WEBINAR 23.06.2020 COVID-19 - Aktueller Konjunkturausblick und das Risiko der Insolvenzanfechtung - Euler Hermes
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IHRE REFERENTEN Björn Albert Patrick Krizan Dr. Stefan Schumacher Head of Direct & Partner Distribution Senior Economist Fachanwalt für Handels- und Euler Hermes Deutschland Allianz SE Gesellschaftsrecht 3
VERSCHIEDENE WEGE AUS DER COVID-19 KRISE Allianz Research Wirtschaftlicher Ausblick Juni 2020 © Ekaterina Pokrovsky - stock.adobe.com © Copyright Allianz
DIE WELT ÖFFNET SICH – ABER LANGSAM Deutschland: Noch langer Weg zur „Normalität“ Europa: Stand der Lieferkettenunterbrechungen Google Mobility Daten zum Aufenthalt der Nutzer im Vergleich vor der Krise* LKW-Transporte zu Lagehäusern und Fabriken 20 120 10 100 0 -10 80 -20 60 -30 -40 40 -50 20 -60 -70 0 02/2020 03/2020 04/2020 05/2020 06/2020 KW 11 KW 13 KW 15 KW 17 KW 19 KW 21 KW 23 Nahrungsmittel Automobil Detailhandel Arbeitsplatz Maschinenbau Bauwesen + Baumaterial ÖPNV Lebensmittelhandel & Apotheken Detailhandel *Unterschied in % der verbrachten Zeit im Vergleich zum Vorkrisenwert (langfristiger *Shippeo Transport Index, KW 11 (Anfang März) = 100 Median = 0), Daten sind arbeitstagbereinigt und geglättet (Kalman-Filter) Quellen: Shippeo, Euler Hermes Allianz Research Quellen: Google Mobility Data, Euler Hermes Allianz Research © Copyright Allianz
DIE WELT ÖFFNET SICH – ABER LANGSAM Europa: Kapazitätsauslastung der Lieferketten Europa: Kapazitätsauslastung der Lieferketten LKW-Transporte zu Lagehäusern und Fabriken vs. langfristiger Mittelwert Quellen: Shippeo, Euler Hermes Allianz Research 100% 92% 90% 86% 81% 80% 71% 70% 63% 58% 60% 50% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Quellen: Shippeo, Euler Hermes Allianz Research © Copyright Allianz Intensität der Unterauslastung, rot < 60%
MASSIVE ANTWORT VON GELD- U. FISKALPOLITIK Bilanz der Notenbanken Fiskalpolitik: Stimulus vs. Staatsgarantien (in % des nom. BIP) (in % des nom. BIP) 70 30 Belgium Staatsgarantien und Liquiditätsmaßnahmen 60 Italy 25 Germany 50 PBoC Japan 20 Eurozone 40 15 UK 30 ECB FED France Netherlands 10 20 Denmark Spain BoE 10 5 Canada Greece USA 0 Australia 0 2005 2006 2008 2010 2011 2013 2015 2016 2018 2020 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 12,0 14,0 Fiskalischer Stimulus (Steuererleichterungen, zusätzliche Ausgaben) Quelle: Nationale Notenbanken, Euler Hermes, Allianz Research Quelle: Nationale Quellen, Euler Hermes, Allianz Research © Copyright Allianz 7
REZESSION: STRENGE UND LÄNGE DES LOCKDOWNS ZÄHLEN BIP Wachstum vs. Strenge des Lockdowns BIP Wachstum pro Quartal (in %) Q1 2020 Q2 2020 Strenge des Lockdowns (Stringency Index) Quellen: Oxford University, Euler Hermes, Allianz Research © Copyright Allianz
WELTWIRTSCHAFT: ERHOLT SICH NUR GRADUELL Reales BIP-Wachsum (in %) BIP bleibt 2021 noch unter Vorkrisenniveau (BIP real, Q4 2019 = 100) 2017 2018 2019 2020 2021 105 World GDP growth 3.3 3.1 2.5 -4.7 4.8 United States 2.4 2.9 2.3 -5.3 3.7 100 Latin America 1.0 1.0 0.1 -6.8 3.1 Brazil 1.3 1.3 1.1 -7.0 3.0 United Kingdom 1.8 1.3 1.4 -13.3 5.0 95 Eurozone members 2.7 1.9 1.3 -9.2 5.8 Germany 2.8 1.5 0.6 -7.5 4.5 France 2.4 1.8 1.5 -10.8 7.4 Italy 1.7 0.7 0.3 -11.2 6.6 Spain 2.9 2.4 2.0 -11.0 7.0 90 Russia 1.8 2.5 1.3 -5.2 3.0 Turkey 7.5 2.8 0.9 -4.7 4.2 85 Asia-Pacific 5.2 4.7 4.2 -1.2 5.9 China 6.9 6.7 6.1 1.5 7.6 United States Japan 2.2 0.3 0.7 -5.7 2.2 India 7.0 6.1 4.7 -3.6 7.5 Eurozone 80 Middle East 1.4 0.9 0.3 -6.3 2.2 Japan Saudi Arabia -0.7 2.4 0.3 -4.0 2.0 Africa 3.1 2.7 1.9 -3.1 4.0 United Kingdom South Africa 1.4 0.8 0.3 -7.8 5.4 75 2019-01 2019-07 2020-01 2020-07 2021-01 2021-07 * Weights in glob al GDP at market price, 2019 NB: fiscal year for India Quelle: Euler Hermes, Allianz Research Quelle: Euler Hermes, Allianz Research © Copyright Allianz 24-Jun-20 9
LIQUIDITÄTSSCHOCK: UNTERSTÜTZUNG FÜR UNTERNEHMEN Europa: Aufteilung der Staatshilfe nach Sektoren* Finanzierungsstruktur des Unternehmenssektors 1,1% 0,7% 0,6% 1,8% 0,2% 0,1% 100% 1,0% 4% 2% Transportwesen 2% 2,2% 2,3% 8% Automobil 10% 3,3% 8% Tourismus 80% 11% 6,8% Private Loans Industriegüter Konsumgüter Leveraged Loans 43,6% 60% 28% Bauwesen High Yield Dienstleistungen (divers) Nahrungsmitteö IG Bonds (BBB) 40% 80% 36,3% Elektronik 28% IG Bonds (A and Energie higher) Bank Loans Finanzwesen 20% 19% 0% USA Eurozone * Für Unternehmen mit Rating BBB oder niedriger oder ohne Rating Quelle: Bloomberg, Euler Hermes, Allianz Research Quelle: Debtwire, Euler Hermes, Allianz Research © Copyright Allianz
WELTHANDEL: 15% RÜCKGANG IN 2020 - PROTEKTIONISMUS FEIERT COMEBACK Wachstum des Welthandels Protektionismus als Merkmal der Post-Covid-19 Ära (real und nominal, Jahresvergleich in %) 15% Volume Price Value 10,0% 12,0% 10% 9,6% 5% 3,3% 4,0% 3,0% 8,0% Verkürzung der Lieferketten (reshoring) 2,4% 5,6% 1,4% 1,9% 4,0% 0% 2,7% -2,0% -5% -1,5% Verschärfte Regulierung für ausländische Direktinvestitionen -15,0% -10% -10,8% -15% Verstaatlichungen wenn nötig (Fluglinien, Banken…) -20% -20,0% -25% 13 14 15 16 17 18 19e 20f 21f Quelle: IHS Markit, Euler Hermes, Allianz Research Quelle: Euler Hermes, Allianz Research Das Volumen des Welthandels dürfte 15% zurückgehen (-20% UNCTAD prognostiziert einen Rückgang der Ausländischen Direktinvestitionen nominal). Das betrifft nicht nur Güter, sondern um ersten Mnal auch von weltweit -40% im Zeitraum 2020-2021. Darüber hinaus dürften sich Dienstlesitungen. Starke Erholung in in 2021. Ende 2021 wird der mehrere Freihandelsabkommen (u.a. USA – UK) verzögern. Wlethandel aber nur 80-90% des Vorkrisenniveaus erreicht haben. © Copyright Allianz 11
TROTZ BEISPIELOSER HILFEN, INSOLVENZEN WERDEN BIS 2021 UM +30% STEIGEN Euler Hermes Insolvenz-Index Insolvenz-Prognose 2020-2021 (Veränderung zum Vorjahr in %) Ausgewählte Länder 60% 2020 2021 TOTAL (2021 vs 2019) 50% 40% 30% 20% 10% 0% USA Deutschland Frankreich UK Italien Niederlande Spanien Quelle: Nationale Statistiken, Euler Hermes, Allianz Research Quelle: Euler Hermes, Allianz Research Starker Anstieg der Insolvenzen in Westeuropa und USA. Dort ist vor Das tatsächliche Ausmaß wird abhängen vom (i) Timing und Umfang allem der Energiesektor betroffen In Westeuropa sind Dienstleistungen weiterer staatlicher Maßnahmen und (ii) der Aufnahmefähigkeit der und Bauwesen besonders exponiert.. Handelsgerichte (mögliche Verzögerungen). Zeitliche Unterschiede in den einzelnen Ländern, je nach Ausgestaltung der Hilfsmaßnahmen. © Copyright Allianz 12
TROTZ BEISPIELOSER HILFEN, INSOLVENZEN WERDEN BIS 2021 UM +30% STEIGEN Anteil der insolvenzgefährdeten KMUs Anteil der insolvenzgefährdeten KMUs nach Sektor (in % Gesamtanzahl) Westeuropa TOP 5 Sektoren Germany France Italy Construction 15% Services 20% Construction 16% Metal 11% Construction 19% Agrifood 11% Agrifood 11% Retail 12% Services 11% Machinery 10% Automotive 8% Retail 9% Services 10% Agrifood 8% Machinery 9% Spain Belgium Netherlands Agrifood 18% Construction 20% Services 26% Construction 16% Services 15% Construction 12% Services 15% Agrifood 10% Agrifood 11% Transport 9% Retail 9% Automotive 9% Quelle: Euler Hermes, Allianz Research Automotive 6% Transport 9% Machinery 9% Quelle: Euler Hermes, Allianz Research Mehr als 13,000 KMUs & MidCaps (7% des Gesamtanzahl) in den größten Euroländern sind insolvenzgefährdet wegen anhaltend niedriger Profitabilität und Umsatzwachstum. Mehr als €500 Mrd. Umsatz (4% des BIP der Eurozone) sind gefährdet. © Copyright Allianz 13
ZWEI SZENARIEN FÜR DIE POST-COVID ERHOLUNG U-förmige Erholung Verschleppte Krise • Drastischer Lockdown versetzt Realwirtschaft und • Anhaltende Gesundheitskrise verursacht erneuten Finanzmarkt schweren Schlag Finanzmarktkollaps • Scharfe weltweite Rezession in H1 20 gefolgt von • Systemischer Ausfall führt zu Liquiditätskrise verhaltener Erholung • Politik & Zentralbanken können Wachstum nicht mehr anfachen GESUNDHEIT • Verspätete & unkoordinierte Maßnahmen • Neuinfektionen mit erneuten zeitweisen Lockdowns • Aggressiver Lockdown, inkl. Grenzschließungen in der • Grenzen werden erneut geschlossen und öffnen erst EU wieder 2021 WIRTSCHAFTS- • Massive fiskal- und geldpolitische Stützungs- • Noch aggressivere fiskal- und geldpolitische POLITIK maßnahmen Maßnahmen, aber nicht mehr effektiv Reales BIP ( %) 2020 2021 Reales BIP ( %) 2020 2021 AUSWIRKUNG 2020 2020 AUF DIE Welt -4.7 +4.8 Welt -9.4 -0.5 Welthandel -15% Welthandel -30% WIRTSCHAFT USA -5.3 +3.7 Insolvenzen +20% USA -12.0 -2.0 Insolvenzen +40% China +1.5 +7.6 China -6.6 +1.8 Eurozone -9.2 +5.8 Eurozone -20.0 -2.5 Steigende Schulden, sinkende Produktivität und größere Rolle des Staates in der Wirtschaft. Dauerhafte Beeinträchtigung des Wachstumspotenzials. © Copyright Allianz 14
WAS KANN SCHIEF GEHEN? SIEBEN FALLEN Andauernde Unsicherheit Ein zweiter (noch heftigerer) und Vertrauenskrise Risiken im Banken- und Ausbruch des Virus verzögert Investitionen und Immobiliensektor , Risiko verschleppt die Krise um erhöht die Sparneigung von Zahlungsausfällen. weitere Quartale dauerhaft. Politik-Fehler: ungenügende Kürzere Lieferketten Steigende Ungleichheiten Unterstützung von verstärken weltweit führt zu sozialen Notenbanken oder protektionistische Spannungen und politischer ungenügende europäische Maßnahmen und sorgen für Unsicherheit, v.a. in Lastenverteilung (zweite strukturell niedrigere Schwellenländern. Eurokrise). Unternehmensmargen. Erhöhter Inflation durch übermäßige Monetisierung der Notenbanken, Schuldenrestrukturierung und Steuererhöhungen. © Copyright Allianz
MITTELFRISTIGER AUSBLICK: DAS ERBE DER KRISE Rückkehr des “starken Staat” De-Globalisierung Soziale Risiken Starke Rolle des Staates ggü. Märkten: Verflechtung der Staaten in Frage gestellt Ungleichheit von Einkommen ,Vermögen • interventionsfreudigere und energischere • Reduzierung der Auslandsabhängigkeit und Chancen wird verschärft durch Regierungen bei strategischen Gütern (Gesundheit, Ungleichheit bei Gesundheitsleistungen und • mehr Grundgüter und Grundbedürfnisse Energie etc.) Zugang zu Digitalisierung – von (grüner) Infrastruktur zu • Kürzere, resilientere Lieferketten der • soziale Spannungen Gesundheit – werden vom Staat gestellt Unternehmen • steigende Nachfrage nach sozialer werden. Sicherheit Geopolitische Spannungen Risiko Aversion Digitalisierungsschub Autoritäre vs. demokratische Staaten: : Wer Vertrauen in Stabilität und Effizienz der Arbeitsweisen haben sich verändert schützt besser vor Pandemie/Schocks? Finanzmärkte auf die Probe gestellt • flexiblere Teams und Home Office mit • Testen der “checks and balances” und • defensivere Strategien von Investoren einem Produktivitätsanstieg von ca. 5% Politisierung der wirtschaftlichen Krise • mehr Nachfrage nach Risikoabdeckung (mehrere Studien) • mehr Rivalitäten (USA/China/Europa) • weniger Geschäftsreisen © Copyright Allianz 16
Die Insolvenzanfechtung DAS unterschätzte Risiko aus rechtlicher Sicht ! Was manche Menschen auf die leichte Schulter nehmen, geht oft auf keine Kuhhaut. (Werner Mitsch)
Insolvenzanfechtung - allgemein Allgemeine Voraussetzungen und Anforderungen der Anfechtung • Vermögensverschiebungen werden korrigiert, die für die übrigen Gläubiger des Schuldners von Nachteil sind • Anfechtungsvorschriften der InsO: §§ 129 ff. nur für die Zeit vor der Eröffnung des Verfahrens • Für die Zeit nach der Eröffnung greift die Anfechtung nicht, derartige Verfügungen sind nach § 81 InsO (i.d.R.) unwirksam. • Zur Anfechtung berechtigt ist grundsätzlich nur der Insolvenzverwalter, §129 InsO. • Die Anfechtung bezieht sich auf eine Rechtshandlung des Schuldners • es wird ein Rückgewähranspruch in natura zur Masse begründet, § 143 InsO ‒ bei Unmöglichkeit der Rückgewähr ist Wertersatz zu leisten • Gegner einer Anfechtung ist immer ein Gläubiger des Insolvenzschuldners oder eine ihm nahestehende Person (Ehegatte, Verwandte, in häuslicher Gemeinschaft Lebende etc. ) • Die Anfechtungsfrist beginnt mit der Insolvenzeröffnung für den Verwalter zu laufen, § 139 InsO und beträgt - wie die regelmäßige Verjährungsfrist - drei Jahre, § 146 InsO.
Ziel der Insolvenzanfechtung Mittel der Anreicherung der Insolvenzmasse • Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung , welcher das deutsche Insolvenzrecht im Kern bestimmt, greift bereits in der Zeit vor Insolvenzeröffnungsantrag und verschafft diesem Grundsatz somit sehr frühe Geltung. • Anfechtungsrisiko steigt mit zunehmender zeitlicher Nähe der Vermögensdisposition und Insolvenzantragstellung und gleichzeitig abnehmender Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners. ‒ Nähe zum Insolvenzschuldner ‒ Kenntnis der Umstände ‒ unentgeltliche Leistungen • Kein Schuld- oder Rechtswidrigkeitsvorwurf • Für die Vertragspartner von insolvenzgefährdeten Unternehmen führt das Risiko der Insolvenzanfechtung nicht nur zu erheblicher Rechtsunsicherheit, sondern kann durchaus existenzgefährdende Ausmaße für den Vertragspartner selbst annehmen.
Anwendungsbereich des § 133 InsO bei Zahlungseinstellung (widerlegbare Vermutung der Zahlungsunfähigkeit). Der BGH hilft (den Verwaltern….). • Nichterfüllung nur einer Forderung reicht aus, wenn es sich dabei um eine Forderung von nicht unbeträchtlicher Höhe handelt (BGH 17.11.2016- IX ZR 65/15) • Schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist Zeichen für Zahlungseinstellung (BGH 14.2.2008 – IX ZR 38/04) • Wer über mehrere Wochen hinweg keine Lieferantenschulden oder andere Verbindlichkeiten mehr begleicht, hat in der Regel seine Zahlungen eingestellt (BGH 21.1.2016 – IX ZR 32/14 • Häufung von Pfändungen, Arresten, fruchtlosen Pfändungen durch den Gerichtsvollzieher ist Anzeichen für Zahlungseinstellung (BGH 18.7.2013 – IX ZR 143/12) • Nichtzahlung von Steuern, Telefon- oder Stromkosten deutet auf Zahlungseinstellung hin (BGH 21.1.2016 – IX ZR 32/14) • Schließlich sind Erklärungen des Schuldners, zur Begleichung von fälligen Verbindlichkeiten nicht in der Lage zu sein, als Zahlungseinstellung zu behandeln, auch wenn damit eine Bitte um Stundung verbunden ist (BGH 6.7.2017 – IX ZR 178/16
Ist die Insolvenzanfechtung vom Tisch ? Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 § 1 Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARSCoV- 2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. § 2 Folgen der Aussetzung (1) Soweit nach § 1 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist,…. Nr. 4 sind Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar; dies gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Entsprechendes gilt für a) Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber; b) Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners; c) die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist; d) die Verkürzung von Zahlungszielen und e) die Gewährung von Zahlungserleichterungen.
..und was passiert real? Das wird die Zukunft zeigen… Es steht zu vermuten, dass die obergerichtliche Rechtsprechung, wie auch bisher, Fallgruppen und Beweisanzeichen entwickeln wird, die die Kenntnis von der Erfolglosigkeit von Sanierungsbemühungen belegen können. Und: Für „Altfälle“ – also Insolvenzreife schon vor dem 31.12.2019 gelten diese Regeln ohnehin nicht. Wohl auch nicht, wenn keine Aussichten bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Das wird selbst bei Vorliegen der sonstigen Erleichterungen des Gesetzes häufig genug der Fall sein.
..und was passiert real? Daher wird es sehr häufig schon bei den bestehenden Fallgruppen bleiben …. (Beispiel): Als im Wirtschaftsverkehr allein realistische Schlussfolgerung begründet der mehrmonatige Zahlungsverzug einer Schuldnerin, die keine Einwendungen gegen die Forderung erhebt, die Annahme unüberwindlicher Zahlungsschwierigkeiten. Die in dem ständigen Schieben der Forderung zum Ausdruck kommende schlechte Zahlungsmoral verdeutlicht, dass eine solche Schuldnerin am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiert. Werden in einer solchen Situation darüber hinaus zum Zeitpunkt der Mahnung überhaupt noch nicht fällige erhebliche Forderungen unter Androhung einer Liefersperre angemahnt, spricht dies erst recht dafür, dass der Anfechtungsgegner von einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausgegangen ist. Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger / Johannes Joos Fundstelle: ZInsO 2019, ZInsO Jahr 2019, 817
…und was ist die Lösung? Bargeschäft, Kongruenz und Vorkasse… § 142 Bargeschäft (1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. (2) 1Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. 2Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. 3Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.
„Umstellung“ auf Bargeschäft/Vorkasse ?? Umstellung auf Vorkasse ist grundsätzlich möglich und schafft größere Rechtssicherheit. • Die Umstellung sollte aber „richtig“ kommuniziert werden und auch im Detail durchdacht sein, damit nicht die Umstellung selbst Grund für eine Insolvenzanfechtung sein kann.
„Umstellung“ auf Bargeschäft/Vorkasse ?? Beispiel BGH, Urteil vom 12.2.2015 − IX ZR 180/12: „ RZ 24: Mit Blick auf den in Nr. XIII Abs. 4 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen vorgesehenen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des so genannten Kontokorrentvorbehalts fehlt es für die Annahme einer bargeschäftsähnlichen Lage an dem für das Bargeschäft erforderlichen unmittelbaren Austausch zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl. BT-Drs. 12/2443, 167 zu § 161 RegE; BGHZ 166, 125 = NZI 2006, 287 Rn. 48; BGHZ 167, 190 = NZI 2006, 469 Rn. 31 f.). Bei der Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehalts in der Form, dass der Schuldner Eigentum an den erstandenen Sachen erst erwerben soll, wenn er nicht nur den Kaufpreis bezahlt, sondern auch alle anderen oder zumindest bestimmte andere Ansprüche aus der Geschäftsverbindung tilgt, fehlt es zudem an der Gleichwertigkeit der erbrachten Gegenleistung (vgl. OLG Saarbrücken, ZInsO 2010, 92 [95] = BeckRS 2007, 03198; MüKoInsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 142 Rn. 13 d; Zeuner in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 142 Rn. 4; Bräuer, Ausschluss der Insolvenzanfechtung bei Bargeschäften nach Maßgabe des § 142 InsO, 2006, 149 f.). Dasselbe gilt, wenn bei einem verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des Kontokorrentvorbehalts, wie im vorliegenden Fall, sämtliche Forderungen des Lieferanten gesichert sind.“
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