Vorwort - Untersuchungsämter-BW

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Vorwort - Untersuchungsämter-BW
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,
an dieser Stelle begrüßt Sie nunmehr ein neues Gesicht.
Frau Dr. Susanne Hartmann schied nach über 15 Jahren als
Amtsleiterin Ende August 2016 aus dem Dienst aus und
trat in den wohlverdienten Ruhestand. Daher stand das
abgelaufene Jahr sicherlich im Zeichen dieses Abschieds.
Frau Dr. Hartmann übernahm die Leitung des Chemischen
und Veterinäruntersuchungsamtes im Jahr 2001. Unter ihrer
Führung wurden zahlreiche engagierte und zielführende
Projekte auf den Weg gebracht und umgesetzt, wie zum
Beispiel das ZUG-Projekt und die Zusammenführung der
Standorte unter einem Dach, um nur einige zu nennen.
    Seit dem 01. Dezember 2016 habe ich nun die
Amtsleitung übernommen und möchte mich an dieser
                                                                Stephan Walch
Stelle kurz vorstellen. Bislang war ich als Apotheker und       Amtsleiter
staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker an verschiedenen
Stellen im Bereich der Bundeswehr und zuletzt als Leiter
des Instituts für Lebensmittelchemie Speyer im Landesun-
tersuchungsamt Rheinland-Pfalz tätig. In die neue Aufgabe
als Amtsleiter des CVUA Karlsruhe habe ich mich dank der
Unterstützung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Hauses, besonders aber meines Stellvertreters Herrn Dr.
Marx und der Verwaltungsleitung schnell hineingefunden.
    So bin ich nun in der Situation, das Vorwort für ein Jahr
zu schreiben, das noch überwiegend im Zeichen meiner
Vorgängerin steht. Sie finden in unserem SIM-Bericht
wie stets eine Auswahl der Themen die unseren Aufga-
benbereich darstellen und uns im Jahr 2016 besonders
beschäftigt haben. Food Fraud oder „Herkunft und
Echtheit“ von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmittel
                                                                Dr. Gerhard Marx
und Borderline-Produkte im Internet, Arzneistoffe in            stellvertretender Amtsleiter
Nahrungsergänzungsmitteln, Soda in Tintenfischtuben,
Opiate in Backwaren, das Vorkommen von Listeria mono-
cytogenes in Lachs – diese Beispiele zeigen, dass wir mit
unserer Aufgabe, zur Lebensmittelsicherheit beizutragen,
nie am Ende sind. Auf der Ebene der Primärerzeugung
zeigen unsere Ergebnisse zur Kontrolle der Verwendung
von Tierarzneimitteln in Tieren und Futtermitteln und die
Untersuchungen zur Entwicklung von Antibiotikaresisten-
zen, dass wir mit unseren Schwerpunkten am Puls der Zeit
sind. Unter dem Motto „Claims und Wahrheit“ stand unser
wieder sehr erfolgreicher Karlsruher Kosmetiktag 2016 und
auch hier wurde wieder deutlich, wie wichtig ein hohes
Schutzniveau für die Verbraucher ist. Aufgrund der feucht-
warmen Witterung im Frühjahr und Frühsommer 2016

CVUA Karlsruhe                                                                             | 1
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Vorwort

beschäftigten kranke Tiere, bei denen Krankheiten durch Stechmücken, Flöhe und Zecken
übertragen worden waren, unsere Tierpathologen. Die Vogelgrippe hat es 2016 bis vor die
Tore unseres Hauses nach Karlsruhe-Neureut geschafft. Dieses Beispiel zeigt ebenso wie
andere Ausbrüche in Baden-Württemberg, dass die Tierseuchendiagnostik vollständig zur
Daueraufgabe geworden ist und nicht mehr nur in einzelnen Krisenfällen abgerufen wird.
   Mein Dank und meine Anerkennung gilt abschließend meinen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern für die in 2016 hervorragende geleistete Arbeit. Ohne Engagement, Freude
und einen hohen eigenen Anspruch an die Qualität der Arbeit wären diese Beiträge, die
die Leistungsfähigkeit des Hauses darstellen, nicht möglich. Jeder einzelne von ihnen
an seinem Platz trägt dazu bei, dass das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt
Karlsruhe seine Aufgaben so erfüllen kann. In den nächsten Jahren werden sich zahlreiche
Sachverständige in den Ruhestand verabschieden. Die nachfolgenden Sachverständigen
finden mit vielen befristeten Verträgen und einer unklaren Zukunft schwierige Bedin-
gungen vor. Dies erschwert unser Werben um die besten Köpfe und die Sicherstellung
des Wissenstransfers. Daher gehört es zu den Herausforderungen für die nächsten
Jahre, dass wir uns als Haus ein attraktives Arbeitsumfeld erhalten und uns motiviert
und flexibel den Aufgaben stellen. Neue Aufgaben für 2017 stehen schon an. Dabei ist
es mir persönlich ein Anliegen, die interne Kommunikation und Ablaufprozesse weiter
zu verbessern, neue Herausforderungen gemeinsam anzugehen, Verwaltungsvorgänge
zu vereinfachen und den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen.
   Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen des Ministeriums für Ländlichen
Raum und Verbraucherschutz, der Regierungspräsidien, des Landeskontrollteams
Lebensmittelsicherheit (LKL), der Veterinär- und Lebensmittelkontrollbehörden der
Städte und Kreise und der Untersuchungsämter in Freiburg, Stuttgart, Sigmaringen
und Aulendorf für die sehr gute Zusammenarbeit und wünsche Ihnen, liebe Leser,
nun interessante Momente und Anregungen beim Lesen unserer Berichte.
                                                                              Stephan Walch

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Inhalt

Inhaltsübersicht
Schwerpunkte

Lebensmittel

Morphin und Thebain in Mohnbrötchen – eine Gefahrenquelle für Kinder. . . . . . . . . . . . . . .  5
Schlank und fit mit Pillen – gefährlicher „Fatburner“ in Nahrungsergänzungsmitteln für
Sportler. Gefahren bei Produkten aus dem Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Koffein in Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung – eine unterschätzte Aufnah-
mequelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  9
Tintenfischtuben – fast immer mit Natriumcarbonat (Soda) behandelt und mit viel zuge-
setztem Wasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12
Lachserzeugnisse – gesund oder doch nicht? Listeria monocytogenes in Räucher- und
Graved Lachs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  14
Bestrahlung von Lebensmitteln – noch ein Thema?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  16
Vegetarische/vegane Kost und Zusatzstoffe – wird Teufel mit Beelzebub ausgetrieben? . .  18
Bier – 500 Jahre Reinheitsgebot. Das Reinheitsgebot für Bier, die sinngemäß älteste noch
geltende lebensmittelrechtliche Vorschrift, feierte am 23.04.2016 sein 500-jähriges Jubilä-
um. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  21

Fleischhygiene

Antibiotikarückstände in Ferkelfleisch – kein Einzelfall. Spanferkelproben aufgrund von
Überschreitungen der toxikologisch duldbaren Tagesdosis als „nicht sicher“ bewertet. . . .  19

Kosmetische Mittel

Das amtliche Kosmetiklabor im Wandel des Kosmetikrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  24

Arzneimittel

„Die richtige Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  26
Transdermale Pflaster – Arzneistoffe zum Aufkleben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  27
Illegale Produkte mit gefährlichen Inhaltsstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  28

Tierseuchendiagnostik

Was fliegende Blutsauger alles mitbringen können – Vermehrtes Auftreten vektorübertrage-
ner Tierkrankheiten im Sommer 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  29
Vogelgrippe im Regierungsbezirk Karlsruhe – Ein Kraftakt für die Tierseuchendiagnostik.  30
Massensterben bei Kaninchen – neuer Virustyp im Regierungsbezirk Karlsruhe. . . . . . . . . .  32

CVUA Karlsruhe                                                                                                                                   | 3
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Inhalt

Innovationen
Entwarnung: kein Melamin in Proteinpulvern und Nahrungsergänzungsmitteln auf dem
deutschen Markt festgestellt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33
Food fraud – Neue Methode zum Nachweis von Verfälschungen bei Spirituosen mittels
NMR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  36

Management
Effiziente Probendokumentation mittels automatisierter Produktfotografie. . . . . . . . . . . . .  38
Einbindung der amtlichen Untersuchungen des Veterinärdienstes der Stadt Mannheim
im Rahmen der Fleischuntersuchung in das QM-System des CVUA Karlsruhe und deren
erfolgreiche Akkreditierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  40

Medienberichte .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 41

Vorträge, Poster .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 42

Gremienarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Mitarbeiterstand .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48

Verabschiedung von Frau Dr. Hartmann.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48

Besuch von Frau Ministerialdirektorin Puchan .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 50

Statistisches

Probenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  52
Beanstandungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  52

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Schwerpunkte

Schwerpunkte                                  aufgenommen werden (= ARfD, = akute
                                              Referenzdosis). Bei einem Kind von 15 kg
                                              Körpergewicht sollte für Morphin eine
Morphin und Thebain                           Gesamt-Dosis von 150 µg pro Tag oder
in Mohnbrötchen – eine                        über den Tag verteilt nicht überschritten
Gefahren­q uelle für Kinder?                  werden. Bei Aufnahme höherer Dosen
                                              ist eine Wirkung nicht mehr mit entspre-
Im Jahr 2016 fiel ein Trend zu erhöhten       chender Sicherheit auszuschließen.
Gehalten von Opiaten in Backwaren, insbe-         Alle beanstandeten Proben wiesen
sondere in Mohnbrötchen aus handwerkli-       neben Morphin auch erhebliche Gehalte
cher Herstellung auf. Hierbei waren nicht     an Thebain auf. Der Thebain-Gehalt
nur erhöhte Morphin-Gehalte festzustellen,    betrug bei diesen Proben 17–63 % des
sondern auch erhöhte Gehalte des weniger      Gesamt-Alkaloidgehalts. Gemäß der
gut untersuchten Opiumalkaloids Thebain.      wissenschaftlichen Stellungnahme der
Die toxikologische Beurteilung von Thebain    EFSA zum Risiko von Opiumalkaloiden in
steht zurzeit noch aus. Eine Höchstmen-       Mohnsaat, die im Jahr 2011 veröffentlicht
genregelung für die Summe aller Opiate        wurde, werden insbesondere in Australien
in Lebensmitteln scheint aufgrund der         Mohn-Varietäten mit hohen Thebain-
aktuellen Datenlage dringend erforderlich.    Gehalten kultiviert, um Thebain für die
    Am CVUA Karlsruhe wurden in den           Herstellung von Arzneimitteln zu gewinnen.
Jahren 2014–2016 insgesamt 83 Proben          Hierzu passte, dass drei der oben genann-
mohnhaltiger Backwaren zum direkten           ten, beanstandeten Proben mit Mohnsaat
menschlichen Verzehr auf ihren Opiatgehalt    aus Australien hergestellt wurden. Bei einer
untersucht. Bei 71 Proben wurde neben den     dieser Proben lag sogar ein Analysenzerti-
Mohn-Opiaten Morphin, Codein, Papaverin       fikat zum Morphingehalt des verwendeten
und Noscapin auch der Gehalt der weniger      Mohns vor (Morphingehalt angeblich
bekannten Opiate Thebain und Oripavin         < 20 mg/kg). Bei der vierten Probe war
untersucht. Während Oripavin nur selten       als Ursprungsland Spanien angegeben.
und nur in kleinen Mengen nachweisbar             Bei den Untersuchungen im Jahr 2016
war, fielen bereits 2015 einige Proben mit    wurde ein Spitzenwert von 2 900 µg
moderat erhöhten Gehalten an Thebain          Thebain pro kg Mohnbrötchen (bei einer
auf. Insbesondere Mohnbrötchen waren          Mohnauflage von 3,6 %) festgestellt. Der
betroffen. Bei 40 Proben Mohnbrötchen,        Gesamt-Alkaloidgehalt betrug 11 500 µg/kg.
die parallel auf Thebain und Morphin              Bei einer weiteren Probe war kein
untersucht wurden, stellte Thebain bei        Morphin nachweisbar, jedoch ein Gehalt an
6 Proben (= 15 %) das Hauptalkaloid           Thebain von 1 300 µg/kg (80% des Gesamt-
dar. Üblicherweise ist Morphin das            Alkaloidgehaltes). Es handelte sich bei die-
Hauptalkaloid in europäischer Mohnsaat.       ser Probe ebenfalls um ein Mohnbrötchen.
    Im Jahr 2016 wurden insgesamt 4               Die am CVUA Karlsruhe festgestellten
Proben Mohnbrötchen aufgrund überhöhter       Alkaloidgehalte weichen erheblich von
Morphingehalte vor allem für Kleinkinder      den Untersuchungsergebnissen ab, die
als nicht mehr sicher eingestuft. Mit einer   die EFSA 2011 für europäischen Mohn
Portion am Tag bzw. über den Tag verteilt     durchschnittlich ermittelt und ihrer
sollten aus Sicht der EFSA nicht mehr         Risikoeinschätzung zugrunde gelegt hat.
als 10 µg Morphin/kg Körpergewicht

CVUA Karlsruhe                                                                     | 5
Schwerpunkte

                                                 LD50 für Morphin 461 mg/kg (Ratte, oral)
                                                 bzw. 600 mg/kg (Maus, oral) (http://www.
                                                 drugbank.ca/drugs/DB00295). Aus dem
                                                 Vergleich dieser Werte scheint zumindest
                                                 betreffend der akuten Toxizität von Thebain
                                                 ein höheres toxikologisches Potential
                                                 ableitbar als für Morphin. Bezogen auf
                                                 die ARfD von Morphin könnte sogar
                                                 überschlägig eine um Faktor 4 niedrigere
                                                 ARfD für Thebain abgeleitet werden.
                                                    Bei Feinen Backwaren mit Mohn
                                                 bewegten sich im Berichtsjahr die Gehalte
                                                 von Morphin und Thebain dagegen, wie
Abb.: Chromatogramm und Probenaufarbeitung       bisher auch, im moderaten Bereich und
    Thebain sollte danach nur ca. 6 % des        gaben keinen Anlass zur Beanstandung.
Gesamt-Alkaloidgehaltes ausmachen.                  Zusammenfassend lässt sich ableiten,
Bei den 2016 am CVUA Karlsruhe                   dass das Gefahrenpotential durch Morphin
untersuchten Backwaren mit Mohn stellte          und Thebain in Mohnbrötchen bisher
Thebain im Mittel jedoch über 20% des            möglicherweise unterschätzt wurde. Im
Gesamt-Alkaloidgehaltes. Dies zeigt, dass        Sinne des vorbeugenden Verbraucher-
bei den zur Untersuchung erhobenen               schutzes wäre die Festlegung eines
Proben auch australischer Mohn in                europäischen Grenzwertes für die Summe
erheblichem Anteil verwendet wurde.              aller Opiate in Lebensmitteln zu begrüßen.
    Es stellt sich aus dieser Sicht die Frage,   Literatur:
ob die akute Referenzdosis (ARfD) von
                                                 1. EFSA (2011): Scientific Opinion on the risk for public
10 µg/kg Körpergewicht für Morphin auf
                                                 health related to the presence of opium alkaloidsin
Thebain übertragbar ist oder ob sich die         poppy seed / EFSA Journal 9(11):2405; (Deutschsprachige
Wirkung beider Opiate auch addieren und          Kurzfassung vom 8 November 2011 unter http://
verstärken kann und demnach im Sinne             www.efsa.europa.eu/de/press/news/111108b
des vorbeugenden Verbraucherschutzes             2. BfR (2005): BfR empfiehlt vorläufige maximale tägli-
die ARfD von Morphin vielmehr für die            che Aufnahmemenge und einenRichtwert für Morphin in
Summe der Opiate heranzuziehen wäre.             Mohnsamen http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr_emp-
    Zur Toxikologie von Thebain liegen nur       fiehlt_vorlaeufige_maximale_taegliche_aufnahmemenge_
                                                 und_einen_richtwert_fuer_morphin_in_mohnsamen.pdf
wenige Daten vor. Es ist in Anhang 2 zu § 1
des Betäubungsmittelgesetzes als verkehrs-       3. Sproll C, Mahler M: Welche Menge an
fähiges, aber nicht verschreibungsfähiges        Backwaren mit Mohn darf man pro Tag
                                                 eigentlich essen? Internet-Beitrag des CVUA
Narkotikum aufgeführt. Es wird selbst nicht
                                                 Karlsruhe unter http://www.ua-bw.de/pub/beitrag.
als Medikament eingesetzt, dient aber als        asp?subid=2&Thema_ID=2&ID=2174&Pdf=No&lang=DE
Ausgangssubstanz für die Herstellung des
                                                 4. Sproll C, Perz RC, Lachenmeier DW (2006): Optimized
Arzneimittels Oxycodon. Die LD50 beträgt         LC/MS/MS Analysis of Morphin and Codein in Poppy Seed
für Thebain nach oraler Applikation an           and Evaluation of Their Fate during Food Processing as a
der Ratte 114 mg/kg Körpergewicht und            Basis for Risk Analysis / J Agric Food Chem 54:5292-5298
für Mäuse 54 mg/kg Körpergewicht (BfR
2005 S.27). Laut Literatur beträgt die

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Lebensmittel

Schlank und fit mit Pillen?                   Atmung, die Haut oder im Magen-
– Gefährlicher „Fatburner“ in                 Darmtrakt aufgenommen werden und
Nahrungsergänzungsmitteln                     beim Menschen lebensbedrohliche
für Sportler, Gefahren bei                    Vergiftungen hervorrufen. Dabei stört DNP
Produkten aus dem Internet                    den normalen Energiestoffwechsel in den
                                              Körperzellen. Es verhindert die Bildung
Im Sommer 2015 hatte Interpol vor Diätpil-    des Energieträgers Adenosintriphosphat
len mit 2,4-Dinitrophenol (DNP) gewarnt.      (ATP) in den Mitochondrien. Die im Zuge
Nahrungsergänzungsmittel für Sportler ver-    der Atmungskette gebildete Energie
sprachen eine schnelle Gewichtsreduktion      wird stattdessen als Wärme frei, was
durch eine Steigerung der Fettverbrennung.    sich in ansteigender Körpertemperatur
Über den Internethandel können solche         oder Schweißausbrüchen äußern kann.
Produkte leicht beschafft werden. Die Un-         Weitere Symptome für eine akute Ver-
tersuchungsämter in Großbritannien spür-      giftung können sein: Übelkeit, Erbrechen,
ten den giftigen Stoff auf und informierten   Gelbfärbung der Haut, Krämpfe, Atemnot,
über das europäische Schnellwarnsystem        Blutdruckabfall und Herzrhythmus-
für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF)     störungen bis hin zu Koma und Tod.
alle übrigen Mitgliedstaaten. In den dar-         Wenn DNP in geringer Dosis über
aufhin vom CVUA Karlsruhe untersuchten        einen längeren Zeitraum eingenommen
Proben aus dem Präsenzhandel ergaben          wird, reichert sich der Stoff im Körper
sich keine positiven DNP-Befunde.             an. Es kann dann zu Schädigungen von
    Hintergrund: Bei dem Stoff DNP handelt    Leber und Niere, der Blutbildung, sowie
es sich um eine Industriechemikalie,          des Herz-Kreislauf- und Nervensystems
die bei der Synthese von Farbstoffen,         kommen. Gelbfärbungen von Augen, Urin
Holzschutzmitteln, Insektiziden und           und Schweiß werden beschrieben.
Sprengstoffen verwendet wird.                     Als tödliche orale Einmal-Dosis werden
    Auch als Lebensmittelzusatz hat DNP       in der Literatur 1–3 g DNP angegeben.
schon eine längere Historie hinter sich.      Aufgrund der Anreicherung im Körper
Bereits in den 1930er Jahren wurde es zum     können aber auch geringere, über meh-
Abnehmen verwendet. Als die schädlichen       rere Tage eingenommene Mengen zu
Nebenwirkungen bekannt wurden, wurde es       tödlichen Vergiftungen führen [1–5].
aber schnell wieder vom Markt genommen.           Immer wieder wird DNP heutzutage
    DNP ist eine fettlösliche Substanz, die   unerlaubt Nahrungsergänzungsmitteln und
chemisch zur Gruppe der Nitrophenole          Schlankheitsmitteln (sogenannten „Fett-
gehört. Die Stoffgruppe kann über die         verbrennern“ oder „Fatburnern“) zugesetzt.
                                              In der Bodybuilder-Szene, wo man großen
                                              Wert auf eine gut strukturierte Muskulatur
                                              mit nur geringem Anteil an Fettgewebe
                                              legt, wird es als besonders wirksam
                                              angepriesen. Bei manchen Vertreibern wird
                                              zwar auf die Gefährlichkeit hingewiesen.
                                              Dennoch sind immer wieder Todesfälle
                                              infolge einer DNP-Aufnahme zu beklagen.
                                                  Untersuchungen am CVUA Karlsruhe: Im
                                              CVUA Karlsruhe als zentraler Einrichtung

CVUA Karlsruhe                                                                   | 7
Schwerpunkte

                  in Baden-Württemberg         nachgewiesen werden. Die Verbrauche-
                  zur Untersuchung von         rinnen und Verbraucher sind also beim
                  Sportlernahrung werden       Erwerb von Sportlerlebensmitteln aus
                  derartige Proben auf         dem Präsenzhandel bei weitem nicht
                  unzulässige Zusätze, ins-    so gefährdet wie beim Internetkauf.
                  besondere auch auf nicht         Zu warnen ist vor allem vor
                  deklarierte Zusatzstoffe     Produkten aus dem internationalen
                  oder Zutaten untersucht.     Internethandel. Die hier angebotenen
                     Die Proben des jüngsten   Nahrungsergänzungsmittel können
                  Untersuchungsprogrammes      derzeit noch kaum in die Überwachung
                  stammten aus dem             einbezogen werden. Besonders tückisch
                  stationären Handel wie       sind nicht deklarierte DNP-Zusätze zu
Fitness-Studios, lokalen Sportgeschäften       Sportlernahrung, deren Gefährlichkeit für
und Supermärkten (= Präsenzhandel).            den Verbraucher dann nicht erkennbar ist.
Neben DNP wurden dabei auch Arznei-                Weitere Informationen zu den
stoffe wie Sibutramin, Phenolphthalein         Erfahrungen des CVUA Karlsruhe aus 7
(Appetitzügler), Sildenafil oder Tadalafil     Jahren Internetüberwachung siehe auch:
(potenzsteigernde Mittel) erfasst.             –Augen auf beim Online-Kauf!
    2015 wurden insgesamt 70 Proben ana-       –Schlankheitsmittel mit Sibutramin:
lysiert. Es handelte sich um Produkte zur        LiDa-Kapseln – Diät mit Gesundheitsrisiko
Zufuhr von Eiweiß, Aminosäuren, Vitaminen,     –Schlankheitstees – ein ungefährlicher
Mineralstoffen oder Pflanzenextrakten in         Genuss?
Form von Pulvern, Kapseln, Flüssigkeiten,      Literatur
Gelen oder Riegeln. Die Kennzeichnung
                                               1. Ludewig R., Akute Vergiftungen, WVG Stuttgart, 1999
wies zum Teil auf Fettverbrennung, Körper-
straffung oder ähnliche Wirkungen hin.         2. Römpp Chemie Lexikon, Thieme Verlag Stuttgart, 1997
    Analytik: Die Analytik erfolgte mittels    3. Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für
HPLC-DAD nach methanolischer Extraktion.       Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV):
Eingesetzt wurde ein HPLC-Screening-           Fat-Burner mit 2,4-Dinitrophenol (DNP), 03.07.2015
Prüfverfahren: Mittels eines Lösungs-          http://www.blv.admin.ch/themen/04678/04711/06156/
                                               index.html?lang=de, abgerufen am 02.02.2016
mittelgradienten werden verschiedene
Inhaltsstoffe einer fraglichen Probe zu        4. Interpol (2015). INTERPOL issues global alert
unterschiedlichen Zeiten (= Retentionszei-     for potentially lethal illicit diet drug, 04 May
                                               2015 http://www.interpol.int/News-and-media/
ten) von einer Trennsäule, dem Herzstück       News/2015/N2015-050, abgerufen am 02.02.2016
der Anlage, gespült und durch einen
nachgeschalteten Detektor nachgewiesen.        5. Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung Nr.
                                               046/2015 des BfR vom 26. November 2015, http://
Anhand einer Retentionszeitenliste und/        www.bfr.bund.de/cm/343/nahrungsergaenzungsmittel-
oder einer Spektrenbibliothek können so        die-dinitrophenol-dnp-enthalten-koennen-zu-
unter bestimmten Voraussetzungen auch          schweren-vergiftungen-bis-hin-zu-todesfaellen-
Stoffe nachgewiesen werden, auf die nicht      fuehren.pdf, abgerufen am 02.02.2016
gezielt geprüft wurde, z. B. da sie nicht im
Zutatenverzeichnis aufgeführt oder teil-
weise auch illegal zugesetzt worden sind.
    Ergebnisse: Erfreulicherweise
konnte in diesen Proben kein DNP

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Lebensmittel

                                               Was ist Koffein und wie wirkt es?
Koffein in Nahrungsergän-                      Koffein ist ein natürlich vorkommendes Alkaloid, das neben
zungsmitteln und Sportler-                     Theophyllin und Theobromin zu den sogenannten Methylxanthinen
nahrung – eine unterschätzte                   gehört. Seit dem 6. Jahrhundert werden diese Stoffe vor allem über
Aufnahmequelle                                 die Nutzpflanzen Coffea canephora und Coffea arabica, Camellia
                                               sinensis, Cola nitida und Theobroma cacao in Form von Kaffee-,
                                               Tee-, Kakao- und Cola-Getränken verzehrt [1, 9]. Immer häufiger
Systematische Untersuchungen zum Kof-          wird auch Guarana aus der Pflanze Paullinia cupana und Mate aus
feingehalt in Nahrungsergänzungsmitteln        der Pflanze Ilex paraguariensis als Koffeinquelle genutzt [11, 12].
und Sportlernahrung liegen bislang nicht       Während in einer Tasse Kakao nur ca. 10 mg Koffein enthalten
vor. Das CVUA Karlsruhe hat aus diesem         sind, kann eine Dose (0,33 L) Cola bereits 30–40 mg, eine Tasse
                                               Schwarztee (0,2 L) ca. 50–75 mg und eine Tasse starker Kaffee
Grund 2015 in einem Schwerpunktpro-
                                               bis zu 120 mg Koffein enthalten [1, 10, 14]. Dabei schwanken die
gramm 43 derartige Proben nicht nur in         Koffeinkonzentrationen, vor allem in Tee- und Kaffeeerzeugnissen,
lebensmittelrechtlicher Hinsicht untersucht,   jedoch stark – je nach Sorte, Zubereitungsweise und Hersteller
sondern umfassend auch unter Berück-           [9]. Guarana und Mate sind dagegen oft in Energy-Drinks,
sichtigung anderer Koffeinquellen, hier vor    „belebenden“ Erfrischungsgetränken und „Lifestyle-Lebensmitteln“,
                                               wie Nahrungsergänzungsmitteln, enthalten. Aber auch immer
allem Getränke, beurteilt. Die Sachverstän-
                                               häufiger wird Koffein als Reinsubstanz oder in Form der genannten
digen im CVUA Karlsruhe haben die nun          natürlichen Rohstoffe zu Sportlernahrung beigemischt [13].
vorliegenden Ergebnisse ausgewertet und        Koffein blockiert eine körpereigene, dämpfende Substanz
kommen zu folgendem Fazit: Besonders           (Adenosin). Die Verdrängung des Adenosins findet sowohl in
wenn Verbraucherinnen und Verbraucher          Neuronen im Gehirn als auch in glatten, Skelett- und Herzmus-
                                               kelzellen statt. Somit wirkt Koffein in mehrerlei Hinsicht:
koffeinhaltige Nahrungsergänzungsmittel
                                               – Wachheitsgrad und Konzentration werden gesteigert.
oder Sportlernahrung gemeinsam mit             – Herzfrequenz und -schlagkraft werden erhöht.
koffeinhaltigen Energy-Drinks verzehren,       – Die Bronchien werden weitgestellt, das Atmen wird erleichtert.
nehmen sie Koffein in Mengen auf,              – Die Blutgefäße werden enger gestellt, die Folge sind
die die empfohlenen Verzehrsmengen             Blutdrucksteigerungen.
                                               Bei sehr hohen Dosen können jedoch Krämpfe, Unruhe, Schlafstö-
sehr leicht überschreiten können.
                                               rungen, Angst, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Außerdem wirkt
    Koffeinaufnahme in Deutschland: 2015       Koffein diuretisch (harntreibend) und steigert die Magensäurepro-
hat die Europäische Behörde für Lebens-        duktion, was einigen Kaffeetrinkern negativ auffällt [1, 2, 9, 13].
mittelsicherheit (engl. European Food          Koffein besitzt viele Eigenschaften, die volkstümlich nur „Drogen“
Safety Authority, kurz: EFSA) die Sicherheit   zugeschrieben werden: Es führt zu psychischer und körperlicher
                                               Abhängigkeit und der Körper reagiert mit Toleranzentwicklung auf
von Koffein erstmals bewertet. Die EFSA
                                               die Einnahme. In Folge dessen müssen, um den gleichen Effekt zu
kommt zu dem Schluss, dass Koffein in          erzielen, immer größere Mengen eingenommen werden. Bereits
Einmaldosen für gesunde Erwachsene bis         nach täglicher Einnahme von nur 100 mg (1 Tasse starker Kaffee),
zu 200 mg bzw. ca. 3 mg/kg Körpergewicht       kann es bei Absetzen zu entzugsartigen Erscheinungen wie Kopf-
zu keinen negativen Gesundheitsbeeinflus-      schmerzen und Müdigkeit kommen. Diese klingen aber über einige
                                               Tage rückstandslos wieder ab. Bei angemessener Dosierung und
sungen führt. Höhere Dosen, vor allem vor
                                               chronischer Einnahme von Koffein ist also keine dauerhafte Schä-
sportlichen Anstrengungen, können durch        digung des Körpers wie bei „harten Drogen“ zu verzeichnen [1, 9].
verminderte Erschöpfungserscheinungen          All diese Eigenschaften machen Koffein zum meistgenutzten
zu verlängerter Trainingsdauer und/            pharmakologisch wirksamen Stoff weltweit [1, 13].
oder Überbeanspruchungen des Körpers
führen. Dies kann nachfolgend Gefahren         von 350–400 mg/Tag als unbedenklich
für das Herz-Kreislaufsystem und den           [3, 16]. Dabei ist jedoch zu erwähnen, dass
Bewegungsapparat mit sich bringen [3].         es sich dabei um Erfahrungswerte für
    Bei gewohnheitsmäßiger Aufnahme von        gesunde Erwachsene handelt. Menschen
Koffein gilt für gesunde Erwachsene eine       mit Krankheiten oder die unter Medikation
Gesamttagesdosis aus allen Koffeinquellen      stehen, sind in der EFSA-Bewertung nicht

CVUA Karlsruhe                                                                                 | 9
Schwerpunkte

eingeschlossen. Außerdem ist bekannt,                    Rängen [3, 15, 16]. Eine Erhebung unter
dass die Empfindlichkeit – teilweise                     Studierenden (n = 181) hat als Hauptauf-
erblich bedingt – innerhalb der Bevöl-                   nahmequellen Kaffee und Tee ausgemacht
kerung sehr unterschiedlich ist und                      und eine mittlere Aufnahmemenge von
die Abbaugeschwindigkeit von Koffein                     105–130 mg/Werktag ermittelt. Unter den
stark beeinflusst (Halbwertszeiten von                   Befragten gaben nur 5–16 % an, komplett
2–8 h, Mittelwert: 4 h). Auch und                        auf Koffeingenuss zu verzichten. Einige
besonders aus diesem Grund sollte die                    Studierende konsumierten allerdings
empfohlene Verzehrsmenge von 400 mg/                     auch bis zu 645 mg/Tag [16]. Auch bei
Tag nicht überschritten werden [1, 3].                   Kindern und Jugendlichen in Deutschland
    Die EFSA-Stellungnahme hat die Daten                 wird die von Health Canada für diese
auch mithilfe der deutschen nationalen                   Konsumentengruppe empfohlene Höchst-
Verzehrsstudie II von 2007 erhoben. Bereits              aufnahmemenge von 2,5 mg/kg Körperge-
damals lagen die im Mittel zu sich genom-                wicht bereits teilweise überschritten. Ein
menen Koffeinmengen für die tägliche,                    Überschreitungsrisiko besteht anhand der
chronische Aufnahme bei Jugendlichen mit                 ermittelten Aufnahmemengen allerdings
einem Durchschnittsalter von 16 Jahren                   nur bei einer sehr kleinen Gruppe (< 5 %)
bei ca. 60 mg/Tag und bei Erwachsenen bei                gewohnheitsmäßiger, teilweise exzessiver
ca. 240 mg/Tag. Als einmalige Tagesmenge                 Konsumenten [17, 18]. Energydrinks
wurden bei 95 % der Jugendlichen ca.                     tragen dazu jedoch nur geringfügig
240 mg und bei 95 % der Erwachsenen                      bei [16,17]. Gegebenenfalls zusätzlich
ca. 560 mg nicht überschritten. Letztere                 aufgenommene Sportlernahrung und Nah-
Werte sind, besonders im Zusammenhang                    rungsergänzungsmittel wurden bei keiner
mit der im Laufe der Zeit sicherlich noch                der genannten Studien mit eingeschlossen.
gestiegenen Vermarktung und Beliebtheit                     Untersuchungsergebnisse Koffeingehalt in
koffeinhaltiger Getränke, durchaus als                   Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernah-
hoch anzusehen und liegen auch im                        rung: Das CVUA Karlsruhe hat im Jahr 2015
innereuropäischen Vergleich in den oberen                insgesamt 43 Nahrungsergänzungsmittel
 Tabelle 1: Koffeingehalt von Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung

                                                          tägl. Koffeinaufnahme       Ausschöpfung der
                                       Koffeingehalt
                     Anzahl der                            laut Verzehrsempfeh-       EFSA-Empfehlung
 Gruppe                               [mg/100 g bzw.
                     Proben [n]                           lung und analysiertem    (400 mg/Tag) bei dieser
                                       mg/100 mL]
                                                          Koffeingehalt [mg/Tag]     Verzehrsmenge [%]

 Kapseln                 13             245–18034                3–450                     1–113

 Brause- und             6              1847–2893                75–76                       19
 Kautabletten

 Pulver                  12             344–3534                 63–400                   16–100

 Riegel/Gele             2               144–182                 79–122                    20–31

 Shots/                  10             146–1811                 15–362                    4–91
 Flüssigkeiten

  10 |                                                                                  Jahresbericht 2016
Lebensmittel

und Sportlernahrungsprodukte überprüft,       Tabelle 2: Mittlerer Koffeingehalt von 2010–2014
bei denen Koffein oder koffeinenthal-         untersuchten Getränken, Anlehnung an [14]
tende Rohstoffe deklariert waren.
    Lebensmittelrechtliche Beurteilung der    Getränk            Anzahl der       Mittelwert der
Proben: Davon waren 17 Proben zu bean-                            Proben         Koffeingehalte ±
standen (Quote: ca. 40 %). Am häufigsten                            [n]          SD* [mg/100 mL
                                                                                 fertiges Getränk]
kamen Kennzeichnungsmängel vor (16
Proben, 37 %), zum Teil mit mehreren          Kaffee                 64                58 ± 23
Mängeln bei einer Probe. Diese betrafen       Tee                   210                37 ± 22
zum Beispiel fehlende Pflichtangaben          Cola                  444                 10 ± 4
nach EU-Verordnung 1169/2011 (Lebens-         Energy-Drink          448                 29 ± 5
mittelinformationsverordnung) oder der
                                              Energy-Shot            8                 142 ± 19
nationalen Nahrungsergänzungsmittel-
                                              * SD = Standardabweichung (Streubreite
verordnung. Häufig gab es weitere Mängel
                                              der Messwerte)
beispielsweise in Bezug auf unzulässige
gesundheitsbezogene Angaben („Health         unterschiedlichen Zweckbestimmungen
Claims“, 5 Proben, 12 %) oder die Verwen-    geschuldet. Besondere Aufmerksamkeit
dung nicht zugelassener Zusatzstoffe (5      ist somit geboten, wenn solche Mittel
Proben, 12 %). Bei 7 Proben (16 %) wurden    zusammen mit koffeinhaltigen Getränken,
Angaben bemängelt, die Verbraucherinnen      insbesondere den hochdosierten Energy-
und Verbraucher täuschen können.             Shots, aufgenommen werden. Oftmals
    Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der auf   überschreitet bereits die Einzeldosis
Koffein untersuchten Nahrungsergän-          eines Nahrungsergänzungsmittels die als
zungsmittel und Sportlernahrung. Dabei       unbedenklich geltende Menge von 200 mg
gibt die letzte Spalte die Ausschöpfung      Koffein. Auch die Tagesgesamtverzehrsmen-
der von der EFSA empfohlenen maximalen       ge von Koffein wird teilweise durch den an-
Tagesdosis von 400 mg/Tag an, wenn           weisungskonformen Verzehr der Nahrungs-
man die vom Hersteller empfohlene            ergänzungsmittel komplett ausgeschöpft
Tagesverzehrsmenge einnimmt                  oder leicht überschritten. Wer zusätzlich die
    Bereits Mitte 2015 wertete das CVUA      durchschnittliche Menge von 240 mg Kof-
Karlsruhe Untersuchungsdaten aus den         fein/Tag aus Getränken zu sich nimmt, kann
Jahren 2010–2014 aus und erstellte           somit die als unbedenklich geltende Menge
daraus Statistiken zur Entwicklung des       von 400 mg/Tag aus der EFSA-Empfehlung
Koffeingehalts verschiedener Getränke        erheblich überschreiten. Die EFSA hat in
[14]. Tabelle 2 stellt die mittleren         ihrer Expositionsabschätzung Nahrungs-
Koffeingehalte von verschiedenen Geträn-     ergänzungsmittel und Sportlernahrung als
kegruppen im Vergleich zu den in Tabelle     zusätzlich mögliche Koffeinaufnahmequelle
1 angegebenen Koffeingehalten der 2015       nicht berücksichtigt. Das CVUA Karlsruhe
untersuchten Produktgruppen dar.             wird die Problematik weiterverfolgen und
    Schlussfolgerungen: Die Koffeingehalte   in die fachliche Diskussion einbringen mit
in Produkten wie Kaffee und Tee schwanken    dem Ziel, dass bundesweit Daten zum Kof-
naturgemäß, jedoch sind auch in Nahrungs-    feingehalt dieser Produktgruppe gesammelt
ergänzungsmitteln und Sportlernahrung        und der EFSA für künftige Expositionsab-
extreme Spannweiten zu finden. Dies ist      schätzungen zur Verfügung gestellt werden.
teilweise absichtlich und teilweise den

CVUA Karlsruhe                                                                              | 11
Schwerpunkte

Literatur                                                  17. Lachenmeier et al., 2013, Caffeine Intake from
                                                           Beverages in German Children, Adolscents, and
1. Forth, Henschler, Rummel, Starke: allgemeine
                                                           Adults, Journal of Caffeine Research, 3, 47-53
Pharmakologie und Toxikologie, 7. Auflage, 1998,
Spektrum akademischer Verlag, Heidelberg                   18. Health Canada (2012), Caffeine in
                                                           Food, Abrufdatum 11.01.15
2. Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis,
5. Auflage, 1993, Springer Verlag, Heidelberg
3. EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and          Tintenfischtuben – fast immer mit
Allergies (NDA), 2015, Scientific Opinion on the
                                                           Natriumcarbonat (Soda) behandelt
safety of caffeine, EFSA Journal, 13, 4102
                                                           und mit viel zugesetztem Wasser
4. Anlassbezogene Befragung von Hochverzehrern
von Energy-Drinks, BfR-Wissenschaft 06/2013
                                                           Tintenfisch ist in Deutschland im Vergleich
5. EU-Verordnung 1169/2011, letzte konsolidierte           zu Fischen und Krebstieren noch ein relativ
Fassung vom 19.02.2014, Art. 10 i.V.m. Anhang III          seltenes Lebensmittel. Bei Tintenfischen
6. https://meyerlegal.wordpress.com/2013/07/18/gehts-      werden hauptsächlich die Kraken, die
noch-koffein-claims-weiter-on-hold/, abgerufen: 05.01.16   Sepien und die Kalmare unterschieden.
7. Meisterenst und Haber, Praxiskommentar                     Kalmare sind länglich stromlini-
Health & Nutrition Claims, 10. Akt-Lfg. 04/10              enförmige, schnelle Schwimmer und
8. Meisterenst und Haber, Praxiskommentar                  haben ihren Lebensraum im Gegensatz zu
Health & Nutrition Claims, 17. Akt-Lfg. 07/12              Kraken und Sepien oft in der Hochsee.
9. Waizenegger et al., 2011, Caffeine Exposure in Child-
ren and Adolecents Consuming Reay-to-Drink- Coffee
Products, Journal of Caffeine Research, 1, 200-205
10. Factsheet der EFSA zu Koffein, abgerufen am 05.01.16
11. Wegert et al., 2012, Regulatory Control of
Energy Drinks Using 1H NMR Spectroscopy,
Lebensmittelchemie, 66, 129-168
12. Winkler et al., 2014, Mate – ein “neuer”,
koffeinhaltiger Rohstoff für die Lebensmittel- und         Bild 1: Kalmare
Getränkeindustrie, Ernährungs-Umschau, 61, 160–163
                                                              Sie haben zehn mit Saugnäpfen besetzte
13. Lachenmeier et al., 2012, What is food and what        Fangarme, davon zwei längere Tentakeln
is a medicinal product in the European Union? Use
of the benchmark dose (BMD) methodology to define
                                                           und zwei Flossen am Körper und können
a threshold for “pharmacological action”, Regulatroy       beträchtliche Größen erreichen. So gehören
Toxicology and Pharamcology, 64, 286-296                   zu ihnen die größten Weichtiere, der
14. Gmeiner et al., 2015, Entwicklung des Koffein-         Koloss-Kalmar (Mesonychoteuthis hamiltoni)
gehaltes in Cola, Energy-Drinks und Energy-Shots,          und der Riesenkalmar (Architeuthis dux)
Internetbeitrag des CVUA KA erschienen am 02.06.2015       mit über zehn Meter Länge. Die Arten im
15. Lachenmeier & Winkler, 2013, Caffeine                  Handel haben meist Längen bis 30 cm
Content Labeling: A Prudent Public Health Policy?          bei maximal einem Kilo Gewicht. Der
Journal of Caffeine Research, 3, 154-155                   Körper wird durch den dünnen langen,
16. Bühler E et al., 2013, Development of a tool           wie ein transparenter Kunststoffstab
to assess caffeine intake among teenagers and              aussehenden, Gladius gestützt.
young adults, Ernährungs-Umschau, 61, 58-63                   Kraken und Sepien werden meist
                                                           als ganze, oft auch ausgenommene

   12 |                                                                                       Jahresbericht 2016
Lebensmittel

                                               wiederum alkalisch behandelte Erzeugnisse
                                               auf. Diese wiesen, wie die oben angespro-
                                               chenen Pangasiusfilets, bei der chemischen
                                               Untersuchung ähnliche Abweichungen
                                               von unbehandelten Tintenfischtuben auf.
                                               Hier sind hohe pH-Werte, Verwendung von
                                               Natriumcarbonat, verminderter Eiweiß- und
                                               erhöhter Wassergehalt zu nennen, aus
Bild 2: Tintenfischtuben                       denen sich ein deutlicher Wasserzusatz
Tiere, gehandelt und nach medi-                berechnen lässt. Im Gegensatz zu den
terranen Rezepten zubereitet.                  Pangasiusfilets waren zunächst gar keine
   Kalmare dagegen werden einerseits           unbehandelten Tintenfischtuben als Probe
ebenso als ganze Tiere, dann meist nicht       vorgelegt worden. Daher wurden zum Ver-
ausgenommen, aber auch weiterver-              gleich und zur Gewinnung von geeigneten
arbeitet zu küchenfertig vorbereiteten         Daten zur Zusammensetzung bis Ende 2016
Erzeugnissen in Verkehr gebracht. Hier         insgesamt 20 ganze Kalmarproben auf ihre
wären die ausgenommenen von Haut,              Zusammensetzung untersucht, bei denen
Gladius und Flügeln befreiten länglichen       nach der Kennzeichnung davon auszugehen
Körper, die sogenannten Tuben, zu              war, dass sie nicht in irgendeiner Weise,
nennen. Aus diesen werden auch die             insbesondere mit Zusatzstoffen, zur Was-
bekannten Tintenfischringe hergestellt,        seraufnahme behandelt waren. Auch die
die als solche, aber auch mit einer Panade     Ergebnisse der chemischen Untersuchun-
oder im Backteig angeboten werden.             gen ergaben bei ihnen keine Anhaltspunkte
   Bereits im SI-Bericht 2012 des CVUA         für eine derartige Behandlung. Sie waren
Karlsruhe wurde über die Behandlung von        entweder tiefgefroren oder gekühlt im
Pangasius mit Natriumcarbonat (Soda) und       Handel und weit überwiegend nicht ausge-
einer dadurch bewirkten erheblichen Was-       nommen, jedoch hatten alle noch Haut und
seraufnahme berichtet. Da diese Behand-        Kopf mit den Fangarmen. Bei diesen Proben
lung zunächst nicht gekennzeichnet wurde,      wurden die Tuben herauspräpariert, also
war die angegebene Bezeichnung nicht           von Innereien, Haut, Gladius und Flügeln
zutreffend und irreführend. Mittlerweile       befreit. Die Tuben, die nach der vorgelegten
sind derartige Erzeugnisse teilweise bereits   Kennzeichnung im Wesentlichen von
zutreffend mit dem erforderlichen Hinweis      Arten der Gattung Loligo und der Art
auf den Wasserzusatz und den Zusatzstoff       Illex argentinus stammten, wiesen einen
Natriumcarbonat (E 500) gekennzeichnet.        durchschnittlichen Rohproteingehalt von
Im Dezember 2016 wurde in einem der            ca. 16 % und einen Wassergehalt von
Fälle ein Importeur zu einer Haftstrafe von    ca. 81 % auf. Im Homogenisat wurde ein
einem Jahr und drei Monaten auf Bewäh-         mittlerer pH-Wert von 6,5 ermittelt. Im
rung und zu einer Geldbuße von 3 000 €         gegarten Zustand waren sie von einer
verurteilt. Darüber hinaus wurde in diesem     typisch fest-elastischen Konsistenz.
Fall der unrechtmäßig erzielte Gewinn              Bis Ende 2016 wurden gleichzeitig auch
berechnet und der Importfirma die Zahlung      insgesamt 27 Proben Tintenfischtuben
von über 400 000 € angeordnet (Verfall).       untersucht. Von diesen wies lediglich
   Im Jahre 2015 fielen bei der Untersu-       eine dieselbe Zusammensetzung wie die
chung von tiefgefrorenen Tintenfischtuben      oben beschriebenen, aus ganzen Tieren

CVUA Karlsruhe                                                                      | 13
Schwerpunkte

gewonnen, Tuben auf. Der Rest (26) hatte       angegebene Abtropfgewicht mag zwar
im Mittel einen deutlichen verminderten        als solches den Anforderungen genügen
Rohproteingehalt von ca. 11 % und einen        und die Menge an Tintenfischerzeugnis
deutlich erhöhten Wassergehalt von ca.         angeben, die nach Entfernen der Glasur
87 %. Hieraus lassen sich Gehalte an           vorliegt, reicht hier aber nicht aus.
zugesetztem Wasser von 20–45 %, im Mittel         Da der Begriff Tintenfisch in der
also 32 % berechnen, so dass der Anteil        Verkehrsbezeichnung genannt wird, ist eine
an Tintenfischfleisch in den aufgetauten       mengenmäßige Angabe des Tintenfisch-
und abgetropften Tuben lediglich 55–80 %       anteils erforderlich, denn er lässt sich hier
betrug. Gleichzeitig war der mittlere pH-      nicht aus dem Abtropfgewicht ermitteln.
Wert mit 8,6 deutlich erhöht und bei einem     Daher ist bei solchen Erzeugnissen der
Großteil konnten teilweise bis zu 900 mg       Tintenfischanteil mengenmäßig entweder
Carbonat/100 g, berechnet als Natriumcar-      im Zutatenverzeichnis oder bei der
bonat, nachgewiesen werden. Vereinzelt         Bezeichnung des Lebensmittels anzugeben.
wurde der alkalische pH-Wert auch mit an-      Bei den 26 Proben mit Wasserzusatz war
deren Zusatzstoffen erreicht. Diese Proben     die erforderliche mengenmäßige Angabe
wiesen im gegarten Zustand eine weichere,      des Tintenfischfleisches nur in neun Fällen
jetzt weich-elastische, Konsistenz auf.        angebracht, wobei jedoch viermal der
    Aufgrund des Wasserzusatzes ist            Tintenfischanteil zu hoch angegeben war.
nach den seit 2014 gültigen Kennzeich-            Resümee: Der Verbraucher findet beim
nungsvorschriften eine Ergänzung der           Produkt „Tintenfischtuben“ im Handel fast
Verkehrsbezeichnung um eine „Angabe, dass      keine unbehandelten Produkte vor, sondern
Wasser zugesetzt wurde“ erforderlich, um       ausschließlich mit Zusatzstoffen behandel-
den Verbraucher über den Wasserzusatz zu       te Erzeugnisse, die einen Wasserzusatz von
informieren. Von den 26 Tintenfischtuben       etwa 30 % im angegebenen Abtropfgewicht
hatten 17 gar keinen Hinweis auf den Was-      enthalten, auch wenn dies häufig der
serzusatz. Bei nur drei Proben war ein aus-    Kennzeichnung nicht zu entnehmen ist.
reichender Hinweis wie mit „zugesetztem
Wasser“ oder „Wasser zugesetzt“ vorhanden.
Sechs Proben wiesen dagegen unzurei-           Lachserzeugnisse – gesund, oder
chende Angaben wie „mit Wasser“, „mit          doch nicht? Listeria monocytoge-
Trinkwasser“ oder „mit Wasser behandelt“       nes in Räucher- und Graved Lachs
auf. Hier wird die Kennzeichnungsanforde-
rung der „Angabe, dass Wasser zugesetzt        Eine Listeriose, verursacht durch den
wurde“ nicht erfüllt. Diese Hinweise bringen   Krankheitserreger Listeria monocytogenes,
insbesondere bei glasierten Erzeugnissen       kann vor allem bei abwehrgeschwächten
nicht ausreichend zum Ausdruck, dass           Personen, wie Schwangeren, Neugeborenen
Wasser nicht nur außen als Glasur aufge-       oder älteren Menschen auftreten. Bei
bracht, sondern auch ins Tintenfischfleisch    Schwangeren kann die Infektion auf das
selbst eingearbeitet wurde. Bei vielen         ungeborene Kind oder das Neugeborene
Erzeugnissen fehlte im Zutatenverzeichnis      übergehen und zu Früh- oder Totgeburten,
auch der carbonathaltige Zusatzstoff.          oder einer Neugeborenen-Listeriose mit
    Zu guter Letzt ist hier die zutref-        Blutvergiftung oder Gehirnhautentzündung
fende Angabe des Tintenfischanteils            führen. Bei älteren oder immungeschwäch-
anzusprechen. Das auf allen Packungen          ten Menschen treten bei einer Listeriose

  14 |                                                                    Jahresbericht 2016
Lebensmittel

                                                es beim Heißräucherverfahren zu einer
                               Abb 1:           Abtötung eventuell vorhandener Listerien.
                               Typisches
                                                Dagegen werden kaltgeräucherter Lachs
                               Wachstum von
                               Listeria mono-   und Lachsforellen zur Haltbarmachung
                               cytogenes auf    nach dem Salzen in kaltem Rauch (< 30 °C)
                               Listerien-Agar   geräuchert. Graved Lachs wird keinem
                               nach Ottaviani   Räucherprozess unterzogen, sondern mit
                               & Agost
                                                Beizstoffen (u. a. Salz, Dill) eingerieben und
                                                einige Tage kühl gelagert. Die Haltbar-
grippeähnliche Symptome wie Fieber              machung erfolgt hier vor allem über die
und Magen-Darm-Beschwerden auf.                 osmotische Wirkung der Beize (Trocknung).
    Der Infektionsweg einer Listeriose ist      Der Name Graved Lachs heißt übersetzt „eingegrabener
meist lebensmittelassoziiert. Neben Fleisch     Lachs“, da der gebeizte Lachs ursprünglich zur Fermentation
                                                in Strand- oder Erdlöchern eingegraben wurde. Eine Halt-
und Fleischerzeugnissen (z. B. Rohwürste),
                                                barmachung durch Fermentation erfolgt bei der heutigen
Milch und Milchprodukten (insbesondere          Kühllagerung nicht mehr; auch wird der Lachs nicht ganz
Käse), wird auch in Fisch und Fischerzeug-      so trocken wie bei der traditionellen Herstellung.
nissen (insbesondere Räucherfisch) immer
wieder Listeria monocytogenes gefunden.             Um die Kontamination der ver-
Da Listerien auch bei Kühltemperaturen          schiedenen Lachserzeugnisse mit dem
noch vermehrungsfähig sein können, ist          Krankheitserreger Listeria monocytogenes
die Untersuchung von verzehrfertigen            im Rahmen der Lebensmittelsicherheit
Lebensmitteln von großer Bedeutung für          zu überprüfen, wurden am CVUA
die Lebensmittelsicherheit. Um das Risiko       Karlsruhe im Jahr 2016 mehr als 200
einer Vermehrung zu reduzieren, sollte Lis-     Proben dahingehend untersucht.
teria monocytogenes nach der Herstellung            Von 9 heißgeräucherten Stremellachs-
in 25 g des Lebensmittels möglichst nicht       Proben war eine Probe mit Listeria mono-
nachweisbar sein. Gesundheitsschädlich          cytogenes belastet (11 %). In 28 von 133
werden verzehrfertige Lebensmittel              Proben kaltgeräuchertem Lachs (21 %) und
ab 100 Keimen Listeria monocytogenes            3 von 24 Proben kaltgeräucherter Lachs-
pro Gramm des Lebensmittels.                    forelle (13 %), sowie in 13 von 40 Proben
    Heißgeräucherter Stremellachs,              Graved Lachs (33 %) war ebenfalls Listeria
kaltgeräucherter Lachs und gebeizter            monocytogenes in 25 g des Lebensmittels
Graved Lachs sind bekannte Erzeugnisse          nachweisbar. Zählbar wird der Gehalt an
aus Lachsfilet, die in jedem Supermarkt-        Listeria monocytogenes bei mehr als 10
regal zu finden sind. Die meisten dieser        Keimen pro Gramm des Lebensmittels. In
Lachserzeugnisse werden mittlerweile            den am CVUA Karlsruhe untersuchten Pro-
in Polen oder Litauen für den deutschen         ben waren in 5 Proben kaltgeräuchertem
Markt hergestellt. Durch die verschiedenen      Lachs (4 %) Gehalte von 10–25 Keime/g, in
Verfahren zur Haltbarmachung dieser             einer Probe kaltgeräucherter Lachsforelle
Produkte kann die Kontamination mit             (4 %) 20 Keime/g und in 7 Proben Graved
Listeria monocytogenes sehr unterschiedlich     Lachs (18 %) Keimgehalte von 10 bis zu
ausfallen. Beispielsweise wird Stremellachs     gesundheitsschädlichen > 1500 Keimen/g
gesalzen (trocken oder in Salzlake) und         nachweisbar. Im Jahr 2016 mussten somit
anschließend in heißem Rauch (>60°C) ge-        4 Proben Graved Lachs (10 %) wegen
räuchert. Durch die Hitzeeinwirkung kommt       der hohen Kontamination mit Listeria

CVUA Karlsruhe                                                                                 | 15
Schwerpunkte

                                                           Bestrahlung von Lebensmit-
                                                           teln – noch ein Thema?

                                                           Um das Thema Lebensmittelbestrahlung
                                                           ist es in der Öffentlichkeit ruhig gewor-
                                                           den – ein Grund hinter die Kulissen zu
                                                           schauen und die Ergebnisse der Arbeit
                                                           des Zentrallabors für den Nachweis der
                                                           Lebensmittelbestrahlung vorzustellen.
                                                               Der letzte Untersuchungsbericht
                                                           aus dem Bereich Bestrahlung wurde
                                                           2013 veröffentlicht. Damals wurde
Abb. 2: Verteilung von Listeria-monocytogenes-Nachweisen
in Lachserzeugnissen
                                                           über die unzulässige Bestrahlung von
                                                           Louisana-Flusskrebsfleisch berichtet [1].
         monocytogenes als gesundheitsschädlich            Erfreulicherweise konnte bei weiteren
         beurteilt werden. Mit diesem hohen Anteil         Untersuchungen an 12 Proben im Zeitraum
         von 18 % an zählbaren Listeria-monocyto-          2014–2016 bei keiner der getesteten
         genes-Kontaminationen (> 10 Keime/g) und          Proben eine Behandlung mit ionisierenden
         dem ebenfalls hohen Anteil an gesund-             Strahlen nachgewiesen werden.
         heitsschädlichen Proben (> 100 Keime/g)               Vollkommen anders stellt sich die
         von 10 % scheint Graved Lachs ein beson-          Situation bei den Ergebnissen zur
         ders gefährdetes Produkt darzustellen.            Untersuchung von getrockneten Fischen
            Der Verzehr von Produktgruppen mit             dar. Diese haben zumeist ihre Herkunft in
         einem hohen Kontaminationsrisiko, wie             Thailand und dürfen dort auch bestrahlt
         Rohmilchkäse oder Räucherfisch, die               werden, nicht jedoch in Deutschland. Die
         üblicherweise im Verbraucherhaushalt              verarbeiteten Fische werden hierzulande
         keinem keimabtötendem Verfahren (z. B.            in Asia-Geschäften unter anderem als
         ausreichende Erhitzung) mehr unterzogen           Snack angeboten. Das CVUA Karlsruhe
         werden, ist für schwangere Frauen nicht           berichtete bereits 2010 [2] darüber.
         empfehlenswert. Aufgrund der hohen                Insgesamt konnte in den zurückliegenden
         Relevanz für die Lebensmittelsicherheit,          3 Jahren bei 10 von 60 Proben, und damit
         haben die Untersuchungen von ver-
         zehrfertigen Lebensmitteln auf Listeria
         monocytogenes am CVUA Karlsruhe auch
         weiterhin einen hohen Stellenwert.

                                                           Abb. 1. Probenaufarbeitung

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Lebensmittel

rund 17 % der untersuchten Fischerzeug-          Getrocknete, aromatische Kräuter und
nisse, eine Behandlung mit ionisierenden     Gewürze dürfen nach den Vorgaben des §
Strahlen nachgewiesen werden.                1 Abs. 1 LMBestrV in Deutschland bestrahlt
   Auch zwei Erzeugnisse Süßwasserschne-     und in den Verkehr gebracht werden.
ckenfleisch mit Herkunft Vietnam waren           Lediglich bei einer Probe von 250
nach den Ergebnissen der Untersuchungen      geprüften Gewürzen und 89 getesteten
unzulässigerweise behandelt worden.          Würzmitteln konnte eine Bestrahlung nach-
   Erstmals wurde das CVUA Karlsruhe         gewiesen werden. Die von dem Gesetzgeber
auch bei Obsterzeugnissen, hier sogenann-    geforderte Kenntlichmachung der Behand-
ten „Mangoröllchen“, die aus Mangomus        lung mit dem Wortlaut „bestrahlt“ oder „mit
und Zucker hergestellt werden und auch       ionisierenden Strahlen behandelt“ fehlte
reinen, getrockneten Mangostücken fündig.    bei dem nachweislich bestrahlten Produkt.
Derartige Erzeugnisse dürfen in Deutsch-         Die Europäische Kommission
land nicht mit ionisierenden Strahlen        veröffentlicht regelmäßig Berichte, die
behandelt werden. Verfolgungsproben,         über die Art und Menge der Lebensmittel,
die im Nachgang zu den Beanstandungen        die in den Mitgliedsländern bestrahlt
erhoben wurden, und auch die Unter-          werden, Auskunft geben. Grundlage
suchungen von weiteren Erzeugnissen          hierfür sind die Vorgaben des Artikels 9
ergaben erfreulicherweise keine weiteren     der Rahmenrichtlinie 1999/2/EG, nach dem
Hinweise auf eine erfolgte Behandlung.       die Mitgliedsländer jährlich zu berichten
                                             haben. Den letzten Berichten zufolge ist
                                             die Menge an Lebensmitteln, die in der
                                             EU bestrahlt wird, rückläufig. So waren es
                                             nach dem derzeit letzten veröffentlichten
                                             Bericht für 2015 lediglich 5 686 t im
                                             Vergleich zu 9 263 t im Jahr 2010.
                                                 Demgegenüber nimmt die Menge an Le-
                                             bensmitteln, die in Asien bestrahlt wird zu.
                                             Laut Kume [3] hat allein in China die Men-
                                             ge von 146 000 t in 2005 auf 200 000 t in
Abb. 2: „Mangostücke“
                                             2010 zugenommen. Nach den Vorgaben des
   Ein „Dauerbrenner“ sind nach wie vor      Artikel 9 der Richtlinie 1999/2/EG darf ein
die Nahrungsergänzungsmittel. Auffällig      bestrahltes Lebensmittel aus einem Dritt-
waren hier Erzeugnisse die pflanzliche       land nur in die EU importiert werden, wenn
Konzentrate aus Gemüsepulver oder            die Behandlung in einer von der Europä-
Enzian enthielten, sowie Chlorella- und      ischen Kommission genehmigten Anlage
Spirulinaprodukte aber auch Gerstengras.     durchgeführt wird. Nach dem Kenntnisstand
Aber auch bei einem coffeinhaltigen          des CVUA Karlsruhe existiert derzeit keine
Produkt, welches laut Deklaration Guarana    zugelassene Bestrahlungsanlage in China.
enthielt, konnte eine Behandlung mit         Insofern dürfen bestrahlte Erzeugnisse
ionisierenden Strahlen aufgezeigt werden.    aus China, auch wenn deren Behandlung
   Insgesamt wurde in dem Zeitraum           in dem Mitgliedstaat der EU zugelassen
2014–2016 bei 22 Proben der insgesamt        ist, nicht in das Land verbracht werden.
1123 untersuchten Erzeugnisse (2,0 %) eine
unzulässige Bestrahlung nachgewiesen.

CVUA Karlsruhe                                                                    | 17
Schwerpunkte

1. Straub, Müller-Hohe, Bestrahlung von Fluss-
krebsfleisch. http://www.ua-bw.de/pub/beitrag.           hat z. B. als Gegenstück zur bereits
asp?subid=0&Thema_ID=1&ID=1825&Pdf=No                    bekannten Nahrungspyramide eine „vegane
                                                         Nahrungspyramide“ erstellt, bei der die
2. Straub, Bestrahlung von Lebensmitteln, in
Jahresbericht der Lebensmittelüberwachung 2010,          Eiweißlieferanten v. a. Nüsse und Samen
Seite 133–134 http://www.ua-bw.de/pub/beitrag.           sind [2]. Allerdings wird hier schon auf evtl.
asp?ID=1474&subid=0&Thema_ID=11&Pdf=Yes                  Vitamindefizite bei den Vitaminen B12 und
3. Kume, T., Todorki, S. Food irradiation in Asia, the   D hingewiesen. Beide können prinzipiell
European Union and the United States: A Status           durch Nahrungsergänzungsmittel zugeführt
update, Radioisotopes, Vol. 62, No. 5, May 2013          werden, Vitamin D in den Sommermonaten
                                                         auch über die Eigensynthese des Körpers
Vegetarische/vegane Kost und                             in der Sonne und B12 beispielsweise
Zusatzstoffe – wird Teufel mit                           durch eine angereicherte Zahnpasta.
Beelzebub ausgetrieben?                                      Auf der Internetseite eines Betriebs,
                                                         der vegetarische Produkte herstellt und
Der Wunsch, sich ohne Produkte von                       vorbildlich über deren Inhaltsstoffe infor-
Tieren zu ernähren, ist in der Bevölkerung               miert, findet man z. B. in einem als Wurst
immer verbreiteter. Jedoch bleibt der                    nach Mortadella-Art bezeichneten Produkt
Wunsch des Verbrauchers nach Zusatzstoff-                die Dickungsmittel Johannisbrotkernmehl,
freien Produkten oft unerfüllbar: Die                    Xanthan und Carrageen, die Säureregulato-
Rezepturen für fleischerzeugnisartige                    ren Kaliumlactat und Natriumacetat, sowie
Lebensmittel erfordern den Einsatz                       die Farbstoffe Carotin und Anthocyane. In
bestimmter Stoffe, um zu einem sensorisch                einem als „vegan“ beworbenen Hackfleisch­
ansprechenden Produkt zu gelangen.                       imitat findet sich das für Lebensmittel
     Sich vegetarisch oder gar vegan zu                  allgemein zugelassene Dickungsmittel Me-
ernähren ist „in“. Die Deutsche Gesellschaft             thylcellulose (diese ist nebenbei bemerkt
für Ernährung schätzt den Anteil von                     u. a. auch Bestandteil von Tapetenkleister).
Veganern in der Bevölkerung zwischen                         Schaut man sich die Umfrage der
0,1 und 1%. Verschiedene Internetseiten                  Verbraucherzentralen zum Thema
[z. B. 1] geben Tipps, wie herkömmliche                  „Verbraucherwartungen an vegetarische
Lebensmittel durch vegane ersetzt                        und vegane Ersatzprodukte“ an, wird als
werden können. Die Organisation Peta                     Ergebnis einer Umfrage an 555 Vegeta-
                                                         riern festgestellt, dass hiervon 54 keine
                                                         Zusatzstoffe, 49 keine Farbstoffe und 26
                                                         keine chemischen Zusätze in vegetarischen
                                                         Lebensmitteln haben möchten. Bei
                                                         Veganern (588 Personen) sind die Zahlen
                                                         vergleichbar: 58 keine Zusatzstoffe, 52
                                                         keine Farbstoffe und 25 keine chemischen
                                                         Zusätze – also vergleichbare Prozentzahlen.
                                                             Angesichts der Tatsache, dass
                                                         strukturgebendes Eiweiß in vegetarischen
                                                         oder gar veganen Lebensmitteln durch
                                                         andere Zutaten ersetzt werden muss – bei
                                                         industrieller Herstellung notwendigerweise
Abb. : Gütesiegel der Europäischen Vegetarierunion
                                                         oft auch mit Zusatzstoffen, bleibt diese

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