EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics

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EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
R I N
W IR B S SIK G E N
EU C H K L A

                     7/2018 Z Ü R I C H
        G R A M M 201
PRO· La Chaux-de-Fonds · Luzern
Gen f
EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
E N T- C L A S S I C S
                                                                                                         LT  U R P  R O Z
                                                                                              MIGROS-K2U018 in der Maag-Halle Zürich
                                                                                                            7/
                                                                                              Pr ogr amm 201

                                                                                               Dienstag, 24. Oktober 2017 – Abo I     Samstag, 24. März 2018 – Abo II
                                                                                               TSCHECHISCHE PHILHARMONIE              Sonntag, 25. März 2018 – Zürich
                                                                                               Jiří Bělohlávek (Leitung)              Spezialkonzert
                                                                                               Truls Mørk (Violoncello)               BBC SYMPHONY ORCHESTRA
                                                                                               → Seite 10                             Sakari Oramo (Leitung)
                                                                                                                                      Vilde Frang (Violine)
                                                                                               Dienstag, 14. November 2017 – Abo II   → Seite 30
                                                                                               SPANISCHES NATIONALORCHESTER
                                                                                               David Afkham (Leitung)                 Dienstag, 8. Mai 2018 – Abo I
                                                                                               Javier Perianes (Klavier)              MARIINSKY ORCHESTRA
                                                                                               → Seite 16                             Valery Gergiev (Leitung)
Inhaltsverzeichnis                                                                                                                    → Seite 36
                                                                                               Mittwoch, 24. Januar 2018 – Abo I
Migros-Kulturprozent-Classics . . . . . . . . . . . . .                                   3    MAHLER CHAMBER ORCHESTRA               Samstag, 9. Juni 2018 – Abo II
Vorwort  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .      4–5    Daniele Gatti (Leitung)                WIENER SYMPHONIKER
Zum Programm  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                         6–7    → Seite 24                             Philippe Jordan (Leitung)
Ein nachhaltiges Engagement      . . . . . . . . . . . . .                                8                                           Gautier Capuçon (Violoncello)
Unsere Solistinnen und Solisten von morgen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                  9                                           → Seite 42
Konzert 1: Tschechische Philharmonie  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   10–15
Konzert 2: Spanisches Nationalorchester  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .              16–23
Konzert 3: Mahler Chamber Orchestra  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .    24–29
Konzert 4: BBC Symphony Orchestra  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                 30–35
Konzert 5: Mariinsky Orchestra  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                 36–41
Konzert 6: Wiener Symphoniker  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                  42–47
Abos und Karten      . . . . . . . . . . . . . . . .                                  48–49
Saalplan Maag-Halle Zürich  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                  50–51
Tourneen 2017/2018  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .     52–53
Extrakonzerte 2017/2018  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .       54

                                                                                                                                                                        3
EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
V O R W O R T
Sehr geehrtes Publikum

Musik begleitet uns – ob wir es wollen oder nicht – fast immer und überall. Menschen mit           Als privater Kulturförderer kann das Migros-Kulturprozent bei seinen eigenen Projekten
Kopfhörern sind aus dem öffentlichen Raum nicht mehr wegzudenken. Was sie wohl hören, frage        bewusst inhaltliche Intendanzen unterstützen und somit klare Akzente setzen. Bereits Migros-
ich mich oft, wenn ich im Tram wippende Köpfe beobachte. Jedem seine eigene Musik,                 Gründer Gottlieb Duttweiler lancierte schnell und unbürokratisch eigene Projekte – wie die
wann sie gerade passt. Die Digitalisierung macht vieles möglich. Musik auf Abruf zum Beispiel.     1948 gegründeten Klubhauskonzerte (seit 2009 unter dem Namen Migros-Kulturprozent-Classics
Wir hören auf Internetplattformen unseren Mix der Woche und entdecken laufend neue Kompo­          geführt) – mit dem Ziel, einer breiten Bevölkerung grosse klassische Orchester zu moderaten
sitionen. Wir sind es mittlerweile gewohnt, eine unendliche Fülle an Interpretationen direkt aus   Preisen zugänglich zu machen. Seit 1957 ist das Migros-Kulturprozent in den Statuten der Migros
dem Internet zu fischen. Wir konsumieren Musik über die verschiedensten Musikstile hinweg          verankert und hinsichtlich seiner Grösse und Vielfalt ein einzigartiges Konstrukt. Das kulturelle
und oft, ohne konzentriert hinzuhören.                                                             und soziale Engagement eines Unternehmens an den Umsatz zu knüpfen und nicht an den Gewinn,
                                                                                                   ist auch heute noch – weltweit – ein einzigartiges Fördermodell.
Meiner Meinung nach geht aber nach wie vor nichts über das musikalische Erlebnis auf der Bühne:
Interpretation, Nuancen, Zusammenspiel, Talent, Tagesform und Publikum: Diese Kombination          Musik begleitet uns durch das Leben, manchmal aus Kopfhörern und oft auch live in einem
lässt authentischen Genuss und ganz besondere Momente entstehen. Im Konzertsaal hat man            Konzert. Sie, wertes Publikum, zeigen uns, dass es sich immer wieder aufs Neue lohnt,
teil am Entstehen und Vergehen der Klänge, an der Unmittelbarkeit der Musik, der durchaus          eine Saison voller Klangerlebnisse zu programmieren. Wir freuen uns auch in der neuen
eine existenzielle Dimension anhaftet. Wie kaum eine andere Kunstform ist die Musik dazu           Saison auf Sie!
geeignet, in Gemeinschaft an einem Ort erlebt zu werden – sei dies in einem Konzertsaal oder
an einem Open-Air-Konzert.                                                                         Seien Sie musikalisch herzlich gegrüsst

Dem Migros-Kulturprozent ist es ein Anliegen, junge Musikerinnen und Musiker bei ihren ersten
Schritten auf der Bühne zu begleiten: Unsere Talentförderung ergänzen wir in dieser Saison
mit einem neuen Format. Die Reihe «Unsere Solistinnen und Solisten von morgen» ermöglicht es
Ihnen, wertes Publikum, junge, in der Schweiz lebende Musikerinnen und Musiker zu entdecken.
Wir lancieren diese Reihe in der Überzeugung, dass Künstlerinnen und Künstler die Chance
brauchen, aufzutreten und so nachhaltige Erfahrungen zu sammeln. Musikerinnen und Musiker,
die sich durch ein besonders grosses solistisches Potenzial auszeichnen, können so ihre Konzert­
erfahrung erweitern und ihren Bekanntheitsgrad steigern. Manche internationale Karriere hat mit                             Hedy Graber
der Unterstützung durch das Migros-Kulturprozent ihren Anfang genommen. Mit «Unsere                                         Leiterin Direktion Kultur und Soziales
Solistinnen und Solisten von morgen» verstärken wir unser Engagement im Nachwuchsbereich.                                   Migros-Genossenschafts-Bund

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EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
G R A M M
Z U M P RO
Sehr geehrtes Publikum
Liebe Klassikfreunde

Ich freue mich, Ihnen unsere Konzerte der neuen Saison 2017/2018 vorstellen zu dürfen.         Lassen Sie sich mitreissen und inspirieren von grossartigen Dirigenten wie, Christian Thielemann,
                                                                                               Jiří Bělohlávek, Daniele Gatti, Valery Gergiev oder Philippe Jordan. Fiebern Sie mit, wenn
Es erwarten Sie musikalische Begegnungen und Entdeckungen mit zeitlosen Meisterwerken          wunderbare Solistinnen und Solisten wie Truls Mørk, Vilde Frang, Denis Mazuev oder Gautier
der klassischen Musik, gespielt von den führenden Orchestern, Dirigenten und Solisten der      Capuçon ihre musikalischen Hochseilakte aufführen.
heutigen Zeit.
                                                                                               Aber nicht nur die etablierten klassischen Musikerinnen und Musiker sind bei uns zu Gast.
Es sind nicht nur hervorragende Dirigenten und Instrumentalisten, sondern – und dies ist für   In der neuen Reihe «Unsere Solistinnen und Solisten von morgen» werden auch junge hochbegabte
diese Kunstform essentiell – Interpreten, welche sich stets bemühen, die von den Komponisten   Förder­preisträgerinnen und Förderpreisträger des Migros-Kulturprozent in kurzen Rezitals
kunstvoll in Noten gefassten Gedanken und Emotionen stets aufs Neue zum Leben zu erwe-         in Zürich und Luzern zu entdecken sein. Erleben Sie die kommenden Interpreten, welche mit
cken. Wie Regisseure suchen sie nach zeitgemässen Deutungen des Notentextes, weisen den        Sicherheit dafür sorgen werden, dass die klassische Musik auch in Zukunft lebendig und von
Themen, Melodien und Rhythmen Charaktere und Stimmungen zu und versuchen, Sie, verehrtes       zeitloser Schönheit bleibt.
Publikum, in den Bann des musikalischen Geschehens hineinzuziehen.
                                                                                               Ich wünsche Ihnen herzlich inspirierende Musikerlebnisse in unseren Konzerten.
Um diesen Bemühungen gerecht zu werden, braucht es sorgfältig gewählte, aufeinander abge­
stimmte Konzert-Programme, welche den Interpreten eine grösstmögliche Gestaltungsfreiheit
bieten und gleichzeitig mannigfaltige harmonischen Spannungsbögen für die Zuhörer schaffen.

Begleiten Sie uns auf den musikalischen Entdeckungsreisen durch tschechische, spanische,
englische, österreichische und russische Klangwelten und Traditionen mit der Tschechischen
Philharmonie, dem Spanischen Nationalorchester, dem Mahler Chamber Orchestra, dem BBC                                   Mischa Damev
Symphony Orchestra aus London, den Wiener Symphonikern und dem Mariinsky Orchestra                                      Intendant
aus Sankt Petersburg.                                                                                                   Migros-Kulturprozent-Classics

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EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
A C H H A LT  I G  E    S                                                                            E S O  L I S T I N N E N
E I N N                                                                                             U N S E R                    N  M O RGE N
          E M E N T                                                                                             I S T E  N  V  O
E NG A  G
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                                     alen t e d
                                               pr o z en t                                          U ND S OL
    Die
Talentwettbewerbe                                                                                   In der neuen Konzertserie präsentieren wir die besten Studien- und Förderpreisträger Musik
Das Migros-Kulturprozent fördert begabte Instrumentalmusiker/-innen und Sänger/-innen mit           des Migros-Kulturprozent. Entdecken Sie jeweils eine Stunde vor folgenden Migros-Kultur-
Studien- und Förderpreisen. Dank den Studienpreisen können sich diese auf ihre Aus- oder Weiter-    prozent-Classics-Konzerten unsere Solisten von morgen in einem halbstündigen Rezital:
bildung konzentrieren. Die Förderpreise begleiten sie auf nachhaltige Weise auf ihrem Weg           22.10.2017, 30.11.2017, 23.1.2018 und 31.5.2018 in Luzern, 24.10.2017, 24.3.2018 und 9.6.2018
von der Schule in den Beruf. Sie beinhalten Massnahmen wie die Aufnahme in die Konzertvermitt-      in Zürich. Ihr Abonnement oder Ihre Konzertkarte berechtigt zum kostenlosen Eintritt.
lung, die Aufschaltung eines Profils auf der Online-Talentplattform des Migros-Kulturprozent und
die Unterstützung bei der Promotion. Ziel ist es, Nachwuchstalenten einen optimalen Karrierestart
zu ermöglichen.
www.migros-kulturprozent.ch/talentwettbewerbe
www.migros-kulturprozent.ch/talente-entdecken

                                                                                                                                            Besenv al
                                                                                                                                              © Gabrielle
Kammermusik-Wettbewerb

                                                                                                       Bur st
                                                                                                        © Lauren t
Alle zwei bis drei Jahre veranstaltet das Migros-Kulturprozent einen öffentlichen Kammermusik-                                                                                   ichaud
                                                                                                                                                 Valentine M
wettbewerb zur Förderung junger Kammermusik-Ensembles. Die drei Finalisten-Ensembles werden                Laura Schm
                                                                                                                      id

                                                                                                                                                                                                rkus
                                                                                                                                                                                                © Ver a Ma
in die Konzertvermittlung des Migros-Kulturprozent aufgenommen. Das Preisträger-Ensemble

                                                                                                                                                        zil
                                                                                                                                                            © Amélie Kor
erhält zudem ein Preisgeld von 10 000 Franken sowie die Ernennung zum «Migros-Kulturprozent-
Ensemble». Diese Auszeichnung beinhaltet ein umfassendes Förderpaket.
www.migros-kulturprozent.ch/kammermusikwettbewerb

Konzertvermittlung                                                                                                                                                                                                           ier Poizat
                                                                                                                                                                                                             François-X av
Das Migros-Kulturprozent übernimmt im Rahmen seiner Konzertvermittlung zwei Drittel des                                                                                    Eduard Mät
                                                                                                                                                                                        zener

Honorars von ausgewählten Studienpreisträgern/-innen und Kammermusik-Ensembles. Damit
ermöglicht es den Konzertveranstaltern/-innen, zu bescheidenen Konditionen qualitativ anspruchs-
volle Konzerte mit Schweizer Musiktalenten anzubieten. Die Musikerinnen und Musiker ihrerseits
können so ihre Konzerterfahrung erweitern und ihren Bekanntheitsgrad erhöhen.
www.migros-kulturprozent.ch/konzertvermittlung

                                                                                                                                                                                                                                rber
                                                                                                                                                                                                                 Joel von Le

                                                                                                                                    htrio
                                                                                                                     Orion Streic
8                                                                                                                                                                                                                                         9
EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
Konzert 1 – Abonnement I
                                                         Spieldauer inkl. Pause ca. 110 Minuten

                                               Maag-Halle Zürich Tschechische Philharmonie
                               Dienstag, 24. Oktober 2017, 19.30 Uhr Jiří Bělohlávek (Leitung)
                               		 Truls Mørk (Violoncello)

                                                                       Programm

                                              Leoš Janáček (1854–1928)
                                   Ouvertüre «Eifersucht» zur Oper «Jenůfa»

                                            Antonín Dvořák (1841–1904) Allegro
                                       Konzert für Violoncello und Orchester Adagio, ma non troppo
                                                         Nr. 2 h-Moll op. 104 Finale. Allegro moderato

                                                                         Pause

                                         Antonín Dvořák Allegro con brio
                                Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 Adagio
                               		                           Allegro grazioso – Molto vivace
                               		 Allegro, ma non troppo
                  © Johs Boe

     Truls Mørk

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EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
PR O G R A M M                                                                                         Orchester durchzusetzen. Und doch
                                                                                                       liegen Schatten von Melancholie über
Ko n z e r t 1                                                                                         dem Werk. Während der Arbeit am
                                                                                                       2. Satz erfuhr Dvořák von der schweren
                                                                                                       Erkrankung seiner Schwägerin Josefina,
                                                                                                       die er als junger Mann geliebt hatte.
Leoš Janáček (1854–1928)                           Immer wieder rollen die Wellen der Emotionen        Daraufhin verwendete er die Melodie
Ouvertüre «Eifersucht» zur Oper                    aus der Tiefe des Orchesters an, werden besänf-     ihres Lieblingslieds «Lasst mich allein» aus
«Jenůfa»                                           tigt, peitschen erneut in die Höhe. Auch an kon-    dem Zyklus «Zypressen» als Seitenthema.
Mit der Prager Erstaufführung von «Jenůfa» 1916    kreter Klangmalerei mangelt es nicht, etwa          Als Josefina wenige Monate später starb,
gelang Leoš Janáček endlich der ersehnte Durch-    wenn die Geigen das Flimmern der Hitze und das      baute er ein entsprechendes Zitat auch in
bruch als Komponist – im Alter von 62 Jahren.      Summen von Fliegen nachgestalten.                   das Finale ein – gegen den Willen des Wid-
Seit ihrer Premiere im Jahr 1904 war die Oper                                                          mungsträgers Wihan, der sich zum Abschluss
nur im mährischen Brünn gegeben worden. Die        Antonín Dvořák (1841–1904)                          eine virtuose Solokadenz gewünscht hatte.
Entstehung des Werks lag noch einmal deut-         Konzert für Violoncello und Orchester
lich länger zurück: Erste Entwürfe datieren von    Nr. 2 h-Moll op. 104                                Antonín Dvořák (1841–1904)
1894, abgeschlossen wurde es aber erst 1903.       Im Vergleich zu seinen Sinfonien, Orchesterstü-     Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88
Innerhalb dieses Reifeprozesses hatte Janáček      cken oder Opern hat sich der Böhme Antonín          Wie aus dem Nichts erschien Antonín Dvořák
zu einem eigenen Stil gefunden, der sich durch     Dvořák der Gattung des Solokonzerts eher sel-       1878 auf der Musikbühne Europas und eroberte
eine Kombination volkstümlicher und moderner       ten gewidmet: Lediglich drei Werke, für Klavier,    das Publikum mit seinen slawisch grundierten
Elemente auszeichnet und von der tschechi-         Violine sowie Violoncello, stammen aus seiner       Werken im Handumdrehen. Festlegen lassen
schen Sprachmelodie geprägt ist. Dies gilt auch    Feder. Dafür gelang es ihm mit dem in den USA       auf das Klischee des «böhmischen Musikanten»
für das Vorspiel zu «Jenůfa», das Janáček schon    entstandenen op. 104, die bis dahin spärliche       wollte er sich aber nicht, wie das Beispiel seiner                                       Antonín Dvořák
1894 schrieb, dann aber verwarf und separat        Literatur für Cello um einen kanonischen Beitrag    grimmigen 7. Sinfonie zeigte. In der 1889 kom-
zur Aufführung brachte. Im Rückblick wirkt es      zu bereichern – und das trotz persönlicher Vor-     ponierten Achten dominierten dann wieder die          wegs der «Bauchmusiker», als der er vielen galt,
wie eine kompositorische Einstimmung auf das       behalte gegen das Instrument. Inspiriert wurde      nationalen Tonfälle – Grund für ihre Beliebtheit      sondern ein Künstler, der solche Folklorismen
Hauptthema der Oper, Eifersucht (tschechisch:      Dvořák durch das 1894 in New York urauf­            bis heute. Allerdings ist das tschechische Kolo-      dosiert und gezielt einsetzte. Auch die vielfäl­
«Žárlivost»). In «Jenůfa» ist es der junge Laca,   geführte Cellokonzert seines Kollegen Victor        rit ein geborgtes: Vom melancholischen Beginn         tigen Abweichungen vom klassischen Formen-
der seine Geliebte aus Eifersucht misshandelt,     Herbert. Noch im selben Jahr machte er sich an      über den vexierbildartigen langsamen Satz bis         arsenal in der Achten sind Ergebnis bewusster
am Ende aber treu zu ihr steht. Für das Vorspiel   ein eigenes Werk, das er dem Cellisten des          zum überschäumenden Finale wählt Dvořák               Planung: Im 1. Satz etwa wird die Überfülle
wiederum gab es eine konkrete Inspirations-        ­Böhmischen Quartetts, Hanuš Wihan, widmete.        keine originalen Volksmelodien, sondern ahmt          melodischer Einfälle durch das genau austa-
quelle, das mährische Volkslied vom sterbenden      Das h-Moll-Konzert, in traditioneller Dreisät­     diese in Tonfall und Struktur nach. Im Scherzo        rierte Verhältnis von Dur- und Moll-Passagen
Hirten, der seine Braut mit in den Tod nehmen       zigkeit angelegt, zeigt das Soloinstrument nicht   unterläuft er sogar die Hörerwartungen, indem         aufgefangen. Und im Finale durchdringen sich
möchte, damit sie kein anderer bekommt.             nur von seiner gesanglichen Seite, sondern auch    statt eines rustikalen Volkstanzes ein wehmüti-       so unterschiedliche Formkonzepte wie Rondo,
Janáček übernahm einzelne Motive des Lieds,         als energiegeladenen, selbstbewusst auftrump-      ger Walzer erklingt; erst in der Coda blitzt ganz     Sonatensatz und Variationenzyklus, bevor die
überformte und erweiterte sie zu einer Ton-         fenden Charakter. Mit kraftvollen Gesten vermag    kurz ein echtes Volkslied auf, allerdings versteckt   Wiederkehr der einleitenden Trompetenfanfare
dichtung von grosser Plastizität und Intensität.    es sich immer wieder gegen das stark besetzte      in Oboen und Fagotten. Dvořák war also keines-        für eine Rundung des Geschehens sorgt.

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EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2017/2018 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
INTE R P R E T E N                                                                                    Jiří Bělohlávek
                                                                                                      Als der 22-jährige Jiří Bělohlávek Assistent von      scher Komponisten setzten Massstäbe, v. a.
Ko n z e r t 1                                                                                        Sergiu Celibidache wurde, schien sein Aufstieg        die Einspielungen mit Werken Janáĉeks und
                                                                                                      in die internationale Dirigentenszene vorgezeich-     Martinůs geniessen Referenzstatus. Besondere
                                                                                                      net. 1968 war das, und prompt folgten diverse         Erfolge feierte der 1946 geborene Dirigent in
                                                                                                      Preise bei Wettbewerben, 1972 die erste Chef-         England: Hier leitete er jahrelang das BBC Sym-
                                                                                                      dirigentenstelle in Brünn, später der Wechsel         phony Orchestra, das ihn mittlerweile zum Ehren-
                                                                                                      nach Prag zu den Symphonikern. 1990 trat              dirigenten ernannte. 2007 gestaltete er als erster
Tschechische Philharmonie                                                                             Bělohlávek die Nachfolge des legendären Václav        Nichtengländer die Last Night of the Proms.
Auf eine lange und wechselvolle Geschichte         wechselbaren, samtig-weichen Gesamtklangs.         Neumann bei der Tschechischen Philharmonie            Bělohlávek ist nicht nur Träger des Tschechischen
kann die Tschechische Philharmonie zurückbli-      In den vergangenen Jahren gab es reichlich         an, zu der er 2012 erneut als Chefdirigent zurück-    Ehrenkreuzes, sondern wurde 2012 auch zum
cken. Ihr Premierenkonzert im Jahr 1896 wurde      Preise für CD-Einspielungen, darunter mehrere      kehrte. Seine Aufnahmen mit Musik tschechi-           Commander of the British Empire ernannt.
von keinem Geringeren als Antonín Dvořák ge-       Grand Prix du Disque und eine Grammy-Nomi-
leitet. Eigenständigkeit erlangte das Orchester    nierung. Regelmässig wird die Tschechische         Truls Mørk
aber erst fünf Jahre später, als man sich orga-    Philharmonie unter die besten Orchester Euro-      Klavier, Violine oder doch Cello? Das war zu          Wettbewerb in Moskau erfolgreich, siegte in
nisatorisch vom Prager Nationaltheater löste.      pas gewählt. Zu ihren Chefdirigenten gehörten      Beginn von Truls Mørks musikalischem Werde-           Florenz und New York. Seither legte er für das
Vor allem seit der Ägide von Václav Talich         Persönlichkeiten wie Václav Neumann, Vladimir      gang eine offene Frage. Und auch nach der Ent-        gesamte Cello-Repertoire Referenzaufnahmen
(1919–41) gilt die Tschechische Philharmonie mit   Ashkenazy und Eliahu Inbal; ihr aktueller Leiter   scheidung zugunsten des Cellos wurde der junge        vor, seine Einspielung der Solo-Suiten von
Sitz im Prager Rudolfinum als führendes Sinfo-     ist der Tscheche Jiří Bělohlávek.                  Mann aus Bergen von seinen Eltern, beide              Benjamin Britten wurde mit einem Grammy
nieorchester des Landes, auch dank ihres unver-                                                       Berufsmusiker, keineswegs gedrängt, in ihre           belohnt. Nach einem Zeckenbiss 2009 schien
                                                                                                      Fussstapfen zu treten. Damit fusst Mørks einzig-      seine Laufbahn gefährdet, bis er Ende 2010 ge-
                                                                                                      artige Karriere, die eher spät begann, auf freiem     heilt auf die Konzertbühne zurückkehrte. Berühmt
                                                                                                      Willen, auf einer Liebe zur Musik, die sich um bio-   ist Mørk für sein gesangliches Spiel – nicht
                                                                                                      grafische Hürden wenig schert. Als erster skan-       umsonst nennt er den Bariton Dietrich Fischer-
                                                                                                      dinavischer Musiker war er beim Tschaikowski-         Dieskau als eines seiner künstlerischen Vorbilder.

                                                                                                                                            Truls Mørk
                                                                                                                   ek
                                                                                                      Jiří Bělohláv

                                                                     Philharmonie
14                                                    Tschechische                                                                                                                                         15
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Konzert 1 – Abonnement II
                                                            Spieldauer inkl. Pause ca. 110 Minuten
© Felix Broede

                                                      Maag-Halle Zürich Spanisches Nationalorchester
                                    Dienstag, 14. November 2017, 19.30 Uhr David Afkham (Leitung)
                                    		 Javier Perianes (Klavier)

                                                                         Programm

                                    Maurice Ravel (1875–1937) Prélude à la nuit. Très modéré
                                         «Rhapsodie Espagnole» Malagueña. Assez vif
                                    		                         Habanera. Assez lent et d’un rythme las
                                    		                         Feria. Assez animé

                                    Manuel de Falla (1876–1946) En el Generalife
                                    «Nächte in spanischen Gärten» Danza lejana
                                    		                            En los jardines de la Sierra de Córdoba

                                                                            Pause

                                        Claude Debussy (1862–1918) Par les rues et par les chemins
                                    Images pour Orchestre Nr. 2 «Ibéria» Les parfums de la nuit
                                    		 Le matin d’un jour de fête

                                               Igor Strawinsky (1882–1971)
                                                 Suite «Der Feuervogel» (1919)

                                m
                 David Afk ha

                 16                                                                                     17
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Kon z er t 2                                                                                             «Nächte in spanischen Gärten»                       tischer Instrumentierung. Der solistische Klavier-
                                                                                                          «Nächte in spanischen Gärten», Manuel de           part ist sehr brillant gehalten, aber stets in das
                                                                                                           Fallas wohl bekanntestes Orchesterwerk,           orchestrale Stimmengewebe eingebunden.
Maurice Ravel (1875–1937)                                                                                  gilt als Liebeserklärung des Komponisten
«Rhapsodie espagnole»                                                                                       an seine andalusische Heimat. Und das
Für Maurice Ravel war Spanien,                                                                              zu Recht, entstand der dreisätzige Zyklus
das Geburtsland seiner Mutter,                                                                               doch wesentlich in Paris! Hier, in der
eine Art Sehnsuchtsraum, Projek-                                                                             Metropole, «malte ich die spanischen
tionsfläche für ganz persönliche                                                                              Nächte vielleicht noch schöner, als sie
Bilder und Stimmungen. Bereits die                                                                             in Wirklichkeit sind», so de Falla rückbli-
1895 komponierte Habanera für                                                                                   ckend. Allerdings wäre das Stück ohne
zwei Klaviere, eines seiner frühen                                                                              die künstlerischen Anregungen, die de
Meisterwerke, setzt auf spanisches                                                                               Falla in Paris empfing, nie entstanden.
Kolorit, allerdings nur indirekt: Sie                                                                            Während er zuhause in Spanien mit
verzichtet auf Originalweisen, und                                                                                Missachtung gestraft wurde, bestärk-
selbst der berühmte Habanera-(Tango-)                                                                             ten ihn Kollegen wie Dukas und Ravel
Rhythmus droht hinter einem Schleier                                                                               auf seinem kompositorischen Weg.
von Triolen zu verschwinden. Das Stück                                                                             Ein weiterer Exilant, der Pianist
gehört zu einer Sammlung, der Ravel den                                                                             Ricardo Viñes, riet de Falla, das
vielsagenden Titel «Sites auriculaires»                                                                              ursprünglich für Klavier konzipierte
gab, auf Deutsch etwa «Erlauschte Land-                                                                              Material zu einem grossen sinfo-
schaften». Zwölf Jahre später ergänzte                                                                                nischen Werk auszuarbeiten. Zur
er die Habanera um drei weitere Spanien-                                                                              Uraufführung kam es erst 1916,
Sätze – eine Nachtszene, einen Flamenco-                                                                               sieben Jahre nach den ersten
artigen Tanz und ein rauschendes Fest –                                                                                Entwürfen. Stilistisch stellen die
zur «Rhapsodie espagnole» und orchest-                                                                          «Nächte in spanischen Gärten» eine
                                                                                     Maurice Ravel
rierte den Zyklus anschliessend. Mit diesem                                                          Mischung zwischen Klavierkonzert und Ton­
ersten Vorstoss in die Orchesterwelt der        deutlich. Durch spe­zifische Spieltechniken wie      dichtung dar, de Falla selbst bezeichnete sie
Spätromantik landete der 32-jährige Ravel       Glissandi, Flageoletts, Triller in extremen Lagen,   als «sinfonische Impressionen». Abgesehen von
einen beachtlichen Publikumserfolg und bewies   gezupfte oder gedämpfte Töne erzielt Ravel           ihren zum Teil konkret benannten Schauplätzen
ganz nebenbei erstaunliches instrumentatori-    eine räumliche Tiefe, wie sie kein Pianist erzeu-    (Granada, das Hinterland Córdobas), gibt es keine
sches Geschick. Die Ensemblefassung der         gen kann. Das Resultat sind differenzierteste        programmatischen Hinweise. Dass beim Hören
Rhapsodie lässt die ursprüngliche Klavierver-   Farbnuancen, ein unablässiges Schwanken des          dennoch sehr plastische, farben­reiche Bilder
sion nicht nur vergessen, sondern überflügelt   Klangbilds, vom fahlen Auftakt bis zum orgias-       entstehen, liegt an de Fallas fantasiereicher
sie in klanglicher wie emotionaler Hinsicht     tischen Rausch der Schlusstakte.                     Klangregie, einer Kombination von andalusischen

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PR O G R A M M
Kon z er t 2                                                                                          führen: «Gigues» nach England, «Ibéria» nach          die Gelegenheit und sagte sofort zu. Diaghilew
                                                                                                      Spanien, «Rondes de printemps» nach Italien. Das      und seine Mitstreiter, der Cho­reograf Michail
                                                                                                      längste und gewichtigste dieser drei «Images»         Fokin und der Kostümbildner Léon Bakst, hatten
Claude Debussy (1862–1918)                       allel an einem Klavier- und einem Orchester­         ist das mittlere, «Ibéria»; es hat sich auch – nach   Sujet und Handlung des Balletts bereits entwor-
Images pour Orchestre Nr. 2 «Ibéria»             zyklus, die beide diesen Titel tragen sollten. Die   einer höchst kontrovers verlaufenen Premiere –        fen. Sie bedienten sich dabei dreier Erzählungen
Bildhafte Überschriften finden sich in Claude    Fertigstellung des Orchesterwerks zog sich           als das bei weitem populärste erwiesen und            aus der berühmten Sammlung «Russische Volks-
Debussys Schaffen häufig, der allgemein gehal-   allerdings deutlich länger hin. Erst 1912 lagen      wird gern separat aufgeführt. «Ibéria» besteht        märchen»: Iwan Zarewitsch fängt den mythi-
tene Titel «Images» sogar mehrfach. Kurz nach    die insgesamt drei Stücke vor, die in jeweils        selbst wiederum aus drei Teilen, die ineinander       schen Feuervogel, schenkt ihm das Leben und
der Jahrhundertwende arbeitete Debussy par-      unterschiedliche musikalische Landschaften           übergehen: Auf eine Strassen- folgt eine Nacht-       besiegt mit seiner Hilfe den Zauberer Kastschei.
                                                                                                      szene, zuletzt dämmert ein Festtagsmorgen             Auf diese märchentypische Konstellation mit
                                                                                                      heran. Das gesamte Stück ist entscheidend vom         klarer Rollenverteilung von Gut und Böse, Hell
                                                                                     Claude Debussy   Rhythmus geprägt: Kastagnetten grundieren             und Dunkel antwortet Strawinsky mit einem
                                                                                                      das geschäftige Treiben in der Stadt («Par les        ähnlich klaren kompositorischen Rezept, das er
                                                                                                      rues et par les chemins»), während im Mittelteil      freilich bis ins Kleinste ausdifferenzierte: Iwan
                                                                                                      ein extrem verlangsamter Habanera-Rhythmus            und seine Braut werden durch diatonische Melo-
                                                                                                      durch die flirrende Atmosphäre schimmert («Les        dien charakterisiert, Kastschei durch Chromatik,
                                                                                                      parfums de la nuit»). Mit der Morgensonne zieht       der Feuer­vogel durch zusätzliche Intervalle.
                                                                                                      von ferne ein Marsch heran, um den herum sich         Ein Modell, das Strawinsky bei seinem Lehrer
                                                                                                      weitere folkloristische Einsprengsel gruppieren       Rimsky-Korsakow studiert hatte, wie auch die
                                                                                                      («Le matin d’un jour de fête»). Klangmalerei also     glänzende Instrumentierung dem Älteren ver-
                                                                                                      oder, um einen Begriff Debussys zu verwenden:         pflichtet ist. Weitere Vorbilder sind Tschaikowsky
                                                                                                      évocation. Er habe sich, schrieb der Komponist        (Figurenzeichnung) und Mussorgsky (der hym­
                                                                                                      anlässlich der Uraufführung, «bemüht, für das         nische Schluss). Harmonisch dagegen geht das
                                                                                                      Ohr die Eindrücke des Auges zu übersetzen».           Werk selbstbewusst neue Wege. Aus der Ballett­
                                                                                                                                                            musik stellte Strawinsky selbst 1919 eine Orches-
                                                                                                      Igor Strawinsky (1882–1971)                           tersuite zusammen .
                                                                                                      Suite «Der Feuervogel» (1919)
                                                                                                      Für den «Feuervogel» liess Igor Strawinsky
                                                                                                      sogar eine Oper liegen. Im Herbst 1909 hatte der
                                                                                                      junge Komponist gerade den 1. Akt der «Nach-
                                                                                                      tigall» nach Andersen beendet, als er ein Tele-
                                                                                                      gramm von Sergej Diaghilew erhielt, ob er ein
                                                                                                      Stück für dessen in Paris gastierende Ballett-
                                                                                                      kompanie schreiben wolle. Strawinsky, ausser-
                                                                                                      halb seiner Heimat noch völlig unbekannt, ergriff

20                                                                                                                                                                                                         21
IN T E R P R E T E N                                                                                   David Afkham
                                                                                                       David Afkham ist eine Ausnahmeerscheinung               der Ensembles, mit denen Afkham bereits gear-
Kon z er t 2                                                                                           unter den jungen Dirigenten der Gegenwart. Der          beitet hat, ist lang, sie reicht von den Philhar-
                                                                                                       1983 geborene Sohn eines Iraners und einer              monikern von Boston, Chicago und Los Angeles
                                                                                                       Deutschen lernte früh Klavier und Geige, errang         bis zum Philharmonia Orchestra in London, dem
                                                                                                       Preise beim Wettbewerb «Jugend musiziert»               Orchestre National de France und der Staats­
                                                                                                       und wurde mit 15 Jungstudent in seiner Heimat-          kapelle Dresden. 2013 dann der Ritterschlag, als
                                                                                                       stadt Freiburg. Diverse Stipendien und Aus-             das Spanische Nationalorchester den 30-Jähri-
Spanisches Nationalorchester                                                                           zeichnungen schlossen sich an, zudem assis-             gen zum Chefdirigenten kürte. Angst, dass diese
Aushängeschild und Flaggschiff der klassischen     Turinas und Halffters, die einem weltweiten         tierte er an mehreren europäischen Spitzen­             steile Karriere ihm zu Kopf steigen könnte,
Musikszene Spaniens – so liesse sich das Selbst-   Publikum in Konzerten und Aufnahmen nahe­           orchestern, darunter am Concertgebouw, wo               braucht man nicht zu haben: «Mir geht es immer
verständnis des Spanischen National­orchesters     gebracht wurden. Seit der Jahrtausendwende          Bernhard Haitink sein Mentor wurde. Die Liste           nur um die Musik.»
umreissen. Ein Kind des Bürgerkriegs, konnte es    wurde dieses Repertoire deutlich erweitert, etwa
erst nach 1940 seine reguläre Arbeit aufneh-       im Blick auf Uraufführungen und die Zusammen-       Javier Perianes
men. In der Folgezeit prägten vor allem einhei-    arbeit mit zeitgenössischen Komponisten. Der        Ein spanischer Pianist, der Schubert spielt?            Symphoniker von Chicago und Boston, Dirigen-
mische Dirigenten seinen Werdegang, darunter       nächste Schritt nach vorn erfolgte 2014 mit der     Und dafür höchstes Kritikerlob erhält? Javier           ten wie Daniel Barenboim, Zubin Mehta und
Jesús López-Cobos, Josep Pons sowie beson-         Berufung des jungen Deutschen David Afkham          Perianes gelang dieses Kunststück im Jahr 2008,         Daniel Harding. Natürlich ist ein wichtiges
ders Rafael Frühbeck de Burgos. Auch das           zum neuen Chefdirigenten, der fest entschlossen     als er eine CD mit Impromptus und Klavier­              künstlerisches Standbein weiterhin die Musik
Repertoire des Orchesters fokussierte sich auf     ist, das Orchester international als feste Grösse   stücken vorlegte. Seitdem war der 1978 gebo-            seines Heimatlandes, so macht sich Perianes
spanische Musik: auf Werke Rodrigos, de Fallas,    zu etablieren.                                      rene Anda­lusier auf den wichtigsten Konzert­           für die Werke eines Granados, Albéniz, für Kom-
                                                                                                       podien weltweit zu Gast, in der Wigmore und der         ponisten wie Frederic Mompou und Manuel
                                                                                                       Carnegie Hall ebenso wie in Berlin, Tokio und           Blasco de Nebra stark. Seine Einspielung des
                                                                                                       Shanghai, beim Lucerne Festival oder beim               vielleicht berühmtesten spanischen Orchester-
                                                                                                       Prager Frühling. Zu seinen musikalischen Part-          stücks, de Fallas «Nächte in spanischen Gärten»
                                                                                                       nern zählen die Wiener Philharmoniker, die              (2011), wurde für einen Grammy nominiert.

                                                                                                                                                          es
                                                                                                                                          Javier Perian
                                                                                                                      m
                                                                                                       David Afk ha

                                                                      hester
22                                                      Nationalorc                                                                                                                                          23
                                           Spanisches
Konzert 3 – Abonnement I
                                                                 Spieldauer inkl. Pause ca. 110 Minuten
© Geoffroy Schied

                                                             Maag-Halle Zürich Mahler Chamber Orchestra
                                              Mittwoch, 24. Januar 2018, 19.30 Uhr Daniele Gatti (Leitung)

                                                                              Programm

                                                  Robert Schumann (1810–1856)
                                              Ouvertüre zur Oper «Genoveva», op. 81

                                       Ludwig van Beethoven (1770–1827)               Adagio – Allegro vivace
                                                 Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60          Adagio
                                       		                                             Allegro vivace
                                       		                                             Allegro ma non troppo

                                                                                 Pause

                                              Robert Schumann (1810–1856) Lebhaft
                                       Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 «Rheinische» Scherzo. Sehr mässig
                                                                                 Nicht schnell
                                       		Feierlich
                                       		 Lebhaft – Schneller

                                  ti
                    Daniele Gat

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PR O G R A M M                                                                                                                                                     Robert Schumann

Ko n z e r t 3
                                                                                                                                                                      len. Den konkreten Anstoss gab laut
Robert Schumann (1810–1856)                         (Holzbläser) und Ritterromantik (Hornfanfaren).                                                                    seinem Biografen Wilhelm Joseph von
Ouvertüre zur Oper «Genoveva» op. 81                Bei der Komposition der Oper, die bis Mitte 1848                                                                    Wasielewski ein Besuch des Kölner
Robert Schumann hatte zahlreiche Opernpläne,        erfolgte, griff Schumann auf dieses thematische                                                                     Doms. Dessen sakrale Atmosphäre,
von denen er aber nur einen einzigen ausführte:     Material zurück.                                                                                                    aber auch Eindrücke der Landschaft
«Genoveva», uraufgeführt 1850 in Leipzig. Bis                                                                                                                            und des rheinischen Lebens sollen in
heute konnte sich das Stück beim Publikum           Ludwig van Beethoven (1770–1827)                                                                                     die unglaublich rasch niedergeschrie-
nicht so recht durchsetzen, unterscheidet es        Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60                                                                                           bene Es-Dur-Sinfonie eingeflossen
sich mit seiner lyrischen Innenschau doch deut-     Die Vierte gehört zu den unterschätztesten Sin-                                                                       sein. Plastische Bilder lässt das
lich von zeitgenössischen Werken. Etwa vom          fonien Ludwig van Beethovens. Robert Schumann                                                                          Werk beim Hören in der Tat entste-
fast zeitgleich entstandenen und aufgeführten       brachte es auf den Punkt, als er sie eine «grie-                                                                       hen: das Strömen eines mächtigen
«Lohengrin» Wagners, der wie «Genoveva» das         chisch schlanke Maid zwischen zwei Nordland-                                                                            Flusses im 1. Satz, eine feierliche
Thema der Gattentreue vor romantisch-mittel­        riesen» (den Sinfonien Nr. 3 und 5) nannte. Tat-                                                                        Zeremonie im 4. und fröhliches
alterlicher Kulisse verhandelt. Karriere im Kon-    sächlich ist jeglicher sinfonische Hang zum                                                                             Treiben im 5. Satz. Von Programm-
zertsaal machte allein die Ouvertüre der Oper.      Ausladenden, Überwältigenden hier auf klassi-                                                             musik kann dennoch keine Rede sein, dazu sind
Schumann komponierte sie bemerkenswerter-           sches Mass zurückgedrängt. Knappe, klare For-        tung gegen Hauptsatz, Fanfare gegen Melodie          die Anklänge zu vage. Vielmehr diente Schumann
weise direkt im Anschluss an die Lektüre von        men bestimmen das Werk, dem die zahlreichen          (1. Satz), Melodie gegen Marsch (2. Satz), Zweier-   dieser Bilderreichtum dazu, identische kompo-
Hebbels Tragödie «Genoveva» im April 1847 –         Spielarten Beethovenschen Humors eine ganz           gegen Dreierrhythmus (3. Satz), Energie gegen        sitorische Prinzipien an sehr unterschiedlichen
noch bevor ein einziger Buchstabe des Librettos     eigene Prägung geben. Bei der Suche nach einem       Erstarrung (4. Satz). Und in allen vier Sätzen       musikalischen Gestalten zu erproben. So ver-
existierte! Und tatsächlich wurde um den            Anlass für diese lebenszugewandte Musik hat          prallen diese Gegensätze irgendwann musika-          wischte er in allen Sätzen die traditionellen
Operntext in der Folge heftig gerungen. Der von     man oft biografische Gründe ins Feld geführt.        lisch aufeinander – nur werden die daraus ent-       Formgrenzen auf raffinierte Weise, wodurch der
Schumann beauftragte Dichter Reinick orien-         Laut dem Dirigenten Ignaz von Seyfried war           stehenden Konflikte, anders als in den Werken        erwähnte Eindruck ewigen Strömens entsteht.
tierte sich lieber am Märchenton der «Genoveva»     Beethoven im Ent­stehungsjahr 1806 «heiter, zu       tragischen Charakters, rasch wieder beigelegt,       Zudem bauen viele Melodien auf denselben
Tiecks statt an Hebbels psychologischer Tiefen-     jedem Scherz aufgelegt». Dennoch dürfte die          abgelöst durch Witz und Überraschungseffekte.        Kernintervallen auf, hängen also innerlich zusam-
schärfe. Am Ende schrieb Schumann das Lib-          Andersartigkeit der Vierten zunächst ästhe­                                                               men. Und am Ende führt das übersprudelnde
retto grösstenteils selbst und fügte einen neuen,   tische Ursachen haben, ein Denken in Kontras-        Robert Schumann (1810–1856)                          Finale die Themen der früheren Sätze, v. a. des
versöhnlichen Schluss an. Dieses Happyend           ten nämlich, das Beethoven ebenso wie seinen         Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 «Rheinische»            sakralen 4. Satzes, zu einem hymnischen Schluss.
scheint bereits in der Ouvertüre vorgebildet,       Vorbildern Haydn und Mozart zu eigen war.            Ein Ortswechsel wurde für Robert Schumann            Den Beinamen «Rheinische» trägt die Sinfonie
wenn das c-Moll des Hauptteils in der Coda          Dieses Denken bezieht sich nicht nur auf das         zum Anlass für seine letzte, die 3. Sinfonie.        zu Recht: als ein Werk, das für den Komponisten
einem strahlenden, ja hymnischen C-Dur weicht.      Verhältnis von op. 60 zu den umliegenden hero-       Schon bald nachdem er im September 1850 sein         einen Neu­beginn in jeder Hinsicht ankündigen
Thematisch umreisst das Stück die wesentli-         isch-tragischen Werken, sondern auch auf die         Amt als Düsseldorfer Musikdirektor antrat,           sollte. Die Realität hielt dem freilich nicht stand:
chen Elemente der Handlung: unterdrückte Sehn-      Binnenstruktur der Sinfonie selbst. Jeder Ein­       muss in ihm der Wunsch gereift sein, sich mit        Gut drei Jahre später unternahm Schumann
süchte (Seufzermotive in den Geigen), Liebe         zelsatz arbeitet dezidiert mit Kontrasten: Einlei-   einem neuen, repräsentativen Werk vorzustel-         einen Suizid­versuch – im Rhein.

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INTE R P R E T E N
Ko n z e r t 3

Mahler Chamber Orchestra                                                                            Daniele Gatti
Das Mahler Chamber Orchestra ist eng mit dem     Jonas Kaufmann und Yuja Wang. Für eine Berlioz-    Daniele Gattis Karriere als Dirigent verlief       einem spektakulären «Parsifal». Drei Jahre lang,
Wirken Claudio Abbados verknüpft, der 1986,      Einspielung von 2003 gab es den Deutschen          zunächst eher gemächlich, um später einen          von 2009 bis 2012, war er Chef­dirigent am
noch in Zeiten des Kalten Kriegs, das Gustav     Schallplattenpreis, eine Beethoven-Aufnahme        desto eindrucksvolleren Sog zu entwickeln. Mit     Zürcher Opernhaus, seit 2016 leitet er eines
Mahler Jugendorchester als musikalisches Frie-   mit Martha Argerich wurde für den Grammy           27 debütierte der gebürtige Mailänder an der       der renommiertesten Orchester der Welt, das
densprojekt gegründet hatte. Neun Jahre später   nominiert. Zu den zahlreichen Tourneen des         Scala, es folgten Auftritte im Teatro Fenice, in   Concertgebouw in Amsterdam. Auch mit dem
bewog das Erreichen der Altersgrenze einige      MCO kommen einige «Residenzien», etwa seit         Berlin und an der Met. Nach leitenden Positionen   Mahler Chamber Orchestra arbeitet Gatti regel-
seiner Mitglieder, ein neues Ensemble zu etab-   2009 in den Metropolen Nordrhein-Westfalens.       in Rom, London und Bologna kam 2007 die Beru-      mässig zusammen. Er hat «natürliches Charisma,
lieren. Auch hieran hatte Abbado wesentlichen    Neben Abbado war der junge Daniel Harding          fung zum Musikdirektor des Orchestre National      Autorität und Energie», bilanzierte jüngst der
Anteil. Seitdem hat das Mahler Chamber           von Beginn an das Gesicht des Orchesters.          de France. Auch die Wiener Philharmoniker waren    «Guardian», und ein enger Weggefährte Gattis
Orchestra, als Projektgemeinschaft von Elite­    Aktuell fungiert der Italiener Daniele Gatti als   mittlerweile auf Gatti aufmerksam geworden,        brachte es so auf den Punkt: «Er ist ein Musiker
musikern, mit den besten Solisten weltweit zu-   Artistic Advisor.                                  2008 gab er seinen Einstand in Bayreuth mit        für Musiker.»
sammengearbeitet, darunter Anna Netrebko,

                                                                                                                  ti
                                                                                                    Daniele Gat

                                                                           stra
                                                              mber Orche
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Konzert 4 – Abonnement II
                                            Spieldauer inkl. Pause ca. 110 Minuten

                                       Maag-Halle BBC Symphony Orchestra
                   Samstag, 24. März 2018, 19.30 Uhr Sakari Oramo (Leitung)
                   		 Vilde Frang (Violine)

                                                         Programm

                               Anna Clyne (*1980)
                               «This Midnight Hour»,
                         Schweizer Erstaufführung

                   Benjamin Britten (1913–1976) Moderato con moto
                   Konzert für Violine und Orchester Vivace
                                        D-Dur op. 15 Passacaglia

                                                         Pause

                   Ludwig van Beethoven (1770–1827) Erwachen heiterer Empfindungen bei der
                    Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 «Pastorale» Ankunft auf dem Lande. Allegro ma non troppo
                   		 Szene am Bach. Andante molto moto
                   		 Lustiges Zusammensein der Landleute. Allegro
                   		 Gewitter, Sturm. Allegro
                   		 Hirtengesang, frohe und dankbare Gefühle
                   		 nach dem Sturm. Allegretto

     Vilde Frang

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PR O G R A M M                                                                                                                                                      Anna Clyne

                                                                                                                                                                     6. Sinfonie, der «Pastorale». Oft
Kon z er t 4                                                                                                                                                          genug als Programmmusik miss­
                                                                                                                                                                      verstanden, stellt sie doch den
                                                                                                                                                                       Menschen, das erlebende, empfin-
Anna Clyne (*1980)                                 dem eine Frau durch die Nacht hastet: Aus-                                                                          dende Ich in den Mittelpunkt.
«This Midnight Hour»                               gangspunkt für schnelle, sich schier überschla-                                                                      Seine Gefühle, heitere zu Beginn,
Anna Clyne, in London geboren, lebt zwischen-      gende Rhythmen, deren Ausgelassenheit immer                                                                           dankbare ganz zum Schluss, sind
zeitlich in den USA und gehört zu den renom-       wieder bedrohliche Züge annimmt.                                                                                      der Gegenstand der Musik. Wenn
miertesten Komponistinnen ihrer Generation.                                                                                                                               Naturlaute vorkommen – Vogel-
Nach ihrem Studium in Edinburg und New York        Benjamin Britten (1913–1976)                                                                                            rufe, Bachrauschen, Donner –,
arbeitete sie als Composer in Residence mit        Konzert für Violine und Orchester                                                                                        dann stets integriert in die Ent-
mehreren namhaften Orchestern zusammen,            D-Dur op. 15                                                                                                             wicklung, als Teil des künstle-
darunter die Sinfonieorchester von Chicago und     Auf den ersten Blick erscheint Benjamin Brittens                                                                          rischen Ganzen. Eine beson-
Baltimore. 2015 war sie für einen Grammy in der    Violinkonzert von 1938/39 wie ein weiterer                                                                                 dere Rolle kommt der «Pasto-
Sparte zeitgenössische Musik nominiert, ein        Gattungsbeitrag nach herkömmlichem Muster:                                                                                 rale» auch als Schwester-
Jahr später erhielt sie den Hindemith-Preis des    dreisätzig, mit einem lyrisch-nachdenklichen                                                                                werk der teilweise parallel
Schleswig-Holstein Musik Festivals. Eine Resi-     1. Satz, dem ein wildes Scherzo und ein Passa-                                                                              entstandenen Fünften zu:
denz gab auch den Anlass für das 12-minütige       caglia-Finale folgen. Klangschönheit, Virtuosität                                                     Beide Sinfonie sind auf ein «erlösendes» Finale
Orchesterstück «This Midnight Hour». Clyne         und weitgespannte Kantilenen sind Charakte-         Aufkommen des Faschismus und die Wider­           hin angelegt, unterscheiden sich aber in den
komponierte es für das Pariser Orchestre natio-    ristika dieses Konzerts, dessen spieltechnischer    sprüche des alten Europa in seinem Werk reflek-   Mitteln. Wo die Nr. 5 Trotz und kämpferischen
nal d’Île de France und speziell mit Blick auf     Anspruch in einer grossen Solokadenz kulmi-         tiert. Nicht konkret-programmatisch, sondern im   Geist zelebriert, setzt die «Pastorale» auf Motiv-
dessen Streicherkorpus. Der Beginn des Werks       niert – ein Werk ganz in der klassisch-romanti-     Einfangen von Atmosphäre – und ohne darüber       wiederholungen, ruhige Klangentfaltung, ent-
erwächst klanglich ganz aus den Instrumental-      schen Tradition. Doch das ist bei weitem nicht      das rein Musikalische zu vergessen. Zwischen      spanntes Nachhorchen. So besticht ausge-
farben der tiefen Streicher. Im weiteren Verlauf   alles. Denn auch die Entstehungsumstände von        Abschluss der Komposition und Uraufführung in     rechnet die Durchführung des 1. Satzes, sonst
erhalten auch die Holzbläser reichlich Gelegen-    op. 15 sind in die Komposition eingeflossen: in     New York 1940 lag der Ausbruch des Zweiten        Ort herber thematischer Konflikte, durch end-
heit zu solistischen Äusserungen, bevor sich die   Form musikalischer Konflikte und Widersprüche,      Weltkriegs. Brittens Vorahnungen hatten sich      lose Klangflächen, die lediglich harmonisch
Textur zunehmend verdichtet, vom eher kam-         als latente Bedrohung, als ein ständiges Brodeln    einmal mehr bitter bestätigt.                     neu beleuchtet werden. Und im «Gewitter»-
mermusikalischen Musizieren zum grossen,           unter der Oberfläche. Schon das Hauptthema                                                            Satz resultiert der Eindruck von Gefahr nicht
wuchtigen Gesamtklang. Was den Inhalt des          des 1. Satzes erzählt hiervon, indem es eine        Ludwig van Beethoven (1770–1827)                  aus dem Aufeinanderprallen gegensätzlicher
Stücks angeht, nennt Clyne zwei Inspirations-      flehentliche Kantilene mit einem düster pochen-     Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 «Pastorale»           Motive, sondern aus der Unvorhersehbarkeit
quellen, beides Gedichte. Da wäre zunächst         den Begleitrhythmus verbindet. Das Scherzo          Ludwig van Beethoven war ein Stadtmensch,         der Ereignisse und der grellen Instrumentation.
Baudelaires «Harmonie du soir», dessen melan-      wirkt wie ein gespenstischer Totentanz, und der     den es in die Natur zog. «Kein Mensch kann das    Ein gänzlich neues ästhetisches Konzept also,
cholische Walzerseligkeit sie mithilfe engma-      Schlusssatz hat bei aller archaischen Strenge       Land so lieben wie ich», gestand er einmal.       das Beethoven bei der Uraufführung 1808
schig geführter Streicherstimmen in akkordeon-     etwas Unausweichliches. Damit erweist sich          «Geben doch Wälder, Bäume, Felsen den Wider-      noch unterstrich, als er beide Sinfonien im sel-
artige Klänge übersetzt. Und dann das Kurz-        der junge Britten einmal mehr als Chronist sei-     hall, den der Mensch wünscht!» Zum Klang­         ben Konzert spielen liess: als ungleiches Paar
poem des Spaniers Juan Ramón Jiménez, in           ner Zeit: als pazifistischer Künstler, der das      ereignis wurde dieser «Widerhall» in seiner       von Geschwistern.

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INTE R P R E T E N
Ko n z e r t 4
BBC Symphony Orchestra
Fünf grosse Sinfonieorchester leistet sich die      es traditionell die First und Last Night bestreitet.
britische BBC, und das 1930 gegründete und in       Daneben widmet es sich schwerpunktmässig
London beheimatete Symphony Orchestra darf          der Neuen Musik, mit Uraufführungen zahl­
als Flaggschiff des Quintetts gelten. Allein die    reicher Werke von Schnittke bis Rihm. Als
Namen seiner Chefdirigenten sprechen Bände:         Ergänzung hierzu sind die seit 2000 angebote-          Vilde Frang
Adrian Boult, Antal Doráti, Colin Davis, Pierre     nen Residencies für Komponisten anzusehen:             «Vilde Frang ist alles ausser Mainstream.» So       von Nielsen, Korngold und Britten, sie spielt
Boulez, Andrew Davis… 2013 übernahm der             Die erste hatte Mark-Anthony Turnage inne,             brachte das SRF das Erscheinungsbild der nor-       Schönberg, Bartók und Strauss. Trotzdem wird
Finne Sakari Oramo den renommierten Chef­           dem John Adams und Oliver Knussen folgten.             wegischen Geigerin anlässlich ihrer Schweiz-        mit sie Publikumspreisen geradezu überschüt-
posten. Dem internationalen Publikum ist das        Zum künstlerischen Portfolio des Orchesters            Tournee 2014 auf den Punkt. Mit Starallüren und     tet: Seit 2011 erhielt sie fast jährlich einen
BBC Symphony Orchestra vor allem durch seine        gehören auch Opernaufführungen, Familien­              glattem Geigenglamour hat die 1986 in Oslo          ECHO Klassik. Und natürlich fusst dieses
Auftritte bei den Londoner Proms bekannt, wo        konzerte sowie Filmmusik.                              geborene Frang in der Tat nichts am Hut. Ihre       Selbstverständnis auf einer umfassenden gei-
                                                                                                           Auftritte und vor allem ihr Spiel bestechen durch   gerischen Ausbildung. Obwohl Vilde Frang
Sakari Oramo                                                                                               eine Natürlichkeit, die absolut authentisch         schon mit zehn im Rundfunk debütierte, suchte
Als der Finne Sakari Oramo 1998 Nachfolger von      hin in seiner finnischen Heimat tätig, wo er 2006      wirkt. Aus diesem Grund kann sie sich auch          sie noch lange, bis 2009 nämlich, den Kontakt
Simon Rattle am Pult des City of Birmingham         die West Coast Kokkola Opera als alternatives          künstlerische Wege abseits des Gewohnten            zu Mentoren wie Anne-Sophie Mutter, Kolja
Symphony Orchestra wurde, war sein Name nur         Opernprojekt aus der Taufe hob. Zum Dirigieren         leisten: Ihr Repertoire umfasst Solokonzerte        Blacher und Ana Chumachenco.
Fachleuten ein Begriff. Das hat sich nachhaltig     kam Oramo interessanterweise nicht auf direk-
geändert. Mittlerweile zählt der aus Helsinki       tem Weg: Er begann seine Ausbildung während
stammende Oramo zu den führenden Dirigenten         seiner Zeit als Konzertmeister des Finnischen
weltweit. Nach zehn Jahren in Birmingham            Radiosinfonieorchesters. Dort machte er als
wechselte er als Künstlerischer Leiter zum          Einspringer für einen erkrankten Dirigenten so
Stockholm Philharmonic Orchestra, 2013 über-        nachdrücklich auf sich aufmerksam, dass man
nahm er zusätzlich das Chefdirigentenamt des        ihm schon bald die Orchesterleitung übertrug.
BBC Symphony Orchestra. Daneben ist er weiter-

                                                                                                                                                Vilde Frang
                                                                                                                         o
                                                                                                           Sakari Oram

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                                                            ra                                                                                                                                            35
                                  BBC Symph
Konzert 5 – Abonnement I
                                          Spieldauer inkl. Pause ca. 110 Minuten

                                       Maag-Halle Zürich Mariinsky Orchestra
                            Dienstag, 8. Mai 2018, 18.00 Uhr Valery Gergiev (Leitung)

                                                       Programm

                    Peter Tschaikowski (1840–1893)            Introduzione e Allegro. Moderato assai
                 Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 29 «Polnische»      Alla tedesca. Allegro moderato e semplice
                 		                                           Andante elegiaco
                 		                                           Scherzo. Allegro vivo
                 		                                           Finale. Allegro con fuoco – Tempo di Polacca

                                                          Pause

                 Peter Tschaikowski (1840–1893) Andante sostenuto – Moderato con anima
                         Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Andantino in modo di canzona
                 		                                   Scherzo. Pizzicato ostinato – Allegro
                 		 Finale. Allegro con fuoco

            ev
Valery Gergi

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PR O G R A M M                                                                                                                                                 Peter Tschaikowski

Kon z er t 5
Peter Tschaikowski (1840–1893)                       hinter die Bekenntnissinfonien 4, 5 und 6. Eine
Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 29 «Polnische»              Wiederentdeckung ist dieses klangschöne Werk
Nach der betont russisch-ukrainischen 2. Sin­        allemal wert.
fonie mit ihren zahlreichen Rückgriffen auf die
Volksmusik seines Landes zeigte sich Peter           Peter Tschaikowski (1840–1893)
Tschaikowski in der 1875 komponierten Dritten        Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36
von einer ganz anderen, geradezu polyglotten         1877 war für Peter Tschaikowski ein Schicksals-
Seite. Ihr Beiname «Polnische» bezieht sich auf      jahr – in persönlicher, künstlerischer und finan-
die Verwendung einer Polonaise im letzten            zieller Hinsicht. Dem wachsenden Erfolg als
Satz. Zuvor aber erkundet die Musik noch wei-        Komponist stand die Erkenntnis gegenüber,
tere Tonfälle «internationalen» Zuschnitts aus       aufgrund seiner Homosexualität kein selbstbe-
den Bereichen Marsch, Tanz, Idylle, Fantastik.       stimmtes Leben führen zu können. Der Versuch,
Der 2. Satz ist sogar explizit mit «Alla tedesca»    mittels einer Hochzeit den bürgerlichen Schein
überschrieben. Auch sonst weist Tschaikowskis        zu wahren, scheiterte katastrophal. Wenigstens
op. 29 einige Besonderheiten auf. Als einzige        die drängendsten Geldsorgen war Tschaikowski
seiner sechs Sinfonien steht die Dritte in einer     los, seit ihm eine Gönnerin, Nadeschda von
Dur-Tonart – wobei diesem Dur immer wieder           Meck, eine grosszügige Jahresrente gewährte.
Moll-Passagen kontrastierend gegenüberge-            All diese widersprüchlichen Ereignisse, das
stellt werden, so in der Einleitung, im 3. und 4.    unablässige Schwanken zwischen Aufbruchs-
Satz sowie in etlichen Seitenthemen. Zudem ist       stimmung und neuen Rückschlägen, bilden den
die Sinfonie fünfsätzig, weicht also trotz ihrer     Hintergrund für die 1877 komponierte Sinfonie
«Westorientierung» vom klassischen Modell            Nr. 4 f-Moll. Ihre Anfangstakte formulieren einen
ab. Vorbild scheinen eher individuell gestal-        mottoartigen Gedanken, laut Tschaikowski «das
tete Werke wie Beethovens «Pastorale» oder           Fatum, jene schicksalhafte Kraft, die wie ein
Schumanns «Rheinische» gewesen zu sein,              Damoklesschwert über dem Kopf hängt.» Und
und ähnlich bildhaft-vielgestaltig wirkt auch        genau diese Funktion erfüllt das Motto im Ver-
Tschaikowskis 3. Sinfonie. Ihrer Aufnahme scha-      lauf des Werks: Es kehrt immer dann wieder,         trollierbaren Fantasiebildern (3. Satz). Im Finale,
dete das zunächst nicht, im Gegenteil. Die ers-      wenn man nicht damit rechnet, bringt sich mah-      das einem rauschenden Volksfest nachgebildet
ten Aufführungen in Moskau und St. Petersburg        nend in Erinnerung oder zerstört eine trügeri-      ist, bahnt sich ein versöhnliches Ende an – aber
waren erfolgreich, auch die professionelle Kritik    sche Idylle. Unter diesem Schicksalsvorbehalt       dann tönt wieder der Schicksalsgedanke dazwi-
äusserte sich positiv. Erst im Laufe der Zeit        entfaltet sich die f-Moll-Sinfonie: zwischen        schen und degradiert jegliche Hoffnung zum
trat die Dritte in ihrer Beliebtheit hinter andere   Depression und Glücksträumen (1. Satz), über-       schönen Schein. Tschaikowskis Fazit? «Man
Kompositionen Tschaikowskis zurück, vor allem        wältigenden Erinnerungen (2. Satz) und unkon-       kann dennoch leben ...»

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IN T E R P R E T E N
Kon z er t 5

Mariinsky Orchestra                                                                                 Valery Gergiev
Das Mariinsky Orchestra gehört zu den ältes-     testen ist es gleichwohl nach wie vor für Inter-   Über Valery Gergiev heisst es zuweilen, er müsse    gement am Petersburger Mariinsky Theater.
ten musikalischen Institutionen Russlands        pretationen russischer Musik. Bei Kritiker­        einen Doppelgänger haben, von einem Menschen        Diese Namen verbürgen aber auch, dass bei
überhaupt – und steht doch mit beiden Beinen     umfragen wird das Mariinsky Orchestra regel-       allein sei sein Arbeitspensum gar nicht zu bewäl-   Gergiev Quantität nicht mit Qualitätsverlust ein-
in der Gegenwart. Zu verdanken ist das vor       mässig zu den besten Klangkörpern der Welt         tigen. Tatsächlich hat der 1953 in Wladikawkas      hergeht, im Gegenteil. Für sein Wirken als Pianist
allem seinem Chefdirigenten Valery Gergiev,      gezählt. Zuhause in St. Petersburg ist es der      geborene Gergiev gleich mehrere Chef- oder          und Dirigent erhielt er diverse Auszeichnungen,
der das Orchester in den vergangenen drei        unumstrittene musikalische «Platzhirsch»: Es       Gastdirigentenämter bei Spitzen­orchestern inne:    darunter den Herbert-von-Karajan-Preis, den
Jahrzehnten zu internationaler Bekanntheit       spielt in der 2007 eröffneten Mariinsky Konzert-   aktuell beim London Symphony Orchestra und          ECHO Klassik sowie den Titel «Held der Arbeit
führte. Zudem erweiterte er das Repertoire des   halle, Einspielungen werden unter dem gleich-      bei den Münchner Philharmonikern, zuvor in          der Russischen Föderation». Von Valery Gergievs
ehemaligen Opernorchesters, das politisch        namigen Label veröffentlicht, und natürlich hat    Rotterdam sowie an der Metropolitan Opera,          faszinierender Musikerpersönlichkeit konnte sich
bedingt mehrfach seinen Namen wechselte,         das Orchester auch sein eigenes Festival, die      ganz zu schweigen von seinen zahlreichen Auf-       das Publikum der Migros-Kultur­prozent-Classics
um aktuelle sinfonische Literatur. Am bekann-    «Sterne der Weissen Nächte».                       tritten bei Festivals und natürlich seinem Enga-    schon mehrfach überzeugen.

                                                                                                                   ev
                                                                                                    Valery Gergi

40                                                       rchestra                                                                                                                                      41
                                          Mariinsk y O
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