VERKEHRSPOLITIK ZWISCHEN DEN POLEN - Vereinigte Altstadtleiste von Bern ...

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Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten Bern
                                                                                       35. Jahrgang | 4 / 2019

                                                         VERKEHRSPOLITIK ZWISCHEN DEN POLEN
                                                         Die einen wollen unter Hinweis auf den Klimawandel städtische Verkehrsflächen massiv redu-
                                                         zieren, die anderen fühlen sich von der Mehrheit in die Ecke gedrängt und verteidigen jeden Qua-
                                                         dratmeter Strassenfläche. Ist das eine gute Ausgangslage für eine konstruktive Verkehrspolitik
                                                         in unserer Stadt?

              Editorial

WOFÜR ES LEISTE AUCH
BRAUCHT
               Die Rathausgasse durchlebt schwierige
                  Zeiten. Die Sanierung der Leitungen
                   dauert nun schon seit 2017, bis die
                   Pflästerung realisiert ist, wird es
                  voraussichtlich Ende 2020. Zudem
               stehen Gebäudesanierungen an, deren
Baustellen die Rathausgasse bis Ende 2023 belasten
werden. Unter solchen Voraussetzungen leiden alle:
Anwohnende und Hotels durch die Lärmbelastung,
Geschäftstreibende durch ausbleibende Kundschaft
und Verschmutzung, die Anlieferung durch fehlende
Warenumschlagsflächen.
Die Nicht-Kommunikation der Bauverantwortlichen
am Kornhausplatz brachte das Fass zum Überlaufen:
                                                          Die Begegnungszone in der Unteren Altstadt hat sich bewährt und sollte weiterentwickelt werden.
Urplötzlich war die Rede von einer Baustelleninstalla-
tion inklusive eines Tunnels vom Kornhausplatz bis
zur Brunngasse. Der Leist wurde innert Tagesfrist
                                                         Die Diskussion um die städtische Verkehrspolitik ist       Die Klimadiskussion ist sicher nötig. Wenn aber der
aktiv und organisierte eine Besprechung mit Behör-
                                                         lanciert, die Medien bringen fast täglich weitere Be-      Wunsch nach dem autofreien Spielplatz vor der
den, Bauverantwortlichen und den direkt betroffenen
                                                         richte über zusätzliche Einschränkungen in der gan-        Haustüre in diesen Zusammenhang gebracht wird,
Nachbarn. In den folgenden vier Monaten liefen die
                                                         zen Stadt. Die BrunneZytig hat zwar ihren Fokus in         wird die Klimadiskussion nur noch als Zusatzargu-
Gesprächskanäle heiss, Einsprachen und Beschwerden
                                                         der Unteren Altstadt, aber die aktuelle Entwicklung
wurden formuliert, immer mit dem Ziel, die Belastung
                                                         in den anderen Quartieren betrifft letztendlich auch
auf ein einigermassen verträgliches Niveau zu bringen.
                                                         unser Quartier. Die Erreichbarkeit für Lieferanten,
Dank der breiten Vernetzung konnte der Leist den
                                                         Kunden und Anwohnende hängt direkt mit der                    INFO
RathausgässlerInnen eine Stimme verleihen und so                                                                                    AUS DEM INHALT
                                                         künftigen Entwicklung der Altstadtgassen zusam-
das Schlimmste verhindern. Die Baustelleninstallation
                                                         men.
fand ihren Platz im Zibelegässli, auch nicht optimal,
aber immerhin für die Gasse weniger belastend.                                                                     BERNER MÜNSTER-STIFTUNG: Der neue Stiftungspräsident
                                                         Gehässige Diskussionen in Kommentarforen
Das Schöne an der Sache: Die Ausnahmesituation                                                                     Christophe von Werdt will die Bedeutung des Münsters
                                                         Vor allem in den Kommentarforen überborden Ar-
schweisst zusammen. Samuel Klötzli von der «Mes-                                                                   auch Nicht-KirchgängerInnen vermitteln. Das Gespräch
                                                         gumente, die mit seriösem Abwägen nichts mehr zu
                                                                                                                   mit ihm und dem alten Präsidenten Arthur Liener auf
serschmiede» an der Rathausgasse 84 wurde aktiv          tun haben. Dabei zeigt sich, dass es die viel zitierten
                                                                                                                   Seite 8.
und organisiert ein grosses Schild, das den Kran vom     «Wutbürger» nicht mehr nur im rechten Spektrum
Kornhausplatz her einladend gestalten wird. Zur wei-     gibt, sondern immer mehr auch im linken (sofern           DIE NYDEGG-BRÜCKE: 175 Jahre ist sie in diesem Jahr ge-
teren Belebung der Gasse realisiert er seine Idee, den   diese alte Politzuordnung überhaupt noch verwendet        worden – und sanierungsbedürftig. Voraussichtlich 2022
alten Gassenbelag zu bemalen. Eine Aktion, die Farbe                                                               steht die Rundumerneuerung an. Die Geschichte der Ny-
                                                         werden soll). Verletzende Aussagen und persönliche
in den tristen Baustellen-Groove bringen wird.                                                                     deggbrücke auf Seite 14.
                                                         Diffamierungen sind an der Tagesordnung. Die öf-
Der Leist unterstützt organisatorisch, BernCity finan-    fentliche Diskussion über Verkehrsprobleme gleicht        ORGANIST UND ORGELBAUER: Jürg Brunner baut in seinem
ziell. Ohne die bestehenden Leiststrukturen wäre das     mittlerweile einer Abfallmulde, in der jeder rein-        Keller an der Junkerngasse kleine, mobile Orgeln. Eine
                                                         kippt und rausnimmt, was ihm gerade so passt.             höchst anspruchsvolle Handwerksarbeit. Der Besuch in sei-
alles kaum entstanden.
                                                                                                                   ner Werkstatt auf Seite 24.
    Edi Franz, Präsident Rathausgass-Brunngass-Leist
BrunneZytig
 2       22. November 2019                                      Titelgeschichte

ment für die Anspruchshaltung zum eigenen Nutzen
missbraucht. In den Quartieren ist das heute Diskus-
sionsalltag, in der Unteren Altstadt ist zu befürchten,
dass diese auf eigene Bedürfnisse fokussierten An-
sprüche auch Einzug halten werden.

Behördliche Verantwortung wahrgenommen?
Wenn allen voran die Behörden mit Schlagwörtern
wie autofreie Innenstadt, der Hauptteil des Pendler-
verkehrs habe das Ziel Innenstadt oder es habe zu
viele Parkplätze die Diskussion anfeuern, dann ist
das einer vernünftigen Lösung nicht förderlich:
– Die Aussage «autofreie Innenstadt» wurde nach
  der Lancierung an einer Pressekonferenz gleich
  relativiert: Damit seien der ÖV und die Liefer- und
  Servicefahrten nicht gemeint, und Anwohner soll-
  ten auch weiterhin zu ihren Wohnungen kommen.
  Somit sind die Kunden wohl die einzigen, die man
  nicht mehr mit dem Auto in der Altstadt sehen
  will. Wer fährt denn sonst nochmit dem Auto in
  die Altstadt, wenn es nicht unbedingt sein muss?
– Die Behauptung (von der Verkehrsplanung
  schriftlich formuliert), dass der Hauptteil des
                                                            Dienstag gegen Mittag – viele Dauerparkende in der Postgasse.
  Pendlerstroms das Ziel Altstadt habe, lässt sich
  kaum verifizieren. Sonst würde diese ja jeden
  Morgen aus allen Nähten platzen, denn wo sollen          30 in der Schüttestrasse vorgezogen wurde, ist            her die Parkkarte, aber dennoch zu akzeptablen
  denn diese Massen von Autos hin? Eine Tatsache           ebenfalls auf den Druck der Leiste zurückzuführen,        Konditionen. Bereits seit zwei Jahren liegt diese Lö-
  ist, dass seit der Verkehrsberuhigung im Nord-           die damit dem Wunsch vieler Anwohnenden Rech-             sung auf dem Tisch und wird seither verzögert und
  quartier an der Schüttestrasse der Verkehr massiv        nung trugen.                                              verzögert. Auch das war ein Grund für den Austritt
  zugenommen hat, da diese als Umfahrungsstrasse                                                                     des Gewerbeverbands aus der Sitzungsrunde.
  des Nordquartiers missbraucht wird. Da verbes-           Die Lösung des Parkplatzproblems wird
  sern mit Sicherheit Massnahmen in der Unteren            beständig verzögert                                        Zu guter Letzt wurde nun der im November geplante
  Altstadt die Situation überhaupt nicht.                  Dass in der Altstadt immer noch zu viele Autos her-       Medien-Informationstermin über den Start dieser
– Zu viele Parkplätze hat es in der Altstadt mit Sicher-   umstehen, ist auch den Leisten bewusst, nicht nur         neuen Parkierungsregelung Untere Altstadt seitens
  heit nicht. Die wenigen, die sich unterhalb der          den auswärtigen BesucherInnen. Seit bald drei Jah-        der Direktorin der Verkehrsplanung kurzfristig ab-
  Kreuzgasse befinden, sind Kurzzeitparkplätze und          ren suchen deshalb die Vereinigten Altstadt-Leiste,       gesagt. Dies mit der Begründung, es müsse nochmals
  dienen primär Kunden. Richtig ist, dass diese nachts     Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften in zähen           alles juristisch abgeklärt werden, sonst gebe man
  wenig genutzt werden, tagsüber sind sie aber nach        und langwierigen Verhandlungen mit den Behörden           dem Gewerbeverband wieder einen Grund zur Ein-
  wie vor ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor.           einen weiteren Kompromiss, denn eine völlig auto-         sprache. Der böse Verdacht kommt auf, dass der
                                                           freie Untere Altstadt ist sowohl für Anwohnende wie       nicht optimale jetzige Zustand erhalten bleiben soll,
Diese Beispiele belegen, dass die Öffentlichkeits-          Gewerbetreibende nicht vorstellbar. Aber klar ist:        damit unter dem Druck der Klimadiskussion weiter-
wahrnehmung mit nicht belegbaren, zum Teil fal-            Die unnötig in den Gassen parkierten Fahrzeuge sol-       hin das Bild einer vollgeparkten Altstadt präsentiert
schen Aussagen getäuscht wird. Dass sich die               len weg! Und klar ist auch, wie das geschehen kann.       werden kann.
Wirtschaftsverbände, die sich gegen weitere Ver-           Entgegen den Beteuerungen der Stadt als Mitbesit-
schlechterungen des Wirtschaftsstandorts Altstadt          zerin des Rathaus-Parkings, dass dort keine Kapa-         Denn das könnte helfen, das vom Gemeinderat for-
wehren, vor den Kopf gestossen fühlen, ist nachvoll-       zitäten frei seien, ergab der direkte Kontakt mit den     mulierte Ziel einer gänzlich autofreien Altstadt zu er-
ziehbar. Dass Aktionen Reaktionen hervorrufen, ist         Parkhausbetreibern nämlich, dass diese sehr wohl          reichen, welches entgegen aller laufenden
seit dem alten Herrn Newton bekannt.                       vorhanden seien. Damit konnte die Lösung des Pro-         Diskussionen im Frühsommer bei der Präsentation
                                                           blems angepeilt werden. Das Resultat: Berechtigte         der Klimamassnahmen als Hauptziel für die Innen-
Begegnungszone Untere Altstadt ist aus                       AnwohnerInnen und Gewerbebetreibende in der               stadt formuliert wurde. Funktioniert so konstruktive
Kompromiss entstanden                                       Altstadt hätten die Möglichkeit, das Auto dort zu         Demokratie?
Die Begegnungszone in der Unteren Altstadt war             einem verträglichen Tarif abzustellen. Teurer als bis-
eine der ersten und damals die grösste der Stadt                                                                     Bitte Diskussionen versachlichen
Bern. Entstanden aus dem Willen zum Kompromiss                                                                       Unter «autofrei» versteht der normale Bürger, dass
zwischen total autofrei und unbeschränkter Zufahrt.                                                                  es keine Autos mehr in der Unteren Altstadt hat.
Leiste und Planer setzten sich zusammen, hörten                                                                      Dass das unrealistisch sei, erklärte der Stadtpräsi-
einander zu und schlossen am Schluss diesen Kom-                                                                     dent zwei Stunden nach der Pressekonferenz in
promiss. Dass diese Begegnungszone funktioniert,                                                                     einer weiteren Sitzung des Ausschusses «Verkehrs-
beweist sie seit Jahren: Durchgangsverkehr praktisch                                                                 konzept Wirtschaftsverkehr Innenstadt». Wenn also
Null, Erreichbarkeit jederzeit gegeben. Einzig die Lö-                                                               der Bus weiterhin durch die Altstadt fahren können
sung mit den 48-Stunden-Parkkarten führte zum                                                                        soll, Anlieferung und Warenumschlag ebenfalls
Problem der optisch als zugeparkt wahrgenomme-                                                                       möglich bleiben sollen und Liefer- sowie Service-
nen Altstadt. Der erhöhte Verkehr an der Schütte-                                                                    fahrzeuge mit Bewilligung abgestellt werden können,
strasse ist, wie bereits erwähnt, erst später                                                                        dann hat das mit autofrei wenig zu tun. Vor allem ist
entstanden, als im Nordquartier der Verkehrsfluss                                                                     all das mit der heutigen Begegnungszone in Kombi-
eingeengt wurde. Dass die Einführung von Tempo              Dienstag gegen Mittag – Kramgasse – ein paar Autos.     nation mit der Zubringerdienst-Regelung bereits
BrunneZytig
                                                                Titelgeschichte                                                                 22. November 2019
                                                                                                                                                                         3

möglich. Also weckt man mit der Bezeichnung «au-
tofrei» falsche Vorstellungen.
                                                          LIEBE LESERINNEN UND LESER
Dasselbe gilt für die Diskussionsforen: Da wird er-       In den Kellern der Unteren Altstadt gibt es viele Kul-      vor, die Schwestern Fatime und Fatmire Kamili, die
klärt, dass der Fussgänger a priori in jedem Fall Vor-    turorte, Galerien, Musiklokale, Theaterbühnen. Ins-         den Laden auf eigene Rechnung führen. Leider sind
tritt hat und Kinder dort spielen können. Das ist         besondere Letztere sind finanziell alles andere als auf      auch weitere Geschäftsschliessungen zu vermelden.
teilweise richtig, nur sollte die gesetzliche Grundlage   Rosen gebettet und auf Zuschüsse der öffentlichen            Gleich drei langjährige Altstadt-Geschäfte hören auf
vollständig beachtet werden:                              Hand angewiesen. Doch gerade für die kleinen Thea-          Ende Jahr auf: Das Modegeschäft Stalder am Casino-
Regelungen Strassenverkehrsverordnung:                    ter ist es schwieriger geworden, an Fördermittel her-       Platz 2 und das Juweliergeschäft Rolf Dillmann, das
Begegnungszonen                                           anzukommen. Deshalb erregte es durchaus Aufsehen,           offenbar wegen der Umbaupläne des Hauseigentü-
1
  Das Signal «Begegnungszone» kennzeichnet Strassen       als Stadtpräsident Alec von Graffenried im September         mers seine Geschäftsräume am Theaterplatz 1 nach
in Wohn- oder Geschäftsbereichen, auf denen die           ein mit 100’000 Franken gefülltes Kässeli ankün-            40 Jahren aufgeben muss. Nach fast 15 Jahren ver-
Fussgänger die ganze Verkehrsfläche benützen dür-         digte, aus dem er in eigener Regie Förderkredite an         schwindet auch das Schuhgeschäft «Nina» aus der
fen. Sie sind gegenüber den Fahrzeugführern vor-          Kulturkeller in der Altstadt verteilen kann. Warum          Kramgasse – und mit ihm Gabriela Hagen. Mehr dazu
trittsberechtigt, dürfen jedoch die Fahrzeuge nicht       ihm dieses Fördertöpfchen so am Herzen liegt, was er        auf Seite 18. Nicht fehlen dürfen in dieser Ausgabe
unnötig behindern.                                        damit erreichen will und was die Kriterien sind, um         auch Hinweise auf saisonale Veranstaltungen. Auf
2
  Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h.              in den Genuss einer solchen stadtpräsidentiellen För-       Seite 5 informieren wir Sie über vorweihnachtliche
3
  Das Parkieren ist nur an den durch Signale oder         derung zu kommen – das erklärt Alec von Graffen-             Aktivitäten und Anlässe in der Unteren Altstadt –
Markierungen gekennzeichneten Stellen erlaubt. Für        ried gleich selbst auf Seite 9.                             speziell natürlich auch über den beliebten verkaufs-
das Abstellen von Fahrrädern gelten die allgemeinen                                                                   offenen ersten Advent.
                                                          In unserer losen Serie «Unbekannte Bekannte» stellen
Vorschriften über das Parkieren.
                                                          wir auf Seite 6 Vincent O. Carter vor. Der Mann aus         Doch bevor Sie sich jetzt mit der BrunneZytig auf
Spielen im Strassenraum:
                                                          Kansas City war Mitte der 50er Jahre der wohl erste         Ihren Lieblingssessel oder das Sofa für einen gemüt-
In der Schweiz ist das Spielen im Strassenraum nicht
                                                          und einzige schwarze Schriftsteller in Bern. Für            lichen Leseabend zurückziehen, gestatten Sie mir, Sie
an eine definierte Signalisierung gebunden. Es ist auf
                                                          Carter war das keine einfache Zeit. Er beschrieb sie        noch explizit auf unsere beiden Beilagen aufmerksam
allen verkehrsarmen Nebenstrassen erlaubt:
2bis
                                                          in «The Bern Book», das gleichzeitig auch ein Porträt       zu machen, die wir in diese Ausgabe eingelegt haben.
     Für Tätigkeiten, namentlich Spiele, die auf einer
                                                          der Unteren Altstadt ist, in der er 30 Jahre lang lebte.
begrenzten Fläche stattfinden, darf die für die Fuss-                                                                 Da ist zum einen unser Spendenaufruf. Ungefähr alle
                                                          35 Jahre nach seinem Tod wartet sein Nachlass in
gänger bestimmte Verkehrsfläche und auf verkehrs-                                                                     zwei Jahre bitte wir Sie um Ihre Unterstützung für die
                                                          Bern auf eine Wiederentdeckung – und «The Bern
armen Nebenstrassen (z. B. in Wohnquartieren) der                                                                     BrunneZytig. Denn wir finanzieren uns zu einem
                                                          Book» auf eine deutsche Übersetzung.
gesamte Bereich der Fahrbahn benützt werden, so-                                                                      guten Teil aus Ihren Spenden. Bitte lesen Sie sich den
fern die übrigen Verkehrsteilnehmer dadurch weder         Wenn wir schon bei Büchern sind: Ende Oktober ist           Spendenbrief in aller Ruhe durch. Wir sind dankbar
behindert noch gefährdet werden.                          ein interaktiver Stadtführer der besonderen Art für         für jeden einbezahlten Betrag!
                                                          Kinder erschienen. «Berns Verborgene Geschichten»
                                                                                                                      Zum anderen haben wir noch einen Unterschriften-
Es ist also nicht so, dass zu Fuss Gehende und Kinder     heisst er, und die Kids können anhand von Berner
                                                                                                                      bogen der Petition für ein Feuerwerksverbot in der
nur Rechte haben, sie sind auch an Pflichten gebun-        Sagen und Legenden die Stadt erkunden und viel über
                                                                                                                      Altstadt beigelegt. Wie Sie wissen, sind im Sommer
den. Werden diese ignoriert, kann das zu gefährli-        die Berner Geschichte erfahren. Ein leichter Grusel-
                                                                                                                      im Stadtrat zwei Motionen eingereicht worden, eine
chen Situationen führen, an denen nicht nur die           faktor ist dabei auch garantiert. Dieser spezielle Stadt-
                                                                                                                      Interfraktionelle Motion, getragen von SP/JUSO,
Autolenkenden schuld sind. Ebenso steht nirgends          führer stammt von Münsterturmwartin Marie
                                                                                                                      FDP/JF sowie BDP/CVP, und eine von SVP-Stadtrat
geschrieben, dass mit Einführung einer Begeg-             Thérèse-Lauper und der US-Amerikanerin und pen-
                                                                                                                      Alexander Feuz. Beide Motionen machen sich für ein
nungszone Parkplätze aufgehoben werden müssen.            sionierten Lehrerin Jeanne Darling. Mehr dazu auf
                                                                                                                      Feuerwerksverbot im UNESCO-Altstadt-Perimeter
Falls dies trotzdem gemacht wird, erfolgt dies allein     Seite 11.
                                                                                                                      stark, wenn auch nicht aus den ganz gleichen Moti-
aus politischen Beweggründen. Das sollten auch die
                                                          Apropos Stadtgeschichte: Viele Häuser in der Unteren        ven. Im Januar wird der parlamentarische Prozess für
Kritiker der Begegnungszonen wissen, denn es ist
                                                          Altstadt blicken auf eine jahrhundertealte Geschichte       die Behandlung der Motionen beginnen. Bis dahin soll
bedauerlich, wenn Begegnungszonen damit schlecht
                                                          zurück. Entsprechend nagt der Zahn der Zeit an              die Unterschriftenaktion der Vereinigten Altstadtleiste
geredet werden.
                                                          ihnen. Die Burgergemeinde baut demnächst gleich             weiterlaufen. Helfen Sie also bitte mit, noch weitere
                                                          zwei solcher Häuser um. Auf Seite 20 stellen wir die        Unterschriften zu sammeln! Sie tragen damit auch
Begegnungszone oder autofreie
                                                          Pläne für den Umbau des Patrizierhauses an der Her-         dazu bei, noch mehr Menschen für die Gefahr zu sen-
Ausgehmeile?
                                                          rengasse 23 vor und auf Seite 23 die Pläne für die          sibilisieren, die durch das unkontrollierte Abbrennen
Zurück zur Begegnungszone Untere Altstadt: Diese
                                                          Doppelliegenschaft Kramgasse 59 und Münstergasse            von Raketen und Knallkörpern für Menschen und
hat sich in all den Jahren mehr als bewährt. Die
                                                          54 – das Haus, in dem sich auch das Restaurant «Froh-       Häuser in der Altstadt entsteht.
Menschen bewegen sich in den Gassen, die Anliefe-
                                                          Sinn» befindet. Neues wird entstehen.
rung zu den vielfältigen Geschäften funktioniert, da                                                                  Im Namen des Teams der BrunneZytig wünsche ich
sie jederzeit erfolgen kann. Der Warenumschlag            Neues bereits entstanden ist zur Freude vieler An-          Ihnen bereits jetzt geruhsame Festtage und einen
würde zwar besser funktionieren, wenn auch die            wohnerInnen an der Kramgasse 54. Dort ist eine              guten Rutsch ins Neue Jahr in einer Silvesternacht,
Flächen zur Verfügung stünden, die jetzt von Dau-         VOI-Filiale einzogen und bietet vielerlei Migros-Le-        die hoffentlich ruhiger und weniger brandgefährlich
erparkierenden mit Bewilligung belegt werden, An-         bensmittel inklusive Frischprodukte an. Auf Seite 17        sein wird als die letzte!
                                  Fortsetzung Seite 4     stellen wir Ihnen die beiden Geschäftsführerinnen                                 Barbara Büttner, Chefredaktorin
BrunneZytig
  4         22. November 2019                                                      Titelgeschichte

      IN FO           IMPRESSUM

               Die «BrunneZytig» wird von den Altstadt-
           leisten gemeinsam gestaltet. Unter den Leist-
rubriken finden Sie auch leistinterne Informationen.

VERANTWORTLICH FÜR DIE HERAUSGABE:
Vereinigte Altstadtleiste Bern;
Chefredaktion: Barbara Büttner
redaktion@brunnezytig.ch
REDAKTION LEIST DER UNTERN STADT:
Iris Gerber (ig), Zahai Bürgi (ZB)
REDAKTION KESSLERGASS-GESELLSCHAFT:
Beat Schwaller (sw), Claudia Engler (CE)
REDAKTION RATHAUSGASS-BRUNNGASS-LEIST:
Edi Franz (ef)
REDAKTION KRAMGASSLEIST:
Barbara Büttner (babü), Evelyn Kobelt (koe),
REDAKTION MATTE-LEIST:
Sophie Muralt (sm)

KOORDINATION, INSERATEANNAHME, PRODUKTION:
Druckerei Weiss GmbH, Claudia Weiss und
Pascale Thomann-Weiss, Kalchackerstrasse 7,

                                                                               Dienstag gegen Mittag – Warenumschlag in der Rathausgasse.
3047 Bremgarten/BE, Tel. 031 301 22 79,
weissdruck@bluewin.ch
ISSN2235-1531, www.altstadtleiste.ch

JAHRES-ABONNEMENTS-BESTELLUNG                                                 wohnende können in die Nähe ihrer Wohnungen              traditionelle Betriebe ihrer Arbeit nachgehen, nicht
Preis: Fr. 20.–. Bestellung bei Druckerei Weiss GmbH,                         fahren, wenn es für sie notwendig ist; Spitex, Lie-      globalisiert, wenig filialisiert, oft inhabergeführt.
weissdruck@bluewin.ch, Tel. 031 301 22 79                                     ferdienste, Behindertentransporte, alles ist jederzeit   Dieser gefährdete Mix an Läden, etwas verschroben
LEIST-ADRESSEN                                                                möglich und trotzdem entsteht nie das Gefühl, in der     mitunter, aber mit Herz, schätzen die BesucherInnen
Vereinigte Altstadtleiste: Sekretariat VAL, Postfach,                         Altstadt herrsche viel Verkehr (ausser bei Staus         der Altstadt. Schnellschüsse unter dem jetzigen Pro-
3000 Bern 8, val@bern-altstadt.ch, www.altstadtleiste.ch                      wegen Baustellen).                                       filierungszwang, ja alles zu tun, was unter dem
Kramgassleist: Postfach 852, 3000 Bern 8,                                                                                              Deckmantel Klima-Label gefordert wird, könnten
Kontakt: info@kramgasse.ch, Web: www.kramgasse.ch
                                                                              Wenn nun diese funktionierende Lösung nicht opti-        diese gewachsene Struktur schneller ins Wanken
Matte-Leist: Postfach 29, 3000 Bern 13,                                       miert, sondern durch eine viel einschränkendere          bringen als uns lieb ist.
www.matte-leist.ch, matteleist.info@gmail.com
                                                                              Variante abgelöst werden sollte, droht der Altstadt
Rathausgass-Brunngass-Leist: Kontakt: Edi Franz,
                                                                              ein schneller Schritt in eine charakterlose Zukunft,     Hoffen wir, dass die letzte Hürde für einen vernünf-
c/o intraform ag, Rathausgasse 76, 3011 Bern,
                                                                              die zwar Fun und Wohlbefinden auf jedem Pflaster-          tigen Kompromiss zeitnah genommen werden kann,
edi.franz.rbl@bern-altstadt.ch
                                                                              stein verspricht, aber schlussendlich zu einer Sou-      damit wir nicht dauernd anhören müssen, die Alt-
Leist der Untern Stadt: Postfach 570, 3000 Bern 8,
leistpost@gmail.com                                                           venir-, Gastro- und Ausgehzone führt. Vielleicht         stadt sei vollgeparkt, und wir aufzeigen können, dass
                                                                              kommerziell erfolgreich, aber es wird nicht mehr         sich auch eine Begegnungszone weiter- entwickeln
Kesslergass-Gesellschaft: Kontakt: Alexander Hadorn,
Postfach 614, 3000 Bern 8                                                     diese Altstadt sein, die wir als BewohnerInnen und       kann, ohne die gute, funktionierende Grundidee zu
                                                                              Gewerbetreibende lieben.                                 verlassen: ein gedeihliches Miteinander aller Ver-
Die nächste Ausgabe der BrunneZytig                                                                                                     kehrsteilnehmerInnen, Anwohnenden, Gewerbe-
erscheint am 20. März 2020                                                    Die Untere Altstadt von Bern ist wahrscheinlich          treibenden und BesucherInnen.
                                                                              eines der wenigen Stadtzentren, in der noch kleine,                                                         ef
Redaktionsschluss: 28. Februar 2020

                                                                                                    Wir öffnen für Sie im Dezember:
                                                                                                      vomFASS Bern, 03.– 24.12
                             Bucher Baugeschäft AG

                           Ihr Partner für Reparaturen,
                               Um- und Neubauten,
                         Kernbohrungen und Betonfräsen,

                                                                                                                          Mo, Di, Mi, Fr                     09.00 – 19.00 Uhr
                             Keramische Wand- und
                                   Bodenbeläge
                                                                                                                          Do                                 09.00 – 21.00 Uhr
                                                                                                                          Sa                                 09.00 – 17.00 Uhr
 Sägemattstrasse 2 | 3097 Liebefeld | Tel. 031 971 29 95 | www.bucherbau.ch

                                                                                                                          So (01./15./22.12.)                10.00 – 18.00 Uhr

                             le bistro                                          Klein und fein, repräsentativ und edel, zum Geniessen und für die Küche,
                     Janine Mangiantini
      Brunngasse 19 CH - 3011 Bern T +41 31 311 15 42
                                                                                bei uns finden Sie die passenden Geschenke.
         Öffnungszeiten 11.00 – 14.30 / 17.00 – 23.30

  Zibelemärit am Mittag offen
              Sonntag und Montag geschlossen
BrunneZytig
                                                               Läbigi Altstadt                                                                22. November 2019
                                                                                                                                                                       5

CHLÄUSE, LIEDER UND ÜBERRASCHUNGEN
Der «Santarun» vom Bundesplatz zum alten                 auch auf der eventeigenen Homepage www.erster-
Tramdepot am 29. November                                advent-bern.ch über alles informieren. Und alle
Der «Santarun» ist weder eine Berner Erfindung            aktiv Teilnehmenden können sich gerne hier via Fa-
noch eine Berner Tradition. Auch ist er weit entfernt    cebook oder Instagram verlinken und etwas Wer-
von einer religiös geprägten Feier mit weihnächtli-      bung für ihre gute Sache machen.
cher Stimmung – aber er «fägt» und findet dieses
Jahr zum dritten Mal statt. Initiant war der Berner      Um die beliebte, vom Leist der Untern Stadt patro-
Spitzenläufer Markus Ryffel. Die Idee war nicht neu,      nierte Seniorenweihnacht auch in diesem Jahr
dank dem seit einiger Zeit im Volkssport ausgebro-       durchführen zu können, wird zu ihren Gunsten den
chenen Lauffieber rennen unzählige Chläuse in             ganzen ersten Advent über wieder Sandra Tho-
ihrem typischen amerikanischen rot-weissen Ge-           manns feiner Glühwein verkauft (es ist noch nicht           Antoinette Mäder und Sandra Thomann, Organisato-
                                                                                                                      rinnen des Ersten Advent und der Seniorenweihnacht
wand durch Städte auf der ganzen Welt. Das Kostüm        bekannt, wo genau er verkauft wird. Die Veranstal-
ist obligatorisch, wer keins mitbringt, dem wird am      terinnen werden am alten Standort Kramgasse 54
Start um 17.30 Uhr auf dem Bundesplatz gratis eins       einen Hinweiszettel aufhängen). Die beiden Organi-         Värsli aufsagen oder ein Lied vortragen können. Der
zur Verfügung gestellt. Alles ist etwas anders als an    satorinnen der Seniorenweihnacht werden dort an-           Kramgassleist organisiert und sponsert diesen be-
üblichen Volksläufen: Es gibt keine Zeitmessung, der     wesend sein und geben gerne über alles Auskunft.           liebten Anlass seit vielen Jahren. Herzlichen Dank!
Teilnehmer kann direkt vor Ort entscheiden, welche
der drei Streckenlängen zwischen 2,7 und 8 Kilo-         Der Samichlchlous und seine Schmutzlis                     Die Seniorenweihnacht am 16. Dezember in
meter er rennen, gehen, tanzen oder gar hüpfen will      kommen                                                     der Spysi
– ganz nach Stimmung eben. An der Strecke zwi-           Um 16 Uhr, eine Stunde vor Ladenschluss, können            Ähnlich wie der erste Advent müsste auch die Se-
schen Bundesplatz und Bärengraben warten fünf            sich alle, die ihre Einkäufe inzwischen getätigt           niorenweihnacht in der BrunneZytig eigentlich nicht
Posten mit – nein, Wasser ist da keines nötig – Glüh-    haben, beim Kreuzgassbrunnen einfinden. Dank                mehr extra vorgestellt werden, denn im Spysisaal
wein! Vielleicht auch deswegen ist der Schluss des       ihnen und der kräftigen Unterstützung der Pigiluna-        treffen jedes Jahr um 16 Uhr zahlreiche SeniorIn-
«Rennens» erst auf 21.45 Uhr festgelegt. Auch eine       Singers aus Biglen werden einmal mehr all die tra-         nen ein, und die meisten sicher nicht zum ersten
Preisverleihung gibt es, ganz im Sinne des Anlasses,     ditionellen Weihnachtslieder in der Kramgasse              Mal. Teilnahmeberechtigt sind wie immer alle AHV-
der sich selbst nicht ganz so ernst nimmt. Preise        erklingen. Von dort aus geht es singend von Brun-          BezügerInnen aus der Unteren Altstadt, der Matte
werden vergeben in den Kategorien «Chlousevärs»,         nen zu Brunnen hinauf zum Zytglogge.                       und Langmauer, dem Altenberg, Murifeld und aus
«Alter» und «originellste Socken». Wer sich vor dem                                                                 der Schosshalde. An alle ehemaligen Teilnehmenden
18. November unter www.santarunbern.ch anmel-            Hier – hoch oben aus dem Erker vis-a-vis des Zyt-          werden automatisch Einladungen verschickt. Wer
det (Einzelperson, Familie oder Gruppe), erhält einen    glogge – begrüsst um 16.45 Uhr der Samichlous i            zum ersten Mal dabei sein möchte, meldet sich am
verbilligten Eintrittspreis. Der allerspäteste Anmel-    der Chramgass die Besucherschar und erzählt seine          besten gleich bei der Organisatorin sandra.tho-
deschluss ist der 27. November, das wird dann aber       Weihnachtsgeschichte. Pünktlich wie immer um 17            mann@bluewin.ch an, denn die Plätze zum feierli-
etwas teurer. Also: Auf die Socken, fertig – ho ho ho!   Uhr treten rund ein Dutzend Chläuse und ihre               chen vorweihnächtlichen Z’Vieri sind immer schnell
                                                         Schmutzli von der Samichlousezunft aus dem Zyt-            vergeben. Viel ehrenamtliche Arbeit Zeit und Liebe
Der offene Adventssonntag am 1. Dezember in               glogge und mischen sich unter die Leute. Die unzäh-        wird da hineingesteckt, auch ins Backen der Guetzli,
den Altstadtgassen                                        ligen Lebkuchen in den Säcken der Schmutzli                ins Dekorieren der Tische, und natürlich ins auf-
Zum 26. Mal machen rund 150 Geschäfte von                suchen kleine und grosse Abnehmer, die bestimmt            merksame Betreuen der Gäste. Selbstverständlich
11 bis17 Uhr ihre Türen zum Längs statt quer –           nicht lange auf sich warten lassen. In ihren Genuss        wartet auch in diesem Jahr auf jeden und jede noch
Sonntagsverkauf auf und bieten im Laden oder unter       kommen all diejenigen, die dem Samichlous ein              ein kleines Geschenk zum Mitnehmen. Dazu meint
ihren Lauben allen Weihnachtgeschenk-Einkäufer-                                                                     Sandra Thomann: «Dieses Jahr gibt es einen Gaben-
Innen und Altstadt-Flaneuren kleine Events und                                                                      tisch anstelle des Gabensäckli. Lasst Euch damit
Überraschungen. Organisiert wird der Anlass wie                                                                     überraschen! Ich möchte schon jetzt allen herzlich
immer von fünf freiwilligen HelferInnen aus den                                                                     danken, die neu oder immer wieder dazu beitragen,
verschiedenen Leisten der VAL. Der Event ist selbst-                                                                dass wir den Altstadt-Senioren eine schöne Feier
tragend und wird durch die Mitgliederbeiträge der                                                                   bieten können. Wenn wir alle Freiwilligen und Spen-
teilnehmenden Geschäfte – je nach Art des Geschäf-                                                                  der hier namentlich aufführen wollten, so gäbe das
tes zwischen 100 und 250 Franken – finanziert.                                                                       eine ganz schön lange Liste.» Wie es die Tradition seit
Leider ist die Anmeldefrist bereits seit dem 22. Ok-                                                                den stimmungsvollen Weihnachtsgeschichten von
tober abgelaufen. Haben Sie sie verpasst? Gottlob                                                                   Hans Gurtner will, an die sich alle wohl gerne noch
gibt es «alle Jahre wieder» ein fast nicht zu überse-                                                               erinnern, wird es auch heuer während des Z‘Vieri
hendes nächstes Mal, denn durch die Website und                                                                     einen kulturellen Beitrag geben – doch auch der soll
die Einladungsflyer mit dem unverkennbaren weiss-                                                                    noch ein kleines Geheimnis bleiben.
blauen Design hat der erste Advent in der unteren                                                                                                                       ZB
Altstadt inzwischen einen grossen Wiedererken-

                                                                                                                      S P A N I S C H
nungswert. Nach weiss-blau wird man allerdings
dieses Jahr vergeblich Ausschau halten, denn die
                                                                                                                     lernen nach eigenem Zeitplan und Tempo
Farben des Flyers haben geändert und das moder-
                                                                                                                             in der Altstadt von Bern
nere Sujet – ein grosses A, in dessen Inneren eine
                                                                                                                            Termine für unverbindliche
Flamme brennt – leuchtet in sattem Gold. Der neue
                                                                                                                              Schnupperstunde unter
Einladungsflyer kann aber weiterhin als «gäbiger»                                                                         www.spanischferien.ch oder Telefon
Wegweiser durch die Gassen benützt werden, da                                                                                     079 442 98 86
wieder alle teilnehmenden Geschäfte darauf na-            Der erste Advent zeigt sich dieses Jahr in seinem neu
mentlich erwähnt sind. Natürlich kann man sich             designten Look.                                  (zVg)      10x 90 Min. Sfr. 260,- (max. 4 Teilnehmer)
BrunneZytig
  6       22. November 2019                                           Läbigi Altstadt

VINCENT O. CARTER, SCHRIFTSTELLER, KÜNSTLER
UND «THE FIRST NEGRO IN TOWN»
Die letzten fünf sind seine Worte. Und der ganze nächste Satz auch: ‘Living in Bern, Switzerland,
in the mid-1950s I was such an unusual sight that everybody, men, women, children, dogs, cats,
and other animals, wild and domestic, looked at me – all the time!’ *

Er war schwarz, er fiel auf, Mitte der 1950er Jahre in           Die Konversation streift so dies und jenes, aber ich
Bern. Überall musste er sich erklären, sein Hier-Sein           merke, dass mein Gesprächspartner nicht recht zu-
begründen, Auskunft geben. Ob es eine aufmerksam                friedengestellt ist. Er wird, woher auch immer, so et-
freundliche Kontaktnahme war mit vielleicht unge-               liches von uns Schwarzen gehört haben, zwei-drei
schickt formulierten Fragen oder doch pures Miss-               Negrospirituals kennen und sicher, er wird es sofort
trauen – Vincent O. Carter spürte den Unterschied.              erwähnen, ist er ein glühender Jazzfan. Er studiert
Im ersteren Fall erzählte er aus seinem Leben, von              mich so unauffällig er kann, vergleicht die Erschei-
seiner amerikanischen Herkunft und seinem Ent-                  nung vor seinen Augen, also mich, mit dem, was er
schluss, wieder nach Europa zu kommen, kommen-                  je über unsereiner gehört und gesehen hat, um
tierte seine in Bern gemachten Beobachtungen, ob bei            schlussendlich zu fragen: ‘Sind Sie Musiker?’ – ‘No’,
der Wohnungssuche, beim Sitzen in Cafés oder beim               antworte ich kühl. ‘Student?’, fragt er weiter mit einem
Spazieren durch die Stadt. Bei den Misstrauischen, die          Blick auf meine alte Mappe. ‘No, I’m not’, antworte ich
immer wieder die für Vincent O. Carter schlimmste               etwas irritiert. ‘Oh, ich dachte bloss. Sie scheinen viel    Auf dem Weg zu seiner Wohnung am Nydeggstalden.
Frage stellten, ‘Why did you come to Bern?’, schluckte          Zeit zu haben.’ Wir sitzen ja beim Wein, im Mövenpick
er Ärger und Enttäuschung hinunter und brach das                oder Casino.                                                Friedenszeit in diese Stadt zurückzukehren, wurde
Gespräch ab, mit einer Bemerkung wie ‘Weil, und das             ‘Ich kann nicht immer schreiben.’                           sein Traum und sein Entschluss.
ganz ohne Zweifel, die Berner die interessantesten              ‘Ah, Sie sind Journalist?’
Leutenauf der Welt sind’.                                       ‘Nein. Ich schreibe Geschichten.’                           Zurück in Amerika, nach der Demobilisierung, stu-
                                                                ‘Was für Geschichten, Liebesgeschichten? Für Maga-          dierte er Literatur, Philosophie und Religionswissen-
Carter kam in einer Zeit nach Bern, in der das gesell-          zine, eine Zeitung?’                                        schaften, arbeitete im Anschluss an seine
schaftliche Klima nicht sehr offen war und Toleranz              ‘Nein. Für mich. Ich schreibe, dann versuche ich die        Graduierung in Detroit in der Autoindustrie, um das
an einem eher kleinen Ort. Später wird er schreiben:            Geschichte zu verkaufen, wohin auch immer.’                 Geld zusammenzubekommen, um erneut nach
«Kaum je eine Woche vergeht, ohne dass ich, wenn                ‘Haben Sie ein Buch veröffentlicht?’                         Europa, nach Paris reisen zu können, um dort
ich im Mövenpick oder im Casino bei einem Glas                  ‘I’m an unpublished black writer in Bern, that’s it.’»      Schriftsteller zu werden. Bis es so weit war, verging
Wein sitze, angesprochen werde und gleich mit einer                                                                         Zeit. Endlich wieder in Paris angekommen, fand er es
Menge von Fragen konfrontiert werde. Mit den meis-              Um Schriftsteller zu werden, kam er nach                     verändert vor. Als Amerikaner gehörte er nicht mehr
ten davon kann ich leicht umgehen. Er fragt: ‘Ist               Europa                                                      zu den gefeierten Befreiern nach der Normandie-In-
Ihnen nicht kalt, wenn es Winter ist?’ und ‘Sind Sie            Geboren wurde Vincent O. Carter 1924 in Kansas              vasion, jetzt hiess es an den Mauern: Amis raus!
glücklich, jetzt wo die Sonne scheint?’ Im ersten Fall          City, seine Eltern waren bei seiner Geburt noch Teen-       Carter stiess auf Misstrauen und Ablehnung. Er ver-
sage ich ‘ja’ und im zweiten, der unglücklicherweise            ager. Die Kinder- und Jugendjahre bezeichnet er als         liess Paris wieder, reiste nach Amsterdam, nach Mün-
selten passiert ‘ja, tatsächlich’. Sie fragt: ‘Wie lange sind   eine Zeit voller Liebe und Geborgenheit, als seine          chen und, um Freunde zu besuchen, für drei Tage
Sie schon in der Schweiz?’, und ich antworte ‘Unge-             glücklichste Zeit. Viel später wird er sie in seinem        nach Bern.
fähr dreieinhalb Jahre’. – ‘So lange!’, erstaunt sie sich.      zweiten veröffentlichten Buch unter dem Titel «Such
‘How do you like it?’, werde ich in ängstlichem Ton             Sweet Thunder» festhalten (ursprünglicher Titel: «The       Aus drei Tagen in Bern wurden dreissig Jahre
weiter gefragt, auf der Lauer, sich und die Schweiz             Primary Colours»). Achtzehnjährig wurde er in die           Vincent Carter blieb in Bern, von diesem Besuch
schon mal zu entschuldigen. Ich warte kurz mit mei-             Armee eingezogen, als Sanitäter machte er im Zwei-          1953 bis zu seinem Tod im Januar 1983. In Bern
ner Antwort, um die Spannung zu erhöhen und sage                ten Weltkrieg die Invasion in Nordfrankreich mit.           wurde er zum Schriftsteller. Mit der oben zitierten
dann: ‘Oh … I like it well enough.’                             Beim Rückzug der Truppen kam er nach Paris. In              Szene im Mövenpick oder Casino beginnt sein «The

                                                                  Gesundheit durch Vertrauen!
                                                                    Herr A. Chariatte, Frau E. Engel und das
                                                                  gesamte Team freuen sich auf Ihren Besuch!
                                                                                                                                             Ihre persönliche

                                                                  Zytglogge Apotheke
                                                                                                                                             Augenärztin
                                                                                                                                             in der unteren

                                                                  Zytglogge 5
                                                                                                                                             Berner Altstadt

                                                                  3011 Bern
                                                                  Telefon: 031 311 48 33
                                                                                                                                             Herrengasse 4, 3011 Bern
                                                                                                                                             Tel. 031 312 12 82
                                                                  Fax: 031 311 39 93
                                                                  Mail: info@zytglogge-apotheke.ch                                   www.augenarzt-altstadtbern.ch
BrunneZytig
                                                                   Läbigi Altstadt                                                                    22. November 2019
                                                                                                                                                                                 7

Bern Book», geschrieben von 1953 bis 1957. Veröf-            In Momenten der Traurigkeit und Bedrängnis spa-
fentlicht wurde es jedoch erst 1970 – in einem ame-          zierte er durch die Stadt, über die Kornhaus- oder
rikanischen Verlag. Bis zum heutigen Tag ist «The            Kirchenfeldbrücke. Immer wieder blieb er dort ste-
Bern Book» nicht übersetzt. Erhältlich ist es über Bi-       hen, stützte die Arme aufs Geländer und gab sich
bliotheken und über das Internet, im Handel ist es           beim Hinunterschauen zur Aare seinem Philosophie-
vergriffen. Eine Neuauflage und eine Übersetzung,              ren hin. «Er starrte auf seinen Widerschein im Wasser
beides tut Not! Warum? Weil «The Bern Book» ein              unter sich. Je länger er schaute, desto mehr Gesichter
einmaliges Portrait der Stadt, eigentlich der Unteren        erschienen ihm. Und staunend sah er, dass zwar
Altstadt ist, Carters Lebensumgebung, mit ihrer Bei-         deren Form, Grösse, Farbe und Geschlecht variierten,
zen- szene, mit ihren Bewohnern, ihrer Kulturszene.          aber alle erschienen sie ihm letztlich als eines, als sein
                                                             Gesicht. Sein Gesicht, und doch waren es deren viele.
Er beobachtete und zeichnete das Gesehene, seine             Es schien ihm, die Trennung von du und ich, von die-
Überlegungen und Empfindungen auf, voller Erstau-             sem und jenem, von gut und schlecht, richtig und
nen, manchmal mit Unverständnis, analytisch, me-             falsch löse sich auf, ‘and he began to see that the Ber-
lancholisch, doch immer wieder auch witzig. «The             nese people were just like me!’»
Bern Book» ist keine Autobiografie und kein Reise-
führer, er selber bezeichnete es als «profession of          Wanted: Ein Archiv für den Nachlass des
faith», oder als Aufzeichnung einer Reise der Sinne          Berner Schriftstellers aus Kansas City
und des Denkens. Als zugezogener Schwarzer, als «the         Immer wieder kam Vincent Carter zu den Brücken
first and only Negro in Town», wie er sagte, weil er          und schaute hinunter zum Wasser. Eines Tages be-
dermassen angestarrt worden sei, als hätte hier nie-         merkte er am Geländer eine Spinne. «Still und be-
                                                                                                                           «African Tales», Kugelschreiber auf Papier, in Carters
mand je einen Schwarzen gesehen, schrieb er von ei-          scheiden baute sie ihr Netz. Sie so beobachtend,
                                                                                                                            typischer Zeichentechnik.
gener Irritation und Veränderung.                            begriff ich, dass das Ergebnis ihrer Anstrengungen
                                                             poetisch und fantastisch war, zugleich ihr natürlicher
Zwischen Anpassung und Selbstfindung                           Ausdruck. Das Einzige, was sie zu vollbringen hatte,         Zeichnungen in Mappen. Dafür gilt es, für die Zukunft
In seiner ersten Zeit in Bern litt er unter dem aus-         war dieses Netz. Da habe er begriffen, dass für ihn           das richtige Archiv zu finden. Vincent Carters Werk
grenzenden Misstrauen, das ihm vielerorts entgegen-          das einzig zu Vollbringende das Schreiben sei. ‘I was        sollte, vielmehr muss in Bern bleiben, schliesslich
schlug. Er versuchte, sich anzupassen, zu sein, wie alle     a writer, and a writer, with or without a full stomach,      lebte und arbeitete er länger hier als in seiner Hei-
andern, gewöhnte sich darum das Singen auf den               I would remain.’» Von da an habe er sich nicht mehr          matstadt Kansas. Das bildnerische und das geschrie-
Strassen ab, ebenso das Lachen, weil man hier nicht          anzupassen versucht, wollte kein um Aufmerksamkeit           bene Werk muss zusammenbleiben!
singe und nicht lache in den Strassen. Glücklicher-          und Anerkennung Bettelnder mehr sein, von da an                                                                 ig
weise fand er gute Freunde, die ihm hie und da auch          habe er nur noch auf sich selbst gehört und sich selbst
zu kleinen Einkünften verhalfen.                             sein wollen. Er war Schriftsteller, er schrieb.              *Zitate aus «The Bern Book» von Vincent O. Carter, The John
                                                                                                                          Day Company, New York 1970. Eine deutsche Übersetzung
                                                             Und er zeichnete, war ein Zeichner, ein leidenschaft-        steht noch immer aus. Die ausschnittweisen Übertragungen
                                                                                                                          ins Deutsche im Text stammen von Iris Gerber.
                                                             licher. Wieder beschäftigten ihn Gesichter, nicht als
   IN FO         BEGEGNUNG MIT DEM WERK                      Portraits, sondern ihre Verschiedenartigkeit. Ar-
                                                             chaisch im Stil und direkt im Ausdruck, die Linie, der
                Eine Lesung aus Vincent O. Carters «The
                                                             Strich, verdichtet und verwoben: Vincent Carters Zei-
            Bern Book», zusammen mit einer Präsentation
                                                             chenschreibkunst.
aus seinem zeichnerischen Schaffen, ist in Vorbereitung.
Wenn Sie dazu informiert werden möchten, so melden Sie
                                                             Der zeichnerische und der schriftstellerische Nachlass
sich bitte über die Redaktion. Haben Sie Vincent Carter
persönlich gekannt, möchten Sie zu Übersetzung, Archi-       liegt bis heute bei seiner Lebenspartnerin Liselotte
vierung u.ä. eine Mitteilung machen? Zuschriften jeder Art   Haas. Die Manuskripte der veröffentlichten Bücher,
sind erwünscht auf: redaktion@brunnezytig.ch                 wie noch zwei weitere bis anhin unveröffentlichte, die
                                                        ig   Briefe an seine Eltern in Kansas, Fotos, die vielen
BrunneZytig
 8       22. November 2019                                      Läbigi Altstadt

STABWECHSEL IN DER BERNER MÜNSTER-STIFTUNG                                                                            Christophe von Werdt, was sind Ihre Beweggründe,
                                                                                                                      sich in der Münster-Stiftung und dazu noch als Präsi-
Seit Mitte 2019 ist der Unternehmer und Osteuropa-Historiker Dr. Christophe von Werdt Präsident                           dent zu engagieren?
der Berner Münster-Stiftung. Er löst als nun dritter Stiftungspräsident Dr. Arthur Liener ab, der                       Christophe von Werdt: Das Berner Münster ist in
die Stiftung ganze 19 Jahre lang leitete. Im Interview wirft der ehemalige Präsident einen kurzen                     vielerlei Hinsicht das sinnträchtigste Gebäude Berns.
Blick zurück, und der neue Präsident legt dar, was seine Motivation und seine Ziele sind.                             Es zeugt vom Gestaltungswillen einer Gesellschaft des
                                                                                                                      15. Jahrhunderts, die weit über ihre Generation und
                                                                                                                      ihr irdisches Dasein hinausdachte und so die Kraft
BrunneZytig: Arthur Liener, die Berner Münster-Stif-      als Stiftungsrat einer mehr kulturell ausgerichteten
                                                                                                                      aufbrachte, ein grossartiges Gebäude zu errichten, das
tung wurde 1993 gegründet, 100 Jahre nach der             Stiftung prädestinierte – oder eben gerade doch?
                                                                                                                      uns auch 600 Jahre später noch beeindruckt und in-
Turmerhöhung. Was gab den Anlass zur Stiftungsgrün-       Arthur Liener: Ich hatte das Glück, bereits in jungen
                                                                                                                      nehalten lässt. Grund genug, um sich für eine kurz
dung?                                                     Jahren am Gymnasium Lehrer zu haben, die mir den
                                                                                                                      bemessene Frist in dessen Dienst zu stellen?
Arthur Liener: Das am 18. Januar 1874 erlassene           Zugang zur Literatur, Geschichte und zu den gestalte-
Gesetz über die Organisation des Kirchenwesens im         rischen Künsten derart eröffnet haben, dass ich diese        Sie sind Mitglied des Kleinen Burgerrates der Burger-
Kanton Bern führte zu einer neuen Regelung der Ei-        zum lebenslangen Hobby machte. Durch das Militär            gemeinde Bern. Wie können die Berner Münster-Stif-
gentumsverhältnisse in Form des sogenannten Aus-          habe ich überdies Kultur, Land und Leute eines gros-        tung und die Burgergemeinde Bern von ihren beiden
scheidungsvertrages vom Sommer 1875. 1881                 sen Teils unseres Landes kennen und schätzen ge-            Engagements profitieren? Oder umgekehrt gefragt:
wurde der Münsterbauverein gegründet, dessen Ziel         lernt. Ferner war ich lange Jahre im Vorstand der           Birgt dies auch Konfliktpotential und Abgrenzungs-
es war, «die Vollendung» des Berner Münsters mit          Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte tätig.      schwierigkeiten?
dem Ausbau des Turmes zu erreichen. Am 1. Juli            Nach meiner Meinung schliessen Naturwissenschaf-            Christophe von Werdt: Die Burgergemeinde Bern
1993 hat der Münsterbauverein als Stifter die «Ber-       ten und Militär einen engen Bezug zur Kultur nicht          wird im Stiftungsrat der Münster-Stiftung nicht durch
ner Münster-Stiftung» (BMS) errichtet. Die ursprüng-      aus.                                                        mich vertreten. Diese Aufgabe wird von einem ande-
lich breit abgestützte Vereinsmitgliedschaft reduzierte                                                               ren Stiftungsratsmitglied wahrgenommen. Insofern
sich immer mehr, so dass die Tätigkeit des Vereins                                                                    werden die beiden Funktionen sauber auseinander-
sich von dem im Sinne des im ZGB verankerten Ver-                                                                     gehalten. Vielleicht verbindet aber beide Institutionen
einszwecks deutlich entfernt hat. Die Umwandlung                                                                      das Bewusstsein um den Wert lebendiger Traditionen,
des Münsterbauvereins in die Stiftung BMS war dem-                                                                    die offen für den Wert von Neuem sind. Da kann die
nach ein folgerichtiger Schritt.                                                                                      Burgergemeinde Bern als nicht ganz drei Mal jüngere
                                                                                                                      natürlich nur vom Münster lernen!
Stiftungszweck ist die Erhaltung und Pflege des Berner
Münsters in seiner Gesamtheit als Geschichts-, Kultur-
                                                                                                                      In der Münster-Stiftung vertreten sind sämtliche Ei-
und Kunstdenkmal. Ist ein solch umfassender und an-
                                                                                                                      gentümer, Nutzer und die mit baulichen Aufgaben be-
spruchsvoller Stiftungszweck, der zudem noch die
                                                                                                                      trauten Gremien. Wie lassen sich all diese Interessen
Koordination der Tätigkeiten vorsieht, in einem neben-
                                                                                                                      bündeln?
amtlichen Gremium überhaupt zu leisten?
                                                                                                                      Christophe von Werdt: So wie ich das Zusammenwir-
Arthur Liener: Die Organisation der Stiftung verfügt
                                                                                                                      ken im Stiftungsrat bisher erlebt habe, treten alle in-
mit dem Münsterbaukollegium über eine umfassende,
                                                                                                                      volvierten «zeitlichen Teilhaber» hinter die – gemein-
kompetente denkmalpflegerische Kapazität, die durch
                                                                                                                      samen – Interessen am Münster zurück und suchen
die Münsterarchitekten und die Bauhütte bestens er-
                                                                                                                      immer nach guten, einvernehmlichen Lösungen.
gänzt wird. Die BMS bewältigt ihre Aufgaben neben-
                                                                                                                      Letztlich flösst wohl das Münster auch etwas Ehrfurcht
und auch ehrenamtlich problemlos.
                                                                                                                      vor der Aufgabe ein, die über sechs Jahrhunderte
Welche generellen Entwicklungen im Zusammenhang            19 Jahre präsidierte Arthur Liener die Berner Müns-       an die momentanen Verantwortungsträgerinnen und
mit dem Münster haben Sie während Ihrer Amtszeit            ter-Stiftung – und hat nach eigenem Bekunden «nur         -träger in Kirche, Politik, Denkmalpflege und Bau-
erlebt – und vor allem: mitgestaltet?                       Höhepunkte erlebt».                         (Foto: zVg)   hütte weitergereicht wurde. Ansonsten hilft eine Be-
Arthur Liener: Die Entwicklung der Steinrestaurie-                                                                    sichtigung des wunderbaren Bauwerks unter
rung nach der Berner Methode (Hermann Häberli,            Sie waren viele Jahre auch als Ombudsmann in der            fachkundiger Begleitung, um dieses Bewusstsein bei
Annette Loeffel, Peter Völkle); die Möglichkeiten der      Medienbranche tätig. War das auch Ihre Rolle im             Bedarf rasch wieder zu schärfen. (Lacht.)
digitalen Photogrammetrie an den Schlusssteinen des       Kreuzfeuer der Shareholder- und Stakeholder-Interes-
Berner Münsters durch Jan Ruben Fischer. Es geht          sen rund ums Münster – die Vermittlung also zwischen        Wie finanziert sich die Berner Münster-Stiftung res-
dabei unter anderem um die 3D-Abbildung.                  den verschiedenen Interessensgruppen?                       pektive was und wie trägt sie zur Finanzierung von
                                                          Arthur Liener: Der Funktion einer Ombudsstelle              Projekten im Münster bei?
Was bleibt Ihnen als Höhepunkt/e und was als Enttäu-
                                                          kommt weitgehend die Rolle eines Mediators zu. Bei          Christophe von Werdt: «Die Stiftung bezweckt die
schung/en besonders in Erinnerung?
                                                          der BMS hatte ich nie den Eindruck, dass ich irgend-        Erhaltung und Pflege des Berner Münsters in seiner
Arthur Liener: In meiner Präsidialzeit erlebte ich nur
                                                          welche Differenzen auszugleichen hätte, ganz im Ge-          Gesamtheit als Geschichts-‚ Kultur- und Kunstdenk-
Höhepunkte!
                                                          genteil. Die personelle Zusammensetzung des                 mal», wie es in der Stiftungsurkunde heisst. Sie hat
– Die vorbildliche Zusammenarbeit mit den Münster-
                                                          Stiftungsrates ist dem Münster sehr zugetan, denn die       den «Erhalt des Berner Münsters als Gesamtkunst-
  architekten und der Bauhütte
                                                          Bedeutung des Münsters ist allen sehr bewusst, sei es       werk» zur Aufgabe. Ihre Projekte sind deshalb bau-
– Eine zielorientierte, reibungslose Zusammenarbeit
                                                          als Gotteshaus, als touristische Attraktion, als Wahr-      lich-denkmalpflegerischer Natur, konservatorische
  mit den Mitgliedern des Stiftungsrates
                                                          zeichen von Bern und vieles andere mehr.                    Arbeit am Bauwerk Münster eben. Finanziell bei der
– Die unfallfreie Arbeit bis auf 100 Meter über
                                                                                                                      Ausübung ihrer Aufgaben unterstützt wird die Stiftung
  Grund
                                                          Was wünschen Sie sich als ehemaliger Präsident für          dabei von der Einwohnergemeinde, die gemäss Aus-
– Den Wegfall des grauslichen Bretterverschlages an
                                                          die Zukunft der Berner Münster-Stiftung und für das         scheidungsvertrag von 1875 für den baulichen Un-
  der Westseite des Turmes
                                                          Münster?                                                    terhalt zuständig ist, der Kirchgemeinde, der Burger-
– Und last, but not least: die Reinigung des Chorge-
                                                          Arthur Liener: Ich wünsche der BMS alles erdenk-            gemeinde Bern, und – teilweise projektbezogen – dem
  wölbes.
                                                          lich Gute, viel Glück, viele Besucher als Kirchgänger       Lotteriefonds sowie dem Bundesamt für Kultur. Auch
Sie haben einen beruflichen Hintergrund als Natur-        und/oder Bewunderer der 600 Jahre alten, durch die          der Förderverein des Berner Münsters – Sind Sie
wissenschaftler und Militär, der Sie prima vista nicht    Münster-Stiftung aber frisch gehaltenen Dame.               schon Mitglied? – unterstützt das Münster auf seine ei-
BrunneZytig
                                                                Läbigi Altstadt                                                                   22. November 2019
                                                                                                                                                                           9

                                                          DIE KELLERKULTUR DARF NICHT STERBEN
                                                          Er gab in den Berner Medien viel zu reden, der neue Kredit für die Altstadtkultur, den Stadtprä-
                                                          sident Alec von Graffenried zur Chefsache erklärt hat. Die BrunneZytig wollte die Hintergründe
                                                          und Beweggründe für diese unverhoffte Unterstützung etwas näher unter die Lupe nehmen und
                                                          hat sich in den Erlacherhof begeben, um beim Stapi direkt nachzufragen

                                                          Eingebettet in die Städtische Kulturförderungspolitik       60er bis 80er Jahre noch in bester Erinnerung. Die
                                                          wird der vieldiskutierte Kredit in einem separaten          Kellerlokale prägten das kulturelle Leben der Alt-
                                                          Artikel der «Vierjahresplanung 2020-2023 –                  stadt auf eine unverkennbare und unnachahmliche
                                                          Schwerpunkte und Mittelverwendung» vom 25. Ok-              Weise, und er ist überzeugt, dass diese kreative Kraft
                                                          tober 2018 genannt und erklärt: «Die Altstadt ist ein       noch da ist. Nun setzt er ein Zeichen von Seiten der
                                                          spezieller Stadtraum mit besonderer Geschichte und          Stadt und bietet den Kulturschaffenden einen An-
                                                          grosser Bedeutung für die Stadt. Ziel des Kredits (von      reiz, trotz der schwieriger geworden Zeiten weiter-
                                                          Fr. 100‘000) ist die Erneuerung der Tradition der           zumachen. «Wir hoffen, damit eine gewisse Konti-
                                                          Kulturlokale mit Bühnenkunst in der unteren Alt-            nuität des Kulturschaffens zu ermöglichen. Wir un-
                                                          stadt – oft in Altstadtkellern. Die geförderten Lokale      terstützen die Altstadtkeller mit einem Infrastruk-
                                                          und ihre Programme sollen öffentlich zugänglich              turbeitrag. Für ihre Projekte und Programme können
                                                          und attraktiv sein. Die Lokale sollen an möglichst          sie zusätzliche Förderung beantragen». Der Stadtprä-
                                                          vielen Tagen im Jahr genutzt werden. Auch Vermie-           sident spricht hier die beiden Arten von Krediten an,
                                                          tungen sind möglich.» (Artikel 5.13)                        die auch in der Kulturstrategie der Stadt Bern ver-
                                                                                                                      ankert sind: diejenigen, welche mit einem Leistungs-
                                                          Warum gleich Chefsache?                                     vertrag verbunden an kulturelle Institutionen
 Der neue Präsident der Münster-Stiftung, Christophe     Manch einer fragt sich vielleicht, weshalb der Stadt-       vergeben werden, und die sogenannte direkte För-
  von Werdt, will nicht, dass das Münster zur «Event-     präsident ausgerechnet diesen Kredit zur «Chefsa-           derung, die Künstler und ihre Projekte unterstützen.
  Location» wird, sondern ein Ort des Staunens und der    che» erklärt hat. Auf diese Frage gibt es eine recht
  Würde bleibt.                    (Foto: Adrian Moser)
                                                          prosaische Antwort, denn die städtische Kulturför-          Warum ein spezieller Kredit für die Altstadt?
                                                          derung bestimmt, dass über Kredite zwischen                 Mit Hilfe der Vergabe von direkten Förderbeiträgen
gene, ganz wichtige Art, indem er mithilft, das Müns-     10‘000 und 100‘000 Franken der Stadtpräsident               soll also die Tradition der Altstadt-Kellerkultur auf
ter im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und       entscheidet. Beträge unter 10‘000 Franken kann              innovative und individuelle Weise fortgeführt wer-
seinen Mitgliedern immer wieder interessante Einbli-      «Kultur Stadt Bern» vergeben, die Verwaltungsabtei-         den können. Ob es sich dabei um den berühmten
cke in Fragen rund ums Münster ermöglicht.                lung der Präsidialdirektion, welche für die Kultur-         Tropfen auf den heissen Stein oder um einen frucht-
                                                          förderung zuständig ist. Beiträge über 100’000              baren Regenschauer handelt, sei erst einmal dahin-
Allgemein entleeren sich Kirchen und verlieren damit      Franken müssen vor den Gemeinderat. Obschon der             gestellt, denn noch sind keine Gelder verteilt
letztlich ihre «Kernaufgabe» als Gotteshaus. Von sol-     Stadtpräsident demnach «automatisch» für den neu-           worden. Die Frist für Anträge läuft erst am 2. De-
chen Entwicklungen nicht verschont ist das Münster.       geschaffenen Kredit zuständig ist, verneint er kei-          zember aus.
Eine häufige Reaktion ist, Institutionen entsprechend     neswegs, dass ihm dieser auch persönlich am
als «Begegnungsorte» strategisch neu zu positionieren.    Herzen liegt, denn er hat – wie viele Bernerinnen           Was aber war der Grund für die «Abspaltung» eines
Wird das Münster bald zur Event-Location?                 und Berner auch – die Altstadtkeller-Kultur der             speziellen Altstadtkeller-Kredits innerhalb der bis-
Christophe von Werdt: Das Münster ist und bleibt ein
Gotteshaus und wird in diesem Sinne von der Kirch-
gemeinde weiterhin mit Sinn und Leben erfüllt. Kul-
turelle Veranstaltungen, insbesondere Konzerte
gehören schon heute zum Münster und eröffnen
ebenfalls einen würdigen Zugang zu dieser Kirche, zu
einem Ort also, der uns lehrt, wie wir staunend über
uns hinauswachsen können. Ich hoffe, dass das
Münster nicht zu einer «Event-Location» wird, son-
dern ein Ort des Staunens und der Würde bleibt.
Denn das ist seine eigentliche «strategische» Aufgabe.

Was sind die derzeit laufenden und anstehenden Pro-
jekte, und welche Ziele streben Sie in den nächsten
Jahren an?
Christophe von Werdt: Die Arbeit am Münster, die
fachlich in erster Linie vom Baukollegium, den Müns-
terarchitekten sowie der Bauhütte begleitet wird,
endet nie! Ich denke, eine ständige Herausforderung
bleibt, das Münster und seine Bedeutung einer breiten
Bevölkerung zu vermitteln, die nicht allwöchentlich
zur Kirche geht. Das Jubiläum der Grundsteinlegung
von 1421, das im Jahre 2021 ansteht, wird wie-
derum eine schöne Gelegenheit bieten, unter ande-
rem das Bauwerk und seine Geschichte gemeinsam
mit den anderen «zeitlichen Teilhabern» in Erinne-         Stadtpräsident Alec von Graffenried und die Präsidentin der Vereinigten Altstadtleiste, Barbara Geiser, am 30. Ok-
                                                            tober beim gut besuchten Kronengespräch zum Thema «Alec und die Altstadt».
rung zu rufen.                                     CE
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