Wirkungsbericht 2020 - Brücke Le pont
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Impressum Erscheinungsdatum Mai 2021 | Herausgeberin Brücke · Le pont Beiträge von Franziska Theiler Geschäftsleiterin Nicole Bolliger Programmverantwortliche Afrika Bruno Essig Programmverantwortlicher Zentralamerika Andrea Gysel Programmverantwortliche Bolivien und Brasilien Barbara Lutz stellvertretende Programmverantwortliche Brasilien Fabienne Jacomet Verantwortliche Kommunikation und Entwicklungspolitik Redaktion & Layout Fabienne Jacomet | Bilder sofern nicht anders angegeben © Brücke · Le pont Brücke · Le pont unterstützt mit ihrem Programm «Arbeit in Würde» die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen benachteiligter Menschen in Afrika und Lateinamerika und trägt so zur Überwin- dung der Armut und zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Das Programm wird von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenhei- ten EDA, unterstützt. Für die Inhalte des vorliegenden Wirkungsberichts ist die Herausgeberin allein verantwortlich.
Inhaltsverzeichnis 1. Institutionelle Entwicklungen ........................................................................................ 4 2. Programme ...................................................................................................................... 5 2.1. Covid-19-Nothilfe ..................................................................................................... 5 2.2. Regionalprogramm Togo/Benin ............................................................................. 8 2.2.1. Kontext ............................................................................................................... 8 2.2.1. Entwicklungen im Programm............................................................................ 10 2.2.2. Resultate und Wirkung 2020 ............................................................................ 11 2.2.2.1. Zusammenfassung.................................................................................... 11 2.2.2.2. Reiswertschöpfungskette .......................................................................... 11 2.2.2.3. Geflügelwertschöpfungskette .................................................................... 13 2.2.2.4. Wertschöpfungskette rotes Palmöl ........................................................... 14 2.2.2.5. Wertschöpfungskette Brot aus einheimischen Getreidesorten ................. 15 2.2.2.6. Wertschöpfungskette Robusta-Kaffee ...................................................... 16 2.2.2.7. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung ......................... 17 2.3. Regionalprogramm Zentralamerika ..................................................................... 20 2.3.1. Kontext ............................................................................................................. 20 2.3.1. Entwicklungen im Programm............................................................................ 22 2.3.2. Resultate und Wirkung 2020 ............................................................................ 23 2.3.2.1. Berufliche Kompetenzen ........................................................................... 23 2.3.2.2. Einkommensförderung .............................................................................. 25 2.3.2.3. Arbeitsrechte ............................................................................................. 27 2.3.2.4. Transversalthemen: Cultura de Paz, Gender, institutionelle Stärkung und Nexus 30 2.4. Landesprogramm Brasilien .................................................................................. 34 2.4.1. Kontext ............................................................................................................. 34 2.4.1. Entwicklungen im Programm............................................................................ 35 2.4.2. Resultate und Wirkung 2020 ............................................................................ 36 2.4.2.1. Berufliche Kompetenzen ........................................................................... 36 2.4.2.2. Einkommensförderung .............................................................................. 38 2.4.2.3. Arbeitsrechte ............................................................................................. 40 2.4.2.4. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung ......................... 41 2.5. Landesprogramm Bolivien ................................................................................... 43 2.5.1. Kontext ............................................................................................................. 43 2.5.1. Entwicklungen im Programm............................................................................ 43 2.5.2. Resultate und Wirkung 2020 ............................................................................ 44 2.5.2.1. Berufliche Kompetenzen ........................................................................... 44 2.5.2.2. Einkommensförderung .............................................................................. 45 2.5.2.3. Arbeitsrechte ............................................................................................. 46 2.5.2.4. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung ......................... 46 3. Kommunikation, Sensibilisierung und Bildung ......................................................... 47 4. Partnerorganisationen und Abkürzungen .................................................................. 50 3
1. Institutionelle Entwicklungen Covid-19: Homeoffice und virtueller Austausch Die Arbeit von Brücke · Le pont war 2020 sowohl in den Programmländern als auch in der Schweiz von der Covid-19-Pandemie geprägt. Das Team der Geschäftsstellen in Fribourg und Zürich arbeitet seit März 2020 mehrheitlich im Homeoffice. Aufgrund der Reisebeschränkun- gen konnten auch die Projektbesuche nicht wie gewohnt vor Ort stattfinden. Dafür intensivier- ten die Programmverantwortlichen den virtuellen Austausch mit den Partnerorganisationen und lokalen Koordinationen, wodurch alle stets in engem Kontakt miteinander standen und eine hohe Projektqualität beibehalten konnten. Entwicklungsprogramm 2021–2024 und Allianz Brücke · Le pont stärkte 2020 den Austausch mit ihrer Allianzpartnerin Solidar Suisse weiter, um sich auf die gemeinsame Programmphase vorzubereiten. Das in der Allianz erarbeitete Programm 2021–2024 wurde von der DEZA und von unabhängigen ExpertInnen sehr positiv bewertet und die Allianz als relevant eingestuft. Beide Organisationen sind weiterhin über- zeugt, dass sie als Decent Work Alliance von ihrer jeweiligen Expertise profitieren und mit ihrem gemeinsamen Entwicklungsprogramm eine grosse Wirkung erzielen können. Finanzen Das Finanzjahr 2020 weist trotz Covid-19-Pandemie einen erfreulichen Abschluss auf. Die grosse Solidarität in der globalen Krise war deutlich spürbar. Einzig bei den Pfarreien gab es einen Einbruch, da die Kirchen zwischenzeitlich geschlossen waren. Auch die Sparmassnah- men griffen gut und eine zweckmässige Infrastruktur sowie die Steuerungs- und Kontrollinstru- mente in der Geschäftsstelle sorgen für eine gezielte und effiziente Aufgabenerfüllung. Brücke · Le pont verwendete wie in den Vorjahren einen maximalen Anteil der Mittel für die Programm- arbeit: 88% (CHF 3'472'310) der Gesamtausgaben flossen 2020 in das Programm. Der Aufwand für die Administration betrug 4% (CHF 144'767) und der für Fundraising 8% (CHF 319'080). Der totale Ertrag 2020 beträgt CHF 4'232'586, die Gesamtausgaben belaufen sich auf CHF 3'936'156. Das Betriebsergebnis 2020 vor der Fondsverände- rung beträgt CHF 296'430 und der Jahreserfolg CHF 59'071. Die Delegiertenversammlung von Brücke · Le pont genehmigte die revidierte Jahresrechnung 2020 am 11.5.2021. Die detaillierte Jahresrechnung steht online unter www.bruecke-lepont.ch/finanzbericht zur Verfügung. Geschäftsstelle und Freiwilligenengagement Die Geschäftsstelle beschäftigte 2020 elf Mitarbeitende mit insgesamt 720 Stellenprozenten. Trotz der Pandemie haben sich auch 2020 zahlreiche Freiwillige tatkräftig für Brücke · Le pont engagiert, mit insgesamt 6000 Stunden Freiwilligenarbeit – angesichts der erschwerten Um- stände und wenigen Anlässe eine beachtliche Leistung. 4
2. Programme 2.1. Covid-19-Nothilfe Die Covid-19-Pandemie hat Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger in den Projektländern von Brücke · Le pont verstärkt und insbesondere in Lateinamerika die bestehende Fragilität der bedürftigsten Bevölkerungsgruppen deutlich gemacht: Arbeitslose, aber auch selbststän- dig Erwerbende im informellen Bereich mit minimalen Einkünften und generell Personen mit einem Familieneinkommen unter einem Mindestlohn hatten keinen ausreichenden Zugang mehr zu Grundnahrungsmitteln oder Hygieneprodukten. Zudem waren die Gesundheitssys- teme überlastet. In Brasilien verschlechterte sich durch die Pandemie eine schon zuvor schwierige Situation mit hoher Arbeitslosigkeit, dem Verlust von bisher erkämpften Arbeitsrechten und einer allge- meinen Verarmung der Bevölkerung. Das Land kämpfte mit besonders hohen Infektions- und Todeszahlen. In Zentralamerika konnten aufgrund langer, strikter Lockdowns Millionen von Menschen monatelang nicht arbeiten und ihre Familien nicht mehr versorgen. Die meisten erhielten keinerlei Unterstützung von Arbeitgebern oder vom Staat; Instrumente wie Kurzarbeit fehlen. Westafrika traf die Pandemie weniger stark, auch weil die Region aus den verheeren- den Ebola-Epidemien gelernt hatte und die Regierungen schnell mit Schutzmassnahmen wie etwa Flugstornierungen und Versammlungsverboten reagierten. Mehr zu den Auswirkungen in den einzelnen Ländern ist in den Kapiteln 2.2, 2.3, 2.4 und 2.5 geschildert. Brücke · Le pont leistete mit ihren Partnerorganisationen (PO) rasche Nothilfe in Form von Hilfspaketen mit Lebensmitteln, Schutz- und Hygieneartikeln. Die PO sind durch ihre lokale Verankerung und ihre Nähe zur Bevölkerung prädestiniert, eine Auswahl der Begünstigten vorzunehmen, die besonders dringend Nothilfe brauchen. Zudem informierten mehrere PO in Afrika und Lateinamerika mit Radio- und WhatsApp-Kampagnen über Schutzmassnahmen gegen das Virus. Zentralamerika In Zentralamerika verteilten viele der PO Lebensmit- tel, Hygieneprodukte und Schutzmaterial an be- sonders betroffene Begünstigte und ihre Familien. Davon profitierten in El Salvador: • 10 Maquila-Arbeiterinnen (PO CEDM) • 160 Hausangestellte (PO SIMUTHRES) • 143 Heimarbeiterinnen (PO SITRABORDO) • 20 Jugendliche (PO SSPAS) Und in Honduras: • 20 Hausangestellte (PO CEM-H) • 417 Jugendliche (287 durch FYA-H und 130 durch SAN) Zwei PO (ORMUSA und SAN) kauften zudem Schutzmaterial wie Masken, Handschuhe und Des- infektionsmittel für Mitarbeitende der Generalstaats- anwaltschaft bzw. für Lehrpersonal und Mitarbeiterin- nen, die weiterhin vor Ort tätig waren. CODEMUH 5
leistete ausserdem psychosoziale Gruppenberatung und -begleitung für 24 Maquila-Arbei- terinnen. Die PO mit eigenen Berufsbildungszentren wurden dabei unterstützt, ein umfassendes Schutzkonzept zu erarbeiten und umzusetzen, mit Dispenser für Desinfektionsgel, Tep- pich/Fussbad zur Desinfektion der Schuhe, Sprühflaschen, Chlor, Handschuhen, Gesichts- masken etc. sowie Informationsma- terial und Sensibilisierung für die Jugendlichen und Mitarbeitenden. FYA-S und FYA-H unterstützten zu- dem 315 bzw. 60 Jugendliche mit dem Kauf von Mobilfunkdatenpa- keten, damit sie an den Onlinekur- sen teilnehmen konnten. Zuvor hat- ten die PO evaluiert, dass der ein- geschränkte oder fehlende Internet- zugang für zahlreiche Jugendliche aus armen Haushalten eine Hürde für die Teilnahme am Fernunterricht darstellte. Insgesamt unterstützte Brücke · Le pont in Zentralamerika mit 67'500 CHF Nothilfemassnah- men für 1160 Personen. Brasilien Die Nothilfe in Brasilien koordinierte das Netzwerk Rede Ponte, in dem alle sechs brasiliani- schen PO von Brücke · Le pont Mitglied sind und üblicherweise für den Erfahrungsaustausch, das gemeinsame Lernen und die Advocacy-Arbeit zusammenkommen. Zu Beginn veranstalteten die PO über Radio, Fernsehen und Internet eine gemeinsame Sam- melaktion für Nothilfepakete, die am 8. Mai 2020 lanciert wurde.1 Brücke · Le Pont stellte 15'000 CHF zur Verfügung, durch die Sammelaktion konnten die PO Mittel in der Höhe von ca. 2500 CHF beisteuern. Zudem erhielten sie Sachspenden von lokalen Firmen, darunter beispielsweise ein Hühnerfleischproduzent, ein Coiffeursalon oder eine Reinigungsfirma. Zu- sätzlich zu den Nothilfepaketen mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln wie Seife, Des- infektionsmittel und Toilettenpapier konnten so Schutzmasken, Kosmetikprodukte und ande- res mehr verteilt werden. Insgesamt verteilten die PO 490 Lebensmittel- und Hygienepakete (Fazenda da Paz und FUNACI je 85, Cáritas Teresina 49, Cáritas Oeiras 151, CPT 99 und Instituto Comradio 21). Die Pakete enthielten auch einen Flyer mit Informationen über die Ansteckung mit dem neuen Coronavirus, Formen der Vorbeugung sowie die in der brasilianischen Gesetzgebung verankerten Arbeitsrechte und die Rechte einer jeden Person zur Bewältigung der sozialen Krise. Einzelne PO sammelten auf lokaler Ebene zusätzliche Mittel und führten Hilfsaktionen ohne Kofinanzierung von Brücke · Le Pont durch. So profitierten beispielsweise über FUNACI weitere 88 Familien von Lebensmittelkörben und Hygienesets. Das Nothilfeprojekt war das erste gemeinsame Projekt der Mitglieder des Netzwerks Rede Ponte. Die PO erlebten dadurch das Potenzial des gemeinsamen Handelns ganz konkret und erreichten durch die gemeinsame Mobilisierung mehr lokale Spenden. 1 Videoaufruf zur Sammelaktion «Ponte Solidária com o Piauí»: https://www.youtube.com/watch?v=t1eHXD82LIg 6
Bolivien Auch in Bolivien standen Nothilfe und Sensibilisierung im Zentrum: Die PO Mujeres en Acción verteilte Lebensmittel und Seife an 138 Familien von ArbeiterInnen, die im informellen Sek- tor tätig waren und kein Einkommen mehr hatten. Zudem sensibilisierte die PO mit WhatsApp- Kampagnen für Schutzmassnahmen vor dem Virus und für die Prävention und Reduktion von häuslicher Gewalt. Togo und Benin In Benin war Brücke · Le pont am von der DEZA unterstützten Programm ResiCovid beteiligt, das 6 Monate dauerte. Ziel war es, die Massnahmen der Regierung zur Eindämmung des Virus in den ländlichen Gebieten bekannt zu machen und die Bevölkerung bei der Umset- zung der Massnahmen zu unterstützen. Für die Umsetzung vor Ort waren die PO LDLD und CAPACITES-21 verantwortlich. Im Rahmen von ResiCovid wurden: • 26 Sensibilisierungsradiosendungen in acht Sprachen und 112 Radiospots ausge- strahlt • 204 Handwaschstationen an strategischen Orten der Wertschöpfungsketten installiert • 3500 Masken an die Begünstigten der Wert- schöpfungsketten verteilt • 66 Ansprechpersonen in den Dörfern zur Sensibilisierung der Dorfbevölkerung ausge- bildet • auf 10 Märkten wurden Aktionen durchge- führt, um die Menschen an die Massnahmen gegen Covid-19 zu erinnern • 41 Schulbesuche für die Sensibilisierung der SchülerInnen (Maskentragen, Händewa- schen, Distanz) • 45 Kooperativen der Wertschöpfungsketten Reis, rotes Palmöl und Geflügel wurden sen- sibilisiert • 2350 Plakate gedruckt und an strategischen Orten in den Dörfern/Städten aufgehängt. In Togo sensibilisierte zudem die PO PTM für Schutzmassnahmen gegen Covid-19. Sie pro- duzierte 6 Radiospots zum Thema (3 auf Französisch und 3 in den lokalen Sprachen Kotocoli, Kabyè und Bassar), die von drei lokalen Radiosendern regelmässig ausgestrahlt wurden. Zu- dem produzierte PTM 5500 Schutzmasken und 150 Plakate, die sie an Beteiligte der Wert- schöpfungskette und die Bevölkerung verteilte, unter besonderer Berücksichtigung von älteren Menschen, Frauen und Menschen mit Behinderung. 7
2.2. Regionalprogramm Togo/Benin 2.2.1. Kontext Das Afrikaprogramm von Brücke ∙ Le pont wird derzeit in Togo und Benin umgesetzt, zwei Länder an der westafrikanischen Atlantikküste. Die Sicherheitslage in Westafrika und in der Sahelzone bleibt ein grosses Problem. In Togo und Benin, die sich am Rande dieser Konflikt- zone befinden, wird von einzelnen kritischen Ereignissen im Norden der Länder berichtet. Ge- mäss dem Fragile States Index, der die Anfälligkeit von Staaten für Konflikte misst, verharrt Togo auf Platz 38 von 178 Ländern (die Schweiz ist auf Platz 176) und Benin verbessert sich um zwei Plätze auf Platz 77. Die Wirtschaft wächst seit Jahren in Togo und Benin. Dazu beigetragen hat insbesondere das starke Wachstum der Landwirtschaftssektoren. Jedoch hat die Entscheidung Nigerias, Benins wichtigstem Wirtschaftspartner, im Jahr 2019 die Landesgrenzen zu Benin zu schlies- sen und Reisimporte zu verbieten, die Wirtschaftsaktivität in Benin etwas gedämpft und die Verkaufspreise von landwirtschaftlichen Produkten gesenkt2. In Togo hat die verspätete res- pektive kurze Regenzeit die Ernteerträge schrumpfen lassen. Beide Staaten setzen in ihren Wirtschaftsförderungsprogrammen auf eine Landwirtschaft, die maschinell und biologisch ge- führt werden soll und vermehrt Produkte selbst weiterverarbeitet, statt bloss Agrargüter für den Export zu produzieren. Dies soll die Landwirtschaft auch für junge Arbeitskräfte attraktiver ma- chen. Trotz Wirtschaftswachstum geht die Armut nur langsam zurück, insbesondere in den ländli- chen Regionen wo die Mehrheit der Bevölkerung von Togo und Benin lebt. Die Armutsrate in Benin betrug 2020 38,3%3 und in Togo 53%4 im Jahr 2017. Dies ist unter anderem auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen, welches das Pro-Kopf-Einkommen nicht ansteigen lässt. Unterbeschäftigung stellt das grösste Problem dar, insbesondere für junge Menschen, Frauen und Menschen mit Beeinträchtigungen5. Der formelle Arbeitssektor kann die vielen jungen Menschen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt stossen, und die ArbeiterInnen des infor- mellen Sektors (87,9 % in Togo 20176) nicht absorbieren. Zudem sind viele Beniner und To- golesen der Überzeugung, dass Frauen sich den Haushaltstätigkeiten und der Fortpflanzung widmen sollten. Dies hindert den Zugang der Mädchen und Frauen zu Bildung, Ausbildung, Land und Produktionsmitteln. Die Armut hat auch Auswirkungen auf die Ernährungssitua- tion. Aufgrund der Armutsverhältnisse sind die Familien oft gezwungen, ihre Ernte zu niedri- gen Preisen zu verkaufen und die Menge und Qualität ihrer Nahrung zu reduzieren, was die Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung weiter verschärft. Gemäss dem Welthunger- Index 2020 besetzen Togo und Benin die Plätze 86 und 79 (ernste Hungersituation) von 106. In Benin waren 9,6% der Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit betroffen und 32% der Kin- der unter fünf Jahren leiden unter chronischer Mangelernährung7. Das Coronavirus erreichte im Frühjahr 2020 auch die beiden westafrikanischen Länder. Die beiden Regierungen reagierten früh mit strengen Massnahmen, unter anderem allgemeine Maskenpflicht, nächtliche Ausgangssperren, Schliessung von Schulen und Glaubensstätten, Beschränkung von Versammlungen auf max. 15 Personen und Grenzschliessungen. Die In- fektionszahlen erlangten einen ersten Höhepunkt im Juli/August 2020, mit einer relativ tiefen 2 Nigeria öffnete die Grenzen am 16.12.2020 wieder, jedoch bleiben Reisimporte immer noch verboten, um die nationale Reisproduktion in Nigeria zu fördern. 3 Weltbank: https://www.banquemondiale.org/fr/country/benin/overview 4 Weltbank: https://www.banquemondiale.org/fr/country/togo/overview 5 Umfrage QUIBB 2015 durchgeführt durch INSEED 6 INSEED 2019: https://www.republiquetogolaise.com/gouvernance-economique/1410-3659-87-9-des- emplois-au-togo-sont-dans-l-informel-inseed 7 https://www.wfp.org/countries/benin 8
Zahl im regionalen und globalen Vergleich. Togo befindet sich gar unter den Top 15 Ländern, welche die Pandemie weltweit am besten bewältigt haben8. Im Herbst wurden in beiden Län- dern die einschränkenden landesweiten Massnahmen gelockert und dezentralisierte Mass- nahmen eingeführt, wie z.B. Abriegelung von einzelnen Städten. Die Massnahmen führten zu einer Isolierung der Bevölkerung und einer Instabilität der lokalen Märkte, was zu einem allgemeinen Rückgang der Einkommen der landwirtschaftlichen ProduzentInnen führte. Ge- mäss dem Weltbank-Bericht 2020 verbüssten 41% der landwirtschaftlichen Unternehmen in Togo einen Umsatzrückgang von 75-100%9 und 50% der Haushalte in Benin konnten zwi- schen März und Juli ihre Einkommensaktivitäten nicht ausführen10. Der Zusammenbruch der nationalen und internationalen Märkte sowie der Preisanstieg von Lebensmitteln traf auf eine bereits kritische Versorgungslage in Togo und Benin11, sodass in Togo Nothilfe durch das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen für 1,3 Mio. Menschen (15% der Be- völkerung) geleistet wird12. Schlimmere Zustände wurden dadurch vermieden, dass die Land- wirtschaft in Benin und Togo nicht auf viel Dünger und Pestizide aus dem Ausland angewiesen ist und dadurch die Produktion nicht komplett zusammenbrach13. Von der Pandemie und den Massnamen waren die Menschen in städtischen Gebieten am meisten betroffen14. Die togole- sische Regierung nutzte die Gunst der Stunde und ernannte den Monat Oktober zum «Monat des lokalen Konsums», um den lokalen Produkten Auftrieb zu verleihen. Die Situation der Meinungsfreiheit und Arbeitsrechte hat sich in den Programmländern ver- schlechtert. In Togo wurde im Frühjahr ein Demonstrations- und Streikverbot verhängt. Ge- mäss dem Global Rights Index15 gehört Togo zu den fünf Ländern weltweit, in denen sich die Rechtssituation für Arbeitnehmende verschlimmert hat. Togo wird der Kategorie «regelmäs- sige Rechtsverletzungen» zugeordnet. Das Ende 2020 verabschiedete Arbeitsgesetz soll je- doch Besserung bringen. Benin wird im Global Rights Index der tieferen Kategorie «systemi- sche Rechtsverletzungen» zugewiesen. In Benin verschlechterte sich zudem die Meinungs- freiheit weiter. Die Medien werden verstärkt von der Regierung überwacht16. In Togo existiert eine breite und freie Medienlandschaft, welche jedoch zu Wahlzeiten stark eingeschränkt wird17, so zum Beispiel auch im Februar 2020. Die Präsidentschaftswahlen in Togo am 22. Februar 2020 verliefen friedlich und endeten mit einem klaren Sieg des bisherigen Präsidenten Faure Gnassingbé. Dieser trat jedoch gegen keinen ernstzunehmenden Oppositionskandidaten an. Es ist dies seine vierte Amtszeit. We- gen der Coronapandemie und dem ausgerufenen Notstand wurde die neue Regierung erst vier Monate später ernannt und vereidigt. Victoire Tomégah-Dogbé wurde als erste Frau zur Ministerpräsidentin ernannt. Zudem ist ein Drittel der Regierungsposten von Frauen besetzt worden. 8 https://interactives.lowyinstitute.org/features/covid-performance/ 9 Banque mondiale, 2020 10 https://insae.bj/images/docs/Actualit%C3%A9s/Rapport_Impact_Covid_B%C3%A9nin.pdf 11 https://www.globalhungerindex.org/de/ranking.html#table 12 https://www.wfp.org/countries/togo 13 https://www.lemonde.fr/afrique/article/2021/01/04/pour-lutter-contre-la-faim-l-afrique-s-invente-de- nouvelles-solutions_6065176_3212.html 14 https://insae.bj/images/docs/Actualit%C3%A9s/Rapport_Impact_Covid_B%C3%A9nin.pdf 15 https://www.ituc-csi.org/IMG/pdf/ituc_globalrightsindex_2020_en.pdf 16 Benin liegt auf dem 113. Platz von 180 Ländern (https://rsf.org/en/benin) 17 Togo liegt auf dem 71. Platz von 180 Ländern (https://rsf.org/en/togo) 9
2.2.1. Entwicklungen im Programm Für die Programmphase 2017–2020 konsolidierte Brücke · Le pont die Arbeitsschwerpunkte Einkom- mensförderung und berufliche Kompetenzen im Afri- kaprogramm. Das Regionalprogramm konzentrierte sich auf die ländlichen Gebiete in Togo und Benin. 2020 unterstützte es sechs Projekte, eine Bauernge- werkschaft, vier Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) und ein Konsortium von zwei togolesischen NGOs, welche insbesondere zum Auf- und Ausbau von Wertschöpfungsketten arbeiten. Unsere PO GTPAL hat per 1.1.2020 mit der grossen NGO OADEL in Togo fusioniert. OADEL arbeitet seit lan- gem zum Konsum von lokalen Produkten und zur Er- nährungssouveränität. Das Projekt Kponno (Brot aus lokalem Getreide) passt daher sehr gut zu ihrem Engagement und wird wie geplant umgesetzt. Im Zentrum des Programms stehen der Aufbau und die Förderung von Wertschöpfungsketten, welche besonders armen Leuten eine Einkommensmöglichkeit bieten und zur Verbesserung der Ernährungssituation in den Programmländern beitragen. In Benin wurde zu den Wert- schöpfungsketten Reis (PO LDLD), Geflügel (PO CAPACITES-21) und rotes Palmöl (PO CAPACITES-21)18 gearbeitet, während in Togo die Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von rotem Palmöl (PO Consortium VERD-Togo), Reis (PO PTM), Geflügeltieren (PO PTM), Brot aus lokalem Getreide (PO OADEL) und grünem Kaffee (PO Consortium VERD-Togo) verbessert wurden. Die PO MAPTO arbeitete zu den Arbeitsbedingungen von landwirtschaft- lichen ArbeiterInnen und Saisonniers/ères und bereitet ein neues Projekt zu Kochbananen vor. Dadurch, dass alle PO gemäss dem M4P-Ansatz zu den Wertschöpfungsketten arbeiten, be- steht ein grosses Potenzial für Wissensaustausch zwischen den Organisationen, welches im- mer öfter genutzt wird. Aspekte zu Arbeitsrechten fliessen in die Förderung der Wertschöp- fungsketten ein und werden von mehreren PO als transversale Themen behandelt. M4P – Making Markets Work for the Poor M4P ist ein methodischer Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit, der darauf abzielt, Marktsysteme speziell für arme Menschen nachhaltig zu verändern. Im Gegensatz zu traditio- nellen Projektansätzen, bei denen die Begünstigten direkt Leistungen erhalten, analysieren M4P-Projekte ganze Marktsysteme, vermitteln verschiedene Akteure miteinan- der und fördern den Aufbau und die Optimierung von Dienstleistungen und Infrastrukturen zugunsten benach- teiligter Zielgruppen. Brücke · Le pont unterstützt ihre PO dabei, alle Projekte nach diesem Ansatz zu konzipieren und umzusetzen. Dadurch wird der Markt nachhaltig so verändert, dass Marktbeteiligte und -funktionen besser aufeinander abge- stimmt sind, den Bedürfnissen Armutsbetroffener Rech- nung getragen wird und alle gleichermassen vom Markt- system profitieren. 18 Traditionell hergestelltes und unbehandeltes Palmöl wird als rotes Palmöl bezeichnet. 10
Das Consortium VERD-Togo startete im Jahr 2020 eine neue Projektphase, während MAPTO, LDLD und CAPACITES-21 eine neue Projektphase für 2021 vorbereiteten. Zudem wurden Abklärungen mit einer neuen PO, AFVA im Norden von Benin, getätigt für ein Wertschöpfungs- kettenprojekt zu Karité. Das Regionalprogramm Afrika ist heute ein konsolidiertes Programm, das die Herausforde- rungen der beiden Länder direkt anspricht und dadurch noch einmal an Relevanz gewonnen hat. Der langsame Rückbau der Länderprogramme Brasilien und Bolivien lässt Mittel frei wer- den, die ab 2021 teilweise in den Ausbau des Afrikaprogramms fliessen sollen. Im Jahr 2020 wurden deshalb erste Abklärungen getroffen, in welche thematische und geographische Rich- tung das Regionalprogramm Afrika erweitert werden soll. Jedoch konnten aufgrund der Covid- 19-Situation die Abklärungsstudien nicht wie geplant durchgeführt werden, was zu einer Ver- zögerung des Ausbaus führt. Das Mandat der in Cotonou, Benin, basierten Programmkoordination wurde 2020 fortgeführt. Die Koordi- nation unternahm erste Schritte für eine Akkreditierung von Brücke · Le pont in Benin und erarbeitete ein sechsmonatiges Coronahilfspro- jekt, welches zusammen mit fünf anderen Schweizer NGOs in Benin umgesetzt und von der DEZA über das Kooperationsbüro (KoBü) in Benin finanziert wurde (mehr dazu s. Kapitel 2.1). Dies führte zu einem verstärkten Austausch mit den Schweizer NGOs wie Helvetas Swiss Intercooperation oder Swisscontact in Benin und mit dem KoBü. 2.2.2. Resultate und Wirkung 2020 2.2.2.1. Zusammenfassung Aufgrund der durchgeführten Programmaktivitäten erzielten insgesamt 1'562'055 Personen einen finanziellen Vorteil, 506'308 Personen verbesserten ihre fachlichen und berufli- chen Kompetenzen zur Sicherung und zum Ausbau ihrer einkommensfördernden Aktivitäten und 2'886'425 Personen verbesserten ihre Kenntnisse über Arbeitsrechte. 2.2.2.2. Reiswertschöpfungskette Die beiden PO PTM in Togo und LDLD in Benin arbeiten zur Wertschöpfungskette des Reises mit dem Ziel, die Armut der ReislandwirtInnen und -verarbeiterInnen zu reduzieren. 4937 Reis- landwirtInnen profitierten 2020 von einem verbesserten Zugang zu qualitativem Dünger und Reissaatgut. Durch die Projektaktivitäten bieten vermehrt kleine Geschäfte in den Dörfern landwirtschaftliche Betriebsmittel an. Die Lern- und Demonstrationsfelder, welche von natio- nalen Forschungs- und Lernzentren unterhalten werden, ermöglichen den Bauern und Bäue- rinnen, angepasste Anbautechniken, die Herstellung von biologischem Dünger und dessen effiziente Anwendung praxisnah zu lernen. Die Peer-to-Peer-Methode erlaubt es, danach das 11
Wissen weiterzugeben, sodass möglichst viele Bauern und Bäuerin- nen davon profitieren. Insgesamt wurden in Benin und Togo 18’345 LandwirtInnen sensibilisiert und da- von 11'345 direkt auf den Feldern geschult. In Togo ermöglichte die Vernetzung der LandwirtInnen mit Maschinenan- bietern und landwirtschaftlichen Arbeitskräften ein maschinelles Pflü- gen der Felder. Davon profitieren insbesondere die Frauen, für welche die physische Arbeit eine grosse Last darstellt. Dank der Maschinen und Hilfskräfte konnten sie fast doppelt so viel Land bestellen. Insgesamt profitierten 3513 ReisproduzentInnen (davon 716 Frauen) von den 48 Pflugdienstleistungen oder vom Kauf von Pflugmaschinen. Eine zu- nehmende Herausforderung ist das nachhaltige Wassermanagement, denn der Klimawandel wird vermehrt zu einem Problem. PTM stärkte zudem das Preisinformationssystem, sodass 200’000 LandwirtInnen via Radio über die jeweiligen aktuellen Reisverkaufspreise informiert sind. Die Nutzung von qualitativen Betriebsmitteln, der Zugang zu (maschinellen) Pflugdienstleis- tungen und die verbesserten Anbaukenntnisse im Einklang mit dem Klima liessen die Reis- produktion ansteigen. In Benin steigerten 4168 von 4793 ReisproduzentInnen (87%) ihre Ernte von 3,2 Tonnen pro Hektar im Jahr 2017 auf 3,8 Tonnen pro Hektar im Jahr 2020 (19%). In Togo steigerten 4193 der begünstigten Reisbauern und -bäuerinnen (70%) ihre Reisproduk- tion um 10% seit 2019. Jedoch konnten die ReislandwirtInnen in Benin wegen des Ausbleibens der nigerianischen HändlerInnen und der sinkenden Preise ihr Einkommen im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 nicht weiter verbessern. In Togo hingegen verbesserten 4441 Begünstigte ihr Einkommen um 25% im Jahr 2020, darunter 892 Frauen und 60 landwirtschaftliche Arbeitskräfte und junge UnternehmerInnen. Es ist vor allem die PO LDLD in Be- nin, die im Projekt Savalou die Wei- terverarbeitung des Rohreises zu hochwertigem Dämpfreis (Par- boiled-Reis) unterstützt. Insgesamt wurden 345 ArbeiterInnen in Reis- verarbeitungstechniken und hygie- nischer Arbeitsweise ausgebildet. Die in den Vorjahren geschulten QualitätskontrolleurInnen wurden begleitet und wo nötig unterstützt. Die Projektteilnehmenden produ- zierten und verkauften so 170 Ton- nen qualitativ hochwertigen Par- boiled-Reis (zum Vergleich: Im Jahr 2018 waren es 46 Tonnen). Zudem verbesserten 40 selbstständige Verarbeiterinnen dank Workshops ihre Kenntnisse zu Unternehmensentwick- lung und -führung sowie zu Methoden der Interessensvertretung (Plädoyer). Eine Folge davon ist die neue Produktentwicklung des Royal Reises, eine Reismischung mit getrockneten 12
Gewürzen und Gemüse. Auch das Einkommen der Verarbeiterinnen sank im Vergleich zu 2019 leicht, stieg jedoch im Vergleich zu 2017 um 27% an. Die Vernetzung der LandwirtInnen mit den Verarbeiterinnen und von diesen mit Händlern und Reisvertreibern sowie der Abschluss von Abnahmeverträgen ermöglicht es den ProduzentIn- nen, zu einem vorteilhaften Preis zu verkaufen und gleichzeitig genügend finanzielle Mittel zu haben, um die Produktion/Verarbeitung zu finanzieren. In Togo schlossen 4937 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen rentable Abnahmeverträge ab. Zudem wurden Finanzunternehmen für das Projekt gewonnen, welche den Reiskooperativen Kredite gewährten, um die benötigten Investitionen zu tätigen. In Benin fördert das Projekt die Belieferung dreier Absatzmärkte: Den Export ins nahe Ausland, den lokalen Markt und den Grossverteiler JINUKUN Sarl. Letzterer schloss mit den Verarbei- terinnen Abnahmeverträge ab und konnte auch für eine grosse Vermarktungskampagne ge- wonnen werden. Dadurch stieg die Visibilität des lokal produzierten Reises. LDLD: Einkommenssteigerung in der Reisproduktion Obwohl die Marktumstände im Jahr 2020 alles andere als optimal waren, verzeichnete die PO LDLD am Ende der dreijährigen Projektphase ein bemerkenswertes Resultat. 4360 von 5225 begünstigten Haushalten (83%) steigerten ihr Einkommen um 25% im Vergleich zu 2017. Die Verarbeiterinnen von Reis haben ihr Einkommen pro 100 kg Dämpfreis mehr als verdoppelt: 2017 verdienten sie pro 100 kg Dämpfreis 21 CHF, Ende 2020 lag der Verdienst für dieselbe Menge bei 50 CHF. Die ReisproduzentInnen verdreifachten ihr Einkommen seit 2017, insbe- sondere dank einer beeindruckenden Erntesteigerung pro Hektar (87% der ReisproduzentIn- nen steigerten ihre Ernte um 19%, von 3,2 Tonnen auf 3,8 Tonnen pro Hektar). 2.2.2.3. Geflügelwertschöpfungskette Die Geflügelproduktionskette wird von den PO PTM in Togo und CAPACITES-21 in Benin gestärkt. In Togo verbesserten 1145 GeflügelzüchterInnen (davon 314 Frauen) die Zuchtbe- dingungen ihrer Tiere (Hühner, Truthähne und Perlhühner). Die ZüchterInnen wurden durch Sensibilisierungskampagnen für die Wichtigkeit der Prophylaxe informiert und nutzten das ver- besserte Impfangebot der HilfstierärztInnen. 184’470 Tiere wurden im Jahr 2020 geimpft, 2019 waren es noch 10'516. Um der Nachfrage gerecht zu werden, bildeten die Tierärzte weitere 35 Hilfsärzte aus, die mit den Tierapotheken und Tierärzten zusammenarbeiten. Die verbesserten Zuchtbedingun- gen und die Verfügbarkeit von tier- ärztlicher Beratung und Untersu- chung liessen die Mortalität der Ge- flügeltiere je nach Gebiet auf 10- 22% sinken. Die Anzahl verkaufter Tiere stieg um 75% im Vergleich zu 2018, obwohl wegen Covid-19 viele Feste abgesagt wurden, an wel- chen grosse Mengen Poulet konsu- miert werden. Durch den verbes- serten Verkauf der Geflügeltiere er- zielten 1071 ZüchterInnen, davon 289 Frauen (insgesamt 1/3 der Be- günstigten), 2020 ein besseres Einkommen. Dies entspricht einer Steigerung von 68% seit 2018. 13
In Benin wurden 135 HilfsveterinärInnen durch einen regionalen Cheftierarzt ausgebildet und mit den notwendigen Arbeitsmaterialien ausgestatten. Sehr erfreulich ist, dass weitere Tier- ärzte HilfsveterinärInnen ausbilden, auch ohne die Unterstützung des Projekts. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der angestrebte Wandel erzielt wird. 3800 Haushalte, davon 670 von Frauen geführte, profitierten vom verbesserten Impf- und Entwurmungsangebot für ihre Geflü- geltiere. Im Jahr 2020 wurden 41'800 Geflügeltiere von 1500 ZüchterInnen geimpft und ent- wurmt. Zusammen mit der Schulung für artgerechte Futterherstellung und Stallpflege verbes- serte sich die Gesundheit der Tiere. 8 von 10 Küken erreichen das Erwachsenenalter (zu Be- ginn waren es 6 von 10). Die PO in Benin investierte auch in die Diversifizierung des Geflügel- angebots. Der Aufbau einer Zuchtanlage garantiert die Verfügbarkeit von Perlhuhn- und Trut- hahnküken. Bezüglich Verkauf und Vermarktung erlaubt es der Zusammenschluss von 3255 ZüchterInnen, grössere Mengen zu verkaufen, neue Absatzmärkte zu bedienen und einen besseren Preis zu erwirtschaften. Dazu trägt auch die Schulung in Verhandlungstechniken bei, von welcher 1540 Züchter und 131 ZüchterInnen profitieren. Zudem informierten Werbespots über die Vorzüge des lokalen Poulets. In Benin haben 80% der Begünstigten, was 1925 ZüchterInnen entspricht, ihre Einkommen während des Projektes um 20% gesteigert. Dies führt dazu, dass 63% der Begünstigten drei Mahlzeiten einnehmen und 90% der Haushalte ihre Schulgebühren und Gesundheitskosten bezahlen können. 2.2.2.4. Wertschöpfungskette rotes Palmöl Das rote Palmöl wird durch die traditionelle Verarbeitung der Palmnüsse gewonnen. Die PO CAPACITES-21 in Benin und das Konsortium VERD-Togo unterstützen die KleinproduzentIn- nen in der Produktion und Vermarktung des roten Palmöls. Hauptproblem ist der Zugang zu geeigneten Werkzeu- gen und Maschinen für die Palmnussverarbeitung, welche in den ländlichen Gebieten oft nicht vorhanden sind. Die Projekte unterstützten die Entwicklung von Geschäften, welche die benötigten Pressmaschinen anschaffen und den Kooperativen vermieten. Zwei sol- che Geschäfte wurden Ende Jahr in Benin eröffnet. 2800 ProduzentInnen lernten die Vorteile der Maschi- nennutzung kennen, haben Zugang zu den Maschinen und wissen, wie sie diese bei der nächsten Ernte nut- zen können, was das Pressen und Mahlen sehr er- leichtert. 2923 PalmölproduzentInnen achten dank ei- ner Sensibilisierung auf eine hygienische Verarbeitung der Nüsse. Die zwei Maschinenhändler wurden zudem im Maschinenunterhalt durch die Hersteller geschult. In Togo verzögert sich die Eröffnung der Geschäfte, da wegen Lieferengpässen nicht alle benötigten Teile für die Fertigstellung der Maschinen beschafft werden konnten. Mit einer Finanzinstitution konnten Kreditverträge abgeschlossen werden, was es 172 Produ- zentInnen (davon 155 Frauen) und 47 jungen Unternehmern in Togo ermöglichte, einen In- vestitionskredit zu erhalten. Mit einem zweiten Institut sind die Verhandlungen noch im Gange. Die sechs Kooperativen in Togo handelten zwei Abnahmeverträge zu profitablen Preisen mit grossen Vertreibern aus. Sie erarbeiteten mit Unterstützung des Projektteams ein 14
Sammelsystem, sodass das produzierte Öl der 219 Mitglieder abgeholt und in grossen Men- gen geliefert werden kann. In Benin haben 1767 ProduzentInnen ihr Einkommen um 20% gesteigert. Dies ermöglicht es 90% der Begünstigten, drei Mahlzeiten einzunehmen, 95% der Begünstigten, die Gesund- heitskosten zu decken und allen Haushalten, die Schulgebühren zu bezahlen. In Togo waren die Covid-19-Krise sowie die aufgrund der ungünstigen Regenfälle reduzierte Palmnussmenge spürbar. 80% der PalmölproduzentInnen steigerten im Jahr 2020 ihr Einkom- men um 5%. 2.2.2.5. Wertschöpfungskette Brot aus einheimischen Getreidesorten Die Wertschöpfungskette des Brots aus einheimischen Getreidesorten (Soja und Sorghum- hirse) ist ein weiterer Wirtschaftszweig, den das Afrikaprogramm fördert. Die schlechte Soja- und Hirsemehlqualität war lange ein Problem für die BäckerInnen. Die PO OADEL in Togo arbeitete mit BeraterInnen und staatlichen Institutionen zusammen, um den MehlherstellerIn- nen eine Schulung für eine hygienische und produktive Verarbeitung des Getreides zu einem hochwertigen Mehl anzubieten. Dadurch stieg die monatliche Produktion von hochwertigem Soja- und Hirsemehl pro MehlherstellerIn um 45% und ihr Umsatz um 48% im Vergleich zu 2018. Die Schaffung eines Verteilzentrums und Lagers vereinfacht den BäckerInnen den Zu- gang zum Mehl und Lieferengpässe wurden behoben. Wegen der Pandemie riegelte die Re- gierung jedoch mehrere Städte ab, was den Handel mit den Hirse- und SojaproduzentInnen zeitweise erschwerte. Auf Druck der PO von Brücke · Le pont verbot 2019 die Regierung die Verwendung von Kaliumbromat in Togo, eine Chemikalie, welche das Brot beim Aufgehen unterstützt und Geschmack und Aussehen verbes- sert, aber giftig ist. Zusammen mit dem togolesischen Institut für Ag- rarforschung und den Bäckereien wurde 2020 eine neue, hochwertige Brotmischung ohne Bromat entwi- ckelt und der Herstellungsprozess verbessert, um ein rentables und schmackhaftes Brot auf den Markt zu bringen. 33 Bäckereien testeten erfolgreich die Mischung und Herstellung. Das neue Brot schmeckt den KonsumentInnen und findet sogar über die Grenzen hinweg in Benin Anklang. Der Umsatz der Bäckereien stieg um 48% und der Profit um 40% im Vergleich zu 2018. Die Nachfrage nach gesundem Brot steigt in Togo, insbesondere während der Krise legte die Mit- telschicht mehr Wert darauf. Um den höheren Ansprüchen gerecht zu werden, erstellte die PO zusammen mit der Abteilung Kontrolle und Hygienekontrolle des Gesundheitsministeriums eine Informationsbroschüre für eine hygienische Brotproduktion, die sie allen Bäckereien im Projektgebiet zugänglich machte. Zudem begann die PO, InspektorInnen auszubilden mit dem Ziel, dass Bäckereien ihre Qualität in Zukunft zertifizieren lassen können. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, wurden sieben zusätzlich installierte Brot- kioske eröffnet, der Tür zu Tür Verkauf verstärkt und Verträge mit 14 zusätzlichen Verkaufslä- den und zwei Verteilunternehmen, welche die Brote auch im nahen Umland ausliefern, abge- schlossen. Die Pandemie und die Abschottung der Städte liessen den Umsatz im ersten Halb- jahr jedoch sinken. Im zweiten Halbjahr stiegen die Verkaufszahlen wieder an. 15
Die Erstellung eines Lehrmittels für Brot aus lokalem Getreide, die Entwicklung einer nationa- len Bäckerausbildungsstrategie und die Kartierung der Bäckereien in Togo ebneten den Weg, um ein Modul zu Brot aus lokalen Getreidesorten in den nationalen Bäckerausbildungslehr- gang zu integrieren. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium für techni- sche Ausbildung und Berufsbildung, dem Ministerium für Entwicklung, Handwerk und Jugend und dem Ministerium für Landwirtschaft, Viehwirtschaft und Fischerei. Ein weiterer Schritt in Richtung einer nationalen Ausbildung für die Brotherstellung mit lokalen Getreidesorten Die erfolgreiche Advocacy-Arbeit durch OADEL im Jahr 2019 für die Ausarbeitung eines Lehr- plans trug 2020 Früchte. Das Landwirtschaftsministerium finanzierte die Erstellung eines Aus- bildungsplans für die Brotherstellung unter Verwendung von lokalen Getreidesorten sowie die Ausarbeitung folgender Dokumente durch die Direktion für Pädagogik und Programme des Ministeriums für technische Bildung und Handwerk: Charta der Kompetenzen für den Bäcker- beruf und für die Verwendung von lokalen Mehlen in Togo, Lernleitfäden für die Brotherstellung mit lokalem Mehl sowie Schulungsbroschüren für die Herstellung von Brot auf Maniok-, Soja- und Hirsebasis. OADEL erhielt zudem die finanzielle Unterstützung der Direktion für Berufsausbildung und Lehrlingswesen für die Umsetzung der Ausbildungsstrategie in den sechs Regionen Togos. An einer Pressekonferenz im Oktober wurde die neue Ausbildungsstrategie, welche ab 2021 umgesetzt werden soll, präsentiert. Die mit Hilfe des Projekts gegründete Branchenorganisation übernimmt immer mehr Verant- wortung in der Qualitätssicherung und Marktstrukturierung und entwickelte eine Strategie für die Selbstfinanzierung ihrer Organisation. Der 2019 gegründete Verein der BäckerInnen setzte mehrere Veranstaltungen und Schulungen für die BäckerInnen um. 2.2.2.6. Wertschöpfungskette Robusta-Kaffee In der Wertschöpfungskette zu Robusta-Kaffee in Togo profitierten 1220 Kaffeebauern und - bäuerinnen von Schulungen zum Umgang mit chemischem Dünger und lernten, welche Schä- den bei einer unkorrekten Anwendung entstehen. Der Verkauf der ersten Kaffeeernte 2020 des Projektes ist noch im Gange, weshalb noch keine Angabe über eine Einkommenssteige- rung möglich ist. Jedoch sind erste Erfolge in der Vernetzung der Akteure sichtbar: Zwei Kaf- feekooperativen und zwei Trocken- und Röstungsunternehmen haben Abnahmeverträge ab- geschlossen für insgesamt sechs Tonnen rohe Kaffeebohnen und dies zu einem Preis, wel- cher 3% höher ist als der übliche Marktpreis. Die Unternehmen sind zufrieden mit der ersten gelieferten Kaffeebohnenqualität und bestellte noch eine zusätzliche Tonne. Der Verband der Spar- und Darlehenskassenver- eine passte sein Kreditprogramm dem Kaffeeproduktionszyklus an. Davon profitieren 242 Kaffeeprodu- zentInnen, inkl. 36 Frauen und 25 junge Menschen, die einen Kredit erhielten. Die Verhandlungen mit einer weiteren Kasse sind im Gange. Zudem unterstützte das Projekt einen jungen Unternehmer im Aufbau eines Degustations- und Verkaufsladens in der Stadt Kpali- mé. Ziel des Ladens ist es, lokal 16
verarbeiteten Kaffee zu verkaufen und die togolesische Bevölkerung für den einheimischen Kaffee zu gewinnen. Die PO bezieht auch Umweltaspekte in die Wertschöpfungskette mit ein. So wurden zum Bei- spiel 120 Haushalte im Bau von effizienteren Kochstellen geschult, die beim Kochen und Rös- ten weniger Holz verbrennen. Dies soll die Abholzung reduzieren. Die Teilnehmenden haben seit der Schulung insgesamt 50 solcher Kochstellen gebaut. MAPTO, PTM und VERD: gute Arbeitsbedingungen für landwirtschaftliche ArbeiterInnen MAPTO, PTM und VERD engagier- ten sich im Rahmen ihrer Wert- schöpfungsketten für die Rechte der landwirtschaftlichen ArbeiterIn- nen in Togo. Die drei PO arbeiteten zusammen, um die prekäre Situa- tion der Hilfskräfte, die tage- und wochenweise beim Anbau und der Ernte mitarbeiten, zu verbessern. Sie unterstützten sie dabei, sich in 12 Kooperativen zu organisieren, stärkten das gegenseitige Ver- ständnis der LandwirtInnen und Hilfskräfte für ihre jeweiligen Rechte und Pflichten und arbeiteten mit den Beteiligten Richtpreise für die unterschiedlichen Dienst- leistungen aus. Davon profitierten direkt 322 landwirtschaftliche ArbeiterInnen. In Radiosen- dungen wurde zudem über Themen wie Arbeitsrechte, Arbeitsbedingungen und gute Betreu- ung der Hilfskräfte informiert. Die Sendungen erreichten rund 760’000 ZuhörerInnen. 2.2.2.7. Transversalthemen: Gender und institutionelle Stärkung Alle PO des Afrikaprogramms haben Gender-Aspekte in ihrer Arbeit integriert. Die Resultate dazu sind in den Beschrieben zu den Wertschöpfungsketten ersichtlich. Zusätzlich arbeiten einige PO zum Thema Frauen- und Kinderrechte, so CAPACITES-21 und das Konsortium VERD-Togo. 1200 Personen wurden durch Sensibilisierungsaktionen für die gleichberechtigte Verteilung des Erbes, insbesondere jenes in Form von Land, zwischen den Geschlechtern sensibilisiert. 837 Personen erhielten Informationen zu den rechtlichen Schritten im Falle von geschlechter- basierter Gewalt und zu den Folgen des Kinderhandels. CAPACITES-21 unterstützte 15 Kin- der, davon sieben enterbte Mädchen, welche die Schule abgebrochen haben, in der Absolvie- rung einer Berufslehre. 17
CAPACITES-21: Mit traditionellen Autoritäten Frauen- und Kinderrechte fördern Die PO CAPACITES-21 sensibilisierte 2020 45 Könige, Älteste und traditionelle Führer sowie 1500 weitere Menschen an 15 Informationsveranstaltungen für den gleichberechtigten Zugang zu Land für Frauen und Männer sowie für den Kampf gegen geschlechterbasierte Gewalt. Ergänzend wurden je vier Radio- sendungen in den lokalen Sprachen ausgestrahlt, um ein breites Publi- kum zu erreichen. Zudem schulte die PO 100 Frauen, die in ihren Gemeinden als Anlauf- stellen für von Gewalt betroffene Kinder und Frauen fungieren. Diese Frauen unterstützten insgesamt 15 Frauen bei der Anklage gegen die Gewalttäter und verschafften ihnen Zugang zu den entsprechenden Be- ratungs- und Hilfestellen. Das Konsortium VERD-Togo führte acht Diskussionsrunden in Dörfern durch, die über Radio ausgestrahlt wurden. Diskussionsthemen waren unter anderem Frauenrechte, Gesundheit, Schutz und Massnahmen gegen Covid-19, Mobilität und Ausbeutung von Kindern, Schulbil- dung und die Rolle der Eltern in der Begleitung der Schulausbildung sowie die Bedeutung von Zivilstandsunterlagen für die Kinder. Ein Resultat dieser Diskussionsrunden war, dass 54 der begünstigten Frauen 46 Hektaren Land von der Gemeinde und/oder Familie erhielten. Davon sind 16 Hektaren Land für den Kaffeeanbau für 35 Frauen bestimmt, 29,75 Hektaren für den Anbau diverser Kulturen für 15 Frauen und vier Frauen erhielten 0,25 Hektaren Land für den Bau eines Hauses. OADEL stellt eine Veränderung in der Brotwertschöpfungskette fest. Immer mehr Männer und Söhne unterstützen die Bäckerinnen im Haushalt, sodass diese mehr Zeit ihrem Geschäft wid- men können, und mehr Männer erlauben ihren Frauen an den Aktivitäten und Austauschtreffen im Rahmen des Projektes teilzunehmen. Schön zu sehen ist auch, dass vermehrt junge Män- ner eine Bäckerlehre absolvieren, obwohl es bis anhin als klassischer Frauenberuf galt. Institutionelle Stärkung 2020 wurden im Regionalprogramm Afrika zwei Weiterbildungen durchgeführt, die erste davon im Januar durch die Finanzverantwortliche der Koordination, zum neuen Buchhaltungspro- gramm Banana. Ziel war es, dass die PO ein professionelles Buchhaltungsprogramm zur Ver- fügung haben und dieses auch anwenden können. Dafür reiste die Finanzverantwortliche der Koordination zu allen PO und unterstützte die PO individuell gemäss ihren Bedürfnissen. Die Finanzabschlüsse 2020 wurden erfolgreich mit dem neuen Buchhaltungsprogramm durchge- führt. 18
Eine fünftägige Weiterbildung zum Thema Verhandlungstechniken und Advocacy wurde Ende Jahr in Lomé, Togo, durchgeführt. Die Wei- terbildung musste wegen der Pan- demie vom Frühjahr in den Dezem- ber verschoben werden. Das Thema war stark nachfrageorien- tiert, und wurde aufgrund einer Um- frage unter den PO 2019 ausge- wählt. Die Relevanz der Weiterbil- dung wurde dadurch sichergestellt, dass die PO immer wieder eigene Beispiele für die Rollenspiele ein- bringen mussten und mögliche Advocacy-Arbeit konkret an Beispielen von den PO diskutiert wurden. Die PO bewerteten die Weiterbildung als sehr nützlich für ihre Projekte. Indirekt half die Weiterbildung auch, Synergien zwischen den PO besser zu nutzen. Im Anschluss an die Weiterbildung fand ein zweitägiges Partnertreffen statt. Hauptschwer- punkt war der Austausch zwischen den PO zu M4P und Geschäftsmodellen sowie das Ken- nenlernen der neuen PO AFVA, die ab 2021 ins Afrikaprogramm aufgenommen wird. Zudem wurden im Jahr 2020 drei weitere Kapitalisierungsstudien19 verfasst und mit relevanten Part- nern und Akteuren geteilt. Die Koordination sowie die Pro- grammverantwortliche unterstützen die PO individuell in der Optimie- rung interner Prozesse, Personale- valuationen oder der Nutzung der neuen virtuellen Kommunikations- methoden. Die Koordination unter- nahm 2020 insgesamt 22 Partner- besuche. 19 OADEL publizierte das «Schulungsprogramm für Bäckerinnen in der Herstellung von Brot mit lokalem Getreide», LDLD das Dokument «Produktionsstandard für hochwertigen Roh- und Parboiled-Reis und Internes Kontrollsystem» und CAPACITES-21 die Erkenntnisse zu «Familiäre, schulische und berufli- che Reintegration von Vidomégon-Kindern in der AHEME-Region». 19
2.3. Regionalprogramm Zentralamerika 2.3.1. Kontext Die Bevölkerungen in El Salvador und Honduras leben in fragilen und instabilen Ländern und leiden seit Jahren unter Armut, Ungleichheit und Gewalt. Die Covid-19-Pandemie verschärfte die ohnehin schon prekären Bedingungen dramatisch. In El Salvador wurden bis Ende 2020 über 46'000 Covid-19-Fälle und mehr als 1300 Todesfälle registriert. In Honduras waren es gar mehr als 120'000 Ansteckungen und über 3100 Tote. Gerade in Honduras dürfte die Zahl der unentdeckten Ansteckungen hoch sein, denn es wurden nur wenige Test gemacht und davon waren bis zu 50% positiv. Vor der Pandemie lebten gemäss Weltbank 29% der Bevölkerung El Salvadors unter der Ar- mutsgrenze und 9% in extremer Armut20. Gemäss einer Studie der salvadorianischen Hoch- schule für Wirtschaft ESEN könnten neu bis zu 54% der EinwohnerInnen El Salvadors von Armut betroffen sein21. In Honduras waren vor der Pandemie 48,3% der Bevölkerung von Armut und 22,9% von extremer Armut betroffen22. Der Verband der honduranischen Privatun- ternehmen COHEP schätzt, dass nach der Pandemie fast jede zweite Person von extremer Armut betroffen sein könnte und zwei von drei Personen in Armut leben23. Menschen, die im informellen Sektor ein Einkommen erwirtschaften, dürften besonders von dieser Entwicklung betroffen sein. Sie verloren quasi über Nacht den Zugang zu ihren Einkommensquellen, weil die Regierungen beider Länder drastische Massnahmen zur Verhinderung einer noch weiteren Ausbreitung von Covid-19 ergriffen. In El Salvador galt während 100 Tagen eine allgemeine Ausgangssperre, während der niemand ohne ausreichende Begründung sein Haus verlassen durfte. In Honduras durften die Menschen während mehr als 4 Monaten ihr Haus nur einmal in 14 Tagen verlassen. In Ländern wie El Salvador und Honduras, wo der Anteil der informel- len Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft bei 68% respektive 75% liegt, haben solche Ausgangssperren verheerende Folgen24. Den wenigen Personen, die im formellen Sektor angestellt sind, erging es während der Pan- demie jedoch nicht viel besser. Das salvadorianische Amt für Sozialversicherung meldete mehr als 65'000 verloren gegangene Arbeitsstellen, mehr als die Hälfte davon betrifft Jugend- liche25. In Honduras wird der Stellenverlust auf rund 50'000 geschätzt. Die Arbeitsverträge von hunderttausenden ArbeiterInnen in beiden Ländern wurden temporär sistiert oder gänzlich aufgelöst, ohne dass die Unternehmen eine Entschädigung oder Abfindung zahlten26. Diejeni- gen, die noch arbeiten konnten, kamen oft nicht an ihren Arbeitsplatz. In beiden Ländern wurde der öffentliche Verkehr während Monaten teilweise oder ganz stillgelegt. Gerade Menschen der unteren Bevölkerungsschichten, die sich kein Auto leisten können, wären aber darauf an- gewiesen gewesen. Die Arbeitslosigkeit im formellen Arbeitsmarkt wird wohl in beiden Ländern spürbar ansteigen und besonders Jugendliche stark treffen. In Honduras verdoppelte sich die allgemeine Arbeitslosenquote beinahe von 5,7% auf 10,9%27. Die Jugendarbeitslosigkeit lag bereits vor der Pandemie in El Salvador bei 13,6% und in Honduras bei 11,3%. 20 https://www.bancomundial.org/es/country/elsalvador/overview 21 https://diario.elmundo.sv/la-mitad-de-la-poblacion-de-el-salvador-caeria-en-pobreza/ 22 https://www.sica.int/consulta/noticia.aspx?idn=120912&idm=1&ident=1461 23 https://tiempo.hn/cohep-44-aumentado-pobreza-extrema-en-honduras/ 24 https://odi.org/en/publications/informal-is-the-new-normal-improving-the-lives-of-workers-at-risk-of- being-left-behind/ 25 https://diario.elmundo.sv/mas-de-33600-jovenes-salvadorenos-perdieron-su-empleo-en-cinco-me- ses/ 26 Siehe Link bei Fussnote 23. 27 https://www.elheraldo.hn/opinion/1440840-466/el-desempleo 20
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