VORTRÄGE UND VERANSTALTUNGEN 2012 - 2016 - BAUKULTUR
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
STIFTUNG BAUKULTUR SAAR 2 3 INHALT Veranstaltungen 2016 Bauen für alle – Jahresmotto und Veranstaltungen 08 Vortrag „Räume im Wandel...“ 10 Vortrag „Eine Stadt sucht Wohnraum“ 12 Vortrag „an-aus – Industrie baut Kultur“ 14 Vortrag „1,5 Mio. neue Wohnungen durch Dachaufstockung“ 16 Besichtigung Hager Forum in Obernai 18 Veranstaltungen 2015 Vortrag „Weiterbauen am zivilisatorischen Modell “ 22 Ortsgespräch mit Peter Michael Lupp 24 Seminar „Heimat im Wandel“ 27 Vortrag „Quartiere, keine Siedlungen...“ 30 Vortrag „Gebaute Lebensräume der Zukunft“ 33 Veranstaltungen 2014 „Über den angemessenen Umgang mit Architektur“ – Vortrag 36 „Es lohnt sich“ – Workshop im Pingusson-Bau 38 Kommunales Bauen im Saarland 41 Heimat – Wo Glück und Verzweiflung ineinander fallen 43 „Es lohnt sich“ – Fazit zum Ende der Pingusson-Ausstellung 47 Veranstaltungen 2013 Eine architektonische Entdeckungsreise durch das Saarland 53 Annäherung von Alt und Neu 56 Regionale Baukultur an zwei Beispielen 59 Baukultur betrifft alle Positionen der Stiftung Baukultur Saar 63 Veranstaltungen 2012 „Architektur in der Nachkriegszeit“ 69 „Bauen im Dorfkern“ 71 Impressum 74
STIFTUNG BAUKULTUR SAAR 4 5 ÜBER UNS Die Stiftung Baukultur Die Stiftung Baukultur Saar wurde am Anregung – zugegeben: manchmal auch einer 15.05.2009 durch die Architektenkammer des großen, es bedarf eines Anstoßes, des Blickes Saar Saarlandes gegründet und durch den Minister eines Fremden oder Unbefangenen, um Dinge für Inneres und Sport, Klaus Meiser, als rechts- anders wahrzunehmen und zu verbessern. Ähn- fähige Stiftung i. S. des § 80 des Bürgerlichen lich einem Vexierbild, das nach leichtem Kippen Gesetzbuches am 26.06.2009 anerkannt. und durch Neueinstellung der Augen den Hin- tergrund nach vorne bringt, Vordergründiges Die Stiftung Baukultur Saar hat es sich zur Auf- verschwinden lässt und Neues sichtbar macht. gabe gemacht, die Wahrnehmung für bauliche und städtebauliche Qualitäten zu schärfen. Neu betrachten, mit einem kleinen Abstand die eigentlich vertrauten Dinge erneut besehen, Die Herausforderung der Zukunft wird weniger bereits lang Gewohntes neu auf sich einwirken im Neubau liegen als vielmehr im Um- und lassen, den Blick sensibilisieren – darum geht Weiterbau. Wir wollen daher anregen, im es uns. alltäglichen baulichen Umfeld, in den Stadtteilen und Quartieren, in Stadtzentren, Gemeindemit- Weitere Infos finden Sie unter: aksaarland.de/ telpunkten, bei öffentlichen Gebäuden genauer die-stiftung-baukultur-saar hinzusehen: _ Schönes und Gelungenes entdecken Vorstand _ Bauliche „Sünden“ und Fehlentwick- Prof. Wolfgang Lorch (Vorsitzender) lungen erkennen Jens UKFW Stahnke (stv. Vorsitzender) _ Über Verbesserungen nachdenken Daniel Kempf Alexander Schwehm Orte und Stadtteile sind – wie überall so auch Prof. Dr. Peter Schweitzer im Saarland – in ihrer Struktur und Ästhetik Barbara Wackernagel-Jacobs gewachsen, bilden die Geschichte, die Stärken und auch die Fehlentwicklungen dieser Region Beirat ab. Sie müssen in ihrer sozialen und ökonomi- Herbert Kiefer (Vorsitzender) schen Historie verstanden werden. Das bedeutet Michael Schmidt (stv. Vorsitzender) aber nicht, dass nichts geändert werden darf, Bettina Berwanger, Dr. Ilka Desgranges, vieles im Bestand kann umgebaut, reduziert, neu Marlen Dittmann, Peter Glaser, Evi Hager, genutzt, also verbessert werden. Klaus Heller, Frank Johannsen, Karl Kleineberg, Zu häufig haben wir uns an die Ästhetik des Roland Lupp, Johannes Meiers, Martin Ruck, Bestehenden gewöhnt, übersehen Hässliches Igor Torres, Anja Welle und Misslungenes, lassen weitere Verschlimme- rungen zu. Es bedarf zuweilen nur einer kleinen Saarbrücken im Dezember 2016
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2016 BAUKULTUR SAAR 8 9 BAUEN FÜR ALLE Auch im Jahr 2016 waren alle Interes- Vortrag von Martina Löw am sierten dazu eingeladen, sich mit dem 02.06.2016 Veranstaltungen der Stiftung baulichen Umfeld, den bestehenden Räume im Wandel. Wie wir Raum heute Häusern, den Zentren und Stadtteilen neu erfahren. Baukultur Saar 2016 im Saarland zu befassen und von span- nenden Diskussionen und Anregungen Werkbericht des Münchner Architekten ‚von außen‘ zu profitieren. Die Veran- Andreas Garkisch am 16.06.2016 staltungen möchten dazu beitragen, Eine Stadt sucht Wohnraum die regionale Baukultur im Saarland zu stärken und zukunftsgerecht weiterzu- Till Schneiders Plädoyer für Industrie- entwickeln. baukultur am 15.09.2016 „an-aus − Industrie baut Kultur“ Heutige und künftige Bauaufgaben liegen weniger im Neubau denn im Um- Vortrag von Karsten Tichelmann am und Weiterbau. Das bedeutet: Neben 29.09.2016 dem Erhalt historischer Strukturen sind 1,5 Mio. neue Wohnungen durch Dach- vor allem behutsame Ergänzungen mit aufstockung zeitgemäßen, gestalterisch anspruchs- vollen Gebäuden, gelungene An- und Besichtigung am 19.10.2016 Umbauten sowie sensible Eingriffe in Hager Forum in Obernai von sauer- den Ortszentren erforderlich. bruch hutton Das diesjährige Motto der Veranstal- tungen war: BAUEN FÜR ALLE. Architektur und Baukultur sind öffentli- Fotos oben von links nach rechts: che Angelegenheiten, die alle betreffen. Martina Löw, Andreas Garkisch, Till Schneider Die Veranstaltungen der Stiftung Baukul- (© iris Maurer), Karsten Tichelmann (© Tom tur Saar richten sich ausdrücklich an alle Gundelwein) interessierten und neugierigen Bürgerin- Großes Foto: Besichtigung des Hager Forums nen und Bürger, nicht nur an Fachleute − am 19.10.2016 (© Cornelia Noll) aber auch an diese!
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2016 BAUKULTUR SAAR 10 11 Räume im Wandel. Wie wir Der Vortrag von Martina Löw bildete Bildungsstand oder Reife des Nutzers „Eigenlogik“ der österreichischen Stadt Foto links: Martina Löws Vortrag bildete den Fotos: Iris Maurer den Auftakt der diesjährigen Reihe werde dies verschieden aufgefasst. Graz und veranschaulichte damit ihre Einstieg in die Veranstaltungsreihe im Jahr Raum heute neu erfahren. „Bauen für alle“ der Stiftung Baukul- Raumtheorie. 2016 tur Saar. Professor Wolfgang Lorch, Löw schilderte: „Architektur ist eine 2. Foto von links: Martina Löw im Gespräch mit Vortrag von Martina Löw Vorsitzender der Stiftung, stellte die Raumgestalterin. Unabhängig von der Graz war 2003 europäische Kultur- Professor Wolfgang Lorch, Vorsitzender der Soziologin als „Multitalent“ vor. Ein Qualität schaffen Architekten Räume. hauptstadt. Das überraschende Ergeb- Stiftung Baukultur Saar am 02.06.2016 Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Aber sie sind darauf angewiesen, dass nis der Studie: Das für dieses Ereignis Planungs- und Architektursoziologie. Sie die Nutzer den Raum ‚aufspannen‘.“ gebaute Kunsthaus von Peter Cook und ist Vermittlerin zwischen Architekten Das funktioniert ganz unterschiedlich: Coulin Fournier im Arbeiterviertel Lend und Soziologen und in ihrer Funktion Ein Beispiel sei der Marktplatz, den bricht mit seiner Blob-Architektur zwar als Jurymitglied oder Beraterin oft an wir als solchen erkennen und nutzen mit der Fachwerk-Umgebung, wird Stadtentwicklungskonzepten beteiligt. können. Es könnten aber auch schlicht aber von den Bürgern wohlwollend die Verbindungen zwischen Baukör- aufgenommen. Die Grazer erkennen Ihr Verständnis von Raum erläuterte sie pern sein und dem Raum, der dazwi- das „Friendly Alien“ als Ausdruck des anhand eines geschichtlichen Abrisses. schen entsteht. Oder es sei der Raum in Fortschritts und der Modernisierung Bereits in den 1920er Jahren began- „statischer Architektur als Rahmen“, wo an. Damit verschiebe das Kunsthaus als nen die Kunst und das Theater, den er die „Relation zwischen platzierten nicht-heimeliges Element das relative „vorgegebenen Bildraum“ zu sprengen. materiellen Gütern und Menschen“ ist. Raumverständnis. Und auch Albert Einsteins Relativitäts- So ändere sich die Wahrnehmung des theorie trug dazu bei, „Räume nicht Besuchers des Kölner Doms enorm, Darin sieht Löw ein großes Potenzial mehr in einer Containerfunktion zu wenn er ihn zufällig ohne eingestellte für die Baukultur. Die Frage sei, welche sehen“. In den 1960erJahren zeigte die Stühle vorfände, erzählte Löw. Räume sich für welche sozialen Grup- Weltraumeroberung, dass Räume nicht pen wo in der Stadt aufspannen. „So- statisch und damit territorial sind. Der Auch die neuen Medien können Räume ziologie und Architektur sollten stärker menschliche Erdraum sei mehr als der aufspannen und entmaterialisieren ins Gespräch kommen“, plädierte Löw. umschließende Raum. dadurch den Raum. Während ihrer Demnach ist auch Löws Antwort auf Vorlesungen halte sich die Hälfte ihrer eine Frage aus dem Publikum durchaus Der sogenannte Spatial Turn folgte in Studierenden in virtuellen Räumen auf, als Einladung zu Gesprächen zu verste- den 1990er Jahren. Mit ihm wurden scherzte Löw. hen: „Mich würde die ‚Eigenlogik‘ von Räume als soziale Produkte angesehen, Saarbrücken brennend interessieren. mussten aber von ihren Nutzern als Den zweiten Teil ihres Vortrags widme- Sie erschließt sich mir nicht direkt.“ solche erkannt werden. Je nach Kultur, te sie einer durchgeführten Studie zur Kim Ahrend
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2016 BAUKULTUR SAAR 12 13 Eine Stadt sucht Wohnraum Andreas Garkisch, „versierter Woh- rum, sondern Boomtown und ein Wirt- Stadt. Die Eigentümer des Einfamilien- Kollegen also schwitzen. Wenn aber nungsbauer“ aus München, war schaftsmotor, der funktionieren müsse. oder Reihenhauses, das „zwar winzig z. B. trotz schwieriger Belichtungssitu- Werkbericht des Münchner Referent der zweiten Veranstaltung Das Mietniveau der Kernstadt läge ist, aber meins“, treffen auf die Befür- ation gute Grundrisse entstehen, sind der Stiftung Baukultur Saar. Anhand mittlerweile bei 20 Euro pro Quadrat- worter der städtischen Geschosswoh- diese Wohnungen sogar am schnells- Architekten Andreas Gar- seines umfassenden Werks (Studien, meter und höher (In Saarbrücken sind nung in gut ausgestatteter Infrastruk- ten vermietet; sie sind günstiger als Städtebau, realisierte Wohngebäude) es elf Euro, Quelle: IDV West). tur. „Man muss einen Weg finden, nach die anderen. Und die Bewohner seien kisch am 16.06.2016 stellte er dar, welche Möglichkeiten und nach die Mobilität zu verändern. glücklich und fühlten sich wohl, berich- Städte haben, qualitätvollen, aber München hat eins zuhauf: Arbeitsplät- In München gibt es gute Car-Sharing- tete Garkisch. bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ze. Damit für die vielen Zuzügler preis- Angebote, und man muss zeigen, dass fernab von der üblichen „Stangenwa- günstiger Wohnraum geschaffen wird, fünf Kilometer mit dem Fahrrad kein Eines der vorgestellten Projekte re und Punkthäusern, die alle gleich gibt es u. a. die Auflage der „sozialen großer Weg sind.“ Die Bedeutung des entwarf Garkisch als Blockrand. Denn aussehen“. Auch wenn die Bedin- Bodennutzung“. Investoren müssen öffentlichen Nahverkehrs ist offen- diese Bauform konnte im Vergleich zu gungen in München und Umgebung einen Teil für sozialen Wohnungsbau sichtlich: Gerade Grundstücke an S- und einzelnen Stadtvillen den geforderten nicht auf das Saarland übertragbar und dessen Infrastruktur aufwenden. U-Bahn-Knotenpunkten sind begehrt. Schallschutz erbringen. Sein Credo: sind, gaben die vorgestellten Projek- Das funktioniere, weil die Stadt nicht „Unser Ziel sind Häuser, die Teil der te dennoch Impulse für den hiesigen auf Investoren angewiesen sei – umge- Da aber das Einfamilienhaus seit den Stadt werden.“ Ein schlichter Wunsch Fotos: Iris Maurer Wohnungsbau. kehrt aber schon. 1950er/1960er Jahren nicht nur „eine mit viel Potenzial. Lebensform, sondern auch eine Absi- Garkisch führt mit seinen Partnern Auch München war nicht immer eine cherung, eine Form der Kapitalbildung“ Kim Ahrend Karin Schmid und Michael Wimmer Großstadt; sie wurde „von nur einem ist, sind viele Zuzügler aus dem Um- das Büro 03 Architekten in München. König“ als kleine Residenzstadt erbaut. land Nähe gar nicht gewohnt. Deswe- Seinem Vortrag stellte er eine wichtige Nun sei es wichtig, dass sie ihre Le- gen ist „Nähe eine kulturelle Heraus- These voran: „Wenn der eine Wohn- bensqualität nicht verliere, plädierte forderung“, und damit eine planerische raum wächst, schrumpft der ande- Garkisch. Die Veränderung der Stadt Aufgabe für Architekten. re.“ Denn die Anzahl der Bewohner müsse bewusst und aktiv erfolgen. Und „Wenn Sie als Architekt Städtebau Deutschlands werde trotz Aufnahme man könne die Stadt nicht isoliert be- machen, generieren sie besondere von Flüchtlingen nicht explosionsartig trachten, sondern nur im Verbund mit Formen. Sie schaffen Eckwohnungen, zunehmen, sondern eher zurückgehen. ihrem Umland. sie schaffen Nord-Ost-Wohnungen, sie Foto links: Stiftungsvorsitzender Professor schaffen Grundrisse mit 23 m Tiefe. Wolfgang Lorch bei der Begrüßung Ganz eindeutig: In München wächst Mobilität spielt dann eine große Rolle. Damit stellen Sie Investoren, aber auch 2. Foto von rechts: Andreas Garkisch, „versierter der Wohnraum. München als globale Insbesondere bei den unterschiedlichen die später planenden Architekten vor Wohnungsbauer“ aus München, Referent der Großstadt sei nicht nur Ballungszent- Wohnformen auf dem Land und in der Herausforderungen.“ Garkisch lässt die zweiten Veranstaltung
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2016 BAUKULTUR SAAR 14 15 an-aus − Auch Industriebauten sollten gut erzählt und unterschiedliche Lichtsze- Schweißtechnologie befasst ist, stand Professor Heiko Lukas dankt Till Schneider für gestaltet und nachhaltig sein, verdie- narien zeigt.“ als Entwurfsidee der österreichische seinen beeindruckenden Werkvortrag Industrie baut Kultur nen Baukultur, sind sie doch oft von Bauernhof als „Vierkant“ Pate. Die weither in der Landschaft sichtbar. Bei allen vorgestellten Industriebauten Idee eines von außen mit Gebäuden Till Schneiders Plädoyer Dies ist das Plädoyer von Till Schnei- wurde deutlich: Es gibt ein Thema, das gefassten Rechtecks mit innerer Frei- der (schneider+schumacher Planungs- die Arbeit, die Produkte, das Angebot fläche findet sich hier in zeitgenössi- für Industriebaukultur am gesellschaft GmbH, Frankfurt am des Bauherrn am Gebäude sichtbar scher Interpretation wieder. Leitge- Main). Er findet, dass Industriebauten machen und symobolisieren soll. danke bei Fronius ist die Überführung 15.09.2016 oftmals nicht allzu große Bedeutung von einem in den anderen Zustand beigemessen wird und diese als Wie bei ERCO waren die Auftraggeber − wie dies beim Schweißen erfolgt. „Kisten mit Trapezblechverkleidung häufig Familienunternehmen mit ambi- Gewählt wurde eine zweischalige neben Autobahnen“ stehen. Dass es tionierten Ansprüchen. So zum Beispiel Bandfassade, deren Brüstungsbereich auch anders geht, zeigte der Architekt auch die saarländische Firma Hager, für „mit Spiegeln versehen“ wurde. Sich und Stadtplaner in seinem beeindru- die das Büro mehrfach baute (ab 2004) öffnende und schließende Trommeln ckenden Werkvortrag für die Stiftung − neben einigen Bauten am Firmen- zwischen den Fensterelementen Baukultur Saar. standort in Blieskastel (Produktions-, lenken die Luftströme der Jahreszeit Lager-, Bürogebäude, Logistikzentrum) entsprechend. Fotos: Iris Maurer Über die berühmt gewordene Infobox auch im elsässischen Obernai. „Es ging am Potsdamer Platz in Berlin kam der zuerst mal um die Fassade“, führte Grundsätzlich bekannte Schneider: „Wir erste Auftrag eines anspruchsvollen Schneider aus. Übergeordnetes Motto setzen nicht auf den schnellen Effekt. Industriebaus − der „Lichtfabrik“ für war hier der Vortragstitel „an-aus“, der Gebäude müssen praktikabel sein. Die ERCO in Lüdenscheid (2000 – 2001) − auf das Thema Strom anspielt. Strom Struktur muss so sein, dass sie ver- zustande. Als Hochregallager „eine rela- fließt oder fließt nicht. Und im über- änderbar ist.“ schneider+schumacher tiv banale Bauaufgabe“, wie Schneider tragenen Sinne: Es gibt tragende und befassen sich neben Architektur und meint, die insbesondere den Entwurf nichttragende Elemente. Dies ist beim Städtebau auch mit den Bereichen Bau- einer Hülle und eines Daches zur Auf- klar gegliederten, streifenförmigen und Projektmanagement, Design, Ki- gabe hatte. Die Fassade aus Gussglas Fassadenraster deutlich ablesbar und netik und Parametrik. Ihre Maxime ist, „überspannt das ganze Gebäude“, „es wurde bei allen Gebäuden angewendet. „nach Strategien zu suchen. Wir haben verschleiert und mystifiziert“. Gemein- keine Handschrift, die auf 100 Meter sam mit dem Lichtplaner gelang es, Beim Bau für die Firma Fronius im erkennbar ist“, resümierte Schneider. „das Gebäude so zu inszenieren, dass österreichischen Thalheim bei Wels es vom Know-how der Firma ERCO (2011), die mit hochspezialisierter Cornelia Noll
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2016 BAUKULTUR SAAR 16 17 1,5 Mio. neue Wohnungen Wir haben in Deutschland ein Wohn- „größten Bauplatz Deutschlands“, den wiegen für Tichelmann. Allem voran finden, wo sie individuell und intelli- Foto links: raumverteilungsproblem: auf der einen Dachflächen, erarbeitet und mit sehr die Vermeidung der zusätzlichen gent geplant werden − und nicht wie Professor Wolfgang Lorch und Professor Karsten durch Dachaufstockung Seite einen großen Bedarf an kosten- großer Resonanz veröffentlicht. Es Flächenversiegelung. Die vorhandene Brötchen aus der Fabrik angeliefert Tichelmann günstigem Wohnungsbau, auf der ande- wurde ein Potenzial von 1,5 Mio. neuer Infrastruktur und Erschließung wer- werden.“ Foto rechts: Vortrag von Karsten Tichel- ren Seite einen erheblichen Leerstand. Wohnungen durch Dachaufstockungen den genutzt, der Bestand profitiert Professor Karsten Tichelmann und Professor Peter Karsten Tichelmann (Tichelmann & ermittelt. Dafür müssten 180 - 250 von einer energetischen, technischen, Kim Ahrend Schweitzer mann am 29.09.2016 Barillas Ingenieure, Darmstadt) bringt Mio. m², das wären 35.000 Fußballsta- architektonischen und ökonomischen einen neuen Aspekt hinzu. Für ihn kann dien, versiegelt werden. Verbesserung. die Lösung des Problems die Aufsto- ckung von Dächern sein. Die Studie analysiert, wo in Deutsch- Zudem strahlen Aufstockungen in land sich Dachaufstockungen lohnen das Quartier aus: Der Standort wird Tichelmann ist Professor für Trag- und welche Dachflächen geeignet sind. attraktiver, durch eine Steigerung der werksentwicklung und Bauphysik an Sie begrenzt das Potenzial auf Nach- Bewohner wird auch die Ansiedlung der Technischen Universität Darmstadt kriegsbauten bis in die 1980er Jahre von „haushaltsnahen Dienstleistern“ und Vorstandsvorsitzender des Förder- und beleuchtet Gebäudetypologien von wie Friseur, Arztpraxen und Einzelhan- vereins der Bundesstiftung Baukultur. Mehrfamilienhäusern mit mindestens del interessant. Fotos: Tom Gundelwein Er befasst sich mit seriellen und mo- sechs Wohneinheiten. dularen Bauweisen: leichten Konstruk- Diskutieren ließe sich die urbane Dichte tionen auf Basis von Stahl-, Alu- oder Aber warum aufstocken statt klassisch des Quartiers, und zu prüfen seien die Holzskeletten, die vorgefertigt geliefert nachverdichten? Würden Baulücken, baurechtlichen Rahmenbedingungen oder aus flächigen Modulen auf der Freiräume oder Innenhöfe bebaut, und das Tragvermögen der Bestandsge- Baustelle montiert werden. schwinde die wertvolle Ressource bäude. Fläche. Zusätzlicher Wohnraum werde „Mit einfachen Strukturen lässt sich der zwar geschaffen, aber dies oft zu Tichelmann möchte keine Aufstockun- Gebäudebestand verändern und ver- Lasten des Grünraums und damit der gen um jeden Preis, sondern nur „wenn dichten,“ so Tichelmann. Die Nachver- Freizeitflächen der Bewohner eines sie eine baukulturelle und technische dichtung habe unter ökologischen und Quartiers. Außerdem würden kos- Verbesserung“ für das Gebäude, die baukulturellen Gesichtspunkten einen tengünstige Wohnungen in der Regel Nachbarbebauung und das komplette hohen Stellenwert. dort gebraucht, wo keine Grundstücke Quartier bringen. vorhanden seien. Mit dem Pestel-Institut hat Tichelmanns Sein Appell: „Serielle und modulare Lehrstuhl eine gemeinsame Studie zum Die Vorteile von Aufstockungen über- Bauweisen dürfen nur dort Anwendung
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2016 BAUKULTUR SAAR 18 19 Hager Forum in Obernai Auf Einladung der Hager Group hatten Das Forumsgebäude, das als „Ort der Vertreter der Stiftung Baukultur Saar Kommunikation und Innovation“ entstan- von sauerbruch hutton und der Architektenkammer des Saar- den ist, trägt eine neue Handschrift von landes die Gelegenheit, das neue „Hager sauerbruch hutton. Als „architektonische Besichtigung am Forum“ im elsässischen Obernai zu Visitenkarte“ und „Zukunftswerkstatt“ besichtigen. Der im Juli 2015 eröffnete beherbergt es sowohl ein Schulungs- und 19.10.2016 Neubau versinnbildlicht die Vergangen- Besucherzentrum als auch ein Veranstal- heit (UG), Gegenwart (EG) und Zukunft tungshaus, Café und modernes Büro. (OG) in einem Gebäude und steht für die von Hager gelebte Baukultur. Denn: Engagierte Mitarbeiter des Unterneh- 2012 wurde ein Wettbewerb ausgelobt, mens und eine bei sauerbruch hutton um den passenden Planungspartner zu tätige Architektin vermittelten der finden. Aus diesem gingen sechs Entwür- Gruppe viele Details über die Planung fe international tätiger Architekturbüros und Entstehung des „Forums“. hervor. Einstimmig fiel die Entscheidung auf den Entwurf von sauerbruch hutton, Charakteristisch für den H-förmigen der „hundertprozentig“ die Unterneh- Gebäuderiegel aus Holz und Glas ist Fotos: Cornelia Noll mensphilosophie verkörpert. das Dachtragwerk aus Brettschichtholz. In Kassetten integrierte Deckensegel Das Werk in Obernai ist − mit 2.500 sorgen für eine gute Akustik und ein Mitarbeitern − inzwischen die größte angenehmes Raumklima, Sheds belich- Niederlassung des Familienunterneh- ten das Atrium. Das weit auskragende mens. Innovation und Design sind Vordach wirkt als einladende Geste. große Themen für die Hager Group, Bestechend ist die Großzügigkeit, Hel- die weit mehr als Schaltschränke pro- ligkeit und Transparenz des Gebäudes. duzieren. Den Fokus auf die Zukunft Fotos oben von links: gerichtet, stehen Elektromobilität, Stiftung Baukultur Saar und AKS dan- Einladender Eingangsbereich mit weit auskrangendem Vordach I Blick von innen zum Pförtnerhaus I alltagsunterstützende Assistenzsyste- ken der Hager Group für diesen infor- zweigeschossiges Atrium I die Umgebung spiegelt sich in der flächenbündigen Alufassade me, intelligente Gebäudetechnik und mativen und inspirierenden Tag. Fotos unten von links: Energieeffizienz auf der Agenda. Gruppenfoto der Besucher im Atrium I Detail der Innenfassade Cornelia Noll
STIFTUNG BAUKULTUR SAAR 20 21 2015
Deutsches Architekten- STIFTUNG blatt 12/2015 BAUKULTUR SAAR 22 23 Vortrag „Weiterbauen am „Transformationsdesign“ oder „Wei- Fundament und Überbau, nicht nur für chen und weiterhin auf Wachstum zu auch für das Bauen relevant sind“, be- terbauen am zivilisatorischen Modell“. diejenigen, deren Alltag vom Bauen be- setzen, wie es in Asien und Afrika von stätigte er. Denn das eigene Handeln ist zivilisatorischen Modell“ Beides verknüpft sich mit Professor Dr. stimmt ist, sondern für jeden, den die ungleich mehr Menschen als in Europa wichtig, lautet die Botschaft, die sich Harald Welzer, der auf Einladung der Frage umtreibt, ob Wachstum wirklich mit allen Konsequenzen übernommen hinter dem Wortgetüm vom „Weiter- von Prof. Harald Welzer am Stiftung Baukultur zum Vortrag gekom- einen gesellschaftlichen Fortschritt wird. bauen am zivilisatorischen Modell“ ver- men war. darstellt oder nicht eher Raubbau an birgt: „Was Menschen Dinge tun lässt, 07.10.2015 Gesellschaft und Natur bedeutet. Welzer folgerte daraus: „Dieses zivilisa- ist immer die Praxis. Das kann jeder in „Transformationsdesign“ ist das Fach, torische Modell ist nicht zukunftsfähig so einer Gesellschaft tun, so lange es das der Soziologe und Sozialpsychologe Kurzum: „In welchem Stadium des als globales Modell. Damit kommt man Freiheit für eine Gesellschaft gibt.“ an den Universitäten Flensburg und St. zivilisatorischen Modells befinden wir nicht durchs 21. Jahrhundert.“ Das Dr. Sabine Graf Gallen lehrt. Klingt theoretisch, ist es uns?“, eröffnete Welzer daher seinen gelingt für ihn nur durch den Ausbau aber nicht, da der medienerfahrene Ha- Vortrag und schien, obzwar mit etwa- von „sozialer Intelligenz“ und „radikale rald Welzer seine vermeintlich sperrige igem Dilettantismus in Sachen Archi- Aufwandsvermeidung“, letztlich ein Botschaft eloquent und gut verständ- tektur professionell kokettierend, doch anderes Verständnis von Wachstum lich zu vermitteln versteht. damit auf einer Linie mit dem Anliegen und damit Konsum: „Das ist ein anderer der Stiftung Baukultur zu liegen. Lebensstil“, angestiftet von der Frage Fotos: Tom Gundelwein So auch in Saarbrücken, wo „Weiter- „Was soll das?“ angesichts T-Shirts für bauen“ das Motto der diesjährigen Denn auch in der Architektur hat 2.99 Euro oder einem Geländeauto für Vorträge der Stiftung Baukultur Saar sich das Selbstverständnis, erinnerte den Stadtverkehr, fasste er zusammen. ausmacht, so dass Welzers Vortrag „im Wolfgang Lorch, des Berufsstandes weiten Sinn auf das Thema verweist“, vom in den 1970er das Ingenieurhafte Ein Patentrezept für den Weiterbau so der Präsident der Stiftung Baukultur, betonende über die das Formale her- am zivilisatorischen Modell, was nichts Professor Wolfgang Lorch in seiner Be- vorhebenden 1980er zur Sorge um den anderes heißt als am guten Leben, gibt grüßung, womit er Recht haben sollte. „sozialen Mehrwert“ und das „Nutzer- es nicht. Höchstens: Das Vorhandene interesse“ beim Bauen der Gegenwart zu nutzen und zu optimieren, anstatt Daher war es nur folgerichtig, dass das gewandelt. Ein Vorgehen, auf dem gedankenlos Neues zu schaffen, womit Publikum nicht nur aus Architekten, heute meist das Etikett „Nachhaltigkeit“ auch die Architektur wieder im Spiel sondern aus vielen Zuhörern bestand, haftet. war, so der Hinweis Welzers. die als interessierte Zeitgenossen den Weg ins VHS-Zentrum am Saarbrücker Aber genau hierin liegt für Harald Wel- Dazu gehört das Bauen im Bestand, Schlossplatz gefunden hatten. Denn zer das Problem: Nachhaltig bedeutet das Einsparen von Energie und genos- Harald Welzer bietet gleichermaßen für ihn, „Produkte effizienter“ zu ma- senschaftliche Zusammenschlüsse, „die
Deutsches Architekten- STIFTUNG blatt 11/2015 BAUKULTUR SAAR 24 25 Ortsgespräch Schandfleck oder Kunstwerk? Es Am ersten Punkt könne man nichts Lupp vertritt dabei eine pointierte Planer, Handwerker und Bildung für kommt auf die Wahrnehmung und machen, am zweiten schon, stellte er Position, die sich zwar auf das Bau- eine heranwachsende Generation mit Peter Michael Lupp das Wissen an, ob ein altes Bauernhaus fest. Daher lud die Stiftung in der Rei- ernhaus konzentriert, aber auch, wie ist, die dieses Erbe annehmen soll. Ausdruck regionaler Identität oder ein he „Ortsgespräch“ ins Jagdschloss Steffen Banuat, Bauamtsleiter der Hindernis der Gegenwart ist. Für Peter Karlsbrunn im Warndt, wohin eine Stadt Sulzbach, zeigte, auf Gebäude Auch wurde diskutiert, wie energe- im Jagdschloss Karlsbrunn Michael Lupp, beim Regionalverband stattliche Anzahl von Kammermit- mit regionaler Tradition zutrifft. So tisches Sanieren mit dem Bewahren Saarbrücken zuständig für Regional- gliedern aus allen Teilen des Landes wurde ein Jugendstilwohnhaus in der alter Bausubstanz vereinbar ist und am 23.09.2015 entwicklung, ist das keine Frage: Ein gekommen war. Sulzbacher Hauptgeschäftsstraße für die Notwendigkeit von Gestaltungssat- Gebäude, zumal eines aus den vergan- Bürgerkriegsflüchtlinge hergerich- zungen für Städte und Gemeinden. Vor genen Jahrhunderten, ist ein gebautes Diese allmählichen Verluste gilt es auf- tet. Zumal, so Willi Latz, unter Bau- allem, weiß Lupp, „muss ein politischer Zeugnis regionaler Identität, was die zuhalten, appelliert Lupp und hat dazu herren in Neubaugebieten für Baukul- Wille da sein“, sprich in der Kommu- handwerklichen Details betrifft und einen bildgewaltigen Vortrag über tur zu werben, verlorene Zeit ist. nal- wie auch Landesverwaltung, um dabei bisweilen ein Kunstwerk, aber regionale Baukultur mit manch gutem in dem Thema gewidmeten Foren, wie in jedem Fall ein Bauwerk, das die Beispiel und trister Wirklichkeit zwi- Mehr Potential bietet für ihn daher die dem der „Ortsgespräche“ erarbeiteten Geschichte und Tradition der Region schen Abriss alter Bausubstanz und Konzentration auf die Ortskerne, nicht Standards für eine regionale Baukultur spiegelt und daher erhalten bleiben gesichts- wie geschichtslosem Neubau zuletzt weil dort über die Kommunen durchzusetzen. Um diese zu erarbei- muss. Es einfach abzureißen oder zusammengestellt. und damit die Öffentlichkeit Einfluss ten, gehört auch, sich auf eine Position systematisch verkommen zu lassen, ist auf die Gestaltung möglich ist. wie die von Lupp einzulassen, statt sie daher für ihn ein Raubbau der Region Dagegen steht sein Verständnis von von vorneherein abzuwehren. Denn Fotos: Lu/AKS gegen sich selbst. regionaler Baukultur, die für ihn gleich- Doch nicht das Dorf, sondern die (Ar- die „Ortsgespräche“ wollen besondere bedeutend mit „landschaftsgebun- beiterhaus-)Siedlung sei eher typisch Positionen und Sichtweisen auf die Darin trifft sich sein Ansatz mit dem denem Bauen“ ist, dem „Bauen im Ein- für die Region, hielt der Saarbrücker Architektur der Region vorstellen, nicht der Stiftung Baukultur Saar. Gerade klang mit der umliegenden Landschaft, Architekt Peter Alt Lupps Position ent- zuletzt deshalb, um dafür zu sorgen, erst, so Willi Latz, Vizepräsident der dem Ökosystem und den überlieferten gegen, welche ohnehin genügend Stoff dass Baukultur als Ausdruck regional- Stiftung Baukultur Saar, eine aktuelle Handwerkstraditionen.“ Das gilt für die zur Diskussion bot. Welche Rolle dabei typischen Bauens und Sanierens in der Studie, warum Touristen das Saarland Sanierung von historischen Gebäuden Fördergelder und Beratungsgutscheine Praxis von allen damit Befassten ihren meiden: Erstens wegen des Wetters, sowie den Neubau, der in Material- spielen, so der Hinweis des Saarlouiser Platz findet. zweitens wegen des Erscheinungs- wahl und Formensprache hier bewusst Architekten Alexander Schwehm, wie bildes der Ortschaften. Geschichte weitertragen soll. wichtig Fortbildung für Architekten, Dr. Sabine Graf
Deutsches Architekten- STIFTUNG blatt 11/2015 BAUKULTUR SAAR 26 27 Seminar der Stiftung Bau- Wie bereits im Vorjahr lud die Stiftung Senioren. Die Ausnahme bilden der Baukultur Saar zum Halbtagesseminar Regionalverband Saarbrücken und der kultur am 19.09.2015: in die Hochschule für Technik und Wirt- durch Zuzug aus Luxemburg gestärk- schaft am Waldhausweg. Mehr als 40 te Landkreis Merzig (Preise zwischen Heimat im Wandel: Teilnehmer diskutierten im Anschluss 210.000 und 220.000 €). an vier Fachvorträge die Frage, wie Schrumpfen gestalten, Orte vom demografischen Wandel erfasste Zuwanderung erfolgt derzeit durch Gemeinden und Städte weiterhin sozial Menschen aus Osteuropa und aus lebenswert halten“ intakt bleiben und welche Chance die südlichen Kriegsgebieten. Anstatt sie in aktuelle Zuwanderung von Menschen Gebäuden am Stadtrand unterzubrin- gerade für eine schrumpfende Gesell- gen, bieten sich dafür die leerstehen- schaft bietet: Migration bietet dabei den Gebäude in den verödeten Stadt- eine Perspektive für die allmählich und Dorfkernen zum Wohnen und verödenden Ortskerne und Innenstädte. Arbeiten an. Hier muss die Bürokratie fördern, nicht bremsen, empfiehlt An- Die Situation: Hoher Leerstand, alte nette Spellerberg. Dazu leistet auch ein Bausubstanz Verständnis von Heimat seinen Beitrag, Das Saarland mit seinen 90 Prozent das nicht auf Ausschließen, was im Wohngebäuden schrumpft, so der Fak- Saarland ausgeprägt sei, so die Stadtso- tencheck der Stadtsoziologin Prof. Dr. ziologin, gerichtet ist, sondern offen ist. Annette Spellerberg von der Universi- tät Kaiserslautern: Die Älteren bleiben, Der Begriff „Heimat“ lässt dies zu, so während die jüngeren aus beruflichen Spellerberg, da er „kulturell variabel“ Gründen weggehen. ist, wie das Ergebnis einer Befragung in der Grenzregion zeigt, und nicht Ein-Personen-Haushalte nehmen in direkt an einen Ort, sondern durch dem Maß zu, in dem 5-Personenhaus- soziale und ästhetische Qualitäten für halte, vor allem im ländlichen Raum, die meisten der Befragten bestimmt abnehmen. Der Leerstand liegt mit ist: „Heimat ist, wo ich mich geborgen 5,8 % über dem Bundesdurchschnitt fühle“ (4,5 %). Günstige Preise beim Mieten (4,85 €/m2 für nach 1990 errichtete- Fazit: Migration als Chance für die Gebäude) und Kaufen kennzeichnen Wiederbelebung von Ortskernen und einen „entspannten Wohnungsmarkt“, Innenstädten. allerdings mit wenigen Angeboten für g
STIFTUNG BAUKULTUR SAAR 28 29 Frage: Welche Aufgabe kommt in der diesem Wettbewerb eine handfeste Fazit: Kommunikation im Dorf fördern, werden können. Eine weitere Außen- Stadtentwicklung scheint unerlässlich, Oben von links: Annette Spellerberg, Maximilian aktuellen Debatte um Wohnraum für Perspektive für die Dörfer: Er lädt schafft für ein Dorf eine Perspektive. entwicklung können wir uns nicht mehr damit staatliche Steuerungselemente Vollmer, Willi Latz, Christian Schreiner, Peter Alt Migranten der Architektenkammer zu? zur Bestandsaufnahme des dörflichen leisten, weil sie zu einer zunehmenden zwischen Geld und Information nicht Fotos: Lu/AKS Professor Heiko Lukas, Präsident der Miteinanders, was Wohnen, Arbeiten Situation: Zersiedlung statt Konzent- Verödung der Ortskerne in 95 % aller als Zwang wahrgenommen werden. AKS: Neben einer menschenwürdigen und Freizeit angeht. Die Teilnahme an ration saarländischen Kommunen führen Als Beispiele dafür nannte Maximili- Sofortunterbringung ist ein langfristi- einem solchen Wettbewerb verlangt Der Saarbrücker Architekt und Stadt- würde. an Vollmer die Innenstadtagentur in ges Konzept sowohl im Wohnungsbau nach Kommunikation unter den Ein- planer Peter Alt bemühte die Vogel- Neustadt/Weinstraße, die sich um den als auch im Städtebau erforderlich. wohnern und fördert die Identifikation perspektive, um mit Luftbildern zu Instrument Geld: Schrottimmobilien wachsenden Leerstand kümmert, oder Ein ausreichendes bezahlbares Woh- mit dem Wohnort, so Christian Schrei- zeigen, dass mit dem Mitte des 19. verhindern das von der Gemeinde Hiddenhausen nungsangebot wird zu einem wichtigen ner. Daher bot der Regionalverband mit Jahrhunderts mit der Industrialisierung Das Schrumpfen hat eine umfassende bei Detmold aufgelegte Förderpro- Standortfaktor. dem Unterstützungsangebot „Check-up anhebenden Siedlungsbaus für die Wirkung. Es betrifft alle, die Menschen, gramm „Jung kauft alt“, das den Kauf Dorf“ eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ an, die wachsende Zahl von Arbeitern un- den Wohnungsmarkt, die Gestalt von von vorhandenen Immobilien fördert Die deutschen Architekten fordern zu verblüffenden Ergebnissen führte, weit von Berg- und Eisenwerken die Städten und Gemeinden, die Finanzen bei gleichzeitigem Verzicht auf Auswei- deshalb Bund und Länder auf, die Vor- weil die Menschen einfach miteinander Zersiedlung der Landschaft begann sowie die Infrastruktur. sung von Neubaugebieten. aussetzungen für den Wiedereinstieg in sprachen: „Ich hätte nicht gedacht, dass und bis heute das Landschaftsbild Daher ist für Dr. Maximilian Vollmer, einen kostengünstigen wir alle dasselbe wollen“, lautet die Bi- bestimmt. Auf diese Weise lösten sich Universität Kaiserslautern, Fachbereich Fazit: Die Kommunen müssen aktiv und sozial integrierten Wohnungsbau lanz einer Teilnehmerin an den Treffen die Dorfkerne auf, und es entstand die Stadtumbau und Ortserneuerung, werden, um Schrottimmobilien zu zu schaffen. Auch kostengünstiger der Einwohner aus Bliesransbach, ei- für das Land typische Situation der dieses Thema nur als Gemeinschafts- verhindern. Wohnungsbau muss qualitätvoll, nem von acht Dörfern, die das Angebot Reihung von Einfamilienhäusern, die aufgabe zu betrachten. Der Weg vom dauerhaft, energieeffizient und damit des Regionalverbandes 2015 annah- durch Anbauten allmählich erweitert Leerstand eines Gebäudes im Ortskern Frage: Ist (Förder-)Geld effektiver als nachhaltig sein. men. Dass es notwendig ist, die Selb- wurden. zur Schrottimmobilie ist nicht sehr Kommunikation? storganisation von Dörfern zu stärken, weit, so dass Maßnahmen zur Revitali- Willi Latz: Hier könnten Anreizpro- Instrument Kommunikation: „Unser damit sie eine Zukunft haben, hatte Fazit: Zersiedlung ist ein Kennzeichen sierung Not tun. Sanierung, Rückbau, gramme wie „Jung kauft alt − Junge Dorf hat Zukunft“ bereits Annette Spellerberg anhand der Städte und Gemeinden im Saarland also Abriss, um auf gewonnener Fläche Menschen kaufen alte Häuser“ dazu Der bekannte Wettbewerb „Unser Dorf einiger Beispiele aus ganz Deutschland Platz für Neues zu schaffen oder Um- beitragen, städtebaulich wichtige und hat Zukunft“ hatte es, so die Feststel- gezeigt. Denn Menschen bleiben im Frage: Wie kann der Zersiedelung bau, um ein Gebäude an die veränder- regionaltypische Objekte in den Orts- lung von Dipl.-Ing. Christian Schreiner, Dorf, wenn die soziale Struktur, das Einhalt geboten werden? ten Ansprüche seiner Nutzer anzupas- kernen zu halten. Wenn das Programm Bauassessor beim Regionalverband Miteinander sowie die Infrastruk- Willi Latz, Vizepräsident der Stiftung sen, lauten die Optionen. Dabei sollte in durch eine Familienkomponente Saarbrücken, im Jahr 2014 mehr als tur, auch die digitale, stimmt, wie Baukultur Saar: Im Saarland haben wir jedem Fall die Kommune die Rolle des ergänzt würde, gelänge es auch, die schwer: Drei Anmeldungen lagen dafür zum einen der Internationale Treff in in vielen Ortskernen ein sehr großes, Moderators übernehmen, wenn es ums Ortskerne mit jungen Bewohnern und dem Regionalverband Saarbrücken Walpershofen und zum anderen die nicht gehobenes Potential an Wohn- Informieren, Beraten und Unterstützen Kindern dauerhaft wieder in Wert zu vor. Dafür gab es einige Gründe: Die Bürgerinitiative für schnelles Internet häusern. Im Seminar wurden Vorschlä- durch finanzielle Förderung beim setzen. gefühlt hohen Anforderungen an die in Eiweiler, beides lokale Beispiele aus ge gemacht, wie gefährdete Häuser und Erhalt von vorhandener Bausubstanz Dr. Sabine Graf Dörfer oder die fehlende Unterstützung dem Regionalverband, zeigen. Leerstände evaluiert und somit dem geht. Denn die Kommunikation zwi- durch die Kommunen. Dabei steckt in Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt schen den Akteuren der Dorf- und
Deutsches Architekten- STIFTUNG blatt 10/2015 BAUKULTUR SAAR 30 31 Auf Tradition bauen: Weiterbauen“, dem Motto, unter das gang Lorch, ein „Plädoyer für ein Zu- tonte er. Eine weitere Ausdehnung an „Stadt des 21. Jahrhunderts“ aussehen die Stiftung Baukultur Saar in diesem rück in die Stadt“ sein. Und das kann, den Rändern einer Stadt verschärft nur soll, die in ihrer Mitte, nicht an ihren Jahr ihre Vorträge gestellt hat, eignet so Lorch, bei Lampugnani nur die „eu- das Problem. Rändern wächst und beweist für ihn, Professor Vittorio Magnago eine gewisse Mehrdeutigkeit wie auch ropäische Stadt“ sein. Aus ihr, ob nun „wie man ausgewogene Dichte auch mit eine Selbstverständlichkeit: Dass wei- Barcelona, Berlin, Turin oder London Die Lösung liegt für ihn nur in der Lebensqualität verbinden kann.“ Lampugnani am 01.09.2015 terhin gebaut werden muss, liegt für bezog er seine Beispiele von Plätzen in räumlichen Verdichtung, ohne dabei Dr. Sabine Graf Architekten auf der Hand. Doch bleibt Paris, Arkaden in Turin und den bürger- auf Grün und Freiräume zu verzichten. bei der Stiftung Baukultur die Frage, wie, vor allem aber, wo es lichen Wohnquartieren in London. Je- Wie beides für ihn zusammen kommt, geschieht. doch stammen diese Beispiele aus der zeigte Lampugnani an einem konkreten, Saar zu Gast der Zeit des späten 19. und frühen 20. eigenen Beispiel. Für das Richti-Quar- Jahrhunderts, angefangen von James tier in der Gemeinde Wallisellen im Für den in Mailand ein Büro führenden Hobrechts-Plan bis zur Bruno Tauts- Kanton Zürich hat sein Büro den Ma- Architekten und an der ETH Zürich als Hufeisensiedlung für Berlin. sterplan vorgelegt. Professor für Geschichte des Städtebaus lehrenden, ehemaligen Direktor des Gemeinsam war diesen Entwürfen, dass Auf den sechs Hektar einer ehemaligen Linke Seite links: Vittorio Magnago Lampugnani Deutschen Architekturmuseums in darin die Stadt aus Blockrandbebauung Industriebrache zwischen Bahnhof und Rechte Seite von links: Wolfgang Lorch, Heiko Frankfurt, Dr. Vittorio Magnago Lam- und Grün, ob nun als Innenhof oder dem Einkaufszentrum Glatt entstand Lukas, Vittorio Magnago Lampugnani, Barbara pugnani, kann das nur in der Stadt sein. Park in der Mitte, bestand: Das Ideal durch einen Wettbewerb und anschlie- Wackernagel-Jacobs, Peter Schweitzer, Willi Nicht zuletzt auch deshalb, weil er ei- für Lampugnani, doch „haben wir ver- ßende Workshops der ein an histo- Latz ner der treibenden Kräfte bei der Neu- lernt, Quartiere zu bauen“, stellte er rischen Vorbildern, Arkaden und Plät- Fotos: Iris Maurer gestaltung der Stadtmitte des wieder- fest. Ein Grund dafür ist für die als Ge- zen europäischer Städte wie Paris, Lon- vereinigten Berlins war und mithalf, ob genentwurf zur dicht bebauten Stadt don oder Turin orientiertes Quartier mit als Vorsitzender der Jury um den Wie- entstandene Gartenvorstadt, nicht zu- Blockrandbebauung, Innenhöfen, Ein- deraufbau des Berliner Stadtschlosses letzt als Reaktion auf die immens ge- kaufszeilen und Geschäftsgebäuden. oder mit einem Gebäudeplan in der wachsenen Städte. Für ihn stellt sie vor Friedrichstraße, den Begriff des „Neuen allem den „Prototyp der Zersiedelung“ Zur Straße gibt sich die Architektur ur- Berlins“ zu prägen. dar, dessen Folge eine nicht weniger ban und grün zum Innenhof. Dieses ausufernde Infrastruktur ist. mutmaßlich hochpreisige und das in der Daher stand bereits vorab fest, sein anschließenden Diskussion angespro- Vortrag im vollbesetzten VHS-Zentrum Der Bedarf an Wohnraum in den Städ- chene Parkproblem (Tiefgarage) ein we- am Schloss in Saarbrücken kann, so ten wächst, und damit bleibt die Stadt- nig sorglos angehende Projekt zeigt für Stiftungsvorsitzender Professor Wolf- erweiterung ein „reales Problem“, be- Vittorio Magnago Lampugnani, wie die
newsmagazin STIFTUNG _ zwei 2015 BAUKULTUR SAAR Baukultur 32 33 Gebaute Lebensräume der Zukunft – Ein Vortrag von Reiner Nagel am 07.05.2015 Als „Tour de Force“ durch das Thema Dass Baukultur mit Fragen der Teilnah- guten sozialen Wohnungsbau stecken? „Baukultur“ erwies sich dem Präsi- me, der Prozesse und der Wirtschaft- Der Mindestlohn, so Nagel, mache dies denten der Architektenkammer des lichkeit befasst sein muss, machte möglich, und damit wird Baukultur The- Saarlandes, Professor Heiko Lukas, Reiner Nagel anhand des aktuellen, von ma der Politik. der Vortrag von Reiner Nagel, Vor- der Bundestiftung herausgegebenen standsvorsitzender der Bundesstiftung Baukulturberichtes deutlich. Nur die tarnte, wie neulich erst, als der Baukultur. Durchhaltevermögen, ein Bundestag über Baukultur debattierte, langer Atem sind notwendig, um Im- Das Feld der Baukultur ist daher ihr „geballtes Desinteresse“ als Interes- mobilienwirtschaft, Politik, Verwaltung bestimmt von Alltagsthemen, dem de- se, wie Reiner Nagel feststellen musste. und nicht zuletzt Bürger und Bauherren mographischen Wandel, der schrump- Die Politiker müssten die Potentiale davon zu überzeugen, dass Baukultur fenden Gesellschaft, dem fehlenden der Baukultur entdecken, ebenso wie nicht nur bedeutet, so Nagel, „für das Wohnraum in den Ballungszentren, die Immobilienwirtschaft, fasst Reiner Schöne zuständig zu sein.“ Vielmehr dem ineffizienten Dämmen von Nagel zusammen. Was nichts anderes geht es um „gebaute Lebensräume der Hausfassaden mit potentiellem Sonder- heißt, als einen langen Atem zu haben Zukunft“, von denen der Vorstands- müll statt vernünftiger energetischer und Überzeugungsarbeit zu leisten, vorsitzende der Bundesstiftung auf Sanierung oder den durch Kaufhaus- ausgestattet mit dem nötigen Selbstbe- Einladung der Landesstiftung seinen monostrukturen ausgelöschten vitalen wusstsein: Warum nicht auch Baukultur Zuhörern im VHS-Zentrum am Schloss Stadtzentren. Baukultur macht dazu neben Sport und Bildung einem Minis- sprach. Vorschläge: Derart, dass eine Stadt terium zuschreiben?, schlägt er vor. Baugrundstücke erwerben soll, um Denn, „wenn es nicht zu lesen steht, ist Dabei geht es nicht um das Neubauen, eine Handhabe gegen den Städtebau es auch nichts wert.“ denn Dreiviertel der Baumaßnahmen außer Acht lassende Investorenpläne in Deutschland mit einem Bauvolumen zu besitzen, denn, so Reiner Nagel, ein Dr. Sabine Graf von 310 Milliarden, so Nagel, dienen Grundstücksvertrag könne dabei mehr der Bestandsentwicklung. Auch deshalb regeln als ein Bebauungs- und Gestal- hat die Stiftung Baukultur Saar für ihre tungsplan. Oder, warum nicht anstatt diesjährigen Veranstaltungen das Motto Subjektförderung durch Wohngeld „Weiterbauen“ gewählt. die Gelder in die Objektförderung für Foto: Iris Maurer
STIFTUNG BAUKULTUR SAAR 34 2014
newsmagazin STIFTUNG _ drei 2014 BAUKULTUR SAAR Rückschau Bildern kommen, zu Verschiebungen 36 37 im Ausdruck der Bauwerke und ihrer spezifischen architektonischen Spra- che. Und drittens und letztens sind die Frage nach der Aura eines Gebäudes und die damit verbundene Seherfah- rung von tragender Bedeutung für die Arbeit des Architekten. Was zunächst allzu theoretisch klingt und wie ein ideologisches, realitätsfernes Gedan- kenkonstrukt anmutet, kann durch eine ganze Reihe interessanter Arbeiten des Architekturbüros Heidenreich & Sprin- ger anschaulich belegt werden. Beim Umbau etwa des von dem Kölner Architekten Carl Moritz 1913 entwor- fenen Theaters in Stralsund wurde nicht eine brachiale Selbstinszenierung respektive Modernisierung durchge- führt. Vielmehr ging es dem ausführen- den Architekturbüro bei der Sanierung um die Rückgewinnung des ursprüng- lichen, ausschließlich auf die Bühne konzentrierten Zuschauerraumes, der durch bauliche Eingriffe im Jahr 1968 zerstört worden war. So konnte die Einheit zwischen Außenbau und Innen- raumeindruck, das heißt das Gleich- gewicht der architektonischen Bilder wiederhergestellt werden. Doch im Falle von nicht erhaltenen Elementen, wie etwa den textilen Wandbespannun- Über den angemessenen „Angemessen im Besonderen – Wei- mit bedingungslosen Rekonstrukti- gen im Zuschauerraum, hat man nicht terbauen“: Was sich hinter diesem onsprojekten wie etwa dem derzeit mit Gewalt eine Rekonstruktion ohne Umgang mit Architektur kryptisch-subtilen Titel verbirgt, konn- laufenden Dom-Römer-Projekt in fundierte Grundlage versucht, sondern te man im Oktober im Rahmen eines Frankfurt, die in seinen Augen keine eine Neugestaltung vorgezogen. Vortrages von Professor Jörg Springer wegweisenden Positionen beinhalten erfahren. und einen konstruktiven Dialog mit Die neuen Bauteile sind zwar als solche der Öffentlichkeit erschweren. Sprin- zu erkennen, führen aber kein pene- Foto oben: Jörg Springer, Der in Berlin und Barcelona ausge- ger versteht seine Arbeit vielmehr trantes Eigenleben, sondern sollen zur rechte Seite: Barbara Wackernagel-Jacobs, bildete Architekt betreibt in Berlin als „Momentaufnahmen des Nach- ganzheitlichen Raumwirkung beitragen. Wolfgang Lorch, Willi Latz, Peter Schweitzer, zusammen mit Georg Heidenreich und denkens über Architektur“. Die Mittel, Genau das ist es, was Springer unter Bergfrieds aus dem 14. Jahrhundert nach außen sichtbar auf die Vergan- Jörg Springer, Heiko Lukas, Daniel Kempf Klaus Springer ein Architekturbüro, zu die dem Architekten zum Bauen im angemessenem Verhalten des Architek- integriert waren. Nach Stilllegung der genheit verweist und damit gleichzeitig dessen Kernkompetenzen der Umbau historischen Kontext zur Verfügung ten versteht. Die Aufgabe des Archi- Textilfabrik war das Gebäude dem die neue Nutzung des Gebäudes als und die Ergänzung denkmalgeschütz- stehen, sind für ihn 1.) die Ideenge- tekten besteht seiner Auffassung nach Verfall preisgegeben, so dass es sich im Kulturhaus widerspiegelt. ten Architekturbestandes gehört. schichte eines bestimmten Ortes, das darin, den besonderen Kontext eines 20. Jahrhundert bis zu Beginn des Neu- Hinsichtlich dieser Aufgabenstellung heißt der Architekt arbeitet in einem historischen Bauwerks zu berücksich- bauprojekts durch Heidenreich & Sprin- Und auch hier gilt wieder die Maxime: lautet Springers leitmotivische Frage: Geschichtskontinuum; 2.) der Umgang tigen und dieses durch behutsames ger als Ruine präsentierte. Die Ergänzungen sind identifizierbar Wie können sich Architekten ange- mit architektonischen Bildern und mit Weiterbauen in die Gegenwart zu über- beziehungsweise erkennbar, drängen messen verhalten, da sie doch immer dem Ausdruck von Bauwerken. führen. Ein weiteres eindrucksvolles Das Architektenteam entschied sich für sich jedoch nicht auf. „Es ist so, als in ein vorgegebenes kulturelles Um- Bauprojekt von Heidenreich & Springer die teilweise Wiederherstellung des hinterfrage sich das ergänzte Bauwerk feld eingebunden sind? Gerade dieses „Arbeitsmittel“ birgt ist in diesem Zusammenhang zweifellos bestehenden Volumens, ohne den ständig selbst“, so Springer. Kurzum: Gefahren in sich, denn allzu leicht das Kulturhaus Großenhain, das auf Ruinencharakter zugunsten neuer eine Ruineninszenierung im Zeichen Nur so viel vorweg: Für Springer ist kann es durch Umbauten und Verän- den Überresten einer Textilfabrik aus Oberflächen aufzugeben. Auf diese von Gegenwart und Zukunft! die Beschäftigung mit historischer derungen zu einem Ungleichgewicht dem Jahr 1856 entstand, in die jedoch Weise machte man sich die Zeichen- Bausubstanz nicht gleichbedeutend zwischen den architektonischen bereits wesentlich ältere Teile eines haftigkeit des Bauwerks zu eigen, das Dr. Eva Dewes
newsmagazin STIFTUNG _ drei 2014 BAUKULTUR SAAR Rückschau 38 39 „Es lohnt sich“ Nach dem Auszug des Kultusministeri- vielfältige, hilfreiche Unterstützung Einbauten und der Fassade einhergeht, die simultan übersetzt, auch ohne die Forderung nach nicht nur einem ums steht die ehemalige Französische durch Kultus- und Finanzministerium ein Frevel. Der Workshop begann mit Sprachschwierigkeit ablief. Der zweite deutsch-französischen, sondern einem Der Workshop hat sich Botschaft, rundum gesichert, leer. Die sind wir dankbar. Der Gang durch den dem einführenden Referat zu den bau- Workshop-Tag stand unter der Vor- europäischen Kontext. Institutionen Zukunft ist ungewiss. Bevor even- Garten in die lichtdurchflutete Reprä- technischen Problemen durch Oliver gabe, die Vorschläge zunächst noch unter dem Banner des Europagedan- gelohnt tuell eine kostenträchtige Sanierung sentationsetage beflügelte auch die Brünjes, dessen Büro mit der Ausar- einmal auf ihre Tragfähigkeit zu über- kens schien auch das interessierte als Verwaltungsgebäude beschlossen Gedanken der etwa 60 buntgemisch- beitung einer HU-Bau beauftragt ist. prüfen, um sie dann in aussagekräftige und diskussionsfreudige Publikum der wird, wollten wir – die Stiftung Bau- ten Teilnehmer: Architekten, Stadt- Der anschließende Rundgang machte Bilder umzusetzen. Dabei entwickelte Abschlussveranstaltung zu beeindru- kultur Saar, die Schule für Architektur planer, Denkmalpfleger, Journalisten, mit den verschiedenen Funktionsbe- die Gruppe „Städtebauliches Umfeld“ cken. Aus seinen Reihen kamen schon der HTW, der BDA, die lothringische Künstler, Wissenschaftler. Der unserer reichen des Komplexes vertraut, bevor Vorschläge für eine möglichst inten- konkretere Hinweise. Der aufmerksam Architektenvereinigung und der Veranstaltung beigemessene Stellen- die Arbeitsphase begann. Als Modera- sive Verzahnung mit HTW, HBK und zuhörende Finanzminister Stephan federführende Werkbund – in einem wert zeigte sich auch in der aktiven tor führte Henning Freese, Vorsitzen- Schloss sowie der Wohnbebauung von Toscani hatte sich zuvor bereits Fotos v.l.n.r.: Stephan Toscani, Ulrich deutsch-französischen Workshop Teilnahme hochrangiger Mitarbeiter der des Landesdenkmalrates, sachkun- Alt-Saarbrücken durch „Campusallee“ ausführlich informiert und sagte eine Commerçon, Workshop, Marlen Dittmann unter dem Motto „Es lohnt sich“ über beider Ministerien und ausführlicher dig durch die zwei Tage. Getrennt in und „Keplerplatz“. Sie schlugen den ergebnisoffene Nutzungsdiskussion zu. mögliche andere Nutzungen nachden- Informationsbesuche der Minister die Gruppen „Symbolkraft“, „Europage- Brückenschlag zur Kongresshalle, die Marlen Dittmann ken. selbst. danke“, „Städtebauliches Umfeld“ und Öffnung des Ehrenhofes zur Saar und „Zukunftsfähige Nutzung“ sammelte ein Parkhaus über der Autobahn als Pünktlich zum Workshop erschienen: Heute ist es ein „Monument deutsch- Unter den ehrenamtlich tätigen Fach- man zunächst Ideen, um sie dann nach Lärmschutz vor. „Die ehemalige Französische Botschaft französischer Baukultur im Saarland“, leuten war auch eine größere Gruppe gemeinsamen Gesichtspunkten zu in Saarbrücken von Georges-Henri so der Untertitel der eben erschiene- von Franzosen, u.a. die Präsidentin durchsuchen, zu ordnen, zu vertiefen Eine gemeinsame Erkenntnis aller Pingusson. Ein Monument deutsch- nen neuen Publikation zum Haus. Um von DOCOMOMO International Frank- oder zu verwerfen. Gruppen war, und die Nutzungs- französischer Baukultur im Saarland“ das Ergebnis vorweg zu nehmen: In reich und ein „Architecte en chef des vorschläge zeigten es: Das Gebäu- Hrsg.: Deutscher Werkbund Saar- Zukunft könnte daraus ein europäi- Monuments Historiques“, zuständig Als gegen Mittag Minister Ulrich de wurde von Pingusson zwar als land und Institut für aktuelle Kunst, sches Flaggschiff werden, das unter für Bauten des 20. Jahrhunderts. Die Commerçon eintraf, konnten ihm Botschaft geplant, ist aber funktional Saarlouis. Zweisprachig, mit Beiträgen der Fahne „Pingussons“ im Saarland französischen Gäste waren hocher- bereits erste Erkenntnisse vorgetragen so durchdacht und reichhaltig, dass verschiedener Autoren und zahlrei- vor Anker liegt. freut, einen weitgehend noch origi- werden. Zuvor überreichten wir ihm hier grundsätzlich fast jede Nutzung chen, teilweise ganzseitigen, histori- nalen „Pingusson“ vorzufinden und jedoch als Erstem die druckfrische, denkbar ist. Nutzen könnten es, ein- schen Aufnahmen. 128 Seiten, ISBN Auch der enorme organisatorische behandelten das Gebäude wie einen durchgehend zweisprachige Publikati- zeln oder gemeinsam, Einrichtungen 3-938070-90-0, Subskriptionspreis bis Aufwand, ihn im Gebäude selbst zu Schatz. Für sie wäre jeder Eingriff in on. Das abschließende Plenum wurde und Institutionen aus Verwaltung, 31.12.14 20 €, danach 25 €. Weitere veranstalten, hat sich gelohnt. Für die das Haus, der mit Veränderungen der zu einer intensiven, gedankenreichen Forschung, Bildung und Kultur, auch Infos unter aksaarland.de Diskussion unter den Teilnehmern, Tourismus. Über allem aber steht
Sie können auch lesen