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Der apologetische Informationsdienst der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

Neue Religiöse Bewegungen
Religiöse und geistige Strömungen
Religiöse Gemeinschaften
Sondergemeinschaften

                  Luther und die „Schwärmer“

„Zwickauer Propheten“
Neuoffenbarer
Neue Propheten?
Mennoniten
Luther und die „Schwärmer“

Ausgabe 2018
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Inhalt

  Inhalt / Impressum                                                                  2
  Aus der Redaktion                                                                   3
  Martin Luther und die „Zwickauer Propheten“                                         4
  Ankündigung: Bad Alexandersbad                                                      6
  Von Neuoffenbarungen und göttlichen Kundgaben                                       7
  Ankündigung: Rothenburg o.d.T.                                                     12
  „...herausgetreten aus der Schande...“                                             13
  Ankündigung: Curriculum Apologetik Bayern                                          18
  Literaturhinweis: Arbeitshilfe zum neo-charismatischen Christentum                 20
  Von wehrlos Verfolgten, Stillen im Lande und Verfechtern des Pazifismus            21
  Dekanatsbeauftragte für Weltanschauungsfragen der ELKB                             27
  Von wehrlos Verfolgten, Stillen im Lande und Verfechtern des Pazifismus (Fort.)    31
  Luther und die „Schwärmer“: „Linke Reformation“ unter „Radikalenerlass“?           35
  Die Herausgeber                                                                    58

 Impressum

 Herausgeber:
 Arbeitskreis Apologetik der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
 Erscheinungsort:
 München
 Redaktion:
 Bernd Dürholt, Michael Fragner, Dr. Haringke Fugmann
 Dr. Matthias Pöhlmann, Manuel Ritter
 WAS-News erscheint einmal jährlich.
 ISSN (Print)       2569-0345
 ISSN (Online)      2569-121X
 V.i.S.d.P.: Bernd Dürholt, Landwehrstraße 15 Rgb., 80336 München, 089-538 868 617
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Aus der Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser!

„Zum Abschluss der Reformationsde-         Einige davon haben die Amtskirchen
kade erkennen wir aufs Neue, dass die      herausgefordert. Einige davon haben
Reformation eine kaum überschauba-         gute und fruchtbringende Impulse in
re Vielfalt an geistigen und religiösen    die Kirchen gegeben. Einige davon ru-
Kräften freigesetzt hat.“                  fen uns zur Unterscheidung der Geister.
So beginnt Moritz Fischer seine Überle-    Der Aufruf „Prüft aber alles und das
gungen zum Thema der Tagung der De-        Gute behaltet“, den Paulus an die Ge-
kanatsbeauftragten für Weltanschau-        meinde in Thessalonich richtet, impli-
ungsfragen der ELKB 2017 im Wildbad        ziert auch das Gegenteil von Gut. Dies
Rothenburg o.d.T.                          gilt es zu (unter)scheiden und klar zu
                                           benennen. Solches ist nicht nur Auftrag
Einige dieser Kräfte bezeichnete Lu-       eines jeden Christen sondern vordring-
ther als „Schwärmer“ und wies damit        liche Aufgabe der Weltanschauungsbe-
prägend auf theologische Unterschiede      auftragten.
hin, die zum damaligen Zeitpunkt für
ihn unüberbrückbar schienen.               Die Ausgabe 2018 der WAS-News will
                                           dazu einen kleinen Beitrag leisten.
Es brauchte seine Zeit von den Verwer-
fungen der „Wiedertäufer“ in der CA bis    Die aktuelle Liste der Dekanatsbeauf-
hin etwa zur Erklärung der gegensei-       tragten für Weltanschauungsfragen er-
tigen Einladung zum Abendmahl zwi-         gänzt diese Publikation.
schen Lutheranern und Mennoniten im
Jahre 1996.                                Wir wünschen eine unterscheidende
                                           und ertragreiche Lektüre.
Wie in der Zeit Brücken geschlagen wer-
den können, bietet sie auch Raum für
die Entstehung von Neuem. Spätestens                                  Die Redaktion
seit den Impulsen der Pfingstbewegung
zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aus-
gehend vom Asuza-Street-Revival am
9. April 1906 in Los Angeles, wächst
die Zahl neuer „geistiger und religiöser
Kräfte“ stetig an.

                                                      WAS-News / Ausgabe 2018   3
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„Zwickauer Propheten“

Martin Luther und die „Zwickauer Propheten“

 Im Jahr 1521 ließen sich die bei-           Dabei führt er gleichsam zwei Kriterien
 den Hand­­werker Nikolaus Storch und        ein, die noch heute in der theologischen
 Thomas Drechsel sowie der Student           Auseinandersetzung mit (neo)charis­ma­
 Markus Thomas Badstübner in Witten­         tischen Kreisen bedeutsam sein können.
 berg nieder, nachdem sie zuvor mit dem
 Versuch eines Aufstandes in Zwickau         Zunächst benennt Luther ein formales
 gescheitert waren. In Wittenberg hoff-      Kriterium, wie wir heute sagen würden:
 ten sie auf offene Ohren für ihre theo-     Er fragt danach, wie die „Propheten“ zur
 logischen Ansichten zu stoßen: Sie ver-     öffentlichen Ausübung der Prophetie
 traten einen strengen Biblizismus, stell-   legi­
                                                 timiert wurden. Etwa durch die
 ten die weltlichen Autoritäten in Frage     Berufung durch Menschen? Durch
 und beriefen sich auf den Besitz des        wunderbare Zeichen? Durch ein Gesetz?
 Heiligen Geistes. Durch ihr Charisma        Den bloßen Verweis auf empfangene
 und ihre Bibelkenntnis gelang es ihnen,     Offenbarungen will Luther nicht als
 bei Philipp Melanchthon Eindruck zu         Legitimation anerkennen. Er schreibt:
 hinterlassen. Luther, vom Rat der Stadt     „Du aber spüre für mich dem nach,
 in dieser Angelegenheit um Hilfe gebe-      ob sie denn ihre Berufung beweisen
 ten, kehrte schließlich von der Wartburg    können. Denn Gott hat noch niemals
 zurück nach Wittenberg und hielt            jemanden gesandt, er sei denn entwe-
 vom 9. März 1522 an die sogenannten         der durch Menschen berufen oder durch
 Invocavitpredigten, in denen er zu den      Zeichen ausgewiesen, nicht einmal
 neu eingeführten Reformen in der Stadt      den Sohn selbst. Die Propheten hatten
 (Abschaffung der Messe, Aufhebung des       einst aus dem Gesetz und dem Prophe-
 Fastengebots usw.) Stellung nahm.           tenstande das Recht, wie wir jetzt durch
 In der Hochphase des Einflusses dieser      Menschen. Ich will durchaus nicht, dass
 sogenannten „Zwickauer Propheten“           sie angenommen werden, wenn sie
 (despektierliche Bezeichnung der Bewe­      behaupten, sie seien durch eine bloße
 gung) schickt Luther am 13. Januar 1522     Offenbarung berufen, da Gott auch
 einen Brief an Melanchthon, in dem er       nicht einmal zu Samuel reden wollte, es
 auf die pneumatologischen Ansprüche         sei denn, dass Eli ihm den Auftrag dazu
 der Bewe­gung eingeht1.                     gäbe und es wüsste (1. Sam. 3,4 ff.). Dies
                                             gehört zuerst zu der öffentlichen Aus-
                                             übung des Lehrens.“

  4      WAS-News / Ausgabe 2018
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„Zwickauer Propheten“

Anschließend führt Luther gewisser-         chen‘ (Jes. 38,13) und (Ps. 31,23): ‚Ich
maßen noch ein inhaltliches Kriterium       bin von deinen Augen verstoßen‘, und
zur Beurteilung der prophetischen An­­      (Ps. 88,4): ‚Meine Seele ist voll Jammers,
sprüche dieser Bewegung an: Es ist          und mein Leben ist nahe bei der Hölle.‘
das „Zeichen des Menschensohnes“,           Die Majestät (wie sie es nennen) redet
die Erfahrung, an der prophetischen         nicht so unmittelbar, dass der Mensch
Botschaft selbst zu leiden. Luther erin-    sie sehe, vielmehr (2. Mose 33,20): ‚Kein
nert Melanchthon zunächst an die bib-       Mensch wird leben, der mich sieht.‘
lischen Propheten: Jesaja hatte geklagt,    Auch einen kleinen Schimmer seiner
dass Gott ihm alle „Gebeine zerbro-         Rede kann die Natur nicht ertragen.
chen“ hatte (Jes 38,13). Der Psalmbeter     Deshalb redet er durch Menschen, weil
fühlt sich von Gottes „Augen versto-        wir alle nicht ertragen können, wenn
ßen“ (Ps 31,23) und seine Seele ist „voll   er selbst redet. Denn auch die Jungfrau
Jammers“ (Ps 88,4). Weil wir es als sün-    erschreckt der Engel (Luk. 1,29), ebenso
dige Menschen außerdem gar nicht            auch den Daniel (Dan. 8,17). So bittet
ertragen könnten, dass Gott „selbst“ und    ebenfalls Jeremia (10,24): ‚Züchtige
direkt zu uns spricht, redet Gott „durch    mich mit Maßen‘ und (17,17): ‚Sei du
Menschen“ zu uns. Schließlich erinnert      mir nicht schrecklich.‘ Und was soll ich
Luther Melanchthon daran, dass selbst       viele Worte machen? Als ob die Majes-
die Visionen der Heiligen „schrecklich“     tät mit dem alten Menschen vertrau-
gewesen seien. Er schreibt:                 lich reden könnte und ihn nicht zuvor
                                            töten und austrocknen müsste, damit
„Um nun auch ihren eigenmächtigen           seine überaus üblen Gerüche nicht
Geist zu prüfen, frage ob sie jene geist-   stänken, da er ein verzehrendes Feuer
lichen Wehen und die göttliche Geburt,      ist (5. Mose 4,24). Auch die Träume und
Tod und Hölle erfahren haben. Wenn          Gesichte der Heiligen sind schrecklich,
Du hören solltest, dass alles lieblich,     wenigstens nachdem sie verstanden
ruhig, andächtig (wie sie es nennen)        werden. Daher prüfe und höre auch
und geistlich sei, so sollst Du sie nicht   nicht einmal den verherrlichten Jesus,
gutheißen, wenn sie auch sagen soll-        Du habest ihn denn zuvor gekreuzigt
ten, dass sie in den dritten Himmel ent-    gesehen …“
rückt worden seien. Denn das Zeichen
des Menschensohnes fehlt, welcher
allein der Probierstein ist, an dem die
Christen geprüft und die Geister sicher
geschieden werden. Willst Du den Ort,
die Zeit, die Art und Weise der Unterre-
dungen mit Gott wissen? Höre: ‚Wie ein
Löwe hat er alle meine Gebeine zerbro-

                                                        WAS-News / Ausgabe 2018    5
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„Zwickauer Propheten“

 In der Begegnung mit heuten (neo)cha­           Anmerkungen
 ris­
    matischen Christen kann es sinn-
 voll sein, sich wieder an diese beiden          1 Quelle: Kurt Aland (Hg.): Luther Deutsch. Die
                                                   Briefe, Forschungen zur Kirchen- und Dogmenge-
 Kriterien zu erinnern und danach zu               schichte, Band 10, 1997, 112-114.
 fragen, inwiefern sie helfen können,
 mit pneumatologischen Ansprüchen
 umzugehen.
                        Haringke Fugmann

 Engel
 (sind auch nicht mehr das, was sie mal waren)
 Symposium in Kooperation mit dem landes-        Tagungsort
 kirchlichen Beauftragten der ELKB für religi-
                                                 Evangelisches Bildungszentrum
 öse und geistige Strömungen, Kirchenrat PD
                                                 Bad Alexandersbad
 Dr. Haringke Fugmann, Bayreuth
                                                 Markgrafenstraße 34
 Termin: Montag, 23. April, 18:00 Uhr bis
                                                 95680 Bad Alexandersbad
 Mittwoch, 25. April 2018, 13:00 Uhr
                                                 Tel: (09232) 99 39 0
 Seit einigen Jahren scheinen Engel omni-        Fax: (09232) 99 39 99
 präsent zu sein: Sie bevölkern in Massen
 die Lebenshilfeliteratur, tauchen immer
 selbstbewusster in Kasualgesprächen auf
 und versprechen im esoterischen Kontext
 Schutz, Heilung und Erfolg.
 Welche Bedeutung hatten und haben En-
 gel bis heute in Christentum, Judentum
 und Islam? Wie wurden sie in der Kirchen-
 geschichte behandelt und wie werden sie
 heute in der Kunst dargestellt? Was haben
 Systematische Theologie (man denke an
 Karl Barths Angelologie) und Seelsorge zu
 Engeln und Engelserscheinungen zu sagen?
 Das Symposium bietet die Möglichkeit, sich
 durch wissenschaftliche Vorträge und Fach-
 diskussionen eine differenzierte Meinung zu
 bilden und die eigene weltanschauliche und
 seelsorgerische Sprachfähigkeit zu verbes-
 sern.

  6      WAS-News / Ausgabe 2018
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Neuoffenbarer

                 Von Neuoffenbarungen und göttlichen Kundgaben
                                                    Zum Phänomen „Inneres Wort“

Jakob Lorber                                schon alles, was ich Ihnen aus meiner
der „Schreibknecht Gottes“                  Erfahrung sagen kann.“2

„Er hatte am 15. März 1840 um 6 Uhr         Die Niederschriften Lorbers in der
mor­gens – so erzählte er es später sei-    Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten den
nen Freunden – gerade sein Mor­gen­         Auftakt für eine Entwicklung, in deren
gebet verrichtet und war im Begriff         Gefolge immer mehr Frauen und Männer
sein Bett zu verlassen, da hörte er         den Durchbruch des „Inneren Wortes“ in
links in seiner Brust, an der Stelle des    sich verspürten. Die dabei entstandenen
Herzens, deutlich eine Stimme ertö-         Niederschriften stehen – nicht zuletzt
nen, welche ihm zurief: ‚Steh` auf,         wegen ihres Anspruchs, durch göttli-
nimm deinen Griffel und schreibe!‘“1        ches Diktat entstanden zu sein – in einer
So schildert Karl Gottfried von Leitner,    gemeinsamen Traditionslinie. Während
der Biograf des Grazer Musikers Jakob       Emanuel Swedenborg (1688-1772),
Lorber (1800-1864), dessen Berufung         des­sen Schriften Lorber bekannt wa-
zum „Schreibknecht Gottes“. Über            ren, sich auf visionäre Erlebnisse beruft,
24 Jahre hinweg schrieb Lorber das ihm      gibt Lorber als Übermittlungsinstanz für
Diktierte Wort für Wort nieder. So ent-     die Kundgaben das „Innere Wort“ an.
stand ein Monumentalwerk mit 20.000         Der Begriff „Neuoffenbarung“ stammt
Manuskriptseiten. An einen Freund           jedoch nicht von Lorber, sondern von
schrieb Lorber über das sog. Innere Wort:   späteren Interpreten seines Werkes.
                                            Der evangelische Theologe Hermann
„Bezüglich des innern Wortes, wie man       Luger (?-1947), Pfarrer in Mannheim-
dasselbe vernimmt, kann ich, von mir        Käfertal und überzeugter Anhänger
selbst sprechend, nur sagen, daß ich des    der Schriften Lorbers, verwendete
Herrn heiliges Wort stets in der Gegend     diese Bezeichnung erstmals in einem
des Herzens wie einen höchst klaren         Vortrag am Himmelfahrtstag 1923 bei
Gedanken, licht und rein, wie ausge-        der „Zusammenkunft der Freunde des
sprochene Worte, vernehme. Niemand,         Neuen Lichts“ in Bietigheim:
mir noch so nahestehend, kann etwas
von irgendeiner Stimme hören. Für           „Was ist Neuoffenbarung? Wir verste-
mich erklingt diese Gnadenstimme aber       hen darunter etwas ganz Bestimmtes,
dennoch heller als jeder noch so laute      nämlich die von dem steirischen Musiker
materielle Ton. – Das ist aber nun auch     Jakob Lorber (1800-1864) niederge-

                                                        WAS-News / Ausgabe 2018    7
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Neuoffenbarer

 schriebenen Mitteilungen, die etwa         es innerhalb der Lorber-Rezipienten
 20 große Bände füllen, Mitteilungen        zur Ausbildung einer eigenen „Inneren
 von denen er behauptet hat, daß diesel-    Wort-Tradition“, zu der im weitesten
 ben ihm durch innere Erleuchtung und       Sinne – zumindest in der Anfangszeit
 Inspiration zugeflossen seien. Es wären    der Neureligion Universelles Leben (vor-
 noch andere Namen zu nennen, die           mals Heimholungswerk Jesu Christi) –
 auch Träger der Neuoffenbarung sind        auch die „Lehrprophetin der Jetztzeit“,
 und die auch auf ähnliche Weise wie        Gabriele Wittek (Jg. 1933), zählt.4
 Lorber Kundgebungen erhielten, wie
 Gottfried Mayerhofer in Triest, Hanne      Bis heute gibt es „Vatermedien“ oder
 Ladner in Bietigheim und der noch in       „Träger des Inneren Wortes“, die ver-
 Berlin lebende Leopold Engel u.a.“3        einzelt Kreise um sich bilden.5 Für die
                                            Verbreitung von neuen Offenbarungen
 Jakob Lorber zählt heute zu einer der      setzt sich die Unicon-Stiftung ein.6
 Schlüsselfiguren im Bereich neuer          Sie wurde 2003 von dem Luft- und
 Offenbarungen. Die auf sein Schrifttum     Raumfahrttechniker Bernt Högsdal
 zurückgehende Lorber-Bewegung hat          und Irmtraut Albert in Meersburg am
 sich keine feste Organisationsform ge­     Bodensee gegründet. Die Stiftung
 ge­ben. Derzeit bestehen der Lorber        möchte der Öffentlichkeit „spiritu-
 Verlag in Bietigheim-Bissingen, die Lor­   elles Wissen als Unterstützung zur
 ber-Gesellschaft sowie einzelne Lorber-    Lebensorientierung“ zur Verfügung
 Kreise, in denen sein Schrifttum gelesen   stellen. Dabei stützt sie sich auf
 wird. Hinzu kommt eine nicht bekannte      „Botschaften und Offenbarungen der
 Zahl von einzelnen Lorber-Freunden.        geistigen Welt, welche Hinweise auf die
                                            spirituelle Seite des Lebens geben.“ Dazu
 Nachwirkungen                              zählen Kundgaben wie das zwischen
                                            1860 und 1950 in Mexiko entstandene
 Nach Lorbers Tod häufte sich unter         „Buch des Wahren Lebens“, eine zwölf
 den Anhängern seines Schrifttums der       Bände umfassende Sammlung von
 Empfang weiterer Neuoffenbarungen.         366 angeblichen Christusbotschaften.
 Oft waren es Personen, die von den         Dazu kommen Kundgaben des frü-
 handschriftlichen Aufzeichnungen des       heren Anhängers des Universellen
 „Schreibknechts“ Abschriften anfertig-     Lebens, Hans Dienstknecht, Hildegard
 ten und dabei selbst in sich das Innere    Knorr, Elfriede Lemke („Allfriede“),
 Wort zu vernehmen glaubten. Lorber         der Österreicherin Ernestine Victoria
 selbst hatte die Mitteilung empfangen,     Oberlohr und weiterer, eher unbekann-
 wonach Gott weitere Seher, Weise und       ter Sprech- und Schreibmedien.
 neuerweckte Propheten, „Mägde und
 Jünglinge“ erwecken würde. So kam

  8     WAS-News / Ausgabe 2018
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Neuoffenbarer

Vom „Gottesinstrument“ zum                   Nach etwa fünf Tagen soll sich Jesus
„Seraphen göttlicher Weisheit“               Christus gemeldet haben, der sich ihr
                                             als „der Welten Erlöser“ vorstellte. Frau
Gabriele Wittek (Universelles Leben)
                                             Wittek erschrak und versuchte, den
Den eigentlichen „Durchbruch des             „inneren Strom“ zu unterbinden. Sie
Inneren Wortes“ datiert Frau Wittek          berichtet: „Daraufhin kamen die liebe-
rückblickend auf den Epiphaniastag,          vollen Worte: Fürchte dich nicht. Ich
den 6. Januar 1975:                          begleite dich während deines ganzen
                                             irdischen Lebens. Du standest immer in
„Ich saß in unserem Gartenzimmer. Es         meiner Obhut. Denn du bist ausgegan-
war abends 18 Uhr. [...] Ich begann zu       gen, um Mein Wort aufzunehmen und
beten. Plötzlich sah ich an meiner lin-      es der Welt wiederzugeben.“9 Überboten
ken Seite eine wunderschöne Gestalt          wurden die Mitteilungen durch weitere
stehen, ein Wesen in leuchtend weißem        göttliche Kräfte: „Nach Monaten sprach
Kleid. Mein erster Gedanke war: Du bist      dann auch die Schöpferkraft, mit einer
sicherlich mein Schutzengel, und ich         ganz anderen Schwingung, viel gewal-
möchte dir für den Schutz danken, den        tiger als Jesus Christus, und daraufhin
du uns gewährst; denn wir kamen schon        wiederum Emanuel, und gab mir allum-
des öfteren, als wir zu meinem Vater         fassende Instruktionen...“10
fuhren, in sehr gefahrvolle Situationen
und wurden auf wunderbare Weise aus          Drei Jahre nach „Durchbruch des In­
diesen Gefahren herausgeführt. Und als       neren Wortes“ sollen sich drei weitere
ich dies sagte, fielen Worte in mich ein.    „Gesetzesengel“ in ihr kundgetan ha-
Sie lauteten sinngemäß: ‚Danke nicht         ben. Wenige Monate später entstand
mir, sondern danke Gott, unserem Herrn,      der erste Zuhörerkreis, der aus drei Be­
denn Er ist unser Führer und unser           kannten und dem Ehepaar Wittek be-
Wegbereiter. Wir sind nur seine Diener.‘     stand: „Wir 5 saßen hier in unserem
Diese Stimme war sehr deutlich in mir.“7     Haus. Ich nahm die Worte des Herrn auf.
                                             […] Einige Zeit später bat der Herr dann
In der Folgezeit kam es täglich zu göttli-   eine Schwester aus Nürnberg zu uns ins
chen Belehrungen durch Jesus Christus,       Haus und offenbarte ihr von dem großen
den „Geistlehrer Bruder Emanuel“             Werk, das entstehen sollte. […] Unsere
und andere außerirdische Wesen. Den          Schwester aus Nürnberg hatte einen
Durchbruch des „Inneren Wortes“ be-          kleinen Gebetskreis. Der Herr fragte nun
schreibt sie durchweg positiv: „Nach         unsere Schwester, ob es möglich wäre,
dem 6. Januar 1975 brach tagtäglich          daß ich dort hin und wieder Sein Wort
der Heilige Geist hindurch. Jeden Tag        wiedergeben könne. […] Als ich dann
hörte ich die innere Stimme, sie war         nach Nürnberg kam und 8-10 Personen
ständig liebevoll und mir zugeneigt.“8       erwartungsvoll im Raume sah, zitterte

                                                         WAS-News / Ausgabe 2018   9
W A - Evangelisch-Lutherische Kirche ...
Neuoffenbarer

 ich und glaubte: Jetzt ist alles vorbei.   Pietismus, etwa beim Visionär Johannes
 Ich werde kein Wort herausbringen. – Es    Tennhardt (1661-1720), beobachten. In
 kam aber nicht so. Ich spürte plötzlich,   seiner Untersuchung zu Frömmigkeit
 je mehr Menschen um mich waren, um         und Spiritualismus in der „Frühen
 so stärker wurde die Lichtschwingung       Neuzeit“ konstatiert Volkhard Wels:
 des Geistes. Ich merkte, der Geist
 gab mir Stütze.“11 Mit der weiteren        „Charakteristisch für diesen durch
 Ausformung und Systematisierung der        Priorität des Geistes markierten
 Lehre des Heim­  holungswerkes kamen       Spiritu­alismus ist die Behauptung ei-
 weitere neuen Lehrinhalte esoterischer     ner direkten Verbindung zwischen
 bzw. theosophischer Provenienz hinzu,      Gott und Mensch, sei es in mystischer
 so dass das Universelle Leben sich als     Einswerdung mit Gott, sei es in pro-
 Neureligion zu erkennen gibt, dessen       phetischer Form durch Offenbarungen
 urchristlicher Anspruch in Zweifel gezo-   oder Gesichte. Gegenüber diesen
 gen werden muss. Hinzu kommen eine         ‚Geistesgaben‘ werden die äußeren
 übersteigerte Aggressivität gegenüber      Heilmittel, wie die Heilige Schrift und
 den ökumenischen christlichen Kirchen      die Sakramente, abgewertet. Für eine
 sowie eine damit verbundene hoch aus-      Kirche als solche gibt es im Grunde
 geprägte Konfliktträchtigkeit.12           keine Funktion mehr, denn die die un-
                                            mittelbare spirituelle Verbindung zu
 Ausblick                                   Gott definiert den Heilsweg als einen
                                            individualistischen, der per se von der
 Die Tradition des „Inneren Wortes“         institutionellen Vermittlung abhängig
 knüpft an das Prophetische im Christen­    ist. Dieser ‚Individualismus‘, der sich auf
 tum an. Im Besonderen ergeben sich         Geistbeseeltheit und Offenbarungen be-
 interessante Analogien zwischen mo-        ruft, ist auch dafür verantwortlich, dass
 dernen Neuoffenbarern und dem sog.         die Spiritualisten keine Kirche bilden,
 linken Flügel der Reformation. Mit den     sondern in Sekten und Splittergruppen
 Niederschriften Jakob Lorbers und dem      […] zerfallen. Der Separatismus ist dem
 außergewöhnlichen Empfang angeb-           Spiritualismus von vornherein einge-
 lich göttlicher Botschaften wird an die    schrieben.“13
 Vorstellung unmittelbarer göttlicher
                                            Bereits Luther hatte zwischen äuße-
 Eingebungen angeknüpft. Wirkungen
                                            rem und innerem Wort unterschieden.
 lassen sich auch in Grundströmungen
                                            Dabei kommt dem Heiligen Geist die
 der Religions- und Geistesgeschichte
                                            Mittlerrolle zu. Er benutzt das Wort
 wie etwa der christlichen Mystik
                                            des Evangeliums, um das „innere Wort“
 oder Traditionen des mystischen
                                            als Erleuchtung im Glauben zu wirken.
 Spiritualismus des 17. Jahrhunderts
                                            Somit ist das innere Wort an das äußere
 oder im sogenannten separatistischen

  10    WAS-News / Ausgabe 2018
Neuoffenbarer

Wort des Evangeliums gebunden. Von           euch für neue Ideen, neue Gedanken
daher ergeben sich in der Einschätzung       und neue Offenbarungen zu öffnen,
neuer Offenbarungen wichtige As­             während ihr diesen neuen spirituellen
pekte. Die katholische Kirche hat für        Ausdruck erkundet.“15
neue Offenbarungen den Begriff der
„Privatoffenbarungen“ geprägt, die für       Es ist angesichts der Veränderungs­
den einzelnen zwar eine Bedeutung            prozesse heutiger Religionskultur kein
haben, nicht jedoch für die Kirche oder      Zufall: Heute dominieren stark indivi-
Christenheit insgesamt.                      dualisierte und religionsvermengen-
                                             de Aspekte die angeblich göttlichen
Im Bereich neuer Mitteilungen scheinen       Mitteilungen. Doch das Faszinosum hö-
esoterische    Channeling-Botschaften        herer Erkenntnisse angeblich aus „erster
den traditionellen Neuoffenbarungen,         Hand“ bleibt.
die den christlichen Glauben bzw. das                            Matthias Pöhlmann
Christentum als Bezugspunkt wählen,
den Rang abgelaufen zu haben. Nimmt                                         Anmerkungen
man etwa das über sog. Automatisches
Schreiben empfangene Buch „Neue              1 Karl Gottfried von Leitner: Jakob Lorber – der
                                                Schreibknecht Gottes, Bietigheim 61994, 18.
Offenbarungen“ des US-Amerikaners            2 Neu-Salems-Verlag (Hg.): Briefe Jakob Lorbers.
Neale Donald Walsch zur Hand, so fal-           Urkunden und Bilder aus seinem Leben, Bietigheim
                                                1931, 15f.
len besonders die säkular anmutenden         3 Hermann Luger: Bibel und Neuoffenbarung. In:
Aussagen zu einer neuen, angeblich re-          Das Wort 6/1923, 76-83, hier 76.
                                             4 S. hierzu meinen Beitrag: Vom Schreibknecht
ligionsverbindenden Spiritualität auf:          Gottes“ zum „Gottesinstrument“. Inneres Wort und
                                                Neuoffenbarer in der Tradition Jakob Lorbers- In:
„Das ist ein Buch, das das Leben verän-         Matthias Pöhlmann (Hg.): Ich habe euch noch viel
dert. Es enthält eine Neue Offenbarung.         zu sagen...“ – Gottesboten – Propheten – Neuof-
                                                fenbarer, EZW-Texte 169, Berlin 2003, 46-60.
[…] Ich glaube, dass uns diese neuen         5 So z.B. Lothar Bross mit Ehefrau; vgl. www.lebens-
Offenbarungen gegeben wurden, um                stufen.de [Zugriff: 22.12.2017].
                                             6 www.unicon-stiftung.de [Zugriff: 22.12.2017].
uns einige mögliche und machtvol-            7 Gabriele Wittek: Ein ehemals geistig unwissender
le Antworten auf diese Fragen unserer           Mensch, 20.
                                             8 Ebd., 10.
Zeit anzubieten.“14 Einige Seiten spä-       9 Ebd.
ter heißt es: „Ihr seid eingeladen, eine     10 Ebd., 20.
                                             11 Ebd., 14.
neue Möglichkeit des Erfahrens eurer         12 S. hierzu insgesamt: Matthias Pöhlmann (Hg.):
Religionen zu erschaffen, indem ihr tief        Universelles Leben. Beiträge zu einer umstrittenen
in die Weisheit hineinblickt, die in ihnen      Neureligion, EZW-Texte 213, Berlin 2011.
                                             13 Volkhard Wels: Manifestationen des Geistes.
existiert, um dann von dieser Weisheit          Frömmigkeit, Spiritualismus und Dichtung in der
Gebrauch zu machen und aus ihr eine             Frühen Neuzeit (= Berliner Mittelalter- und Früh-
                                                neuzeitforschung, Bd. 17), Göttingen 2014, 16.
neue Ausdrucksform eurer spirituellen        14 Neale Donald Walsch: Neue Offenbarungen. Ein
Natur zu bilden. Ihr seid eingeladen,           Gespräch mit Gott, München 2003, 10.
                                             15 Ebd., 73.

                                                            WAS-News / Ausgabe 2018          11
Weltanschauungen im Gespräch

 Sehnsucht nach HEILung
 Wunderglaube als Herausforderung

 „Weltanschauungen im Gespräch“            Wunderglaube in verschiedenen Such-
                                           bewegungen eine Rolle. Im pfingst-
 19.-21.11.2018 in Wildbad Rothenburg      lich-charismatischen Bereich gibt sich
 Leitung: Kirchenrat Dr. Matthias Pöhl-    ein Hang zum Heilungsoptimismus zu
 mann mit Team (Herbert Dersch, Mark       erkennen, der im Übernatürlichen die
 Meinhard, Susanne Menzke, Michael         Hilfe Gottes erwartet und vor allem
 Raisch, Anne Salzbrenner). Dr. Matthi-    in Wundern das Wirken des Heiligen
 as Pöhlmann ist der Landeskirchliche      Geistes erblickt. Anbieter der Esote-
 Beauftragte für Sekten- und Weltan-       rikszene gehen davon aus, dass außer-
 schauungsfragen der Evangelisch-Lu-       gewöhnliche Erfahrungen mit Hilfe von
 therischen Kirche in Bayern, München.     bestimmten Methoden und Praktiken
                                           prinzipiell möglich sind.
 „Man kann nicht elektrisches Licht und
 Radioapparat benutzen und gleichzei-      Die vierte Tagung der Reihe „Weltan-
 tig an die Geister- und Wunderwelt        schauungen im Gespräch“ befasst sich
 des Neuen Testaments glauben.“ So         mit den Suchbewegungen zwischen
 formulierte es vor vielen Jahren der      Heilung und Heil, zwischen Wunder-
 bekannte evangelische Theologe Ru-        glaube, Magie und Rationalität. Beiträ-
 dolf Bultmann. Heutzutage ist dies für    ge aus Europäischer Ethnologie, Medi-
 Menschen überhaupt kein Problem,          zin und Theologie ermöglichen einen
 lebenspraktisch tun sie beides schon      Überblick über ein facettenreiches Ge-
 längst: Moderne Technik nutzen und        biet unterschiedlicher weltanschaulich-
 gleichzeitig für Religion und die Gei-    religiöser Deutungen. Ein besonderes
 ster- und Wunderwelt, nicht nur des       Angebot im Rahmen der Tagung ist die
 Neuen Testaments, offen sein. Glaube      Begegnung mit einem Vertreter bzw.
 und Wissen erscheinen heute eher als      einer Vertreterin der pfingstlich-cha-
 zwei verschiedene, einander nicht aus-    rismatischen Bewegung. Abschließend
 schließende Zugänge zur Wirklichkeit.     soll aus biblisch-theologischer Sicht der
 Die Offenheit gegenüber dem Wunder-       Frage nachgegangen werden, ob „Wun-
 glauben hat in den letzten Jahrzehnten    der“ für den christlichen Glauben wich-
 in Deutschland deutlich zugenommen:       tig sind und welche Bedeutung sie ha-
 2006 bekannte über die Hälfte der         ben können.
 deutschen Bevölkerung, 56 Prozent, an
 Wunder zu glauben. Im Jahr 2000 wa-                               www.wildbad.de
 ren es lediglich 29 Prozent. In der ge-
 genwärtigen Religionskultur spielt der

  12    WAS-News / Ausgabe 2018
Neue Propheten?

                                   „...herausgetreten aus der Schande...“
                                                    Eine „geistliche Wiedergeburt“

Aktuelle Wahrnehmung                       Ende der 80er Jahre sei David Demi-
                                           an auf die von Bob Birch gegründete
Am 28. Januar 2018 erreichte mich ein      Gruppe gestoßen. Der ägyptische Arzt
Gebetsaufruf aus Görwihl. Martin und       David Demian entstamme einem kop-
Yvonne Rottman vom Elia-Kreis schrie-      tischen Elternhaus und will im Jahre
ben: „Wir sehen wie Gott sein Volk in      1984, während seiner Zeit als Mediziner
Deutschland herausfordert an der Seite     in Ägypten, von Gott den Ruf erhalten
von Korea im Gebet zu stehen.“             haben, die Kirche auf ihre Aufgabe als
                                           Braut Christi vorzubereiten. 1988 sei
Am 31. Januar 2018 erhielt ich von David   er mit seiner kanadischen Frau für die
Demian die Einladung zur Registrierung     Geburt des ersten Kindes nach Kana-
für das bevorstehende Global Gathering     da gekommen. Vor der Rückkehr nach
vom 21. bis 23. März 2018 in Jeju/         Ägypten will er von Gott beauftragt
Südkorea.                                  worden sein, Kanada nicht zu verlassen.
                                           In dieser Zeit habe er sich, nach einigem
Watchmen for the Nations
                                           Ringen mit Gott, entschlossen, sein bis-
Beide Namen sind mir im Herbst 2015        heriges Leben aufzugeben.
erstmalig im Zusammenhang mit dem          1998 habe Bob Birch die Leitung von
Global Gathering in der Münchner           „Watchmen of the Nations“ offiziell an
Olympiahalle begegnet. Veranstalter        David Demian übergeben2, der auch zum
war die kanadische Organisation            Leiterteam3 der kanadischen Church of
„Watchmen for the Nations“, die 1991       Zion zählt, die 1983 von dem aus Hong
von Bob Birch (1907-2007) gegründet        Kong stammenden Rev. Dr. Gideon Chin
wurde. Die Namensgebung sei ange-          gegründet wurde.
lehnt an Jesaja 62,6.71: „O Jerusalem,
ich habe Wächter über deine Mauern
bestellt, die den ganzen Tag und die
ganze Nacht nicht mehr schweigen sol-
len. Die ihr den HERRN erinnern sollt,
ohne euch Ruhe zu gönnen, lasst ihm
keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder
aufrichte und es setze zum Lobpreis auf
Erden!“

                                                       WAS-News / Ausgabe 2018   13
Neue Propheten?

 Global Gathering                               der Väter zu den Söhnen und das Herz
                                                der Söhne zu ihren Vätern umkehren
 Dem Gathering in München, das vom              lässt. – Maleachi 3:24 Die Sehnsucht
 25. bis 28. Oktober 2015 stattfand, ging       im Herzen unseres Vaters ist, dass sei-
 ein „Ruf an die Nationen“ voraus:              ne Familie sich seinem Königreich ent-
                                                        sprechend ausrichtet und Träger
                                                        seiner Gegenwart in – und zu
                                                        – allen Nationen ist.“4 Gefolgt
                                                        sind diesem Ruf etwa 5500
                                                        Christinnen und Christen aus 35
                                                        Ländern5.
                                                        Bereits in der Eröffnungsanspra-
                                                        che stellte Eddie Ma (Incubator
                                                        Ministries – Hong Kong) die be-
                                                        sondere Bedeutung Deutsch-
                                                        lands in den Vordergrund. Man
                                                        sei nicht hier um eine gute Pre-
                                                        digt zu hören. In den nächsten
       Global Gahtering - München 2015 - © bd           Tagen aber verwirkliche sich in
                                                der gegenseitigen Liebe hier in Mün-
 „Dies ist eine entscheidende Stunde            chen der Leib Christi. Jetzt sei die Zeit,
 in der Bestimmung der Nationen: Der            in der Gott in München, in Deutschland
 Herr ruft den Leib Christi dazu, sich im       den Himmel öffnen werde, um seine
 Oktober dieses Jahres in München zu            Liebe zu zeigen, jetzt in der Endzeit.
 versammeln. (…)                                Ma´s Traum sei die Geburt eines neuen
                                                geistlichen Deutschlands, damit es in
 In diesen Tagen werden wir uns versam-
                                                den nächsten Tagen wieder ein Segen
 meln, danach suchen, was er sich vor-
                                                für den Leib Christi in der Welt werde.
 stellt und unsere eigenen Vorstellungen
 niederlegen. Es ist keine Zeit, in der         Nach drei Tagen Lobpreis wurde in der
 wir etwas vom Herrn bekommen wol-              Abschlusssession konstatiert: „Ihr habt
 len, sondern eine Zeit, in der wir uns         erlebt, dass Eure Mauer in Berlin zu-
 ihm hingeben. Während wir, die Braut           sammengefallen ist. Und wir haben hier
 Christi, uns vorbereiten auf das baldige       die Kraft des Heiligen Geistes erlebt,
 Kommen unseres Herrn Jesus Christus,           dass die Deutschen freigesetzt wurden.
 unseres Bräutigams, nimmt er den Fluch
 von unserem Land, indem er das Herz

  14      WAS-News / Ausgabe 2018
Neue Propheten?

Wir glauben von Herzen,
wo die Nationen hier alle
noch mitschwingen, dass
die Gebete von Deutsch-
land und allen Nationen
über den Ozean Korea er-
reichen werden. (…)
Wir sind alle tief beein-
druckt, wieviel Korea in
den vergangenen Jahr-
zehnten investiert hat. Ge-
betskämpfer, jetzt ist die
Zeit, um den Leib Jesu zu
beleben, die Wunden von
Nord- und Südkorea zu
heilen. Wir glauben, dass                    Global Gahtering - München 2015 - © bd
das die letzte Festung ist,
die der Feind hat… Also steht auf, lasst    Deutschland im Endzeitplan Gottes
alle Nationen zusammenstehen. (…)
                                           Heilsgeschichtliche     Spekulationen,
Alle die die da sind, erhebt eure Stim-    Deutschland spiele eine besondere
me und ruft zum Herrn, ruft zum Herrn.     Rolle im Endzeitplan Gottes, tauchen
Ruft mit Autorität ihr Deutschsprachi-     regelmäßig in neocharismatischen
gen. Wir rufen mit Autorität. Wir rufen    Kreisen auf. Schon früh will Demian
Gottes Willen aus – Korea soll vereint     prophetische Visionen zur Führungsrol-
werden. (…)                                le Deutschlands in der Endzeit gehabt
                                           haben. Bereits 2004 veröffentlichte
Wir stehen hier als Deutsche und wir
                                           die Internetplattform „glaube.de“ in
stehen hier und segnen euch mit dem
                                           der Rubrik „Prophetie“ unter dem Titel
Geist der Vaterschaft und der Mutter-
                                           „Deutschland bleibt nicht, wie es ist.“7
schaft. Und dadurch wird Heilung –
                                           einige Gedanken Demians dazu:
geistliche Heilung – in euer Land kom-
men. (…)                                   „Es geht nicht um einen Dienst, ein
                                           Werk, eine Denomination... dieses Wir-
Einigkeit und Recht und Freiheit diesem
                                           ken Gottes bricht im Land durch. Es
wunderschönen Land. Einigkeit und
                                           muss eine nationale Sache sein. (…)
Recht und Freiheit diesem wunderschö-
nen Land.“6

                                                        WAS-News / Ausgabe 2018       15
Neue Propheten?

 In Nürnberg, nach Kassel im Februar         Durch die Freisetzung Deutschlands
 2002, musste ich drei Dinge deklarieren,    käme es zu einem Dominoeffekt. Dieser
 ich wusste nichts über die Historie der     setze die „Autorität in der geistlichen
 Stadt.                                      Welt“ frei, „um mit Mächten und Ge-
                                             walten in rechter Weise umzugehen,
 1. Ich nehme die Schande über dieser        wonach sich der HERR sehnt. Genau
    Nation weg.                              das müssen wir in dieser Stunde verste-
 2. Deutschland wird ein Vaterland sein.     hen.“12

 3. Ich werde die Leidenschaft, die der      2013 titelte ein Bericht über die Vierlän-
    Feind geraubt hat, wieder herstellen.    der-Konferenz in Leipzig: „Deutschland:
    Deutschland ist keine verkopfte Na-      Deine Scham ist von dir genommen!“13
    tion, sondern eine leidenschaftliche,    „Prophetische Einblicke“ habe Demian
    sie sind nur beladen von Schmach.        ins „Buch des Lebens für Deutschland“
    Ich will das wiederherstellen.“8         erhalten. So sei Deutschland „heraus-
                                             getreten aus der Schande und aus der
 Gott habe mit Deutschland einen Weg         Scham. Gott hat eine neue Freiheit aus
 begonnen, der Gehorsam erfordere, um        der Gefangenschaft der Schuld ge-
 voranschreiten zu können. Dabei sei         schenkt. Immer wieder wurde unterstri-
 die Liebe zu Gott und zum Land „der         chen, dass Deutschland als Vaternation
 einzige Weg, wie du in diesem geist-        berufen sei, die eine Hirtenschaft an-
 lichen Kampf dem Feind, dem visions-        deren Nationen gegenüber einnehmen
 abtreibenden Geist, gegenübertreten         würde.“14 Über dem Blatt im „Buch des
 kannst.“9                                   Lebens“ habe Demian „einen goldenen
                                             Strom“ wahrgenommen. „Er deutete es
 Ähnlich äußerte Demian sich während         als einen Strom des Heiligen Geistes,
 eines Vortrages auf der All Nations Con-    der mit seiner Herrlichkeit die Nation
 vocation in Jerusalem im Jahre 2005         bedeckt.“15
 mit dem Titel „Israels Zeit ist jetzt“10.
 Er spricht von „Gottes ultimativem
 Plan für die Endzeit“. Damit der Herr
 allen verzeihe, sei eine „kritische
 Masse“ nötig, eine Mindestzahl von
 Menschen, die der Herr fordert (Sodom
 und Gomorra). Jetzt, an „einer Schwelle
 von Durchbrüchen … in der Zeit, in der
 die Siegel aufgebrochen werden“11, sei
 Deutschland entscheidend. Dafür werde
 der Herr die Nationen jetzt freisetzen.           Global Gahtering - München 2015 - © bd

  16     WAS-News / Ausgabe 2018
Neue Propheten?

Einschätzung                                                               Anmerkungen

Die Vergangenheit eines Landes kann        1 http://canadianchristianity.com/bc/bc-
                                              cn/0108/12pastor.html [10.02.2016].
und im Falle Deutschlands muss sie zu      2 https://www.watchmen.org/en/who-we-are/
einer Auseinandersetzung mit der ei-          our-history [19.02.2018].
                                           3 http://www.churchofzion.org/?q=demian
genen Geschichte führen. Hierbei kann         [09.02.2016].
es zu Häufungen kommen: 25 Jahre           4 https://www.watchmen.org/global/munich/de/the-
                                              call-de [09.02.2016].
Wiedervereinigung; 70 Jahre Ende des       5 Karin Heepen: Bericht Global Gathering. In:
Zweiten Weltkrieges und der national-         Wächterruf – Gebetsnetz für Deutschland, Aktuel-
sozialistischen Gräuel sowie 500 Jahre        le Informationen, November 2015.
                                           6 nach der Abschrift einer Videoaufnahme vom 28.
Reformation sind gebotene Anlässe über        Oktober 2015.
die eigene Historie und die Entwicklun-    7 David Demian: Deutschland bleibt nicht, wie
                                              es ist (Teil 1). http://www.glaube.de/artikel/
gen im Land nachzudenken. Aus diesem          thema/1945630229//david_demian_deuts...
Nachdenken werden sich notwendiger-           [10.02.2016].
                                           8 a.a.O.
weise Fragen ableiten: Was ist seitdem     9 David Demian: Den Preis für Deutschland bezahlen
geschehen, welche Herausforderungen           (Teil 2). http://www.glaube.de/artikel/thema///
                                              david_demian_den_preis_fuer_de... [10.02.2016].
stehen für die Zukunft noch an?            10 David Demian: Israels Zeit ist jetzt. http://www.
                                              die-bruecke.info/be-je/vortrag/2005_daviddemi-
Eine besondere heilsgeschichtliche Re-        an_israelszeitistjetzt.htm [19.02.2018].
levanz Deutschlands im Endzeitplan         11 a.a.O.
                                           12 a.a.O.
Gottes daraus abzuleiten, ist weder bib-   13 Deutschland: Deine Scham ist von dir genommen!
lisch noch theologisch nachvollziehbar.       http://www.mission-is-possible.de/4lk/4lk.pdf
                                              [19.02.2018].
Ein solches Ansinnen gehört in das Land    14 a.a.O.
der Spekulationen und sicher nicht in      15 a.a.O.
den Bereich göttlicher Prophetie.
Führt es – wie gegen Ende des Gathe-
rings in München - mit Blick auf Ko-
rea dazu, zum Kaiserlied von Haydn die
Worte „Einigkeit und Recht und Freiheit
diesem wunderschönen Land“ zu hören,
wirkt ein solches Ansinnen irritierend
bis verstörend.
                         Bernd Dürholt

                                                          WAS-News / Ausgabe 2018         17
Vorankündigung

 Curriculum Apologetik Bayern
 Fortbildungsangebot in 3 Modulen für theologische und theologisch-pädagogische
 Mitarbeitende der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

 Neue religiöse Bewegungen und Strömun-         Inhalte der Module
 gen sind eine gesellschaftliche und kirch-
 liche Herausforderung. Wie begegne ich in
                                                •   Was ist unsere Aufgabe?
 meinem beruflichen Alltag als Gemeinde-
                                                    (Apologetik)
 pfarrerIn, RelgionslehreriIn, JugendleiterIn
 ... dieser weltanschaulichen und religiösen    •   Was schützt mich? (Rechtsfragen)
 Vielfalt?                                      •   Was ist los? (Religiöse-Weltan-
                                                    schauliche Gegenwartslage)
 In den drei Kurswochen werden dafür nöti-      •   Wer klingelt da an meiner Tür?
 ge Basiskompetenzen vermittelt.                    (Christliche Sondergemein­
                                                    schaften)
 Neben Vortrag und Diskussion werden            •   Was ist das Göttliche in mir?
 Sie im Seminarhaus und auf Exkursionen             (Esoterik)
 direkte Begegnungen mit Anbietern und          •   Wie finde ich mich im Leben zu-
 Vertretern der neureligiösen Szene erleben.        recht? (Lebenshilfe)
 Fallbeispiele sowie die Themen Publizistik
                                                •   Wie ticke ich?
 und Rechtsfragen runden das Angebot ab.
                                                    (Psychoorganisationen)
                                                •   Was bringt das Morgen? (Mantik)
 Veranstaltungsorte                             •   Wie kann ich das alles ordnen?
                                                    (Kriteriologie)
 Theologisches Studienseminar der VELKD
                                                •   Wo weht der Geist? (Pfingst-
 Bischof-Meiser-Straße 6 - 82049 Pullach
                                                    lich-Charismatisches Christentum)
 FrauenWerk Stein e.V. in der Evang.-Luth.      •   Wer klopft denn da? (Neuoffenba-
 Kirche in Bayern                                   rung / Spiritismus / Channeling)
 Deutenbacher Str. 1 - 90547 Stein              •   Was macht mich gesund? (Alterna-
 Evangelische Tagungsstätte Wildbad                 tive Heilverfahren)
 Taubertalweg 42 - 91541 Rothenburg o.d.T.      •   Wessen Geist bin ich? (Freie Spiri-
 Evangelisches Bildungs- und Tagungszent-           tualität)
 rum Bad Alexandersbad                          •   Wie sag ich´s meinem Nächsten?
 Markgrafenstraße 34 - 95680 Bad Alexan-            (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
 dersbad
 Weitere Informationen demnächst auf
                            www.weltanschuungen.bayern

  18      WAS-News / Ausgabe 2018
Vorankündigung

Der Anbieter
Arbeitskreis Apologetik der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (s. Seite 58 f.)

                          Teilnahme

                          Die Teilnehmerzahl ist auf maximal 25 Teilnehmende begrenzt.

Kosten
Pro Kurswoche Euro 400,- inklusive Unterkunft und Verpflegung
Bad Alexandersbad Euro 200,-
Wildbad Rothenburg Euro 150,-
Die Fortbildung wird gemäß den berufsgruppenspezifischen Richtlinien der Evangelisch-
Lutherischen Kirche in Bayern für Fort- und Weiterbildungen bezuschusst.

                          Termine

                          Modul I:      18.-22. Februar 2019        Pullach
                          Modul II:     17.-21. Februar 2020        Stein
                          Modul III:    01.-05. Februar 2021        Rothenburg o.d.T.
                          1x            Symposium in Bad Alexandersbad
                                        8.-10.4.2019     oder   30.-3.4.2020
                          1x            Weltanschauungen im Gespräch
                                        18.-20.11.2019      oder   16.-18.11.2020

Anmeldung
Evang.-Luth Landeskirchenamt � Referat Spiritualität und Kirchenmusik
Kirchenrat Manuel Ritter
Katharina-von-Bora-Str. 7-13 � 80333 München � Tel: 089/5595-262
Fax: 089/5595-8250 � manuel.ritter@elkb.de

                                                               WAS-News / Ausgabe 2018   19
Arbeitshilfe

  Weil wir gefragt werden
  Arbeitshilfe zum neo-charismatischen Christentum

  Weltanschauungsbeauftragte beider Kir-       Wo es uns angebracht erscheint, wer-
  chen haben eine Arbeitshilfe zum neo-        den wir sowohl römisch-katholische
  charismatischen Christentum und seinen       als auch evangelisch-lutherische Argu-
  Großveranstaltungen veröffentlicht.          mentationslinien vorstellen.

  „Die folgende Arbeitshilfe soll kirch-       Wir sind Gott dafür dankbar, dass die
  lichen Multiplikatorinnen und Multi-         ökumenische Zusammenarbeit der
  plikatoren dabei helfen, solche Fragen       Weltanschauungsbeauftragten in Ba-
  zu beantworten. Daher folgt sie dem          yern solche Früchte hervorbringt." (Ar-
  Schema „Frage und Antwort“. Nach ei-         beitshilfe, 4f.)
  nigen grundsätzlichen theologischen
  Klärungen folgen Fragen zu konkreten         Für die Online-Version klicken Sie bitte
  Glaubensvorstellungen und -praktiken         auf das Titelbild.
  des neo-charismatischen Christentums.
  Am Ende geht es um organisatorische
  Überlegungen und die Frage der Zusam-
  menarbeit.

  In dieser Arbeitshilfe wird eine mög-
  liche, vorläufige (nicht die einzige,
  letztgültige) Position zum neo-charis-
  matischen Christentum vertreten. Das
  „wir“, das sich darin äußert, gibt die
  gegenwärtigen Ansichten der Heraus-
  gebenden wieder. Zugleich ist dieses
  „wir“ ein einladendes „wir“: Es lädt dazu
  ein, sich mit der hier vorgestellten Posi-
  tion zu identifizieren bzw. in der Ausei-
  nandersetzung damit zu eigenen the-
  ologischen Antworten zu gelangen und
  mit den Herausgebenden dazu in einen
  theologischen Austausch zu treten.

   20     WAS-News / Ausgabe 2018
Mennoniten

                        Von wehrlos Verfolgten, Stillen im Lande und
                                         Verfechtern des Pazifismus
                               (Fast) 500 Jahre täuferisch-mennonitisches Leben

Namen sind Schall und Rauch?               1528.1 „Wiedertäufer“ zu sein wurde je-
Mitnichten. Sie können Personen oder       doch auch schnell gleichgestellt mit ei-
Gruppen auf eine Identität festlegen,      nem vermehrten Potential zu politischer
sie können ausgrenzen, diffamieren         Unruhe, zu „Rebellion“ und „Aufruhr“.
und kriminalisieren. Im Fall der reli-     Sprache prägt das Denken. Erst im
giösen Minderheit der Täufer lief die      20. Jahrhundert setzt sich der neutrale-
Ausgrenzung bis ins 18. Jahrhundert        re Begriff „Täufer“ durch.
über den Namen „Wiedertäufer“,
der pejorativ war und den die Täufer                        Täuferische Vielfalt
sich nicht selbst gegeben haben.
Die Obrigkeiten klassifizierten da-        Der Name „Wiedertäufer“ ver-
mit seit dem 16. Jahrhundert jene          schleiert zudem, dass die Täufer des
Untertanen, die die Kindertaufe ver-       16. Jahrhunderts keineswegs eine ho-
weigerten und nur Menschen taufen          mogene Gesellschaft bildeten.2 Das
wollten, die als mündige Gläubige die      zentrale Element des täuferischen
Taufe selbst verlangten. Während die       Glaubens war zwar die namensgeben-
Täufer sich untereinander mit „Bruder“     de Erwachsenen- oder Glaubenstaufe,
und „Schwester“ anredeten, war die         doch darüberhinaus gab es immer wie-
Definition dessen, was ein Täufer oder     der unterschiedliche Auffassungen über
„Wiedertäufer“ ist, also ein Akt obrig-    die praktischen Konsequenzen, die sich
keitlicher Zuschreibung. Die Obrigkeiten   im Alltag aus den Glaubensartikeln er-
sprachen in ihren Mandaten und             gaben. So waren die Täufer zwar davon
Verordnungen von „Wiedertäufern“           überzeugt, dass ein Christ keinen Eid
oder „Anabaptisten“ und „machten“          und Kriegsdienst leisten, keine Steuern
damit erst die Täufer. Der Begriff „wie-   für Kriege zahlen und sich von der
dertäufer“ taucht schon sehr früh auf,     Gesellschaft absondern sollte. Doch ob
unter anderem als „wiedergetaufte per-     dies auch bedeutete, sich in persön-
sonen“ oder explizit als „widertauffer     lichen Streitigkeiten nicht zu wehren
und die, so sich widertauffen lassen“,     oder keine Ämter in der Obrigkeit zu
so etwa im Mandat Ferdinands I. von        übernehmen, weil ein Christ immer
                                           Kompromisse mit seinem Glauben ma-
                                           chen müsste, darüber waren sich die ver-
                                           schiedenen täuferischen Gruppen nicht

                                                      WAS-News / Ausgabe 2018   21
Mennoniten

 einig. Auch der Grad der Absonderung         Unter dem gemeinsamen Namen
 von der übrigen Gesellschaft wurde           „Wiedertäufer“ müssen so unter-
 nicht einheitlich bestimmt. Am mar-          schiedliche Gruppen und Gemeinden
 kantesten zeigte sich die abgeson-           gezählt werden, wie die Schweizer
 derte Lebensweise bei den Hutterern,         Brüder, die Hutterer, die Melchioriten,
 die auf ihren Höfen in Südmähren die         die Mennoniten und viele kleine-
 Gütergemeinschaft praktizierten, eine        re Gemeinden. Täufer lebten un-
 weitgehend autarke Wirtschaftsweise          ter anderem in den Niederlanden
 etablierten und so auch räumlich eine        und in Nordwestdeutschland, in der
 eigene Einheit in den Dörfern bildeten.      Eidgenossenschaft, aber auch in der
 Andere Täufer lebten dagegen wesent-         Kurpfalz, in Bayern, Hessen, Thüringen,
 lich stärker integriert in die dörfliche     in Württemberg sowie in allen Teilen
 und städtische Gesellschaft.                 der habsburgischen Länder. Wichtige
                                              Persönlichkeiten waren der friesische
 In der Anfangszeit wurde auch die            Täufer Menno Simons, nach dem später
 Gewaltfrage keineswegs einstimmig be-        die „Mennoniten“ benannt wurden, so-
 antwortet. So drückte sich täuferische       wie der Tiroler Täufer Jakob Huter, auf
 Vielfalt in einem Spektrum aus, das von      den sich die gütergemeinschaftlich le-
 apokalyptisch ausgerichteten Gruppen,        benden Hutterer zurückführen, und der
 die mit Gewalt und Schwert Städte er-        durch seine täuferische Reformation
 obern wollten, um das Neue Jerusalem         in Nikolsburg bekannte Balthasar
 aufzurichten, bis hin zu Täufern reichte,    Hubmaier, von dem viele Schriften
 die sich an einer wehrlosen und abge-        überliefert sind. Auch der ebenfalls aus
 sonderten, aber stets obrigkeitstreuen       Tirol stammende Pilgram Marpeck, der
 Lebensweise orientierten. Täufer, die        nach seiner Vertreibung aus Tirol in
 nur langsam ihr gewaltbereites Erbe des      Augsburg wirkte, muss als wichtiger
 Bauernkriegs aufgaben, standen Täufern       Denker und Theologe unter den Täufern
 gegenüber, die vermutlich schon im 16.       des 16. Jahrhunderts erwähnt werden
 Jahrhundert eher „still im Land“ wa-         wie auch der von apokalyptischen Ideen
 ren, mit den Nachbarn gut auskamen           geleitete Melchior Hofmann.4
 und in den Quellen gar nicht auftauch-
 ten. Bekannte Beispiele für täuferische
 Gruppen, die zur Waffe griffen, um eine
 täuferisch-theokratische        Herrschaft
 auf­­zurichten, sind jene in Erfurt (1527)
 und Münster (1534/35).3

  22     WAS-News / Ausgabe 2018
Mennoniten

Absonderung und Ausgrenzung                 die der sehr diversen täuferischen
                                            Bewegung Normen vorgeben sollten,
Die Absonderung von der übrigen             eine ganz klare Trennung der „Guten“
- nicht-täuferischen - Gesellschaft         von den „Bösen und vom Argen“, das in
war für die Täufer konstituierend.          der „Welt“ sei. Biblische Verweisstelle
Die erste täuferische Glaubens- oder        ist 2. Kor. 6,17: „Darum ‚geht aus von
Erwachsenentaufe im Jahr 1525 in der        ihnen und sondert euch ab‘, spricht der
Schweiz erwies sich als ein Akt der         Herr, ‚und rührt nichts Unreines an.‘“5
Absonderung und Abgrenzung, mit dem         Das Böse wird noch etwas näher defi-
die Täufer die Bühne der Reformation        niert, als alle „päpstlichen und wider-
betraten, auf der bereits viele Akteure     päpstlichen Werke und Gottesdienste,
ihre Vorstellungen von einer Reform der     Versammlungen, Kirchbesuche, Wein­
alten Kirche geäußert hatten. Die Taufe     häuser, Bündnisse, Verträge des Un­
war zwar eine religiöse Zeremonie, un-      glaubens“.6
terstrich jedoch die Ernsthaftigkeit, mit
der die frühtäuferischen Konventikel        Die Täufer formulierten zudem eine
ihre Trennung von den Reformatoren in       klare Abgrenzung von allen politischen
theologischer, sozialer und politischer     Einflüssen innerhalb der Gemeinden,
Hinsicht leben wollten. In den Augen        indem sie den Gebrauch des Schwertes,
der Täufer war sie die konsequente          also die obrigkeitliche Macht, zur
Fortsetzung beziehungsweise Vollendung      „Gottesordnung ausserhalb der Voll­
aller bisherigen Reformversuche. Nach       kommenheit Christi“ erklärten. Jesus
außen war die Taufe zudem ein insti-        und seine Jünger hätten, im Gegensatz
tutioneller Bruch mit der alten Kirche,     zu den weltlichen Fürsten, immer wie-
mit der Einheit im „corpus christianum“.    der abgelehnt zu herrschen. Daraus
Als eine politisch-gesellschaftliche Ma­    folgte für die Täufer, dass das „Regiment
nifestation von Devianz ist sie dann        der Obrigkeit nach dem Fleisch“, das
auch aufgefasst worden. Die Verfolgung      Regiment der Christen jedoch nach dem
intensivierte sich und Felix Mantz, ein     Geist, ihre „Bürgerschaft“ im Himmel
Teilnehmer der frühen Ereignisse in der     sei.7 Die weltliche Obrigkeit sei gerüs-
Schweiz, wurde kurze Zeit später der        tet mit „Stachel und Eisen“, die Christen
erste Märtyrer der Täufer.                  dagegen mit dem „Harnisch Gottes, mit
                                            Wahrheit, Gerechtigkeit, Friede, Glaube,
Die Idee der Absonderung führte im          Heil und mit dem Wort Gottes“, so die
täu­ferischen Denken zu scharfen            Verfasser unter Verweis auf Eph. 6,16 f.
Schwarz-Weiß-Scheidungen, die auch          Die Konsequenz ist für die Täufer, dass
ihre schriftliche Legitimation fanden.      eine Obrigkeit nie christlich sei und
So forderten beispielsweise die 1527        ein Christ somit auch kein Amt in der
verfassten „Artikel von Schleitheim“,       Obrigkeit übernehmen könnte. Wobei

                                                        WAS-News / Ausgabe 2018   23
Mennoniten

 die Täufer der Obrigkeit ihre Legitimation   zu strafen sei – ein Vorwurf, der auf die
 nicht grundsätzlich absprachen, ganz         Zerstörung der Gesellschaft ausgedehnt
 im Gegenteil. Sie gestanden ihr die          werden konnte. Als Beleg für seine Ein­
 Funktion zu, in der Welt für Ordnung         schätzung führt Melanchthon einige
 zu sorgen. Doch die Ambivalenz, die          Glaubensüberzeugungen der Täufer
 in den theologischen Begründungen            an, die er als „aufrührisch“ kategori-
 lag, ließ verschiedene Auslegungen           siert, unter anderem die Auffassung, die
 zu, eben auch jene, die Täufer würden        Obrigkeit sei unchristlich, den Verzicht
 die Obrigkeit nicht anerkennen. Es war       Eide zu schwören sowie die Meinung,
 eine Ambivalenz, die die Obrigkeit auf       Christen sollten alle Güter gemein-
 christlich-täuferische Maßstäbe fest-        sam haben. Melanchthon schob nach,
 legte und ihr die Legitimation von Gott      dass solche Überzeugungen nicht ver-
 zusprach, ihr jedoch gleichzeitig die        treten werden könnten, ohne dass
 Unzulänglichkeit unterstellte, jemals        „Aufruhr“ daraus entstehe.10 In seine
 diesen Maßstäben genügen zu können.          Argumentation bezog er einen weiteren
 Deshalb konnte der täuferische Glauben       Artikel ein, den die Täufer angeblich ver-
 bis ins 18. Jahrhundert in der öffentli-     traten und der ebenfalls „aufführisch“
 chen Debatte mit Rebellion und Aufruhr       sei; die Täufer würden nämlich lehren,
 in Verbindung gebracht werden. Die           dass alle Gottlosen umgebracht werden
 Tatsache, dass die Täufer sich darüber-      sollten. Eine Argumentation, die auf
 hinaus nicht an Kriegen beteiligten und      einige radikalere täuferische Gruppen
 Eide verweigerten, ließ sie zu unsiche-      Bezug nimmt, die durch apokalyptische
 ren Untertanen in einer immer noch           Ideen geleitet sich einem geistlichen
 durch personale Bindungen zwischen           End­kampf nahe sahen und in einigen
 Untertanen und Landesherren gepräg-          Städten das „Neue Jerusalem“, das die
 ten Gesellschaft werden.8                    Offenbarung ankündigte, aufrichten
                                              wollten – 1527 in Erfurt und später
 Die politische Ausgrenzung der Täufer        dann 1534 in Münster. Melanchthon,
 war theologisch unter anderem durch          aber auch andere Theologen und
 ein Gutachten von Philipp Melanchthon        Vertreter der Obrigkeiten dehnten die-
 legitimiert, das auch Martin Luther un-      se Sondermeinungen kleinerer Gruppen
 terschrieb.9 1531 verfasste Melanch­         auf alle anderen Täufer aus. Luther
 thon ein Gutachten für den sächsi-           gab sein placet zu diesem Gutachten
 schen Kurfürsten – „Bedenken der             Melanchthons: „Wiewohl es crudele an-
 Theo­­logen zu Wittenberg: Ob man die        zusehen, daß man sie mit dem Schwert
 Wiedertaeufer mit dem Schwert strafen        straft, so ist doch crudelis, daß sie mi-
 moege“. Melanchthon wirft den Täufern        nisterium verbi damniren, und keine
 darin vor, auf die „Zerstörung der
 Kirchen“ zu zielen, was mit dem Tode

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