LV Solarenergie ENERGIE UND BAUDENKMAL
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lV Solarenergie Energie und Baudenkmal. Ein Handbuch Impressum Herausgeber Kantonale Denkmalpflege Bern und Kantonale Denkmalpflege Zürich Steuerungsausschuss Michael Gerber, Peter Baumgartner Projektleitung Siegfried Moeri, ADB Büro für Architektur, Denkmalpflege und Baugeschichte, Burgdorf Autorinnen und Autoren Dr. Marion Wohlleben, Kunsthistorikerin Zürich Siegfried Moeri, dipl. Arch. ETH, Architekturhistoriker Burgdorf unter Mitarbeit von: Nicole Müller, Projektleiterin nachhaltiges Bauen, CSD Ingenieure Bern Bruno Schletti, CSD Ingenieure Bern Fachexperten Ernst Baumann, Bauphysiker Bazenheid, Richard Widmer, Haustechnikingenieur Wil (SG) Randi Sigg-Gilstad, Kantonale Denkmalpflege Bern, und Roger Strub, Kantonale Denkmalpflege Zürich Lektorat by the way communications AG, Bern Layout und Gestaltung Paola Moriggia, Grafik & Webdesign, Bern Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 2
Vorwort lV Solarenergie Energie und Baudenkmal. Ein Handbuch «Besonnenheit» ist ein Begriff, der heutzutage leider ein klein wenig aus der Mode gekommen ist. Dabei ist er in der vielfach äusserst emotional und hitzig geführten Energiedebatte rund um die Baudenkmäler recht passend und damit eigentlich bereits wieder trendig. Es ist offenkundig, dass der gesellschaftliche wie auch der politische Druck, handeln zu müssen – insbesondere nach Fukushima –, sukzessive gewachsen ist. Diese Last bekommen direkt auch die Denkmäler zu spüren. Sie müssen plötzlich, wie jedes x-beliebige Bauwerk, als energiepolitische Aushängeschilder herhalten und werden dreifachverglast, geschäumt und anderweitig eingepackt oder mit Kollektoren bedeckt. Vielerorts sind dafür in einer irritierend hektischen Betriebsamkeit Gesetze gelockert, Verordnungen aufgeweicht und eine beeindruckende Menge an Merkblättern verfasst worden. Sie ist selbstverständlich unbestritten, die laute Forderung nach einem massvollen Umgang mit der Energie. Es soll aber besonnen – also umsichtig, gelassen, gründlich und sorgfältig – darüber nachgedacht werden können, welche Rolle die verschwindend kleine Zahl an Denkmalschutzobjekten dabei spielen soll. Parallel dazu müsste eigent- lich zwingend eingefordert werden, dass die ganze Massnahmenpalette auf die übrigen 95–98 % nicht schützenswerten Gebäude (je nach Kanton) angewandt wird. Das heisst nun beileibe nicht, dass nicht auch die Denkmäler selbst einen Beitrag leisten können, natürlich ohne dem Objekt schweren Schaden zuzufügen. Nicht verhindern, sondern ermöglichen, dies aber mass- und respektvoll. Davon handelt dieses Handbuch. Es ist kein allumfassendes Nachschlagewerk und damit kein Werkzeugkasten für Heimwerker. Es ist auch keine rechtsverbindliche Richtschnur – dafür sind die kantonalen Gesetzgebungen und Bauvorschriften zu verschieden. Es ist vielmehr ein Werk, das zum Nachdenken über den Energiehaushalt am und im Gebäude anregen soll, es zeigt eine Vielzahl von Möglichkeiten (und notabene auch Grenzen), es ist also eine Art Vorschlagewerk. Damit mit Besonnenheit auf eine qualitätvolle Umwelt, die natürliche wie die gebaute, hingearbeitet werden kann. Michael Gerber Beat Eberschweiler Denkmalpfleger des Kantons Bern Denkmalpfleger des Kantons Zürich Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 3
Inhaltsverzeichnis lV Solarenergie 1. Einführung 6 Erhalten und sparen 7 Gemeinsamkeiten und Konflikte 7 Kompensation für nicht zu erreichende Energiewerte 9 Lösungsfindung – ein interdisziplinärer Prozess 9 2. Baudenkmal und Energie – Grundlagen 10 2.1 Historische Bauten und Energie 11 Bauen mit dem Klima und den vorhandenen Ressourcen 11 Erfindungsreichtum und Baukultur 12 Baudenkmal und energetische Verbesserung 13 2.2 Auftrag und Grundsätze der Denkmalpflege 14 Denkmäler sind Zeugen und widerspiegeln die Vielfalt der Geschichte 14 Schutz und Prävention 14 Denkmalpflegerische Grundsätze 14 2.3 Grundlagen Energie 16 Energie 16 Energiebilanz am Gebäude 17 3. Baudenkmäler und Solarenergie 19 3.1 Die Bedeutung des Dachs für das Baudenkmal 20 Steildächer 20 Flachdächer 21 3.2 Die Bedeutung des Daches für das Ortsbild 21 3.3 Gewinnung von Solarenergie 22 Gewinnung von Solarenergie auf Dächern 22 Alternativen zur Solaranlage auf dem eigenen Dach 23 3.4 Solarenergie am Gebäude 24 Standort(un)gebundene Energiegewinnung 24 Solarwärme 24 Fotovoltaik 25 Arten von Solarzellen 26 Solarmodule 28 Solarelemente und graue Energie 28 Energetische Amortisationszeit von Solarelementen 28 3.5 Systeme zur Gewinnung von Solarenergie 29 Flachkollektoren 29 Vakuumröhrenkollektoren 30 Thermische Solarziegel und Unterdachkollektoren 31 Schlüsse 31 Voltaische Solardachziegel und -schiefer 32 System für Flachziegel 32 Laminate 33 Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 4
lV Solarenergie 4. Planung von Solaranlagen an Baudenkmälern 34 4.1 Aufstellungsorte von Solarelementen 35 Dächer und Fassaden von Nebengebäuden 35 Elemente der Umgebungsgestaltung 35 Aufstellung im freien Gelände 35 Solarschuppen 35 Am Baudenkmal, an untergeordnetem Bauteil 35 4.2 Aufstellungshinweise für Solarelemente aus technischer und energetischer Sicht 36 Solarkollektoren 36 Voltaikmodule 36 4.3 Solaranlagen auf Steildächern 37 Montage auf dem Hauptdach 37 Thermiefelder 37 Voltaikfelder 37 Lage von Kollektorenfeldern 38 Formen von Kollektorenfeldern 39 Grosse Voltaikflächen und Thermiefelder 40 Detailgestaltung 41 4.4 Solaranlagen auf Flachdächern 42 Bildnachweise 43 Literaturauswahl 44 Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 5
Erhalten und sparen Kanton Bern ist diese Zahl etwas höher, weil hier die lV Solarenergie Bauten zweier Schutzkategorien, schützenswert und Mit der vorliegenden Publikation «Energie und Bau- erhaltenswert, zusammengezählt werden. Bauten der Ka- denkmal» verfolgen wir das Ziel, den Erhaltungsauftrag tegorie erhaltenswert unterliegen in der Praxis weniger der Denkmalpflege mit den neuen Anforderungen des strengen Auflagen und haben einen grösseren Verände- Klimaschutzes bestmöglich in Einklang zu bringen. rungsspielraum. Denkmalpflege soll den Denkmalbestand in Substanz Da der Denkmalbestand insgesamt klein ist, bedeutet und Wirkung erhalten und möglichst unversehrt über- das, dass die von ihm verbrauchte Energiemenge wie liefern. Klimaschutz soll die Treibhausgase, die durch auch die mit ihm zu realisierenden Einsparmöglichkei- Verbrennung fossiler Energieträger entstehen, reduzieren ten vergleichsweise gering sind. Dieser Tatsache sollte und so eine weitere Erderwärmung verhindern. Beides man sich bewusst sein, besonders wenn es um schwer zu sind öffentliche Belange, die durch Bundesrecht (Na- optimierende Bauten geht. In den meisten Fällen lassen tur- und Heimatschutzgesetz NHG und Energiegesetz) sich aber auch bei Baudenkmälern durch intelligent sowie durch kantonale Gesetze und Verordnungen geplante Massnahmen ansehnliche energetische Ver- geregelt sind. Für den Denkmalschutz sind Eingriffe am besserungen erreichen. Noch weniger Schwierigkeiten Baudenkmal nur zulässig, wenn sie es weder in seiner bereitet in dieser Hinsicht der allgemeine Baubestand. materiellen Substanz schädigen noch in Gestalt und Doch auch hier sollte man bedenken, dass nicht jede Wirkung beeinträchtigen – ein Grundsatz, der durch Massnahme überall gleich sinnvoll ist. Die auf technische den notwendigen Klimaschutz nicht ausser Kraft gesetzt Innovation angelegten Bereiche Verkehr, Industrie und wird. Elektronik sind viel flexibler und bieten mehr Möglich- Allerdings fordert die gleichzeitige Umsetzung beider keiten zur Kompensation. Daher kann man ihnen auch Belange eine Reihe von Kenntnissen, und zusätzlich mehr zutrauen und zumuten als dem auf Dauer angeleg- sind Flexibilität und guter Wille notwendig, um zu ten Baubestand. Durch Forschung und Entwicklung ist guten Lösungen zu kommen. Weil alte Bauten anders der technische Bereich weit besser geeignet, alternative funktionieren als Neubauten, ist es für die energetische Energiegewinnung und Speicherung voranzutreiben und Sanierung wichtig, über historische Bauweisen und das Energie einzusparen. Damit ein hohes Gut wie das Klima bauphysikalische Verhalten von Altbauten Bescheid zu nicht um den Preis eines anderen hohen Gutes, der Bau- wissen. Alles auf diesem Gebiet Wissenswerte wurde kultur, erkauft wird, braucht man verantwortungsvolle für dieses Handbuch zusammengetragen. Es soll für und auf lange Sicht angelegte Konzepte. Die Klimaziele Denkmal- und Sanierungsfachleute und für interessierte lassen sich letztlich nur durch einen ressourcenschonen- Nichtfachleute ein nützliches Kompendium für die ener- den Umbau der Wirtschaft zur Nachhaltigkeit sowie getische Optimierung historischer Bauten sein. Die hier durch die individuelle und gesellschaftliche Veränderung zusammengestellten Informationen über Massnahmen, des sorglosen und verschwenderischen Konsum- und Materialien und Techniken sind das Ergebnis langjähriger Mobilitätsverhaltens erreichen. Schonender Umgang mit Beratungstätigkeit in der Baudenkmalpflege. Alle hier dem Bestand, der Reparatur und Reversibilität sind von beschriebenen Sanierungsmethoden und -mittel beruhen jeher Grundsätze und Arbeitsmethoden der Denkmal- auf praktischen Erfahrungen. Sie sollen eine verlässliche pflege und sie sind auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Grundlage und notwendige Orientierung auf dem Gebiet der energetischen Bausanierung bieten. Folglich werden nur solche Massnahmen empfohlen, die aus denkmal Gemeinsamkeiten und Konflikte pflegerischer Sicht für den Einsatz am Baudenkmal Denkmalschutz und Klimaschutz erscheinen zwar geeignet sind und sich langfristig bewährt haben. zuweilen als Gegensätze, doch haben sie bei genauerer Betrachtung auch wesentliche Gemeinsamkeiten: Für Unter Baudenkmal oder Schutzobjekt werden hier alle beide steht der Schutz nicht erneuerbarer Ressourcen im rechtlich geschützten Bauten und Anlagen verstanden Vordergrund. Für beide sind also Erhalten und Sparen ebenso die in den Inventaren des Bundes, der Kantone zentral. Während man die Endlichkeit und Gefährdung und Gemeinden sinngemäss als erhaltenswert oder schüt- natürlicher Ressourcen wie Erdöl, saubere Luft oder zenswert verzeichneten Bauten und Anlagen – Einzel- sauberes Grundwasser grundsätzlich erkannt zu haben bauten, Gruppen von Bauten und Ensembles. Aufgrund scheint, steht es mit dem Verständnis für die Gefähr ihrer historischen Bedeutung bedürfen sie eines besonde- dungen der menschengemachten, kulturellen Ressourcen ren, schonenden und angemessenen Umgangs. schlechter, oft fehlt es ganz. Das zeigt sich beispielswei- se in der nicht seltenen Behauptung, Denkmalschutz Der zahlenmässige Anteil von Baudenkmälern am Ge- verhindere einen wirksamen Klimaschutz. Mag sich das samtbaubestand ist sehr gering. Im Schweizer Durch- in einzelnen Fällen auch so darstellen, so ist aufs Ganze schnitt beträgt er ungefähr zwei bis drei Prozent. Im gesehen der Einsatz für Bauerhaltung und Baupflege Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 7
das genaue Gegenteil von Verhinderung: Die Erhaltung die Vertreter anderer Interessen nicht umhinkommen, lV Solarenergie bestehender Bauten, insbesondere von Baudenkmälern nach gemeinsam gangbaren Wegen zu suchen und Kom- mit ihrer historischen Zeugenschaft und ihren zumeist promisse einzugehen. Dabei müssen allerdings die Werte natürlichen Baumaterialien, trägt zur Ressourcenscho- und Verluste bedacht werden, die auf dem Spiel stehen. nung bei. Vor allem Massivbauten, aber auch Holzkon- Energetische Sanierung von Baudenkmälern lässt sich struktionen aus vor- und frühindustrieller Zeit, erfüllen auf ganz unterschiedliche Weise realisieren, je nachdem Nachhaltigkeitskriterien wie Dauerhaftigkeit, Stabilität, hat man die Wahl zwischen betrieblichen, technischen Speicherfähigkeit oder Schadstofffreiheit. Das macht ihre und baulichen Massnahmen. Das Gebiet der Sanierung Erhaltung ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Ihre entwickelt sich laufend weiter und erlaubt schon heute Reparaturfähigkeit hat gegenüber Abbruch und Neubau verschiedene Szenarien. Dagegen gibt es zum Unikat den Vorteil, dass Bauschutt vermieden wird, zusätzliche Baudenkmal keine Alternative, Verluste lassen sich nicht Energie für Entsorgung und Neubau entfällt und keine kompensieren. Ein falscher Kompromiss geht schnell neuen Emissionen produziert werden. auf Kosten der historischen Substanz und der Denkmal Da im Klimaschutz die Gesamtenergiebilanz zählt, ist es eigenschaft. Darum sind Massnahmen, die ein Risiko für zweitrangig, wo die schädlichen Emissionen eingespart das Baudenkmal darstellen, keine Option. Baudenkmäler werden. Es ist also durchaus im Sinn von Effizienz und sind als Experimentierfeld ungeeignet. Optimierung, wenn für energetische Verbesserungen nach dem dafür am besten geeigneten Standort gesucht Um Konflikte zu vermeiden, die sich aus unterschiedli- wird, um nicht nur ein Ziel zu erreichen, sondern zusätz- chen Interessen ergeben können, empfiehlt es sich, die lich noch Substanzschonung, Erhaltung der ästhetischen gemeinsame Grundlage zu verbreitern, auf der sich ein Wirkung sowie Vermeidung bauphysikalischer Schäden. gutes Konzept aufbauen lässt. Damit sich eine geplante Die Gesamtbilanz begnügt sich nicht mit einer Moment- energetische Sanierung mit dem historischen Gebäu- aufnahme des aktuellen Energieverbrauchs; sie ist das de wirklich verträgt, müssen die Akteure den Bestand Ergebnis des ganzen Energieeinsatzes, von der Erstellung mitsamt seinen Stärken und Schwächen gut kennen. Man eines Produkts bis zur Entsorgung. Aus dieser Perspek- sollte sich deshalb nicht vorzeitig auf Art und Umfang tive müssen historische Bauten und ihre langdauernde einer Massnahme oder auf bestimmte Produkte festle- Existenz zwangsläufig eine Neubewertung erfahren. gen, ebenso wenig wie auf konkrete Werte (U-Werte) Die einseitige Fixierung auf die Defizite von Altbau- und Gewinnerwartungen. Wichtigste Voraussetzung für ten ist nicht länger haltbar, denn ihre Leistungen und das Gelingen einer energetischen Optimierung ist, dass Potenziale, die sich auf die Gesamtenergiebilanz positiv die Massnahmen und ihre Ausführung genau auf das auswirken, bleiben fast immer unberücksichtigt. Die jeweilige Gebäude abgestimmt werden – das ist Massar- Gesamtbilanz beinhaltet darüber hinaus die in Altanla- beit. Leider eignen sich die für den Neubau entwickelten gen gespeicherte graue oder kumulierte Energie, also die marktgängigen Produkte und Angebote zur Energieein- Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, sparung für den Einsatz im Baudenkmal oft nur bedingt. Verkauf und Entsorgung benötigt wird. Dabei wer- Sie können selten tel quel eingesetzt werden. Denn Bau- den auch alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung denkmäler unterscheiden sich nicht nur wesentlich von berücksichtigt und der Energieeinsatz aller angewandten Neubauten, sie sind auch untereinander sehr verschieden Produktionsprozesse addiert. Das gilt freilich für den – hinsichtlich ihrer schutzwürdigen Eigenschaften eben- gesamten Baubestand, nicht nur für Baudenkmäler. so wie hinsichtlich ihrer energetischen Situation. Aus Deshalb sollte mit dem Baubestand als Teil der langfristi- diesem Grund gibt es auch kein Sanierungsrezept, nach gen Baukultur rücksichtsvoll umgegangen werden, ganz dem alle Baudenkmäler auf die gleiche Art und Weise so wie mit dem Klima als Teil der Umwelt. Die daraus energetisch zu optimieren wären. abzuleitende Konsequenz müsste lauten, Baukultur und Umwelt schonend zu nutzen, angemessen zu bewirt- Wohl gibt es aber eine Reihe von Massnahmen, die in schaften und keinesfalls zu verbrauchen. den meisten Fällen durchgeführt werden können und die Denkmalschutz und Klimaschutz können folglich als eine spürbare Verbesserung der Energiebilanz bewirken, zwei Facetten eines gemeinsamen Interesses betrachtet ohne dem Schutzobjekt zu schaden. Im Vordergrund werden. Es ist das allgemeine Interesse am Fortbestand stehen hier die nicht oder nur wenig invasiven, also einer vielfältigen, natürlichen und kulturellen Umwelt – betrieblichen und organisatorischen Massnahmen. Sie auch wenn die Ansichten über den besten Weg dorthin bilden einen Schwerpunkt der vorliegenden Publikation. sich zuweilen unterscheiden und zu Konflikten führen. Eine der wichtigsten Entscheidungen betrifft die Wahl Vielfach sind kurzfristige Interessen der Grund. Aber eines effizienten Heizsystems, weil ein Grossteil der Klima und Baukultur sind alles andere als kurzlebige CO2-Emissionen durch veraltete Heizungen verursacht Konsumartikel. Wenn wir sie erhalten wollen, bedürfen wird. Es werden sodann verschiedene Massnahmen und sie der Rücksicht und Weitsicht. Deshalb werden auch Techniken erläutert, die mit einem Baudenkmal in der Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 8
Regel kompatibel sind und zur Einsparung beitragen. Lösungsfindung – ein inter lV Solarenergie Ihre Funktions- und Wirkungsweise wird dargestellt, Vorzüge und Nachteile werden kritisch geprüft. So weit disziplinärer Prozess möglich, werden für bestimmte Situationen Massnahmen Die energetische Sanierung eines Baudenkmals ist eine empfohlen. anspruchsvolle Aufgabe, bei der viele verschiedene Diese Informationen für den Spezialbereich Energiespa- Aspekte zu berücksichtigen sind. Lösbar ist sie nur ren im Baudenkmal sollen als Orientierung auf einem durch die Zusammenarbeit von Fachleuten verschiedener schwierigen Markt dienen, der nicht auf Baudenkmäler Richtungen – Architektur, Bauphysik, Denkmalpflege zugeschnitten ist und immer unübersichtlicher wird. Ein u. a. – , die ausser ihrem Fachwissen auch einschlägige Handbuch kann jedoch nur Grundwissen liefern; die Erfahrung im Umgang mit historischen Bauten und direkte Bauberatung kann es nicht ersetzen. Vor einer Konstruktionen mitbringen müssen. Das angestrebte Ziel geplanten Sanierung wird daher empfohlen, frühzeitig ist es, den erhaltenswerten Bestand mit den Wünschen mit der zuständigen Beratungsstelle der Denkmalpflege der Nutzer und mit notwendigen energetischen Sanie- Kontakt aufzunehmen, um notwendige Schritte gemein- rungsmassnahmen so gut wie möglich in Einklang zu sam zu planen und dadurch Zeit und Kosten zu sparen bringen und die beste Lösung für Baudenkmal, Klima- sowie böse Überraschungen zu umgehen. So lassen sich ziele und Bauherrschaft zu finden. Für eine gute Planung Konflikte vielleicht nicht ganz vermeiden, wohl aber in und ein gemeinsames Konzept müssen den Beteiligten den meisten Fällen doch zur Zufriedenheit der Beteilig- die wichtigsten Grundlagen bekannt sein. Dazu gehören ten und zum Besseren des Baudenkmals lösen. die historische Bedeutung des Ganzen oder einzelner Teile, die den Denkmalwert begründen, genauso wie Kompensation für nicht zu technische Daten und Fakten zur Nutzung, zum Ver- erreichende Energiewerte brauch (Heizmaterial- und Energieverbrauch) oder zum Feuchtehaushalt. Der Art und Intensität der Nutzung Eine energetische Sanierung von Baudenkmälern erreicht und dem Nutzerverhalten muss beim Energiesparen eine nicht die gleichen Ziele wie ein nach neuesten Erkennt- grössere Rolle beigemessen werden als bisher, denn die nissen und Energierichtwerten erstellter Neubau. Zwar Energie wird nicht vom Gebäude, sondern von seinen existieren durchaus Baudenkmäler, welche die geforder- Nutzern verbraucht. Beim historischen Gebäude müssen ten Normwerte bereits heute erreichen. Doch steht bei die Sanierungsmassnahmen auf den Bestand zugeschnit- unserer Gebäudegruppe eindeutig die Verbesserung der ten und den Gegebenheiten angepasst werden, während Energiebilanz im Vordergrund und die lässt sich, anders der Neubau einheitliche und berechenbare Ausgangs- als Normwerte, so gut wie immer erreichen. bedingungen schafft, mit denen gerechnet werden kann. Es muss auch kein Grund zur Sorge sein, wenn das Dem historischen Gebäude müssen sich Massnahmen gewünschte oder geforderte Sparziel aufgrund baulicher, und Bewohner in bestimmtem Umfang anpassen. Eine technischer oder sonstiger Gegebenheiten nicht erreicht erfolgreiche Sanierung ist diejenige, der es gelingt, die werden kann. Unter dem Aspekt der Gesamtenergie historische Substanz in gutem Zustand zu erhalten und bilanz sollte eine entspannte Sicht auf das einzelne eine auf lange Sicht angelegte energetische Verbesserung Bauteil möglich sein. Tatsächlich fordern die Vorgaben zu erreichen. Beides trägt, anders als kurzfristige Ge- der 2000-Watt-Gesellschaft keine bestimmten Eizelmass- winnerwartung, zur Nachhaltigkeit bei. nahmen. Es geht dabei vielmehr um die von einer Person verbrauchte Gesamtenergiemenge, egal in welchem Lebensbereich. Energetische «Schwachstellen» im Bau- denkmal lassen sich durch betriebliche oder organisatori- sche Massnahmen ausgleichen bis hin zu Veränderungen der Art oder Intensität der Nutzung. Solaranlagen lassen sich auf einem Nebengebäude oder besser auf den Flach- dächern im nahen Gewerbegebiet effizient konzentrie- ren. Nicht zuletzt sind auch der Bezug von Ökostrom oder der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr Mög- lichkeiten, die persönliche Energiebilanz zu verbessern und Emissionen zu reduzieren. Hier bedarf es einer weit grösseren Flexibilität von Seiten der Gesetzgeber, und es braucht andere Berechnungsmodelle (z.B. ein Bonus Konventionen system), um den Druck von Gebäuden zu nehmen, die ihm nicht standhalten können. Definitionen Exkurse Akzente Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 9
2. Baudenkmal und Energie – lV Solarenergie Grundlagen Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 10
2.1 Historische Bauten einzelner Elemente, zum Beispiel des Raumklimas, sich lV Solarenergie destabilisierend auf das gesamte Gefüge oder einzelne und Energie Teile auswirken kann. Ein Dachausbau oder der Ersatz aller Fenster bewirken Veränderungen sowohl im Wär- Um ein Baudenkmal energetisch nachzurüsten, ohne me- wie auch im Feuchtehaushalt, deren Folgen zuvor ihm zu schaden, ist es notwendig, seine Funktionsweise bedacht und abgeschätzt werden müssen. Besonders sind zu kennen, vor allem das Zusammenspiel von Bauweise, Systemwechsel – von Bautechniken und Materialien – auf Lüftung und Heizung einerseits und Raumklima, Tem- ihre Auswirkungen auf das Ganze hin zu prüfen. Beim peratur und Feuchtehaushalt andererseits. Das Gebäude Baudenkmal dürfen keine Risiken eingegangen werden, muss als Einheit betrachtet und behandelt werden, nicht und im Zweifelsfall muss eine zu erwartende scha- als Konglomerat voneinander unabhängiger Bauteile. densträchtige Massnahme unterlassen und nach einem Nur wenn man versteht, wie das Ganze funktioniert, anderen Weg gesucht werden. Baudenkmäler können, an- können Sanierungsfehler vermieden werden. ders als Neubauten, nicht alle heutigen Energiezielwerte Wie man baute, das hatte sich zu jeder Zeit auch nach erfüllen. Damit aber auch eine energetische Optimierung den zur Verfügung stehenden Energieressourcen zu nicht auf Kosten der Denkmalerhaltung erreicht wird, richten. Zwischen Bauweise und Energie besteht also ein sind Flexibilität und die Bereitschaft zur Anpassung des Zusammenhang, nicht selten handelt es sich dabei um ein Nutzerverhaltens an die baulichen Gegebenheiten gefragt Gleichgewicht, das durch unbedachte Eingriffe empfind- sowie der Ausgleich durch kompensatorische Mass lich gestört werden kann – mit negativen Folgen für das nahmen. Objekt. Trotz der Eigenarten, durch die sich Bauten voneinander unterscheiden und die bei jeder Sanierung gesondert Bauen mit dem Klima zu berücksichtigen sind, gibt es auch viele Gemein- und den vorhandenen Ressourcen samkeiten. Sie zu kennen erleichtert nicht nur jede Baumeister kamen früher nicht umhin, sich an das jewei- Sanierungsplanung. Kenntnisse der Grundlagen der lige Klima und die vorhandenen Ressourcen anzupassen. historischen Baupraxis sowie der allgemeinen Grundsät- «Ökologisches Bauen» ist daher keine Errungenschaft ze der Denkmalpflege, die für alle Baumassnahmen am der zeitgenössischen Architektur. Schutz vor Witte- Baudenkmal gelten und für eine energetische Opti- rung und optimale Ausnutzung von Aussenklima und mierung nicht ausser Kraft gesetzt werden, helfen mit, Energiequellen waren beim Bauen wichtige Ziele zur unangenehme und kostspielige Fehler zu vermeiden. Das Erreichung eines angenehmen Raumklimas. Topografi- Ziel, Kohlendioxid (CO2) zu reduzieren, lässt sich nicht sche Gegebenheiten wurden möglichst ausgenutzt, und nur auf die heute geförderte, sondern auf vielfältige Art der überlegte Einsatz des Baumaterials war eine Not- und Weise erreichen. Die Förderung von Massnahmen wendigkeit. In vorindustrieller Zeit waren Material- und zum Energiesparen sollte sich daher nach der tatsächlich Transportkosten hoch, Arbeitskräfte billig. Folglich war erreichten Reduktion der verbrauchten Energiemenge auch die Reparatur von schadhaften Bauteilen – Fens- richten und nicht nach der Umsetzung von Massnahmen, tern, Türen, Fussböden u. a. – üblich und handwerklich deren effektive Wirkung oft gar nicht messbar ist oder möglich. ungeprüft bleibt. Anders gesagt: Energetische Optimie- Traditionell waren Häuser vom Keller bis zum Dachfirst rung soll in erster Linie das Normenziel der Reduktion auch wirtschaftliche Einheiten. Sie unterscheiden sich je erfüllen, nicht abstrakte Normwerte. nach Landschaft und Funktion, so dass wir von regio- «In Zeiten, als es so etwas wie Technische Gebäudeaus- naltypischen Bauten sprechen können – in Berggebieten rüstung noch nicht gab, waren die Baumeister darauf sind es andere als in Weinbaugebieten oder in Handels- angewiesen, alle möglichen Überlegungen anzustellen, städten. Doch es lassen sich auch Gemeinsamkeiten be- alle möglichen natürlichen Energiequellen auszubeuten, obachten: Für freistehende Häuser berücksichtigte man, um Gebäude im Innern nutzbar zu machen», schreibt der wo immer es ging, die Himmels- und Wetterrichtung Architekt und Bauklimatiker Jürgen Roloff 1. Immerhin oder man nutzte den Schutz einer Senke oder Anhöhe. führten diese Überlegungen zur Entwicklung vielfälti- Es wurden Vorkehrungen getroffen, um Kälte abzuhal- ger, langlebiger und anpassungsfähiger Bautypen und ten oder, wo benötigt, zu nutzen. Keller- und Dachräume Bauten – zu unserer Bautradition. Baustoffe, in der Regel mussten für die Lagerung von Lebensmitteln und Waren 1) Jürgen Roloff, Ist natürliche wie Holz, Stein, Ziegel usw., und Bauweise zweckmässig gebaut sein, also kühl, trocken und gut klimagerechtes Bauen gleich energieeffi sind aufeinander abgestimmt. Die Bauten folgen einer belüftet. Dachräume dienten zugleich als Speicherraum zientes Bauen? In: Wissenschaftliche Zeit konstruktiven Logik 2. Deren gründliche wissenschaft- und (bis heute) als thermische Pufferzone. Von der schrift der Technischen Universität Dresden, liche Erforschung steckt zwar noch in den Anfängen. Sonneneinstrahlung profitierte man durch die Wär- Heft 1–2, 2004, S. 139–144 Es liegen jedoch genügend Einzeluntersuchungen und mespeicherfähigkeit massiver Mauern und Wände. Bei 2) Déclaration d’ICOMOS Erfahrungswerte vor, die belegen, dass die Veränderung Holzkonstruktionen (Fachwerk, Strickbauten) war die France, 2008 Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 11
Fassadenverkleidung (Putz, Schindelschirm oder Brett- Doppelfenster, holzvertäfelte Innenräume, Textilien oder lV Solarenergie schalung) zugleich Zier und konstruktiver Schutz vor Tapeten. Billiges Erdöl für bequemeres und sauberes Regen, Feuchtigkeit und Kälte. Dem Witterungsschutz Heizen von Wohnungen kam erst nach dem Krieg auf dienten auch Loggien, grosse Dachvorsprünge oder die den Markt. Es erlaubte eine weniger auf Energieeffizienz Vor- und Klebdächer – Schutzdachbänder – über den bedachte, weniger kompakte Bauweise und liess neue, Fenstern der Giebelwand. Alle diese Bauelemente sind durch Leichtigkeit geprägte Bau- und Wohnformen auch Gestaltungselemente von handwerklicher, oft sogar als Ausdruck einer allgemeinen Aufbruchsstimmung baukünstlerischer Qualität und aus mehreren Gründen entstehen. Bauten aus dieser Periode gelten heute als von geschichtlichem Interesse. wenig nachhaltig. Aber sie sind Zeugen einer Epoche mit eigener Ästhetik und Formensprache und eines neuen Besonders grosse Sorgfalt verwendete man auf Detail- Lebensgefühls. Ihr verdankt die Baukultur Innovationen lierung und Fertigung von Türen und Fenstern eines auf dem Gebiet der Baumaterialien, Konstruktion und Hauses. Sie sind viel mehr als nur Öffnung, sie existieren Gestaltung. Die Minimierung von Baumaterial, Glas- in unzähligen Varianten und sind für die Wirkung nach flächen oder offene Grundrisse liessen lichte und quasi Innen genauso wichtig wie für die Aussenwirkung. Auch schwerelose Bauten entstehen. Ideenreichtum und ein die Anordnung der Räume im Grundriss richtete sich, oft spielerisch anmutender Umgang mit neuen und alten wo dies möglich war, nach klimatischen Gegebenheiten Bauaufgaben macht diese heute oft pauschal abgewertete und Heizquellen. Optimalen Schutz bot (und bietet noch Architektur gerade wegen ihrer Andersartigkeit interes- immer) die kompakte Bauweise eines Mehrzweckhauses, sant. Aufgrund städtebaulicher, sozialer oder architek- wo alles unter einem Dach Platz fand. Im Bauernhaus tonischer Qualitäten sollte das Bestandsrecht vieler ihrer kam man mit nur einer Feuerstelle, dem Herd, aus. Oft Vertreter ausser Frage stehen. speiste er auch den Stubenofen und wärmte noch die Kammer im Obergeschoss. Der Herd war zum Kochen, Erfindungsreichtum und Baukultur Backen, Wärmen, Heizen, Warmwasser bereiten, Trock- nen und Räuchern da: Er war multifunktional. Heute Die jahrhundertealte Baukultur in unserem Land zeugt existiert für jede dieser Funktionen ein eigenes Gerät, von der praktischen Intelligenz und vom handwerkli- das Energie benötigt. Heizgelegenheiten, seien es offene chen Können, die äusseren Bedingungen einer Region Kamine (Cheminées) oder Öfen, waren auch in nicht mit den jeweiligen Nutzungsanforderungen sowie mit landwirtschaftlichen Gebäuden sparsam verteilt und den herrschenden ästhetischen Vorstellungen in immer wurden nur bei Bedarf gebraucht. neuen Varianten zu verbinden. Als Vorbild in baulicher Dafür trugen verschiedene bauliche und nichtbauliche und betrieblicher Hinsicht können heute besonders die Massnahmen dazu bei, in den Häusern ein angenehmes Bauten aus der Zeit vor dem Erdölboom dienen, die für Klima zu schaffen. Angefangen bei der Dichte einer den haushälterischen und klimaschonenden Umgang mit Siedlung, die vielseitigen Schutz bietet, gehören schüt- knappen Ressourcen stehen. Denn ihre Leistung liegt zende Hecken ebenso dazu wie das an der Hauswand nicht allein in der «Bewirtschaftung eines Mangels». aufgeschichtete Holz als Wetterschutz. Heu auf dem Sie besteht vielmehr darin, dass sie trotz schwieriger Dachboden übernimmt eine thermische Pufferfunkti- Bedingungen Baukultur hervorgebracht haben, die on, ein Obstspalier an der Hauswand sorgt für Birnen, nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Dass Äpfel oder Kernobst und spendet Schatten und Kühle im eine «Rückbesinnung auf althergebrachte Bauweisen» Innern. Dies sind nur einige Beispiele aus dem landwirt- neben der Entwicklung neuer Technologien am Platz sei, schaftlichen Bereich und aus vorindustrieller Zeit, einer meinen auch baugeschichtlich informierte Bauökologen, Zeit, deren Bauten uns viele interessante und wertvolle ohne damit ein generelles Zurück-zu-alten-Zeiten zu Informationen über die Lebens- und Arbeitsweisen propagieren.1 Haben wir es aber mit Baudenkmälern als früherer Gesellschaften liefern können. Und natürlich vom allgemeinen Baubestand sich abhebenden Bauten zu endet das Interesse daran nicht mit dem 19. Jahrhundert. tun, dann kommen zu den genannten Gründen, die ältere Zwar bleibt es, solange die Hauptenergieträger Kohle, Bauten erhaltenswert machen, kulturhistorische Gründe Holz und Gas waren, noch lange bei einer kompak- hinzu. Eventuelle energetische Schwachstellen können ten und massiven Bauweise. Jedoch sind seitdem auch nicht allein ausschlaggebend sein; beim Baudenkmal Veränderungen zu verzeichnen. Neue Baumaterialien, spielen sie nicht die Hauptrolle. Als einmalige Doku- Bauweisen, Bauaufgaben und Moden verwandeln das mente und nicht zu ersetzende Informationsquellen der Erscheinungsbild der Siedlungen und Städte allmählich. Geschichte werden Baudenkmäler zu Marksteinen ihrer 1) Bauökologie – inno Kohle, Holz und Gas standen bis in die 50er-Jahre des Umgebung und prägen die Baulandschaft. Mit ihnen vative Materialien 20. Jahrhunderts nur begrenzt zur Verfügung oder waren verbinden sich Lebensgeschichten und kollektive Erin- und Technologien. In: Wissenschaftliche Zeit aufwendig zu beschaffen. Man heizte folglich sparsam; nerungen. Sie bereichern den Lebensraum und wirken schrift der Technischen Universität Dresden, für zusätzlichen Wohnkomfort sorgten Wintergärten, identitätsstiftend. Heft 1–2, 2004, S. 99. Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 12
Heute, wo Ressourcenschonung notwendig ist, erfor- höchsten Sparpotenzial noch um das effizienteste Heiz- lV Solarenergie dert das bauliche Erbe mehr denn je einen vernünftigen system gehen kann. Es ist vielmehr nach demjenigen Umgang. Energiesparen beginnt bei der Analyse des System zu suchen, «das für dieses spezielle Haus mit Ist-Zustands und bedarf einer umsichtigen, alle relevan- seiner individuellen Gestaltung und seiner spezifischen ten Faktoren berücksichtigenden Planung. Dazu gehören Bautechnik bei der vorgesehenen Nutzung funktions- Überlegungen zur Mobilität, zur Siedlungsstruktur wie gerecht, schonend einzubauen und langfristig mit der zum einzelnen Gebäude, seiner Nutzung und seinen Substanz verträglich ist. In gleicher Weise wäre zu ermit- Benutzern. Die immer nur für einzelne Bereiche oder teln, welche Art der Dämmung sich mit den formalen, Bauteile propagierten Normen und Standards genügen technischen und raumklimatischen Gegebenheiten dieses dafür nicht. Kritisch ist auch die normative Festlegung Hauses verträgt und für die Nutzung akzeptabel ist.»1 von zeitgemässen Wohnbedürfnissen und Wohnstan- dards zu beurteilen. Die Art zu wohnen variiert je nach Eine Studie der Universität Zürich kommt zum Individuum und Gruppe und wandelt sich auch je nach Ergebnis, dass die Modernisierung von Heizungs- Lebensalter. Die Wohnzufriedenheit hängt vermut- anlagen schon kurzfristig zu einem wirtschaftlichen lich weniger von einer konstanten Temperatur in allen Ertrag für die Eigentümer führe. Dagegen zeige die Räumen ab als von Faktoren wie Lage, Mietpreis und Wirksamkeit der Wärmedämmung von Aussenwän- persönlichem Geschmack. den unter 15 untersuchten staatlichen Lenkungs- Schützenswerte Altbauten sind kaum je normenkon- massnahmen das zweitschlechteste Durchschnitts- form. Die meisten stammen jedoch aus Zeiten, als ergebnis wegen der ungünstigen Relation von Handarbeit und natürliche Baustoffe die Regel waren hohem Investitionsaufwand und geringen tatsächli- und wenig Energie zur Verfügung stand. Das heisst, dass chen Einsparungen.2 diese Bauten «sparsam» gebaut sind, auch wenn heute Die Zürcher Ergebnisse decken sich mit denen einer viel Heizenergie verbraucht wird. Ihre traditionellen, Reihe ähnlicher Untersuchungen über die Möglich- natürlichen Materialien machen sie reparaturfreundlich, keit der Energieeinsparung im Gebäudebestand.3 und sie lassen sich in gewissem Umfang auch energetisch verbessern. Wo Schwachstellen bleiben, müssen diese anderswo kompensiert werden. Dafür bieten sie unkon- ventionelle Besonderheiten, die Neubauten abgehen. Baudenkmal und energetische Verbesserung Die drei wichtigsten Ziele einer energetischen Optimie- rung der Gebäudehülle durch nachträgliche Wärmedäm- mung sind: Reduktion klimaschädlicher Emissionen, Hebung der Behaglichkeit, Senkung der Heizkosten. Eine geeignete Wärmedämmung kann zur Erreichung aller drei Ziele beitragen, zwingend ist das aber nicht. Zu hohe Erwartungen über einzusparende Beträge sollten in jedem Fall gedämpft werden, denn in Berechnun- gen wird von Sollwerten anstatt von nutzerabhängigen Verbrauchswerten ausgegangen, was zu erheblichen Differenzen führen kann. Zudem wird die tatsächliche Reduktion der Emissionen nur selten gemessen; hier aber wären Erfolgs- und Qualitätskontrollen notwendig. Behaglichkeit lässt sich, wie oben ausgeführt, nicht so einfach verallgemeinern und kaum normieren. Behaglich- keitsempfinden hängt von mehreren, sehr unterschiedlich gewerteten Faktoren ab. So ist zum Beispiel das Wär- 1) Jörg Schulze, Bausub stanz, S. 49 mebedürfnis der Menschen wie ihr Frischluftbedürfnis 2) Studie: Saubere Luft höchst unterschiedlich (und anpassungsfähig), sodass im Kanton Zürich, Hg. Institut für Empirische geringer Luftwechsel wegen hoher Fensterdichtigkeit Wirtschaftsforschung der Universität Zürich, und einheitliche Raumtemperaturen nicht immer als Reihe Wirtschaft und angenehm empfunden wird. Gesellschaft, Zürich 1993 Für Schutzobjekte ist jedoch auch klar, dass es weder 3) Batelle-Institut Frank allein um die Frage nach dem Dämmstoff mit dem furt, bei Jörg Schulze, S. 13 Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 13
2.2 Auftrag und Grundsätze Erinnerungsträgern zu. So leistet Denkmalpflege einen lV Solarenergie grundlegenden Beitrag zur Stütze des kollektiven Ge- der Denkmalpflege dächtnisses, einem menschlichen Grundbedürfnis. Nicht zuletzt sind Baudenkmäler dauerhafte Elemente im Es ist die Aufgabe der Denkmalpflege, Anlagen und Raum, die der Orientierung dienen. Dadurch ermögli- Bauten von historischer Bedeutung durch gesetzlichen chen sie die Identifikation mit einem Ort, einer Gegend Schutz und fachgerechte Pflege eine langfristige Erhal- und tragen zur Ausbildung von Zugehörigkeits- und tung und Wirkung zu sichern. Der Schutz des Denk- Heimatgefühl bei. malbestandes geschieht im Auftrag der Allgemeinheit als ideellem Mitbesitzer des Patrimoniums. Analog zum privaten Erbe soll dieses treuhänderisch weitergegeben Schutz und Prävention werden. Um die historischen Informationen des Baudenkmals Baudenkmäler sind Geschichtszeugen1. In ihnen sind In- sicht- und lesbar zu erhalten, bedarf es neben dem recht- formationen aus dem Leben vergangener Gesellschaften lichen Schutz auch fachlicher Richtlinien für den richti- in besonderer Dichte und Vielfalt gespeichert, deshalb gen Umgang mit ihm. Damit soll gewährleistet werden, werden sie auch als Ressourcen bezeichnet. Anders als im dass Erhaltenswertes nicht unwissentlich beschädigt oder Geschichtsbuch ist Geschichte im Baudenkmal materiell zerstört wird. Für die Schadensabwehr sorgen präventive gegenwärtig und sinnlich erfahrbar. Baudenkmäler sind Massnahmen und ein fachgerechter Bauunterhalt. Auch Zeugen ihrer Entstehungszeit und der seitdem durchlau- Nutzungsauflagen beziehungsweise -beschränkungen fenen Geschichte, die sich in Altersspuren und Verän- können der Prävention dienen. derungen niedergeschlagen hat. Sie sind Bindeglieder Baumassnahmen dürfen den Denkmalwert nicht be- zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Wesentlichen einträchtigen. Sie sollen weder die historische Substanz Anteil an der Bedeutung hat auch der Standort, für den schmälern noch das Erscheinungsbild störend verändern. sie geplant und gebaut wurden, also ihre Ortsgebun- Baunormen «dürfen auf Denkmäler nicht ohne vertiefte denheit. Sowohl die landschaftliche als auch die bebaute Abklärungen angewendet werden. Von Fall zu Fall ist Umgebung bilden den räumlichen, funktionalen und abzuwägen, ob auf das Einhalten einer Norm ganz oder sozialen Zusammenhang sowie den Massstab, ohne den teilweise verzichtet werden muss, oder ob das Normen- viel von ihrer Aussagekraft verloren geht. ziel durch andere geeignete Massnahmen erreicht werden kann.»3 Das gilt gerade für energetische Verbesserungen. Denkmäler sind Zeugen und widerspiegeln Eine denkmalpflegerisch wie energetisch befriedigende Lösung wird am besten in Zusammenarbeit von Energie- die Vielfalt der Geschichte fachplanern und Denkmalpflegefachstellen entwickelt. Das Spektrum der Baudenkmäler deckt alle Baugat- tungen ab. Es ist so breit wie die Geschichte selbst. Die Charta von Venedig hält fest, dass sich der Denkmal- Denkmalpflegerische Grundsätze begriff nicht nur auf Werke der Kunst bezieht, sondern Grundsätze und Leitvorstellungen der modernen Denk- auch auf bescheidene Werke, die im Lauf der Zeit eine malpflege haben sich in einer über zweihundertjährigen kulturelle Bedeutung bekommen haben.2 Erstes Aus- Geschichte entwickelt; ihr Grundstein liegt im Umfeld wahlkriterium ist die geschichtliche Bedeutung; künstle- der Aufklärung und der französischen Revolution. Sie rische Qualitäten können, müssen aber nicht vorliegen. sind zum allgemein anerkannten Teil der Kulturgeschich- Kunstwerke sind Denkmäler, doch bei weitem nicht alle te Europas und weiterer Länder geworden. Als Selbst- Denkmäler sind Kunstwerke. verpflichtung der internationalen Staatengemeinschaft 1) Vgl. die Leitsätze der Eidgenössischen Die historisch bedingte Vielfalt kann nicht auf einige wurden ihre Grundsätze im Rahmen der UNESCO in Kommission für Denkmalpflege (EKD): Typen reduziert werden. Vielmehr sind Baudenkmäler der Charta von Venedig von 1964 formuliert. In An- «Kulturgüter sind Ob jekte und Stätten, die Unikate, das heisst einmalig und nicht reproduzierbar. lehnung daran haben die meisten Staaten ihre eigenen für die Allgemeinheit als Zeugnisse der Ihre Bedeutung liegt in ihrer Authentizität, ihrer nach- Schutzbestimmungen gesetzlich festgelegt. Im Folgenden geistigen Tätigkeit, des weislich «erlebten» Geschichte. Die im Lauf der Zeit an- seien sechs der wichtigsten denkmalpflegerischen Grund- Kunstschaffens oder des gesellschaftlichen gelagerten Gebrauchs- und Altersspuren sollen möglichst sätze aufgeführt. Lebens von Bedeutung sind». In: Leitsätze zur erhalten und nicht nachträglich auf eine «ursprüngliche» Denkmalpflege in der Schweiz, Zürich 2007 Zeitschicht zurückgeführt und vereinheitlicht werden. 2) Charta von Venedig: Die Existenz vieler Schichten und Spuren zeugt von der www.bak.admin.ch/ bak/themen/kulturpfle Heterogenität und Vielfalt der Geschichte und ermög- ge/00513/00524 licht, dass tradierte Geschichtsbilder für neue Fragen 3) Leitsätze der Eidgenössischen offen und lesbar bleiben. Aufgrund ihres Alters, das ein Kommission für Denkmalpflege, menschliches Lebensalter oft weit überdauert, kommt Zürich 2007, S. 25, 4.12 Baunormen Baudenkmälern die besondere Rolle von kollektiven Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 14
lV Solarenergie 1. Substanzerhaltung Gefügetechnik als auch für Baumaterialien. Die Denkmalpflege ist Substanzschutz. Nur das Original Übernahme traditioneller und bewährter Methoden enthält die umfassende historische Information. mindert Schadensrisiken und erhöht die spätere Baudenkmäler sind Sachzeugen; Substanzerhaltung Reparatur- und Pflegefähigkeit. zu fordern, ist daher kein «Materialfetischismus». Sie beruht auf der Überzeugung, dass die histo 4. Reversibilität rischen Bauten glaubwürdig, aussagefähig und «Alle konservatorischen und restauratorischen verständlich nur als echte Zeugen ihrer Bauzeit und Eingriffe sind auf ein Höchstmass an Reversibilität der seither durchlaufenen Zeit sind. Die Spuren der auszurichten.»1 Dasselbe gilt für Ein- und Anbauten Baubiografie gehören zum Denkmal und sollen nicht und andere bauliche Zutaten: Um alte Gefüge nicht zum Verschwinden gebracht werden. Gründe zur zu destabilisieren und zu gefährden, sollten neue Erhaltung sind historisches Interesse, Wertschät Elemente so eingefügt werden, dass sie unter Um zung der Leistungen und Investitionen der Vorfahren ständen schadlos wieder ausgebaut werden kön sowie das individuelle und kollektive Bedürfnis nach nen, reversibel sind, wenn sie sich nicht bewähren Selbstvergewisserung und Standortbestimmung oder wenn erneut Veränderungen anstehen. durch Erinnerung. 5. Angemessenheit und der kleinstmögliche 2. Alter und Andersartigkeit als Merkmale Eingriff Baudenkmäler repräsentieren alle Epochen. Sie sind Seit jeher gehören An- und Umbauten zum geläufi Zeugen von historischen Ereignissen und Zeugnis gen Umgang mit bestehenden Gebäuden. Sie sind individueller oder gesellschaftlicher Leistungen auch bei Baudenkmälern nicht ausgeschlossen, auf planerischem, technischem, handwerklichem wohl aber eingeschränkt, denn sie sollen weder die oder künstlerischem Gebiet. Denkmal ist das ganze bauliche Substanz gefährden noch deren Charakter Gebäude, nicht nur seine Hülle oder Fassade. Auch oder Wirkung beeinträchtigen. Deshalb sollte die Raumausstattungen und Haustechnik sind Informati Wahl immer auf den kleinstmöglichen Eingriff fallen. onsquellen über frühere Arbeits- und Lebensformen. Das neue Bauelement soll nach Grösse und archi Da sie rascher modernisiert werden als Gebäude, tektonischem Ausdruck dem Bestand angemessen sind sie entsprechend rar. Das erhöht das Interes sein. Es kann sich als Neues zu erkennen geben, se an historischen Innenräumen, Fenstern, Türen sollte den «Stempel unserer Zeit tragen»2, jedoch oder Bodenbelägen usw., die sich vom Aktuellen ohne Dominanz gegenüber dem Baudenkmal an unterscheiden. Die Andersartigkeit des Denkmals zustreben. Bauteile wie Dach, Gauben, Türen oder soll erhalten bleiben, einschliesslich seiner Alters-, Fenster sollten nicht ohne Not erneuert werden. Gebrauchs- und Veränderungsspuren. Ziel einer Die Erneuerung braucht Fingerspitzengefühl und Sanierungsmassnahme ist nicht der Neubauzustand. sollte den Ausgleich zwischen dem Zeitgemässen und dem Altersgemässen schaffen. 3. Reparatur- und Pflegefähigkeit Der Grundsatz der Substanzerhaltung schliesst 6. Addition statt Ersatz Reparaturen keineswegs aus, im Gegenteil. Wenn Neue Nutzungsansprüche und andere Verände Präventionsmassnahmen nicht den notwendigen rungswünsche lassen sich grundsätzlich auf zweier Schutz vor Schäden bieten, sind Bauunterhalt und lei Weise umsetzen: durch Ersatz (Austausch) oder Reparatur die Garanten für das Fortbestehen. Bauen durch Addition (Hinzufügen). Um die historische war früher auf lange Zeit angelegt, ausserdem Bausubstanz so wenig wie möglich zu schmälern, erleichterten traditionelle Baustoffe und Bauweise sollte die Maxime «Addition statt Ersatz» immer den Bauunterhalt und Reparaturen, die auch eine Vorrang haben. Sie verspricht nicht nur einen scho ökonomische Notwendigkeit waren. Reparaturen nenden Umgang mit dem historischen Bestand, sie dürfen keine Schäden am Denkmal verursachen garantiert auch die Erkennbarkeit der Massnahme oder begünstigen. Sie sollen den laufenden Unterhalt als neue Zutat und Zeitschicht. Ausserdem beachtet nicht behindern und bei Bedarf wiederholt werden sie die Forderung der Nachhaltigkeit nach sparsa können. Aus Erfahrung sollten Systemwechsel mem Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressour vermieden und historische Techniken übernommen cen, die sonst auf der Deponie landen, entsorgt und 1) Leitsätze der Eidgenössischen werden. Das gilt sowohl für Konstruktionen und ersetzt werden müssen und Energie verbrauchen. Kommission für Denkmalpflege, Zürich 2007, S. 22 2) Charta von Venedig, Artikel 9 Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 15
2.3 Grundlagen Energie Energieträger wie Sonnen- und Windenergie, Geother- lV Solarenergie mie oder Biomasse wurde vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt. Seit der Gesamtenergiekonzeption von 1978 Energie erarbeitet das Bundesamt für Energie (BFE) gemeinsam Seit den 1950er-Jahren und erst recht seitdem Kernener- mit externen Experten periodisch Energieperspektiven, gie und Erdgas in den 60er- und frühen 70er-Jahren zur mit dem Ziel, Energie zu sparen und fossile Energieträger Verfügung standen, steigerten sich Energieverbrauch und durch erneuerbare einheimische, zu substituieren. Als allgemeiner Wohlstand in gegenseitiger Abhängigkeit. eine der ersten energiepolitischen Massnahmen in der Die schier unbegrenzte Verfügbarkeit von preiswerten Schweiz wurde in den 1970er-Jahren die verbrauchsab- Energieträgern verdrängte den gewohnten haushälteri- hängige Heiz- und Warmwasserkostenabrechung schen Umgang mit Energie aus dem Alltag von Nut- (VHKA) eingeführt. Die Annahme des Energieartikels zern, Gebäudeplanern und Verwaltung. Die durch die in der Bundesverfassung 1990 ebnete den Weg für das OPEC-Staaten ausgelöste Ölkrise brachte mit einem erste Aktionsprogramm «Energie 2000», welches 2001 Schlag eine neue Energieknappheit und deckte für die durch das Programm «EnergieSchweiz» abgelöst wurde, Schweiz die ungünstige Abhängigkeit vom Ausland auf. das bis 2020 in Aktion bleiben soll. Im Januar 2010 Von 1974 bis 1978 wurde die «Schweizer Gesamtener- starteten Kantone und Bund zudem das nationale «Ge- giekonzeption» erarbeitet. Als Erstes wurde 1983 das bäudeprogramm». Es ist auf 10 Jahre befristet und legt Energiegesetz des Kantons Zürich und im Verlaufe der das Schwergewicht auf die energetische Sanierung von 1980er-Jahre die anderen kantonalen Energiegesetze Gebäuden. Dazu werden aus der Teilzweckbindung der in Kraft gesetzt. In der Folge erarbeiteten die Kantone CO2-Abgabe sowie anderen kantonalen Förderprogram- gemeinsam ein Gesamtpaket energierechtlicher Vor- men jährlich rund 300 Millionen Franken Fördermittel schriften im Gebäudebereich. Die Musterverordnung der bereitgestellt. Kantone «Rationelle Energienutzung in Hochbauten» Die Knappheit der Ressourcen und die klimatischen Ver- erschien 1992. Weitere Ausgaben der Mustervorschriften änderungen führen zu einem breit abgestützten Umwelt- der Kantone im Energiebereich (MuKEn) folgten 2000 bewusstein. Dieses und auch die Unsicherheit bezüglich und 2008. Die Abhängigkeit von den erdölliefernden der Energiepreisentwicklung erhöhen die Bereitschaft Staaten öffnete den Blick für alternative Energien. Erst- zu energetischen Liegenschaftssanierungen. Die Wohn- mals wurde Kehrichtverbrennung energetisch genutzt, bauten von morgen orientieren sich an der Idee der die Stromerzeugung durch Wasserkraft wurde ausge- 2000-Watt-Gesellschaft, oder sie sind als Nullenergie- baut, und der Entwicklung und Nutzung erneuerbarer oder gar Plusenergie-Häuser konzipiert. Endenergieverbrauch der Schweiz seit 1910 in TJ (Terajoule) Ölkrise 1973 2. Weltkrieg 1. Weltkrieg Diagramm Energieverbrauch der Schweiz seit 1910, Gesamtenergiestatistik Schweiz 2008 (Abb. 1) Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 16
Baudenkmäler der Schweiz Lebenszyklus und graue Energie lV Solarenergie verbrauchen ca. 1% der Endenergie Die ganzheitliche und nachhaltige Betrachtungsweise Rund 45% des Endenergieeinsatzes werden in der umfasst die Bilanzierung aller aufgewendeten Energie- Schweiz für das Heizen und Kühlen sowie für die mengen im Verlaufe des gesamten Lebenszyklus eines Erstellung von Gebäuden und die Warmwasseraufbe- Gebäudes. Die für die Herstellung der Baumaterialien, reitung aufgewendet1. Etwa 2% des Gebäudebestands die Erstellung des Gebäudes, die Ersatzinvestitionen sind Denkmäler, einige von ihnen, wie Brücken, (z.B. Ersatz der Dachhaut) schliesslich die für den Speicher, Scheunen oder Wehranlagen, sind unbeheizt. Gebäuderückbau und die Entsorgung der nicht recyc- Das heisst, dass der Energieeinsatz für den Denk- lingfähigen Materialien aufgewendete, nicht erneuerbare malbestand in einer Grössenordnung von 1% oder Energie ist Bestandteil der grauen Energie. weniger liegt. Graue Energie ist die gesamte Menge nicht erneu Energiebilanz am Gebäude erbarer Energie, welche für die dem Gebäudebetrieb vor- und nachgelagerten Prozesse anfällt. Energiebilanz der Nutzungsphase Ausgangspunkt für die energetische Beurteilung von Gebäuden bildet die Energiebilanz. Sie ist die Bilanz Die graue Energie wird heute bei der energetischen der Energieflüsse eines Gebäudes unter Berücksichti- Beurteilung eines Gebäudes noch nicht systematisch gung der Wärmeverluste und der Wärmegewinne in der berücksichtigt. Weder die baurechtlich relevanten Be- Nutzungsphase. Unter Betriebsenergie versteht man rechnungen nach SIA 380 noch der Energieausweis der die gesamte Energie, welche in einem Gebäude benötigt Kantone berücksichtigen die graue Energie. Mit dem wird, damit dieses seiner Nutzung entsprechend betrie- Merkblatt 2032 des SIA steht seit 2010 in der Schweiz ben werden kann. Nicht berücksichtigt werden jedoch erstmals ein einheitliches Instrument zur Erfassung der die in den mobilen Gütern (Möblierung, Büromaterial, grauen Energie zur Verfügung. Diese beträgt bei neuen usw.) enthaltenen Energiemengen sowie die durch die Wohnbauten ca. 3000 – 4000 MJ (Megajoule) pro m2 Lage eines Gebäudes induzierte Mobilität der Benutzer. Geschossfläche oder bei einer 60-jährigen Amorti Solche Ansätze werden jedoch immer wichtiger, und es sationsdauer gemäss SIA ca. 80 bis 100 MJ/m2 und Jahr. gibt bereits Berechnungsmodelle, welche die Mobilität mit einer starken Standortabhängigkeit und somit einem direkten Bezug zum Gebäude berücksichtigen. Produkt- Bauphase Nutzungs- Lebensende Gutschriften u. phase phase des Gebäudes Belastungen Rohstoff Transport Nutzung Abbruch Wiederver abbau wendung Energiebezüge von Gebäuden Transport Bau- u. Instandhal Transport Recycling, Installations tung Verwertung Wärme für Raumheizung (SIA 380/1) stadium für Brauchwasser (SIA 380/1) Herstellung Installations Reparatur Abfallauf Bau stadium bereitung Wärme für den Betrieb von materialien und Strom Lüftungsanlagen (SIA 380/4) Ersatz Deponie für Kühlung, Befeuchtung, Erneuerung Entfeuchtung (Klimatisierung) Lebenszyklus Gebäude (Abb. 2) SIA 380/4 Strom für Beleuchtung (SIA 380/4) Betriebseinrichtungen, el. Geräte Bezüglich des Aufwands an grauer Energie stehen Bau- denkmäler gut da. Erstens wurden sie fast ausschliesslich mit erneuerbarer Energie hergestellt, zweitens haben sie eine sehr hohe Lebensdauer. Das vierhundertjährige städtische Bürgerhaus wie das dreihundertjährige Bau- ernhaus übertreffen die Lebenserwartung eines heutigen Gebäudes um ein Mehrfaches und sparen somit mehrere Ersatzbauten samt der dafür benötigten grauen Energie. 1) Zahlen Website BFE, Bundesamt für Energie Energie und Baudenkmal – Solarenergie – V1 – 2014 17
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