Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG

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Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
DAS RITTMEYER KUNDENMAGAZIN       01 | 2021

                       Wenig Rückenwind
              Fehlende politische Unterstützung beeinträchtigt
                        den Ausbau der Fernwärme

                  Mit gutem Beispiel voran
             Wie die Stadt St. Gallen die Energiewende antreibt

             Gut geplant ist halb gewonnen
         Wirtschaftliche Tragfähigkeit als Entscheidungsgrundlage
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
PERSÖ NLICH GESPR OCHE N

                                                   Mir nichts,
                                                      dir nichts?
PERSÖNLICH GESPROCHEN

                                                      En tsc hlo sse ne s Ha nd eln ist ge fra gt
2|3

                        Mehr als ein Jahr ist
01| 2021

                        es inzwischen her, dass der
                        Ausbruch einer Pandemie unseren Alltag aus
                        der Bahn geworfen hat. Und so ‹mir nichts, dir nichts›
                        werden wir diesen auch nicht in der gewohnten Form         40 Prozent­sollen­es­bis­
                        zurück erhalten. Das ist uns allen wohl inzwischen         2050 sein. Eine weite Strecke,
                        bewusst. Das Virus hat vieles verändert, hat Tatsachen     wenn man feststellen muss, welche Hindernisse
                        geschaffen, hat uns zum Handeln gezwungen.                 auf dem Weg zur Entwicklung eines Wärmeverbunds
                                                                                   zu überwinden sind – und wie viel Zeit dafür ins Land
                        Tatsache ist ebenso, dass wir in der Schweiz mit           geht.­Dr. Urs Rhyner,­Geschäftsleiter­der­Energie­
                        Annahme des revidierten Energiegesetzes vor vier Jahren    ­Ausserschwyz AG,­die­am­derzeit­grössten­Energieprojekt­
                        die Eckpfeiler für unsere energie- und klima politischen   der Region baut, gewährt uns dazu im Beitrag ab Seite
                        Entscheide gesetzt haben: Bis 2030 Reduktion der           6 persönliche Einblicke. Und er gibt Hinweise, wo ein
                        Treibhausgasemissionen um 50 Prozent gegenüber             stärkeres Engagement der öffentlichen Hand, von Bund
                        dem Referenzwert von 1990, die ‹Netto-Null› bis 2050.      und Kantonen helfen würde, Hürden zu überwinden.
                        Nach mehr als drei Viertel der Strecke haben wir keine
                        15 ­Prozent­geschafft,­die­Herausforderungen­der­ver-      Wie wichtig langfristige Planung, das Miteinander
                        bleibenden neun Jahre sind enorm. Auch diese werden        über Gemeindegrenzen hinweg und Konsequenz
                        wir kaum so ‹mir nichts, dir nichts› bewältigen können.    bei der Realisierung von Fernwärmeprojekten sind,
                                                                                   ­s childert­­M arco Letta,­Unternehmensleiter­der­St.Galler­
                        Entschlossenes Handeln ist gefragt. Die Bereit stellung    Stadtwerke im Interview ab Seite 10.
                        von Wärme macht beispielsweise 40 Prozent des
                        Gesamt energieverbrauchs aus. Vierzig Prozent! Und         Im Gespräch mit Prof. Joachim Ködel von der Hochschule
                        immer noch decken wir mehr als drei Viertel davon mit      Luzern haben wir erfahren, welchen Stellenwert die
                        importierten fossilen Brennstoffen. Auf unser Klimaziel    richtigen Entscheidungen bei Auswahl und Kombination
                        zahlt dies gewiss nicht ein. Ein Ansatzpunkt ist jedoch    der­eingesetzten­Technologien­und­Systeme­für­ein­
                        der Ausbau der Fernwärme, der wir diese Ausgabe            auch betriebswirtschaftlich erfolgreiches Fernwärme-
                        unseres Magazins ‹transfer› widmen.                        angebot sind. Das Protokoll unseres Interviews lesen Sie
                                                                                   ab Seite 18. Interessant sind hierzu die Erfahrungen der
                        Gerade mal 9 Prozent der schweizerischen Wärme-            Gemeindewerke Pfäffikon, die als Querverbundunter-
                        versorgung werden heute durch die Fernwärme gedeckt.       nehmen seit über 20 Jahren drei ganz verschiedenartige
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
Wärmeverbünde betreiben. Die
Antworten von Dumeng Tönett und Stefan
Russer lesen Sie ab Seite 25.

Zusammenfassend: Unsere Kundinnen und Kunden den-        Auch in der Fernwärme sind wir
ken über die Konvergenz ihrer Netze nach. Sie suchen     dazu aufgestellt. Gemeinsam mit unseren
im Querverbund nach Möglichkeiten zur gesamtheit-        Schwesterunternehmen der Gruppe, wie den
lichen Optimierung der Energie- und Ressourcen-          BRUGG ­P ipes.­Oder­in­unserem­Joint­Venture­mit­
bilanz, und sind gefordert in Aufbau und Betrieb einer   der österreichischen aqotec GmbH.
zunehmend vernetzten Infrastruktur. Das ‹Internet-
of-Things› ist längst in ihrer professionellen Welt      Unser Ziel ist, dass Sie ‹mir nichts, dir nichts› in die
angekommen,­von­den­Problemen­der­Cyber­Security­        Zukunft marschieren können. Sprechen Sie uns an.
ganz zu schweigen.­

Die Dekarbonisierung der Energieversorgung, konse-
quenter Umweltschutz und eine nachhaltige Ver- und       Herzlichst,
Entsorgung erfordern deshalb Innovationen. Mehr denn
je, und schneller denn je. Darauf richten wir uns und
unsere Organisation aus. Dafür stellen wir Produkte
und Dienstleistungen bereit. Dabei stehen wir Ihnen      Ihr Andreas Borer,
Rede und Antwort.                                        CEO,­Rittmeyer­AG
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
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                                             «Erst denken, dann handeln» –                                                                                                                  Starten, statt warten
                                                                         Wege in die Fernwärme                                                                                        Wie aus der ‹Vision Energiewende›
                                                                                                                                                                                            Realität werden kann

                                                                                    3. Etappe 2030
                                                                                            s ab
                                                          2. Etappe 2025            frühsten
                                                                  s ab
                                         1. Etappe        frühsten
                                                    gen

                                                                             6                                                                                     16                                                    21
                                         Hauptleitun
                                                  25
                                         2021–20

                                                                                                                   Tuggen

                                                                                   trum
                                                                         Energiezen
   Freienbac
             h                                                             Bodenwies
                       Pfäffikon
                 INHALT

                                                           Lachen
                                         Altendorf                                                             Buttikon

                                                                                      Siebnen
         g
Feusisber
                                                                         Galgenen                  Schübelba
                                                                                                            ch
                                                                                                                          Reichenbu
                                                                                                                                   rg

                                         Hürdenlauf: Bau eines                                                                                 Durchgetrieben: Unterquerung                                   Licht und Strom fürs
                 4|5

                                   Fernwärmenetzes ‹auf grüner Wiese›                                                                           von Strassen und Brücken in                                  Heizkraftwerk Aubrugg
                                                                                                                                                  Berlin mit Fernheizkabel
                 01| 2021

                                                                          22                                                                                      25

                                                  Gemeinsam stark:                                                                                Alles unter einem Dach:
                                                Der Energieverbund als                                                                          Von Synergien, Potenzialen –
                                                 Schlüssel zum Erfolg                                                                                  und Konflikten

                                     FACHTHEMA & INTERVIEW                                                                              APPLIKATION                 PRODUKT & NEWS                      ZAHLEN & FAKTEN

                                   IMPRESSUM                                                                                              E-Mail an die Redaktion                                       Erscheinungstermin
                                   transfer ist das Kundenmagazin der                                                                     transfer@rittmeyer.com                                        Mai 2021
                                   Rittmeyer AG und erscheint zweimal im Jahr.
                                                                                                                                          Bildnachweis                                                  Falsche Anschrift?
                                   Herausgeber                                                                                            Rittmeyer AG, iStock (Tera Vector: S. 1 | epic_fail: S. 5 |   Bitte teilen Sie uns mit,
                                   Rittmeyer AG                                                                                           pakorn sungkapukdee: S. 4, 18–21 | armckw:                    sollten Sie eine neue Anschrift haben:
                                   Ein Unternehmen der BRUGG GROUP                                                                        S. 4, 9, 22 | elenabs: S. 22 | Weenee: S. 24); Albinfo,       www.rittmeyer.com/anschrift
                                   Inwilerriedstrasse 57, CH - 6341 Baar                                                                  CC BY­SA 3.0: (S. 4, 10–11); Roland zh, CC BY­SA 3.0
                                                                                                                                                                                                        Die in den Artikeln veröffentlichten
                                   www.rittmeyer.com                                                                                      (S. 4, 25); Energie Ausserschwyz AG (S. 7, 9); Martin
                                                                                                                                                                                                        Ansichten, Meinungen und Empfehlungen
                                                                                                                                          Steiger, CC BY­SA 4.0 (S. 12–15); Daniel Ammann
                                   Verantwortlich für den Inhalt                                                                                                                                        Dritter müssen nicht mit der Meinung der
                                                                                                                                          (S. 13); BRUGG Pipes (S. 16–17); aqotec GmbH (S. 23);
                                   Andreas Borer (v. i. S. d. P.)                                                                                                                                       Rittmeyer AG übereinstimmen.
                                                                                                                                          Gemeindewerke Pfäffikon ZH (S. 26–27); privat z. V. g.
                                   Redaktion und Umsetzung
                                   up! consulting ag, Ruggell (FL)
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
ZAHLEN & FAKTEN

Fernwärme-Ausbau
in der Schweiz, Österreich und Deutschland

Neben Strom und Mobilität macht Wärme etwa 40 % des Energieverbrauches
eines Landes aus. Besonders in der Bereitstellung von Heiz energie kann
Fernwärme einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des CO 2-
Ausstosses leisten. Dabei ist der Anteil der erneuerbaren
Energien zur Wärmeerzeugung und die energetisch optimale
Nutzung von Brennstoffen, etwa durch Kraft­Wärme­
Kopplung, ausschlaggebend.

Länge des Fernwärmenetzes in km

CH
2017   3 500

AT
       5 600
2019

DE
       21 482
2019

Länge des Fernwärmenetzes in
km / 1 000 Einwohner
CH
       0,41
2017

AT
       0,63
2019

DE
       0,26
2019

Erzeugte Fernwärme nach Energieträger

                                                   Österreich                             Deutschland
         Schweiz
                                                            8%                                   3%
                     11 %                          7%                                14 %
38 %
                                                                                                           29 %
                                                                                                                  Quellen: Bundesamt für Energie BFE, Fachverband Gas Wärme,

                                                                               7%
              2018                                     2018                                    2017
                              26 %
        Gesamt:                                    Gesamt:                                 Gesamt:
         8 TWh                                     23 TWh                                  161 TWh
                                                                                                                  Statistik Austria, Destatis, Euroheat & Power

                                        48 %
                                                                    37 %
           25 %                                                                                47 %
  Das entspricht 9 % des                       2017 deckte Fernwärme                 Das entspricht 9 % des
Wärmebedarfs im Jahr 2018.                     14 % des Wärmebedarfs.              Wärmebedarfs im Jahr 2017.

       Öl und Kohle                  Erdgas           Erneuerbare          Brennbare Abfälle          Sonstige
       (CH: Öl und Abwärme
       aus Kernkraftwerken)
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
T IO N
                                                                         A P P L IK A

                                                                                 ü n e r W i ese›
                                                                         ‹auf gr
                                       r nwä r               m   enetzes
                             n e s F e
                      Bau ei
   APPLIKATION
   6|7

                    Die Energie Ausserschwyz AG (EASZ) baut derzeit am grössten
                    Energieprojekt der Region: Ab 2022 ergänzt ein Holzheizkraftwerk
transfer 01| 2021

                    die bestehende Biomasseanlage und versorgt die Regionen Höfe
                    und March im Kanton Schwyz mit Fernwärme. Das ambitionierte
                    Vorhaben ist auf gutem Weg, war jedoch kein einfaches
                    Unterfangen, wie uns Geschäftsleiter Dr. Urs Rhyner erzählt.

                    Seit bald 20 Jahren betreibt die Familie Züger auf   Bauzonen, Bewilligungen, und die Finanzierung,
                    ihrem Landwirtschaftsbetrieb in Galgenen eine        was sich als sehr aufwändig darstellt.
                    Biogasanlage, die aus Biomasse Strom produziert.
                    Die dabei entstehende Abwärme wird zur Wärme-        Bewilligungen als grösste Herausforderung
                    versorgung der umliegenden Gebäude genutzt.          Die grössten Hürden für den Bau stellen für den
                    Bereits 2008 entstand die Idee, mit einer zusätz-    Geschäftsführer die notwendigen Bewilligungen
                    lichen Heizzentrale einen Fernwärmeverbund           dar. Mitunter müssen siebenstellige Beträge in
                    für die Region zu entwickeln. Elf Jahre sollte es    Vorprojekte investiert werden, bis alle Instanzen
                    schliesslich dauern, bis die Baugenehmigung für      durchlaufen sind. Einsprachen gegen das Bauvor-
                    das Holzkraftwerk, in dem Alt-, Rest- und Wald-      haben sind abzuarbeiten, was Zeit und Anwalts-
                    holz aus der Region verfeuert wird, vorlag. «Um      kosten verschlingt. Flächen müssen umgezont,
                    ein solches Projekt zu realisieren, dauert es in     Umwelt verträglichkeitsberichte erstellt werden.
                    der Schweiz einfach lange, im Grunde zu lange»,      «Da geht sehr viel Zeit ins Land»,­erklärt­Rhyner.­
                    resümiert­Urs­Rhyner,­der­seit­einem­Jahr­das­       Das benötige Durchhaltevermögen und vor allem
                    Unternehmen leitet. Man benötigt entsprechende       die Bereitschaft, bei einem ungewissen Ausgang
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
«Es gibt nur eines:
bauen, bauen, bauen.
Wenn man zuwartet,
bis die Anschlüsse
gesichert sind, dann
baut man nie.»

Dr. Urs Rhyner,
Geschäftsleiter der Energie Ausserschwyz AG

sehr viel zu investieren. Ein «Huhn-Ei-Problem», wie        Strategische Partner
er es nennt. Denn die Mittel werden von den Finanz-         Mit der EW Höfe AG hat die EASZ einen wichtigen
gebern nur gesprochen, wenn Anschlüsse vertraglich          Partner an ihrer Seite. Für diesen bot sich die Chance, in
gesichert sind. «Das ist blasse Theorie, und in der         den CO2-neutralen regionalen Wärmemarkt einzusteigen
Realität nicht möglich»,­so­Rhyner.­Und­für­ihn­einer­      und eine zuverlässige und nachhaltige Alternative zu
der Gründe, weshalb es so wenige Wärmeverbünde in           ­fossilen­Energieträgern­anzubieten.­Mit­BRUGG Group AG­
der Schweiz gibt. «Das sind Killerauflagen.»                konnte ein strategischer Industriepartner als Teilhaber
                                                            ­gewonnen­werden,­und­inzwischen­hat­Rhyner­auch­
Fernwärmenetze als Schlüsseltechnologie                     eine grosse Schweizer Bank als Finanzierungspartner
Wenn man von der Konvergenz der Netze spreche,              gefunden. «Das schafft bei unseren Kunden noch mehr
dann sei die Fernwärme eine der Schlüsseltechno-            Vertrauen»,­sagt­Rhyner.­Mit­der­gesicherten­Finan-
logien auf dem Weg in die Energiezukunft. Um die            zierung kann er nun das ambitionierte Projekt mit
Verstromung von Biogas oder Wasserstoff effizient           Hochdruck vorantreiben. Das Heizwerk wächst derweil
zu machen, müsse man die bei der Produktion ent-            rasch in die Höhe. «Auch das hilft»,­schmunzelt­Rhyner.­
stehenden grossen Mengen an Abwärme nutzen,                 «Die Bevölkerung nimmt wahr, dass da etwas Grosses,
meint­Rhyner:­«Die Grundvoraussetzung dafür ist             Seriöses entsteht – und die Fernwärmeversorgung nun
jedoch, dass es Fernwärmenetze gibt.» Aus dieser            tatsächlich Realität für die Region wird.»
Perspektive betrachtet ist er der Auffassung, dass
sich der Bund stärker engagieren könnte, damit mehr         Begeisterte Kunden
­e ntsprechende­Projekte­realisiert­werden.­Rhyner­sieht­   Grossen Rückhalt bekommt das Projekt von der Bevöl-
eine Chance, wenn man das Risiko teilen würde. Ein          kerung. Das Interesse an Anschlüssen mit erneuerbarer
Modell hierzu stellt für ihn eine öffentlich-private        Fernwärme ist sehr gross. Für Liegenschaftsbesitzer
Partnerschaft dar (engl. Public-Private- Partnership).      ist­Fernwärme­ein­sehr­bequemes­Wärmesystem.­Es­
Hierbei würde beispielsweise der Bund für ein               benötigt weder Brennstoffeinkauf und Lagerraum noch
Drittel der Summe eine Bürgschaft oder eine Risiko-         Unterhalt. Und es ist sehr platzsparend: Ein Kästchen
garantie abgeben, ein weiteres Drittel steuern Bank         mit dem Wärmetauscher ist alles, was es braucht. «Noch
oder Investoren bei, und ein Drittel der Betreiber mit      einfacher – und obendrauf erneuerbar – geht es nicht
­e ntsprechendem ­A ktienkapital.                           mehr»,­meint­Rhyner. →
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
ch
                                                            Freienba
                                                                                                   Pfäffikon
       APPLIKATION

                                                                                                                                                                                                          Lachen
                                            Wilen                                                                                                                Altendor
                                                                                                                                                                                    f
                                Bäch

                             Wollerau
                                                                 rg
                                                        Feusisbe
       8|9

                                                                                                                                                                                   e
                                                                                                                                                                 3. Etapp                    0
                                                                                                                                    e                                          s ab 203
                                                                                                                 2. Etapp                                        frühsten
                                                                                                                                    ab 2025
                                                                      1. Etappe
                                                                                                                                s
                                                                                                                  frühsten
                                                                                 ungen                                                                                               s s t d ie
                                                                       Hauptleit
    transfer 01| 2021

                                                                                                                                                                        e s u mfa
                                                                       2021–2 0 2 5
                                                                                                                                               F e rn w  ä rm e n e tz            c  h . D ie
                                                                                                                                 rü n) d e s                          re ie n b a
                                                                                                          s e ta p p e (h e ll g            , P fä ff ik on und F               S c  h ü b e lb a c h
                                                                                                                                                                                                      ,
                                                                                                        g                                                                    n
                                            egi                                     rs c h li e s s u n                  n , A lt e n d o rf                O rt s c h aft e
                                Schindell
                                                                            te   E                            ,L a c h e                            f  d ie
                                                                  D ie e rs                     a lg e n e n                              re n a u                           ll e g i,
                                                                               ie b n e n , G                                den Jah                            S c h in d e
                                                                  D ö rfe r S                        in d e n  ko m m e n              n k e lg rü n) s ow ie
                                                                                                tz                                   u
                                                                                t, d a s N e                u n d Wo ll
                                                                                                                         e ra u (d                     n.
                                                                   V is io n is             e n , W il e n                               s z u we it e
                                                                              n  , T u g g                           (h e ll b la u) a u
                                                                   B u tt iko                     e ic h e n b u rg
                                                                                   rg u n d R
                                                                    Fe u s is b e

                        Fernwärme ‹anschieben›                                                    Quartier für Quartier, wachsen so organisch. Anders                                                          T
                        Steigen Hauseigentümer von einer Erdöl- oder Erdgas-                      beim Netz der EASZ: Hier wurde von Beginn an ein
                        heizung auf die Fernwärme um, so erhalten sie vom                         grosses Gebiet definiert, welches quasi flächendeckend
                        Kanton­Schwyz­Förderbeiträge.­Das­helfe,­so­­R hyner,­                    erschlossen werden soll. Vorbild war die Agro Energie
                                                                                                                                   ent  rum
                        deren Initialkosten zu reduzieren. Aber auch die                                                Energiez
                                                                                                  Schwyz­AG.­Dort­hat­man­rasch­ausgebaut,­und­mit­dem­
                                                                                                                                         s nur eines:
                                                                                                                           Bodenw     iegibt
eienbach                Gemeinden seien gefordert, indem sie zumindest ideell                     Ausbau kamen auch die Anschlüsse. «Es

                                 Pfäffik
                        solche Projekte  on
                                        unterstützen, und sie nicht blockieren.                   bauen, bauen, bauen. Wenn man zuwartet, bis die An-
                        Seine Erfahrungen sind da zwiegespalten: «Wenn man                                  Lachendann baut man nie»,­sagt­Urs­Rhyner.­
                                                                                                  schlüsse kommen,
                        glaubt, Gemeinden würden es würdigen, wenn man
                                                                        Altendor
                                                                                           f      Wichtig sei aber, dass man weit im Voraus diese Ziele
                                                                                                                                                                                                           Buttik
                        von privater Hand Infrastruktur bringt, von der die                       kommuniziere. Dann könnten sich Haus eigentümer
                        Gemeinde und ein grosser Teil der Bürger profitieren                      darauf einstellen, gerade im Hinblick darauf, wenn sich
                        kann, dann könnte man falsch liegen.» Er geht davon                                                            Siebne
                                                                                                  ein Ersatz der Heizung ohnehin aufdränge.
                                                                                                                                                                                     n
sberg                   aus, dass das CO 2-Gesetz nach seiner Verabschiedung
                        die kantonalen MuKEn (Mustervorschriften der Kantone                      Für die erste Etappe hat die EASZ
                                                                                                                                  en300 Mio. Schweizer
                        im­Energiebereich)­aushebelt.­Bei­jenen­hat­Schwyz­
                                                                                                                                          Galgen Sch
                                                                                                  Franken budgetiert, der Netzausbau ist über 24 Jahre
                                                                                                                                                                                               übelbach
                        derzeit ohnehin nur das absolute Minimum umgesetzt.                       geplant. Dieses Budget umfasst das Erschliessen der
                        Ihm geht das zu langsam: «Das Potenzial ist riesig,                       Quartiere, das Kraftwerk, sowie ein zweites, falls der
                        die Technologie ist da. Sie ist einfach, erprobt und                      Anschlussgrad rasch steigt. Etwa die Hälfte der Kosten
                        preiswert. Man muss es nur umsetzen»,­sagt­Rhyner.                        verschlingt allein das Netz. In der ersten Etappe sind
                                                                                                  3 000 Abnehmer geplant, was einer Anschlussdichte
                        EASZ ist speziell                                                         von über 60 Prozent entspricht. «Das geht, davon sind
                        Viele Fernwärmeverbünde starten im Kleinen, vom                           wir überzeugt»,­sagt­Rhyner,­wieder­mit­dem­Blick­zur­
                        Schulhaus oder Gemeindehaus ausgehend, erschliessen                       Agro­Energie­Schwyz.­Dort­konnten­in­10­Jahren­über­
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
Tuggen

                                                                                            ologie
            entrum
    Energiez    s
                                                                                 T e c h  n
      Bodenwie
                                                                           «Die
                                                                                         h , e r p r obt
                                                                                       c
                                                                           ist einfa
n
                                         Buttikon

                                                                               d p r e i s wert.
                Siebnen                                                     un
                                                                                      u  s s s i e nur
    Galgene
           n                          ach                                   Man m
                                                                                                     zen.»
                                                                  rg
                           Schübelb                    Reichenb
                                                                u
                                                                                          u m s  e t
                                                                             endlich

          50 Prozent der Gebäude an die Fernwärme
          angeschlossen werden.

          Vision ist greifbar
          Fragt­man­Urs­Rhyner­nach­den­weiteren­
          Plänen, dann erzählt er von der Vision
          der EASZ und den Ausbauetappen zwei
          und drei: Sie beschreiben im Endausbau
          die Wärmeversorgung von 14 Dörfern der
          Region­Ausserschwyz­und­rund­um­das­
          Energiezentrum in Galgenen. Immerhin
          eine Fläche von gegen 100 Quadratkilo-
          metern. «Wenn zur Umsetzung des Klima-
          schutzes zukünftig bei Gebäuden der
          CO 2-Ausstoss pro Quadratmeter Energie-
          bezugsfläche limitiert ist, dann wird dies
          nur mit erneuerbaren Energien gelingen»,
          ist­Rhyner­überzeugt.­Und­dann­rückt­
          die Erschliessung eines solch grossen
          Gebiets mit Fernwärme für die EASZ
                                                            Die Heizzentrale der Energie Ausserschwyz in Galgenen
          in ­g reifbare Nähe.­
                                                            wächst rasch in die Höhe. Hier werden mit einem Holzkraft­
                                                            werk und einer Biogasanlage umweltfreundliche Wärme und
                                                            Strom produziert.
Wenig Rückenwind - Rittmeyer AG
INTERVIEW
   10 | 11
transfer 01| 2021

                                INTERVIEW

                    Starten,
                    statt warten
                    Wie aus der ‹Vision Energiewende› Realität werden kann
«2050 setzt
                                           St. Gallen keine
                                           fossilen Brennstoffe
                                           mehr für Gebäude-
                                           wärme ein.»

                                           Marco Letta, Unternehmensleiter
                                           der St.Galler Stadtwerke

Seit Mitte der 1980er­Jahre setzt die Stadt St. Gallen auf
Fernwärme und erweitert kontinuierlich deren Netze. Im Jahr
2017 sprach sich eine überwältigende 85­Prozent­ Mehrheit
der Stimmbevölkerung für einen weiteren Ausbau mit einem
Volumen von 65,5 Millionen Schweizer Franken aus. Marco
Letta, Unternehmensleiter der St.Galler Stadtwerke, erzählt
uns im Interview von der erfolgreichen Geschichte und
Zukunft der St.Galler Fernwärme. Und wo er sich
dazu aber auch noch Unterstützung aus
der Politik erhofft. →
Herr Letta, St. Gallen hat sich         2017 von der Stimm bevölkerung           um das Warmwasser noch die Heiz-
            schon sehr früh Gedanken über           gutgeheissenen­­A usbaustufe 2­          wärme im Gebäude kümmern. Keine
            eine zukunftsgerichtete Wärme­          erschliessen wir nun über die            Brennstoffbeschaffung, keinen
            versorgung gemacht. Wie sieht           nördliche Talseite den Osten der         Service, nichts.­
            diese konkret aus?                      Stadt und schliessen auf dem
            Zwischen dem Energiekonzept 2050        Rückweg über die südliche Talseite       Wichtig ist dabei ein nachvollzieh-
            der Stadt St. Gallen und der Energie-   in Richtung Stadtzentrum final den       barer, klarer Umsetzungsplan.
            strategie des Bundes gibt es einen      heute­noch offenen­Ring.­                Wenn man ein Wärmenetz baut,
            wesentlichen Unterschied: Unser                                                  dann kann man das nicht von heute
            Energiekonzept ist das integrale        Wie sieht ihr Zielzustand aus?           auf morgen entwickeln. Man muss
            Zusammenschnüren der drei Netze         2050 wollen wir rund 50 Prozent          den Endzustand sauber planen
            Strom, Wärme und Gas, und stellt        aller beheizten Gebäude mit Fern-        und schliesslich Schritt für Schritt
            die Sektorkopplung ins Zentrum. Am      wärme bedienen, das sind etwa            bauen. So schafft man Transparenz,
            Schluss soll die ganze Talsohle von     5­500 Liegenschaften.­Mit­Biogas­        und das wird von der Bevölkerung
            St. Gallen mit Fernwärme ausgebaut      betriebene Blockheizkraft werke          sehr geschätzt. So haben wir bei-
            sein. Richtung Westen gibt es mit       versorgen in Wärmeverbünden              spielsweise sämtliche Transformati-
            dem Sittertobel leider eine geogra-     dann rund 2 200 Gebäude, weitere         onsprozesse für die Umsetzung des
            fische Barriere zur Stadt, weshalb      2­300 heizen­mit­Wärmepumpen.­Nur­       Energiekonzepts bis 2050 bereits
            westlich des Tobels derzeit ein los-    einzelne, über 1 000 m. ü. M. gelegene   in unser Gebäudeinformations-
INTERVIEW

            gelöstes Anergienetz entsteht. Ober-    Bauernhöfe werden eine Individual-       system­eingepflegt.­Kunden­­k önnen­
            halb von 700 m. ü. M., in den Hügel-    lösung benötigen, und beispiels-         auf unsere Homepage gehen, ihre
            gebieten, erzeugen wir zukünftig        weise mit Holzschnitzel oder mit         Liegenschaft eingeben und so
            Wärme in Blockheizkraftwerken           flüssigem Biogas heizen. Ziel ist,       wissen sie relativ schnell, welche
            (BHKW) und bauen Nahwärme-              dass dannzumal kein Tropfen fos-         Ausbaupläne wir konkret bis 2035
            verbünde aus. Die BHKW, welche          silen Brennstoffs mehr für Wärme         haben. Dieser öffentlich zugängliche
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            ausserdem Strom erzeugen, sind an       eingesetzt wird.                         Kataster ist wie eine Grundvoraus-
            das Gasnetz angeschlossen. Dieses                                                setzung zur Initialberatung unserer
            führt heute noch Erdgas, künftig        Nimmt man die BHKW­Nahwärme­             Kundinnen und Kunden.
            aber­Biogas­und­synthetisches­Gas.­     netze dazu, sollen nach Ihrem
01| 2021

            In den restlichen Gebieten wird         Plan sogar mehr als drei Viertel         Insgesamt wollen wir in St. Gallen
            im Endausbau mit Wärmepumpen            der Gebäude an die Fernwärme             die Energiewende auf einem
            geheizt werden.                         angeschlossen sein. Wie kann             konsens findenden Weg schaffen.
                                                    das gelingen? Wie holt man die           Nur fehlen in unserem Land dazu
            Wo liegen die besonderen                Kunden ins Boot?                         nach wie vor viele Grundlagen wie
            Herausforderungen in St. Gallen?        Das ist eigentlich eine schöne           z. B. ein Gas-Versorgungsgesetz,
            Ein Teil der Problematik wird durch     Aufgabe. Die meisten Liegenschafts-      welches sektorübergreifend wirkt
            die besondere Topografie bestimmt.      besitzer möchten sich gerne an die       und für den ökologischen Umbau
            Das Kehrichtheizkraftwerk liegt         Fernwärme anschliessen, einen            unterstützend wirkt. Und wir wissen
            bei uns auf etwa 580 m. ü. M., also     Anschlusszwang gibt es bei uns           nicht, wohin sich Bund und Kanton
            relativ tief. Deshalb müssen wir        nicht. Stellen sie auf Fernwärme         bewegen. Deswegen haben wir
            zunächst die Wärme mit einigem          um, erhalten sie eine Förderung,         entschieden, dass wir nicht weiter
            Aufwand in die Stadt hochpumpen,        und ein 15-Jahre-Sorglospaket, bei       warten möchten und haben mit dem
            um die Wärme kunden entsprechend        welchem sie nur für die bezogene         Energiekonzept 2050 und dessen
            versorgen zu können. Die Fern-          Wärme den entsprechenden Preis           Umsetzung das Zepter selbst in die
            wärme zentralen Waldau und Olma         bezahlen. Unser Netz ist rund um         Hand genommen.
            deckten bisher den Spitzen bedarf in    die Uhr überwacht, die Wärmekund-
            den Wintermonaten. Mit der im Jahr      schaft muss sich weder
Mit dem Energiekonzept 2050 wur-
de die St.Galler Bevölkerung bereits
vor über 13 Jahren informiert und
für die Chancen des Ausbaus der
Fernwärme versorgung sensibilisiert.
Damit ist auch die breite Zustim-
mung zu erklären. Und: Der Auf-
klärung ist die Umsetzung gefolgt.
Wir setzen die Planung seit Jahren
konsequent und Schritt für Schritt
um. Natürlich müssen wir aktiv in-
formieren und beraten. Das erfolgt
über das Gebäudeinformations-
system,­die­Energieberatung­sowie­
den Anschlussverkauf. Die Beratung
ist gezielt auf die Ziele des Energie-
konzepts abgestimmt.

Wir beraten unsere Kundschaft            «Das Energiekonzept 2050 der
ganzheitlich. Das heisst, wir spre-
chen mit ihnen über Solaranlagen,        Stadt St. Gallen gibt Netto-Null
Elektroladestationen und Energie-
speicher. Die Umsetzung wird aber
                                         Emissionen als Ziel vor. Wir
durch das lokale Gewerbe getätigt.
Es sorgt für die qualitativ hoch-
stehende Installation der Energie-
                                         warten nicht auf Entscheide von
systeme.­Dies­gilt­auch­für­die­
von den St.Galler Stadtwerken im         Bund und Kanton, wir setzen
Energiecontracting betriebenen An-
lagen. Um die Versorgungssicherheit      konsequent um.»
über die gesamte Vertragsdauer zu
gewährleisten, definieren wir jedoch
die zu verbauenden Komponenten,
und­limitieren­so­die­System-            Marco Letta,

varianten im Wärmenetz.
                                         Unternehmensleiter der St.Galler Stadtwerke

St. Gallen hat also eine gute
Grundlage, damit sich die Energie­
wende entwickeln kann. Auch ohne
Handreichung des Bundes?
Für St. Gallen mag das vorderhand
stimmen. Nur: 2019 gab es in der
Schweiz rund 1,7 Millionen Gebäude,
und rund 50 Prozent davon hängen →
immer noch am Öl. Das ist weit weg     dem Weg zum Erreichen unserer           Dann hilft nur die Fusionierung?
            von Netto-Null. So gesehen hätten      Energie ziele müssen wir verschiede-    Das ist ein mögliches Modell. Man
            wir schon ein paar Forderungen         ne Energieträger intelligent koppeln.   könnte aber zum Beispiel auch aus
            an den Bund, um der Fernwärme          Und dabei müssen wir in unserem         dem Zusammenschluss kleinerer
            mehr Anschub zu verleihen. Eine        Kraftwerksystem­Konsumenten,­           Netze Betreibergesellschaften grün-
            davon leitet sich beispielsweise aus   Produzenten und diejenigen, die         den, an denen die Gemeinden mit
            der geografischen Lage der Stadt       beide Rollen einnehmen, die Pro-        entsprechenden Anteilen partizipie-
            St. Gallen ab. Es mag sein, dass man   sumer, miteinander in Einklang          ren. Und so die öffentlich-rechtli-
            in wärmeren Gegenden in einem          bringen. Das sollte endlich auch        chen Besitzverhältnisse erhalten.
            Fernwärmenetz ohne Spitzenabde-        ­B undesbern sehen.
            ckung durch gasbetriebene Fern-                                                Das Anergienetz ‹energienetz GSG›
            wärmezentralen auskommen kann,         Wie kann man so etwas auf unsere        ist ein solches gemeinsames,
            nicht aber hier. Wir haben oftmals     föderalistisch organisierte Energie­    grenzübergreifendes Projekt. Wie
            längere Perioden mit Temperaturen      versorgung projizieren? Der Energie­    gelang dieses?
            weit unter null Grad. Und da           versorger einer kleinen Gemeinde        Zwischen dem Westrand von
            nützt auch eine doppelt so grosse      hat es ungleich schwerer.               St. Gallen und dem östlichen Teil
            Kehricht verbrennungsanlage nichts.    Das sehe ich ziemlich ähnlich. Wir      der Stadt Gossau liegt ein grosses
            Deshalb müssen wir bei der Wärme-      reden von Dezentralisierung und         Industriegebiet. In verschiedenen
            versorgung ebenso das Gasnetz          Smart Grids – da benötigt man als       Studien versuchte man herauszu-
INTERVIEW

            betrachten, und zwar integral. Das     Energieversorger schon eine hohe        finden, wie sich dort die Wärme-
            kann man nicht einfach ausblen-        IT- und OT-Kompetenz, um das zu         versorgung entwickeln liesse. Die
            den, wie es in der Energiestrategie    managen. Und auch um die gefor-         traditionelle Abwärmequelle der
            2050 des Bundes der Fall ist. Und      derte Digitalisierung zu stemmen,       Kehrichtverbrennungsanlage liegt
            wir werden bei steigender Be-          sind die kleineren Energieversorger     geografisch zu weit entfernt, die
            völkerungszahl und wachsendem          oft überfordert. Klar muss ihnen        Industrie- und die Gewerbezone so-
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            Energieverbrauch nur schwerlich        sein, dass sie als reiner Verteil-      wie die angrenzenden Wohngebiete
            eine rein erneuerbare Strom-           netzbetreiber zukünftig kaum            haben jedoch einen grossen Energie-
            versorgung erreichen. Selbst wenn      wirtschaftlich agieren können.          bedarf. Gleichzeitig verfügt erstere
            wir alles Wasser, das wir haben,       Diese Herausforderungen müssen          selbst über ein grosses Abwärme-
01| 2021

            noch irgendwo stauen würden. Auf       sie ­b ewältigen.­                      potenzial. Eine dieser Studien kam

                           «Die Energiewende wird nur möglich mit einer
                                    Vision, konkreten Zielen und konsequenter
                  Umsetzung. Und das ist kein Sprint, sondern eher
                                                                        die Ultramarathonstrecke.»
zum Schluss, dass der Bau eines der    tischen Flexibilitäten wo und wie sie      konkreten Zielen und konsequenter
grössten Anergienetze der Schweiz      auch immer anfallen Vorort nutzen.         Umsetzung. Das ist kein Sprint über
möglich wäre. Die Herausforderung                                                 100 Meter, das ist eher die Ultra-
bestand allerdings darin, dass man     Die zweite Erkenntnis ist, dass man        marathonstrecke. Und wenn sich
dazu politische Hürden überwinden      die Energiewende und die damit             Bund und Gemeinden für Letzteres
musste, denn inmitten des Gebiets      verbundenen Herausforderungen              entscheiden, dann gibt es nur
verläuft die Grenze zwischen den       alleine nicht lösen kann. Wollen           eines: sie müssen gemeinsam an
Städten St. Gallen und Gossau. Und     wir bis 2050 die Energieversorgung         den Start und am Ende gemeinsam
die Wärmelieferanten liegen sowohl     dekarbonisieren, so müssen wir             über die Ziellinie. Das haben wir in
diesseits wie jenseits davon.          auf allen politischen und wirt-            St. Gallen mit dem Energiekonzept
                                       schaftlichen Ebenen besser zusam-          2050 und dessen Umsetzung im
Die St.Galler Stadtwerke haben sich    menarbeiten. Ich denke da an ein           kleinen Rahmen gemacht. Wir sind
mit den Stadtwerken Gossau und         schweizweites sektorgekoppeltes            auf gutem Weg, mindestens unsere
der SAK (St.Gallisch- Appenzellische   Gesamtsystem.­Dieser­Ansatz­wird­          Ziellinie zu erreichen, aber auch bei
Kraftwerke AG) an einen Tisch          sicher viele Hürden und Stolper-           uns ist Ausdauer gefragt.
gesetzt und zusammen einen             steine­mit sich bringen.­
Business plan erstellt. Nach einigen                                              Herr Letta, herzlichen Dank für
Iterationsschritten konnten die po-    Und zum Dritten: Die Energiewende          das Gespräch.
litischen Gremien vom Projekt über-    wird nur möglich mit einer Vision,
zeugt werden und 2018 gründeten
die Gemeinden St. Gallen, Gossau
und Gaiserwald zusammen mit der
SAK AG­die­energienetz­GSG­AG.

Innerhalb von nur einem Jahr hatten                    Stichwort: Anergienetz
wir das Initialcluster mit dem zur
Verfügung stehenden Budget gebaut                      Ein Anergienetz nutzt sogenannte ‹niederwertige Energie-
und das Anergienetz in Betrieb                         formen›, beispielsweise industrielle Abwärme, oder Wärme
genommen. Doppelt so schnell wie                       aus Abwasser, Umwelt, See- oder Grundwasser. Es wird
vorgesehen. Der weitere Ausbau                         oftmals auch als ‹kaltes Wärmenetz› bezeichnet, weil
ist in­Planung.                                        es mit tiefen Temperaturen betrieben wird. Die Netz­
                                                       teilnehmer profitieren voneinander: Die einen speisen
Zusammengefasst: Was ist Ihrer                         überschüssige Wärme ein, beispielsweise aus einem
Meinung nach der Schlüssel, dass                       Kühlprozess oder anderweitiger industrieller Prozess-
in der Fernwärme auch andernorts                       wärme. Andere wiederum nutzen diese Abwärme mit
eine Entwicklung vergleichbar der                      einer Wärmepumpe zur Heizung oder Klimatisierung. In
von St. Gallen gelingt?                                optionalen Erdspeichern kann im Sommer Wärme gespei-
In der Schweiz gibt es schon sehr                      chert und im Winter bezogen werden. Umgekehrt lässt
viele Fernwärmenetze, die nach glei-                   sich im Sommer die Kälte aus den Wintermonaten nutzen.
chem Muster wie in St. Gallen gebaut                   Im Ideal fall gleichen sich Einspeisung und Entnahme im
wurden und werden. Die Umsetzung                       Jahresverlauf aus. Ziel dieser Vernetzung ist die Optimie­
der Sektorkopplung der Netze Strom,                    rung der Energie effizienz aller Teilnehmer und schliesslich
Gas und Wärme ist aber meistens                        die Reduktion des Anteils genutzter fossiler Energieträger.
nur auf dem Papier zu finden. Wir
müssen­die­verschiedenen­Systeme­
zusammenbringen und die energe-
FACHTHEMA

                                                         DURCH-
                                                       GETRIEBEN
                                                                     Unterquerung von
                                                              Strassen und Brücken in
                                                              Berlin mit Fernheizkabel
   FACHTHEMA
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      er 01   2021
         011| 2021

                     Die BTB GmbH ist einer der größten Fernwärmenetzbetreiber im Raum
                     Berlin. Zur Erschliessung einer Wohnanlage in der Köllnischen Vorstadt
                     mussten eine vielbefahrene Verkehrsachse und zwei Bahnbrücken gequert
                     werden. BRUGG Pipes nutzte ein Spülbohrverfahren zur Verlegung
                     ihres Flexwell­Fernheizkabels.
Die BTB wurde 1990 gegründet und hat sich schon früh         Grabenloser Leitungsbau
auf die Erzeugung von Wärme und Strom aus Kraft-             Der grösste Abschnitt, welcher in Köpenick an einem
Wärme-Kopplung spezialisiert. Über ihr Wärmeverbund-         Stück gebaut wurde, mass 188 Meter. 150 Meter davon
netz versorgt sie rund 80 000 Wohnungen, Gewerbeim-          wurden durch eine unterirdische Spülbohrung im
mobilien,­die­Industrie­und­ö�­entliche­Einrichtungen­mit­   Horizontal bohrverfahren (engl. ‹Horizontal Directional
Wärme, Strom, Kälte und Dampf. Drei moderne Heiz-            Drilling›, HDD) verlegt. Dabei kommt eine dreidimen-
kraftwerke mit einer thermischen Gesamtversorgungs-          sional steuerbare Spüllanze, bestehend aus biegbaren
leistung von rund 380 MW versorgen das mehr als 140 km       Stahlrohrabschnitten, zum Einsatz. Diese wird durch
umfassende Fernwärmeverbundnetz.                             das Erdreich vorangetrieben. Eine umweltneutrale
                                                             Bohrsuspension transportiert hierbei den fein körnigen
Herausfordernde Trasse                                       Anteil des ausgebohrten Bodens in die Start- bzw.
Um die Wohnanlagen Köpenick-Nord mit Fernwärme               Zielgrube. In der Zielgrube wird ein dem Durchmesser
versorgen zu können, war eine Distanz von rund               des Fernheizkabels entsprechender Aufweitkopf (engl.
500 ­Metern­zu­überwinden.­Dazu­musste­eine­Trasse­          ‹ Reamer›) mit dem einzuziehenden Fernheizkabel an
entlang einer Hauptverkehrsachse im Berliner Ortsteil        das Bohrgestänge montiert. «Im Rückwärtsgang wurde
Köpenick neu gebaut werden. «Dabei hatten wir drei           dann unter Zugabe von Bentonit das Bohrloch aufge-
kritische Abschnitte zu überwinden», erinnert sich Mario     weitet und gleichzeitig das Flexwell-Fernheizkabel
LeClair,­Obermonteur­der­BRUGG­Rohrsysteme­GmbH.­            eingezogen», erklärt Mario LeClair.
Der vielbefahrene Glienicker Weg musste ohne Beein-
trächtigung­des­fl­iessenden­Verkehrs­gequert­werden.­        An einem Stück. Und schnell.
Bei der Unterquerung von zwei Eisenbahnbrücken waren         «Der Vorteil des Flexwell ist, dass es wie ein Kabel
zudem­strenge­Aufl­agen­der­Deutschen­Bahn­einzuhalten.       gehandhabt und bis zu einer Länge von 235 Metern
                                                             an einem Stück geliefert und verbaut werden kann»,
Das Bauvorhaben wurde deshalb auf                            sagt Ingolf Demant, Gebietsverkaufsleiter bei
fünf ­Bauabschnitte­aufgeteilt.­Drei­                        BRUGG ­R ohrsysteme.­Auch­für­das­Horizontalbohr-
Strecken wurden durch Spül-                                  verfahren ist es bestens geeignet: Dank seines glatten,
bohrungen überbrückt, zwei                                   durchgehenden Aussenmantels kann es direkt in den
im­o�­enen­Graben­gebaut.­                                   Bohrkanal eingezogen werden. Dazu ist es schnell
Verlegt wurde das gröss-                                      verlegt: Schweissnähte alle 6 oder 12 Meter, wie
te Fernheizkabel von                                            beim herkömmlichen Kunststoffmantelrohr, ent-
BRUGG­Pipes,­der­Typ­                                            fallen. Selbst das Abpolstern der Bögen, um die
200/310 mit Nenn-                                                Wärme dehnung abzufangen, sind überflüssig: Das
weite 150 mm und                                                 BRUGG- Fernheizkabel ist selbstkompensierend.
einem Aussen-
durchmesser                                                                Gerade einmal sechs Wochen dauerte
von 313 mm.                                                                  so die Bauzeit der neuen Trasse.
                                                                               Die Gesamtkapazität der Zuleitung
                                                                               ­b eträgt­ungefähr­10 ­M egawatt.­Martin­
                                                                               Loske, Projekt- und Bauleiter der
                                                                               BTB ­B erlin,­freut­sich:­«In kurzer
                                                                                Zeit konnten wir so die Wohnanlage
                                                                                 erschliessen und werden zukünftig
                                                                                 870 ­W ohnungen­mit­CO 2-freundli-
                                                                                 cher­­F ernwärme versorgen.»

                                                                                 Hier geht’s zum Video
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                                                                                 youtu.be/GebdJ5SeifU
INTERVIEW

            «Erst denken,
            dann handeln» –
            Wege in die Fernwärme
INTERVIEW
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Einblicke in Entscheidungsprozesse und
Herausforderungen der Branche

Prof. Joachim Ködel ist Dozent für leitungsgebundene thermische
Energieübertragung und Leiter des Programms Thermische Netze am
Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE der Hochschule Luzern
(HSLU). Wir haben mit ihm über Entscheidungsgrundlagen für den
Bau von thermischen Netzen und über die zukünftigen Herausforde-
rungen der Fernwärme gesprochen.

Herr Prof. Ködel, womit genau
beschäftigen Sie sich im Rahmen
Ihrer Tätigkeit an der HSLU?
Als Dozent unterrichte ich die
Studierenden der Gebäude technik
im Modul nachhaltige Industrie
und Fernwärme (NIF) und bin
Leiter des Programms «Thermische
Netze», welches wir an der Hoch-
schule im Auftrag des Bundesamts
für Energie (BFE) leiteten. Im
Rahmen dieses Programms haben
wir Entscheidungskriterien mit-
gestaltet, um Aufbau und Umfang
thermischer Netze aufgrund von
ökologischen und wirtschaftlichen
Aspekten festzulegen. Damit
sollen zukünftig Entscheidungen
im Bereich der Wärmeversorgung
­s ystematischer erfolgen.­

Warum sind solche Entscheidungs­
kriterien wichtig?                          «Die wirtschaftliche
Nun ja, letztlich müssen wir uns
doch etwas ausdenken, das wirt-             Tragfähigkeit einer Fernwärme-
schaftlich auch tragbar ist – und
nicht aufgrund einer aktuellen Mode
oder besserer Publikumswirksamkeit
                                            versorgung ist eigentlich
entscheiden. Diese Frage begleitet
die Energieversorgung als Gesamtes:
                                            das wichtigste Kriterium.
Ist etwas wirtschaftlich tragbar,
oder ist es nur aus energetischer           Sie steht aber oftmals nicht
Sicht interessant? Oftmals fehlt in
Entscheidungsgremien das nötige             im ­Vordergrund.»
Fachwissen. So folgen sie eben nicht
der wirtschaftlichen Argumentation,
sondern sie bevorzugen eine Lösung,         Prof. Joachim Ködel, Professor am Institut für Gebäudetechnik
weil sie ihnen schlicht besser gefällt. →   und Energie IGE an der Hochschule Luzern
Das kommt jetzt überraschend.          Oder wenn in der Umgebung bereits      Frage. Man kann mit Holz oder mit
                   Man sollte doch davon ausgehen         eine Kehrichtverbrennungsanlage        einer Wärmepumpe eine gewisse
                   dürfen, dass solche Entscheidungen     steht, dann macht der Aufbau einer     Spitzendeckung erreichen, aber
                   auf entsprechenden Analysen und        klassischen heissen Fernwärme-         um mit einem fossil, sprich: heute
                   Fachwissen basieren?                   versorgung­vermutlich­mehr­Sinn –­     mit Gas oder Öl beheizten Kessel
                   Das fände ich auch wichtig. Aber       selbst, wenn zufällig noch ein         konkurrieren zu können, muss
                   leider ist es in vielen Fällen nicht   See daneben­liegt.­                    ­e iniges ­g eschehen.
                   so, und das ist sehr schade. Nicht
                   nur weil viel Geld investiert wird,    Für die langfristige Planung der       Alternativ dazu gibt es in thermi-
                   sondern auch weil ein getroffener      Wärmeversorgung spielt auch die        schen Netzen Ansätze, die Wärme-
                   Systementscheid­nachträglich­meist­    Raumplanung eine entscheidende         speicher beinhalten und damit auch
                   nicht mehr hinterfragt wird und        Rolle. Gerade in kleinen und mittel-   deutlich weniger fossile Spitzen-
                   in weiterer Folge auch kaum mehr       grossen Regionen bietet sie bei der    deckung benötigen als bisher. Mit
                   rückgängig gemacht werden kann.        Frage nach der energetischen Eig-      einem entsprechend dimensionier-
                                                          nung der einen oder anderen Lösung     ten Speicher kann man Spitzen-
                   Welche Trends spielen denn bei der     wichtige Entscheidungshilfen.          zeiten gut überstehen. Das ist tech-
                   Entscheidung eine Rolle oder stehen                                           nisch nichts Neues, wurde aber vor
                   gerade im Vordergrund?                 Um für die Zukunft gerüstet zu sein,   10 Jahren noch nicht ernst genom-
INTERVIEW | NEWS

                   Mit der Energiestrategie 2050 und      müssen wir uns überlegen, wie die      men. Heute darf man im Rahmen
                   dem Thema Dekarbonisierung sind        Dekarbonisierung der Wärmeversor­      der Netzplanung zumindest davon
                   Anergienetze sehr in Mode gekom-       gung in der Schweiz gelingen kann.     sprechen. Ich denke, die Speicher-
                   men. Diese Begrifflichkeit hat sich    Da hat die Fernwärme eigentlich ein    technologie wird in Zukunft einen
                   im Zusammenhang mit der Nutzung        hohes Potenzial. Wie sehen Sie das?    grossen Stellenwert einnehmen, um
                   von Umwelt- bzw. Abwärme mit           Im Weissbuch Fernwärme Schweiz         Netto-Null zu erreichen.
                   Nieder temperatur durchgesetzt.        wird für das Jahr 2050 prognosti-
                   Das ist auch gut und richtig, wenn     ziert,­dass­knapp­40 Prozent­der­      Aber vielleicht wäre es richtiger,
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                   die Gegebenheiten stimmen. Man         benötigten Wärme über eine Fern-       wenn wir die Diskussion anstelle
                   muss sich aber bewusst machen,         versorgung bewerkstelligt werden       ‹Netto-Null› in Richtung ‹Netto-
                   dass man bei so niedrigen Tem-         kann. Schätzungen zufolge werden       sehr-wenig›­führen­würden.­Typi-
                   peraturen extrem viel Wasser im        derzeit jedoch noch weniger als        scherweise liegt die Fossildeckung
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                   Kreislauf benötigt. Das heisst, man    10 Prozent­durch­Fernwärmenetze­       heute bei etwa 20 Prozent. Wenn wir
                   baut relativ grosse Netze, um im       abgedeckt. Das ist also noch einiges   diese auf 5 Prozent reduzieren könn-
                   Vergleich zur heissen Fernwärme,       an Potenzial, das man angehen kann.    ten, wäre mit einem vier Mal gerin-
                   eine recht kleine Energiemenge zu                                             geren Bedarf an fossilem Brennstoff
                   transportieren. Das macht nur Sinn,    Aber das heisst, dass man bis 2050     schon viel erreicht. Diese Quote auf
                   wenn die lokalen Rahmenbedingun-       noch einiges in die Fernwärme          Null zu bringen müssten wir uns sehr
                   gen stimmen und man die Nieder-        investieren muss?                      teuer einkaufen. Sich einen gasbe-
                   temperaturen auch in der Nähe          Ja, um das Ziel von 40 Prozent zu      feuerten Kessel daneben zu stellen
                   nutzen kann. Einfach gesagt ist die    erreichen, müssten in der Schweiz      oder den bereits vorhandenen stehen
                   Seewassernutzung wunderbar, wenn       ca. 1 Mrd. CHF pro Jahr in die Fern-   zu lassen, muss ja nicht gleich
                   der See in der Nähe der Abnehmer       versorgung investiert werden. Wohl     heissen, dass man zum Energie-
                   liegt. Wenn man das Wasser erst        gemerkt ist diese Zahl nur eine        verschwender wird. Es wäre einfach
                   kilometer weit den Berg hinauf-        grobe Schätzung, aber das Volumen      eine Reserve zur Spitzendeckung, die
                   pumpen muss, dann ist der Nutzen       liegt in dieser Grössenordnung. Das    hoffentlich nie benötigt wird.
                   ­z umindest­zu ­h interfragen.­        ist schon eine stattliche Summe, die
                                                          die Branche aufbringen muss.           Wie steht es grundsätzlich mit der
                   Worauf sollte sich der Blick der                                              Technologie im Bereich Fernwärme?
                   Entscheider stattdessen richten?       Im Zusammenhang mit der Energie­       Gibt es hier noch Potenzial, etwas
                   Richtig wäre es, zuerst die lokale     strategie 2050 fallen auch immer       besser oder effizienter zu machen?
                   Situation und deren Randbedin-         wieder die Stichworte ‹Spitzen­        Es gibt in der klassischen Fern-
                   gungen­zu­analysieren,­und­danach­     deckung› und ‹Netto-Null›. Die         wärme eine etablierte Technik mit
                   erst die Lösung auszuwählen. Und       Spitzendeckung wird heute meist        einem guten Entwicklungsstand.
                   nicht umgekehrt. Unter Umständen       über fossile Brennstoffe erreicht.     Für Niedertemperaturnetze, die
                   stellt man dabei fest, dass manche     Welche Ersatzstrategien gibt es        man erst seit etwa 10 bis 15 Jahren
                   Regionen gar nicht so optimal          Ihrer Meinung nach?                    baut, gibt es sicher Potenzial nach
                   geeignet sind, eine zentrale Ver-      Das ist ein sehr schwieriges Thema     oben. Allerdings ist jetzt noch
                   sorgung für Wärme aufzubauen.          und wirtschaftlich eine heikle         nicht abzusehen, wohin sich die
Praxis entwickelt. Ganz grundsätz-                              NEWS
lich lassen sich mit der heutigen
Technik gute, effiziente Anlagen
                                       Licht und Strom fürs
gestalten. Das grosse Potenzial
liegt aus meiner Sicht darin, das      Heizkraftwerk
vorhandene Know-how besser zu
nutzen. Es passiert leider immer
noch viel zu häufig, dass Anlagen
überdimensioniert oder die lokalen
Gegebenheiten nicht berücksichtigt
werden. Richtig gemacht, könnte
manche Fernwärme installation
­w ahrscheinlich­bis­zu­30 Prozent­
günstiger funktionieren.

Das heisst, damit sich Fernwärme
dahin entwickeln kann, wo sie uns
tatsächlich den Nutzen bringt, den
wir uns wünschen, brauchen wir
mehr Ausbildung und Wissen rund
um das Thema Fernwärme?
Absolut. Um solche komplexen
Infrastrukturen zu errichten und
aufrechtzuerhalten braucht es
Fachpersonen mit entsprechendem
Know-how. Leider spüren die
Unter nehmen auch in dieser
                                       Neue Schaltschränke für die Elektrotechnik
Branche den Fachkräftemangel.
Fundiertes Grundlagenwissen über
die Funktionsweise von Fernwärme-      Im Heizkraftwerk Aubrugg werden jährlich mehr als
anlagen geht aufgrund von Pensi-       750 000 MWh Wärme und rund 44 000 MWh Strom
onierungen zunehmend verloren.         produziert. Es ist in das zweitgrösste Fernwärmenetz
Und­bis­vor­8 Jahren­gab­es­in­der­    der Schweiz integriert. In den Elektroschaltanlagen
Schweiz noch kein Grundlagen-          ­wurde­ein­Teilersatz­notwendig,­den­Rittmeyer­­lieferte­
werk zum Thema «Wie funktioniert       und installierte.
Fernversorgung». Mit unserer
Arbeit an der Hochschule und den       Die Schaltanlagen für die Laststeckdosen der Anlage
entsprechenden Aus- und Weiter-        sowie die Beleuchtung des Areals mussten nach
bildungs angeboten möchten wir         über 25 Jahren neu aufgebaut und auf den höchsten
dem natürlich auch entgegenwirken.     Sicherheitsstand gebracht werden. Im Rahmen der
In diesem Kontext denke ich auch,      Umrüstung des Standorts auf LED-Leuchten sowie der
dass die Forschung eine gewisse Er-    Einbindung der Schaltanlagen in eine neue Leittechnik
weiterung erfahren darf. So dürften    baute­Rittmeyer­die­alten­Installationen­ab­und­ersetz-
anwendungs bezogene Fragen, die        te sie durch 22 neue Schaltschränke. «Die Umbaumass-
einen erkennbaren volkswirtschaft-     nahmen erfolgten in sechs Etappen und dauerten über
lichen Fortschritt bringen, durchaus   ein ganzes Jahr. Dabei durften wir zu keiner Zeit den
mehr in den Vordergrund rücken.        laufenden Betrieb stören», erinnert sich Igor Lijak, Lei-
                                       ter­Schaltanlagenbau­bei­Rittmeyer,­an­eine­der­zent-
Herr Prof. Ködel, herzlichen Dank      ralen Herausforderungen. Sein Team baute deshalb alle
für das Gespräch.                      Schaltschränke vorab im Werk in Baar auf und prüfte
                                       bereits dort nach den entsprechenden Normen die
                                       vorgesehene Funktion. So gelang die schnellstmögliche
                                       Inbetriebsetzung vor Ort. Roland Strebel, Projektleiter
                                       bei­ERZ­­Entsorgung­+­Recycling­Zürich,­ist­zufrieden:­
                                       «Alles lief reibungslos. Die Zusammenarbeit mit dem
                                       Rittmeyer-Team­war­wirklich­prima­–­vom­ersten­bis­
                                       zum letzten Tag sehr speditiv und kollegial.»
FACHTHEMA

            GEMEINSAM STARK
            Der Energieverbund als Schlüssel zum Erfolg

            Wie kann es gelingen, die Wärmeversorgung ökologisch und wirt­
FACHTHEMA

            schaftlich wettbewerbsfähig zu gestalten? Christian Holzinger,
            Geschäfts führer der österreichischen aqotec GmbH, spricht mit uns
            über sinnvolle Lösungen für die Fernwärme aus Sicht des Planers,
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            Anlagenbauers – und vor allem des Betreibers.
01| 2021
Im Verbund arbeiten                                         Interessenskonflikte verursachen mitunter Blockheiz-
Fernwärme ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur        kraftwerke (BHKW), welche in den Hochtarifphasen
Energiewende. Der Betrieb solcher Anlagen ist jedoch        stromgeführt betrieben werden. So bleiben nur kurze
nicht einfach vergleichbar mit dem eines Stromver-          Betriebszeiten zur Wärmeproduktion. Deshalb benötigt
sorgers: Engineering und Technik, insbesondere im           es Pufferlösungen, und die Deckung der Wärmeenergie
Leitungsbau, sind aufwändig, der Personalaufwand ist        aus anderen Quellen.
höher, die Deckungsbeiträge eher gering. Umso mehr su-
chen Betreiber nach Möglichkeiten, ihre Wärmeverbunde       Bestehende Strukturen nutzen
effizienter zu betreiben. Der wichtigste Ansatz dabei ist   «In einem gut besiedelten Gebiet ist es gar nicht so
es, die Wärmeverteilung im Gesamten zu betrachten –         schwierig, einen Energieverbund aufzubauen», meint
von der Erzeugung bis zum letzten Verbraucher.              Holzinger. Gerade in städtischen Regionen gäbe es be-
                                                            reits bestehende Erzeugungsanlagen, die weiter genutzt
Insbesondere Verbunde mit mehreren Einspeisern haben        und eingebunden werden könnten. Als Beispiel nennt
hierbei Potenziale. Abhängig von den aktuellen Anfor-       er eine Schule, die über eine autonome Gaskessel-
derungen im Netz und den tariflichen Möglichkeiten          anlage geheizt wurde, und nun an das Nahwärmenetz
führt man die Einspeiser strom- oder wärmegeführt,          angeschlossen ist. Die bestehende Kesselanlage wurde
überschüssige Wärme wird bei den Kunden dezentral           nicht demontiert, sondern aufs Netz geschaltet. Sie ist
oder an den Erzeugeranlagen zentral gespeichert. Für        schnell am Netz und dient als Backup. «Solche Anlagen
den reibungslosen Betrieb eines solchen Verbunds muss       sind nicht für den primären Wärmebedarf gedacht, aber
jedoch alles perfekt aufeinander abgestimmt sein. Dafür     man kann damit zum Beispiel Spitzen abdecken oder
braucht es eine gute Planung und entsprechend clevere       auch die Auslastung anderer Anlagen optimieren», sagt
technische Lösungen.                                        Christian Holzinger. Die kleine Anlage kann beispiels-
                                                            weise im Sommer bei geringem Wärmebedarf wirt-
Durch geschickte Kombination verschiedenster Erzeu-         schaftlicher betrieben werden als eine Biomasseanlage,
ger, beispielsweise klassische Holzfeuerung, Biomasse       die eine konstante Auslastung benötigt. Und im Winter,
oder industrielle Abwärme, lassen sich einzelne Anlagen     bei hohem Energiebedarf, kann der Kessel für ein oder
besser auslasten und dadurch auch wirtschaftlicher          zwei Stunden dazu geschaltet werden, um die Spitzen-
betreiben. «So nutzt man immer jene Energieform,            last abzudecken. «Je nach Situation der verschiedenen
welche man zu einem gegebenen Zeitpunkt günstig             Verbunde bzw. der regionalen Gegebenheiten ergeben
beziehen kann oder welche im Überschuss an anderer          sich die unterschiedlichsten Modelle», erklärt der
Stelle vorhanden ist», erklärt Christian Holzinger. Je      Fernwärme-Fachmann.
nach Situation, Jahresbedarf oder Jahresganglinie wird
entschieden, nach welchen Kriterien die Erzeugungs-         Einspeisungen bestehender Strukturen, wie Gaskessel,
anlagen zugeschaltet werden.                                BHKWs, Biomasse oder Industrieabwärme, weisen →

«Der Schlüssel zum Erfolg
ist ein­Energieverbund­aus­der­
Kombination von Bestands-
und Neu anlagen, die
energetisch gut
harmonieren.»

Christian Holzinger,
Geschäftsführer aqotec GmbH
«Man muss das grosse Ganze sehen. Wir haben nur
                          eine Erde und mit der müssen wir ressourcen schonend
                          umgehen. Und nicht fossile Energie verbrennen, nur
                          weil es wirtschaftlich interessanter ist.»

                          zudem einen hohen Standardisierungsgrad auf. So las-        Städten und Regionen gelöst werden. Dazu müssten
                          sen sich diese Anschlüsse leicht und kostengünstig in       dann ebenso ökologische Aspekte und das Thema Nach-
FACHTHEMA | APPLIKATION

                          das bestehende Regelwerk eines Verbunds integrieren.        haltigkeit in die Überlegungen zur Wärmeversorgung
                                                                                      miteinbezogen werden. «Es ist nicht besonders verant-
                          Für den Betrieb planen                                      wortungsvoll, Industrieabwärme ungenutzt in die Luft
                          Es empfiehlt sich, bereits bei der Planung den späteren     zu blasen. Wir haben nur eine Erde, und mit der müssen
                          Betrieb einer Heizzentrale vor Augen zu haben. So lohnt     wir ressourcenschonend umgehen. Und nicht fossile
                          es sich mitunter, gerade in ländlichen Gebieten, die        Energie verbrennen, nur weil es wirtschaftlich interes-
                          geodätische Struktur der Region bei der Standortwahl        santer ist», betont Holzinger.
                          und beim Aufbau der Heizzentrale zu berücksichtigen.
                                                                                      Aus dem Betrieb gelernt
                          «Um den Betriebsaufwand bei kleinen Netzen zu               Seit mehr als 20 Jahren entwickelt, projektiert und
                          reduzieren, ist es beispielsweise sinnvoll, die Biomasse-   liefert die aqotec GmbH Lösungen für die Übertragung
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                          Anlage an einem Hügel zu bauen, statt auf dem flachen       und Verteilung thermischer Energie in Fern- und
                          Land», rät Holzinger. Dadurch ergeben sich zahlreiche       Nahwärmeprojekten. Als Planer und Betreiber eigener
                          Vorteile: Die Hackschnitzel können oben angeführt           Anlagen hat das Unternehmen natürlich einen grossen
                          und direkt in den Bunker eingekippt werden. In der          Vorteil: «Wir lernen im Betrieb, und testen quasi ‹live›»,
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                          Mitte wird die Heiztechnik verbaut und unten fällt          schmunzelt Holzinger. Die Planungsingenieure sind
                          die Asche in Container, die einfach abtransportiert         massgeblich in den Betrieb der eigenen Anlagen invol-
                          werden können. So werden keine aufwändigen Förder-          viert, erkennen dadurch mögliche Schwachstellen und
                          einrichtungen oder sonstige Maschinen, wie Radlader,        lassen diese Erfahrungen unmittelbar in die Produkt-
                          benötigt, welche nicht ohnehin bereits vorhanden sind.      entwicklung einfliessen. «So gibt es viele Details, die
                          Denn oftmals wird der zuliefernde Landwirt gleich in        wir in unseren Projekten gelernt haben und auf die wir
                          den Betrieb der Anlage eingebunden: Nach der Anliefe-       bei der Planung und Umsetzung für unsere Kunden
                          rung der Hackschnitzel nimmt er mit seinem Traktor die      achten», sagt Holzinger nicht ohne Stolz. Dieses
                          Aschecontainer zur Entsorgung mit. Dadurch wird der         Know-how schätzen Kunden und es differenziert aqotec
                          Betrieb sehr effizient, lässt sich mit einfachen Mitteln    vom klassischen Anlagenbauer und Planungsbüro.
                          bewerkstelligen – und spart Kosten. Fach personal wird      Zudem kommt es 1:1 dem noch jungen Joint Venture
                          nur­noch­im­Fall­von­Revisionen­oder­bei gravierenden­      Rittmeyer ­a qotec zugute.­
                          technischen Problemen benötigt.
                                                                                      Vorsicht mit zu viel Bürokratie
                          Ein vernünftiges Miteinander                                Einen Aspekt möchte Holzinger abschliessend nicht
                          «Neben einem vernünftigen Miteinander in der                unerwähnt lassen: die bürokratischen Hürden, welche
                          Energie versorgung, braucht es für die gewünschte           für die Fernwärme zum Teil recht hoch sind. Betreiber
                          Nachhaltig keit auch mehr politische Unterstützung»,        würden oftmals gerne das Netz ausbauen, sähen jedoch
                          sagt Holzinger. Dabei steht es für ihn ausser Frage,        aufgrund des zu erwartenden bürokratischen Aufwands
                          dass die Industrie für ihre Prozesse eine Gasversorgung     davon ab. «Regulatorien sind für eine Vergleichbarkeit
                          benötigt. Man dürfe aber durchaus die Frage stellen,        wichtig, gerade wenn Förder-
                          ob benachbarte Gebäude ebenfalls mit Gas beheizt            mittel fliessen. Man sollte diese
                          werden müssen, oder nicht doch von der Abwärme des          aber nicht so kompliziert
                          Industrie betriebs profitieren könnten. «Hier entsteht      gestalten, dass sie das Engage-
                          ein Wettbewerb, den die Fernwärme rein wirtschaftlich       ment und den Willen
                          nicht gewinnen kann», ist Holzinger überzeugt. Dieses       interessierter Betreiber
                          Dilemma könne nicht ohne den politischen Willen von         am­Ende ­b remsen.»
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