Weihnachten 2019 - Jesuitenmission
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser! Mit einem gigantischen Produktionsvolumen von über 300.000 Tonnen im Jahr rangiert Sri Lanka auf Platz vier der weltweiten Teeproduktion und ist unter Kennern berühmt für seine feine Mischungen. Was Teefreunde in aller Welt begeistert, schmeckt aber im Her- kunftsland bitter: das Leben der Familien, die auf den Teefeldern arbeiten. Die meisten von ihnen sind Nachfahren von Tamilen aus Südindien, die im 19. Jahrhundert von den Briten ins Land gebracht wurden, um Tee zu pflücken und verarbeiten. Heute wie damals stehen vor allem die Frauen auf den Plantagen am untersten Rand der Gesellschaft. Der indische Jesuit Alexis Prem Kumar spricht von einem „stillen Wirtschaftskrieg“, den die besitzenden Klassen Sri Lankas gegen die tamilischen Teepflücker führen. Auch in einer ganz anderen Weltregion, in Amazonien, werden Menschen von Wirtschaft und Politik marginalisiert und ihres Lebensraumes beraubt. So standen bei der von Papst Franziskus einberufenen Amazonien-Synode die Rechte der indigenen Bevölkerung, der Schutz ihrer Lebensweise und des Lebensraums Amazonien ganz oben auf der Agenda. Aus Amazonien kommt der Vorschlag des „Buen vivir“, des „Guten Lebens“ für alle, wie es im Vorbereitungsdokument zur Synode heisst: „Amazonien ist der Ort von Verheißung und Hoffnung auf neue Lebensweisen.“ Neue Lebensweisen für Kirche und Weltgemeinschaft: Das bedeutet neben Hoffnung auch Verantwortung für unser Handeln und seine Konsequenzen. Dass wir uns dieser Verant- wortung immer wieder bewusst sind, und die Hoffnung auf Veränderung Raum findet, wünschen, gerade jetzt vor Weihnachten Klaus Väthröder SJ Mag. Katrin Morales Missionsprokurator Geschäftsführerin in Wien 2 jesuitenweltweit
Hilfe für Ostafrika Inhalt 04 Bitterer Tee Bildung und Gerechtigkeit für tamilische Teepflücker in Sri Lanka 11 Unsere Spendenbitte für Sri Lanka Unterstützen Sie die Arbeit des Centre for Social Concern (CSC) 12 Der neue Mittelpunkt der Erde Titel Sri Lanka: Die Amazonas-Synode rückt indigene Belange ins Zentrum Drei Arbeiterinnen auf den Teeplantagen von Hatton 16 Hinschauen! Nachdenken! Vorausschauen! Weihnachtskunst mit Holzschnitten von Felix Dieckmann Rücktitel Simbabwe: Eine Hausmutter mit ihren Schützlingen im Kinderdorf 22 Kinderschutz ist Pflicht Makumbi, Simbabwe. Peter Carroll SJ und Stephan Lipke SJ über Maßnahmen ihrer Provinzen 26 Krippenspiel im September 12 Tage Afrika: Reisebericht von Provinzial Johannes Siebner SJ 28 Ein europäischer Bürgermeister Ex-JEV Dominic Fritz will Stadtoberhaupt von Timișoara werden 31 Nachrufe Trauer um Adolf Heuken SJ und Joachim Petrausch SJ 34 Termine Unser Programm für Nürnberg und Wien jesuitenweltweit 3
Bitterer Tee Arm, benachteiligt, an den Rand gedrängt: Mit Bildungsangeboten und poli tischer Anwaltschaft kämpft das „Centre for Social Concern“ (CSC) für die Rechte der tamilischen Teepflücker in Sri Lanka. Der indische Jesuit Alexis Prem Kumar leitet die Einrichtung und berichtet über Erfolge, Rückschläge und Herausforderungen 4 jesuitenweltweit
P riyadarshini wird in unserem Zent- rum für Soziale Belange (Centre for Social Concern – CSC) zur Schnei- derin ausgebildet. Ihre Heimat sind die Teeplantagen von Mount Jean, und sie ist Mutter von drei Kindern. Ihre Geschichte ist die Geschichte sehr vieler anderer Frauen aus den Teeplantagen. Eine Heirat aus Liebe führte in die Armut Priyadarshini kam im Bezirk Badula auf die Welt, ihre schulische Ausbildung musste sie abbrechen, weil kein Geld da war. Sie ging in die Hauptstadt Colombo und heuerte in einem Textilunternehmen als Hilfsarbeite- rin an. Dort verliebte sie sich in einen ande- ren ungelernten Arbeiter aus dem Hinter- land und heiratete ihn. Er stammt aus der Teeplantage Mount Jean, wo sie jetzt beide arbeiten und leben. jesuitenweltweit 5
Sri Lanka Obwohl Priyadarshini die elfte Klasse ab- Bürgerkriegs zwischen Singhalesen und der schließen konnte, kennt sie keine andere tamilischen Minderheit kennt, der 2009 für Arbeit als Teepflücken. Ihre Heirat grün- beendet erklärt wurde. Aber in Sri Lanka dete in Liebe, nicht in einem Arrangement tobt weiter ein Krieg, ein stiller, wirtschaft- der Eltern: Grund genug für ihre Familie, licher Krieg gegen die Plantagenarbeiter. Priyadarshini zu verstoßen; ab sofort waren Die meisten von ihnen sind Nachfahren in- sie und ihr Ehemann auf sich allein gestellt. discher Tamilen, die während der britischen Ihr einziger Trost ist, dass sie in der Nähe Kolonialzeit aus dem südindischen Tamil ihres Hauses arbeitet und sich so um ihre Nadu nach Sri Lanka, damals Ceylon, ein- drei Kinder kümmern kann. Auf der ande- gewandert waren. Auch sie kamen, um Tee ren Seite hat sie Mühe, die Bedürfnisse der zu pflücken. Kleinen zu decken. Immerhin: „Ich lerne jetzt Schneidern und kann die Kleidung Die lange Leidensgeschichte der Tamilen für unsere Familie selbst nähen.“ Sie träumt Die folgenden historischen Fakten sind nur von einer besseren Zukunft für die Kinder. ein paar Wegmarken ihrer Leidensgeschich- Außerhalb der Teeplantagen. te: Im Jahr 1911 hatten 13 Prozent der Bür- ger Sri Lankas indisch-tamilische Wurzeln, Stiller Krieg gegen die Plantagenarbeiter 100 Jahre später waren es nur 4,5 %. Als Priyadarshinis Geschichte ist symptoma- die Insel 1948 ihre Unabhängigkeit feierte, tisch für ein Land, das die Welt haupt- entzog die Regierung den Tamilen indi- sächlich als Schauplatz des langjährigen scher Herkunft die Staatsbürgerschaft. Sie wurden staatenlos und verloren damit jeden politischen Einfluss. 1964 schlossen Indien und Sri Lanka den Srimao-Sastri-Pakt, in- folge dessen es zu einer Auswanderungswel- le nach Indien kam. Die Anzahl der indisch- stämmigen Tamilen im Land schrumpfte von fast einer Million auf 400.000. Eine Landreform übertrug 1972 riesige Flä- chen an Tee- und Gummibaum-Plantagen in den Bezirken Gale, Matara und Ratnapu- ra, die einst von den Briten bewirtschaftet wurden, an singhalesische Kleinbauern. Die Mehrheit der Tamilen, die in diesen Gegen- den arbeiteten, wurden aus ihren Dörfern vertrieben, verloren Arbeit und Obdach, ohne jede Entschädigung. In den 1990er-Jahren wurden viele Planta- gen von Großunternehmen übernommen. Die Regierung gab auch die Verantwortung Priyadarshini träumt von einer besseren Zukunft für die Arbeiter ab und bat die neuen Ei- für ihre Kinder. gentümer, sich um das Wohlergehen der 6 jesuitenweltweit
Sri Lanka Gemeinschaft – Wohnen, Strom, Wasser und andere Einrichtungen – zu kümmern. Doch die gewinnorientierten Privatunter- nehmen tun nicht mal ein Minimum zum Wohle der Menschen. So leiden die Bewoh- ner der Plantagen unter Unterernährung, schlechter Gesundheit und haben keinen Zugang zu Bildung, wirtschaftlicher und politischer Teilhabe. Der Staat versagt die Unterstützung In den 1940er-Jahren startete die Regie- rung eine landesweite Bildungsoffensive – nur die Teeplantagen blieben außen vor. Dort gibt es erst seit den 1980er-Jahren kos- tenlose Schulen – in Sachen Bildung hinkt die Gemeinschaft also 40 Jahre hinterher. In den 1990er-Jahren wurden noch über 500.000 Tamilen als Teepflücker be- Harte Arbeit, kleiner Lohn: eine Teepflückerin auf einer schäftigt, jetzt sind es nur noch 140.000 Plantage in Mount Jean. Viele arbeitslose Männer und Jugendliche wandern ab nach Colombo und in ande- Unsere Antwort: Bildung re Städte, um dort Arbeit zu finden. Die „Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind Folgen: getrennte Familien, ein schwa- wenige“, heißt es im Evangelium, und auch ches sozio-kulturelles Gefüge, Flucht in wir beim CSC haben nicht genügend Res- den Alkohol. sourcen, um auf die Probleme angemessen zu reagieren. Denn die Situation erfordert Dennoch: Es ist nicht so, als ob die Plan- erhebliche Anstrengungen in den Bereichen tagengemeinden nach der Unabhängigkeit Bildung, Entwicklungs- und Lobbyarbeit. überhaupt keine Unterstützung durch die Nach Angaben der Weltbank verfügt Sri Regierung erhalten hätten. Im Jahr 2015 Lanka im Vorschulbereich über insgesamt initiierte die Regierung ein Projekt mit dem 17.023 Zentren für frühkindliche Bildung: Namen „Hill Country New Villages, Infra- 29.341 Erzieher kümmern sich hier um structure and Community Development“ 475.617 Kinder in der Altersgruppe von – neue Dörfer und Infrastruktur für die 3-5 Jahren. 84% dieser Zentren stehen ent- Teeberge. An sieben Standorten wurden weder unter privater Verwaltung oder wer- insgesamt 10.000 Häuser errichtet, 40.000 den von NGOs und anderen nichtstaatli- weitere sollen es werden. Angesichts einer chen Einrichtungen betrieben. Und bereits Fülle an anderen öffentlichen Wohnungs- hier beginnt die Diskriminierung der Plan- bauprojekten der Regierung erscheint das tagengemeinden, denn in anderen Landes- vielen Kritikern als gering. Aber wenn wir teilen erfahren die Kindergärten wesentlich es historisch betrachten, müssen wir zuge- mehr Unterstützung durch die jeweiligen ben, dass es besser ist als nichts. Provinzregierungen. Um diese Defizite et- jesuitenweltweit 7
Sri Lanka was auszugleichen, betreibt das CSC drei viele Kanalarbeiter mit ihren Familien woh- Vorschulen in den Plantagen von Tientsin, nen. Wir beschäftigen dort sechs Lehrer, die Diyagala und Mount Jean für insgesamt sich um rund 200 Schüler kümmern. Zu- rund 60 Schüler. sätzlich profitieren wir von unserer Vernet- zung mit dem jesuitischen Hochschulpro- Landbevölkerung stark benachteiligt gramm JWL (Jesuit Worldwide Learning), Je älter die Schüler desto sichtbarer werden das jährlich etwa 350 unserer jungen Leute die Unterschiede zwischen Mehrheitsgesell- als Studenten aufnimmt. schaft und den Menschen in den Plantagen: So besuchen in allen Teilen des Landes un- Die Frauen tragen die Hauptlast abhängig von ihrer Herkunft über 90 Pro- Besonders die Frauen in den Plantagen sind zent der Kinder die Klassen eins bis fünf. durch ihren geringen sozioökonomischen Bei den Sechst- bis Neuntklässlern hingegen Status und eine strukturelle Benachteili- öffnet sich bereits die Schere: 86,2 Prozent gung anfällig für körperliche und psychi- der Stadtkinder absolvieren diese mittleren sche Probleme. Obwohl sie in den Teegär- Jahrgangsstufen, bei ihren Altersgenossen in ten genauso hart arbeiten wie die Männer, den Plantagen sind es nur knapp 54 Pro- werden sie schlechter bezahlt. Die jüngste zent. Und ganz schlecht sieht es bei den Kampagne für einen täglichen Mindestlohn Abiturienten aus: 46 Prozent der urbanen von 1000 Sri-Lanka-Rupien (das entspricht Bevölkerung schafft die Hochschulreife, in etwa fünf Euro) hat leider nicht die ge- den Plantagen sind es gerade 12,8. wünschten Ergebnisse gebracht. Da es auf den Teeplantagen nicht genug Arbeit für Vernetzung durch JWL alle gibt, zieht es viele Männer nach Colom- Aus diesem Grund unterhalten wir auf fünf bo oder in andere Städte; nicht alle von ih- Plantagen Nachhilfezentren, zusätzlich ei- nen finden dort Jobs. Das Leben der Frauen nes in der urbanen Region Aluthgama, wo hingegen spielt sich ausschließlich auf den Feldern und im Haus ab, sie haben nie ge- lernt, Dinge in Frage zu stellen. Die meis- ten sind unterernährt, und auch ihre Kinder sind es oft von Geburt an. Viele der Männer in den Plantagen sind alkoholabhängig, die Frauen tragen somit die Hauptlast. Schneidern und tanzen Im Januar 2018 hat das CSC Schneiderkur- se für Frauen in den Plantagen von Mount Jean und Broakoak eingeführt. Rund 30 Frauen – darunter auch Priyadarshini – nehmen am Training teil. Außerdem orga- nisiert das CSC für sie Sensibilisierungs- schulungen in verschiedenen Bereichen und feiert einmal im Jahr den Frauentag: Im Kurse in der Schneiderwerkstatt öffnen den Frauen neue März 2019 nahmen 75 Frauen an der Feier Perspektiven. teil. Szenisch und in Redebeiträgen brach- 8 jesuitenweltweit
Sri Lanka Gemeinsam die Stimme erheben: Das CSC fördert zivilgesellschaftliches Engagement. ten sie ihre Themen zur Sprache, inspiriert eine Protestkundgebung in der Provinz- von einem Video über die Gleichstellung haupstadt Hatton organisiert. Das CSC hat der Geschlechter und durch Gruppendis- sich aktiv daran beteiligt. Am Vortag hatten kussionen. Der Höhepunkt der Feier war, wir zu einer Pressekonferenz in unserem als die Frauen die Bühne erklommen und Zentrum eingeladen, wo zwei buddhisti- gemeinsam tanzten. sche Mönche und die lokalen Organisato- ren der 1000-Rupien-Bewegung ihre Anlie- Der Kampf für bessere Löhne gen zur Verbesserung der Situation auf den Eine längere Geschichte hat unser Pro- Plantagen vorbrachten. gramm „Kalam“ (tamilisch für „Zeit“): Es wurde eingeführt, um das kritische Be- Der Traum vom eigenen Haus wusstsein der Bewohner zu schulen. Alle In Sri Lanka gibt es mehr als 500 Tee- zwei Monate diskutieren die Arbeiter die plantagen. Die Probleme, mit denen die gegenwärtigen Probleme auf den Plantagen, Menschen konfrontiert sind, haben ihre etwa ihre Gehälter und die entsprechende Ursachen in politischen und wirtschaftli- Tarifvereinbarung von Regierung, Planta- chen Fehlentscheidungen, den kulturellen genbesitzern und Gewerkschaften oder den Unterschieden zur singhalesischen Mehr- jüngsten Gesetzentwurf zur Entwicklungs- heitsgesellschaft und einem Mangel an Bil- förderung in den Tee-Regionen. Am 17. Fe- dungsangeboten. Wir Jesuiten können nur bruar 2019 hat die 1000-Rupien-Bewegung in wenigen ausgewählten Teeplantagen da- jesuitenweltweit 9
Sri Lanka rauf reagieren. Im Moment sind nur zwei Jesuiten im CSC im Einsatz: ein Priester aus Indien – das bin ich – und ein Jesuiten- student. Angesichts der Fülle an Problemen müssten wir dringend unser Team mit ei- nem oder zwei Priestern verstärken. Unser Ziel ist, in der Zukunft 50 Standorte ab- decken zu können. Darüber hinaus hat das CSC kein eigenes Gebäude. Unsere derzei- tige Zentrale gehört einer Teefabrik, einge- klemmt zwischen einer Anwaltskanzlei und einem Wohnhaus. Um verlässlich zu wirken, mit den Armen zu gehen, die Jugend zu be- gleiten und für unser gemeinsames Zuhause zu sorgen, benötigen wir also nicht nur mehr Personal, sondern auch ein eigenes Gebäude. Sowohl wir vom CSC wie auch die Menschen, 2014 machte seine Entführung durch die Taliban in Afghanis- die auf den Plantagen arbeiten, und ihre Fa- tan Schlagzeilen. Jetzt kämpft der indische Jeusit Alexis Prem milien werden die Hoffnung nicht aufgeben. Kumar SJ für die Rechte der Plantagenarbeiter in Sri Lanka. Alexis Prem Kumar SJ 10 jesuitenweltweit
jesuitenweltweit Unsere Bitte für Sri Lanka Das strahlende Lächeln auf den Gesichtern dieser Kinder ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wachsen auf in den Teeplantagen rund um die Stadt Hatton in Zentral-Sri Lanka, viele von ihnen ohne Vater. Die Perspektiven dieser Jungen und Mädchen sind nicht viel besser als die ihrer Eltern, denn auch zehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs bleiben Tamilen in Sri Lanka Bürger zweiter Klasse. Umso wertvoller und beeindruckender ist die Arbeit der Jesuiten in und um Hatton, gerade weil es so wenig sind. Unter der Leitung von Pater Alexis Prem Kumar gehen sie mit den Teefamilien einen Weg der kleinen Schritte. Mit Bildungsangeboten öffnen sie Kindern und Jugendlichen Türen in eine Welt jenseits der Plantagen. Die Eltern, viele von ihnen können nicht lesen und schreiben, klären sie über ihre Rechte auf, etwa das zu protestieren: für faire Löhne, angemessenen Wohnraum, gegen Umweltzerstörung. Und sie stärken das Bewusst- sein der Frauen, deren Last am schwersten wiegt. 150 Euro kostet es ein Kind ein Jahr lang in der Vorschule unterzubringen, 60 Euro jährlich machen ein Schulkind Spendenkonto Österreich durch Nachhilfeunterricht fit für die Zukunft. Unterstützen IBAN: AT94 2011 1822 5344 0000 wir Pater Alexis, sein Team und die Plantagen-Familien gemeinsam auf ihrem Weg der kleinen Schritte! Spendenkonto Deutschland IBAN: DE61 7509 0300 0005 1155 82 Von Herzen danke ich Ihnen für Ihre Spende! Stichwort: X31194 Sri Lanka Klaus Väthröder SJ Missionsprokurator jesuitenweltweit 11
Amazonien Der neue Mittelpunkt der Erde Raubbau, Brandschatzung, Klimastreiks: Die „grüne Lunge der Welt“ ist ins Zentrum des Interesses der Weltöffentlichkeit gerückt. Die Sondersynode Amazonien vom 6. bis 27. Oktober im Vatikan hat ein klares Zeichen gesetzt. W irtschaftliche und politische In- Ökosystemen. Er liegt in neun Ländern, teressen bedrohen Natur und darunter Brasilien, Peru, Venezuela, Boli- Lebensraum am Amazonas wie vien und Kolumbien und ist das Zuhause nie zuvor. Das jesuitische Schulwerk „Fe vieler indigener Stämme. Bereits in seiner y Alegría“ und die Amazonas-Mission der Eröffnungspredigt ging Franziskus auf die „Equipe Itinerante“ („Team Unterwegs“) zahlreichen, meist aus Profitgier gelegten versuchen gegenzuwirken und die Interessen Waldbrände ein: „Das von zerstörerischen der indigenen Bevölkerung zu wahren. Das Interessen gelegte Feuer ist nicht das aus war auch ein erklärtes Ziel der von Papst dem Evangelium.“ Franziskus initiierten Synode mit dem The- ma: „Amazonien: neue Wege für die Kirche Hoffnung der Ureinwohner und eine ganzheitliche Ökologie“. Aber was bedeutet die Amazonas-Synode für die Ureinwohner? Erstmals werden wir mit Der Amazonas brennt Respekt und Würde wahrgenommen“, sagt Der Amazonas-Regenwald, die „grüne Elluz Pernia, die für „Fe y Alegría“ an der Lunge“ der Erde, zählt zu den wichtigsten Synode teilgenommen hat. „Nach all den 12 jesuitenweltweit
Amazonien erlittenen Schmerzen und dem Missbrauch unseres Lebenssystems und unserer Werte nimmt uns die Amazonas-Synode als Bei- spiel für das, was Leben sein soll. Das gibt uns Hoffnung.“ Elluz unterrichtet in einer Schule von „Fe y Alegría“ und ist selbst in- digener Herkunft. „Fe y Alegría“ (FyA), auf Deutsch „Glaube und Fröhlichkeit“, ist ein internationales Schulnetzwerk, das mehr als 1,5 Millionen Kindern und Jugendlichen in 21 Ländern in Lateinamerika und Afri- ka Bildung und Gemeinschaft bietet. Die meisten von ihnen leben in kleinen Dörfern und in abgelegenen Gegenden. Der vene- zolanische Jesuit José María Vélaz hat das Werk 1955 in Caracas ins Leben gerufen. Als Teil des Panamazonien-Netzwerks RE- PAM engagiert sich FyA in den Bereichen Interkulturalität, Bilingualität und Fürsorge für die Umwelt und integriert diese Baustei- ne in den täglichen Unterricht. Ziel ist, das Leben der indigenen Bevölkerung in Soli- darität mit den Ärmsten und Ausgeschlos- senen zu verteidigen und zu fördern und auch die jüngste Generation für ein Leben in Einklang mit der Natur und den Traditi- onen zu sensibilisieren. Indigene Kultur und Sprache wahren Die Kinder und Jugendlichen setzen sich im Unterricht mit der Lebensweise ihrer Vorfahren auseinander und lernen, dass ihre Wurzeln und ihre Verbindung zur Natur wertvoll sind. Die Vorfahren haben die indigenen Sprachen und ihr Wissen immer mündlich weitergegeben. Bevor es eine konventionelle Schule gab, wurde in den Wohnhäusern und in der Natur unter- richtet. Erfahrungen und Wissen wurden so von Generation zu Generation weitergege- ben. Heute versucht FyA auf Basis der indi- genen Sprachen, Kulturen und Traditionen Nahrung, Kleidung, Wohnen: Das Leben der indigenen das vorhandene Wissen auf Papier zu brin- Stämme am Amazonas ist eingebettet in die Kreisläufe der gen und daraus Lehrmaterial für die Schu- Natur - und bedroht von der Profitgier der Außenwelt. jesuitenweltweit 13
Amazonien Der mächtigste Fluss und der größte zusammenhängende Regenwald der Erde bergen eine unermessliche Artenvielfalt. len der Region zu schaffen. Schüler, Eltern, Leben. Sie geben uns Nahrung, Medizin, indigene und nicht indigene Lehrer arbei- Häuser und Schatten. Ohne sie hätten wir ten zusammen, um Kultur und Identität zu nicht den Sauerstoff, den wir zum Leben erhalten und wiederzubeleben. „Den Ge- brauchen“, erklärt sie den Kindern. meinschaften der Ureinwohner verdanken wir Tausende Jahre des Schutzes und der Zusammenarbeit mit Umweltbehörden Kultivierung des Amazonas“, heißt es dazu Für das indigene Volk der Sateré-Mawé aus in einem Arbeitspapier der Synode. dem brasilianischen Teil Amazoniens ist die Erde die Mutter und der Wald der Ort der Ein Blatt mit Leben spirituellen Kraft. Nimmt man ihnen bei- Aber wie gehen die FyA-Lehrer vor in ih- des weg, nimmt man ihnen die Identität. rem Einsatz für Umwelt, Kultur und Iden- Ihr Lebensraum ist durch die zunehmende tität? Bei ihrer Arbeit mit den Sechs- bis Rodung gefährdet, denn Holzfäller dringen Siebenjährigen benötigt Elluz Pernia dafür immer weiter in die Regenwälder vor. Die nur zwei Blätter: ein saftiges, grünes und „Equipe Itinerante“, ein jesuitisches Pro- ein trockenes Blatt. „Ein Blatt leuchtet und jekt zum Schutz der indigenen Kultur und ist bunt, lebendig und glatt. Hinter ihm Lebensräume, unterstützt die Ureinwohner verbirgt sich die Schönheit des Lebens, der im Regenwald, die Koordinaten von illegal Schöpfung und der Natur, die es zu pfle- gefällten Tropenbäumen zu erfassen und sie gen und zu respektieren gilt. Das andere ist an die Umweltbehörde weiterzuleiten, die düster und zerbrechlich und kurz davor, zu den Wald per Satellit überwacht. Die Equipe Staub zu zerfallen. „Die Pflanzen sind sehr wurde vor 20 Jahren von Claudio Perani SJ wichtig für den Planeten und für unser gegründet. Barabo, einer der indigenen Ak- 14 jesuitenweltweit
Amazonien tivisten, sagt bei der Synode: „Gott hat alle Lebewesen in Abhängigkeit voneinander ge- schaffen. Die Menschen zerstören jetzt diese Harmonie. Es ist einfach zu zerstören, aber schwer zu erschaffen.“ Globaler Klimaschutz als Kernthema Als Beispiel für den globalen Klimaschutz wurde auch der Einsatz der Aktivistin Greta Thunberg hervorgehoben. Die von ihr initi- ierten Schulstreiks haben für die junge Ge- neration eine große Bedeutung. In diesem Zusammenhang forderte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardi- nal Reinhard Marx, die Industrieländer auf, Verantwortung für den Klimaschutz zu übernehmen und die Länder des Südens zu unterstützen. Der Weg ist die Veränderung Die Erkenntnis, dass es eine Kehrtwende braucht, hat auch die Kirche erfasst. Es ist eine Veränderung, die bei Bildung anset- zen muss: „Mit Bildung können wir jungen Menschen Orientierung geben, um den Pla- Der Amazonas ist Heimat für drei Millionen Ureinwohner neten zu schützen und zu retten“, schreiben von 400 verschiedenen Stämmen. die Lehrer von FyA in einem Statement. Die Tragödie des Amazonas habe letztendlich die Menschen aufgeweckt und zu einem 573 Tonnen Kohlendioxid, davon 438 Ton- Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit bei- nen für Flugreisen, die im Zusammenhang getragen. Zu einem Schritt, den in Amazo- mit der Amazonien-Synode anfielen, kom- nien indigene und nicht indigene Menschen pensiert. Kurienkardinal Lorenzo Baldisseri gemeinsam gehen, um das gemeinsame schlug vor, 50 Hektar im Amazonasbecken Haus zu retten.“ aufzuforsten. Sara Gratt Klare Zeichen für den Umweltschutz Das gemeinsame Haus, in dem wir alle le- ben, können wir auch fern des Amazonas in Handeln und helfen Europa schützen. Der Vatikan ging hier bei der Synode mit gutem Beispiel voran: Ta- jesuitenmission.de/Amazonas gungsmaterialien wie Papier, Stifte und Ta- jesuitenmission.at/Amazonas schen kamen durchwegs aus umweltfreund- jesuitenmission.de/CO2Rechner licher Produktion, Einwegplastik wurde jesuitenmission.at/CO2Rechner nicht verwendet. Zudem werden geschätzte jesuitenweltweit 15
Kunst Hinschauen, nachdenken, vorausschauen! Opern-Regisseur und Holzschnitt-Künstler: Felix Dieckmann wandelt zwischen den Welten, genauso wie zwischen seiner Wahlheimat Österreich und Japan. Pater Heinz Hamm SJ, seit 40 Jahren in Tokio, stellt den Künstler vor, Pater Joe Übelmesser SJ Teile seiner Rosenkranz-Serie. F elix Dieckmann, ein weise konnte die Sophia-Universität ihn für sehr bescheidener und Ausstellungen zu dem Thema „Faust und großzügiger Mann, Don Giovanni“ gewinnen, für die Ignatius ist überzeugter Katholik. Kirche in Tokio und die Weltfriedenskirche Seine Bilder stellen unauf- in Hiroshima zum Thema „Rosenkranz der dringlich dem Betrachter Begegnung“, anlässlich einer Gedenkfeier Lebenssituationen vor, die zum Ende des Erstens Weltkrieges für eine ihn zum Nachdenken über Veranstaltung zu dem Thema „Krieg und sein Verhalten gegenüber Frieden“ in Nagasaki. Fünf ausgewählte dem Mitmenschen bewe- Werke der Rosenkranz-Reihe finden Sie auf gen: Hinschauen! Nachden- den nächsten Seiten. ken! Vorausschauen! Auseinandersetzung mit dem Anderen China und Japan haben eine klassische Tradi- Leidenschaft Holzschnitt tion des Farbholzschnittes. Die japanischen Dieckmann wurde 1946 in Lüdenscheid Meister sind unübertroffen. Der Holzschnitt geboren und studierte in Düsseldorf Ger- ist eine überraschend intime Kunst. Holz manistik. Seit seiner Kindheit wollte er als ist ein sehr lebendiges Material. Die Hand- Opern-Regisseur arbeiten, wurde schließ- schrift des Künstlers muss sich diesem Stoff lich Professor am Linzer Bruckner-Kon- anpassen. Die Farben haben ein Eigenleben, servatorium und lebt seit über 30 Jahren die Oberfläche der Druckpapiere bilden wie- in Österreich. Als Regisseur inszenierte derum ihre besondere Welt. Daher ist die er mehr als 40 Opern. Der Holzschnitt Tätigkeit des Künstlers eine dauernde Ausei- ist die andere Leidenschaft seines Lebens. nandersetzung mit dem Anderen. Sie machte Zufälligerweise wurden einige seiner Farb- Felix Dieckmann fähig zur Begegnung mit holzschnitte in Japan gezeigt, als ich Felix fremden Kulturen. Dieckmann durch eine Empfehlung der Erzdiözese Köln kennenlernte. Glücklicher- P. Heinz Hamm SJ, Tokio 16 jesuitenweltweit
Verkündigung Da begegnen sich Himmel und Erde. Damit es Friede werde unter uns. Die grüne Erde und der blaue Himmel. Grünes begegnet dem Blau der hohe Engel trifft die junge Frau und es ereignet sich: das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnt. jesuitenweltweit 17
Kunst Magnificat Ein Mensch, sosehr von Gott erfüllt, dass er nur noch ein Finger ist, der steil nach oben zeigt, als ob er sagen will: Was da geschehen ist, stammt nicht von mir. Und doch darf ich dabei sein, als die kleine Magd des Herrn. 18 jesuitenweltweit
Kunst Bethlehem Schau nur das Dach überm Stall, ein krummer, eckiger Himmel. Und alle drängen um das Kind. Der guten Hirten sind es vier, Weit her kommen Könige, drei und ganz nah die zwei Josef und die Mutter. Wie ein missglückter Scherenschnitt, noch einmal zwei stumme Besucher. Ochs und Esel ganz im Hintergrund. jesuitenweltweit 19
Kunst Simeon Wie ein Junger Held steht er auf! und reckt sich der Zukunft entgegen als wäre er noch einmal jung und all die Jahre seien abgefallen wie ein lose verknüpftes Tuch. Kein Wunder! Er hat in den Augen eines Kindes das Licht und das Heil, das für alle Welt bereitet ist. 20 jesuitenweltweit
Kunst Zachäus Höher hinauf, mein kleiner Mann! Du willst ihn schließlich sehen, Es ist genauso wie beim Fotografieren: Wenn du die Kamera siehst, dann sieht sie dich auch. Und er hat dich gesehen. Und er schaut hinauf zu dir und sagt: Steig herunter, Zachäus! Ich will heute dein Gast sein. jesuitenweltweit 21
Kinderschutz ist Pflicht Das Bewusstsein für Kinderschutz und Kinderrechte ist innerhalb des Jesuitenor- dens weltweit stark gewachsen. Es gibt verbindliche Maßnahmen, um für Kinder ein sicheres Umfeld zu schaffen. J etzt ist es passiert: Das rohe Ei ist zu Direkte Arbeit mit Kindern Boden gefallen, die Schale aufgeplatzt, In vielen Ländern der Erde leiten Jesuiten Eigelb und Eiweiß verlaufen zu einer Bildungseinrichtungen, die wir als Jesui- Pfütze im Sand. Das Netz, das unsere Klein- tenmission unterstützen. In Indien, Kam- gruppe aus einem Bindfaden um das Ei he- bodscha, Osttimor, Simbabwe, Mosam- rumgeknotet hat, ist beim dritten Lauf ab- bik, Südsudan fördern wir zum Beispiel gerutscht und hat dem Ei keinen Halt mehr Schulen mit angeschlossenen Internaten, geboten. „Dieses Spiel lässt sich an jedem so dass auch Kinder aus ländlichen Berei- Ort der Welt umsetzen und verdeutlicht so- chen eine Chance auf gute Bildung haben. fort, worum es beim Kinderschutz geht“, er- In Südamerika unterstützen wir in mehre- klärt Brian Cranmer, der den Workshop für ren Ländern das jesuitische Schulwerk Fe die Mitglieder des Xavier Netzwerkes leitet. y Alegría, das Bildung in sozial schwache „Kinderschutz muss funktionieren wie ein Regionen bringt. Alle Projekte haben eine stabiles Netz, das im Team engmaschig ge- Gemeinsamkeit: Es geht um direkte Arbeit knüpft, gespannt und gehalten wird.“ mit Kindern. Und das bringt eine große 22 jesuitenweltweit
Kinderschutz Verantwortung mit sich. Das Xavier Netz- Radio Chikuni klärt auf werk als internationaler Zusammenschluss Wir müssen den Kindern vermitteln, dass von Jesuitenmissionen und jesuitischen sie eine Stimme haben und Rechte. Auf NGOs hat für alle Mitgliedsorganisatio- körperliche und seelische Unversehrtheit, nen und Projektpartner verbindliche Stan- aber auch darauf, in die Schule zu gehen, dards beschlossen, die spätestens bis Anfang was in Teilen unserer Provinz und in ganz 2020 umgesetzt sein müssen. Der mehr- Afrika alles andere als selbstverständlich tägige Workshop Anfang Oktober diente ist. Ein tolles Beispiel, wie es gehen kann, dazu, den Projektverantwortlichen im Xa- ist unsere Missionsstation Chikuni: Dort vier Netzwerk das notwendige Wissen und hängen auf den Bäumen überall Plakate, Rüstzeug an die Hand zu geben. die Kinderrechte proklamieren und den Kindern deutlich machen, dass ihnen kei- Worum es beim Kinderschutz konkret geht, ner etwas zuleide tun darf, dass es selbst- schildern uns P. Peter Caroll SJ aus Sambia verständlich ist, dass sie in den Unterricht und P. Stephan Lipke SJ aus Russland. gehen. Diese Aussagen werden auch über Radio Chikuni in die entlegensten Dörfer Sambia: Bewusstsein schaffen getragen, mit Wortbeiträgen oder traditio- Wie überall auf der Welt gab es auch in nellen Musikstücken, die diese Themen be- Sambia Vorfälle, die das Wohl von Kindern handeln. Auch in anderen Einrichtungen, gefährdet haben: Fälle von Missbrauch etwa in Kasisi oder in der St. Xavier Schule und Gewalt und Kinderarbeit. 2014 ha- in Lusaka, hängen große Plakate, die un- ben wir uns auf eine für alle Einrichtungen missverständlich darauf hinweisen. gültige Politik geeinigt. Sie wird seit 2015 konsequent umgesetzt und entspricht ei- Kultursensible Vorgehensweise nem Maßnahmenkatalog, der 2018 von Missbrauch, Misshandlung und Ausbeu- allen afrikanischen Jesuiten-Provinzen be- tung von Kindern sind leider weit verbrei- schlossen wurde. Wichtigster Punkt ist: tet. Das Problem ist sehr virulent, überall Bewusstsein schaffen. Wir schulen zwei bekannt, aber es gab darüber lange keine bis drei Mal im Jahr Mitarbeiterinnen und Diskussion. Offen darüber zu reden, ist Mitarbeiter unserer Einrichtungen, die ein Tabu. In afrikanischen Gesellschaf- mit Kindern arbeiten. Dieser Austausch ist ten haben meist Männer das Sagen. Und sehr wichtig, da erst im Gespräch mitein- sie sind fast immer die Täter. Frauen ha- ander bestimmte Dinge klar werden und ben keine Stimme, erst recht nicht Kinder. auch ausgesprochen werden. Etwa was Dazu kommt die Armut: Kinder werden Missbrauch bedeutet, welche Formen es leicht zu Opfern, wenn sie etwa für sexuelle gibt, dass die Täter meist keine Fremden Gegenleistungen Geld oder etwas zu essen sind, sondern Nachbarn sein können, Ver- bekommen. Auch Kinderarbeit ist allge- wandte, Lehrer, Kleriker. Die Schulungen genwärtig. Wir müssen hier kultursensibel übernimmt meine Mitarbeiterin Dorothy vorgehen. Erster Schritt muss sein, mit den Hambayi, eine Krankenschwester, die viel Betroffenen zu reden. Oft gibt es auch bei Expertise mitbringt. Sie geht auch raus in den Erwachsenen kein Bewusstsein, dass die Gemeinden und sieht sich die Lage vor Kinder nicht arbeiten sollen. Dazu sollten Ort an, schult dort die Mitarbeiter, die das flächendeckend unsere Sozialarbeiter den Wissen weitergeben. Umgang mit Kindern im Auge behalten. jesuitenweltweit 23
Kinderschutz Wenn Kinder Schaden nehmen, müssen Risikofaktoren natürlich auch die Behörden eingeschaltet Leider gibt es aber immer wieder auch das werden. Die Lage ist eine ganz andere als in Umgekehrte: Missionare, die zu Tätern Europa, wir brauchen Geduld, da etwa Kin- werden. Es gibt sogar bestimmte Risikofak- derarbeit tiefe gesellschaftliche Wurzeln hat. toren, die bei Missionaren besonders stark Auch mit Behörden ist es gerade auf dem ausgeprägt sind: Missionarinnen und Mis- Land nicht immer einfach, da die Sensibili- sionare wagen sich in Neuland vor, deshalb tät fehlt oder der Dorfpolizist alle Familien ist dort oft niemand, mit dem sie sich aus- kennt oder mit ihnen verwandt ist. tauschen, aber auch ein bisschen gegenseitig beaufsichtigen können. Nicht immer kom- Peter Carroll SJ, men sie, kommen wir mit der Einsamkeit Province Child Protection Officer zurecht, bei uns in Russland auch mit der Kälte und Dunkelheit, mit dem Alkohol. Russland: Mission und Missbrauch Oft haben wir zu tun mit Leuten, die von Wenn Einsatz für den Glauben die Sorge uns wirtschaftlich abhängig sind und die um Gerechtigkeit einschließt, sich deshalb schwertun, uns gegenüber nein dann ist Mission – zumin- zu sagen oder uns zu kritisieren. Außerdem dest indirekt – auch Einsatz gibt es wohl – leider – Bistümer und Or- gegen sexuellen Missbrauch. densgemeinschaften, die in ferne Missionen Tatsächlich haben Missiona- Mitbrüder schicken, mit denen es Probleme rinnen und Missionare über gibt. Auch die Missionen der Jesuiten sind die Jahrhunderte Kinder vor nicht immer frei davon gewesen. Sklaverei und damit vor se- xueller Ausbeutung bewahrt, Nähe und Macht Soldaten vom Vergewaltigen Deshalb hat sich auch die Russische Region abgehalten, Menschen Arbeit der Gesellschaft Jesu Regeln für den Um- und Bildung statt Abhängig- gang mit den uns anvertrauten Menschen keit geboten. gegeben, besonders mit Minderjährigen, Behinderten, Ausgegrenzten. Diese Regeln Beispiele für Einsatz gegen setzen bereits da an, wo Nähe allmählich Missbrauch aus jüngerer Zeit zu viel Nähe oder Macht allmählich zu viel sind P. Hieronymus Messmer Macht wird: Es ist nötig, dass die Beichte SJ, der in den 1990er Jahren in einem geschützten Raum mit Privat- während des Bürgerkriegs in sphäre stattfindet, aber nicht in einer en- Tadschikistan zahlreiche Fami- gen Kammer, in der alles Mögliche vor sich lien mit Frauen und Kindern gehen kann, und erst recht nicht im priva- außer Landes und damit außer ten Zimmer eines Priesters. Es ist normal, Gefahr bringen konnte, und gelegentlich in der Seelsorge jemanden zu P. Krzysztof Korolczuk SJ. Er umarmen, im Sportunterricht oder bei der hat in Kirgistan während der Messdienerprobe jemanden zu berühren, Peter Carroll SJ (oben) und Pogrome gegen die usbekische etwa um eine Bewegung zu korrigieren. Stephan Lipke SJ koordinie- Minderheit 2010 viele Frauen Aber der Missionar selbst, seine Mitbrüder, ren die Kinderschutz maß und Kinder vor Gewalt be- Kolleginnen und Kollegen müssen darauf nahmen ihrer Provinzen. wahrt. achten, dass daraus nicht Grenzüberschrei- 24 jesuitenweltweit
Kinderschutz In Afrika ist der Kampf fürs Recht auf ein Leben ohne Gewalt auch ein Kampf gegen Tabus. tungen werden: aufdringlich, zu viel, zu Kinderschutzzentrum an der Gregoriana in eng. Es ist unvermeidlich, dass jemand mit Rom und die Caritas in St. Petersburg. Im einer leitenden Funktion in einer Mission Mai waren wir in Saratow an der Wolga, im wie ein Oberer oder Pfarrer viele Vollmach- Oktober kamen verschiedene Regionen an ten hat. Er darf aber nicht Menschen von die Reihe, von Kaliningrad bis Irkutsk. Mir sich abhängig machen, indem er z.B. allei- scheint, dass dieses Programm mit großem ne und ohne Beratung große Geschenke Interesse angenommen wird. macht oder über Arbeitsverhältnisse ent- scheidet. Solche Regeln sind wohl ebenso Stephan Lipke SJ, wichtig wie eine klare Vorgehensweise bei Direktor des St.-Thomas-Instituts in Moskau einem konkreten Missbrauchsverdacht. Seminare in der ganzen Region Seit Anfang 2019 gibt es nun ähnliche Re- geln für alle Tätigkeiten der katholischen Mehr zu unseren Standards Kirche in Russland. Unser St.-Thomas- und Verpflichtungen: Institut ist damit beauftragt, Seminare für Priester, Ordensleute, Caritasdirektoren und jesuitenmission.de/Kinderschutz andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jesuitenmission.at/Kinderschutz Kirche zu organisieren. Dabei helfen uns das jesuitenweltweit 25
Krippenspiel im September 12 Tage in Simbabwe, Sambia und Mosambik: Provinzial Johannes Siebner SJ schildert Eindrücke zwischen Aufbruchsstimmung und Hoffnungslosigkeit. W enn Engel Himmel und Erde den Verkündigungsengel vor? Wie stelle verbinden sollen, dann müssen ich mir die Verkündigung von „froher Bot- sie doch fliegen können – das schaft“ vor? Welche Art Flügel und welchen versteht sich von selbst. Deswegen kommt Tonfall braucht es, um Himmel und Erde kein Engelskostüm ohne die entsprechen- zu verbinden? Aber es ist da noch eine an- den Accessoires aus. Was aber tun, wenn dere sehr starke Erinnerung an diese Begeg- beim besten Willen keine Flügel aufzutrei- nung im Waisenhaus von Makumbi, etwa ben sind? Der Engel, den ich im Waisen- 50 Kilometer außerhalb von Harare: Direkt haus von Makumbi kennen lernen durfte, vor dem Treffen mit den Kindern und Ju- hatte lediglich ein weißes Chorhemdchen gendlichen in der Aula haben wir mit der aus der Sakristei über die Kleidung gewor- Leitung der Missionsstation ernsthaft über fen. Und er hüpfte durch die gesamte Sze- die Probleme mit der Wasserversorgung für ne, was die Beine hergaben. Und er rief sehr die Kinder gesprochen. Ich wollte es erst laut, ja er brüllte fast – zunächst musste er nicht glauben: Das kann doch nicht wahr natürlich Maria beeindrucken, später die sein; das darf einfach nicht sein! Nicht in Hirten auf dem Feld. diesem wunderschönen, an sich fruchtba- ren und an sich reichen Land. Fruchtbares Land ohne Wasser Das Bild des auf und ab hüpfenden und Wenig Hoffnung in Simbabwe laut rufenden Engels hat mich noch viele Simbabwe ist in keinem guten Zustand. Tage nach der Rückkehr aus Afrika beglei- Die vielen Flaggen hingen während all der tet und beschäftigt. Wie stellt ein Kind sich Tage meines Aufenthalts auf Halbmast, 26 jesuitenweltweit
Afrika Staatstrauer war angesagt über viele Tage, vor Ort entscheidenden Sprache Chichewa. ja Wochen, da die Begräbnisfeiern des ver- Die Zeit mit ihm, den Mitbrüdern seiner storbenen Tyrannen Robert Mugabe auf Kommunität, den Teams des Begegnungs- sich warten ließen. Mir wurde dieses allge- hauses Satemwa und der Missionsstation genwärtige Symbol zu einem Zeit-Zeichen Lafidzi ist erfüllt von Hoffnung und Auf- über dieses Land. Ich fragte immer wieder bruch. Die Kirche „brummt“ hier im Nor- nach, ob es jetzt ein Aufatmen oder gar den des Landes und die Jesuiten dürfen Teil neue Hoffnung gibt, und ob jetzt offen ge- davon sein – Deo Gratias. sprochen werden kann über die vergange- nen 40 Jahre. Nein. Einige gar sehnen sich im Blick auf die jetzige politische Führung sogar nach Mugabe zurück. Das ist erschüt- ternd. Und da ist tatsächlich im Moment, jedenfalls in dem zugegeben kleinen Um- feld, in dem ich mich bewegt habe, keine Aufbruchsstimmung, kaum Hoffnung. Mosambik: Die Kirche brummt Aber ich will und kann mich nicht als po- litischer Journalist betätigen. Ich möchte einfach ein wenig teilen, was ich sehen und erfahren durfte auf meiner Reise. Und dazu gehören neben dieser Nachdenklichkeit Alte Weggefährten: Jesuiten-Provinzial Johannes Siebner SJ natürlich vor allem die Begegnungen und und Pater Heribert Müller (li.) in Mosambik. Gespräche mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den drei Ländern und in Sambia wird grüner „unseren“ Werken. Da stechen heraus die Den Abschluss meiner Reise bildet der Be- schönen und berührenden Begegnungen such im Kasisi Agricultural Training Center mit den Mitbrüdern; ich denke vor allem (KATC) am Stadtrand von Lusaka, Sambia. an die alten und teilweise kranken Mitbrü- Claus Recktenwald SJ hat dort angefangen, der im Haus Richartz in Harare. nur zwei Wochen bevor wir dort waren. So hat es sich wunderbar ergeben, ihn in die- Mit Pater Heribert Fernando Müller bin ser Zeit der Orientierung zu treffen. Hier ich vor nunmehr 36 Jahren ins Noviziat im KATC geht es um Ökologie, Bio-Anbau eingetreten. 1987 ging er nach Afrika und und Nachhaltigkeit in einem sehr weitrei- ist geblieben. Wir haben uns nie ganz aus chenden Umfang. Es ist wirklich bemer- den Augen verloren; aber die Entfernung kenswert, mit welchem Einsatz, mit welcher ist eben doch groß. Die drei Tage mit ihm Konsequenz und mit welch erstaunlicher im Norden Mosambiks sind rundum schön Reichweite hier alternative Anbaumetho- und ermutigend. Seit zwei Jahren leitet den probiert und verbreitet werden. Aus er hier das Schulprojekt ESIL, nach vie- einem weiten Einzugsbereich kommen die len Jahren unterschiedlicher Aufgaben in Multiplikatoren, um das „grüne Klassen- Simbabwe und Mosambik. Portugiesisch zimmer“ zu besuchen und dann daheim die spricht er und macht Fortschritte in der Botschaft weiterzugeben. jesuitenweltweit 27
Syrien – Deutschland weltbegeistert Ein europäischer Bürgermeister Vom Freiwilligen zum Stadtoberhaupt: Der Schwarzwälder Dominic Fritz kam als JEV ins rumänische Timișoara und verliebte sich in die Stadt. Im kommen- den Jahr tritt er in seiner Wahlheimat bei den Kommunalwahlen an. E s ist nicht leicht, Dominic Samuel das Freiwilligenprogramm der deutschen Fritz ans Telefon zu bekommen. Ter- Jesuiten-Provinz damals hieß. „Ich kann mine, Gespräche, Anfragen, Inter- mich noch sehr genau an mein Ankommen views. Verbände, Vereine, Medien, Bürger. in der Stadt erinnern“, berichtet er, „ich war Dominic Fritz dürfte dieser Tage einer der gespannt, denn Rumänien war damals eines gefragtesten Menschen in Timișoara sein. meiner Wunschländer“. Während vielen sei- Denn dort will der 36-Jährige im Juni 2020 ner JEV-Kollegen ein Aufenthalt in Asien, Bürgermeister werden, und schon jetzt ist Afrika oder Lateinamerika reizvoll schien, der Wahlkampf in seiner heißen Phase an- wollte er seine persönliche Terra Incognita, gekommen. den Osten Europas, entdecken. Seine Sen- dung führte ihn in ein Kinderheim: „Damals „Terra Incognita“ im Osten Europas waren die sozialen Probleme in Rumänien Das Besondere: Dominic Fritz ist kein Ru- sehr deutlich ausgeprägt“, sagt Fritz, „ver- mäne, auch keiner der rund 10.000 Deutsch- wahrloste Kinder, die Klebstoff schnüffeln, Rumänen von Temeswar – so der historische gehörten zum Stadtbild.“ Natürlich nicht im deutsche Name der Stadt. Er ist in einem „Freidorfer Kinderhaus“, wo Fritz ein Jahr kleinen Ort im Schwarzwald aufgewachsen. lang gearbeitet hat. Aber auch hier spürte er Zum Temeswarer wurde er erst 2003. Und die Gegensätze zur Heimat: „Dass hier viele das als Jesuit European Volunteer (JEV), wie Kinder auf einem Haufen wohnen, hat mich 28 jesuitenweltweit
Rumänien als Bruder von sieben Geschwistern nicht Dass er nicht mal einen rumänischen Pass gestört.“ Aber: „Dass diese Kinder keine Fa- hat, sei für sein Vorhaben kein Problem: milie haben und vom Staat kaum Unterstüt- „Die Stadt war und ist multikulturell.“ Und zung erfahren, das fand ich schrecklich.“ sie verfügt als ehemalige Metropole der Habsburgermonarchie durch den Zuzug Vom „großen Bruder“ zum Taufpaten der „Donauschwaben“ seit dem 17. Jahr- Schnell fanden sie in Dominic einen neu- hundert über ein reiches deutsches Erbe. en großen Bruder – und das gilt bis heute. Und nein: Dass Rumänien mal als eines Denn der Schwarzwälder fand in Timișoara der Armenhäuser der EU galt, davon sei in nicht nur eine zweite Familie, sondern auch der drittgrößten Stadt des Landes mit ihren eine zweite Heimat: „Nach meinem Jahr knapp 307.000 Einwohnern nichts zu spü- als Freiwilliger habe ich nie den Kontakt zu ren: „In Timișoara hat sich sehr viel getan meinen Leuten verloren.“ Mittlerweile ist er in den vergangenen 15 Jahren“, räumt der nicht mehr nur „Bruder“, sondern Taufpate Kandidat ein. Die Wirtschaft boomt, die der Kinder seiner ehemaligen Schützlinge, Universität lockt junge Menschen aus aller die jetzt alle erwachsen sind. Der begeisterte Welt, die historische Altstadt glänzt. Und: Sänger und Absolvent des jesuitischen Gym- Die Stadt macht sich bereit für ihren gro- nasiums St. Blasien hat schon 2005 einen ßen Auftritt als Europäische Kulturhaupt- Chor aus der Taufe gehoben, das „Timișoara stadt 2021. Gospel Project“, wo Dutzende von Laien- und Profisängern zusammenkommen, um Kampf gegen Vetternwirtschaft gemeinsam für einen guten Zweck zu singen. „Das Problem aber ist: Die Menschen und Im vergangenen Jahr hat er sich nun ent- die Wirtschaft in Timișoara sind schon viel schieden, nicht mehr nur „im Kleinen“ die weiter als Politik und Verwaltung“, sagt Dinge voranzubringen im äußersten Westen Fritz. Defizite macht er vor allem in den Rumäniens, sondern an vorderster Front. Als Bereichen „Stadtplanung, Verkehr und Bürgermeister. Und zwar „als europäischer Bürgermeister einer europäischen Stadt“. Sinnbild der Völkerverständigung „Rumänien ist in Europa angekommen“, sagt Fritz, und vor allem Timișoara sei hier ein Vorreiter, schon aufgrund seiner Ge- schichte: „Seit Jahrhunderten leben hier eth- nische Rumänen, Ungarn, Serben, Slowaken und Deutsche friedlich miteinander.“ Eine Stadt als Sinnbild von Völkerverständigung und friedlicher Koexistenz, eine wohlhaben- de Stadt mit einer Arbeitslosenquote von un- ter einem Prozent. Das wirft natürlich die Frage auf, warum man sich – und das als Ausländer – aufmacht, Die zweite Familie: Dominic Fritz hat 2003/04 in einem die politischen Geschicke zu ändern? Temeswarer Kinderheim gearbeitet. jesuitenweltweit 29
Syrien – Deutschland Vor 14 Jahren zog es Dominic Fitz und seine JEV-Mitstreiter in die Welt. Für ihn wurde der Einsatzort Heimat. Infrastruktur“ aus. Auch wenn die Anti- in Deutschland und hat ab 2013 für den korruptionsmaßnahmen der letzten Jahre ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köh- Früchte tragen, und die einst allgegenwär- ler gearbeitet, ab 2016 als Leiter des Berliner tige Alltagskultur der Bestechung auf dem Büros. Vorher war der Politik- und Verwal- Rückzug sei, bleibe das strukturelle Prob- tungswissenschaftler für die Gesellschaft für lem einer behäbigen Verwaltung, anfällig Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig. für Verschleppen und Vetternwirtschaft. Jetzt möchte er seine Leidenschaft für Politik Das will er ändern und ein „wahrhaft eu- und Verwaltung „in einem konkreten und ropäisches, grünes, innovatives Temeswar“ lokalen Kontext umsetzen“, schreibt er auf entwickeln. „Gemeinsam werden wir den seiner Website. Und zwar „dort, wo mein Geist von Temeswar wiedererlangen“, ist Herz schlägt, einem Ort, der zu meinem Zu- der Wahlkampfslogan von Dominic Fritz hause geworden ist: in Temeswar.“ und seiner Partei USR, der „Union Rettet Rumänien“, einer jungen, eher unideologi- Steffen Windschall schen Gruppierung mit ihrem Parteivorsit- zenden Dan Barna, den Beobachter schon mal als „Emmanuel Macron Rumäniens“ bezeichnen. Rumänien ist weiter ein Fixpunkt auf der JV-Landkarte. In ihren Blogs berichten Jacob Außer einer gehörigen Portion Idealismus und Tobias über ihren Freiwilligendienst in bringt Fritz auch politische Erfahrung mit: Bukarest: jesuit-volunteers.org/jv-sein Bis vor Kurzem war er Mitglied der Grünen 30 jesuitenweltweit
Nachrufe Trauer um den Chronisten Indonesiens Pater Adolf Heuken SJ (17. Juli 1929 – 25. Juli 2019) Pater Adolf Heuken kam 1963, also direkt nach dem Abschluss seiner Ordenstheologie, nach Indonesien. Angeblich, weil er bei seinem Eintritt in die Westdeutsche Jesuitenpro- vinz 1950 in Eringerfeld sich erbeten hatte, später in die Mission geschickt zu werden. Adolf stammte aus einer tief katholischen Familie. Geboren wurde er in Coesfeld im Müns- terland als erstes von acht Geschwistern, aber seine eigentliche Heimat war Telgte, wohin wenig später sein Vater, ein Lehrer, versetzt wurde. Adolf weigerte sich, in die Hitlerjugend einzutreten. Und als ihn im Februar 1945, er war gerade 16 Jahre alt, die SS einziehen wollte, meldete er sich bei der Luftwaffe, darauf spekulierend, dass er mit seiner Farben- blindheit jedenfalls nie fliegen würde. Drei Meter Bücher In Indonesien schloss Adolf zunächst im schönen, relativ kühlen, 470 Meter hoch gelegenen Girisonta sein Terziat ab. Sein Terziariermeister war Msgr. Willekens, Alt- bischof von Jakarta, mit dem er sich bestens verstand. Immer wenn ihm in den Gesprä- chen nichts einfiel, fragte er einfach, auf Holländisch: „Monsignore, wie war das zu Ihrer Zeit in Jakarta?“, womit das Colloqui- um gerettet war. Nach dem Terziat beauf- tragte ihn Provinial A. Sunarjo, in Jakarta P. Joop Beek in der Laienarbeit zu helfen. Während Pater Beek durch Kurse Katho- liken aus ganz Indonesien zu politischer „Vom Morgen bis in die Nacht am Schreibtisch“: Hier ver- Verantwortung ausbildete, schrieb Adolf fasste Adolf Heuken SJ u.a. sein Indonesisch-Wörterbuch. Bücher und Broschüren. Zudem hielt er in seinen ersten Jahren Vorlesungen in Moraltheologie am Priesterseminar in Yogyakarta und an der Philosophischen Driyarkara-Hochschule in Jakarta. Adolf Heuken gehörte zu einer heute selten gewordenen Brut von Jesuiten. Von Morgen bis in die Nacht habe ich Adolf nie anders als an seinem Schreibtisch arbeitend getroffen. Er selbst behauptete, dass, ne- beneinander gestellt, seine Publikationen, die meisten auf Indonesisch, einige auf Englisch, drei Meter Regal füllen würden. Darunter waren die neun Bände einer Enzyklopädie über die indonesische Kirche und ein interessant bebildertes Buch über 150 Jahre Jesuiten in Indonesien. Er schrieb immer Bücher, von denen er meinte, dass sie fehlen. So publizierte er vor 35 Jahren die vier Bände einer „Ensiklopedia Pancasila“, also einer Enzyklopädie über Indonesien von einem politisch-soziologischen Standpunkt aus, die ich immer noch benütze. In Zusammenarbeit mit dem Langenscheidt-Verlag schrieb er ein Deutsch-In- donesisches und dann ein Indonesisch-Deutsches Wörterbuch von je etwa 640 Seiten, bis heute mit Abstand das Beste seiner Art. jesuitenweltweit 31
Nachrufe Leidenschaft für Kultur und Geschichte Was ihn am meisten interessierte, war Geschichte. Schon 1971 schrieb er ein Buch über die Geschichte der katholischen Kirche in Indonesien. Aber vor allem hatte es ihm Jakarta angetan, das alte Batavia, inzwischen eine im Verkehr ertrinkende Zwölfmillionenstadt. Adolf kränkte es sehr, dass zahlreiche alte Bauten aus der holländischen Kolonialzeit in Ver- fall gerieten, oft abgerissen wurden und jedenfalls keine Beachtung fanden. Zitiert wurde sein Ausspruch: „Eine Stadt ohne alte Gebäude ist wie ein Mensch ohne Erinnerung.“ Sein meist gelesenes Buch wurde das auch für Fachleute unentbehrliche „Historical Sites of Jakarta“, das dann in allen großen Hotels der Stadt auslag, das, wie die Tageszeitung „Jakarta Post“ schrieb, „als definitiver Maßstab für akademische Schriften über die Geschichte von Jakarta“ gilt. Spä- ter schrieb er ein Buch über alte Moscheen in Jakarta. Respektiert in der alten und der neuen Heimat Pater Heuken wurde oft gebeten, Besucher aus dem Ausland bei einem Bummel durch Ja- kartas Altstadt zu begleiten. Als Anerkennung verlieh ihm die Deutsche Bundesregierung das Große Verdienstkreuz und die indonesische Regierung den Orden „Satyalenana Kebudaya- an“ als Anerkennung für seine Verdienste um die Kultur Indonesiens. Seine sich ansammelnden Bücher über Jakarta gelten heute als die beste Bi- bliothek über Jakarta überhaupt. Für viele Jahre war er Mitglied des „Teams der Fachleute für den Schutz wertvoller Gebäude“. Pater Heukens be- sonderer Freund war der frühere Gouverneur von Jakarta, später dann indonesischer Botschafter in Deutschland, Fauzi Bowo, der ihn noch kurz vor seinem Tode auf der Intensivstation besuchte. Der jetzige Gouverneur, Anis Baswedan, besuchte Pater Heuken auf dem Totenbett in der Kapelle des Kanisiuskollegs, wo er aufgebahrt war. Adolf Heuken wurde genau 90 Jahre alt. Er war bereit zu sterben. Für uns indonesische Jesuiten, für mich persönlich und für Jakarta ist sein Tod ein Verlust. Wir sind dankbar, dass wir ihn hatten. Fünf Jahre nach Kriegsende trat der überzeugte Antifaschist Adolf Heuken in den Jesuitenorden ein. Franz Magnis-Suseno SJ 32 jesuitenweltweit
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