WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...

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    WILDNIS NEWS
                           Nr. 3 11/2019

              Wie retten wir unsere Insekten?
   IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr
Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
GEDANKENSPLITTER                                                   WIE RETTEN WIR UNSERE INSEKTEN?
                          W      ie schon in der letzten
                                 Ausgabe unserer Wild-     F  ortsetzung des Beitrags „6. Große Massensterben im
                                                              Gange“ der NEWS 2/2019
                                                                                                                       tem Natur und somit ihre persönliche Daseinsberechti-
                                                                                                                       gung. Auch die oft negativ behafteten Sechsbeiner erfül-
                                                                                                                       len essentielle Aufgaben, die uns nicht immer bewusst
                           nisNEWS möchte ich mich
                           auch dieses Mal mit dem         „Entire ecosystems are collapsing, we are at the begin-     sind oder gar auffallen, da sie für uns verdeckt ablaufen.
                           Haus der Wildnis beschäfti-     ning of a mass extinction“ Greta Thunberg, UN-Klima-        Eine ihrer wichtigsten Funktionen ist ihre Stellung im
                           gen. Für nicht wenige Per-      gipfel New York 2019                                        Nahrungsnetz: unzählige Tiere nutzen Insekten auf-
                           sonen besteht die Befürch-                                                                  grund ihres hohen Eiweißgehaltes als Nahrungsquelle.
                                                           Klare und gleichzeitig mahnende Worte spricht die           Gesetz des Falles die Erde wäre insektenfrei, würde das
                           tung, dass das Weltnaturerbe
                                                           16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg im Zuge           bestehende Nahrungsnetz zusammenbrechen. Beispiels-
Wildnisgebiet Dürrenstein, mit all seiner Einzigartig-
                                                           der UN-Klimakonferenz Ende September in New York:           weise fressen Vögel pro Jahr etwa 400 bis 500 Millio-
keit, durch das neue Besucher- und Kompetenzzent-
                                                           „Ganze Ökosysteme brechen zusammen, wir stehen am           nen Tonnen Insekten (Nyffeler, Sekercioglu & Whelan
rum am Altar des Tourismus geopfert wird. Ich möchte
                                                           Anfang eines Massenaussterbens.“ Sie und viele weite-       2018). Aber auch Reptilien, Amphibien und Säugetiere
versuchen, diese Ängste zu entkräften. Abgesehen da-
                                                           re Fridays-for-Future-Aktivisten gehen auf die Straßen,     sind auf das Kleingetier als Futter angewiesen und wür-
von, dass für mich persönlich der Schutz des Gebietes
                                                           um auf die kommende Klimakatastrophe aufmerksam             den ohne sie schlichtweg verhungern.
über alle anderen Interessen zu stellen ist, lassen die
                                                           zu machen. Wissenschaftlerinnen warnen seit Jahrzehn-
Ziele und Regeln eines UNESCO-Weltnaturerbes und
                                                           ten vor den immensen Folgen unserer nicht enden wol-
eines Wildnisgebietes der Kategorie I nach IUCN einen
                                                           lenden Profitgier und der laufenden Klimaerwärmung.
derartigen Schritt nicht zu. Eine intensive Nutzung in-
                                                           Wie bereits in der letzten Ausgabe der NEWS erörtert,
folge touristischer Interessen würde zum Verlust der
                                                           sind sensible Organismen wie Insekten besonders stark
diversen Auszeichnungen und Anerkennungen führen.
                                                           gefährdet. Die Artendiversität sinkt täglich dramatisch.
                                                           Um dies zu verhindern und unseren zukünftigen Gene-
Mit dem Zentrum verfolgen wir eine völlig andere Stra-
                                                           rationen eine gesunde Umwelt als Lebensgrundlage zu
tegie. Einerseits wollen wir im Haus der Wildnis einer
                                                           übergeben, ist jetzt die Zeit, das beginnende Umdenken
größeren Zahl an BesucherInnen die Besonderheiten
                                                           in die Praxis umzusetzen.
des Gebietes, aber auch die Probleme unserer Umwelt
präsentieren und andererseits bietet uns dieses Zent-
                                                           Brauchen wir Insekten?
rum die Möglichkeit unsere Gäste auch auf die anderen
                                                           Ein Planet ohne Insekten mag auf den ersten Blick verlo-
Naturschönheiten der Region hinzuweisen. Durch ein
                                                           ckend wirken: keine lästigen Gelsen in lauen Sommer-         Bienen und andere Bestäuber ermöglichen uns den Genuss von wert-
gestärktes und attraktives Führungsangebot, speziell
                                                           nächten, keine Fraßschäden an den Lieblingsrosen und                                      vollen Lebensmitteln. © Laura Pabst
abseits des Wildnisgebietes, könnte/sollte es gelingen,
                                                           keine Wespen im Weinglas. Doch wäre eine Welt ohne
ein Naturerlebnis ohne Besuch des Wildnisgebietes zu
                                                           Insekten wirklich so viel besser? WissenschaftlerInnen      Auch der Mensch wäre direkt betroffen. Eine ganze In-
gewährleisten. Die nächsten Wochen und Monate wer-
                                                           sind sich einig, dass genau das Gegenteil der Fall wäre.    dustriebranche und damit unzählige einhergehende Ar-
den wir gemeinsam mit unseren Partnern an entspre-
                                                                                                                       beitsplätze hat sich von Insekten abhängig gemacht: die
chenden Konzepten arbeiten.
                                                           „Das Problem bei der Ausrottung von Tierarten ist, dass     Nahrungsmittelindustrie. Viele Obst- und Gemüsesor-
                                                           die Natur, deren Teil wir sind, unglaublich komplex ist     ten und sogar unsere heißbegehrte Schokolade, wären
Abschließend erlauben Sie mir, Ihnen schon jetzt schö-
                                                           und Verbindungen in alle Richtung aufweist. Wenn eine       ohne ihre fleißigen Bestäuber bald Vergangenheit.
ne Festtage und ein gesundes Jahr 2020 zu wünschen!
                                                           Verbindung beschädigt wird, kann man nie voraussagen
                                                           wie weit der Schaden wirklich geht“ erklärt Sir David At-   Äußerst störend wäre auch der penetrante Aasgeruch in
Ihr
                                                           tenborough den Dominoeffekt des Artensterbens. Jede         unserer Luft. Auf Aas spezialisierte Arten sind insbeson-
                          Christoph Leditznig              Tierart hat ihre ökologische Rolle, ihre Funktion im Sys-   dere die Aaskäfer (z.B. die Totengräber) und die Larven

       Wildnis NEWS
 2     Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
(Maden) zahlreicher Fliegenarten, speziell aus der Fami-
lie der Fleischfliegen und der Schmeißfliegen ernähren
sich von Tierkadavern. Nicht von Insekten befallene Lei-
chen vertrocknen oft zu größeren Teilen und werden viel
langsamer mikrobiell abgebaut. Insekten erfüllen noch
viele weitere entscheidende Aufgaben in unseren Öko-
systemen – viele sind uns noch nicht einmal bekannt.

Was können wir tun?
Wenn im Amazonas, der Lunge unserer Erde, über
400.000 ha Wald abgebrannt sind, fragt man sich: ist
Rettung überhaupt noch möglich? Besteht Hoffnung?
Expertenmeinungen gehen auseinander. Zukunftszyni-
ker sehen schwarz, Hoffnungsfreudige geben noch nicht
auf. Die berühmte Schimpansenforscherin Jane Goodall
beispielsweise gilt als Hoffnung schenkende Expertin.
Sie reist mit ihren 85 Jahren hochmotiviert durch die
Welt, um vor allem junges Publikum zu informieren und
motivieren. „The greatest danger is apathy!“ Sie meint,
jedes Individuum kann die Welt verändern und es ist
noch nicht zu spät unsere Naturschätze zu bewahren.
Jeder Schritt in eine naturfreundliche Zukunft bringt
uns weiter, jeder Quadratmeter Blühwiese schafft Le-
bensraum für Insekten und weiteren Organismen.                                  Gehölzstreifen, Hecken und auch einzelne Bäume bieten wichtige Rückzugsorte für unsere heimische Insektenwelt. © Laura Pabst

                                                                    Nach Schnabler 2017 sind für eine reiche Insektendiver-              Um diese 3 Punkte erfüllen zu können muss der ste-
                                                                    sität im Offenland zusammenfassend folgende Faktoren                 tig steigende Lebensraumverlust und der zu häufige
                                                                    ausschlaggebend:                                                     Einsatz von Insektiziden deutlich reduziert wer-
                                                                                                                                         den. Erfolge wie das Totalverbot des höchst umstrit-
                                                                    • Das Habitat sollte heterogen (verschieden-                         tenen, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
                                                                      artig) sein. Je höher die Wirtspflanzenvielfalt,                    sogar als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuf-
                                                                      desto höher die Insektendiversität.                                te Herbizid Glyphosat für Österreich müssen weiter
                                                                    • Das Habitat sollte groß sein. Je größer es                         forciert werden. 50% der Fläche Deutschlands wird
                                                                      ist, desto höher fällt die Wirtspflanzenmasse                       landwirtschaftlich genutzt – diese riesige Acker-
                                                                      aus. Die Insektenmasse und – diversität steigen                    landschaften müssen ökologisch verträglich gestal-
                                                                      meist.                                                             tet werden. Extensive Landwirtschaft muss vom
                                                                    • Habitate sollten miteinander verbunden sein.                       Staat mehr gefördert werden, um den Landwirten
                                                                      Die Insektendiversität steigt mit Vorhandensein                    eine sichere Lebensgrundlage bieten zu können. Ein
                                                                      weiterer, qualitativ hochwertiger Habitate und                     entscheidender Faktor ist das Verschwinden von Wei-
                                                                      ihrer Vernetzung untereinander. Genetischer                        detieren in naturverträglicher Haltung aus der freien
   Regionale Pflanzen, die zu ihrer Blüte kommen dürfen, sind eine     Austausch kann stattfinden; neue Lebensräume                        Landschaft, wobei dem Rind und dem Pferd eine
       wichtige Nahrungsquelle für unsere Insekten © Laura Pabst      können erschlossen werden                                          besonders große ökologische Bedeutung zukommt

                                                                                                                                                                                   Wildnis NEWS        3
                                                                                                                                                                                    Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
Strukturelemente wie Totholz oder Steinhaufen bie-
                                                                                                                                              ten unterschiedlichsten Arten Versteck- und Brut-
                                                                                                                                              möglichkeiten.

                                                                                                                                              Viele Insekten überwintern auch in hohlen Stängeln,
                                                                                                                                              somit ist ein ungemähtes wildes Eck besonders wert-
                                                                                                                                              voll. Auch ordnungsgemäß gebaute Insektenhotels
                                                                                                                                              schaffen für auf Halme spezialisierte Arten Nist-
                                                                                                                                              möglichkeiten.

                                                                                                                                              Wer seinen Garten insektenfreundlich gestaltet, wird
                                                                                                                                              bald neue zoologische Besucher beobachten kön-
                                                                                                                                              nen. Dazu wurde vom Naturschutzbund Österreich
                                                                                                                                              eine digitale Plattform eingerichtet. Auf https://na-
                                                                                                                                              turschutzbund.at/naturbeobachtung-at.html kön-
                                                                                                                                              nen Funde mit Foto hochgeladen werden. Dadurch
                                                                                                                                              werden Daten zur Verbreitung unterschiedlichster
                                                                                                                                              Arten gesammelt und folglich wissenschaftlich ver-
                                                                                                                                              merkt und gesichert. Über Organisationen, wie zum
                                                                                                                                              Beispiel den Naturschutzbund Österreich können
                                                                                                                                              mithilfe von Spenden naturschutzfachlich wertvolle
                                                                                                                                              Flächen aufgekauft werden. Somit wird ein dauer-
                                                                                                                                              hafter Schutz gewährleistet.

  Insekten wie die Lauchschrecke (Mecostethus parapleurus, Lauchschrecke) fühlen sich in ungemähten Wiesen, die lange Halme zum Festhalten
                                                                                              und Verstecken vorweisen, wohl. © Laura Pabst

(Nickel, H. 2019). Gleichzeitig muss der kurzfris-                     werden, da bereits zu viele Habitate fragmentiert
tig als erfolgreich wirkende Monokultur-Wahn                           sind. Weiters müssen PolitikerInnen offen werden
durch abwechselnde Fruchtfolgen ersetzt werden.                        für naturverträgliches Bauen und eine vernünftige
Kleine vernetzte Lebensräume wie Hecken oder                           Stadtbegrünung.
Blühflächen müssen an Wichtigkeit gewinnen                              Neben politischen Entscheidungsträgern, kann auch
und am besten an Radwegen angelegt werden. Zu                          jede Privatperson die Insekten-Diversität fördern.
nah an schnell befahrenen Straßen können sie als                       Jeder mit Privatgarten oder auch Balkon sollte Nah-
ökologische Falle mehr Schaden anrichten als Heil                      rung und Lebensraum für unsere Tierwelt anbieten
bewirken. Hier wird das Anpflanzen regional wach-                       (Ideen dazu können z.B. unter https://www.natu-
sender Pflanzen empfohlen. Für Österreich bedeutet                      rimgarten.at/eingeholt werden). Empfehlenswert ist
das: keine einjährigen Saatmischungen aus Übersee.                     selteneres Mähen der Grünflächen und Stehenlassen                          Totholz sollte in keinem Garten fehlen. Viele Käferarten, wie der
Insekten benötigen viele kleine vernetzte Lebens-                      eines Teilbereichs der Wiese, damit Pflanzen zu ihrer                      Leiterbock Saperda scalaris (Linnaeus, 1758) entwickeln sich im
räume. Weiterer Straßenbau muss unterbunden                            Blüte kommen können.                                                                                   abgestorbenen Holz. © Laura Pabst

       Wildnis NEWS
 4     Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
Vorbildwirkung & Ausblick              an unserer fantastischen Tierwelt
Jede vom Menschen unberührte           erfreuen. Hoffen wir auf eine Zu-
Fläche bietet beste Voraussetzun-      kunft in der Natur wieder an Wert
gen für eine natürliche Entwick-       gewinnt und wir es schaffen einen
lung von Lebewesen. In Zeiten          respektvollen Umgang mit ihr zu
völliger Zerstörung von Naturflä-       leben.
chen, bekommen als Wildnisgebiet
gekürte Flächen eine Sonderstel-
lung. Nur hier können sich Insek-
                                                           Laura Pabst
ten frei entwickeln. Störquellen       Literatur:
wie Pestizide oder Straßen sind        Demelt, C. (1957): Interessante Beob-
nicht vorhanden. Daraus resultiert        achtungen am Bockkäfer Tragosoma
eine reiche Insektenwelt, die resis-      depsarium L. in Kärnten (Coleopt.
tent und resilient gegenüber ne-          Cerambycidae) mit 3 Abbildun-
gativen Umweltfaktoren ist. Hoch          gen des Verfassers – Carinthia II –
spezialisierte oder auch sehr sel-        147_67: 139 - 143.                      Überwinterung und Eiablage sind für viele Arten nur in hohlen Stängeln möglich. Seien wir mutig entgegen des
tene Arten finden Rückzug. Der          Kust, T. (2016): Entomofaunistische         gängigen Ordnungssinns und räumen den Garten nicht zu gründlich auf. Lassen wir verblühte/ abgestorbenen
                                          Untersuchungen im Wildnisgebiet                                  Pflanzen einfach stehen und sichern so den Sechsbeinern ein Zuhause. © Laura Pabst
Käfer Tragosoma depsarium, L gilt
                                          Dürrenstein. 1. Teil: Käfer (Coleo-
beispielsweise als Charakterart des       ptera), Schwebfliegen (Diptera: Syr-
Wildnisgebiets Dürrenstein. Das           phidae), Köcherfliegen (Trichopte-
seltene Urwaldrelikt entwickelt           ra). Silva Fera 5: 78-95.
sich ausschließlich in alten und       Nickel, H. (2019): RESOLUTION -
anbrüchigen Nadelhölzern wie              deutscher Naturschutzakteure zum
Kiefer, Fichte und Tanne oberhalb         lnsekten- und Biodiversitätsschwund
1000 m Seehöhe (Demelt 1957).             – Verein für zur Förderung naturna-
Er ist ein Beispiel von vielen be-        her Weidelandschaften Süddeutsch-
                                          lands 1-2.
drohten Insekten, deren Zukunft
                                       Nyffeler, M., Sekercioglu, C. H., Whe-
durch den hohen Schutzstatus des          lan, C. J., 2018: Insectivorous birds
Wildnisgebiets nicht nur an Sicher-       consume an estimated 400–500
heit gewinnt, sondern an Häufig-           million tons of prey annually. The
keit zunimmt, da Forstarbeiten            Science of Nature 105: 47.
im Bereich Hundsau vor über 20
Jahren eingestellt wurden (Kust        https://apps.derstandard.at/priva-
2016) und somit die optimalen          cywall/story/2000106185207/es-
Lebensgrundlagen für Spezialisten      gibt-kein-unkraut-ein-botaniker-
geschaffen wurden.                     kaempft-gegen-das-sterben
                                       https://w w w.landschaft-arten-
Je mehr geschützte Naturflächen         schutz.de/resolution-zum-insek-
existieren, je mehr Menschen die       ten-und-biodiversitaetsschwund/
Wichtigkeit von Wildnis erkennen,      https://www.tabularasamagazin.
desto wahrscheinlicher können          de/wieso-die-artenvielfalt-erhal-                    Der in Deutschland bereits vom Aussterben bedrohte Zottenbock profitiert von dem hohen Schutzstatus
auch zukünftige Generationen sich      ten-werden-muss/                                                                                           des Wildnisgebietes Dürrensteins © Theo Kust

                                                                                                                                                                     Wildnis NEWS        5
                                                                                                                                                                      Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
Erzabbau und Verarbeitung waren hier seit Jahrhun-
       DIE 3 SÄULEN DER NACHHALTIGKEIT?                                                                                                derten von größter Bedeutung und mit einem enormen
                                                                                                                                       Bedarf an Holz und Holzkohle und den damit ver-
I  n den letzten Jahren ist der Begriff Nachhaltigkeit
   in aller Munde - eigentlich wäre das ein Grund zur
Freude und Zuversicht, aber leider muss man feststel-
                                                                  verstanden wissen wollte. Er hat eine schonende Nut-
                                                                  zung der Wälder angeregt mit dem Ziel, eine Hol-
                                                                  zentnahme auch in Zukunft zu ermöglichen. Er fasste
                                                                                                                                       bundenen dramatischen Schwund an Waldflächen ver-
                                                                                                                                       bunden. So ist ihm bewusst geworden, dass bei einem
                                                                                                                                       fortschreitenden Raubbau an den natürlichen Ressour-
len, dass die wenigsten Menschen wissen was Nachhal-              damit das eher spärliche forstwirtschaftliche Wissen
                                                                                                                                       cen, jener Tag, an welchem der letzte Baum in Sachsen
tigkeit eigentlich bedeutet und woher dieser Begriff              seiner Zeit zusammen und ergänzte es aber mit eigenen
                                                                                                                                       gefällt werden würde, nicht mehr fern war.
ursprünglich kommt.                                               Erfahrungen und Ideen.
                                                                                                                                       So hat er in seiner Abhandlung gefordert, dass man
Es ist nun einige Jahre her, dass im Jahr 2013 der Be-            Interessanter Weise war Hans Carl von Carlowitz kein
                                                                                                                                       pro Jahr nicht mehr Holz einschlagen darf, als eben
griff der Nachhaltigkeit sein 300jähriges Jubiläum „ge-           "gelernter" Forstmann, hatte aber durch seinen Vater
                                                                                                                                       in diesem Zeitraum nachwächst. Geht man nach die-
feiert“ hat, was aber an den meisten Mitmenschen un-              Georg Carl, der kursächsische Oberforstmeister war,
                                                                                                                                       sem Prinzip vor, kann eine Nutzung – und darum geht
bemerkt vorübergegangen ist.                                      neben seinem Studium der Rechts- und Staatswis-
                                                                                                                                       es bei Nachhaltigkeit - eigentlich beliebig lange und
                                                                  senschaften, doch einen starken forstlichen Bezug. Er
                                                                                                                                       zeitlich unbegrenzt durchgeführt werden. In der um-
Im Jahr 1713 hat Hans Carl von Carlowitz diesen Be-               wurde zum stellvertretenden Berghauptmann und spä-
                                                                                                                                       fangreichen Schrift kommt der Begriff "Nachhaltig-
griff geprägt, als er in seinem Werk "Sylvicultura oe-            ter zum Oberberghauptmann - vergleichbar mit einem
                                                                                                                                       keit" nur einmal vor - aber damit hat er den Begriff der
conomica", das er als "Haußwirthliche Nachricht und               heutigen Bergbauminister - im sächsischen Erzgebirge
                                                                                                                                       mengenmäßigen Nachhaltigkeit geprägt, zumindest
Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht"                      ernannt.
                                                                                                                                       ein erster und ganz wichtiger Schritt auf dem langen
                                                                                                                                       Weg zu einer umfassenden Nachhaltigkeit. Die Idee ei-
                                                                                                                                       ner schonenden, zukunftsfähigen Nutzung geht aber
                                                                                                                                       viel weiter zurück, schon Jahrhunderte vor Carlowitz
                                                                                                                                       gab es Mönchsorden und Volksgruppen, die sich dieser
                                                                                                                                       Geisteshaltung verpflichtet fühlten.

                                                                                                                                       Seine schriftlich niedergelegten Erkenntnisse und Ideen
                                                                                                                                       haben aber selbst im deutschsprachigem Europa nicht
                                                                                                                                       sofort eine weite Verbreitung gefunden, denn noch um
                                                                                                                                       das Jahr 1800 werden beispielsweise, auf unser Gebiet
                                                                                                                                       bezogen, von den ersten Wander- und Erlebnisschrift-
                                                                                                                                       stellern die Zustände in den nördlichen Voralpenland
                                                                                                                                       angeprangert und mit den drastischen Worten "vom
                                                                                                                                       Gipfel bis in die Täler sind die Berge kahlgeschlagen
                                                                                                                                       und verwüstet" beschrieben.

                                                                                                                                       Erst allmählich wurde das Prinzip Nachhaltigkeit in
                                                                                                                                       der Forstwirtschaft umgesetzt.

                                                                                                                                       Damit rechnet sich die Forstwirtschaft zu recht den
                                                                                                                                       Verdienst an, als Vorreiter der Nachhaltigkeits-Idee zu
                                                                                                                                       gelten - wobei dies leider nur auf einen geringen Pro-
                         Auch wir Menschen sind ein Teil des Ökosystems und von dessen Funktionsfähigkeit abhängig. © Reinhard Pekny   zentsatz der weltweiten Holznutzungen zutrifft, und

       Wildnis NEWS
 6     Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
selbst bei uns in Europa keine umfassende Nachhaltig-                                                                                          Es fällt uns Menschen schwer sich ein-
keit, selbst in der Forstwirtschaft, flächendeckend er-                                                                                         zugestehen, dass wir, entgegen unserem
reicht wurde.                                                                                                                                  subjektiven Empfinden, nicht im Zen-
                                                                                                                                               trum des Universums stehen und der
Die 3 Säulen der Nachhaltigkeit -                                                                                                              Mittelpunkt sind, um den sich diese Welt
die gar nicht 3 sind!                                                                                                                          dreht. Wir sind ein Teil eines Ganzen,
                                                                                                                                               wenn auch ein wichtiger und großarti-
Weit verbreitet wird die Ansicht vertreten, dass die For-                                                                                      ger Teil dieses lebendigen Gefüges. Auch
derung nach Nachhaltigkeit drei Bereiche betrifft, die                                                                                         deshalb so wichtig und bedeutend, weil
alle bedient werden wollen.                                                                                                                    wir starken Einfluss auf das Funktionie-
                                                                                                                                               ren dieses Systems haben und nehmen
Das sind die ökologische, die ökonomische und die sozi-                                                                                        was eine sehr hohe Verantwortung für
ale Nachhaltigkeit.                                                                                                                            das Gesamtsystem und nicht nur unse-
                                                                                                                                               rer eigenen, persönlichen Interessen nach
Oft werden diese drei Bereiche als Säulen dargestellt                                                                                          sich zieht.
die dann das "Dach" einer nachhaltigen Entwicklung,
oder eben unsere Zivilisation, tragen.                                                                                                         Heute liegt es an unseren Entscheidun-
                                                                                                                                               gen und den daraus folgenden Handlun-
Dieses weit verbreitete Bild und immer wieder zitierter                                                                                        gen, ob wir den Fortbestand oder den
Irrtum, beruht einerseits auf einer kompletten Fehlein-                                                                                        Untergang unserer Zivilisation verursa-
schätzung der tatsächlichen Situation. Andererseits sind                                                                                       chen.
diese „3 Säulen der Nachhaltigkeit“ eine Erfindung der
deutschen Chemischen Industrie, die sich im Zuge der                                                                                                Bei dieser Frage geht es primär um uns als
angestrebten „Ökologisierung der Wirtschaft“ logi-          Wenn Ökosysteme sehr intensiv genutzt werden, ist es nicht immer möglich, dass sie sich Menschheit. Natur- und Umweltschutz
scher Weise in einer ökologischen Nachhaltigkeit nicht              wieder regenerieren können, oder es braucht sehr viel Zeit. © Reinhard Pekny    ist primär Selbstschutz! Weder unsere
wieder finden konnte. So wurden auch noch andere As-                                                                                                 "Umwelt" noch die "Natur" braucht uns.
pekte und Sichtweisen einfordert damit man bei dieser       vernachlässigen und den Zusammenbruch des Ökosys-                         Wir als Menschen brauchen einen bestimmten Zustand
Aktion die eine „grüne Identität“ (um nicht zu sagen        tems Erde riskieren indem wir weiterhin so exzessiven                     von Umwelt und Natur, brauchen bestimmte "ökosys-
"Grünes Mäntelchen") spenden sollte, auch involviert        Raubbau betreiben, dann haben auch die anderen Säu-                       temare Dienstleistungen" dieses Planeten, ohne die
werden konnte. Dies zeigt wie sehr unser Blick durch        len keinerlei feste Grundlage, auf der sie stehen könn-                   WIR nicht existieren könnten.
eine total antrophozentrische Sicht- und Denkweise          ten.
getrübt ist.                                                                                                                          Das Leben wird überleben. Auch nach einer schweren
                                                            Natürlich ist es richtig, dass wir auch ökonomischen                      Schädigung oder fast totalem Zusammenbruch, wie
Diese „drei Säulen“ sind nämlich keinesfalls gleichwer-     „Erfolg“ brauchen, natürlich ist es richtig, dass der                     schon einige Male in der Erdgeschichte der letzten 600
tig und stehen nebeneinander, sondern jede Existenz         soziale Friede lebensnotwendig und wertvoll ist. Es                       Millionen Jahren geschehen ist, wird es wieder in Viel-
und Entwicklung unsere Zivilisation steht auf dem           ist unbestritten, dass Menschen Arbeit und Aufgaben                       falt erblühen! Nur wir als Menschen, als hochkomple-
FUNDAMENT der Ökologie! Und auf diesem Fun-                 brauchen, dass etwas produziert, geerntet, erzeugt und                    xe Lebewesen mit sehr hohen Ansprüchen an unsere
dament können dann die beiden anderen oder beliebig         konsumiert werden muss und darf! Aber dabei sollte                        Lebens- und Umwelt werden dann wohl nicht mehr
viele "Säulen" der Nachhaltigkeit stehen.                   man nie aus den Augen verlieren, dass all dies ohne ein                   dabei sein.
                                                            funktionierendes, gesundes und langfristig abgesicher-
Zerstören oder schwächen wir aber die Grundlage un-         tes (durch hohe Diversität und Resilienz !!!) Ökosys-
sere Existenz indem wir die ökologische Nachhaltigkeit      tem nicht möglich wäre.                                                                                   Reinhard Pekny
                                                                                                                                                                       Wildnis NEWS       7
                                                                                                                                                                        Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
WELTNATURERBE & IUCN KATEGORIE I GEBIET PIRIN IN GEFAHR
D     as UNESCO Weltnaturerbe Pirin Nationalpark
      (IUCN Kategorie II) beinhaltet zwei IUCN Kate-
gorie I Naturreservate mit 600 Jahre alten Waldbestän-
den und befindet sich im Südwesten Bulgariens. Seit
einigen Jahren ist das Schutzgebiet mitsamt der Alt-
bestände durch geplante Schiresorts mit neuen Schiab-
fahrten und Gebäuden im Weltnaturerbe und sogar in
Kategorie I Schutzgebieten gefährdet. Auch einige der
ältesten Waldbestände Europas (von Schlangenhaut-
Kiefer Pinus heldreichii und Balkankiefer Pinus peuce)
sind in Gefahr, gefällt zu werden, falls der umstrittene
Managementplan bewilligt wird. In mehreren bulgari-
schen Städten gibt es Initiativen und Demonstrationen
gegen das Schigebiet und für den Pirin.

Das UNESCO Weltnaturerbe Pirin Nationalpark ist
einer von drei Nationalparks des Landes. Das Schutz-
gebiet umfasst heute über 400 km 2 von 950 bis 2.914m
Seehöhe, begann 1934 als Naturreservat, wurde 1962
in einem Ausmaß von 67 km 2 zum Nationalpark und
1983 zum UNESCO Weltnaturerbe. Es ist Important
Bird und Biodiversity Area von BirdLife International
und Teil des Natura 2000 Netzwerks. Der National-
park beinhaltet zwei Naturreservate, das ältere Reservat                                    Eine Schlangenhaut-Kiefer (Pinus heldreichii) im Pirin Nationalpark (Quelle: forthenature.org/gallery/320/)

                                                                 wurde 1934 gegründet. Es ist eines der ältesten Schutz-            Vihren mit 2.914 m, und über 60 Gipfel erreichen über
                                                                 gebiete Bulgariens und Teil des UNESCO Mensch und                  2.600 m. Die Flüsse sind kurz, führen viel Wasser, und
                                                                 die Biosphäre Programms. Der Nationalpark ist gänz-                der höchste Wasserfall ist ca. 12 m hoch.
                                                                 lich unbesiedelt, beinhaltet 118 Glazialseen, die zwei
                                                                 südlichsten Gletscher Europas und Bulgariens ältesten              57% des Nationalparks sind mit Wald bedeckt. 34% des
                                                                 Baum mit über 1.300 Jahren - eine Schlangenhaut-                   bewaldeten Anteils sind Bestände, die über 140 - zum
                                                                 Kiefer (Pinus heldreichii), die die Gründung des Staates           Teil bis zu 600 - Jahre alt sind. Von 16 Baumarten sind
                                                                 Bulgariens im Jahr 681 erlebte. Hier leben 45 Säuge-               drei endemisch im Balkan (Bulgarische Tanne Abies
                                                                 tierarten, 159 Vogelarten, 11 Reptilien-, 8 Amphibi-               borisiiregis, Balkankiefer oder Mazedonische Kiefer Pi-
                                                                 en- und 6 Fischarten. Durch die südliche Lage und die              nus peuce und Schlangenhaut-Kiefer Pinus heldreichii).
                                                                 hohen Gebirge ist die hohe Zahl an endemischen Pflan-               Die häufigsten Arten sind die Latsche (Pinus mugo),
                                                                 zen- und Tierarten bemerkenswert. Die Verfassung Bul-              die Balkankiefer oder Mazedonische Kiefer (Pinus
                                                                 gariens sieht vor, dass der Nationalpark ausschließlich in         peuce), die Gemeine Fichte (Picea abies), die Rotbuche
                         Gletscherseen im Pirin Nationalpark     Staatsbesitz ist. Der Nationalpark hat ca. 92 Mitarbeiter          (Fagus sylvatica) und die Schlangenhaut-Kiefer (Pinus
                       (Quelle: forthenature.org/gallery/320/)   und zwei Besucherzentren. Der höchste Gipfel ist der               heldreichii).

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WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
Im Schutzgebiet kommen 114 Pflanzenarten vor, die                  2.091 Arten von Wirbellosen sind bestä-
auf der Roten Liste Bulgariens gelistet sind. Davon sind          tigt, was ca. 40% der geschätzten 4.500
18 Arten im Schutzgebiet endemisch. Weitere 17 Arten              Arten des Schutzgebietes ausmacht. Die-
kommen nur innerhalb Bulgariens vor. Das bedeutet,                se sind schlecht erforscht. 218 sind ende-
dass 35 in Bulgarien endemische Pflanzenarten im Pi-               misch, 176 Reliktarten und 294 seltene
rin Nationalpark vorkommen. Das Gebiet beherbergt                 Arten.
auch 86 Pflanzenarten, die im Balkan endemisch sind.
                                                                  In den letzten Jahren geriet der Pirin Nati-
229 Wirbeltierarten kommen im Schutzgebiet vor,                   onalpark mitsamt seinen zwei Naturreser-
davon sind 45 Säugetierarten. Die Schneemaus (Chi-                vaten und Europas ältesten Waldbeständen
onomys nivalis, vormals Arvicola nivalis und Microtus             in große Gefahr: durch industrielle und
nivalis) ist eine Reliktart. Unter den Arten des höchs-           illegale Abholzung, Wilderei, exzessive
ten Schutzstatus sind der Braunbär, der Wolf, die Wild-           Wegenutzung, Befahren des Gebietes mit
katze, der Baummarder, das Wildschwein, das Rotwild,              Autos, und allem voran Skiresorts.
das Rehwild und die Gemse. Die Kleinsäuger, vor al-
lem Nagetiere und Fledermäuse, sind noch nicht voll-              Seit den frühen 1990er Jahren gab es eine
                                                                                                                      Die ältesten Waldbestände Europas werden gefällt für Holznutzung, Skiresorts,
kommen erforscht.                                                 ständige Entwicklung von Schigebietsinf-                         Bautätigkeit und Straßen (Quelle: forthenature.org/gallery/320/)
                                                                  rastruktur entlang der Nordostflanke des
                                                                  Gebietes, vor allem im Ort Bansko, der zu einem in-            ge ein gegen das Bulgarische Ministerium für Umwelt
Die Zahl der Vogelarten beträgt 159. Drei Arten                   ternationalen Winterresort geworden ist. Im Jahr 2003          und Wasser, da die Pläne zur Entwicklung des Gebietes
sind Reliktarten – Raufußkauz, Weißrückenspecht                   wurde am Todorka und auf umgebenden Hängen der                 eine Verletzung der Umweltrichtlinien darstellen.
und Dreizehenspecht. Die seltensten Brutvogelarten                Wald gefällt und mit dem Bau des Resorts begonnen
sind der Schreiadler mit einem einzigen Brutpaar, der             – heute befinden sich hier 13 Schilifte und 75 Kilome-          Bulgarien lag 2014 auf der weltweiten Liste für Me-
Zwergadler, der Steinadler mit zwei bis fünf Paaren,              ter Schipisten. Die Erweiterung des Resorts fand statt,        dienfreiheit (Reporters Without Borders’ World Press
Schlangenadler mit zwei Paaren, Sakerfalke, Wander-               obwohl die Gesetzgebung des Gebietes dies innerhalb            Freedom Index) auf Platz 100 von 180 Ländern, hat
falke mit drei Paaren, Auerhuhn, Haselhuhn, Stein-                der Schutzgebietsgrenzen strikt verbietet. Seit dem Be-        seitdem Plätze verloren und liegt in der EU an letzter
huhn, Wachtelkönig, Waldschnepfe und Hohltaube.                   ginn der Bauaktivitäten gab es in Bansko durch den             Stelle (2014 Ungarn Platz 64, Serbien 54) (Quelle: ht-
                                                                  Fluß Glazne schwere Überflutungen durch die illegalen           tps://advox.globalvoices.org/2015/02/04/thecollap-
                                                                  Eingriffe.                                                     se-of-media-freedom-in-bulgaria/).

                                                                  Im Dezember 2017 änderte die bulgarische Regierung                 Schenken wir dem UNESCO Weltnaturerbe Pirin Na-
                                                                  die Gesetzgebung um den Nationalpark ganz ohne                     tionalpark mit seinen zwei Naturreservaten der IUCN
                                                                  Vorwarnung, um die industrielle Holznutzung und                    Kategorie I die internationale Aufmerksamkeit, die es
                                                                  den Bau von Straßen und Gebäuden innerhalb von                     verdient! Auf dass das Schutzgebiet mit seinen Altbe-
                                                                  50 % der Fläche des Schutzgebietes zu ermöglichen.                 ständen bzw. was davon übriggeblieben ist, erhalten
                                                                                                                                     bleibt!
                                                                  Dies führte zu einer Welle von Protesten gegen die
                                                                                                                                     Siehe auch: https://www.pirin.bg/, https://www.
                                                                  kontinuierlichen Manipulationen und Eingriffe im
                                                                                                                                     wildnisgebiet.at/weltnaturerbe-pirin-in-gefahr/, htt-
                                                                  Weltnaturerbe. Die Proteste wurden unterstützt durch
                                                                                                                                     ps://wilderness-society.org/pirin-is-in-danger-again/
                                                                  Ska Keller, der Vizepräsidentin der Grünen/EFA-Frak-
                      Neue Skiresorts entstehen im Schutzgebiet   tion im Europäischen Parlament. Im November 2017
                       (Quelle: forthenature.org/gallery/320/)    reichten der WWF und andere lokale NGOs eine Kla-                                                            Ingrid Kohl
                                                                                                                                                                            Wildnis NEWS       9
                                                                                                                                                                             Nr. 3 11/19
WILDNIS NEWS Nr. 3 11/2019 - Wie retten wir unsere Insekten? IUCN Kategorie I Gebiet Pirin in Gefahr Die Rolle des Buchdruckers im Waldökosystem ...
sind sie vor Bruch ebenso geschützt wie vor zu tiefen
               LATSCHEN                                            Temperaturen. Und sie können durch Wurzelbildung
                                                                   an ihren Sprossen weite Ausläufer bilden. Allzu lange
D    urch ihre eigenartige Wuchsform und ihre weite
     Verbreitung – vornehmlich über der Baumgrenze
– zählt die Latsche, Pinus mugo, für jeden Bergfreund
                                                                   Schneebedeckungen eignen sich jedoch nicht für Lat-
                                                                   schen, denn als immergrüne Nadelhölzer sind sie vom
                                                                   Schwarzen Schneeschimmel bedroht. Immerhin sollen
zu den geläufigsten Gehölzen. Auch ihr deutscher
                                                                   ihre 3 bis 5 cm langen Nadeln bis zu einem Jahrzehnt
Name ist leicht zu merken, denn 'Latschen' nennen wir
                                                                   lang assimilieren können, bevor sie abgeworfen werden.
umgangssprachlich auch ausgetretene Schuhe sowie
                                                                   An feuchten Nordhängen werden deshalb Latschen oft
eine Gangart, die ebenso krumm und weich ist wie die
                                                                   vom ähnlich wachsenden Grünerlengebüsch abgelöst.
Zweige unseres Strauchs.
                                                                   Und in unserem für den Alpennordrand typischen nie-
                                                                   derschlagsreichen Gebiet kann sogar die Buche als do-
Ebenso treffend ist die Bezeichnung 'Legföhre'. Im-                minierende Baumart in sonnseitigen Lawinenstrichen
merhin ist diese auch als Bergkiefer bezeichnete Art                                                                                         Die bereits einjährigen Zapfen benötigen noch einen zweiten
                                                                   ausgedehnte Legbuchenbestände bilden.                                                      Sommer, bis sie reif sind ©Werner Gamerith
die einzige innerhalb der Gattung Föhre, die keine auf-
rechte Baumform bildet, sondern wenige Meter hohes                 Krummholz ist für uns Menschen abweisend und                       von Falken oder Steinadlern und unzähligen Kleintie-
'Krummholz'. Wenn wir die rauen Standorte betrach-                 mühsam zu durchqueren. Deshalb bezeichnet man                      ren als Nahrungsrevier genutzt wird. Für die Gämsen
ten, die sie besiedelt – die subalpine Höhenstufe über             Latschenfelder zuweilen auch als Latschenfilz. Zur Ge-              bildet das Latschengebüsch den Kernlebensraum. Hier
dem hochmontanen Fichtenwald, in tieferen Lagen                    winnung von Weideland auf Almen, den in den Alpen                  finden sie gute Einstände, besonders wenn im Spät-
Lawinenbahnen, Hochmoore oder Kaltluftseen – er-                   einzigartigen Kulturlandschaften an der Baumgrenze,                frühling die Geißen ihre Kitze führen.
kennen wir unschwer ihre erfolgreiche Überlebensstra-              wurden und werden sie seit Jahrhunderten zurückge-
tegie.                                                             drängt. Dadurch entstand ein parkartiges Mosaik aus                Wie alle Nadelhölzer sind die Legföhren Windbestäu-
                                                                   nahrhaftem Grün- und schützendem Buschland, das                    ber. Nicht in jedem Jahr blühen sie. Dann erscheinen
Ihre elastischen Triebe werden von ruhenden oder                   neben dem Weidevieh auch vom Haarwild, von Vögeln                  im Frühling an der Basis von Langtrieben zahlreiche
bewegten Schneelasten zu Boden gedrückt. Dadurch                   wie Ringdrosseln, Birk- und Schneehühnern, aber auch               männliche Blütenzapfen, denen an den Triebenden in
                                                                                                                                      weitaus geringerer Zahl rot gefärbte weibliche Blüten-
                                                                                                                                      stände gegenüberstehen. Bei trockenem Wind schwe-
                                                                                                                                      ben ganze Wolken von Blütenstaub über den Latschen-
                                                                                                                                      feldern. Es braucht jedoch zwei bis drei Bergsommer,
                                                                                                                                      bis sich die 1 cm großen weiblichen Blütenstände zu
                                                                                                                                      etwa 5 cm großen reifen Zapfen entwickelt haben.

                                                                                                                                      Solche Anpassungen an die kurze Vegetationsperio-
                                                                                                                                      de verdienen unsere Bewunderung. Von allen größe-
                                                                                                                                      ren Holzgewächsen steigt die lichtbedürftige Latsche
                                                                                                                                      am weitesten in die subalpine Stufe hinauf. Noch weit
                                                                                                                                      oberhalb der letzten Wetterfichten bildet die Latsche
                                                                                                                                      mit Hochstauden, Alpenrosen und weiteren Zwerg-
                                                                                                                                      sträuchern die höchstgelegene Waldgesellschaft unserer
                                                                                                                                      europäischen Gebirge.

  Gämsen bewegen sich auch in Latschen mühelos. Zum Säugen ihrer           Die bereits einjährigen Zapfen bläst der Wind Wolken von
        Kitze suchen die Geißen eine Wiese auf ©Werner Gamerith          Blütenstaub aus den männlichen Blüten ©Werner Gamerith                                        Werner Gamerith
        Wildnis NEWS
 10     Nr. 3 11/19
Die Mitarbeiterinnen
         und Mitarbeiter der
Wildnisgebietsverwaltung Dürrenstein
wünschen allen Leserinnen und Lesern
         der WildnisNews
   ein gesegnetes Weihnachtsfest
                 und
   alles Gute für das Jahr 2020!

                                       Wildnis NEWS   11
                                        Nr. 3 11/19
Die Veränderung der Lebensraumbedingungen durch
                DIE ROLLE DES BUCHDRUCKERS                                                                                           Buchdruckerbefall hat häufig einen Anstieg im Arten-
                                                                                                                                     reichtum zur Folge. Die Anzahl verschiedener Gefäß-
                     IM WALDÖKOSYSTEM                                                                                                pflanzen steigt bei Erhöhung des Lichteinfalls auf den
                                                                                                                                     Waldboden umgehend an und damit auch die Vielfalt
                                                                                                                                     an Insekten (z. B. blütenbesuchende Schmetterlinge).
B    orkenkäferbefall gehört zu den natürlichen bioti-
     schen Störungsereignissen in Nadelwäldern. Welt-
weit gibt es ca. 6000 Arten von Borkenkäfern (Scolyti-
                                                             Käfer nur in kränkelnden oder absterbenden Bäumen
                                                             günstige Entwicklungsbedingungen vor.                                   Für die Fichte selbst werden durch kleinflächiges Ab-
                                                                                                                                     sterben der Altbäume ideale Verjüngungsmöglichkei-
nae aus der Familie der Curculionidae), in Europa sind       Der Buchdrucker spielt für den Nährstoffkreislauf des                   ten geschaffen. Daher stammt der plakative Ausdruck
es ca. 150 Arten an verschiedenen Baumarten. Bekannt         Waldes eine wichtige Rolle, da befallene Bäume schnel-                  „Walderneuerer“ für der Buchdrucker.
ist neben dem Kupferstecher (Pityogenes chalcographus)       ler absterben und die organische Substanz abgebaut
vor allem der Buchdrucker (Ips typographus), weil er der     werden kann. Die Elimination von abwehrschwachen                        Abgestorbene Bäume bieten Lebensraum für eine Viel-
wichtigste Schädling in Fichtenwäldern ist. Das The-         Baumindividuen wirkt sich insgesamt positiv auf die                     zahl holzbewohnender Pilze und Insekten. Auch Vögel
ma Borkenkäfer ist ein strittiges und emotionales von        Vitalität des Fichtenwaldes aus.                                        wie der Habichtskauz profitieren vom Borkenkäferbe-
dem viele Waldbesitzer hilflos betroffen sind während                                                                                 fall, da Waldstücke aufgelichtet werden, was die Jagd
in Nationalparken und im Wildnisgebiet Dürrenstein                                                                                   auf Mäuse erleichtert. Des Weiteren eignen sich abge-
Vermehrungen stattfinden, die niemand zu bremsen                                                                                      storbene Bäume als Bruthöhlen, nicht nur für Eulen,
versucht. Das sorgt für Unverständnis. Doch es ist für                                                                               sondern auch für viele andere Vogelarten.
das Management und die Bekämpfung des Buchdru-
ckers wichtig, seine Biologie und Rolle im Waldökosys-                                                                               Zu den natürlichen Feinden des Buchdruckers gehö-
tem zu erforschen und das kann man gut in Gebieten,                                                                                  ren parasitische Wespen, v.a. Brack- und Erzwespen
in denen der Mensch sich zurücknimmt und natürliche                                                                                  (Hymenoptera), räuberische Fliegen (Diptera) und Kä-
Prozesse, wie eben Vermehrung und Befall, zulässt und                                                                                fer (Coleoptera). Hier ist im Besonderen der Ameisen-
beobachtet. Kein Parasit hat jemals den Fehler began-                                                                                buntkäfer (Thanasimus formicarius) aus der Familie
gen seinen Wirt auszurotten, ohne mit seinem eigenen                                                                                 der Buntkäfer (Cleridae) zu nennen. Diese vertilgen
Verschwinden dafür bezahlen zu müssen. Der Buch-                                                                                     als adulte Käfer mehrere Buchdrucker pro Tag, und als
drucker ist nicht der Feind der Fichte, der Killer, wie es                                                                           Larve stellen sie sehr effizient den Buchdrucker-Larven
gerne dargestellt wird. Es lohnt sich, den Buchdrucker                                                                               im Gangsystem nach.
einmal nicht in seiner Rolle als gemeinen Schädling zu
sehen, sondern seine Rolle im Waldokösystem zu be-                                                                                   Als Räuber spielen auch Spechte (Picidae) eine Rolle,
trachten.                                                                                                                            vor allem der Dreizehenspecht (Picoides tridactylus).

Der Buchdrucker und dessen Wirtsbaumart, die Ge-                                                                                     Schneller als Räuber können parasitische Milben (Aca-
meine Fichte (Picea abies), haben sich im Laufe der                                                                                  ri) und Fadenwürmer (Nematoda) auf die Dichtezu-
Evolution aneinander angepasst, diese Störungsregime                                                                                 nahme der Buchdrucker reagieren und daher tragen sie
gehören daher zur natürlichen Dynamik fichtenrei-                                                                                     zu deren Rückgang bei. Aber auch Bakterien, Einzeller
cher Waldökosysteme. Buchdrucker sind in der Lage,                                                                                   und Pilze (vor allem die Gattungen Beauveria und Pae-
das Abwehrsystem von Fichten zu überwinden, da sie                                                                                   cilomyces) sind häufige Krankheitserreger des Buchdru-
Rindeninhaltsstoffe zur Herstellung von Aggregations-         Abgestorbene Fichten im Wildnisgebiet. Totholz bietet einer Vielzahl   ckers. Die Ausbreitung vieler dieser Gegenspieler geht
                                                             von Folgeorganismen Lebensraum, wie zum Beispiel diesem Holzzer-        von den Käfer-Brutsystemen aus, in denen sie sich ent-
pheromonen nutzen, mit denen sie innerartlich kom-           setzenden Pilz. Wer hier die Vegetation anschaut, findet Verjüngung
munizieren können. Damit können sie in hoher Dichte            von Fichten, Tannen und Buchen, den Baumarten der natürlichen         wickeln, also aus dem stehenden und später liegenden
angreifen. Ist die Populationsdichte gering, finden die                                      Waldgesellschaft © Werner Gamerith       Holz der abgestorbenen Fichten, das im Wirtschafts-

       Wildnis NEWS
 12    Nr. 3 11/19
Ameisenbuntkäfer (r) verfolgt Buchdrucker (l). Einer der vielen natürlichen Feinde des Buchdruckers, der im
                                              Wildnisgebiet in hohen Dichten auftritt. © Josef Pennerstorfer

wald auch dann oft noch beseitigt wird, wenn der Buchdrucker schon ausgeflogen ist
und diese Maßnahme kontraproduktiv geworden ist.

Borkenkäfer sind natürlicher Bestandteil vom Waldökosystem und der Befall wird durch
seinen Gegenspielerkomplex reguliert. Ein naturnaher oder Naturwald bietet dem
Buchdrucker nicht so günstige Bedingungen für Massenvermehrungen, wie er sie in
vielen Wirtschaftswäldern vorfindet. Wo im gleichaltrigen Reinbestand standortsunan-
gepasste und genetisch verarmte Fichten auf den falschen Böden stocken, ist der Buch-
drucker ein großes Problem. Diese Situation hat sich durch den Klimawandel in den
letzten Jahren noch enorm verschärft, weil tockengestresste Bäume wehrloser sind und
häufiger und stärkere Stürme auftreten, die so viel Brutmaterial zur Verfügung stellen,
dass Massenvermehrungen unvermeidlich sind. Aus der Erforschung des Buchdruckers
in unberührten Wäldern, wie im Wildnisgebiet, lassen sich wertvolle Erkenntnisse ge-
winnen, die für das Management von Wirtschaftswäldern von großer Bedeutung sind.

                                                                         Maria von Rochow
                                                                                                               Wildnis NEWS   13
                                                                                                                Nr. 3 11/19
Partner des Wildnisgebiets Dürrenstein:

                       Elektrotechnik    Heizung    Klima   Lüftung    Sanitär
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                                                                                                                 FILM            FILM       ABO
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Wildnisgebiet Dürrenstein, Brandstatt 61, A-3270 Scheibbs,
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Redaktion: DI Werner Gamerith, Dr. Ingrid Kohl,
DI Dr. Christoph Leditznig, Mag. rer. nat. Laura Pabst, Rein-             durch einen jährlichen Beitrag von EUR
hard Pekny, Maria von Rochow, BSc., Nina Schönemann BSc.
Für den Inhalt verantwortlich: Nina Schönemann, BSc
Druck: Queiser GmbH, A-3270 Scheibbs                                      durch die Bestellung von

Fotos: Schutzgebietsverwaltung Wildnisgebiet Dürrenstein,
DI Werner Gamerith, Mag. rer. nat. Laura Pabst (Deckblatt),
Josef Pennerstorfer, Dr.
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