Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden

Die Seite wird erstellt Gunnar Brandl
 
WEITER LESEN
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
Thema:
                           Innovatives
                          lebenslanges
                             Lernen
Nr. 26 / September 2021

Wissensplatz
fhgr.ch/magazin
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
2                                                              INHALT//WISSENSPLATZ

 Inhaltsverzeichnis
 Der digitale Wandel wirkt sich auf die gesamte Arbeitswelt aus, Arbeiten und Lernen sind untrennbar geworden.
 Neue Unternehmenskulturen und Arbeitskonzepte sind auf neue Lehr- und Lernkonzepte angewiesen. Der rasante
 Zuwachs an neuen Informationen macht es erforderlich, sich immer wieder auf den neuesten Stand des Wissens
 zu bringen. Die Fachhochschule Graubünden setzt deshalb einen Fokus auf das innovative lebenslange Lernen und
 entwickelt ihre Lehre und Weiterbildung entsprechend weiter.

 Begleiterin auch über das Studium hinaus                                 3   Es braucht ein gutes Team, nicht zertifizierte Einzelgänger           21

 Neue Ideen und Konzepte für ein innovatives lebenslanges Lernen 4            Wir bilden Graubünden weiter                                         24

 Verschmelzung von digitalen und analogen Lehr- und Lernformaten 6            Neue Wege in der Vermittlung von betriebswirtschaftlichen
                                                                               Konzepten                                                            26
 Sprung ins lauwarme Wasser: die virtuelle FH Graubünden                 10
                                                                               Ohne Weiterentwicklung heisst es schnell: «Der Letzte macht
 Wie die Distanz eine gemeinsame Problemlösung ermöglicht                12   das Licht aus!»                                                      28

 Nicht untergehen im Datenozean                                          14   Weiterbildung für Gemeindemitarbeitende funktioniert auch
                                                                               online                                                               30
 Wissensdurstig                                                          16
                                                                               «Ich will Frauen dazu ermutigen, selber aktiv zu werden»             32
 Digitale Werkzeuge für analoge Architektur                              18
                                                                               Den Stillstand als Chance für den Aufbruch genutzt                   34
 Curriculum-Entwicklung für eine Bildung für nachhaltige
 Entwicklung                                                             20   Veranstaltungen / Impressum                                          36

                        C U S TO M
               ALK                   ER
             ET                           F
       TH

                                          OC
         K

                                               US
     WAL

                                                TEAM
     ENT
     ERM

                                               AG
       OW

                                         LIT
                                           I

             P
                 EM                  Y

                      ENTWICKELN SIE SICH
                      IN EINEM DYNAMISCHEN
                      HIGH-TECH UMFELD!
                      High-Tech und Internationalität: Safran Vectronix ist ein weltweit führender Anbieter
                                                                                                                          Safran Vectronix AG
                      modernster opto-elektronischer Ausrüstung mit Schweizer Qualität. Entdecken                         Heerbrugg, Schweiz
                      Sie wer wir sind, wie wir arbeiten und welche Karrieremöglichkeiten wir bieten.             career.safran-vectronix.com

Safran-Vectronix_Advert_HR_192x133_P.indd 1                                                                                                   08.06.21 14:04
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
EDITORIAL//WISSENSPLATZ                                                                     3

Begleiterin auch über
das Studium hinaus
fh gr.ch/magazin/september2021

Nicht erst seit der Coronapandemie und dem daraus folgenden Schub für innovative
Lehr- und Lernformen sind diese an der Fachhochschule Graubünden ein zentrales
                  Thema. Eng damit verbunden ist der Begriff des «Lebenslangen Lernens».
                   Das Verständnis dafür hat sich in den letzten Jahren verändert – weg
                    von der Erwachsenenbildung oder der Wiederaufnahme organisierten
                    Lernens nach einer ersten beruf­lichen Phase hin zu lebenslangem Lernen.
                   An diesem orientieren w
                                         ­ ir uns als Hochschule und begleiten unsere
                            Studierenden – auch über das Studium hinaus.
                                 Text: Jürg Kessler / Bild: Luzia Schmid

                                      Ein Lernen, das nie aufhört, erfordert von den     an der FH Graubünden. Unsere Aus- und Wei­
                                      Bildungsinstitutionen, sich zu bewegen und ihre    terbildungen werden noch stärker aufeinander
                                      Rolle zu überdenken. Das Studium bedeutet für      abgestimmt. Durch Öffnung und Flexibilisierung
                                      junge Menschen den Start in ein Berufsleben,       können neue Formate entstehen und damit neue
                                      das geprägt sein wird vom lebenslangen Ler­        Anspruchsgruppen – auch Leute im Berufsleben
                                      nen. Wir als Fachhochschule Graubünden ver­        – erschlossen werden. So können wir für unsere
                                      stehen uns als treue Begleiterin auf diesem Weg    Praxispartner in Wirtschaft und Gesellschaft
                                      – als Weggefährtin, auf die man auch noch zäh­     eine Sparringpartnerin sein und einen Beitrag
                                      len kann, wenn man das Diplom schon in den         zur Regionalentwicklung leisten. Zeitgemässe
                                      Händen hält. Wir ermöglichen den Studierenden      Formate bieten zudem weitere Möglichkeiten,
                                      eine erfolgreiche erste Etappe, bereiten sie auf   um im Wettbewerb bestehen zu können und sich
                                      ihren Einstieg ins Berufsleben als Akademikerin­   klar zu differenzieren. Wir entwickeln das innova­
                                      nen und Akademiker vor und begleiten sie auch      tive lebenslange Lernen wirkungsorientiert aus
                                      über ihr Studium hinaus.                           der Perspektive unserer relevanten Anspruchs­
                                      Innovatives lebenslanges Lernen stärkt die         gruppen weiter – kompetenzorientiert, adaptiv
                                      Selbstbestimmtheit der Studierenden und            und kooperativ.
                                      fokussiert ihre individuellen Stärken. Es setzt    Und auch wenn wir vermehrt örtlich und zeit­
                                      Inklusion, also das gleichberechtigte Zusam­       lich flexibel gestaltete Lehr- und Lernformen
                                      menleben aller Menschen, sowie Chancen­            anbieten, bleiben wir eine Präsenzhochschule.
                                      gerechtigkeit um und fördert die digitale Kom­     Wir wollen – auch mit dem Fachhochschulzen­
                                      petenz sowie den bewussten und kritischen          trum – eine optimale Lernumgebung schaffen.
                                      Umgang mit Daten, allgemein als Data Lit­          Austausch und Sozialisierung sind dabei sehr
                                      eracy bezeichnet. Dies ermöglicht Teilhabe         wichtig. In unseren Lehr- und Lernein­heiten vor
                                      und Selbstbestimmung in der digitalen Gesell­      Ort sind wir deshalb stark auf die Praxis aus­
                                      schaft sowie erfolgreiche Anschlussfähigkeit       gerichtet und nutzen die Zeit, um an wissen­
                                      an den sich wandelnden Arbeitsmarkt. Wir ver­      schaftlichen Anwendungen zu arbeiten und
                                      stehen innovatives lebenslanges Lernen als         diese gemeinsam weiterzuentwickeln. «Inno­
                                      Verpflichtung und Aufgabe, im Zuge dieser Ent­     vatives lebenslanges Lernen» ist die Grundvor­
                                      wicklung innovative Bildungsangebote zu kon­       aussetzung, um den wirtschaftlichen und gesell­
                                      zipieren. Dabei nimmt unsere Forschung eine        schaftlichen Herausforderungen zu begegnen.
                                      zentrale Rolle ein, denn sie ermöglicht es uns,
                                      stets aktuelles und zukunftsorientiertes Wis­
                                      sen zu vermitteln.
                                      Innovatives lebenslanges Lernen – umfassend        Prof. Jürg Kessler
                                      und langfristig gedacht – bietet ausserdem ein     Rektor und Vorsitzender der Hochschulleitung
                                      grosses Potenzial für die Weiterentwicklung der    +41 81 286 24 25
                                      bestehenden Lehr und Weiterbildungsangebote        juerg.kessler@fhgr.ch
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
4                                                         FOKUS//WISSENSPLATZ

Neue Ideen und Kon-
zepte für ein innovatives
lebenslanges Lernen
fhgr.ch/magazin/september2021

Der rasante Zuwachs an Informationen stellt neue Ansprüche an die Bildung.
Arbeitswelten verändern sich und der Trend nach Neuqualifizierung nimmt
stetig zu. Lebenslanges Lernen rückt in den Fokus – auch an der Fachhoch-
schule Graubünden. Neue Ideen und Konzepte sind gefragt.
Text: Sandra Wipfli / Bilder: FH Graubünden

Die meisten Veränderungen sind schleichend,       sprechend dem Prinzip des «Lebenslangen Ler-      eine Universalgelehrte oder ein Universalge-
finden fast unbemerkt statt. Zukunftsfor-         nens» immer wieder auf den neuesten Stand         lehrter nicht mehr jemand, der oder die alles
schende sprechen dann von Trends und ver­         des Wissens zu bringen, denn eine Erstausbil-     weiss, sondern eine Person, die mit Wissen und
suchen, die wichtigsten davon – die soge-         dung, so gut sie auch sein mag, wird unter die-   Nichtwissen souverän umgehen kann. Der digi-
nannten Mega­trends – zu identifizieren. Dazu     sen Bedingungen nicht mehr ein Leben lang         tale Wandel wirkt sich auf die gesamte Arbeits-
gehören zum Beispiel die globale digitale         ausreichen.                                       welt aus, Arbeiten und Lernen sind untrennbar
Transformation, die zu einer Beschleunigung                                                         geworden. Neue Unternehmenskulturen und
vieler Arbeits- und Alltagsabläufe führt, sowie   KOMPETENZEN FÜR DIE ZUKUNFT                       Arbeitskonzepte sind auf neue Lehr- und Lern-
die Individualisierung unserer Gesellschaft und   Eine zentrale Frage, mit der sich Hochschulen     konzepte angewiesen: Agiles, kooperatives und
die damit verbundene Freiheit jeder und jedes     auseinandersetzen müssen, ist diejenige nach      vernetztes Arbeiten bedingt agiles, kooperati-
Einzelnen, eigene Wege zu gehen. Darüber hin-     den Kompetenzen ihrer Absolventinnen und          ves und vernetztes Lehren und Lernen.
aus hat sich auch die Erzeugung von neuem         Absolventen. Welche Ansprüche stellen heute       Ein zentrales Element in der aktuellen Stra­
Wissen enorm beschleunigt und bestehendes         die Gesellschaft und die Arbeitswelt an sie und   tegieperiode der Fachhochschule Graubün-
Wissen verliert immer schneller an Relevanz.      genügen künftig in diesem Zusammenhang die        den ist deshalb eine Lehre, die konsequent
Der rasante Zuwachs an neuen Informationen        Kompetenzen, die zurzeit vermittelt werden?       kompetenzorientiert aufgebaut ist – weg von
macht es schliesslich erforderlich, sich ent-     Angesichts der Kurzlebigkeit des Wissens ist      ­reinem Faktenwissen und Spezialfertigkeiten
                                                                                                     hin zu Hintergrund-, Begründungs- und Kon­
                                                                                                     textwissen, welches in praxis-, problem- und
                                                                                                     handlungsorientierten Lern- und Prüfungs­
                                                                                                     szenarien geübt, vertieft und überprüft wird.
                                                                                                     Im Mittelpunkt stehen die Studierenden und
                                                                                                     ihr individuelles Lernen. Die Lehrenden agie-
                                                                                                     ren vermehrt als Moderatorinnen, Coaches­
                                                                                                     und Mentoren, die den Rahmen gestalten­
                                                                                                     und die Studierenden mit Feedback zu den
                                                                                                     Lerninhalten, Lernprozessen sowie ihrem
                                                                                                     selbstregulierten Lernen durchs Studium be-
                                                                                                     gleiten.

                                                                                                    SCHNITTSTELLE ZUR WIRTSCHAFT
                                                                                                    Kaum eine Hochschule reagiert in der Entwick-
                                                                                                    lung neuer Studienangebote so agil auf die
                                                                                                    Nachfrage im Markt wie die FH Graubünden.
                                                                                                    Unsere Grösse ermöglicht es uns, innovativ und
                                                                                                    schnell zu sein. Das Konzept der Nischenstrate-
                                                                                                    gie und die enge Zusammenarbeit mit Partnern
                                                                                                    aus dem Industrie- und Dienstleistungssektor
                                                                                                    liefern uns die Gewähr, den Finger am Puls der
Der rasante Zuwachs an Informationen erfordert neue Lernprinzipien.                                 Zeit zu haben.
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
FOKUS//WISSENSPLATZ                                                                       5

                                                                                                 Agiles, kooperatives und vernetztes Arbeiten bedingt
                                                                                              agiles, kooperatives und vernetztes Lehren und Lernen.

Gut ausgebildete Mitarbeitende, die sich kon-      wird dabei eine hohe Flexibilität abverlangt, son-   Werdegangs mit entsprechenden Angeboten im
tinuierlich weiterbilden, sind das Kapital jedes   dern auch den Hochschulen. Für die Studienor-        Sinne eines Life Cycles unterstützt und inten-
Unternehmens. Die Nutzung externer Aus- und        ganisation bedeutet dies einen Ausbau der zeit-      siver angebunden werden können. Auch das
Weiterbildungsprogramme ist für Unternehmen        lichen und räumlichen Flexibilität, denn gerade      Thema der Öffnung der Hochschule für eine
daher unbestritten wichtig. Zunehmend gewin-       Personen, die im Berufsleben stehen und fami-        breite Bevölkerung unter Anrechnung nicht-tra-
nen aber auch innerbetriebliche, unternehmens-     liäre Verpflichtungen haben, oder Werkstudie-        ditioneller Kompetenzen – und damit die Erhö-
spezifische Schulungen an Bedeutung. Und auch      rende, welche während ihres Studiums in einem        hung von Bildungschancengleichheit, Diversität
hier eröffnet lebenslanges Lernen neue Ideen       Unternehmen arbeiten und so eine inhaltliche         und Inklusion in der Gesellschaft – wird aktu-
und Konzepte in Bezug auf Weiterbildungsan-        Kopplung zwischen Arbeit und Studium anstre-         ell diskutiert.
gebote. Die FH Graubünden unterstützt ihre         ben, sind auf entsprechend adaptierte Angebote       Die möglichen Weiterentwicklungen in Bezug
Partner aus dem Industrie- und Dienstleistungs-    angewiesen.                                          auf «Lebenslanges Lernen» sind vielfältig und
sektor bei unternehmensinternen Schulungspro-      Sogenannte Life-Cycle-Modelle haben ausser-          bieten zahlreiche Chancen für Veränderungen
grammen, themenspezifischen Einzelschulun-         halb unserer Landesgrenzen bereits Einzug            und Erneuerungen in der Hochschullandschaft.
gen und Seminaren. Um dem Fachkräftemangel         gefunden. Sie bieten auf der untersten Stufe –       Die FH Graubünden mit ihrem nicht-metropolita-
noch besser entgegenzuwirken und eine gezielte     nebst dem herkömmlichen Bachelorstudium –            nen Standort ist in besonderer Weise gefordert
Kopplung zwischen Studium und Berufsfeld zu        Refresher-Kurse in einzelnen Disziplinen oder        die aktuellen Entwicklungen mit ihrer ausgepräg-
gewährleisten, sind auch duale Studienangebote     Fächern an, auf einer mittleren Ebene Master-        ten Innovationsfähigkeit für sich zu nutzen. Die
denkbar, welche die FH Graubünden in Form von      programme und auf der obersten Stufe Pro-            jüngsten hochschulpolitischen Diskussionen,
Bildungskooperationen gemeinsam mit ihren          gramme für sogenannte Senior Executives,             welche durch all diese Themen ausgelöst wer-
Partnern entwickelt.                               welche von kurzer Dauer sind und ohne Prü-           den, zeigen, dass wir den richtigen Weg einge-
                                                   fungen und Credits angeboten werden. Damit           schlagen haben – und noch ein gutes Stück vor
ANGEBOTE AN DIE ZIELGRUPPEN,                       soll veranschaulicht werden, dass Interessierte      uns liegt.
DEN MARKT UND DIE AKTUELLEN                        sowie Absolventinnen und Absolventen während
ENTWICKLUNGEN ANPASSEN                             ihres gesamten Berufslebens und in verschie-
Der zunehmende Trend nach Neuqualifizierung        denen Lebenssituationen von ihrer Hochschule         Sandra Wipfli
führt dazu, dass wir mit sich abwechselnden        begleitet werden. Die FH Graubünden beschäf-         Stabsstelle «Innovatives Lebenslanges Lernen»,
oder parallel verlaufenden Phasen der Erwerbs-     tigt sich intensiv mit dem Thema, wie zukünftige     Prorektorat
tätigkeit und Aus- bzw. Weiterbildung konfron-     und ehemalige Absolventinnen und Absolven-           +41 81 286 37 91
tiert sind. Nicht nur jeder und jedem Einzelnen    ten in verschiedenen Phasen ihres beruflichen        sandra.wipfli@fhgr.ch
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
6                                                           PROREKTORAT//WISSENSPLATZ

Verschmelzung von
digitalen und analogen
Lehr- und Lernformaten
fhgr.ch/magazin/september2021

Vor der Pandemie galt als Herausforderung für die Lehre die Digitalisie-
rung. Für die R
              ­ ückkehr in die Präsenzlehre nach der Corona-Zeit stellen
sich für die Fachhochschule Graubünden neue Fragen: Welche Teile der
digitalen Lehre sollen auch weiterhin in der Präsenzlehre Anwendung fin-
den? Und welche Aspekte sollten berücksichtigt werden bei der Integra-
tion von analoger und digitaler Lehre? Dieser Beitrag zeigt, dass die Her-
ausforderung eine Verschmelzung der beiden Formen sein wird.
Text: Bianka Lichtenberger / Grafiken/Bild: FH Graubünden

Auch wenn «digitale Lehre» bereits vor der Pan-        –– Unter «Virtualisierung» wurden Lehrveranstal-   von Analogem und Digitalem. Nach fast einem
demiezeit keine unbekannte Grösse und ein                 tungen verstanden, die komplett online durch-   Jahr digitaler Lehre, ist die Rückkehr zur alten
erklärtes Ziel der FH Graubünden war, so bedeu-           geführt werden.                                 Form der Präsenzlehre eigentlich keine Option
tete die abrupte Umstellung sowohl auf die reine                                                          mehr. Einige der positiven Erfahrungen in der
digitale Lehre wie auch zwischenzeitlich auf die       RÜCKKEHR IST KEINE OPTION                          Online-Lehre und beim Online-Lernen werden
Form der hybriden Lehre seit März 2020 eine            Die vor der Pandemie geführte Diskussion um        absehbar auch zukünftig wertvolle Bestandteile
erhebliche Veränderung in Lehr- und Lernge-            die Digitalisierung der Lehr- und Lernformate      in der Präsenzlehre bleiben. Im Unterschied zu
wohnheiten. Nach mehr als einem Jahr «Online-          unterscheidet sich dabei wesentlich von der        den Bemühungen zur stärkeren Nutzung von
Lehre» stellen sich bei der Rückkehr in die Prä-       aktuellen Herausforderung der Verschmelzung        digitaler Lehre wird aber bei der Verschmelzung
senzlehre nunmehr die umgekehrten Fragen:
–– Was können wir als positive Erfahrungen aus
   dem Online-Lehren und -Lernen für die Zeit
   nach Corona in die Präsenzlehre mitnehmen?
–– Welche neuen Möglichkeiten eröffnet die
   umfassende Präsenz digitaler Technologien
   für die analoge Lehre?
–– Welche Kompetenzen braucht es für Leh-
   rende wie auch Lernende für einen digitalen
   Alltag (Digital Literacy)?
Vor Covid-19 stand die Herausforderung der Digi-
talisierung der Lehr- und Lernformate im Vorder-
grund. In der Fachliteratur wurden dabei grund-
sätzlich drei Strategien unterschieden:
–– Bei der sogenannten «Anreicherung» kommen
   digitale Elemente im traditionellen Lehrformat
   zum Einsatz (Beispiel: Vorführung eines Inter-
   net-Videos in der Vorlesung).
–– Bei der «Integration» sind digitale Bestand-
   teile essenzieller und gleichwertiger Bestand-
   teil des Formats (Beispiel: «Blended Learning»,
   bei dem sich Online- und Präsenzangebote
   abwechseln).                                                                    Die Rückkehr zur alten Form der Präsenzlehre ist keine Option mehr.
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
PROREKTORAT//WISSENSPLATZ                                                                            7

                                                                                           (rein) digitales
                                                                                                               DIE UNTERSTÜTZUNG DES
                                                                                           Lernen und
 (rein) analoges                                                                                               INFORMELLEN LERNENS M
                                                                                                                                   ­ IT
                                                                                           Lehren
 Lernen und                                                                                                    DEM NFC LEARNTRACKER (OPEN
 Lehren                                                                                                        UNIVERSITY NETHERLANDS)
                                                                                                               Mobile Lernanwendung, die Lernende bei
                         Charakteristik:                                                                       der Organisation ihres Lernens und insbe-
                         – Integragtion von digitalen und analogen Lern-                                      sonders bei der Wahl ihrer Lernräume unter-
                           und Lehrmethoden bzw. Werkzeugen                                                    stützt, indem mit Near Field Communication
                         – Nutzung durch Studierende und Lernende                                              (NFC) Ansätze des Internet of Things (Inter-
                         – Nutzung von (eigenen) mobilen Geräten                                               net der Dinge) zum Einsatz kommen. Der
Abb. 1: Positionierung und Charakteristik von digitalen                                                        NFC LearnTracker ist eine mobile App, die
                                                                                                               Lernende dabei unterstützt, Räume und Kon-
und analogen Lern-/Lehrformaten.
                                                                                                               texte zu identifizieren und zu markieren, in
                                                                                                               denen sie erfolgreich gelernt haben. Gleich-
 Lehrverfahren             Darbietendes               Erarbeitendes             Exploratives                   zeitig können mit der App Lernziele gesteckt
                           Lehrverfahren              Lehrverfahren             Lehrverfahren                  und Pläne entworfen werden und die eige-
                                                                                                               nen Lernfortschritte dargestellt und überprüft
 Das Lehrverfahren         lehrer/innen/geleitet,     lehrer/innen/geleitet,    lerner/innen/geleitet
                                                                                                               werden. Die App richtet sich insbesondere
 ist ...                   induktiv                   deduktiv                  induktiv
                                                                                                               an sog. «Lifelong Learner», eignet sich aber
 Die Rolle der             führend, vorgebend         entwickelnd,              anregend, beratend             ebenso für Studierende, die nicht über feste
 Lehrenden ist ...                                    anleitend                                                Lernräume verfügen.
 Die Rolle der             aufnehmend,                teilnehmend, mit-         eigentätig, selb­              Mit Hilfe von NFC-Aufklebern müssen, so
 Lernenden ist ...         nachvollziehend            denkend, anleitend        ständig bearbeitend            das Konzept, konkrete Gegenstände bzw.
                                                      bearbeitend                                              Lernumgebungen markiert werden, z. B. ein
                                                                                                               Buch, das eigene Auto, eine Reisetasche,
 Die Lerninhalte ...       gebend die Lehren-         werden gemeinsam          werden von den
                                                                                                               der Arbeitsplatz zu Hause und im Büro, das
                           den vor und die Lern-      bestimmt und von          Lernenden selbstän-
                                                                                                               Sofa. Die jeweiligen Tags werden mit kon-
                           denden nehzmen sie         den Lernenden unter       dig bearbeitet
                                                                                                               kreten Lernaktivitäten verknüpft, z. B. «Pod-
                           rezeptiv auf               Anleitung bearbeitet
                                                                                                               cast-Hören im Auto» oder «Vokabeltraining
Abb. 2: Je nach Lehrformat ändert sich die                                                                     im öffentlichen Verkehr». Wird eine Aktivität
Rolle der Lehrenden und Lernenden.                                                                             gestartet, wird nur kurz der Tag eingelesen,
                                                                                                               zum Ende der Aktivität wird wieder mit dem
                                                                                                               Tag ausgecheckt.
Lehrformate mit Integration
                                        analog         analog        analog      analog          analog
von digitalen Anteilen wärend der
                                         digital       digital       digital     digital         digital
Präsenzveranstaltung                                                                                          Augmented Reality, Learning Logs zur Dokumen-
                                                                                                              tation/Begleitung von Vorlesungen, Nutzung von
Lehrformate mit integration                                                                                   Lern-Apps der Hochschule, Nutzung von exter-
von digitalen Anteilen ausser-          analog       digital     analog        digital           analog       nen mobilen Lernangeboten, Einsatz von mobi-
halb der Präsenzveranstaltung                                                                                 len Audience-Response Systemen in der Vorle-
                                                                                                              sung, mobile Applikationen als Werkzeuge im
(Weitere) digitale Lernagebote                                                                                Präsenzseminar sowie Exkursionen mit mobilen
                                                                     analog
für Studierende                                                                                               Geräten. Bei allen diesen Lehrformaten werden
                                                                     digital
                                                                                                              Studierende aktiv bei der Nutzung digitaler Tech-
                                                                                                              nologien eingebunden. Es ist also nicht alleine
Abb. 3: Prototypische Darstellung der drei Szenarien der Verschmelzung                      Zeitverlauf
                                                                                                              Lehrenden überlassen, digitale Elemente oder
von Analogem und Digitalem in der Hochschullehre.                                                             Werkzeuge in der Präsenzveranstaltung zu inte-
                                                                                                              grieren (siehe Abb. 1).
von analoger und digitaler Lehre nicht zwangs-        Analogem und Digitalem» stehen deshalb drei             Beim zweiten Aspekt zur Verschmelzung von
läufig eine Addition oder ein sequenzielles ana-      Aspekte beim Design von integrativ analog-digi-         analogem und digitalem Lehrformat handelt
loges bzw. digitales Lernen und Lehren ver-           talen Lehrformaten: die Integration von analo-          es sich weniger um die Form der verwende-
standen. Naheliegender ist die Vereinigung von        gen und digitalen Elementen und Methoden, die           ten Medien und Technologien, sondern um den
beiden Formen zu etwas neuartigem Ganzen,             Rolle von Lehrenden und Lernenden sowie der             ­Charakter der Ausrichtung der Lehre. Dabei las-
bei dem die Einzelteile nicht mehr als Einzelteile    Raum als Unterscheidungsmerkmal.                         sen sich Lehrverfahren als darbietend, erar-
in Erscheinung treten bzw. wahrgenommen                                                                        beitend und explorativ beschreiben und unter-
werden. Die Nutzung eines Video-Projektors            DIE STUDIERENDEN AKTIV                                   scheiden. Fast zwangsläufig verschiebt sich
anstatt eines Overhead- Projektors ist noch           EINBINDEN                                                der Fokus des Lehrverfahrens bei der integra-
kein Angebot, das als «Verschmelzung» wahr-           Zu den Lehr- und Lernformaten, die sich für eine         tiven Berücksichtigung von analogen und digi-
genommen wird. Auch in Blended-Learning-              Verschmelzung von analog und digital anbie-              talen Lehrelementen in Richtung exploratives
Szenarien, bei denen Online-Elemente phasen-          ten, gehören neben dem Flipped bzw. Inver-               Lehrverhalten. Wird eines der verschiedenen
weise zum Einsatz kommen, gibt es deutliche           ted Classroom hauptsächlich folgende Lehrfor-            Lehrformate genutzt, ändert sich analog zum
Unterschiede zwischen der Online- und der Prä-        mate: die E-Portfolio-Arbeit, die Communities of         Lehrverfahren auch die Rolle der Lehrenden und
senzphase im Vergleich zu integrativ-gemisch-         Practice, das Seamless Learning, das Lehrfor-            Lernenden (siehe Abb. 2).
ten analog-digitalen Unterrichtsformen.               mat «Forschendes Lernen 2.0», Mobile Inquiry             Beim dritten Aspekt der Verschmelzung von
Im Vordergrund der Diskussion in der Hoch-            Based Learning, mobile Spiele und Simulati-              Digitalem und Analogem wird der Raum, in
schullandschaft über die «Verschmelzung von           onen, Remote- und Online-Labore, Virtual und             dem sich die Beteiligten befinden, ein wichtiges
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
8                                                           PROREKTORAT//WISSENSPLATZ

 Unterscheidungsmerkmal (Beispiel: Teilnahme
 an einer Präsenzveranstaltung oder nicht). Die          ERSTELLUNG VON LERNVIDEOS                        über das ganze Semester verteilt werden.
 unterschiedlichen Lehr- und Lernformate kön-            VON STUDIERENDEN FÜR                             Auch wollte man etwas daran ändern, dass
 nen dabei zu drei Szenarien zusammengefasst             STUDIERENDE IM RAHMEN DER                        während der Vorlesung nur wenig Rückfra-
 werden (Abb. 3):                                        VERANSTALTUNG LINEARE                            gen und Diskussionen zustande kamen, man
 (a) Die Lehrenden und Studierenden nutzen ihre          ALGEBRA II (HFT STUTTGART)                       sah auch die hohe Durchfallquote, die vielen
 Geräte und ggf. das Internet in der Präsenz-Lehr-       Erweiterung einer regulären Vorlesung Line-      Abbrecherinnen und Abbrecher gegenüber
 veranstaltung; (b) die Lehrenden setzen auf Kon-        are Algebra II im Rahmen eines Bachelorstu-      nur beschränkten personellen Ressourcen.
 zepte der Lehrveranstaltungen, bei denen ana-           diengangs Mathematik (2. Semester) durch         Dazu kam auch, so die Überlegung, mit dem
 loge und digitale Lernelemente und Methoden zu          das Erstellen von Lernvideos durch die Stu-      Flipped-Classroom-Konzept zukünftig Teile
 einem verschmelzen oder (c) die Lehrenden und           dierenden. Hintergrund dieser Erweiterung        des Vortrags aus der Vorlesung auszulagern,
 Studierenden nutzen ihre Geräte und ggf. das            war die Beobachtung der verantwortlichen         um Raum für mehr Diskussion und Interakti-
 Internet außerhalb von Präsenzlehrveranstal-            Professorin Anke Pfeiffer, dass die Studie-      vität zu schaffen und dabei diese Produktion
 tungen, etwa für die Kommunikation, die Doku-           renden eher eng auf die Abschlussprüfung         der Lernvideos nicht allein den Lehrenden zu
 mentation, die Planung oder sonstige Lern- bzw.         bezogen lernten. Das Lernen sollte hingegen      überlassen.
 Lehraktivitäten.

 ANNÄHERUNG AN BERUFLICHE                              rung an die berufliche Praxis kommt und die        schliesslich bieten die auf diese Weise erweiter-
 PRAXIS                                                Entwicklung beruflicher und allgemeiner Kom-       ten Lehr- und Lernformate neue Möglichkeiten
 Die erweiterte Diversität von Lehrformaten bei        petenzen unterstützen hilft. Darüber hinaus ent-   des formativen Assessments.
 der Verschmelzung von analogen und digita-            wickeln Lehrende beim Einsatz der verschmol-
 len Elementen bietet Vorteile und grosse Ent-         zenen Lehr- und Lernformate ihre didaktischen
 wicklungschancen für die Qualität in der Lehre.       Kompetenzen in der Rolle als Lernbegleiter,
 Diverse Beispiele (siehe Anwendungsbeispiele          aber auch zusätzliches Wissen und Kompeten-        Prof. Dr. Bianka Lichtenberger
 in den Kästen) über verschmolzene Lehr- und           zen, etwa zur Erstellung von Lernvideos. Studie-   Leiterin Qualitätsmanagement und Hochschul-
 Lernformate belegen, dass es gerade in der            rende wiederum erweitern ihre Kompetenzen in       didaktik
 Kombination von analoger und digitaler Lehre          Bezug auf selbstorganisiertes Lernen, und neh-     +41 81 286 38 57
 beiläufig zu einer wesentlich höheren Annähe-         men eine aktivere Rolle im Lernprozess ein. Und    bianka.lichtenberger@fhgr.ch

                                                                                                          unabhängig
                                                                                                «Meine Unabhängigkeit möchte ich
                                                                                         auch in Zukunft behalten. Deshalb ist mir wichtig,
                                                                                            dass auch mein Altersguthaben möglichst
                                                                                                       unabhängig bleibt.»
                                                                                                               Arno Dumolein
                                                                                                            Bauingenieur Struktur

                                                                                                                   Pensionskasse der
                                                                                                                   Technischen Verbände
                                                                                                                   SIA STV BSA FSAI USIC
                                                                                                                   3000 Bern 14
                                                                                                                   T 031 380 79 60
                                                                                                                   www.ptv.ch

                                                                                       aufmerksam · unabhängig · verantwortungsbewusst

ptv_ins_Wissensplatz_A_U_V_3_192x133mm_SS_de_60Jubi.indd 2                                                                                      07.01.21 10:28
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
Entwickle die Zukunft.
                                                                                                                  Mit uns.

                            Als weltweit führender Hersteller von innovativen Optosensor-Lösungen will CEDES stetig neue Grenzen
                            sprengen. Dies verlangt eine unkonventionelle Denkweise, Leidenschaft und Freude an der Arbeit.

                            Wir bieten spannende Herausforderungen in den Bereichen:
CEDES AG
Science Park
Kantonsstrasse 14
                            – Hardware-Entwicklung                               – Software-Entwicklung
7302 Landquart
+41 81 307 26 43            – Bildverarbeitung                                   – Optik-Design
hr@cedes.com
www.cedes.com               – Prüfmittelbau                                      – Automation

   Die SFS Group ist ein international tätiger Konzern mit über 80 Vertriebs- und Produktions-
   standorten in 26 Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens. Weltweit beschäftigen wir
   über 10’000 Mitarbeitende – bald auch Dich?

   Was wir Dir bieten – ein inspirierendes Arbeitsumfeld, spannende Aufgaben,
   Verantwortung, hervorragende Entwicklungschancen, ein umfangreiches
   Leistungsangebot, 6 Wochen Ferien und viele weitere interessante Benefits!
   Gestalte Deine Zukunft mit uns und starte Deine Karriere mi SFS                                                 www.sfs.biz
Wissensplatz Innovatives lebenslanges Lernen - Thema: Fachhochschule Graubünden
10                                                         PROREKTORAT//WISSENSPLATZ

Sprung ins lauwarme
Wasser: die virtuelle
FH Graubünden
fhgr.ch/magazin/september2021

Die Covid-19-Pandemie und ihre Folgen haben auch im E-Learning-Bereich
neue Massstäbe gesetzt und Möglichkeiten sowie Grenzen von digitaler Lehre ­
und Weiterbildung aufgezeigt. Wie war die Situation der Online-Lehre an der
Fachhochschule Graubünden «vor Corona»? Was ist in den vergangenen
Monaten geschehen und was für Erfolgsmomente gibt es für die Zukunft?
­Antworten darauf – und welche unterstützenden Rahmenbedingungen für die
 Zukunft nötig sind – sollen in diesem Beitrag aufgezeigt werden.
Text: Judith Hüther / Bilder und Grafiken: FH Graubünden, Uwe Mueller

WAS WAR? (DIE ZEIT VOR COVID-19)                       entwickelt werden. Diese werden etwa mit eige-   Selbststudium mit Online-Elementen zu berei-
VON LEUCHTTÜRMEN UND BLUMEN-                           nen und offenen Lernressourcen (OERs) ange-      chern – ähnlich einer vielfältigen Blumenwiese.
WIESEN                                                 reichert und über das Semester hinweg mit        Beispiele dafür sind etwa die konsequente Nut-
Schon seit vielen Jahren werden an der FH Grau-        formativen Online-Assessments ergänzt – oder     zung von Diskussionsforen auf Moodle, auf der
bünden im Rahmen der Strategie in der Lehre            es werden ganze Projekte mit Studierenden über   Lernplattform erteilte Vorbereitungsaufträge für
vielfältige Blended-Learning-Ansätze verfolgt.         die Online-Lernplattform Moodle abgebildet.      den Unterricht oder die Möglichkeit, dort auch
Als Leuchttürme bezeichnet werden können               Neben diesen Leuchttürmen existierten in der     Gruppenarbeiten oder Lernportfolios/-tagebü-
beispielsweise einzelne Module und Lehrveran-          Zeit vor Covid-19 an der FH Graubünden zudem     cher zu diskutieren und Feedbacks zu geben. Es
staltungen, die schon lange auf Online-Anteile         bereits verschiedene weitere Möglichkeiten, um   war an der FH Graubünden also schon eine gute
bauen und diesbezüglich kontinuierlich weiter-         die Lehrveranstaltungen und insbesondere das     Basis vorhanden für den «Sprung ins kalte Was-
                                                                                                        ser», der mit der Schliessung der Hochschulen
                                                                                                        im Frühjahr 2020 erfolgte, sodass das Wasser
                                                                                                        nicht ganz so kalt war und alle den Kopf danach
                                                                                                        (mehr oder weniger) über Wasser halten konnten.

                                                                                                        WAS IST?
                                                                                                        VON FRÜHLINGSBLÜHERN UND
                                                                                                        VERWURZELTEN PFLANZEN
                                                                                                        Seit der zeitweiligen Umstellung auf den Distanz-
                                                                                                        unterricht hat sich viel getan an der FH Graubün-
                                                                                                        den. Alle Beteiligten haben ihre Lehrveranstal-
                                                                                                        tungen innert kürzester Zeit auf Online-Formate
                                                                                                        umgestellt. Dazu zählt der flächendeckende
                                                                                                        Umgang mit Videokonferenzsystemen ebenso
                                                                                                        wie die konsequente Verwendung der Lernplatt-
                                                                                                        form Moodle. Pro Klasse wurden zwei studen-
                                                                                                        tische Supporterinnen und Supporter einge-
                                                                                                        setzt, die neben technischer Unterstützung auch
                                                                                                        Feedback an die Lehrpersonen gaben sowie die
                                            Einzelne Leuchttürme, Module und Lehrveranstaltungen,
                                                                                                        Lehre als Ganzes bewerteten. Im ersten Halb-
                                             die schon lange auf Online-Anteile bauen, existierten an   jahr 2020 wurden auf diese Weise mehr als 600
                                                        der FH Graubünden schon lange vor Covid-19.     Feedbacks abgegeben. Es fanden 56 Schulun-
PROREKTORAT//WISSENSPLATZ                                                                        11

gen durch das Blended Learning Center statt, bei       Virtuelle FHGR – alle Aktivitäten (Trainer/-innen und Teilnehmer/-innen)
denen alle Lehrpersonen und die Studierenden
mit den Neuerungen und didaktischen Anforde-
rungen vertraut gemacht wurden. Das Spektrum
dieser Schulungen reichte von Themen wie der
Einführung in die Lernplattform Moodle oder in
das Videokonferenzsystem Webex bis hin zur
Gamification oder der Arbeit mit kollaborativen
Werkzeugen.
Eindrückliche Zahlen zeigen denn auch den
schnellen Übergang zur virtuellen FH Graubün-
den mit Distance Learning und hybridem Lear-
ning: Im ersten Halbjahr 2020 nahmen knapp
80 000 Teilnehmende an über 10 000 Webex-
Meetings teil. Auch die rund 300 Prüfungen im
Frühjahr 2021 fanden erfolgreich virtuell statt.
Mündliche Prüfungen wurden über das Video-
                                                                                Im Verlauf der Pandemie zu virtuellen Profis geworden: Die Zugriffe auf
konferenzsystem abgehalten und die schriftli-
chen Arbeiten wurden auf Open-Internet- bzw.                                  die unterstützende Moodle-Seite «virtuelle FHGR» gingen laufend zurück.
Open-Book-Prüfungen umgestellt.
Eng begleitet wurde die Umstellung auf eine
virtuelle Fachhochschule auch von der IT. Einen
wichtigen Beitrag dazu leistet auch heute noch
der Moodle-Kurs «virtuelle FHGR». Dieser bein-
haltet einen regelmässigen Newsletter aus dem
Prorektorat und dem BLC, zahlreiche Schulungs-
angebote und Anleitungen, interaktive Tool-
sammlungen, Screencasts sowie Videoauf-
zeichnungen von Tutorials und Webinaren. Die
wichtigsten Ansprechpersonen sowie die Ter-
mine für die wöchentlichen Sprechstunden sind
dort ebenfalls aufgeführt. Auf diese Weise ist
auch die Weiterentwicklung der Lehrveranstal-
tungen gewährleistet. Neben neu eingeführten
informellen Online-Formaten bietet das Format
«Inspiration Distance Learning» als Webinar
für alle Lehrpersonen zudem regelmässig eine
Plattform für thematische Impulse und den Aus-
tausch untereinander.
Die Feedbacks der studentischen Supporterin-
nen und Supporter verschafften einen guten
Einblick in die Lehre und zeigten deutliche Ver-
besserungen des Unterrichts sowie eine klare
Zunahme der Interaktionen auf. So schlägt das                              Die regelmässigen Feedback-Runden mit den studentischen Supporterinnen
vergangene Jahr mit all seinen Mühen nun Wur-                                   und Supporter ermöglichten wertvolle Verbesserungen des Unterrichts.
zeln und trägt Früchte.
                                                     und die Tatsache, dass vermehrt Open-Book-             den. Die grosse Stärke der FH Graubünden als
WAS BLEIBT?                                          Prüfungen stattgefunden haben, werden sich             Präsenzhochschule mit ihren kleinen Klassen
(DIE ZEIT NACH COVID-19)                             nachhaltig auf die Qualität der Prüfungen aus-         und der familiären Atmosphäre bleibt jedoch die
VOM FHGR-CAMPUS-GARTEN                               wirken.                                                Live-Interaktion vor Ort mit ihrem unkomplizier-
Was aber nehmen wir nun mit in die Zeit des          Doch welche Erfahrungen, Kompetenzen und               ten Austausch untereinander. Kombiniert mit der
«neuen Normal» an der FH Graubünden? Die Zeit        Erkenntnisse können wir weiter ausbauen? Mit           neuen Qualität des Selbststudienmaterials, for-
im Distance Learning hat aufgezeigt, dass der        dieser Frage hat sich bereits im Sommer 2020           mativen Feedbacks und aktivierenden Elemen-
Einsatz möglichst vieler digitaler Tools nicht nur   eine Task Force auseinandergesetzt und die             ten auf der Lernplattform wird diese Lehr- und
förderlich ist. Manche Studierende sind von der      Umfrageergebnisse von FHGR-Studierenden                Lernform zu einer echten Bereicherung. Und so
Vielfalt rasch überfordert und es empfiehlt sich     und -Lehrpersonen ausgewertet. Die Erkennt-            können wir uns bereits jetzt über den «Lern-Gar-
deshalb ein wohlüberlegter, didaktisch sinnvol-      nisse daraus werden in der Strategieperiode            ten» der FH Graubünden freuen. Nun gilt es, die-
ler Einsatz der vielfältigen neuen Möglichkeiten.    2021–2024 im Entwicklungsschwerpunkt Inno-             sen zu pflegen und weiterhin Aufmerksamkeit
Sicher werden die neuen Tools und technischen        vatives Lebenslanges Lernen (iL3) in den The-          und Raum zur Weiterentwicklung zu schaffen.
Möglichkeiten weiter genutzt, es wird weiterhin      menbereichen Didaktik, Infrastruktur und Kom-
mit Videokonferenzen, Online-Whiteboards oder        petenzen weiterverfolgt (siehe Fokusbeitrag
Brainstorming-Werkzeugen gearbeitet werden           Seite 4–5).                                             fhgr.ch/blc
und vermutlich finden auch künftig in den neu        Zusammengefasst kann festgehalten werden,
mit Webcams und Funkmikrofonen ausgestat-            dass der Interaktion beim Lernen eine grosse           Judith Hüther
teten Vorlesungsräumen Videoaufzeichnungen           Bedeutung zugesprochen wird. Online kann               Leiterin Blended Learning Center (BLC)
des Unterrichts statt. Die Erfahrungen aus den       diese mit Foren, kollaborativen Aufgaben und           +41 81 286 38 53
online durchgeführten Leistungsnachweisen            Arbeiten im begleiteten Selbststudium stattfin-        judith.huether@fhgr.ch
12                                        ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ

Wie die Distanz eine
gemeinsame Problem-
lösung ermöglicht
fhgr.ch/magazin/september2021

Das Photonics- und Mobile-Robotics-Studium lebt von gemeinsamen praktischen Übungen.
Und so stellte sich bald nach Beginn der Coronapandemie die Frage, wie im Distanzunter-
richt über Videokonferenzsysteme praktische Erfahrungen für die Studierenden im Bereich
Elektronik ermöglicht werden könnten. In kurzer Zeit gelang es, aus der Not eine Tugend
zu machen und ein Übungskit zu entwickeln, mit dem die Studierenden zuhause arbeiten
können. Die Lösung brachte Überraschendes zu Tage: Distanzunterricht auf praktischer
Ebene kann sogar Vorteile gegenüber einem Laborbetrieb in Präsenz haben.
Text und Bilder: Ulrich Hauser-Ehninger

DIE BEDEUTUNG VON PRAKTI-                          che führt meist zu viel mehr Erkenntnisgewinn        dierenden meist völlig ratlos, wenn etwas nicht
SCHEN ÜBUNGEN                                      als der auf Anhieb erfolgreiche Versuch.             funktioniert. Strategieloses Probieren endet
Vor allem Studierende, die vor Beginn des Studi-   Es ist nicht einfach, in einem elektronischen Auf-   meist mit frustriertem Aufgeben. Da die Funktion
ums keine auf das Studienfach bezogene Lehre       bau Fehler zu finden, denn es gibt eine Vielzahl     der aufgebauten Schaltung oft noch nicht souve-
absolviert oder private Erfahrungen mit Elekt-     von Ursachen: Fehler können beim Entwurf einer       rän verstanden wurde, kann auch keine Strategie
ronikversuchen gemacht haben, profitieren          Schaltung, beim Aufbau – also der Übertragung        zur Fehlersuche entwickelt werden. Die Unter-
ungemein davon, selbst Bauteile in die Hand zu     vom Entwurf in eine real existierende Schaltung      stützung durch erfahrene Coaches – in diesem
nehmen, zu verbinden und eine Versorgungs-         – oder auch durch fehlerhafte Bauteile entste-       Fall die Dozierenden oder die Laborassistenz –
spannung anzulegen, um dann festzustellen,         hen. Auch das Nichtbeachten von Bauteiltoleran-      hilft, Schritt für Schritt die korrekte Funktion der
dass der geplante und erstellte Aufbau nicht       zen oder anderen einzuhaltenden Betriebspara-        einzelnen Schaltungsteile zu untersuchen und
funktioniert. Denn die darauffolgende Fehlersu-    metern kann zu Ergebnissen führen, die von den       sich bei Abweichungen bis zur Fehlerquelle vor-
                                                   Erwartungen abweichen. Zu Beginn sind die Stu-       zuarbeiten. So lernen die Studierenden durch
                                                                                                        die Fehler und deren Korrektur, die Schaltun-
                                                                                                        gen grundlegend zu verstehen, und werden von
                                                                                                        Versuch zu Versuch selbstständiger darin, eine
                                                                                                        Schaltung zu ihrer korrekten Funktion zu führen.
                                                                                                        Die Fähigkeit, solche Fehler zu erkennen, die
                                                                                                        Ursachen zu finden und dann zu korrigieren,
                                                                                                        ist eine wichtige Kompetenz, die während des
                                                                                                        Studiums durch praktische Versuche zu erwer-
                                                                                                        ben ist. Normalerweise geschieht dies durch
                                                                                                        Versuche, die in den eigenen Laborräumen der
                                                                                                        Fachhochschule Graubünden stattfinden. Diese
                                                                                                        Laborräume sind mit hochwertigen Geräten zur
                                                                                                        Energieversorgung, Signalerzeugung und Para-
                                                                                                        metermessung bei Versuchsschaltungen aus-
                                                                                                        gestattet. Darüber hinaus werden diese Geräte
                                                                                                        auch für Arbeiten im Bereich von Forschung
                                                                                                        und Entwicklung eingesetzt. Auch aufgrund der
                                                                                                        hohen Kosten solcher Laborgeräte arbeiten die
                                                                                                        Studierenden in Gruppen und teilen sich so den
                                                                                                        Ausrüstungspark.
                                                                                                        Der Ausbruch der Coronapandemie im Frühjahr
                                                                                                        2020 und die Schliessung der Fachhochschule
Breadboard mit aufgebauter Versuchsschaltung                                                            verhinderten die Durchführung solcher Labor-
ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ                                                                    13

                               Bauteilesortiment.

Kombigerät aus Oszilloskop und Signalgenerator
             zum Anschluss an einen Computer.                               Aufgabe mit Schritt-für-Schritt Aufbau, Schaltung und Beispielmessungen.

  termine vor Ort. Es drohte ein signifikanter Ver-   angeschlossen und damit von diesem gesteu-          stellung zu lösen versuchen. Als Coach schlägt
  lust an Qualität in der Ausbildung, weshalb man     ert werden bzw. die aufgenommenen Messsi-           man in solchen Fällen meist verschiedene Mes-
  nach einer Lösung suchte, die den Studierenden      gnale anzeigen.                                     sungen vor oder speist bestimmte Signale in die
  auch von zuhause aus praktische Erfahrungen                                                             Schaltung ein. Den Grund für die betreffenden
  ermöglichen sollte.                                 ÜBERRASCHENDE ERKENNTNISSE                          Aktionen muss man im Gespräch offenlegen.
                                                      Kurz vor Ostern waren die meisten Komponen-         Auf diese Art bekommen die Studierenden einen
  DAS MINILABOR FÜR ZUHAUSE                           ten an die FH Graubünden geliefert worden und       tiefen Einblick – sowohl in die Funktion des Auf-
  Es ist heute kein Problem, Schaltungen in der       die Pakete konnten geschnürt und – mit einem        baus, mit dem sie arbeiten, als auch in die Stra-
  Komplexität, wie sie im Unterricht vorkommen,       kleinen Osterhasen als Begleiter – an die Studie-   tegie der Fehlersuche.
  zu simulieren. Diese Simulationen sind so genau,    renden verschickt werden. Gleichzeitig entstan-     Es stellte sich sogar heraus, dass genau die-
  dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass     den die Versuche, die den Aufbau verschiedener      ser Aspekt auf Distanz besser funktioniert als
  eine simulierte Schaltung auch im realen Auf-       Grundschaltungen – meist in mehreren Einzel-        im Labor – nicht weil die Fehlersuche im Labor
  bau so funktioniert wie erwartet. Man kann in       schritten – beschrieben.                            komplexer wäre, sondern weil alle Studierenden
  den Simulationen an beliebigen Punkten in der       Die Studierenden bauten dann während der            gleichzeitig per Videokonferenz am Suchprozess
  Schaltung virtuelle Messpunkte einrichten und       Übungsstunden – oder auch ausserhalb dieser         teilnehmen, zur jeweiligen Diskussion beitra-
  die ermittelten Werte untersuchen. Auch so ler-     Zeiten – die gestellten Aufgaben zuhause auf.       gen und damit gemeinsam mit dem Coach die
  nen Studierende viel. Aber einen realen Aufbau      Erwartungsgemäss kam es dabei zu Fehlern.           Lösung des Problems finden. Im Labor nehmen
  kann dies nicht ersetzen.                           Zunächst war die Unsicherheit beim Dozieren-        an diesem Prozess im Allgemeinen nur die Stu-
  So kam die Idee auf, die Studierenden mit einem     den gross, ob eine Fehlersuche auf Distanz über-    dierenden des betreffenden Arbeitsplatzes teil; in
  «Osterpaket» zu versorgen. Dieses sollte ihnen      haupt effektiv und effizient durchgeführt werden    der Regel sind dies zwei, maximal drei Personen.
  ermöglichen, die meisten der Grundversuche, die     kann. Die Herausforderungen dabei sind nicht zu     Im Distanzunterricht jedoch können alle Studie-
  in den ersten Semestern des Studiums erfolgen,      unterschätzen: Ohne die Schaltung zu sehen, gilt    renden des Semesters gleichzeitig an der Feh-
  auch zuhause – sozusagen auf dem Küchen-            es, die Studierende oder den Studierenden so        lersuche teilnehmen und so von der Erfahrung
  tisch – aufzubauen, durchzuführen und zu prü-       zu führen, dass die Fehlerfindung auf Distanz       des Coaches und den Lösungsvorschlägen der
  fen. Dieses «Osterpaket» wurde sorgsam so           möglich ist. Mit der Aussage «Das geht nicht»       schon erfahreneren Mitstudierenden profitieren.
  zusammengestellt, dass alle Studierenden des        kommt man hier nicht weit. Bei einfachen Pro-
  Semesters mit einem möglichst geringen finan-       blemen wie etwa einer nicht oder falsch ange-                       Videotagebuch aus dem Lock-
  ziellen Aufwand ausgestattet werden konnten.        schlossenen Energiequelle erfolgt die Lösung                        down: Das Minilabor in den ei-
  Es enthielt ein Breadboard, auf dem die Schal-      noch schnell; bei tieferliegenden Fehlern muss                      genen vier Wänden, Studentin
  tungen zusammengebaut werden sollten, eine          man sich als Coach sehr schnell auf die jewei-                      Sabine Kaufmann berichtet über
  Kollektion von Bauelementen, Verbinder, eine        lige Situation einstellen und mit der reduzierten                   ihre Erfahrungen mit dem «Oster-
  Energieversorgung sowie ein Gerät, das ein          Information umgehen. Die Studierenden können                        paket».
  Oszilloskop mit zwei Kanälen und eine Signal-       den Aufbau in die Kamera halten oder auch ihren
  quelle in einem Gehäuse vereint. Das Oszillos-      Bildschirm mit den Anzeigen des Messinstru-          fhgr.ch/ipi
  kop kann als allgemeines Messgerät verwen-          ments teilen. Anhand dieser Information muss
  det werden, die Signalquelle, um die aufgebaute     die betreuende Person rasch eine Vermutung          Prof. Ulrich Hauser-Ehninger
  Schaltung mit Signalen zu stimulieren. Dieses       entwickeln, wo der oder die Fehler liegen könn-     Dozent, Institut für Photonics und ICT
  Kombigerät hat keine eigene Anzeigemöglich-         ten, und durch zielgerichtetes Nachfragen sowie     +41 81 286 39 97
  keit, kann aber mittels USB an einen Computer       geführte und erklärte Massnahmen die Problem-       ulrich.hauser@fhgr.ch
14                                        ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ

Nicht untergehen
im Datenozean
fhgr.ch/magazin/september2021

Open Educational Resources (OERs) spielen eine Schlüsselrolle bei der Stär-
kung der Digitali­sierung in der Bildung. Mit dem Projekt «Swiss Digital Skills
Academy» sollen das Bewusstsein und die Kompetenz von Lehrenden für diese
Bildungsmaterialien gestärkt werden. In diesem Rahmen hat die Fachhoch-
schule Graubünden mit Partnerinstitutionen ein Projekt zur Entwicklung von
OERs zur Förderung der Data Literacy an Hochschulen gestartet. Studierende
haben zu diesem Thema die erste virtuelle Expertenkonferenz ausgerichtet.
Text: Sharon Alt und Vera Husfeldt / Bilder: Sharon Alt

Virtuelle Expertenkonferenz live aus dem Homeoffice.
ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ                                                                      15

Die letzten Monate, in denen uns die Coronapan-
demie fest im Griff hatte, haben es uns deutlich
aufgezeigt: Wir befinden uns mitten in der digita-
len Transformation. Grossväter halten aus dem
Seniorenheim über Zoom und Co. Kontakt zu ihren
Enkelinnen. Schülerinnen und Schüler treffen sich
zu Hausaufgabengruppen im virtuellen Raum und
arbeiten an gemeinsamen Dokumenten. Täglich
verbringen unsere Studierenden mehrere Stunden
damit, von zuhause aus allein und doch gemein-
sam zu lernen. Wir haben unseren privaten und
beruflichen Alltag massiv verändert und stellen
fest, dass dies ohne digitale Transformation über-
haupt nicht möglich gewesen wäre. Und jetzt?
Können wir einfach wieder zurück? Wohl kaum.
Wenn wir weiter aktiv am sozialen Leben und am
Arbeitsleben teilhaben wollen, müssen wir uns
auch in Zukunft weiter intensiv mit der Digitalisie-
rung auseinandersetzen. Wir müssen sie als Teil
unseres Lebens verstehen lernen und uns überle-                                Das studentische Feedback zeigt, dass projektbasiertes, selbstständiges
gen, wie wir mit ihr auskommen bzw. uns von ihr                                              Arbeiten und das Konferenz-Format sehr geschätzt wurden.
abgrenzen wollen. Das tönt äusserst anspruchs-
voll und ist es auch. Wir können dabei nicht auf
die Traditionen und Erfahrungen früherer Gene-         sind die Pädagogischen Hochschulen St. Gallen       Digital Skills Academy» beteiligten Hochschu-
rationen zurückgreifen, sondern stehen allesamt        und Freiburg, das Eidgenössische Hochschulin-       len. Nebst den Beiträgen der Studierenden gab
gemeinsam vor dieser neuen Herausforderung.            stitut für Berufsbildung sowie die ETH Lausanne     es an der Konferenz auch zwei Keynote-Refe-
                                                       und ETH Zürich) ist eines der grösseren im Ver-     rate: Katharina Schüller, eine führende Exper-
DIGITALE KOMPETENZ IST KEIN                            bund der «Swiss Digital Skills Academy» und hat     tin im Bereich Data Literacy aus Deutschland,
EXPERTENWISSEN                                         die Förderung der Datenkompetenz im Fokus.          sprach über «Data Literacy – Schlüsselkompe-
Es gilt, neue Kompetenzen und Sensibilitäten zu        Für die Nutzung an Hochschulen in der gesam-        tenz des 21. Jahrhunderts»; die zweite Keynote
entwickeln, neue ethische Prinzipien aufzustel-        ten Schweiz werden Ressourcen entwickelt und        Speech wurde vom Leiter des Schweizerischen
len, Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen, sich            verbreitet. Die Entwicklung dieser Ressourcen       Instituts für Informationswissenschaft, Ingo Bar-
vorzuwagen in unbekannte Welten, Ängste abzu-          orientiert sich an den in den beteiligten Hoch-     kow, gehalten. Im Rahmen der studentischen
legen und dabei gleichzeitig Zurückhaltung zu          schulen identifizierten Bedürfnissen; die Ver-      Beiträge wurde die Vermittlung von Datenkom-
bewahren. Digitale Kompetenz ist kein Experten-        breitung erfolgt über die von der EPFL verwal-      petenz an Hochschulen von verschiedenen Sei-
wissen, das delegiert werden könnte, und keine         tete, offen angelegte Plattform Graasp für OERs.    ten beleuchtet. Dabei stand die Vermittlung von
Kompetenz, die nur in speziellen Bereichen und         Das Seminar «Data Literacy – Formen und Ver-        Kenntnissen im Fokus – von ethischen Aspek-
Branchen benötigt wird. Nein, es geht um eine          mittlung» ist die erste Aktion der Fachhochschule   ten wie dem kritischen Umgang mit und dem
umfassende Schlüsselkompetenz, ohne die eine           Graubünden im Rahmen dieser Initiative. Das inno-   Hinterfragen von Daten, der Interpretation von
gesellschaftliche Partizipation nur noch einge-        vative Unterrichtskonzept vereint unterschied-      Datenvisualisierungen und Statistiken bis hin
schränkt möglich ist. Jede und jeder ist davon         liche Methoden und Medien: Studierende erar-        zum Umgang mit Computern und Programmier-
betroffen. Der Erwerb digitaler Kompetenzen ist        beiten im Selbststudium Inhalte, vertiefen diese    kenntnissen (Computational Literacy). In Einzel-
deshalb auch vor dem Hintergrund der Bewah-            in Breakout Sessions, führen kritische Diskussi-    referaten und einem von Studierenden mode-
rung der Chancengerechtigkeit ein gemeinsam            onen im Plenum, überprüfen ihr Wissen anhand        rierten interaktiven Roundtable wurden anhand
mit allen und für alle anzustrebendes Ziel.            von Quizzes, und werden so zu Expertinnen und       von transferorientierten Lernformen Ideen vor-
Dies ist auch der Haupttreiber der «Swiss Digital      Experten rund um Datenkompetenz. An der in das      gestellt, wie Teilkompetenzen von Data Literacy
Skills Academy», die mit finanzieller Unterstüt-       Seminar eingebetteten Expertenkonferenz stellen     an Hochschulen vermittelt werden könnten.
zung von Swissuniversities und unter der Lei-          die Teilnehmenden ihre Ideen und Konzepte zur       Um die erarbeiteten Vorschläge nun auch frucht-
tung der Eidgenössischen Technischen Hoch-             Vermittlung von Datenkompetenz an Hochschu-         bar ein und umsetzen zu können, ist geplant,
schule Lausanne (EPFL) im Januar 2021 starten          len einem grösseren Publikum vor. Voraussetzun-     dass die Beiträge der Studierenden im Rahmen
konnte. Gemeinsam mit 12 anderen Schweizer             gen für die Teilnahme an der Konferenz sind die     von Projektkursen weiterentwickelt und schliess-
Hochschulen engagiert sich auch die Fachhoch-          fristgerechte Einreichung eines Abstracts mit dem   lich als OERs veröffentlicht werden.
schule Graubünden im Rahmen der «Swiss Digi-           persönlichen Beitrag und die Bereitschaft, sowohl
tal Skills Academy» für die Entwicklung und Ver-       aktiv am Reviewprozess teilzunehmen als auch         https://d-skills.ch
breitung von Ideen, Materialien, Kursen und            im Anschluss an die Konferenz ein Paper einzu-
anderen Ressourcen zur Förderung der digita-           reichen. In der letzten Seminarsitzung werden die   Sharon Alt
len Kompetenzen an Schweizer Hochschulen.              besten Beiträge der Studierenden mit einem «Best    Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Schweizeri-
In fünf Arbeitspaketen geht es um Vernetzung,          Paper Award» prämiert.                              sches Institut für Informationswissenschaft
Zugang für alle, die Entwicklung und Verbreitung                                                           + 41 81 286 24 92
von Open Educational Resources (OERs), die             BEITRÄGE FÜR DIE ZUKUNFT WEI-                       sharon.alt@fhgr.ch
Multiplikatorenfunktion von Lehrpersonen und           TERENTWICKELN
die Förderung von Datenkompetenz.                      Die virtuelle Expertenkonferenz hat an zwei
                                                       Vormittagen im Mai 2021 stattgefunden. Teil-        Prof. Dr. Vera Husfeldt
STUDIERENDE WERDEN ZU EXPER-                           nehmende waren die eingeschriebenen Stu-            Dozentin, Schweizerisches Institut für Infor­
TINNEN UND EXPERTEN                                    dierenden des Kurses, aber auch interessierte       mationswissenschaft
Das von der FH Graubünden geleitete Arbeitspa-         Kolleginnen und Kollegen – sowohl der FH Grau-      +41 81 286 39 27
ket «Develop Data Literacy» (Partnerinstitutionen      bünden als auch seitens der am Projekt «Swiss       vera.husfeldt@fhgr.ch
16                                         ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ

Wissensdurstig
fhgr.ch/magazin/september2021

Anhaltender Wissensdurst fördert den beruflichen Erfolg.
Heute mehr denn je. Dies gilt besonders in Berufsfeldern, die
stark vom technologischen Fortschritt geprägt sind. Doch
wie wird Lernen zur Quelle für Erfolg und Lebensfreude? Und
wie bleibt der Wissensdurst erhalten?
Text: Petra Hasler / Bild: FH Graubünden

Kleinkinder erforschen die Welt voller Neugierde.    LERNPROZESS ALS SELBSTLÄUFER                       LERNSTILE STATT LERNTYPEN
Sie lernen mit allen Sinnen und sind in ihrem Ent-   Wer andere zum Lernen inspirieren möchte,          Ein bevorzugter Sinneskanal kann die Effektivi-
deckerdrang nicht zu bremsen. Bei vielen Kin-        muss sie laut Hüther mit seiner Begeisterung       tät des Lernens begünstigen. Doch die Eintei-
dern lässt die Freude am Lernen jedoch nach,         anstecken, Beziehungen aufbauen und ein ver-       lung der Menschen nach «auditiven», «visuellen»,
sobald sie nicht mehr selber bestimmen kön-          trauensvolles, kooperatives Umfeld schaffen.       «haptischen» oder «kognitiven» Lerntypen gilt
nen, was und wie sie lernen dürfen, und den Sinn     Wie wichtig Vertrauen und Teamarbeit für den       heute als überholt, denn nicht alle Typen bezie-
und Zweck des Lernens aus den Augen verlieren.       Lernprozess sind, weiss auch Heiner Butz. Der      hen sich sowohl auf das Aufnehmen als auch
Bewertungen durch Noten können die Lernfreude        Dozent und Leiter des Majors «Journalismus         auf das Verarbeiten und Speichern der Infor-
zusätzlich dämpfen. Später, im Jugend- und           multimedial» im Bachelorstudium Multimedia         mationen. Daher wird in den Kognitionswissen-
Erwachsenenalter, entsprechen die Lerninhalte        Production an der Fachhochschule Graubün-          schaften heute vor allem der Begriff «Lernstile»
durch die Wahl der Ausbildung oder des Studi-        den lässt den Studierenden in der redaktionel-     verwendet. Um erfolgreich eigenständig zu ler-
ums wieder vermehrt den eigenen Interessen.          len Arbeit grösstmögliche Freiheit: «Die Studie-   nen, müsse man sich selbst kennenlernen und
Der enge Bezug zur (späteren) Arbeit ist laut dem    renden knüpfen an ihre Lebenswelt an, arbeiten     herausfinden, wie, wo, wann und mit wem man
Psychologen und Lerncoach Fabian Grolimund           kollaborativ und lernen so voneinander und         am besten lerne, erklärt Fabian Grolimund und
zentral für ein nachhaltiges Lernen: «Wer den        gemeinsam anhand der aktuellen Problemstel-        ergänzt: «Vielen Studierenden hilft Struktur –
Sinn darin erkennt, erlebt das Studium als span-     lungen. Die intrinsische Motivation erhöht sich    feste Zeiten, zu denen man sich mit anderen
nend.» Dies bestätigt auch der deutsche Neuro-       durch dieses Lernumfeld markant.» Gelingt          trifft, um Inhalte zu besprechen.»
biologe Gerald Hüther, der mit seinen Büchern        die Anbindung an die Realität respektive Pra-
aufzeigt, was Menschen stark und erfolgreich         xis, wird der Lernprozess zum Selbstläufer. Die    BEGLEITUNG UND STRUKTUR BEIM
macht. Laut ihm sollen Lerninhalte zudem posi-       Studierenden erleben das gute Gefühl, Infor-       SELBSTSTUDIUM
tive Gefühle auslösen, an bestehendes Wissen         mation in Wissen und Knowhow umwandeln             Um dem Bedürfnis nach Struktur und Aus-
oder Erlebtes anknüpfen und weder über noch          zu können. Sich fähig und kompetent zu füh-        tausch zu entsprechen, plane ich als Dozentin
unterfordern. Ausserdem lerne der Mensch am          len, bedeutet weit mehr als nur gute Noten zu      am Institut für Multimedia Production sowohl
besten in einer sozialen Gemeinschaft.               erzielen.                                          die Selbststudiumsphasen wie auch die Unter-
                                                                                                        richtseinheiten. Ich zerlege den Lernprozess in
                                                                                                        kleine Schritte, baue Pflichtelemente wie Peer
                                                                                                        Feedbacks mit Checklisten oder Reflexionen
                                                                                                        ein und biete terminierte Coachings und Feed-
                                                                                                        backs an. Lerninhalte wie Videos, Audios und
                                                                                                        Texte ergänze ich mit Worksheets oder sammle
                                                                                                        die Gedanken der Studierenden zum jeweiligen
                                                                                                        Thema in einem Forum, wodurch auch beim
                                                                                                        selbstständigen Arbeiten die Gemeinschaft
                                                                                                        spürbar wird. Motivierend wirkt nebst praxisna-
                                                                                                        hen und sinnstiftenden Aufgaben auch Wahlfrei-
                                                                                                        heit, beispielsweise bei der Themenwahl oder
                                                                                                        Arbeitsweise (Gruppen- oder Einzelarbeit). Und
                                                                                                        schliesslich signalisiere ich mit sporadischen
                                                                                                        EMails und regelmässigen Sprechstunden Prä-
                                                                                                        senz sowie Interesse am Lernfortschritt.

                                                                                                        TIPPS FÜR ERFOLGREICHES
                                                                                                        LERNEN
                                                                                                        Lernerfolg und Freude am Lernen sind auch
                                                                                                        für Fabian Grolimund eine Herzensangelegen-
                                                                                                        heit. Gemeinsam mit der Psychologin Stefanie
Beim Selbststudium sind Struktur und Begleitung wichtig.                                                Rietzler leitet er die Akademie für Lerncoaching
Sie können auch lesen