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urologen.info                       Ausgabe 6 • Dezember 2016 • 14. Jahrgang

In dieser Ausgabe:
Uro-Onkologie
Prostatakrebs
Chronodisruption, Melatonin-
aktivität, zirkadiane
Suszeptibilitätsgene,
Chronotherapie
Metastasiertes Nierenzellkarzinom
Prognose für Patienten mit
Absiedelungen in der
Bauchspeicheldrüse
Muskelinvasives Urothelkarzinom
Thromboembolische Ereignisse
nach neoadjuvanter Chemo-
therapie

Andrologie
Niedriges Testosteron und
Apoplex-Inzidenz

Urologie
Duloxetin bei Inkontinenz
– pro oder contra?
Diabetische Zystopathie
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www.andrologen.info • www.urologen-infoportal.de
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Inhalt

URO-ONKOLOGIE
178-190   Chronobiologie und Prostatakrebs
          Chronodisruption, Melatoninaktivität, zirkadiane Suszeptibilitätsgene, Chronotherapie
          Prostatakrebs (PCa)
          Melatoninsulfat/Kortison-Verhältnis im Urin
          Hinweis auf chronobiologische Assoziation?
          Neu diagnostizierter metastasierter Prostatakrebs
          Überleben bei Androgendeprivationstherapie mit und ohne zusätzliche Strahlentherapie
          Hoch-/Intermediärrisiko-Prostatakrebs
          Langzeitüberleben bei endokriner Therapie alleine und kombiert mit Strahlentherapie
          Metastasierter kastrationsresistenter Prostatakrebs
          PSA-Abfall nach vierwöchiger Abirateronacetat-Behandlung mit Gesamtüberleben assoziiert
          Oligometastasen des Prostatakarzinoms
          Progressionsfreies Überleben therapienaiver Patienten nach stereotaktischer
          Strahlentherapie
          Active Surveillance bei Prostatakrebs
          Langzeitergebnisse der bevölkerungsbasierten Göteborger PCa-Screening-Studie
          Prostatakrebs
          Häufigkeit der Ejakulationen im Erwachsenenalter beeinflusst Erkrankungsrisiko
          Klarzelliges Nierenzellkarzinom (ccRCC)
          Adjuvante Sunitinib-Therapie bei Patienten mit lokoregionärer Hochrisiko-Krankheit
          Nicht metastasiertes Nierenzellkarzinom
          Adjuvantes Sunitinib oder Sorafenib bei Patienten mit Hochrisiko-Krankheit
          Metastasiertes Nierenzellkarzinom
          Prognose für Patienten mit Absiedelungen in der Bauchspeicheldrüse
          Metastasiertes nicht klarzelliges Nierenzellkarzinom
          Everolimus versus Sunitinib — Erstlinie mit mTOR-Inhibitor oder VEGF-Rezeptor-Inhibitor
          Erstlinie bei fortgeschrittenem Urothelkarzinom
          Vinflunin−Gemcitabin vs. Vinflunin−Carboplatin bei nicht für Cisplatin geeigneten Patienten

                                                                             urologen.info Dezember • 2016   175
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Inhalt

      URO-ONKOLOGIE
      190-191 Muskelinvasives Urothelkarzinom der Harnblase
              Thromboembolische Ereignisse bei Patienten mit neoadjuvanter Chemotherapie
                 Prognostische Faktoren bei Patienten mit „poor risk“ Keimzelltumor
                 Peniskrebs
                 Weltweite Prävalenz humaner Papillomaviren

      UROLOGIE
      192-199 Kindliche Harninkontinenz
                 Verkehrssicherheit unter anticholinerger Therapie – ein urologisches Thema?
                 Duloxetin bei Inkontinenz – pro oder contra?
                 Zusammenhänge zwischen Ängstlichkeit und überaktiver Blase oder Inkontinenzsymptomen
                 Diabetische Zystopathie: Wenn die Harnblase unter Zucker leidet

      ANDROLOGIE
      200-201 Verbindung zwischen endogenem Testosteron und ischämischen zerebrovaskulären
              Ereignissen
                 Melatonin- und Kortisonprofile in Verbindung mit altersbedingem Kognitionsverlust

      Mit Recht an Ihrer Seite
      202-203 „Hyperlinks“ auf der eigenen Homepage: Welche rechtlichen Risiken gibt es?

      Pharmaforum / Meldungen
      204-207 Chemotherapie für einen optimalen Therapieerfolg bei mCRPC
                 Männergesundheit: Testosterondefizit als Risikomarker akzeptiert
                 Fortgeschrittenes Blasenkarzinom: Vorläufige Ergebnisse
                 der Phase-I/II-Studie CheckMate-032
                 10 Jahre Nexavar - eine bewährte Substanz in der Therapie des mRCC
                 TERRAIN-Studie: Auch Weichteilmetastasen sprechen auf Enzalutamid an
                 Bewegung und Sport bei Nierenkrebs: Neue Broschüre von Novartis

      Impressum
      215

176   urologen.info Dezember • 2016
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Uro-Onkologie

                            Chronobiologie und Prostatakrebs

       Chronodisruption, Melatoninaktivität,
         zirkadiane Suszeptibilitätsgene,
                 Chronotherapie
              Der menschliche Organismus wird in zahlreichen Bereichen durch ein inneres Uhrwerk auf einen 24-
              Stunden-Rhythmus eingestellt. Am augenscheinlichsten zeigt sich das beim Schlaf-Wach-Rhythmus.
              Doch auch endokrine Prozesse wie die Produktion von Testosteron, Kortison und Melatonin sowie
              zentralnervöse Funktionen unterliegen einem endogen gesteuerten Tagesrhythmus. Verschiedene den
              zirkadianen Rhythmus kontrollierende Gene spielen eine Rolle in der Tumorigenese. Für das „Schlafhor-
              mon” als Effektor der zirkadianen Uhr wurden zudem antioxidative, entzündungshemmende, antiangio-
              gene, antiproliferative und Krebszellapoptose-fördernde Aktivität nachgewiesen. Epidemiologische und
              genetische Untersuchungsergebnisse belegen, dass eine Chronodisruption direkt mit Prostatakrebs im
              Zusammenhang stehen kann. Mit der zirkadianen Rhythmik in Einklang gebrachter Applikationsschemata
              aktueller hormon- strahlen- und chemotherapeutischer Behandlungsstrategien könnten Chronotherapien
              dazu beitragen, Toxizitäten zu verringern und Effektivitäten zu optimieren.

      U
                nter dem Begriff zirkadianes        der gleichgestellt. Es existiert eine klare   al. 2003). Durch seine der Nachtlänge an-
                System werden alle biologischen     Hierarchie, bei der die lokalen Oszilla-      gepasste Sekretion vermittelt Melatonin
                Funktionen zusammengefasst, die     toren auf allen Ebenen durch den zentra-      in erster Linie Informationen über den
       tagesrhythmischen Schwankungen unter-        len Schrittmacher über neuronale und hu-      Tagesrhythmus an verschiedene Statio-
       liegen. Sitz des primären chronobiologi-     morale Faktoren synchronisiert werden.        nen im Organismus. Der stabile tages-
       schen Zentrums ist der Nucleus supra-           Kernelemente des Uhrwerks sind die         zeitliche Rhythmus führt zu maximaler
       chiasmaticus im ventralen Hypothalamus       Schlüsselgene, deren Proteinprodukte für      Sekretion des Schlafhormons während
      ((Abb. 1). Dieses Kerngebiet setzt sich aus   die Erzeugung und Regulation der zirka-       der Nachstunden gegen drei bis vier Uhr.
      drei Elementen zusammen: Dem Signal-          dianen Rhythmik innerhalb der einzelnen       Tageslicht bewirkt dann die Inhibierung
      eingang, dem zentralen Schrittmacher und      Zellen überall im Organismus erforder-        der Melatoninfreisetzung. Nachts erreicht
      der Signalausgabe. Auf dem Eingabeweg         lich sind (Ko, Takahashi, 2006). Zu den       der Melatoninspiegel Werte von 80 bis
      gelangen Umweltsignale wie insbesonde-        Proteinen die chronobiologische Funktio-      120 pg/ml, die unter Tage deutlich auf 2
      re Lichtreize in den zentralen Schrittma-     nen in zentralen und peripheren Effekto-      bis 20 pg/ml abfallen. Die biologischen
      cher. Dieser umfasst eine Reihe einzel-       ren kontrollieren, gehören insbesondere:      Melatonineffekte kommen über die bei-
      zelliger zirkadianer Oszillatoren, die im     Period 1, 2, 3 (Per1–3); Cryptochrome 1,      den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren
      gesunden Individuum synchronisiert sind       2 (Cry1, 2); Clock (Circadian Locomotor       MT1 und MT2 zustande.
      und ein koordiniertes Ausgabesignal ent-      Output Cycles Kaput) und Bmal1.
      stehen lassen.                                                                              Chronodisruption mit erhöhtem
          Da die Physiologie des Menschen ent-      Abstimmung des zirkadianen                    Prostatakrebsrisiko assoziiert?
      scheidend von der Chronobiologie geprägt      Uhrwerks durch Melatonin
      wird, kommt der rhythmischen Oszilla-                                                       Die Hypothese, dass das Risiko für hor-
      tion in so gut wie allen Zellen des Orga-     Die zirkadiane Sekretion von Melatonin        monabhängige Krebserkrankungen durch
      nismus eine Rolle zu. Daher sind Varian-      aus der im Zwischenhirn lokalisierten Zir-    Disruption des zirkadianen Rhythmus er-
      ten des zentralen Uhrwerks in peripheren,     beldrüse (Epiphyse) wird durch den Haupt-     höht sein könne, wurde insbesondere beim
      nicht neuronalen Geweben aktiv. Aller-        taktgeber im hypothalamischen Nucleus         Brustkrebs und seltener auch beim Pro-
      dings sind nicht alle diese Uhren einan-      suprachiasmaticus gesteuert (Hastings, et     statakrebs untersucht. In einer Metaa-

178   urologen.info Dezember • 2016
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Uro-Onkologie

                                                                           und Tagarbeitern beobachtet.      aus ONCOLINE; Rhodes et al. 2004) si-
                                                                           Nach Meinung der Autoren ist      gnifikant herunterreguliert ist.
                                                                           es aber erforderlich, die noch       Inwieweit Variationen von zirkadianen
                                                                           relativ junge Kohorte weiter-     Genen für das Risiko von zum Tode füh-
                                                                           hin nachzuverfolgen (Ham-         rendem Prostatakrebs eine Rolle spielen,
                                                                           mer et al. 2015).                 wurde von Markt et al. (2015) anhand von
                                                                              Bei 10 051 männlichen Pilo-    96 Einzelnukleotid-Polymorphismen in
                                                                           ten aus vier nordischen Staaten   12 zirkadianen Schlüsselgenen bei Pa-
                                                                           (Dänemark, Island, Norwegen       tienten aus drei Studienkohorten unter-
                                                                           und Schweden) war das rela-       sucht. Sie fanden keine feste einheitliche
                                                                           tive Prostatakrebs-Risiko mit     Beziehung zwischen Genvarianten und
                                                                           zunehmender Anzahl der im         dem fatalen Prostatakrebsrisiko.
                                                                           Cockpit auf Langstreckenflü-         Anhand der Genotypisierung genetischer
                                                                           gen verbrachten Stunden signi-    Varianten in zehn zirkadianen Genen bei
                                                                           fikant erhöht ((p=0.01) (Pukka-   Patienten aus zwei bevölkerungsbasier-
                                                                           la et al. 2003).                  ten Fall-Kontroll-Studien zu Prostatakrebs
                                                                              Papantoniou et al. (2015b)     überprüften Zhu et al. (2009) die Hypo-
                                                                           bestimmten die Tagesrhyth-        these, dass Varianten zirkadianer Gene die
                                                                           men einer Reihe von Sexual-       Suszeptibilität für Prostatakrebs erhöhen
Abb. 1: Der zentrale Schrittmacher ist die oberste Steuereinheit           hormonen und ihren Metabo-        können. Sie ermittelten, dass in der All-
der inneren Uhr für die zirkadiane Rhythmik. Sein Sitz ist der Nucle-      liten im Urin von Tages- und      gemeinbevölkerung drei zirkadiane Gene
us suprachiasmaticus, ein paariges Kerngebiet des Hypothalamus
oberhalb des Chiasma opticum.                                              Nacharbeitern. Sie ermittel-      (
                                                                                                             (ARNTL    , CSNK1E, und NPAS2) mit der
                                                                           ten bei Arbeitern mit perma-      individuellen Suszeptibilität für Prosta-
                                                                           nenten Nachtschichten vergli-     takrebs signifikant im Zusammenhang
       nalyse wurde der Einfluss zirkadianer                 chen mit Tagesarbeitern deutlich erhöhte        stehen. Zudem wurden Einzelnukleotid-
       Disruption auf das Prostatakrebsrisiko                Androgenspiegel mit verzögerter maxi-           polymorphismen in sechs Genen (Clock,
       anhand epidemiologischer Studiendaten                 maler Androgenproduktion. Die erhöh-            Cry1, Cry2, Per1, Per2 und Per3) iden-
       analysiert (Sigurdardottir et al. 2012). In           te und zeitlich verschobene Sexualhor-          tifiziert, die signifikant mit Subgruppen
       15 von 16 der im Review berücksichtig-                monproduktion könnte nach Auffassung            von mehr oder weniger aggressiven Tu-
       ten Studien (davon 10 mit signifikantem               der Autoren das erhöhte Risiko für hor-         moren assoziiert sind.
       Ergebnis) ließ sich eine positive Assozi-             monabhängigen Krebs, wie er bei Nacht-
       ation zwischen einer zur Chronodisrup-                schichtarbeitern beobachtet wird, zumin-        Vielfältige Melatonineffekte in der
       tion führenden Aktivität und dem Pros-                dest teilweise erklären.                        Tumorbiologie
       tatakrebsrisiko ermitteln,
          Verglichen mit Tagesarbeitern hatten               Uhrengene regulieren Entwicklung                   Melatonin ist an der Regulierung ver-
       Wechselschichtarbeiter ein signifikant er-            und Progression von Prostatakrebs               schiedener biologischer Prozesse betei-
       höhtes Prostatakrebsrisiko. Bei durchge-                                                              ligt. Die funktionelle Diversität des Neu-
       hender Arbeit in Nachtschichten war das               Zirkadiane Gene kontrollieren die Ex-           rohormons beinhaltet antioxidative (Reiter
       Prostatakrebsrisiko dagegen nicht signi-              pression von Tumorsuppressorgenen,              et al. 1995), immunregulatorische (Cal-
       fikant erhöht (Kubo, et al. 2006).                    Zellzyklusgenen, Genen, die für Caspa-          vo et al. 2013), antiangiogene (Kim et al.
          In einer bevölkerungsbasierten spani-              sen kodieren, und Genen für Transkrip-          2013), antiproliferative (Jung-Hynes, et
       schen Fall-Kontroll-Studie wurde ein er-              tionsfaktoren (Fu & Lee, 2003). Hieraus         al. 2011) und Krebszellapoptose-fördern-
       höhtes Prostatakrebsrisiko bei längerfris-            resultierte die Hypothese, dass zirkadiane      de (Sainz et al. 2003) Aktivität.
       tiger Nachtarbeitszeit in Verbindung mit              Gene eine Rolle in der Tumorigenese spie-          Melatonin fungiert als endogener Radi-
       verkürzter Überlebenszeit bestätigt. Die              len könnten. Das beträfe die individuelle       kalenfänger und verfügt über ein breites
       Gefährdung betraf zuvörderst Chronoty-                Suszeptibilität gegenüber Krebserkran-          Spektrum an antioxidativen Wirkungen.
       pen, die das Arbeiten am Abend bevorzu-               kungen – insbesondere hormonabhängi-            Das Hormon hilft, reaktive Sauerstoffspe-
       gen. Bei Nachtschichtarbeit über einen sehr           gen Karzinomen wie dem Prostatakrebs            zies zu neutralisieren und schützt hier-
       langen Zeitraum erhöhte sich das Prosta-              (Zhu et al. 2006).                              durch insbesondere die Zellen der Leber
       takrebsrisiko aber auch für Chronotypen                  Befunde zu Variationen der Uhrenge-          vor Schäden durch zahlreiche toxische
       mit der Präferenz für morgendliche Ar-                ne in Verbindung mit Prostatakrebs lie-         Substanzen wie Aflatoxine, Schwerme-
       beit (Papantoniou et al. 2015a).                      gen insbesondere für Per1 vor. Cao et al.       talle, Nikotin, Kohlenstofftetrachlorid,
          In einer zeitnahen großen Kohortenstu-             (2009) fanden, dass die Per1-Expression
                                                                                         Per1                chemotherapeutische Substanzen und
       die wurde kein unterschiedliches Prosta-              in humanen Prostatakrebszelllinien ge-          Endotoxine infolge septischer Prozesse
       takrebsrisiko zwischen Wechselschicht-                genüber normaler Prostata (gemäß Daten          (Esteban-Zubero, et al. 2016). Als adju-

                                                                                                                    urologen.info Dezember • 2016         179
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Uro-Onkologie

      vante Krebstherapie bewirkte Melatonin                fähigkeit und die Proliferationsrate der        takrankheiten gegenüber der gesunden
      bei Radiochemotherapien eine wesentli-                Zellen signifikant beeinträchtigt.              Prostata deutlich heraufreguliert (Jung-
      che Abschwächung der Nebenwirkungen                      Jung-Hynes et al. (2010) überprüften         Hynes et al. 2010).
      (Wang et al. 2012). Transtympanisch ap-               ferner die Hypothese, dass Melatonin an-           Über die Supprimierung der Tumoran-
      pliziert schützte das Antioxidans im Tier-            tiproliferative Effekte auf Prostatakrebs       giogenese durch Melatonin kommen on-
      experiment das Corti-Organ effektiv vor               überträgt, indem es das deregulierte zir-       kostatische Effekte zustande (Park et al.
      Cisplatin-verursachter Ototoxizität (De-              kadiane Uhrwerk resynchronisiert. Tat-          2009, Sohn et al. 2015). Das Neurohor-
      mir et al. 2015).                                     sächlich bewirkte die Behandlung der            mon inhibiert den Hypoxie-induzierba-
          Abgesunkene Melatoninspiegel füh-                 Prostatakrebszellen mit Melatonin die           ren Transkriptionsfaktor 1 (HIF-1) und
      ren bei Krebspatienten vielfach zu dere-              Zunahme von Per2 und Clock während              den proangiogenen vaskulären endothe-
      gulierter Biorhythmik. Das maligne Zell-              Bmal1 abnahm.                                   lialen Wachstumsfaktor (VEGF). Das He-
      wachstum steht dabei mit einer veränderten               Außer in Zellkulturen wurden die Ex-         teromer HIF-1 besteht aus einer konstitu-
      Expressionsrate zirkadianer Uhrengene                 pressionsmuster von Clock, Bmal1 und            tiv exprimierten β-Untereinheit und der
      im Zusammenhang. Diesbezügliche In-                   Per2 auch mittels Gewebe-Microarrays in         streng reguliert exprimierten α-Unterein-
      vitro-Untersuchungen mit den humanen                  menschlichen Prostatageweben bestimmt.          heit. In vitro lässt sich die Expression des
      Prostatakrebszelllinien LNCaP, DU145,                 In den Proben von benigner Prostatahy-          HIF-1α-Proteins in den humanen Prostata-
      22Rv1 und PC3 ergaben gegenüber nor-                  perplasie, hochgradiger intraepithelialer       krebszellen DU145, PC3 und LNCaP un-
      malen Prostataepithelzellen verringerte               Neoplasie, lokalisiertem Prostatakrebs,         ter norm- und hypoxischen Bedingungen
      Spiegel an Clock- und Per2-Protein, wäh-              metastasiertem Prostatakrebs und Pro-           durch pharmakologische Konzentrationen
      rend die Konzentration des Bmal1-Prote-               statakrebs-Metastasen aus den Lymph-            an Melatonin hemmen. Die Inhibition er-
      ins erhöht war (Jung-Hynes et al. 2010).              knoten, dem Kolon oder Gehirn waren             folgt auf der Translationsebene, so dass
      Wurden die Prostatakrebszellen jedoch                 Per2 und Clock in erheblich geringerem          die Spiegel an HIF-1α-mRNA nicht ab-
      mit humanem Per2-Vektor transfiziert und              Maße exprimiert als in normalem Pros-           gesenkt sind (Park et al. 2009).
      damit die Überexpression des Per2-Gen-                tatagewebe. Dagegen war die Expressi-              In hypoxischen PC3-Prostatakrebs-
      produkts herbeigeführt, waren die Lebens-             on von Bmal1 bei proliferativen Prosta-         zellen wurde die Expression von HIF-
                                                                                                            1α, HIF-2α und VEGF auf mRNA-Ebe-
                                                                                                            ne durch Melatonin signifikant verringert,
                                                                                                            und die Expression der mikroRNA-Mo-
                                                                                                            leküle miRNA3195 und miRNA374b her-
                                                                                                            aufreguliert. Letzteres vermittelt die durch
          T          DHT                                                                                    Melatonin induzierte antiangiogene Ei-
                                                                                                            genschaft (Sohn et al. 2015).
                                                                                                               Melatonin inhibiert die Androgen-
                                                            DHT                                             abhängige Proliferation benigner Pros-
                                        DHT                                                                 tataepithelzellen und Androgen-sensiti-
                          AR                                AR
                                        AR                                                                  ver LNCaP-Zellen. Das ist nicht auf die
                                                            ARE                                             Supprimierung der Bindung von And-
                                              PKCα
                                                     RORα

                                                                                                            rogenrezeptoren (AR) an die Androgen-
                                                                                                            responseelemente Androgen-abhängiger
                                                                                                            Gene sondern auf das Verhindern der AR-
                                             MT                             2                               Translozierung in den Zellkern zurück-
                                               1     Melatonin         MT                                   zuführen (Rimler et al. 2002). Mit An-
                                                                                                            drogen-insensitiven PC3-Zellen, die mit
                                       ROS                                                                  einen Wildtyp-AR-Vektor transfiziert
                                                 Wachstums- Apoptose
                                                   arrest                                                   waren (PC3-AR), wurde nachgewiesen,
                                                                                                            dass die Abschwächung der AR-Aktivi-
                                                                                                            tät durch Melatonin auf den Ausschluss
      Abb. 2: Negative Feedback-Schleife zwischen Melatonin und dem Androgenrezeptor (AR): Tes-
      tosteron (T) wird zu Dihydrotestosteron (DHT) reduziert, das im Zytoplasma der Prostatazellen         der AR aus dem Zellkern zurückzufüh-
      (auch Prostatakrebszellen) an den AR bindet und diesen aktiviert. Der AR-DHT-Komplex wird in          ren ist (Rimler et al. 2002).
      den Zellkern transloziert und heftet sich an das Androgen-Response-Element (ARE) von Zielge-             Antiproliferative Effekte von Melato-
      nen, um damit deren Transkription zu stimulieren. Diese transkriptionelle Aktivität unterdrückt die
      Expression der Melatoninrezeptoren MT1 und MT2. Damit wird die Fähigkeit des Melatonins un-           nin auf LNCaP-Zellen in einem Xenograft-
      terbunden, Wachstumsarrest und Apoptose zu induzieren sowie oxidativen Stress zu verhindern           Mausmodell stehen im Zusammenhang mit
      (ROS = reactive oxygen species). Melatonin und seine Rezeptoren inhibieren ihrerseits die Trans-      der Expression des G-Protein-gekoppelten
      lozierung des AR-DHT-Komplexes in den Zellkern. Dabei sind unter anderem Protein Kinase C al-
      pha (PKCα) und der RAR (retinoic acid receptor)-related orphan receptor alpha (RORα) involviert       Melatoninrezeptors MT1 (Xi et al. 2001).
      (nach Kiss & Ghosh, 2016).                                                                            Zudem zeigten Tam et al. (2007), dass in

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      Androgen-insensitiven 22Rv1-Prostata-        möglichen Normalisierung der zirkadia-         trugen 51 % bzw. 29 % ((p=0,003). Zudem
      krebszellen ein Melatonin/MT1/PKC-Me-        nen Rhythmen unter der ADT (Hanisch            reduzierten sich bei Chronotherapie die
      chanismus an der Melatonin-induzierten       & Gehrman, 2011).                              Raten an schwerer Mukosatoxizität und
      Abschwächung der Androgen-AR-Signal-            Hsu e al. (2016) überprüften die Hypo-      Neuropathie hochsignifikant. Die medi-
      transduktionskaskade beteiligt ist. Durch    these, dass die Krankheitskontrolle und        ane Dauer bis zur Krankheitsprogression
      AR-Aktivität wird die Expression der Me-     die mit einer Hochdosis-Strahlenthera-         war bei Chronotherapie ebenfalls länger
      latoninrezeptoren supprimiert. Daraus wird   pie verbundene Toxizität zirkadian vari-       als bei kontanter Infusionsrate (6,4 Mo-
      geschlossen, dass der Melatonin-Effekt un-   ieren. Hierzu verteilten sie Patienten mit     nate versus 4,9 Monate, p=0,006). Hin-
      ter Umständen am ehesten bei Androgen        lokalisiertem Adenokarzinom der Pros-          sichtlich der Überlebenszeit bestand kein
      depriviertem Prostatakrebs mit niedriger     tata auf eine Gruppe mit der Behandlung        signifikanter Unterschied (15,9 Monate
      AR-Aktivität zum Tragen kommt (Kiss &        zur Tageszeit (vor 17:00 Uhr, n=267) und       versus 16,9 Monate).
      Ghosh, 2016; Abb. 2).                        eine Gruppe mit der Bestrahlung in den            Eine von der Association for Research
         Verschiedene Tumoren sind aufgrund        Abendstunden (nach 17:00 Uhr, n=142.           on Time in Biology and Chronotherapy
      von Apoptoseresistenz nur schwer behan-      Bestrahlt wurden die Prostata und invol-       (ARTBC) International Chronotherapy
      delbar. Da Melatonin ein natürlicher Aus-    vierte Samenbläschen (median 78 Gy). Bei       Group initiierte Metaanalyse aus drei Pha-
      löser des programmierten Zelltods in Tu-     abendlicher Bestrahlung waren die Patien-      se-III-Studien hatte zum Ziel, bei Män-
      morzellen aber nicht in normalen Zellen      ten seltener als die tagsüber bestrahlen Pa-   nern und Frauen mit metastasiertem ko-
      ist, könnte es diesbezüglich in klinische    tienten frei von späten gastrointestinalen     lorektalem Karzinom die Effektivität der
      Programme einbezogen werden (Sánchez-        Beschwerden vom Grad ≥2 (Hazard Ra-            Chronotherapie mit dem etablierten Ver-
      Hidalgo et al. 2012). Über eine mögliche     tio 2,96, p
Uro-Onkologie

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  dian rhythm circuitry in human prostate cancer cells.   Papantoniou K, Pozo OJ, Espinosa A, 2015b.                  mechanisms of melatonin in antiproliferation of hor-
  J Pineal Res 49:60-68.                                  Increased and mistimed sex hormone production in            mone-refractory 22Rv1 human prostate cancer cells:
  Kim K-J, Choi J-S, Kang I, et al. 2013. Melatonin       night shift workers. Cancer Epidemiol Biomarkers            implications for prostate cancer chemoprevention.
  suppresses tumor progression by reducing angioge-       Prev 24:854-863.                                            J Pineal Res 42:191-202.
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  J Pineal Res 54:264-270.                                Melatonin down-regulates HIF-1 alpha expression             and safety of melatonin in concurrent chemotherapy
  Kiss Z, Ghosh PM, 2016. Circadian rhythmicity and       through inhibition of protein translation in prostate       or radiotherapy for solid tumors: a meta-analysis of
  the influence of ‘clock’ genes on prostate cancer.      cancer cells. J Pineal Res 46:415-421.                      randomized controlled trials. Cancer Chemotherapy
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  15:R271-R277.                                           A review of the evidence supporting melatonin‘s role        antiproliferative action of the pineal hormone with
  Kubo T, Ozasa K, Mikami K, et al. 2006. Pros-           as an antioxidant. J Pineal Res 18:1-11.                    mt1 receptor protein expression. Prostate 46:52-61.
  pective cohort study of the risk of prostate cancer     Rimler A, Culig Z, Lupowitz Z, Zisapel N, 2002.             Zhu Y, Stevens RG, Hoffman AE, et al. 2009. Tes-
  among rotating-shift workers: findings from the         Nuclear exclusion of the androgen receptor by mela-         ting the circadian gene hypothesis in prostate can-
  Japan collaborative cohort study. Am J Epidemiol        tonin. J Steroid Biochem Mol Biol 81:77-84.                 cer: a population-based case-control study. Can-
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  Lévi F, Zidani R, MD, Misset J-L, for the Inter-        MINE: a cancer microarray database and integrated           Zhu Y, Zheng T, Richard G. RG, et al. 2006. Does
  national Organization for Cancer Chronotherapy.         data-mining platform. Neoplasia 6:1-6.                      ‘‘Clock’’ matter in prostate cancer? Cancer Epide-
  1997. Randomised multicentre trial of chronotherapy     Sainz RM, Mayo JC, Rodriguez C, Tan DX, et al.              miol Biomarkers Prev 15:3-5.

  Prostatakrebs (PCa)
                                                                                                                        In der Fall-Kontroll-Studie wurde bei
  Melatoninsulfat/Kortison-Verhältnis im Urin                                                                           Männern mit PCa im Morgenurin
                                                                                                                        eine signifikant niedrigere Konzen-
  Hinweis auf chronobiologische Assoziation?                                                                            tration an Melatoninsulfat und ein
  Melatonin und Kortison, die einer zirkadianen Rhythmik unterliegen, haben                                             deutlich geringeres Melatoninsulfat/
  onkostatische und immunsuppressive Eigenschaften. Das Verhältnis ihrer                                                Kortison-Verhältnis im Urin (M/C-U)
  Konzentrationen im Morgenurin (M/C-U) wurde im Zusammenhang mit PCa                                                   bestimmt als bei Kontrollen. Das
  analysiert.                                                                                                           Vorliegen von PCa insbesondere
                                                                                                                        im fortgeschrittenen Stadium stand

  D
          ie Studienpopulation der Fall-Kon-              lich niedrigeren PSA-Spiegels bei den                         mit einem niedrigen M/C-U kombi-
          troll-Studie bestand aus 120 Män-               Kontrollen.                                                   niert mit PSA-Spiegeln >10 ng/ml
          nern mit neu diagnostiziertem,                     Im Vergleich zu den Kontrollen hat-                        im Zusammenhang. Eine eindeu-
  pathologisch nachgewiesenem PCa und                     ten die PCa-Patienten eine signifikant                        tige kausale Beziehung zwischen
  240 Kontrollen. Die beiden Gruppen un-                  niedrigere Melatoninsulfat-Konzentra-                         M/C-U und PCa-Risiko lässt sich
  terschieden sich nur bezüglich des deut-                tion und höhere Kortisonkonzentration                         daraus nicht ableiten.
                                                          (p=0,007) im Urin. Am deutlichsten aus-
                                                          geprägt war der Unterschied zwischen den
▼ Melatoninsulfat/Kortison-Verhältnis
                                                          Männern mit PCa und den Kontrollen bei                      Biomarkers fand sich mit 32,1-fach höhe-
200                    p10 ng/ml
                                                          lag eine 8,82-fach erhöhte Wahrschein-                      Tai S-Y, Huang S-P, Bao B-Y, Wu M-T, 2016. Urinary
  0                                                                                                                   melatonin-sulfate/cortisol ratio and the presence of
                                                          lichkeit eines PCa vor. Diese Kombina-                      prostate cancer: A case-control study. Scientific
        Prostatakrebs            Kontrollen
                                                          tion des zirkadianen und des klinischen                     Reports 6:29606.

                                                                                                                               urologen.info Dezember • 2016                 183
Uro-Onkologie

        Neu diagnostizierter metastasierter Prostatakrebs
                                                                                                                  In einer Analyse zeitnaher Fälle ei-
        Überleben bei Androgendeprivationstherapie                                                                nes neu diagnostizierten metasta-
                                                                                                                  sierten Prostatakarzinoms, in denen
        mit und ohne zusätzliche Strahlentherapie                                                                 mit Androgendeprivationstherapie
        Bei Männern mit neu diagnostiziertem metastasiertem Prostatakarzinom                                      (ADT) alleine oder zusätzlich noch
        (mPCa) wurde Prostatektomie mehrfach retrospektiv als lebensverlängernde                                  mit Strahlentherapie behandelt wor-
        Maßnahme nachgewiesen. Dagegen ist in der Situation die Rolle der extrakor-
                                                                                                                  den war, überlebten letztere Patien-
        poralen Strahlentherapie (ST) kaum untersucht. Sie wurde aktuell anhand der
        National Cancer Database bei mPCa-Patienten evaluiert, die eine Androgende-                               ten wesentlich länger als diejenigen
        privationstherapie (ADT) mit oder ohne zusätzliche ST erhalten hatten.                                    mit ADT alleine.

        A
               us dem Zeitraum von 2004 bis 2012                   handelt worden waren. Das mediane Fol-
               wurden 6 382 Männer mit mPCa                        low-up betrug 5,1 Jahre.                        Ein Überlebensvergleich zwischen Pati-
               identifiziert, von denen 5 844 mit                     In der uni- und multivariaten Analyse     enten mit ADT, Patienten mit ADT plus ST
        ADT alleine und 538 mit ADT plus ST be-                    war das Gesamtüberleben (OS) bei ADT         stratifiziert nach Strahlendosis (≥65 Gy vs.
                                                                   plus ST signifikant länger als bei ADT al-
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urologen.info Dezember • 2016   185
Uro-Onkologie

            Metastasierter kastrationsresistenter Prostatakrebs
                                                                                                             Bereits nach vierwöchiger Be-
            PSA-Abfall nach vierwöchiger Abirateronacetat-                                                   handlung von mCRPC-Patienten
                                                                                                             mit Abirateronacetat stand die Ver-
            Behandlung mit Gesamtüberleben assoziiert                                                        änderung des PSA-Spiegels hoch-
            Gemäß der Hypothese, dass bei Patienten mit kastrationsresistentem Prosta-                       signifikant im Zusammenhang mit
            takrebs (mCRPC) ein bereits nach vierwöchiger Behandlung mit Abirateron-                         dem PSA-Ansprechen nach 12 Wo-
            acetat (AA) eingetretener PSA-Abfall ≥30 % mit verlängertem Gesamtüberle-                        chen und dem Gesamtüberleben.
            ben (OS) und einem ≥50 %igen PSA-Abfall nach 12 Wochen im Zusammenhang                           Das traf auf Patienten mit und ohne
            steht, während ein PSA-Anstieg ≥25 % nach 4 Wochen ein deutlich schlechte-                       vorausgegangene Docetaxel-Che-
            res Krankheitsergebnis prognostiziert, ließe sich bei Ausbleiben des Anspre-
                                                                                                             motherapie zu.
            chens frühzeitig ein Therapiewechsel vornehmen.

            Am Royal Marsden NHS Foundati-                  oder nach Docetaxel mit AA behandelt           höhte Wahrscheinlichkeit eines ≥50 %igen
            on Trust wurde ein Analysenkollek-              worden waren.                                  PSA-Abfalls.
            tiv mit 274 mCRPC-Patienten identifi-              Bis zur vierten Woche nach Beginn der         Nach 4 Wochen AA hatte sich das PSA
            ziert, die zwischen 2006 und 2014 vor           Behandlung mit AA erreichten 126 Pati-         bei 102 Patienten (37,2 %) um ≥25 %
                                                            enten (46 %) einen ≥30 %igen PSA-Ab-           erhöht – 66 davon nach Docetaxel. Der
      ▼ Gesamtüberleben (Wahrscheinlichkeit)                fall. Damit verbunden war ein signifikant      PSA-Anstieg war mit signifikant verkürz-
      1,0                                                   längeres OS als bei Nichterreichen die-        tem OS assoziiert. Von den 102 Patienten
      0,8
                                                            ser Ansprechmarge (25,8 vs. 15,1 Mona-         mit 25 % PSA-Anstieg nach 4 Wochen
                          Responder                         te, p
Uro-Onkologie

   Active Surveillance bei Prostatakrebs (PCa)
                                                                                                                Die Ergebnisse mit Active Surveil-
   Langzeitergebnisse der bevölkerungsbasierten                                                                 lance (AS) deuten bei Patienten mit
                                                                                                                Minimalrisiko-PCa auf ein hohes
   Göteborger PCa-Screening-Studie                                                                              Maß an Sicherheit hin, währen AS
   Active Surveillance hat heute einen anerkannten Stellenwert zur Vermeidung                                   bei Niedrig- und Intermediärrisiko-
   von Überbehandlung bei Niedrigrisiko-PCa. Die Langzeitergebnisse der                                         PCa das Risiko birgt, die Heilungs-
   Göteborger PCa-Screeningstudie ergänzen die noch dünne Datenlage zur                                         möglichkeit zu verpassen.
   längerfristigen Sicherheit für die Patienten bei AS-Programmen.

   D
             ie Screeningstudie startete 1995                   versorgt wurden. Das Risiko ihrer Krebser-    bzw. 48 % (Abb.). Häufigste Gründe für
             mit Männern von 50 bis 65 Jah-                     krankung war in 244 Fällen als sehr nied-     den Abbruch der Active Surveillance wa-
             ren. Für die aktuelle Analyse um-                  rig „Minimalrisiko“-PCa, in 126 Fällen als    ren die Zunahme des Krebsvolumens und/
   fasste die Studienpopulation 474 Männer,                     Niedrigrisiko-PCa und in 104 Fällen als       oder des GS (n=108) sowie ein alleiniger
   die in erster Linie mit Active Surveillance                  Intermediärrisiko-PCa eingestuft worden.      PSA-Anstieg (n=50).
                                                                Sie erfüllten die Epstein-Kriterien für in-      Bei 54 Männern schlug Active Surveil-
 ▼ Behandlungsfreies Überleben                                  signifikanten PCa: Sehr niedriges Risiko      lance fehl. Die 10- und 15-Jahre versa-
1,00
                                                                (T1c, Gleason Score [GS] ≤6, PSA-Dich-        gensfreie Rate betrug 87 % bzw. 72 %.
                                                                te
Uro-Onkologie

      Klarzelliges Nierenzellkarzinom (ccRCC)
                                                                                                      Bei Patienten mit lokoregionärem
      Adjuvante Sunitinib-Therapie bei Patienten mit                                                  ccRCC und hohem Rezidivrisi-
                                                                                                      ko nach Nephrektomie führte die
      lokoregionärer Hochrisiko-Krankheit                                                             postoperative adjuvante Behandlung
      Mit verschiedenen adjuvanten Behandlungsstrategien nach Nephrektomie                            mit Sunitinib gegenüber der mit Pla-
      beim RCC wie Zytokin-Therapie, Strahlentherapie und Hormontherapie war                          cebo zu einer signifikant längeren
      bislang keine Senkung der Rezidivhäufigkeit erreicht worden. In der Phase-III-                  krankheitsfreien Überlebenszeit.
      Studie S-TRAC (Sunitinib Trial as Adjuvant Treatment of Renal Cancer) wurde                     Im Gegenzug musste eine höhere
      die Effektivität und Sicherheit von Sunitinib bei Patienten mit lokoregionärem                  Rate an toxischen Vorkommnissen
      ccRCC und hohem Rezidivrisiko nach Nephrektomie ermittelt.
                                                                                                      in Kauf genommen werden.

      D
                 ie Randomisierung umfasste 615       Jahre in der Placebo-Gruppe. Zum Zeit-
                 Patienten, von denen 309 der         punkt des Daten-Cutoffs war es in der
                 Sunitinib- und 306 der Placebo-      Sunitinib-Gruppe bei 113 von 309 Pati-          Adverse Events (AE) waren im Sunitinib-
      Gruppe zugeordnet wurden. Die Patienten         enten (36,6 %) zu einem Rezidiv, zu se-       Arm häufiger als im Placebo-Arm die Ursa-
      erhielten ein Jahr lang 50 mg Sunitinib oder    kundären Malignität oder Tod gekommen.        che für Dosisreduzierungen (34,2 vs. 2 %),
      Placebo täglich in einem 4/2 Schema (vier       In der Placebo-Gruppe betraf es 144 von       Unterbrechungen (46,4 vs. 13,2 %) und Ab-
      Wochen Medikation gefolgt von zweiwö-           306 Patienten (47,1 %). Nach 3 und 5 Jah-     bruch (28,1 vs. 5,6 %). Das Verhältnis von
      chiger Pause). Die Behandlung wurde bis         ren waren die Anteile krankheitsfreier Pa-    Grad 3 und Grad 4 AE betrug 48,4 vs.
      zum erneuten Auftreten der Erkrankung,          tienten in der Sunitinib-Gruppe 64,9 %        15,8 % bzw. 12,1 vs. 3,6 %. Schwerwie-
      dem Auftreten einer sekundären Maligni-         bzw. 59,3 % und in der Placebo-Gruppe         gende AE waren in beiden Armen ähnlich
      tät, intolerabler Toxizität oder dem Austritt   59,5 % bzw. 51,3 %.                           häufig (21,9 vs. 17,1 %).          Red. ◄
      aus der Studie fortgesetzt.                        Die Daten zum Gesamtüberleben wa-
         Auf der Grundlage eines verblindeten,        ren zum Zeitpunkt des Daten-Cutoffs noch
      unabhängigen zentralen Reviews betrug           nicht ausgereift. In der Sunitinib- und der   Ravaud A, Motzer RJ, Pandha HS, et al. 2016.
                                                                                                    Adjuvant sunitinib in high-risk renal-cell carcino -
      die mediane Dauer der Krankheitsfrei-           Placebo-Gruppe waren je 64 Todesfälle         ma after nephrectomy. N Engl J Med DOI: 10.1056/
      heit 6,8 Jahre in der Sunitinib- und 5,6        aufgetreten.                                  NEJMoa1611406

      Nicht metastasiertes Nierenzellkarzinom (RCC)
                                                                                                      Die Ergebnisse sprechen eindeu-
      Adjuvantes Sunitinib oder Sorafenib bei                                                         tig gegen den Einsatz antiangioge-
                                                                                                      netischer Therapien (Sunitinib und
      Patienten mit Hochrisiko-Krankheit                                                              Sorafenib) im adjuvanten Umfeld
      Bisher fehlen Marker, um bei Patienten mit reseziertem RCC eine Subgruppe mit                   bei Patienten mit primär resezier-
      erhöhtem Rezidivrisiko identifizieren zu können. Alternativ wurde deshalb                       tem RCC. Die Exzessive Toxizität
      erwogen, dass das Rezidivrisiko bei Patienten mit Hochrisiko-Krankheit posto-                   der Substanzen führte trotz Dosis-
      perativ durch eine unterstützende Therapie mit Effektivität bei fortgeschrittenem               reduzierungen in erheblichen Maße
      RCC gesenkt werden könne. Diesbezüglich wurden die beiden antiangiogenen
                                                                                                      zu Therapieabbrüchen.
      Substanzen Sunitinib und Sorafenib als adjuvante Therapie bei Patienten mit
      resektiertem Hochrisikotumor im Vergleich mit Placebo getestet.

      I
          n 226 Studienzentren der USA und Ka-        sprüngliche Dosis hochtitriert. Bis dahin     Anteil an Patienten mit unerwünschten
          nada wurden 1 943 Patienten mit histo-      hatten 44 % der Patienten im Sunitinib-       Ereignissen der Grade ≥3 mit beiden
          logisch nachgewiesenem klarzelligem         Arm und 45 % der Patienten im Sorafenib-      Substanzen 55 %.
      oder nicht-klarzelligem Hochrisiko-RCC          Arm die Therapie abgesetzt.                     Der Anteil der 5-Jahre-Gesamtüberle-
      randomisiert der Behandlung mit Sunitinib         Die krankheitsfreie Überlebenszeit für      benden war in den drei Studienarmen ver-
      (n=647), Sorafenib (n=649) oder Place-          Sunitinib, Sorafenib und Placebo betrug       gleichbar (Sunitinib: 77,9 %, Sorafenib:
      bo (n=647) zugewiesen. Die Hochrisiko-          70, 73,4 bzw. 79,6 Monate (Sunitinib vs.      80,5 %, Placebo: 80,3 %). Die mediane
      Zuordnung beinhaltete folgende Kriterien:       Placebo: p=0,804; Sorafenib vs. Place-        Gesamtüberlebensdauer war noch in keiner
      pT1b G3–4 N0 (oder pNX in Fällen mit            bo: p=0,718). Das Fehlen eines Behand-        Gruppe erreicht worden.          Red. ◄
      klinischem N0) bis jedwedes T jedwedes          lungserfolgs betraf sowohl die Patienten
      G N+ (total resektiert) M0.                     mit voller Startdosis als auch die Patien-
         Nach der Rekrutierung von 1 323 Pa-          ten mit reduzierter Einstiegsdosis.           Haas NB, Manola J, Uzzo RG, et al. 2016. Adjuvant
      tienten wurde die Startdosis beider Subs-          Die Rate an verschiedenen Nebenwir-        sunitinib or sorafenib for high-risk, non-metastatic
                                                                                                    renal-cell carcinoma (ECOG-ACRIN E2805): a dou-
      tanzen aufgrund der hohen Abbruchraten          kungen war höher als erwartet. Auch nach      ble-blind, placebo-controlled, randomised, phase 3
      reduziert und dann individuell auf die ur-      Reduzierung der Startdosis übertraf der       trial. Lancet 387:2008-2016.

188   urologen.info Dezember • 2016
Uro-Onkologie

  Metastasiertes Nierenzellkarzinom
                                                                                                           Obwohl bei den mRCC-Patienten mit
  Prognose für Patienten mit Absiedelungen in                                                              Pankreasmetastasen eine höhere
  der Bauchspeicheldrüse                                                                                   Anzahl von Organen betroffen war,
                                                                                                           wurde bei ihnen ein indolenterer Ver-
  Verschiedene Fallserien, die zumeist aus der Prä-Tyrosinkinaseinhibitor-Ära                              lauf mit längerer Lebenserwartung
  stammten, hatten bei mRCC-Patienten mit Pankreasmetastasen ein verlängertes                              als bei mRCC-Patienten ohne Pan-
  Gesamtüberleben ergeben. Inwieweit sich das anhand klinischer Ergebnisse bei                             kreasmetastasen festgestellt.
  Patienten mit mRCC und Pankreasmetastasen, die mit Pazopanib oder Sunitinib
  behandelt worden waren, bestätigen lässt, wurde retrospektiv analysiert.

  D
          ie ausgewerteten Krankenakten                    lungszeitraum von Januar 2006 bis No-         pulation mit Pankreasmetastasen und von
          der Patienten mit mRCC an der                    vember 2011. Alle Patienten hatten als        26 Monaten bei den anderen ohne Pan-
          University of Texas MD Ander-                    Erstlinientherapie entweder Sunitinib         kreasmetastasen ermittelt (Abb.).
  son Cancer Center umfassen den Behand-                   oder Pazopanib erhalten.                         Für das krebsspezifische Überleben er-
                                                              Von 228 identifizierten mRCC-Patien-       rechneten sich nach einem Follow-up von
▼ Gesamtüberleben (Wahrscheinlichkeit)
                                                           ten hatten 44 Pankreasmetastasen neben        median 29 Monaten entsprechend 42 Mo-
                                                           Metastasen an anderer Stelle. Vierunddrei-    nate bei Vorliegen von Pankreasmetasta-
1,0                   Mit Pankreasmetastasen (28/44)
                      Ohne Pankreasmetastasen (137/184)    ßig (77 %) von ihnen und 109 der restli-      sen und 27 Monate ohne Pankreasmetas-
0,8                                                        chen Patienten (59 %) hatten sich einer Ne-   tasen. Am mRCC verstarben 26 von den
0,6
                                                           phrektomie unterzogen. In der Gruppe mit      44 Patienten mit Pankreasmetastasen und
                                                           Pankreasmetastasen hatten 30 Patienten        121 von 184 Patienten ohne Pankreasme-
0,4                                                        ≥3 Metastasenorte, und in vier Fällen war     tastasen ((p=0,05).               Red. ◄
0,2                                                        das Pankreas einziger Metastasenort.
          p
Uro-Onkologie

      Erstlinie bei fortgeschrittenem Urothelkarzinom                                                    Beide Vinflunin-basierten Chemothe-
      Vinflunin−Gemcitabin vs. Vinflunin−Carboplatin                                                     rapien zeigten ähnliche Krankheits-
                                                                                                         kontrollraten, Gesamtansprechraten
      bei nicht für Cisplatin geeigneten Patienten                                                       und Gesamtüberlebenszeiten. Die
      Für Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom, die z.B. aufgrund                             Kombination Vinflunin−Gemcitabin
      eingeschränkter Nierenfunktion für Cisplatin nicht in Frage kommen, gibt es                        konnte durch bessere hämatologi-
      keine standardmäßige Erstlinienchemotherapie. Für diesen Patientenkreis                            sche Verträglichkeit punkten.
      wurden in einer internationalen randomisierten Phase-II-Studie Effektivität
      und Verträglichkeit von zwei Vinflunin-basierten Therapieregimen beurteilt.
                                                                                                         Hämatologische unerwünschte Ereig-

      P
              atienten mit lokal fortgeschrittenem     tensität von 97,4 % bzw. 91,3 %. Redu-         nisse (UE) Grad 3-4 traten im VG-Arm
              oder metastasiertem Urothelkarzi-        zierungen der Vinflunin-Dosis waren bei        seltener als im VC-Arm auf (Neutrope-
              nom wurden randomisiert (1:1) ent-       6 Patienten des VG-Arms und 13 Patienten       nie: 38 % versus 68 %, febril: 3 % versus
      weder mit Vinflunin−Gemcitabin (VG,              des VC-Arms indiziert.                         14 %). Auch Thrombozytopenien Grad 3-4
      n=34) oder Vinflunin−Carboplatin (VC,               Die Krankheitskontrollraten (DCR =          waren im VG-Arm seltener als im VC-
      n=35) behandelt. Im VG-Arm erhielten             komplettes Ansprechen + partielles An-         Arm (VG 6 % versus VC 21 %).
      die Patienten am Tag 1 je nach Baseline-         sprechen + Krankheitsstabilisierung; pri-         In beiden Behandlungsarmen traten
      Kreatinin-Clearance 250 oder 280 mg/m2           märer Endpunkt) betrugen in beiden Ar-         nicht-hämatologische UE Grad 3-4 auf.
      Vinflunin plus Gemcitabin an den Tagen           men 77 %. Das mediane progressionsfreie        Das betraf Asthenie (22 %), Infektionen
      1 und 8 (750 mg/m 2 mit Erhöhung auf             Überleben und die Gesamtüberlebensdauer        (7 %) Obstipation (4 %). Es bestanden kei-
      1000 mg/m2 im Zyklus 2 sofern keine To-          erreichten im VG- und VC-Arm 5,9 Mo-           ne größeren Unterschiede zwischen den
      xizität Grad ≥2 auftrat). Patienten im VC-       nate versus 6,1 Monate bzw. 14,0 Monate        Behandlungsgruppen.                Red. ◄
      Arm erhielten Vinflunin plus Carboplatin         versus 12,8 Monate. Zum Zeitpunkt der
                                                                                                      De Santis M, Wiechno PJ, Bellmunt J, et al.
      AUC 4,5 am Tag 1 alle 21 Tage.                   Analyse waren 51 Patienten gestorben −         2016. Vinflunine – gemcitabine versus vinflunine –
         Die mediane Anzahl Zyklen betrug im           (25 im VG- und 26 im VC-Arm). In 46            carboplatin as first-line chemotherapy in cisplatin-
                                                                                                      unfit patients with advanced urothelial carcinoma:
      VG-Arm 5 (1−17) und 4 (1−11) im VC-Arm.          Fällen lag dem eine Krankheitsprogres-         results of an international randomized phase II trial
      Vinflunin erreichte eine mediane Dosisin-        sion zugrunde.                                 (JASINT1). Ann Oncol 27:449-454.

      Muskelinvasives Urothelkarzinom der Harnblase
                                                                                                         Bei Patienten mit muskelinvasivem
      Thromboembolische Ereignisse bei Patienten                                                         Blasenkrebs, die sich einer neoad-
                                                                                                         juvanten Chemotherapie unterzie-
      mit neoadjuvanter Chemotherapie                                                                    hen, treten vor und nach der radika-
      Die Platin-basierte neoadjuvante Chemotherapie in Verbindung mit radikaler                         len Zystektomie häufig TEE auf. Eine
      Zystektomie hat für Patienten mit muskelinvasivem Blasenkrebs nach Evidenz-                        prospektive Untersuchung sollte den
      stufe I einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber alleiniger radikaler                       Nutzen einer Thromboseprophylaxe
      Zystektomie. Das damit verbundene erhöhte Thromboserisiko wurde anhand
                                                                                                         in dieser Situation abklären.
      des zeitlichen Auftretens, der Inzidenz und der klinischen Merkmale throm-
      boembolischer Ereignisse (TEE) charakterisiert.

      D
               ie multiinstitutionelle retrospektive   anderweitigem Anlass. Die Inzidenz ei-         TEE vor der radikalen Zystektomie nicht mit
               Analyse umfasste Daten von 761          nes TEE in den 10 Zentren betrug 13,8 %.       signifikant verkürzter Gesamtüberlebens-
               Patienten, die sich zwischen 2002       Sie variierte je nach Zentrum von 5 % bis      zeit im Zusammenhang stand, war ein sol-
      und 2014 aufgrund von muskelinvasivem            32 %. Die Patienten mit TEE waren äl-          ches Ereignis postoperativ mit signifikant
      Blasenkrebs einer neoadjuvanten Chemo-           ter als die ohne TEE (67,6 vs. 64,6 Jahre,     verkürztem Überleben assoziiert. Als Risi-
      therapie und radikalen Zystektomie un-           p=0,02) und hatten einen längeren neo-         kofaktoren für die Gesamtüberlebensdauer
      terzogen hatten. Das mediane Follow-up           adjuvanten Chemotherapie-Kurs erhalten         wurden das pathologische Stadium und ein
      von der Diagnosestellung an betrug me-           (10,9 vs. 9,7 Wochen, p=0,01). Von den         hoher Khorana-Score (basierend auf Base-
      dian 21,4 (3 bis 27,2) Monate.                   TEE entwickelten sich 58 % präoperativ         line-Hämoglobin, Thrombozyten- und Leu-
         Bei 101 Patienten kam es zu jeweils ei-       (72 % davon waren symptomatisch).              kozytenzahl, BMI und Tumorlokalisation)
      nem und in vier Fällen zu zwei zeitlich             Die Gesamtüberlebenszeit bei den Pati-      identifiziert.                     Red. ◄
      getrennten TEE. Sie waren bei 71,6 der           enten mit und ohne TEE betrug 43,4 bzw.        Duivenvoorden WCM, Daneshmand S, Canter D, et
      Patienten klinisch entdeckt worden und           68,7 Monate ((p=0,06). Auch hinsichtlich der   al. 2016. Incidence, characteristics and implications of
                                                                                                      thromboembolic events in patients with muscle invasi-
      waren in den restlichen Fällen ein Zufalls-      krebsspezifischen Überlebensdauer bestand      ve urothelial carcinoma of the bladder undergoing neo-
      befund bei bildgebenden Verfahren aus            lediglich ein Trend ((p=0,07). Während ein     adjuvant chemotherapy. J Urol 196:1627-1633.

190   urologen.info Dezember • 2016
Uro-Onkologie

  Prognostische Faktoren bei Patienten mit                                                    Patienten höheren Alters mit pri-
  „poor risk“ Keimzelltumor                                                                   mär mediastinalem nichtsemino-
                                                                                              matösem Keimzelltumor oder mit
  Unter mehreren Prognosemodellen für Patienten mit Keimzelltumor ist die                     Hirnmetastasen haben ein höhe-
  Risikostratifizierung der International Germ Cell Cancer Collaborative Group
                                                                                              res Mortalitätsrisiko als Patienten
  (IGCCCG) das in der klinischen Praxis am häufigsten verwendete. Danach
                                                                                              mit testikulärem/retroperitonealem
  haben 14 % der Patienten mit metastasiertem Keimzelltumor eine „poor risk“
  Krankeit, und nur knapp die Hälfte überlebt fünf Jahre. Die aktuelle Analyse                Primärtumor.
  versucht prognostische Faktoren für die „poor risk“ Patienten zu identifizieren.

  D
           ie retrospektive Analyse umfasst    splatin-Etoposid-basierter Chemotherapie     kleiner als bei Patienten mit testikulären/
           Daten von 273 Patienten mit „poor   behandelt worden waren.                      retroperitoneslen Primärorten (58 % vs.
           risk“ Keimzelltumor, die von 1990     Nach der Firstline-Chemotherapie blieben   79 %; Abb.).
  bis 2014 ander Indiana University, India-    160 Männer dauerhaft krankheitsfrei. Fünf       In einem multivariaten Modell hatten Pa-
  napolis, USA, diagnostiziert und mit Ci-     Jahre progressionsfrei (PFS) und 5 Jahre     tienten mit Lebermetastasen, Hirnmetasta-
                                               insgesamt zu überleben (OS) erreichten       sen, primär mediastinalem nichtseminoma-
                                               58 % bzw. 73 % der Patienten.                tösen Keimzelltumor oder logarithmischer
▼Gesamtüberleben (Wahrscheinlichkeit)             Patienten mit nichtpulmonalen visze-      Erhöhung des β-humanen Choriongonado-
1,0
                      Mediastinum              ralen Metastasen waren signifikant kür-      tropins eine verkürzte Progressionsfreiheit.
                      Hoden/Retroperitoneum
0,8
                                               zer progressionsfrei als jene mit Metasta-   Höheres Alter, Hirnmetastasen und primä-
                                               sen in der Lunge. Hirnmetastasen hatten      re mediastinale Krankheit hatten einen le-
0,6                                            den ungünstigsten Einfluss auf die Über-     bensverkürzenden Effekt.            Red. ◄
                                               lebensparameter. Das resultierte in einem
0,4                                            5-Jahres-PFS von 24 % und einem 5-Jah-       Adra N, Althouse SK, Liu H, et al. 2016. Prognostic
                                               res-OS von 51 %. Die OS-Rate war bei         factors in patients with poor-risk germ-cell tumors:
 0                                                                                          a retrospective analysis of the Indiana University
      0   5     10     15       20   25        Patienten mit primär mediastinalem nicht-    experience from 1990 to 2014. Ann Oncol 27:
                        Jahre                  seminomatösem Keimzelltumor deutlich         875-879.

  Peniskrebs                                                                                  Nach der Detektionsrate von HPV-
  Weltweite Prävalenz humaner Papillomaviren                                                  DNA alleine oder in Verbindung mit
                                                                                              zumindest einem Marker für onkoge-
  In der Epidemiologie und Pathogenese des Peniskarzinoms spielen zum
                                                                                              ne HPV-Aktivität standen ein Vier-
  einen Krankheitsprozesse wie Entzündungen, Phimose, eine Vorgeschichte
  mit Lichen sclerosus oder Lichen planus sowie andererseits die Infektion mit                tel bzw. ein Drittel der Peniskarzi-
  humanen Papillomaviren (HPV) eine Rolle. Anhand einer Fallserie aus 25                      nome im Zusammenhang mit einer
  Ländern mit 85 hochgradigen intraepithelialen Plattenepithelläsionen                        HPV-Infektion.
  (HGIPL) und 1 010 invasiven Peniskarzinomen wurde eine umfassende
  Analyse der HPV-DNA-Prävalenz inklusive Typenverteilung, sowie Surrogat-                  onkogener Aktivität mittels E6*I-mRNA
  markern für virale Aktivität (E6*I-mRNA und p16 INK4a ) durchgeführt.                     in HGIPL und invasivem Peniskrebs sehr

  N
            ach der zentralen histopatholo-    Plattenepithelkarzinomen ohne warzig-        hoch (97,1 % bzw. 85,1 %). Vielfach lag
            gischen Begutachtung der For-      basaloide Merkmale.                          auch eine erhöhte Expressionsrate des
            malin-fixierten Gewebe wurden         Unter den HPV-DNA-positiven Proben        Surrogatmarkers p16 INK4a vor. In 69,3 %
  die Detektion von HPV-DNA und die Gen-       war der Anteil multipler HPV-Infektion       der HPV-positiven HGIPL-Proben war die
  typisierung durchgeführt. Zum Nachweis       bei den Patienten mit HGIPL höher als bei    p16 INK4a-Expression heraufreguliert und
  onkogener Aktivität wurden die HPV-po-       denen mit invasivem Peniskrebs (17,6 %       zugleich E6*I-mRNA nachweisbar. Zu-
  sitiven Proben auf E6*I-mRNA und alle        versus 9,0 %; p=0,027). Bei beiden Lä-       mindest einer der beiden Marker viraler
  Proben auf die Expression von p16 INK4a      sionstypen wurde HPV16 als häufigster        Aktivität wurde in 85,3 % der Fälle nach-
  getestet.                                    Typ nachgewiesen. Bei invasivem Penis-       gewiesen. Die entsprechenden Raten für
     In 87 % der HGIPL und in 33 % der in-     krebs war HPV6 der zweithäufigste HPV-       invasive Peniskarzinome waren 22,0 %
  vasiven Peniskarzinome wurde HPV-DNA         Typ. In ca. 70 % der HPV-positiven Penis-    bzw. 27,1 %.                      Red. ◄
  nachgewiesen. Gesondert nach histologi-      karzinome wurde entweder HPV16 oder
  scher Diagnose fand sich die höchste HPV-    HPV18 entdeckt.
                                                                                            Alemany L, Cubilla A, Halec G, et al. 2016. Role of
  DNA-Prävalenz in HGIPL mit warzig-ba-           Bei Infektion mit HPV16 und anderen       human papillomavirus in penile carcinomas world-
  saloiden Merkmalen und die geringste in      Hochrisiko-Typen war die Nachweisrate        wide. Eur Urol 69:953-961.

                                                                                                     urologen.info Dezember • 2016                 191
Urologie

                     Kindliche Harninkontinenz

                     D
                              ie kindliche Harninkontinenz ist         kel umgeht, folgen daraus unterschiedli-           weisen ein Einnässen vor Erreichen der
                              definiert als unkontrollierter Urin-     che Befunde und Symptome.                          Toilette oder „einfach so zwischendurch“
                              abgang nach dem 5. Lebensjahr,                                                              auf, insbesondere nachdem sie zuvor – oft-
                     der sich nachts und /oder tagsüber mani-          Miktionsaufschub                                   mals aufgrund der erkennbaren Unruhe
                     festiert. Analog zur überaktiven Blase                                                               oder Haltemanöver – zum Toilettengang
                     bei Erwachsenen liegt auch der Harnin-            Das Aufschieben des Miktionsvorgangs               aufgefordert worden sind.
                     kontinenz bei Kindern eine somatofor-             erfolgt aus innerer Not der Kinder und ist            Diagnostisch finden sich eine alters-
                     me Miktionsstörung zugrunde. So kön-              anhand typischer Haltemanöver wie z.B.             entsprechend normale oder vergrößer-
                     nen Ängste oder Unsicherheiten, die               dem Fersensitz oder Überkreuzen der Bei-           te Blasenkapazität, Restharnbildung so-
                     das Kind belasten, zur Folge haben,               ne erkennbar. Bei alleinigem Miktionsauf-          wie eine Verdickung der Blasenwand als
                     dass ein Kind einnässt. Ebenso kann               schub erfolgt die anschließende Blasenent-         Folge des erhöhten Miktions-Eröffnungs-
                     sich die Unterdrückung der eigenen, na-           leerung koordiniert mit physiologischer            drucks bei kontraktem Sphinkter, der erst
                     türlichen Bedürfnisse in der Unterdrü-            Uroflowmetrie-Kurve, in der Regel aller-           sekundär nach Miktionseinleitung durch
                     ckung des Harndrangs und der Miktion              dings nicht restharnfrei, die Kinder hören         „Überlaufen“ relaxiert.
                     somatisieren. Pathologisches Korrelat ist         sozusagen „zu früh auf“. Bei gezieltem
                     die Dysfunktion des externen urethralen           Nachfragen wird das Wasserlassen nach              Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
                     Sphinkters im Sinne eines Miktionsauf-            Miktionsaufschub als „total erleichternd“
                     schubs, gegebenenfalls kann zusätzlich            oder „natürlich schön“ etc. beschrieben, so        Es gibt jedoch viel mehr Kinder, die nicht
                     während der Miktion eine extrinsisch be-          dass verständlich ist, dass die Kinder so-         nur die Miktion aufschieben, sondern zu-
                     dingte funktionelle subvesikale Obstruk-          fort wieder damit aufhören, den Sphinkter          sätzlich die Miktion unterbrechen bzw.
                     tion im Sinne einer Detrusor-Sphinkter-           zu relaxieren, sobald im Sinne einer Über-         unbewusst verhindern wollen. Hier fin-
                     Dyskoordination bestehen. Je nach Art             lauf-Symptomatik eine Spannungsabfuhr              det sich neben der Miktionseinleitung im
                     der Dysfunktion bzw. je nachdem, wie das          stattgefunden hat, bzw. sobald der Druck           Sinne eines „Überlaufens“ eine Detrusor-
                     Kind unbewusst mit seinem Schließmus-             weg ist. Die meisten betroffenen Kinder            Sphinkter externus-Dyskoordination, die
                                                                                                                          eine konsekutive Detrusorhyperaktivität
                                                                                                                          bedingt. Diagnostisch weist die Uroflow-
                                                                                                                          metrie typischerweise eine Sägezahn-Kur-
                           Beginn der Messung                   Qmax                        Ende der Messung
                                                                                                                          ve und eine funktionell kleinkapazitäre
                                                                                                                          Blase auf ((Abb.). Die Sonographie zeigt
                     30                                                                                                   Restharnbildung sowie eine deutlichere
                                                                               Flowmetrie-Auswertung                      Wandverdickung der Blase im Vergleich
                                                                               Maximaler Flow =      13,4 ml/s
                                                                                                                          zu den Kindern mit Miktionsaufschub.
                                                                                  Mittlerer Flow =   5,6 ml/s                 Die meisten dieser Kinder nässen vor
                                                                              Miktionsvolumen =      518 ml               dem Erreichen der Toilette ein, „einfach
                                                                                        Flowzeit =   92,9 s
                     20                                                             Miktionszeit =   100,8 s              so“ zwischendurch beim Spielen o.Ä. und
                                                                              Zeit bis max Flow =    6,4 s                auch nachts. Manchen Kindern ist es durch
  Harnfluss (ml/s)

                                                                               Beschleunigung =      2,1 ml/s*s
                                                                                   Verzögerung =     --- s                erhebliche Einschränkung der Trinkmenge
                                                                                                                          und Miktionsaufschub möglich, tagsüber
                                                                                                                          die Problematik der kleinkapazitären Blase
                     10                                                                                                   und der Detrusorhyperaktivität zu kupieren
                                                                                                                          und nur nachts einzunässen. Ähnlich der
                                                                                                                          Kinder mit Miktionsaufschub gehen sie ty-
                                                                                                                          pischerweise in der Schule überhaupt nicht
                                                                                                                          oder – wenn sie dort bis zum späten Nach-
                     520
                                                                                                                          mittag bleiben – einmal zur Toilette und
  Blasenvolumen

                           1        72                                                                            519     nässen nachts ein. Wenn dann im Rahmen
       (ml)

                     250                                                                                                  der urologischen Therapie die Flüssigkeits-
                                                                                                                          zufuhr erhöht wird, manifestiert sich aber
                                                                                                                          hier im Gegensatz zum Miktionsaufschub
                       0       10        20     30       40   50      60      70       80       90        100       110   auch eine Tagessymptomatik mit Pollakis-
                                                                Zeit (Sek.)                                               urie und gegebenenfalls zusätzlichem Harn-
 Abb.: Uroflowmessung bei einem 9-jährigen Jungen (modifiziert nach Hohenfellner U.).                                     abgang vor Erreichen der Toilette im Sinne

192                  urologen.info Dezember • 2016
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