nicht dauernd anhören müssen, die Alt- Leist der Untern Stadt: Postfach 570, 3000 Bern 8, leistpost@gmail.com venir-, Gastro- und Ausgehzone führt. Vielleicht stadt sei vollgeparkt, und wir aufzeigen können, dass kommerziell erfolgreich, aber es wird nicht mehr sich auch eine Begegnungszone weiter- entwickeln Kesslergass-Gesellschaft: Kontakt: Alexander Hadorn, Postfach 614, 3000 Bern 8 diese Altstadt sein, die wir als BewohnerInnen und kann, ohne die gute, funktionierende Grundidee zu Gewerbetreibende lieben. verlassen: ein gedeihliches Miteinander aller Ver- Die nächste Ausgabe der BrunneZytig kehrsteilnehmerInnen, Anwohnenden, Gewerbe- erscheint am 20. März 2020 Die Untere Altstadt von Bern ist wahrscheinlich treibenden und BesucherInnen. eines der wenigen Stadtzentren, in der noch kleine, ef Redaktionsschluss: 28. Februar 2020 Wir öffnen für Sie im Dezember: vomFASS Bern, 03.– 24.12 Bucher Baugeschäft AG Ihr Partner für Reparaturen, Um- und Neubauten, Kernbohrungen und Betonfräsen, Mo, Di, Mi, Fr 09.00 – 19.00 Uhr Keramische Wand- und Bodenbeläge Do 09.00 – 21.00 Uhr Sa 09.00 – 17.00 Uhr Sägemattstrasse 2 | 3097 Liebefeld | Tel. 031 971 29 95 | www.bucherbau.ch So (01./15./22.12.) 10.00 – 18.00 Uhr le bistro Klein und fein, repräsentativ und edel, zum Geniessen und für die Küche, Janine Mangiantini Brunngasse 19 CH - 3011 Bern T +41 31 311 15 42 bei uns finden Sie die passenden Geschenke. Öffnungszeiten 11.00 – 14.30 / 17.00 – 23.30 Zibelemärit am Mittag offen Sonntag und Montag geschlossen
BrunneZytig Läbigi Altstadt 22. November 2019 5 CHLÄUSE, LIEDER UND ÜBERRASCHUNGEN Der «Santarun» vom Bundesplatz zum alten auch auf der eventeigenen Homepage www.erster- Tramdepot am 29. November advent-bern.ch über alles informieren. Und alle Der «Santarun» ist weder eine Berner Erfindung aktiv Teilnehmenden können sich gerne hier via Fa- noch eine Berner Tradition. Auch ist er weit entfernt cebook oder Instagram verlinken und etwas Wer- von einer religiös geprägten Feier mit weihnächtli- bung für ihre gute Sache machen. cher Stimmung – aber er «fägt» und findet dieses Jahr zum dritten Mal statt. Initiant war der Berner Um die beliebte, vom Leist der Untern Stadt patro- Spitzenläufer Markus Ryffel. Die Idee war nicht neu, nierte Seniorenweihnacht auch in diesem Jahr dank dem seit einiger Zeit im Volkssport ausgebro- durchführen zu können, wird zu ihren Gunsten den chenen Lauffieber rennen unzählige Chläuse in ganzen ersten Advent über wieder Sandra Tho- ihrem typischen amerikanischen rot-weissen Ge- manns feiner Glühwein verkauft (es ist noch nicht Antoinette Mäder und Sandra Thomann, Organisato- rinnen des Ersten Advent und der Seniorenweihnacht wand durch Städte auf der ganzen Welt. Das Kostüm bekannt, wo genau er verkauft wird. Die Veranstal- ist obligatorisch, wer keins mitbringt, dem wird am terinnen werden am alten Standort Kramgasse 54 Start um 17.30 Uhr auf dem Bundesplatz gratis eins einen Hinweiszettel aufhängen). Die beiden Organi- Värsli aufsagen oder ein Lied vortragen können. Der zur Verfügung gestellt. Alles ist etwas anders als an satorinnen der Seniorenweihnacht werden dort an- Kramgassleist organisiert und sponsert diesen be- üblichen Volksläufen: Es gibt keine Zeitmessung, der wesend sein und geben gerne über alles Auskunft. liebten Anlass seit vielen Jahren. Herzlichen Dank! Teilnehmer kann direkt vor Ort entscheiden, welche der drei Streckenlängen zwischen 2,7 und 8 Kilo- Der Samichlchlous und seine Schmutzlis Die Seniorenweihnacht am 16. Dezember in meter er rennen, gehen, tanzen oder gar hüpfen will kommen der Spysi – ganz nach Stimmung eben. An der Strecke zwi- Um 16 Uhr, eine Stunde vor Ladenschluss, können Ähnlich wie der erste Advent müsste auch die Se- schen Bundesplatz und Bärengraben warten fünf sich alle, die ihre Einkäufe inzwischen getätigt niorenweihnacht in der BrunneZytig eigentlich nicht Posten mit – nein, Wasser ist da keines nötig – Glüh- haben, beim Kreuzgassbrunnen einfinden. Dank mehr extra vorgestellt werden, denn im Spysisaal wein! Vielleicht auch deswegen ist der Schluss des ihnen und der kräftigen Unterstützung der Pigiluna- treffen jedes Jahr um 16 Uhr zahlreiche SeniorIn- «Rennens» erst auf 21.45 Uhr festgelegt. Auch eine Singers aus Biglen werden einmal mehr all die tra- nen ein, und die meisten sicher nicht zum ersten Preisverleihung gibt es, ganz im Sinne des Anlasses, ditionellen Weihnachtslieder in der Kramgasse Mal. Teilnahmeberechtigt sind wie immer alle AHV- der sich selbst nicht ganz so ernst nimmt. Preise erklingen. Von dort aus geht es singend von Brun- BezügerInnen aus der Unteren Altstadt, der Matte werden vergeben in den Kategorien «Chlousevärs», nen zu Brunnen hinauf zum Zytglogge. und Langmauer, dem Altenberg, Murifeld und aus «Alter» und «originellste Socken». Wer sich vor dem der Schosshalde. An alle ehemaligen Teilnehmenden 18. November unter www.santarunbern.ch anmel- Hier – hoch oben aus dem Erker vis-a-vis des Zyt- werden automatisch Einladungen verschickt. Wer det (Einzelperson, Familie oder Gruppe), erhält einen glogge – begrüsst um 16.45 Uhr der Samichlous i zum ersten Mal dabei sein möchte, meldet sich am verbilligten Eintrittspreis. Der allerspäteste Anmel- der Chramgass die Besucherschar und erzählt seine besten gleich bei der Organisatorin sandra.tho- deschluss ist der 27. November, das wird dann aber Weihnachtsgeschichte. Pünktlich wie immer um 17 mann@bluewin.ch an, denn die Plätze zum feierli- etwas teurer. Also: Auf die Socken, fertig – ho ho ho! Uhr treten rund ein Dutzend Chläuse und ihre chen vorweihnächtlichen Z’Vieri sind immer schnell Schmutzli von der Samichlousezunft aus dem Zyt- vergeben. Viel ehrenamtliche Arbeit Zeit und Liebe Der offene Adventssonntag am 1. Dezember in glogge und mischen sich unter die Leute. Die unzäh- wird da hineingesteckt, auch ins Backen der Guetzli, den Altstadtgassen ligen Lebkuchen in den Säcken der Schmutzli ins Dekorieren der Tische, und natürlich ins auf- Zum 26. Mal machen rund 150 Geschäfte von suchen kleine und grosse Abnehmer, die bestimmt merksame Betreuen der Gäste. Selbstverständlich 11 bis17 Uhr ihre Türen zum Längs statt quer – nicht lange auf sich warten lassen. In ihren Genuss wartet auch in diesem Jahr auf jeden und jede noch Sonntagsverkauf auf und bieten im Laden oder unter kommen all diejenigen, die dem Samichlous ein ein kleines Geschenk zum Mitnehmen. Dazu meint ihren Lauben allen Weihnachtgeschenk-Einkäufer- Sandra Thomann: «Dieses Jahr gibt es einen Gaben- Innen und Altstadt-Flaneuren kleine Events und tisch anstelle des Gabensäckli. Lasst Euch damit Überraschungen. Organisiert wird der Anlass wie überraschen! Ich möchte schon jetzt allen herzlich immer von fünf freiwilligen HelferInnen aus den danken, die neu oder immer wieder dazu beitragen, verschiedenen Leisten der VAL. Der Event ist selbst- dass wir den Altstadt-Senioren eine schöne Feier tragend und wird durch die Mitgliederbeiträge der bieten können. Wenn wir alle Freiwilligen und Spen- teilnehmenden Geschäfte – je nach Art des Geschäf- der hier namentlich aufführen wollten, so gäbe das tes zwischen 100 und 250 Franken – finanziert. eine ganz schön lange Liste.» Wie es die Tradition seit Leider ist die Anmeldefrist bereits seit dem 22. Ok- den stimmungsvollen Weihnachtsgeschichten von tober abgelaufen. Haben Sie sie verpasst? Gottlob Hans Gurtner will, an die sich alle wohl gerne noch gibt es «alle Jahre wieder» ein fast nicht zu überse- erinnern, wird es auch heuer während des Z‘Vieri hendes nächstes Mal, denn durch die Website und einen kulturellen Beitrag geben – doch auch der soll die Einladungsflyer mit dem unverkennbaren weiss- noch ein kleines Geheimnis bleiben. blauen Design hat der erste Advent in der unteren ZB Altstadt inzwischen einen grossen Wiedererken- S P A N I S C H nungswert. Nach weiss-blau wird man allerdings dieses Jahr vergeblich Ausschau halten, denn die lernen nach eigenem Zeitplan und Tempo Farben des Flyers haben geändert und das moder- in der Altstadt von Bern nere Sujet – ein grosses A, in dessen Inneren eine Termine für unverbindliche Flamme brennt – leuchtet in sattem Gold. Der neue Schnupperstunde unter Einladungsflyer kann aber weiterhin als «gäbiger» www.spanischferien.ch oder Telefon Wegweiser durch die Gassen benützt werden, da 079 442 98 86 wieder alle teilnehmenden Geschäfte darauf na- Der erste Advent zeigt sich dieses Jahr in seinem neu mentlich erwähnt sind. Natürlich kann man sich designten Look. (zVg) 10x 90 Min. Sfr. 260,- (max. 4 Teilnehmer)
BrunneZytig 6 22. November 2019 Läbigi Altstadt VINCENT O. CARTER, SCHRIFTSTELLER, KÜNSTLER UND «THE FIRST NEGRO IN TOWN» Die letzten fünf sind seine Worte. Und der ganze nächste Satz auch: ‘Living in Bern, Switzerland, in the mid-1950s I was such an unusual sight that everybody, men, women, children, dogs, cats, and other animals, wild and domestic, looked at me – all the time!’ * Er war schwarz, er fiel auf, Mitte der 1950er Jahre in Die Konversation streift so dies und jenes, aber ich Bern. Überall musste er sich erklären, sein Hier-Sein merke, dass mein Gesprächspartner nicht recht zu- begründen, Auskunft geben. Ob es eine aufmerksam friedengestellt ist. Er wird, woher auch immer, so et- freundliche Kontaktnahme war mit vielleicht unge- liches von uns Schwarzen gehört haben, zwei-drei schickt formulierten Fragen oder doch pures Miss- Negrospirituals kennen und sicher, er wird es sofort trauen – Vincent O. Carter spürte den Unterschied. erwähnen, ist er ein glühender Jazzfan. Er studiert Im ersteren Fall erzählte er aus seinem Leben, von mich so unauffällig er kann, vergleicht die Erschei- seiner amerikanischen Herkunft und seinem Ent- nung vor seinen Augen, also mich, mit dem, was er schluss, wieder nach Europa zu kommen, kommen- je über unsereiner gehört und gesehen hat, um tierte seine in Bern gemachten Beobachtungen, ob bei schlussendlich zu fragen: ‘Sind Sie Musiker?’ – ‘No’, der Wohnungssuche, beim Sitzen in Cafés oder beim antworte ich kühl. ‘Student?’, fragt er weiter mit einem Spazieren durch die Stadt. Bei den Misstrauischen, die Blick auf meine alte Mappe. ‘No, I’m not’, antworte ich immer wieder die für Vincent O. Carter schlimmste etwas irritiert. ‘Oh, ich dachte bloss. Sie scheinen viel Auf dem Weg zu seiner Wohnung am Nydeggstalden. Frage stellten, ‘Why did you come to Bern?’, schluckte Zeit zu haben.’ Wir sitzen ja beim Wein, im Mövenpick er Ärger und Enttäuschung hinunter und brach das oder Casino. Friedenszeit in diese Stadt zurückzukehren, wurde Gespräch ab, mit einer Bemerkung wie ‘Weil, und das ‘Ich kann nicht immer schreiben.’ sein Traum und sein Entschluss. ganz ohne Zweifel, die Berner die interessantesten ‘Ah, Sie sind Journalist?’ Leutenauf der Welt sind’. ‘Nein. Ich schreibe Geschichten.’ Zurück in Amerika, nach der Demobilisierung, stu- ‘Was für Geschichten, Liebesgeschichten? Für Maga- dierte er Literatur, Philosophie und Religionswissen- Carter kam in einer Zeit nach Bern, in der das gesell- zine, eine Zeitung?’ schaften, arbeitete im Anschluss an seine schaftliche Klima nicht sehr offen war und Toleranz ‘Nein. Für mich. Ich schreibe, dann versuche ich die Graduierung in Detroit in der Autoindustrie, um das an einem eher kleinen Ort. Später wird er schreiben: Geschichte zu verkaufen, wohin auch immer.’ Geld zusammenzubekommen, um erneut nach «Kaum je eine Woche vergeht, ohne dass ich, wenn ‘Haben Sie ein Buch veröffentlicht?’ Europa, nach Paris reisen zu können, um dort ich im Mövenpick oder im Casino bei einem Glas ‘I’m an unpublished black writer in Bern, that’s it.’» Schriftsteller zu werden. Bis es so weit war, verging Wein sitze, angesprochen werde und gleich mit einer Zeit. Endlich wieder in Paris angekommen, fand er es Menge von Fragen konfrontiert werde. Mit den meis- Um Schriftsteller zu werden, kam er nach verändert vor. Als Amerikaner gehörte er nicht mehr ten davon kann ich leicht umgehen. Er fragt: ‘Ist Europa zu den gefeierten Befreiern nach der Normandie-In- Ihnen nicht kalt, wenn es Winter ist?’ und ‘Sind Sie Geboren wurde Vincent O. Carter 1924 in Kansas vasion, jetzt hiess es an den Mauern: Amis raus! glücklich, jetzt wo die Sonne scheint?’ Im ersten Fall City, seine Eltern waren bei seiner Geburt noch Teen- Carter stiess auf Misstrauen und Ablehnung. Er ver- sage ich ‘ja’ und im zweiten, der unglücklicherweise ager. Die Kinder- und Jugendjahre bezeichnet er als liess Paris wieder, reiste nach Amsterdam, nach Mün- selten passiert ‘ja, tatsächlich’. Sie fragt: ‘Wie lange sind eine Zeit voller Liebe und Geborgenheit, als seine chen und, um Freunde zu besuchen, für drei Tage Sie schon in der Schweiz?’, und ich antworte ‘Unge- glücklichste Zeit. Viel später wird er sie in seinem nach Bern. fähr dreieinhalb Jahre’. – ‘So lange!’, erstaunt sie sich. zweiten veröffentlichten Buch unter dem Titel «Such ‘How do you like it?’, werde ich in ängstlichem Ton Sweet Thunder» festhalten (ursprünglicher Titel: «The Aus drei Tagen in Bern wurden dreissig Jahre weiter gefragt, auf der Lauer, sich und die Schweiz Primary Colours»). Achtzehnjährig wurde er in die Vincent Carter blieb in Bern, von diesem Besuch schon mal zu entschuldigen. Ich warte kurz mit mei- Armee eingezogen, als Sanitäter machte er im Zwei- 1953 bis zu seinem Tod im Januar 1983. In Bern ner Antwort, um die Spannung zu erhöhen und sage ten Weltkrieg die Invasion in Nordfrankreich mit. wurde er zum Schriftsteller. Mit der oben zitierten dann: ‘Oh … I like it well enough.’ Beim Rückzug der Truppen kam er nach Paris. In Szene im Mövenpick oder Casino beginnt sein «The Gesundheit durch Vertrauen! Herr A. Chariatte, Frau E. Engel und das gesamte Team freuen sich auf Ihren Besuch! Ihre persönliche Zytglogge Apotheke Augenärztin in der unteren Zytglogge 5 Berner Altstadt 3011 Bern Telefon: 031 311 48 33 Herrengasse 4, 3011 Bern Tel. 031 312 12 82 Fax: 031 311 39 93 Mail: info@zytglogge-apotheke.ch www.augenarzt-altstadtbern.ch
BrunneZytig Läbigi Altstadt 22. November 2019 7 Bern Book», geschrieben von 1953 bis 1957. Veröf- In Momenten der Traurigkeit und Bedrängnis spa- fentlicht wurde es jedoch erst 1970 – in einem ame- zierte er durch die Stadt, über die Kornhaus- oder rikanischen Verlag. Bis zum heutigen Tag ist «The Kirchenfeldbrücke. Immer wieder blieb er dort ste- Bern Book» nicht übersetzt. Erhältlich ist es über Bi- hen, stützte die Arme aufs Geländer und gab sich bliotheken und über das Internet, im Handel ist es beim Hinunterschauen zur Aare seinem Philosophie- vergriffen. Eine Neuauflage und eine Übersetzung, ren hin. «Er starrte auf seinen Widerschein im Wasser beides tut Not! Warum? Weil «The Bern Book» ein unter sich. Je länger er schaute, desto mehr Gesichter einmaliges Portrait der Stadt, eigentlich der Unteren erschienen ihm. Und staunend sah er, dass zwar Altstadt ist, Carters Lebensumgebung, mit ihrer Bei- deren Form, Grösse, Farbe und Geschlecht variierten, zen- szene, mit ihren Bewohnern, ihrer Kulturszene. aber alle erschienen sie ihm letztlich als eines, als sein Gesicht. Sein Gesicht, und doch waren es deren viele. Er beobachtete und zeichnete das Gesehene, seine Es schien ihm, die Trennung von du und ich, von die- Überlegungen und Empfindungen auf, voller Erstau- sem und jenem, von gut und schlecht, richtig und nen, manchmal mit Unverständnis, analytisch, me- falsch löse sich auf, ‘and he began to see that the Ber- lancholisch, doch immer wieder auch witzig. «The nese people were just like me!’» Bern Book» ist keine Autobiografie und kein Reise- führer, er selber bezeichnete es als «profession of Wanted: Ein Archiv für den Nachlass des faith», oder als Aufzeichnung einer Reise der Sinne Berner Schriftstellers aus Kansas City und des Denkens. Als zugezogener Schwarzer, als «the Immer wieder kam Vincent Carter zu den Brücken first and only Negro in Town», wie er sagte, weil er und schaute hinunter zum Wasser. Eines Tages be- dermassen angestarrt worden sei, als hätte hier nie- merkte er am Geländer eine Spinne. «Still und be- «African Tales», Kugelschreiber auf Papier, in Carters mand je einen Schwarzen gesehen, schrieb er von ei- scheiden baute sie ihr Netz. Sie so beobachtend, typischer Zeichentechnik. gener Irritation und Veränderung. begriff ich, dass das Ergebnis ihrer Anstrengungen poetisch und fantastisch war, zugleich ihr natürlicher Zwischen Anpassung und Selbstfindung Ausdruck. Das Einzige, was sie zu vollbringen hatte, Zeichnungen in Mappen. Dafür gilt es, für die Zukunft In seiner ersten Zeit in Bern litt er unter dem aus- war dieses Netz. Da habe er begriffen, dass für ihn das richtige Archiv zu finden. Vincent Carters Werk grenzenden Misstrauen, das ihm vielerorts entgegen- das einzig zu Vollbringende das Schreiben sei. ‘I was sollte, vielmehr muss in Bern bleiben, schliesslich schlug. Er versuchte, sich anzupassen, zu sein, wie alle a writer, and a writer, with or without a full stomach, lebte und arbeitete er länger hier als in seiner Hei- andern, gewöhnte sich darum das Singen auf den I would remain.’» Von da an habe er sich nicht mehr matstadt Kansas. Das bildnerische und das geschrie- Strassen ab, ebenso das Lachen, weil man hier nicht anzupassen versucht, wollte kein um Aufmerksamkeit bene Werk muss zusammenbleiben! singe und nicht lache in den Strassen. Glücklicher- und Anerkennung Bettelnder mehr sein, von da an ig weise fand er gute Freunde, die ihm hie und da auch habe er nur noch auf sich selbst gehört und sich selbst zu kleinen Einkünften verhalfen. sein wollen. Er war Schriftsteller, er schrieb. *Zitate aus «The Bern Book» von Vincent O. Carter, The John Day Company, New York 1970. Eine deutsche Übersetzung Und er zeichnete, war ein Zeichner, ein leidenschaft- steht noch immer aus. Die ausschnittweisen Übertragungen ins Deutsche im Text stammen von Iris Gerber. licher. Wieder beschäftigten ihn Gesichter, nicht als IN FO BEGEGNUNG MIT DEM WERK Portraits, sondern ihre Verschiedenartigkeit. Ar- chaisch im Stil und direkt im Ausdruck, die Linie, der Eine Lesung aus Vincent O. Carters «The Strich, verdichtet und verwoben: Vincent Carters Zei- Bern Book», zusammen mit einer Präsentation chenschreibkunst. aus seinem zeichnerischen Schaffen, ist in Vorbereitung. Wenn Sie dazu informiert werden möchten, so melden Sie Der zeichnerische und der schriftstellerische Nachlass sich bitte über die Redaktion. Haben Sie Vincent Carter persönlich gekannt, möchten Sie zu Übersetzung, Archi- liegt bis heute bei seiner Lebenspartnerin Liselotte vierung u.ä. eine Mitteilung machen? Zuschriften jeder Art Haas. Die Manuskripte der veröffentlichten Bücher, sind erwünscht auf: redaktion@brunnezytig.ch wie noch zwei weitere bis anhin unveröffentlichte, die ig Briefe an seine Eltern in Kansas, Fotos, die vielen
BrunneZytig 8 22. November 2019 Läbigi Altstadt STABWECHSEL IN DER BERNER MÜNSTER-STIFTUNG Christophe von Werdt, was sind Ihre Beweggründe, sich in der Münster-Stiftung und dazu noch als Präsi- Seit Mitte 2019 ist der Unternehmer und Osteuropa-Historiker Dr. Christophe von Werdt Präsident dent zu engagieren? der Berner Münster-Stiftung. Er löst als nun dritter Stiftungspräsident Dr. Arthur Liener ab, der Christophe von Werdt: Das Berner Münster ist in die Stiftung ganze 19 Jahre lang leitete. Im Interview wirft der ehemalige Präsident einen kurzen vielerlei Hinsicht das sinnträchtigste Gebäude Berns. Blick zurück, und der neue Präsident legt dar, was seine Motivation und seine Ziele sind. Es zeugt vom Gestaltungswillen einer Gesellschaft des 15. Jahrhunderts, die weit über ihre Generation und ihr irdisches Dasein hinausdachte und so die Kraft BrunneZytig: Arthur Liener, die Berner Münster-Stif- als Stiftungsrat einer mehr kulturell ausgerichteten aufbrachte, ein grossartiges Gebäude zu errichten, das tung wurde 1993 gegründet, 100 Jahre nach der Stiftung prädestinierte – oder eben gerade doch? uns auch 600 Jahre später noch beeindruckt und in- Turmerhöhung. Was gab den Anlass zur Stiftungsgrün- Arthur Liener: Ich hatte das Glück, bereits in jungen nehalten lässt. Grund genug, um sich für eine kurz dung? Jahren am Gymnasium Lehrer zu haben, die mir den bemessene Frist in dessen Dienst zu stellen? Arthur Liener: Das am 18. Januar 1874 erlassene Zugang zur Literatur, Geschichte und zu den gestalte- Gesetz über die Organisation des Kirchenwesens im rischen Künsten derart eröffnet haben, dass ich diese Sie sind Mitglied des Kleinen Burgerrates der Burger- Kanton Bern führte zu einer neuen Regelung der Ei- zum lebenslangen Hobby machte. Durch das Militär gemeinde Bern. Wie können die Berner Münster-Stif- gentumsverhältnisse in Form des sogenannten Aus- habe ich überdies Kultur, Land und Leute eines gros- tung und die Burgergemeinde Bern von ihren beiden scheidungsvertrages vom Sommer 1875. 1881 sen Teils unseres Landes kennen und schätzen ge- Engagements profitieren? Oder umgekehrt gefragt: wurde der Münsterbauverein gegründet, dessen Ziel lernt. Ferner war ich lange Jahre im Vorstand der Birgt dies auch Konfliktpotential und Abgrenzungs- es war, «die Vollendung» des Berner Münsters mit Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte tätig. schwierigkeiten? dem Ausbau des Turmes zu erreichen. Am 1. Juli Nach meiner Meinung schliessen Naturwissenschaf- Christophe von Werdt: Die Burgergemeinde Bern 1993 hat der Münsterbauverein als Stifter die «Ber- ten und Militär einen engen Bezug zur Kultur nicht wird im Stiftungsrat der Münster-Stiftung nicht durch ner Münster-Stiftung» (BMS) errichtet. Die ursprüng- aus. mich vertreten. Diese Aufgabe wird von einem ande- lich breit abgestützte Vereinsmitgliedschaft reduzierte ren Stiftungsratsmitglied wahrgenommen. Insofern sich immer mehr, so dass die Tätigkeit des Vereins werden die beiden Funktionen sauber auseinander- sich von dem im Sinne des im ZGB verankerten Ver- gehalten. Vielleicht verbindet aber beide Institutionen einszwecks deutlich entfernt hat. Die Umwandlung das Bewusstsein um den Wert lebendiger Traditionen, des Münsterbauvereins in die Stiftung BMS war dem- die offen für den Wert von Neuem sind. Da kann die nach ein folgerichtiger Schritt. Burgergemeinde Bern als nicht ganz drei Mal jüngere natürlich nur vom Münster lernen! Stiftungszweck ist die Erhaltung und Pflege des Berner Münsters in seiner Gesamtheit als Geschichts-, Kultur- In der Münster-Stiftung vertreten sind sämtliche Ei- und Kunstdenkmal. Ist ein solch umfassender und an- gentümer, Nutzer und die mit baulichen Aufgaben be- spruchsvoller Stiftungszweck, der zudem noch die trauten Gremien. Wie lassen sich all diese Interessen Koordination der Tätigkeiten vorsieht, in einem neben- bündeln? amtlichen Gremium überhaupt zu leisten? Christophe von Werdt: So wie ich das Zusammenwir- Arthur Liener: Die Organisation der Stiftung verfügt ken im Stiftungsrat bisher erlebt habe, treten alle in- mit dem Münsterbaukollegium über eine umfassende, volvierten «zeitlichen Teilhaber» hinter die – gemein- kompetente denkmalpflegerische Kapazität, die durch samen – Interessen am Münster zurück und suchen die Münsterarchitekten und die Bauhütte bestens er- immer nach guten, einvernehmlichen Lösungen. gänzt wird. Die BMS bewältigt ihre Aufgaben neben- Letztlich flösst wohl das Münster auch etwas Ehrfurcht und auch ehrenamtlich problemlos. vor der Aufgabe ein, die über sechs Jahrhunderte Welche generellen Entwicklungen im Zusammenhang 19 Jahre präsidierte Arthur Liener die Berner Müns- an die momentanen Verantwortungsträgerinnen und mit dem Münster haben Sie während Ihrer Amtszeit ter-Stiftung – und hat nach eigenem Bekunden «nur -träger in Kirche, Politik, Denkmalpflege und Bau- erlebt – und vor allem: mitgestaltet? Höhepunkte erlebt». (Foto: zVg) hütte weitergereicht wurde. Ansonsten hilft eine Be- Arthur Liener: Die Entwicklung der Steinrestaurie- sichtigung des wunderbaren Bauwerks unter rung nach der Berner Methode (Hermann Häberli, Sie waren viele Jahre auch als Ombudsmann in der fachkundiger Begleitung, um dieses Bewusstsein bei Annette Loeffel, Peter Völkle); die Möglichkeiten der Medienbranche tätig. War das auch Ihre Rolle im Bedarf rasch wieder zu schärfen. (Lacht.) digitalen Photogrammetrie an den Schlusssteinen des Kreuzfeuer der Shareholder- und Stakeholder-Interes- Berner Münsters durch Jan Ruben Fischer. Es geht sen rund ums Münster – die Vermittlung also zwischen Wie finanziert sich die Berner Münster-Stiftung res- dabei unter anderem um die 3D-Abbildung. den verschiedenen Interessensgruppen? pektive was und wie trägt sie zur Finanzierung von Arthur Liener: Der Funktion einer Ombudsstelle Projekten im Münster bei? Was bleibt Ihnen als Höhepunkt/e und was als Enttäu- kommt weitgehend die Rolle eines Mediators zu. Bei Christophe von Werdt: «Die Stiftung bezweckt die schung/en besonders in Erinnerung? der BMS hatte ich nie den Eindruck, dass ich irgend- Erhaltung und Pflege des Berner Münsters in seiner Arthur Liener: In meiner Präsidialzeit erlebte ich nur welche Differenzen auszugleichen hätte, ganz im Ge- Gesamtheit als Geschichts-‚ Kultur- und Kunstdenk- Höhepunkte! genteil. Die personelle Zusammensetzung des mal», wie es in der Stiftungsurkunde heisst. Sie hat – Die vorbildliche Zusammenarbeit mit den Münster- Stiftungsrates ist dem Münster sehr zugetan, denn die den «Erhalt des Berner Münsters als Gesamtkunst- architekten und der Bauhütte Bedeutung des Münsters ist allen sehr bewusst, sei es werk» zur Aufgabe. Ihre Projekte sind deshalb bau- – Eine zielorientierte, reibungslose Zusammenarbeit als Gotteshaus, als touristische Attraktion, als Wahr- lich-denkmalpflegerischer Natur, konservatorische mit den Mitgliedern des Stiftungsrates zeichen von Bern und vieles andere mehr. Arbeit am Bauwerk Münster eben. Finanziell bei der – Die unfallfreie Arbeit bis auf 100 Meter über Ausübung ihrer Aufgaben unterstützt wird die Stiftung Grund Was wünschen Sie sich als ehemaliger Präsident für dabei von der Einwohnergemeinde, die gemäss Aus- – Den Wegfall des grauslichen Bretterverschlages an die Zukunft der Berner Münster-Stiftung und für das scheidungsvertrag von 1875 für den baulichen Un- der Westseite des Turmes Münster? terhalt zuständig ist, der Kirchgemeinde, der Burger- – Und last, but not least: die Reinigung des Chorge- Arthur Liener: Ich wünsche der BMS alles erdenk- gemeinde Bern, und – teilweise projektbezogen – dem wölbes. lich Gute, viel Glück, viele Besucher als Kirchgänger Lotteriefonds sowie dem Bundesamt für Kultur. Auch Sie haben einen beruflichen Hintergrund als Natur- und/oder Bewunderer der 600 Jahre alten, durch die der Förderverein des Berner Münsters – Sind Sie wissenschaftler und Militär, der Sie prima vista nicht Münster-Stiftung aber frisch gehaltenen Dame. schon Mitglied? – unterstützt das Münster auf seine ei-
BrunneZytig Läbigi Altstadt 22. November 2019 9 DIE KELLERKULTUR DARF NICHT STERBEN Er gab in den Berner Medien viel zu reden, der neue Kredit für die Altstadtkultur, den Stadtprä- sident Alec von Graffenried zur Chefsache erklärt hat. Die BrunneZytig wollte die Hintergründe und Beweggründe für diese unverhoffte Unterstützung etwas näher unter die Lupe nehmen und hat sich in den Erlacherhof begeben, um beim Stapi direkt nachzufragen Eingebettet in die Städtische Kulturförderungspolitik 60er bis 80er Jahre noch in bester Erinnerung. Die wird der vieldiskutierte Kredit in einem separaten Kellerlokale prägten das kulturelle Leben der Alt- Artikel der «Vierjahresplanung 2020-2023 – stadt auf eine unverkennbare und unnachahmliche Schwerpunkte und Mittelverwendung» vom 25. Ok- Weise, und er ist überzeugt, dass diese kreative Kraft tober 2018 genannt und erklärt: «Die Altstadt ist ein noch da ist. Nun setzt er ein Zeichen von Seiten der spezieller Stadtraum mit besonderer Geschichte und Stadt und bietet den Kulturschaffenden einen An- grosser Bedeutung für die Stadt. Ziel des Kredits (von reiz, trotz der schwieriger geworden Zeiten weiter- Fr. 100‘000) ist die Erneuerung der Tradition der zumachen. «Wir hoffen, damit eine gewisse Konti- Kulturlokale mit Bühnenkunst in der unteren Alt- nuität des Kulturschaffens zu ermöglichen. Wir un- stadt – oft in Altstadtkellern. Die geförderten Lokale terstützen die Altstadtkeller mit einem Infrastruk- und ihre Programme sollen öffentlich zugänglich turbeitrag. Für ihre Projekte und Programme können und attraktiv sein. Die Lokale sollen an möglichst sie zusätzliche Förderung beantragen». Der Stadtprä- vielen Tagen im Jahr genutzt werden. Auch Vermie- sident spricht hier die beiden Arten von Krediten an, tungen sind möglich.» (Artikel 5.13) die auch in der Kulturstrategie der Stadt Bern ver- ankert sind: diejenigen, welche mit einem Leistungs- Warum gleich Chefsache? vertrag verbunden an kulturelle Institutionen Der neue Präsident der Münster-Stiftung, Christophe Manch einer fragt sich vielleicht, weshalb der Stadt- vergeben werden, und die sogenannte direkte För- von Werdt, will nicht, dass das Münster zur «Event- präsident ausgerechnet diesen Kredit zur «Chefsa- derung, die Künstler und ihre Projekte unterstützen. Location» wird, sondern ein Ort des Staunens und der che» erklärt hat. Auf diese Frage gibt es eine recht Würde bleibt. (Foto: Adrian Moser) prosaische Antwort, denn die städtische Kulturför- Warum ein spezieller Kredit für die Altstadt? derung bestimmt, dass über Kredite zwischen Mit Hilfe der Vergabe von direkten Förderbeiträgen gene, ganz wichtige Art, indem er mithilft, das Müns- 10‘000 und 100‘000 Franken der Stadtpräsident soll also die Tradition der Altstadt-Kellerkultur auf ter im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und entscheidet. Beträge unter 10‘000 Franken kann innovative und individuelle Weise fortgeführt wer- seinen Mitgliedern immer wieder interessante Einbli- «Kultur Stadt Bern» vergeben, die Verwaltungsabtei- den können. Ob es sich dabei um den berühmten cke in Fragen rund ums Münster ermöglicht. lung der Präsidialdirektion, welche für die Kultur- Tropfen auf den heissen Stein oder um einen frucht- förderung zuständig ist. Beiträge über 100’000 baren Regenschauer handelt, sei erst einmal dahin- Allgemein entleeren sich Kirchen und verlieren damit Franken müssen vor den Gemeinderat. Obschon der gestellt, denn noch sind keine Gelder verteilt letztlich ihre «Kernaufgabe» als Gotteshaus. Von sol- Stadtpräsident demnach «automatisch» für den neu- worden. Die Frist für Anträge läuft erst am 2. De- chen Entwicklungen nicht verschont ist das Münster. geschaffenen Kredit zuständig ist, verneint er kei- zember aus. Eine häufige Reaktion ist, Institutionen entsprechend neswegs, dass ihm dieser auch persönlich am als «Begegnungsorte» strategisch neu zu positionieren. Herzen liegt, denn er hat – wie viele Bernerinnen Was aber war der Grund für die «Abspaltung» eines Wird das Münster bald zur Event-Location? und Berner auch – die Altstadtkeller-Kultur der speziellen Altstadtkeller-Kredits innerhalb der bis- Christophe von Werdt: Das Münster ist und bleibt ein Gotteshaus und wird in diesem Sinne von der Kirch- gemeinde weiterhin mit Sinn und Leben erfüllt. Kul- turelle Veranstaltungen, insbesondere Konzerte gehören schon heute zum Münster und eröffnen ebenfalls einen würdigen Zugang zu dieser Kirche, zu einem Ort also, der uns lehrt, wie wir staunend über uns hinauswachsen können. Ich hoffe, dass das Münster nicht zu einer «Event-Location» wird, son- dern ein Ort des Staunens und der Würde bleibt. Denn das ist seine eigentliche «strategische» Aufgabe. Was sind die derzeit laufenden und anstehenden Pro- jekte, und welche Ziele streben Sie in den nächsten Jahren an? Christophe von Werdt: Die Arbeit am Münster, die fachlich in erster Linie vom Baukollegium, den Müns- terarchitekten sowie der Bauhütte begleitet wird, endet nie! Ich denke, eine ständige Herausforderung bleibt, das Münster und seine Bedeutung einer breiten Bevölkerung zu vermitteln, die nicht allwöchentlich zur Kirche geht. Das Jubiläum der Grundsteinlegung von 1421, das im Jahre 2021 ansteht, wird wie- derum eine schöne Gelegenheit bieten, unter ande- rem das Bauwerk und seine Geschichte gemeinsam mit den anderen «zeitlichen Teilhabern» in Erinne- Stadtpräsident Alec von Graffenried und die Präsidentin der Vereinigten Altstadtleiste, Barbara Geiser, am 30. Ok- tober beim gut besuchten Kronengespräch zum Thema «Alec und die Altstadt». rung zu rufen. CE
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