VINOMED - Deutsche Weinakademie

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VINOMED - Deutsche Weinakademie
VINOMED                                                     MAGAZIN FÜR WEIN,
                                                            LEBENSSTIL & GENUSS
                                                            NOVEMBER // 2020

Wein zum Abendessen: Für Diabetiker auf Rezept? //
Pioniere der Weinkultur: Carl Zuckmayer //
Wein und biologische Effekte: Stimmt die J-Kurve noch? //
Weinkonsum im Kontext: Gibt es ein Krebsrisiko? //
VINOMED - Deutsche Weinakademie
2 // VINOMED // AUS DER WISSENSCHAFT

WEIN ZUM ABENDESSEN: FÜR DIABETIKER AUF REZEPT?
„Cyathus vinosus cum cibus quaque die post meridiem“ – so etwa könnte die Verordnung eines
Achtels Wein mit der Abendmahlzeit lauten, die der Münchner Facharzt für Innere Medizin,
Endokrinologie und Diabetologie Prof. Kristian Rett im Rahmen der Empfehlungen zu einem
gesunden Lebensstil für Prä- und Typ-2-Diabetiker anregt.

Moderater Weingenuss = Teil des                                                         außerdem auf die Blutgerinnung, die Endothelfunktion
mediterranen Lebensstils                                                                und auf Entzündungsparameter.
In seinem Übersichtsartikel bemängelt der Diabetologe,
dass die medizinischen Programme zur Patientenversor-                                   Definition mediterraner Trinkmuster verbessern
gung zwar explizit auch die mediterrane Ernährung emp-                                  Nach Retts Ansicht muss jedoch auch die Definition me-
fehlen, allerdings fehle dabei der moderate Weingenuss                                  diterraner Trinkmuster verbessert werden. So vergibt die
zur Abendmahlzeit, der traditionell in vielen Mittelmeer-                               derzeit verbreitete MEDAS-Skala (Mediterranean Diet
ländern gepflegt werde und für dessen günstige Effekte                                  Adherence Screener) einen Pluspunkt, wenn mindestens
es eine gute Datenlage gebe. So hatte sich in der italieni-                             sieben Gläser Wein pro Woche getrunken werden. Dies
schen MOLI-SANI-Studie ein moderater Weinkonsum als                                     berücksichtigt jedoch weder das Geschlecht noch die
die Komponente einer mediterranen Ernährungsweise                                       empfehlenswerte Verteilung über die Woche und den
mit dem größten vorteilhaften Einfluss auf die Herz- und                                Konsum zu einer Mahlzeit. Nötig sei es auch, klare Emp-
Gefäßgesundheit von Typ-2-Diabetikern erwiesen. Und                                     fehlungen für Situationen auszusprechen, in denen
in der ADVANCE-Studie an gut 11.000 Typ-2-Diabetikern                                   Abstinenz oberstes Gebot ist. Ansonsten aber sollte
hatte moderater Weinkonsum im Vergleich zu Abstinenz                                    das Glas Wein zum Abendessen den Platz in ärztlichen
die Sterblichkeit günstiger beeinflusst als die medikamen-                              Lebensstilempfehlungen für (Prä-)Diabetiker bekommen,
töse Senkung von Langzeitzucker und Blutdruck.                                          den es aufgrund der Evidenz verdient.

Folge man der Evidenz, ließen sich der noch immer weit                                   VERBESSERUNGSVORSCHLÄGE ZUR BEURTEILUNG
verbreiteten Unsicherheit in Sachen Weingenuss entge-                                    DES MEDITERRANEN WEINKONSUMS:
genwirken und gut informierte Entscheidungen treffen.                                        oderater Konsum = Frauen 5 – 20 g Alkohol/Tag, Männer 10 – 40 g/Tag
                                                                                            m
                                                                                            Pluspunkt nur, wenn auch folgende Kriterien einfließen:
Da alkoholische Getränke blutzuckersenkend wirken,
                                                                                                Nüchternheit am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr
sollten sie von Diabetikern ohnehin nur im Rahmen einer                                         1 bis 2 abstinente Tage pro Woche
Mahlzeit konsumiert werden. Dazu kommen beim Wein                                               Abstinenz für Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche,
                                                                                                 bei bekannter Suchtproblematik, mentalen Problemen,
die Effekte seiner phenolischen Bestandteile, die sich                                           bestimmten Krankheiten und Medikamenten
ebenfalls günstig auf den Zuckerstoffwechsel auswirken,

Vergleich des Effektes medikamentöser Maßnahmen mit moderatem Weinkonsum auf wichtige Ereignisse
nach der ADVANCE-Studie, n = 11.140 Typ-2-Diabetiker mit hohem Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen, von 30 % der Teilnehmer Angaben
zum Konsum alkoholischer Getränke, Fettdruck = signifikante und klinisch relevante Verbesserung

                                      Medikamentös erzwungene
                                                                                Medikamentöse Blutdrucksenkung                      Moderater Weinkonsum*
                                      Senkung des Langzeitzuckers
                                                                                     von 140/75 auf 135/73                              vs. Abstinenz
                                        HbA1c von 7,4 auf 6,6 %
                                       relative                                      relative                                      relative
                                                               NNT#                                          NNT#                                          NNT#
                                   Risikosenkung                                 Risikosenkung                                 Risikosenkung
    Herz- und
                                         6%                     166                    8%                     143                   22 %                    59
    Gefäßerkrankungen
    Komplikationen an
                                        14 %                    67                     9%                     143                   15 %                    33
    kleinen Blutgefäßen
    Gesamtsterblichkeit                  7%                     142                   14 %                    83                    23 %                    83
#
 NNT = Number Needed to Treat, Anzahl Patienten, die behandelt werden müssen, um ein Ereignis zu verhindern
* moderater Weinkonsum = < 14 Drinks/Woche für Frauen, < 21 Drinks für Männer, entsprechend < 20 bzw. < 30 g Alkohol = ca. 1 Glas pro Tag für die Frau, 2 Gläser für den Mann

Quelle: Rett, K: Should we prescribe abstinence or wine once a day with supper in diabetes and prediabetes? Journal of Cardiovascular Medicine and Cardiology
2020;7:152–156
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VINOMED // WEINKULTUR // 3

PIONIERE DER WEINKULTUR: CARL ZUCKMAYER

Wein ist ein Kulturgut mit langer Tradition. Weingenießer, die einen maßvollen Lebensstil pflegen,
sehen nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer Mitmenschen als hohes Gut an.
Auch wenn ein moderater Weinkonsum heute als wesentliches Element der Weinkultur gilt, so
ist er keineswegs neu. Seit der Antike wird er aufgrund seiner positiven Wirkungen auf das körper-
liche, seelische und soziale Wohlbefinden geschätzt. Die Deutsche Weinakademie stellt auf ihrer
Internetseite Persönlichkeiten vor, die die Weinkultur aktiv geprägt oder weiterentwickelt haben.

In die Wiege gelegt                                                                            Weinphilosoph Zuckmayer
Dem berühmten deutschen Schrift-                                                               „Der fröhliche Weinberg“ wurde in
steller Carl Zuckmayer, der in                                                                 den 1920er Jahren zum größten
Nackenheim als Kind von Flaschen-                                                              deutschen Theatererfolg. Doch das
kapselherstellern zur Welt kam,                                                                allein macht Zuckmayer noch nicht
wurde die Liebe zum Wein praktisch                                                             zum Pionier der Weinkultur. Es ist
in die Wiege gelegt. Der Wein spiel-                                                           vielmehr die Tatsache, dass er nicht
te in seinem ersten Bühnenstück                                                                nur Weinliebhaber und -genießer,
„Der fröhliche Weinberg“ von 1925                                                              sondern auch Weinkenner und -phi-
eine Hauptrolle. 1955 erhielt Carl                                                             losoph war. Seine Weinphilosophie
Zuckmayer den Deutschen Wein-                                                                  ist in dem Essay „Was weiß die Welt
kulturpreis. Sein Lebenswerk strotzt                                                           über Wein“ nachzulesen, in dem
                                                      Carl-Zuckmayer-Briefmarke (1996).
trotz Verfolgung durch die National-                  Quelle: gemeinfrei
                                                                                               er die Mühsal der Weinbereitung
sozialisten, Berufsverbot und Emi-                                                             ebenso benennt wie die erfreu-
gration von hoher schriftstellerischer                die Darstellung der Zustände jedoch      lichen Wirkungen des moderaten
Produktivität. Zu seinen größten Er-                  nicht erfreut und drohten Zuckmayer      Weingenusses: „Und es scheint, dass
folgen gehören die Theaterstücke                      gar Prügel an. Dabei liebte er seine     den sogenannten Genussgiften,
„Der Hauptmann von Köpenick“, das                     Heimat und den rheinhessischen           nicht nur im Gebrauch der Medizin,
1931 erstaufgeführt wurde, sowie                      Wein: „Wir pflegten früher Weine         sondern ganz allgemein, gewisse
„Des Teufels General“ von 1946.                       ganz unfachlich, rein stimmungsmä-       lebensfördernde, sogar schöpferi-
                                                      ßig, einzuteilen in Gesprächsweine,      sche Elemente innewohnen. Eine
„Der fröhliche Weinberg“ ist eine lus-                Schweig-Weine, Streit-Weine, Grübel-     total entgiftete, nur nach sanitären
tige, aber auch derbe Komödie aus                     Weine, Liebes-Weine und so weiter –      Grundsätzen ernährte Menschheit
Zuckmayers rheinhessischer Heimat.                    die Rheinhessen-Weine galten uns         wäre vermutlich längst zugrunde
Durch sie wurde Nackenheim be-                        damals schon als ,Lach-Weineʻ, oder      gegangen, oder zumindest der Ver-
kannt, die Einheimischen waren über                   auf höherer Stufe als ,Mozart-Weineʻ.“   blödung heimgefallen.“

Quelle: https://www.deutscheweinakademie.de/kultur-gesellschaft/pioniere-der-weinkultur
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4 // VINOMED // DWA INTERN

COVID-19: WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DER DWA POSITIONIERT
SICH KLAR

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind viele, teils sehr         •Ü
                                                                 bermäßiger Alkoholkonsum schwächt das Im-
unseriöse Pressemeldungen zu Wein und COVID-19 ver-             munsystem und verringert somit die Fähigkeit des
öffentlicht worden. Da die DWA nur Kenntnisse vermit-           Körpers, mit Infektionskrankheiten umzugehen.
telt, die auf einer wissenschaftlichen Evidenz beruhen,
distanziert sie sich klar von unbewiesenen Aussagen.           •U
                                                                 nabhängig von Corona empfehlen wir den moderaten
Auf seiner Sitzung am 08. 10. 2020 positionierte sich der       Weinkonsum gemäß den Wine in Moderation-Richt-
Wissenschaftliche Beirat der DWA deutlich dazu und              linien. Dies bedeutet, dass der Weinkonsum nicht ein
bekräftigte seine bestehenden Leitlinien für einen ver-         bis zwei Standardgläser (ca. 150 bis 300 ml) pro Tag
antwortungsvollen Weinkonsum, die selbstverständlich            überschreiten und am besten im Rahmen einer Mahl-
auch in Corona-Zeiten gelten.                                   zeit erfolgen soll. Hingewiesen sei insbesondere auf die
                                                                Lebenssituationen, in denen auf den Konsum alkoho-
In der dazu formulierten Stellungnahme (1) hielt der Bei-       lischer Getränke jeglicher Art gänzlich verzichtet wer-
rat folgende Punkte fest:                                       den sollte (wie z. B. Schwangerschaft oder Suchtgefahr).

• Der Konsum von Wein schützt nicht vor COVID-19.             • E in bis zwei Abstinenztage in der Woche sind empfeh-
                                                                  lenswert.
•W
  ein sollte nicht getrunken werden, um eine Infektion
 zu verhindern oder zu behandeln.                              (1) www.deutscheweinakademie.de

WEIN UND GESUNDHEIT: DIE „J-KURVE“ IST ECHT
Gibt es tatsächlich, wie von Kritikern oft behauptet wird, keinen „sicheren“ Weinkonsum? Oder
anders gefragt: Ist die so häufig beobachtete und gut dokumentierte J-förmige Beziehung zwischen
dem Konsum alkoholischer Getränke und gesundheitlichen Endpunkten bis hin zur Gesamtsterblich-
keit „echt“? Diesen Fragen widmete sich am 17. 06. 2020 der Münchner Ernährungswissenschaftler
Prof. Dr. Nicolai Worm in einem Online-Seminar des Wine Information Council (WIC).

                                                               statistische Beziehung zwischen dem Konsum alkoho-
                                                               lischer Getränke und der Sterblichkeit insgesamt, insbe-
                                                               sondere jedoch der Sterblichkeit an koronaren Herzkrank-
                            Prof. Dr. Nicolai Worm, München,   heiten und kardiovaskulären Krankheiten, zeigten (1, 2).
                            Ernährungswissenschaftler und
                            Publizist, Beirat der Deutschen
                                                               J-förmig bedeutet: Im Vergleich zur Abstinenz sinkt das
                            Weinakademie (DWA)                 relative Risiko bei leichtem und moderatem Konsum, um
                                                               erst bei hohen Konsummengen anzusteigen.

Konsistente Evidenz                                            Aufgrund der bis dato vorliegenden epidemiologischen
Zunächst zeichnete Worm die Datenlage im Lauf der              Studien bestehe kein Zweifel daran, dass die „J-Kurve“
Jahrzehnte nach: Beginnend mit Ländervergleichsstudien         weiterhin valide ist: Moderater Weinkonsum ist kon-
aus den 1980er Jahren hatte sich bereits eine verringerte      sistent mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-
Koronarsterblichkeit bei steigendem Weinkonsum ge-             Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und mit einer allgemein
zeigt. Allerdings erlauben solche beobachtenden Stu-           höheren Lebenserwartung assoziiert. Daher werde heute
dien keine Aussagen über einen Ursache-Wirkungs-Zu-            nicht mehr über den Verlauf der Kurve diskutiert, son-
sammenhang. Ab den 1990er Jahren erschienen dann               dern über ihren Nadir: bei welcher Dosis die Effekte am
prospektive Beobachtungsstudien, die eine J-förmige            größten sind.
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VINOMED // DWA INTERN // 5

      Konsum alkoholischer Getränke und Gesamtsterblichkeit in den USA
      n = 333.247, Follow-up 8,2 Jahre, 34.754 Todesfälle
                                                                                                                                                           Kein Vergleich mit dem
      (8.947 durch kardiovaskuläre Krankheiten, 8.427 durch Krebs)                                                                                         Rauchen
                                                                                                                                                           Widerlegen konnte Worm auch
                                                                                                                                                           den oft geäußerten Vergleich,
Log-Hazard-Ratio für Gesamtsterblichkeit

                                           0,6                                                                                                             der Konsum alkoholischer Ge-
                                                                                                                                                           tränke sei ebenso gesundheits-
                                           0,4                                                              →K
                                                                                                              eine Risikosteigerung                       schädlich wie Zigarettenrauchen.
                                                                                                             bis zu                                        Studien haben klar gezeigt, dass
                                                                                                             13–14 Drinks/Woche
                                           0,2
                                                                                                             oder 2 Drinks/Tag
                                                                                                                                                           es beim Rauchen – im Gegensatz
                                                                                                                                                           zum Wein – keine „J-Kurve“ gibt,
                                           0,0
                                                                                                            →1
                                                                                                              Drink = 14 g Alkohol,                       sondern eine lineare Risikoerhö-
                                                                                                             z. B. 150 ml Wein                             hung (6). Das heißt: Bereits die
                                                                                                             mit 12 Vol.-%
                                                                                                                                                           erste Zigarette ist schädlich und
                                                 0            10     14        20                  30
                                                     Aktueller Alkoholkonsum (Drinks/Woche)
                                                                                                                                                           kann somit nicht mit moderatem
                                                                                                                                                           Weinkonsum verglichen werden.
      Quelle: Xi, B et al., J Am Coll Cardiol 2017;70:913–922

      Allerdings können auch prospektive                                             lischen Getränken ist Wein zudem                                   auch wichtig zu betonen, dass der
      Kohortenstudien lediglich Assozia-                                             reich an Polyphenolen. Sie verbes-                                 moderate Weinkonsum in einen ins-
      tionen aufzeigen. Von höherer Evi-                                             sern oder erhalten die Funktion des                                gesamt gesunden Lebensstil einge-
      denz wären randomisierte, place-                                               Endothels und die Elastizität der                                  bunden sein muss, um seine günsti-
      bokontrollierte Interventionsstudi-                                            Blutgefäße, wirken antioxidativ und –                              gen Wirkungen zu entfalten. Wie dies
      en. Diese sind in Ernährungsfragen                                             eine noch recht neue Erkenntnis –                                  aussehen kann, zeigte er beispielhaft
      jedoch kaum durchführbar, da die                                               verändern die Darmflora positiv (4).                               anhand der mediterranen Ernäh-
      Teilnehmer bemerken würden, ob                                                 Daher fanden sich in vielen Studien                                rungspyramide sowie an der von ihm
      sie Wein oder „Placebo-Wein“ be-                                               bei Weingenuss ausgeprägtere Ef-                                   entwickelten FlexiCarb-Pyramide,
      kämen. So bleiben zur Beurteilung                                              fekte als bei anderen alkoholischen                                die beide nicht nur den moderaten
      der Evidenz vor allem prospektive                                              Getränken (5). Dem Ernährungswis-                                  Weinkonsum, sondern auch weitere
      Beobachtungsstudien und Meta-                                                  senschaftler Worm war es jedoch                                    Lebensstilfaktoren berücksichtigen.
      Analysen daraus. Gestützt werden
      deren Ergebnisse, wenn die Daten-                                              Die FlexiCarb-Pyramide
      lage konsistent, biologisch plausibel                                                                                             Ihre verdienten Extra-Carbs
      und durch bekannte Mechanismen                                                                                                                                                    Säfte, Softdrinks
                                                                                                           selten
      erklärbar ist. Dass dem so ist, legte                                                                                                                                             Lightgetränke,
                                                                                                                                                                                        Früchte-Smoothies
      Prof. Worm ebenfalls dar.
                                                                                                                                                                                        Wellnesswasser,
                                                                                                                                                                                        Fruchtsaftschorle
      Wein: mehr als ein                                                                                                                                                                Gemüsesäfte
      alkoholisches Getränk
                                                                                                                                                      moderater       ausreichend
      So sprechen neben der epidemio-                                                                                                                 Weinkonsum      Schlaf
                                                                                          täglich                                                                                       Schwarzer/grüner
      logischen Evidenz auch folgende                                                                                                                                                   Tee, Kaffee

      belegte Effekte für den moderaten
      Weinkonsum: Da wären zunächst die                                                                                                                      gute Fette                 Wasser, Früchte-
                                                                                                                                                                                        und Kräutertee
                                                                                                                                                                          genügend
      Auswirkungen des Alkohols selbst.                                                                                                                                   Sonnenlicht
      In moderaten Dosen erhöht er HDL-                                                                                                                                                 Weitere Informa-
                                                                                                                                                                                        tionen unter
      Cholesterin und Adiponektin und er-                                                     Flexi-Carb-Pyramide gewichtet nach Energiedichte, Nährstoffdichte,                        http://flexicarb.
                                                                                                                                                                                        rivaverlag.de
                                                                                              Kohlenhydrate/GL, Verarbeitungsgrad, nach Worm/Lemberger/Mangiameli
      niedrigt LDL-Cholesterin, Fibrinogen
                                                                                     Quelle: © riva Verlag, 2015; ISBN 978-3-86883-546-5
      und die Plättchenaggregation (3).
      Im Gegensatz zu anderen alkoho-                                                (1) Renaud, SC et al., Epidemiology 1989;9:184–188 | (2) Roerecke, M, Rehm, J, Addiction 2012;107:1246–1260 |
                                                                                     (3) de Gaetano, G et al., Nutr Metab Cardiovasc Dis 2016;26:443–467 | (4) Cueva, C et al., Molecules 2017;22:99 |
                                                                                     (5) Wood, AM et al., Lancet 2018;391:1519–1523 | (6) de Gaetano, G et al., JACC 2017;70:923–925
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WEINKONSUM IM KONTEXT: GIBT ES EIN KREBSRISIKO?
Am 30. 09. 2020 stand Prof. Ramon Estruch beim Wine Information Council (WIC) online Rede und
Antwort zu der Frage: Wie sind die Zusammenhänge zwischen dem Konsum alkoholischer Getränke
und insbesondere von Wein und dem Risiko von Krebserkrankungen evidenzbasiert zu bewerten?

                                                             licher Konsum sei krebsfördernd, für                      gerte Gesamt-, kardiovaskuläre und
                                                             falsch. Zur Begründung führte er an,                      Krebssterblichkeit gefunden. Schon
                                                             dass sich ein deutlich differenzierte-                    das zeige, dass ein Pauschalurteil in
                                                             res Bild ergibt, wenn folgende wich-                      Sachen alkoholischer Getränke nicht
                                                             tige Punkte berücksichtigt werden:                        gerechtfertigt ist.
                                                             die verschiedenen Krebsarten, die
                                                             Art der Getränke, das Trinkmuster
                                                             sowie der Kontext der gesamten Er-                        Risiken bei hohem Konsum
                                                             nährungsweise und des Lebensstils.
                                                                                                                                                   Mund und
                                                                                                                                                     oberer Rachenraum
                                                             Eine 2018 (1) veröffentlichte Studie
Prof. Dr. Ramon Estruch,                                                                                                                                  Kehlkopf
                                                             hatte den Zusammenhang zwischen
Mitglied des Wine Information Council (WIC),
Internist an der Universitätsklinik Barcelona,               gesundheitsrelevanten Lebensstil-                                                               Speiseröhre
Professor der Universität Barcelona                          faktoren und der weiteren Lebens-
                                                             erwartung im Alter von 50 Jahren
Der Kontext entscheidet                                      untersucht. Neben dem Nichtrau-
                                                                                                                                                             Brust
                                                                                                                                                             bei Frauen
Gleich zu Beginn seines Vortrags                             chen, einem normalen Body-Mass-
                                                                                                                                                       Leber
bekräftigte Prof. Estruch, dass es kei-                      Index, einer gesunden Ernährung
ne Zweifel daran gibt, dass ein hoher                        und regelmäßiger Bewegung war
Konsum alkoholischer Getränke das                            als fünfter Punkt ein mäßiger Kon-                                                       Darm
Risiko für verschiedene Krebserkran-                         sum alkoholischer Getränke (sie-
kungen steigert. Dennoch halte er                            he Tabelle) einbezogen. Die Studie
die, unter anderem vom amerikani-                            hatte für Männer und Frauen mit
schen Krebsforschungsinstitut AICR                           jedem zusätzlichen Punkt auf der
geäußerte, pauschale Aussage, jeg-                           Lebensstilskala eine deutlich verrin-                     Quelle: modif. n. Cancer Research UK, 2014

     Risikoreduktion pro zusätzlichem Lebensstilfaktor

     Anzahl der Lebens-
     stilfaktoren mit
     geringem Risiko1
                                        0                     1                       2                      3                       4                      5

                                     Referenz-
     Gesamtmortalität
                                      gruppe
                                                            –21 %                   –39 %                  –53 %                   –65 %                   –74 %

                                     Referenz-
     CVD-Todesfälle
                                      gruppe
                                                            –25 %                   –46 %                  –60 %                   –72 %                  –82 %

     Todesfälle                      Referenz-
     durch Krebs                      gruppe
                                                            –17 %                   –32 %                  –47 %                   –56 %                  –65 %

1
     iedrigrisikofaktoren sind: Nichtrauchen, mindestens 3,5 Stunden moderate bis kräftige körperliche Aktivität pro Woche, eine hohe Ernährungsqualität und moderater
    N
    Konsum alkoholischer Getränke (= 5–15 g Alkohol/Tag für Frauen, 5–30 g für Männer), BMI < 25
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Mediterran essen und trinken                                                                 wie das „Underreporting“, das gerade beim Thema alko-
Den Kontext der Ernährungsweise hält Estruch für den                                         holische Getränke besonders ausgeprägt sein und die
wichtigsten Einflussfaktor. So hatte eine Interventions-                                     Studienergebnisse erheblich verfälschen kann. So hätten
studie (2) bei täglichem Weingenuss nur dann eine ver-                                       bei Frauen die angegebenen Trinkmengen bis zu 60 Pro-
ringerte Krebsmortalität gefunden, wenn dieser im                                            zent unter den tatsächlichen Mengen gelegen (6). Kommen
Rahmen einer mediterranen Ernährung erfolgt war. Der                                         Studien ohne Berücksichtigung des „Underreportings“ zu
Unterschied zur Kontrolldiät war signifikant (p = 0,03).                                     dem Ergebnis, dass schon bei moderatem Konsum das
Die Meta-Analyse von Schwingshackl et al. (3) fand nicht                                     Brustkrebsrisiko steige, ist das schlicht falsch, weil der
nur ein verringertes Krebsrisiko bei mediterraner Ernäh-                                     Konsum in Wahrheit viel höher lag.
rung, sondern ermittelte darüber hinaus den moderaten
Weinkonsum als stärksten Einzelfaktor dieses Essmusters.                                     Phenole im Blickpunkt
Dies zeige, wie wichtig es ist, nicht nur zwischen maßvol-                                   Was speziell den Wein angeht, so hob Estruch dessen
lem, moderatem und hohem Alkoholkonsum zu unter-                                             phenolische Inhaltsstoffe hervor, die das Krebsrisiko
scheiden, sondern auch danach, ob regelmäßig oder nur                                        entscheidend modulieren, weil sie auf allen Stufen der
gelegentlich getrunken wird, ob es sich um Wein oder                                         Krebsentstehung und -progression günstig einwirken
ein anderes Getränk handelt und ob es im Rahmen einer                                        können. Ihre Wirkungen reichen von antioxidativen und
gesunden Ernährungsweise wie der mediterranen Ernäh-                                         antientzündlichen Effekten bis hin zur Hemmung von
rung und im Rahmen einer Mahlzeit genossen wird.                                             Wachstumsfaktoren wie mTOR und der Induktion von
                                                                                             schützenden Sirtuinen (siehe Abbildung).
Binge drinking – absolutes No-Go                                                             Da vor allem Rotwein deutlich mehr
Wie entscheidend es sein kann, „binge drinking“, also                                        Polyphenole als Bier enthalte, sei bei      92 mg    300 mg
den Konsum mehrerer Getränke (mehr als 4) zu einer                                           Wein auch mit deutlicheren Wirkungen
Trinkgelegenheit, auszuschließen, zeigte Estruch an zwei                                     zu rechnen.                                 330 ml   150 ml

Beispielen: So war das Risiko für Prostatakrebs in einer
Studie mit älteren finnischen Zwillingen nur dann signi-                                     Prof. Estruch wies darauf hin, dass für jeden Menschen je
fikant erhöht, wenn sie zu den „binge drinkern“ gehör-                                       nach Alter, Geschlecht, Krankheiten und Risiken eine indi-
ten (4). Ähnlich verhielt es sich beim Brustkrebsrisiko                                      viduelle Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen ist. Dazu
dänischer Krankenschwestern (5): Es war signifikant er-                                      sei es auch notwendig, mehr Interventionsstudien zu
höht, wenn mehr als 10 Drinks (à 12 g Alkohol) an einem                                      diversen Endpunkten durchzuführen, die Ess- und Trink-
Wochenende konsumiert wurden, auch wenn dies im                                              muster berücksichtigen. Er sei zuversichtlich, dass sich
Wochendurchschnitt nur ein moderater Konsum gewe-                                            dann zeigen werde, dass ein moderater Weingenuss im
sen wäre. Weitere Fallstricke bei der Erforschung der                                        Rahmen einer gesunden (mediterranen) Ernährung das
Zusammenhänge böten Confounder, also Fehlerquellen                                           Krebsrisiko senke.

                                                                               ↓ KREBS
                                                                           ↓ ENTZÜNDUNGEN

 ↓ Arachidonsäure, inflam-                                                                  Balance zwischen pro-                                              ↓ NO                       ↓ oxidativer Stress
                                                        ↓ inflammatorische
    matorische Prostaglandine                                                                 und antiinflammato-                                                                            ↓ Zellproliferation
                                                           Angiogenese
    und Leukotriene                                                                           rischen Zytokinen                                                                              ↑ Autophagie
                                                                                                                                                              en
                                                                                                                                                    o   xid
                                                                              Regulation von                                               t   ic k
                                             He
                                               mm                                                                                 o   nS                                     T1
                                                                             NF-kB und MAPK-                                                                            IR
                                             CO un g                                                                           gv                                   S                    R
                                               X2      v
                                                  , PL o n C                   Signalwegen                            m   un                                t   ion               mT
                                                                                                                                                                                     O
                                                      A2     O                                                    m                                d   uk                    n
                                                         , LO X1 ,                                             He                               In                    g   vo
                                                             X                                                                                                   un
                                                                             POLYPHENOLE                                                              em
                                                                                                                                                         m
                                                                                                                                                  H

(1) Li, Y et al., Circulation 2018;138:345–355 | (2) Ostan, R et al., Nutrients 2015;7:2589–2621 | (3) Schwingshackl, L et al., Nutrients 2017;9:1063 | (4) Dickermann, BA et al.,
Cancer Causes Control 2016;27:1049–1058 | (5) Mørch, LS et al., Eur J Clin Nutr 2008;62:817–822 | (6) Vance, MC et al., JAMA Intern Med 2020;180:459–461
VINOMED - Deutsche Weinakademie
8 // VINOMED // QUERBEET

Corona-Shutdown: Nur jeder                                   3.200 Personen im Alter zwischen
12. konsumierte viel mehr                                    18 und 80 Jahren durch. Davon                                   Verantwortungsvolle
alkoholische Getränke                                        gaben 37,4 Prozent an, mehr alko-                               Weinwerbung
In den ersten Wochen des corona-                             holische Getränke als zuvor konsu-
bedingten Shutdowns stieg der Ab-                            miert zu haben. Bei knapp 30 Pro-
satz alkoholischer Getränke um                               zent war es jedoch nur etwas mehr.
sechs Prozent an. Waren das Hams-                            Lediglich rund 8 Prozent gaben „viel
terkäufe? Oder ist tatsächlich der                           mehr“ an. Die Wissenschaftler emp-
Konsum gestiegen? Um diese Frage                             fehlen, hier besonderes Augenmerk
zu klären, führten das Zentral-                              auf die Suchtprophylaxe zu legen.                               Mitte Oktober fand ein Online-Se-
institut für Seelische Gesundheit (ZI)                       Rund 20 Prozent der Befragten be-                               minar zum Thema Weinwerbung
in Mannheim zusammen mit der                                 richteten über einen geringeren                                 statt. Ein Thema, das viele Erzeuger
Klinik für Psychiatrie und Psychothe-                        Konsum alkoholischer Getränke,                                  und Händler interessierte. Neben
rapie am Klinikum Nürnberg eine                              rund 40 Prozent hielten ihr Trink-                              Dr. Claudia Stein-Hammer (DWA),
anonyme Online-Befragung unter                               verhalten für unverändert.                                      die berichtete, was das Thema über
                                                                                                                             rechtliche Rahmenbedingungen hi-
Änderungen des Konsumverhaltens                                                                                              naus mit Wine in Moderation zu
           8,3                     0,4
                                                                                                                             tun hat, konnte mit Katja Heintschel
                                                                                                                             von Heinegg (Foto), Geschäftsfüh-
                                                                                                                             rerin des Deutschen Werberates,
                                                                gleich viel                   etwas mehr                     eine kompetente Fachfrau gewon-
29,1                                            41,0            etwas weniger                 viel mehr                      nen werden. Sie machte den Teil-
                                                                viel weniger                  begonnen                       nehmern deutlich, was in der Wein-
                                                                                                                             werbung geht und was nicht, wo
        9,1                              12,1                                                                                die Grauzonen sind und dass das,
                                                                                                                             was offline gilt, auch den Rahmen
Quelle der Umfrage:
https://www.zi-mannheim.de/institut/news-detail/umfrage-37-prozent-trinken-mehr-alkohol.html                                 für online vorgibt.

Führt Corona zu einem höheren Weinkonsum?                                                  Freunden ein Glas Wein zu trinken, stieg der häus-
Auch Prof. Dr. Gergely Szolnoki, Institut für Wein- und                                    liche Konsum. Das bedeute jedoch nicht, dass während
Getränkewirtschaft, Schwerpunkt Marktforschung, der                                        der Krise insgesamt mehr getrunken wurde. Denn vor
Hochschule Geisenheim University, hat Befragungen                                          Corona lag der Hauskonsum von Wein bei ca. 50 Prozent,
       zum Thema Corona und Mehrkonsum durch-                                              die andere Hälfte des Weines wurde also außer Haus
       geführt. Er berichtet, dass anfänglich nicht klar                                   konsumiert. Theoretisch hätten die Weintrinker während
       war, wie sich der Konsum alkoholischer Geträn-                                      des „Lockdowns“ zu Hause daher doppelt so viel Wein
       ke weiterentwickeln würde. Da es zu Beginn der                                      trinken müssen, um die durchschnittliche Menge des
       Ausgangsbeschränkungen keine Möglichkeit gab,                                       Vorjahres zu erreichen. Und das sei ein sehr unrealis-
       etwa im Restaurant oder beim Besuch von                                             tisches Szenario.

                                                                              Sind Sie am Thema Wein und Gesundheit interessiert?
                                                                              Unter www.deutscheweinakademie.de können Sie sich
                                                                              für den dwa.letter anmelden.

                                              Herausgeber                                 Redaktion                                         Gestaltung
                                              Deutsche Weinakademie GmbH                  Dr. Claudia Stein-Hammer (V. i. S. d. P.),        Seippel & Weihe
                                              Platz des Weines 2, 55294 Bodenheim         Ulrike Gonder                                     Kommunikationsberatung GmbH
                                              info@deutscheweinakademie.de                                                                  www.seippel-weihe.com
                                              Telefon: 06135/9323144                      Fotohinweis
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                                                                                          Weinakademie GmbH; S. 4 privat, Nicolai Worm;     Produktion
                                                                                          S. 8 Katja Heintschel von Heinegg, ZAW, Berlin;   bk betterkonsult
                                                                                          S. 8 privat, Prof. Dr. Gergely Szolnoki           www.betterkonsult.de

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