WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten

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WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
#02/2020
                                                                                                                                                                     EURO 14,–
                                                                                                                      Magazin für Journalistinnen und Journalisten
EURO 14,– · Postfach 1152, 83381 Freilassing · ISSN 0178-8558 · Y9072 E | Foto: Unsplash/Claudio Schwarz @purzlbaum

                                                                                                                      Journalismus in Zeiten von Corona

                                                                                                                      WOVON LEBE ICH?
                                                                                                                      WOFÜR STEHE ICH?
                                                                                                                      WIE ARBEITE ICH?
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
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WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
Editorial

Gemeinsam
über die Grenzen
                                                            gewinnbringend. Und hat Spaß gemacht – keine Selbst-
Mobile Teamarbeit ist das Gebot der                         verständlichkeit in diesen Zeiten. „Gemeinsam schaffen
Stunde. Überall. Auch bei uns: eine
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       #02/2020
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       CHF 15.–

                                                            wir es“ – der Schlachtruf dieser Zeit – könnte auch als
deutschsprachige Koproduktion in                            Motto über dieser Ausgabe stehen.
außergewöhnlichen Zeiten.

                                                                                                                           CHF 15.00 | Postfach 1152, D-83381 Freilassing | ISSN 0178-8558 | Y9072 E | Foto: unsplash/Claudio Schwarz Purzlbaum
                                                              Das Ergebnis sehen Sie nun vor sich: eine außerge-
                                                            wöhnliche Ausgabe für außergewöhnliche Zeiten.                                                                                                                                                                              Journalismus in Zeiten von Corona

                                                            Gegliedert in existenzielle Fragen, die den Journalismus                                                                                                                                                                    WOVON LEBE ICH?
                                                                                                                                                                                                                                                                                        WOFÜR STEHE ICH?
Covid-19 ist mit Brachialgewalt in unser aller Leben        weit über diese Krise prägen werden. Wir haben den                                                                                                                                                                          WIE ARBEITE ICH?

getreten. Bringt Superlative, die nicht enden wollen:       Blick bewusst nach vorne gerichtet, wollten die Mög-
das bedrohlichste Virus seit der Spanischen Grippe          lichkeiten und Chancen ausloten, die diese Zeit uns
1918, der längste Lockdown in der Geschichte des            eben auch bietet, haben dazu viele Gespräche in                                                                                                                                                                                                                            #02/2020
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Landes, die größte Wirtschaftskrise seit Kriegsende …       Deutschland, Österreich und der Schweiz geführt,

                                                                                                                       P.b.b. Verlagspostamt 5301 Salzburg-Eugendorf, Aufgabepostamt 5411 Oberalm · GZ 06 Z036771 P · Envoi à taxe réduite | FOTO: unsplash/Claudio Schwarz Purzlbaum
  Tsunamigleich rollt eine Krise von epischem Ausmaß        Übersichten, handfeste Tipps und Einsichten gesam-
über uns hinweg, grenzenlos in ihren Auswirkungen –         melt. „Die positive Botschaft aus dieser Krise ist doch:
gesellschaftlich, wirtschaftlich, kulturell. Gleichzeitig   Unser Job ist systemrelevant, Journalisten werden                                                                                                                                                                           Journalismus in Zeiten von Corona

                                                                                                                                                                                                                                                                                        WOVON LEBE ICH?
werden überall die realen Grenzen geschlossen. Als          gebraucht“, sagt beispielsweise Tanit Koch, deren                                                                                                                                                                           WOFÜR STEHE ICH?
                                                                                                                                                                                                                                                                                        WIE ARBEITE ICH?
ob das Virus ausgesperrt werden kann. Es bleibt un-         Wachstumsstrategie bei RTL/NTV zurzeit geradezu
sichtbar. Nicht fassbar. Selbst nicht von den Experten.     beflügelt wird (Seite 64).
Noch nicht. Bis ein Gegenmittel gefunden ist, steht           „Jetzt ist die Stunde des guten Journalismus“, sagt
unser aller bisheriges Leben und Arbeit auf dem Kopf.       auch Ranga Yogeshwar zu Recht: Er sieht – neben                                                                                                                                                                             Magazin für Journalistinnen und Journalisten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         #02/2020
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Oder still. Aufträge und Anzeigen sind in Lichtge-          berechtigter Kritik an journalistischen Versäumnissen

                                                                                                                               EURO 14,– · Postfach 1152, 83381 Freilassing · ISSN 0178-8558 · Y9072 E | Foto: unsplash/Claudio Schwarz Purzlbaum
schwindigkeit weggebrochen, Sparmaßnahmen sind              – auch eine auffallend positive Entwicklung gerade im
in vielen Medienhäusern angesetzt – die gleichzeitig        Fernsehen, bei den Talkshows: „Gerade entwickelt
Rekordzuwächse an digitalen Zugriffen und Abos ver-         sich eine Kultur des Zuhörens und ich hoffe, dass das                                                                                                                                                                       Journalismus in Zeiten von Corona

                                                                                                                                                                                                                                                                                        WOVON LEBE ICH?
melden. Das alte werbefinanzierte Geschäftsmodell           auch nach der Pandemie weitergeht“(Seite 40).                                                                                                                                                                               WOFÜR STEHE ICH?
                                                                                                                                                                                                                                                                                        WIE ARBEITE ICH?
entpuppt sich als noch fragiler als von Vordenkern            Mit bemerkenswerter Deutlichkeit kritisiert wieder-
prognostiziert, während Qualitätsjournalismus auf           um Verleger Robert Dunkmann, Chef der Zeitungs-
                                                                                                                       EIN HEFT –
allen Kanälen schon lange nicht mehr so gefragt war         gruppe Ostfriesland und des Verbandes der Lokalpres-
                                                                                                                       DREI COVER.
wie in diesen Wochen. Eine schizophrene Situation.          se, Versäumnisse und mangelnden Mut von Kollegen           Mit einer gemein-
Und nun?                                                    in der Branche: „Ein möglichst großes Ziel erreichen       samen Ausgabe
  Das haben wir uns auch gefragt. Natürlich ist auch        zu wollen, ist doch das Gebot der Stunde. Und wenn         möchten die drei
                                                                                                                       Redaktionen in
ein Medienfachverlag, der Medienmagazine für                wir unseren Lesern etwas bieten wollen, geht das nicht     Deutschland,
Deutschland, Österreich und die Schweiz verlegt,            auf Sparflamme“ (Seite 56).                                Österreich und der
betroffen. Unsere Heftpläne wurden plötzlich Maku-            Und wir haben gleichlautend und grenzüberschrei-         Schweiz ein Zeichen
latur, ungewiss die Finanzierung der nächsten Aus-          tend Kolleginnen und Kollegen aus allen Mediengat-         setzen, dass wir auch
                                                                                                                       in der Krise über
gaben. Wir beschlossen, aus der Not eine Tugend zu          tungen, Hierarchien und Altersgruppen gefragt, wa-         Grenzen hinweg
machen – wie so viele von Ihnen es auch tun.                rum Journalismus ihr Traumberuf war und wie sie nun        denken und handeln
  Während europäische Grenzen wieder geschlossen            dessen Zukunft sehen: 66 bemerkenswerte Antworten          können.
sind, haben wir Chefredakteure von „Österreichischer        (Seite 18 und auch auf mediummagazin.de).
Journalist“, „Schweizer Journalist“ und „medium ma-           Diese Ausgabe war europäische Teamarbeit mit allen
gazin“ grenzüberschreitend zusammengearbeitet. Kol-         Beteiligten in den Redaktionen und dem Verlag. „Ein
lege Georg Taitl hat – wie bei einer Segeltour auf          Signal“, nennt es Johann Oberauer, dem deshalb hier
stürmischer See – das Produktionssteuer in der Ver-         das Schlusswort gehören soll: „Als Verleger und Her-
lagszentrale Salzburg übernommen. Die jeweils landes-       ausgeber bin ich stolz und dankbar für dieses Team,
typischen Eigenheiten, blattmacherischen Vorlieben          das Ihnen nun ein gemeinsames journalistisches Werk
und sprachlichen Unterschiede zusammenzubringen,            vorlegt, das für uns alle wichtige Fragen beantwortet –
war spannend. „Zwischen ,passt scho‘, forschen For-         auch ein Zeitdokument, wie ich meine.“
derungen und leicht genervter versuchter Zurückhal-
tung muss man sich erst finden“, sagt mein Schweizer        Annette Milz, Chefredakteurin des „medium magazins“
Kollege David Sieber treffend. Es war auf jeden Fall

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     3
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
Inhalt. #02/2020

IMPRESSUM

medium magazin
                                            TITEL                                       WAS BLEIBT
Schweizer Journalist
Der Österreichische Journalist
Nr. 02/2020
                                                                                        VOM
Chefredaktion
D: Annette Milz (V.i.S.d.P.,
Frankfurt/Main)
                                                                                        TRAUMBERUF?
redaktion@mediummagazin.de                                                              Wie sieht die Bernerin Anna Miller ihre Zukunft
CH: David Sieber                                                                        als Journalistin? Und was hoffen Journalistinnen
david.sieber@schweizer-journalist.ch
                                                                                        und Journalisten in Deutschland, Österreich und
A: Johann Oberauer, Georg Taitl
georg.taitl@oberauer.com
                                                                                        der Schweiz?
                                                                                                                                  Seite 18
Verlag und Medieninhaber
Johann Oberauer GmbH
Fliederweg 4, A-5301 Eugendorf
Tel. +43 6225 2700-0
Fax +43 6225 2700-11
E-Mail: vertrieb@oberauer.com
Handelsregister Salzburg HRB 8171
Geschäftsführer: Johann Oberauer

Anzeigen- und Medienberatung
Ruperta Oberauer
Tel. +43 6225 2700-35
Margareta Uliarte
Tel. +43 6225 2700-34

Korrektorat
Christine Lieber
                                               WOFÜR STEHE ICH?                                 WOVON LEBE ICH?
Layout
Martina Hutya, Sabrina Weindl,
Katrin Hintereder, Gerald Neubacher
                                       18     Der Traum von Journalismus. Wie geht      50   Die Krise nutzen. Noch ist kein Ende
                                              es nach der Corona-Krise weiter?               der Krise in Sicht. Sieben Tipps, wie Sie
Design
                                       32     Regierungsfunk oder kritischer                 Ihrem Berufsleben trotzdem neue
Errea Comunicación, Spanien                                                                  Impulse verleihen.
                                              Journalismus? Wo steht ORF-Anchor
Abo- und Vertriebshotline                     Armin Wolf?                                             Alexander Graf, Florian Sturm
Tel. +43 6225 2700
                                                                          Georg Taitl   56   „Bin entsetzt über die Branche“.
E-Mail: vertrieb@oberauer.com
                                       36     „Journalismus bleibt gesellschafts-            Lokalpresse-Präsident Robert
Druck
                                              relevant“. Medienprofessor Otfried             Dunkmann kann nicht verstehen,
Druckerei Roser, Salzburg
                                              Jarren hält das Ende der klassischen           dass Teile der Presse „sofort nach dem
                                              Zeitung für gekommen, nicht aber               Staat schreien, sobald Probleme
                                              des Journalismus.                              auftauchen“.
                                                                         David Sieber                                    Annette Milz
                                                                                                                                             FOTOS: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER, RTL, THOMAS RAMSTORFER

                                       40     „Wir haben die Signale verschlafen“.      60   Erste Hilfe für Freie. Was bringen die
                                              Ranga Yogeshwar erklärt, was Journa-           staatlichen Corona-Soforthilfen freien
                                              listen unbedingt wissen müssen.                Journalisten wirklich? Ein Stimmungs-
                                                                                             bild aus Deutschland, Österreich und
                                                                         Annette Milz
                                                                                             der Schweiz.
                                       46     Zwölf Lehren aus dem Drosten-Podcast.                                    Alexander Graf
                                              Über die Grautöne im Wissenschafts-
                                              journalismus.
                                                                     Anne Haeming

8                                                                                                                                 #02/2020
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
Die Meldung
                             Die „Journalisten-Werkstatt“ von Stephan Köhnlein
                             ist für Abonnenten gratis in dieser Ausgabe enthalten.
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                             shop.oberauer.com/werkstatt/journalisten-werkstatt

TANIT KOCH,                                           ARMIN WOLF,                                           OTFRIED JARREN,
RTL und NTV, erklärt, warum sie mehr Transparenz      ORF-Anchor, fordert von Journalismus:                 Kommunikationswissenschaftler, sieht die
und Verifikations-Fachleute in einem Medienhaus       „Nicht beruhigen, sondern aufklären und               Chance der Medien in einer Stärkung des
für unverzichtbar hält.                    Seite 64   informieren.“                              Seite 32   Gemeinschaftsgeistes.                    Seite 36

         WIE ARBEITE ICH?                                      W E R H AT D I E B E S T E N I D E E N ?             RUBRIKEN

64    „Wir wollen wachsen“. Tanit Koch                80    Zehn kreative Ideen. Wie arbeiten               10    Kurz und bündig. Wenn eine
      über die Krisenarbeit und Wachs-                      Reporter im Lokalen, wenn alle zu                     Gesellschaftsjournalistin Sex hat,
      tumsstrategie bei RTL und NTV.                        Hause bleiben sollen und Distanz                      gehört das dann zur Arbeitszeit?
                             Annette Milz                   geboten ist?                                          Ein wichtiger Lesetipp in Corona-
                                                                     Senta Krasser, Inge Seibel                   Zeiten und warum die Pressefrei-
70    Auf Distanz zu mehr Lesernähe.                                                                              heit in Gefahr ist.
      Der „Bote der Urschweiz“: Wie                   84    Das Corona-Tagebuch.                            98    Terminal. Wie tickt Judith
      arbeitet eine Regionalzeitung,                        Ein Rückblick in zehn Titeln.                         Wittwer, die neue Chefredakteurin
      wenn die Gesellschaft fast still-                                         Köksal Baltaci                    der „Süddeutschen Zeitung“?
      steht?
                           Antje Plaikner             88    „Das Leben ist kein Krankenhaus“.
                                                            Psychoanalytiker und Kolumnist
72    Rückflug? Keine Option! Der Start                     Peter Schneider fürchtet, dass die
      als Auslandskorrespondentin in                        Branche nicht einmal aus der
      Kolumbien beginnt mit dem                             Corona-Krise die Lehren zieht, die
      Corona-Albtraum. Warum die                            sie längst hätte ziehen können.
      deutsche Journalistin trotzdem                                               David Sieber
      nicht aufgibt.
                       Antonia Schaefer               92    Und wie arbeiten Sie gerade?
                                                            Zwei Krisen-Fragen an sechs
76    Zwischen Schnuller und Schreib-                       Medien-Start-ups.
      tisch. Alles easy im Homeoffice.                                            Anne Haeming
      Oder doch nicht?
                            Susanne Lang              94    Die Brutstätte. Eine Analyse der
                                                            Medienarbeit zu Ischgl.
                                                                                 Peter Plaikner

                                                                                                                                                           9
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
Kurz und bündig

     FREISCHREIBER

     „Durchbrechen Sie die vierte Wand!“
     Mit Ihrer Kollegin Anja Reiter haben Sie         Gilt das auch fürs Lokale?                   häuser zu mehr Solidarität mit Freien
     „7 + 1 Ideen für Social-Distancing-Journa-       Der Clou ist, dass viele innovative Ideen    auffordern. Was ist seither passiert?
     lismus – Recherchen in Zeiten von                nicht viel kosten. Ein kollektives Tage-     Wir haben Solidarität eingefordert. Und
     Corona“ aufgeschrieben. Wie haben Sie            buch kann auch eine Lokalredaktion           bekamen einen Auftragsstopp. Keine
     selbst dafür recherchiert?                       aufsetzen. Oder auch einen Personen-         Pointe. Natürlich hat das Manifest zum
     Jakob Vicari: Wir haben uns umgeschaut,          zähler für die Innenstadt bauen. Oder ein    Schutz der Freien in Social Media mit der
     auf welche Ideen Reporterinnen jetzt             lokales Umfrage-Skill für Sprachassisten-    Corona-Krise nicht viel zu tun. Aber wir
     kommen. Anja hat vor allem gefragt, wie          ten. Wenn Sie nicht wissen, wie es geht,     sehen in der Krise, wie weit es mit der
     klassische journalistische Formate               ist das kein Problem. Wir bringen es         Solidarität mit Freien her ist. Viele
     anders entstehen. Ich beschäftige mich           Ihnen in ein paar Tagen bei.                 öffentlich-rechtliche Sender verhalten
     seit einigen Jahren mit Sensorjournalis-                                                      sich vorbildlich. In den Verlagshäusern
     mus. Es ist per se schon remote, aus             Sie geben auf freienbibel.de auch Tipps      aber ist der Auftragsstopp massiv. Da
     einem Bienenstock am anderen Ende des            für neue Geschäftsmodelle. Was würde         spüren wir, wie es ist, allein zu sein.
     Landes zu berichten.                             sich jetzt lohnen?
                                                      Angesichts der aktuellen Budget-Kür-         Wie ergeht es Ihnen selbst in der Krise?
     Ihr wichtigster Tipp?                            zungen ein dringender Tipp für Freie:        Aufträge brechen weg. An journalisti-
     Durchbrechen Sie die vierte Wand! Bitten         Sucht euch eine Nische! Aber als Team,       schen Experimenten und Innovationen,
     Sie die Menschen, Sie per Video in Ihre          Gemeinschaft, Genossenschaft. Gold-          unserem Geschäftsfeld, sparen die Häuser
     eigene Welt mitzunehmen. Und sehen Sie           standard zurzeit dafür ist Riffreporter –    zuerst. Mit meinem Start-up tactile.news
     die Technologie nicht als Hürde. Überle-         übrigens auch als exzellente Quelle zur      bieten wir jetzt Innovationsseminare per
     gen Sie, wie Technologie die Bericht-            Corona-Krise. Und: Wenn Häuser wie           Post an: Die Technik kommt als Päck-
     erstattung besser macht.                         Spiegel, Zeit und Gruner + Jahr Kurzarbeit   chen, die Erklärung dann per Webinar.
                                                      anmelden, wenn Zeitungen und Magazi-         Wir bauen da gemeinsam neue journalis-
                                                      ne dünner sind als mein Sommerhoodie,        tische Empfangsgeräte, schräge Ideen auf
                                                      dann entstehen Lücken – für Journalis-       zehn Schreibtischen gleichzeitig. Mit
                                                      mus, der tiefer geht. Der für seine          tactile.news arbeiten wir an einem
                                                      Leserinnen und Leser da ist, egal wie        Werkzeug zum Dialog mit Leserinnen und
                                                      viele Anzeigen da sind, weil er auf          Lesern. Das wird großartig. Wie kann ich
                                                      Mitgliedschaften basiert. Es ist egal, ob    die Augen einer handverlesenen Commu-
                                                      als Podcast, Youtube-Video oder              nity für meine journalistische Arbeit
                                                      Longform-Text. Aber geht raus mit eurer      nutzen? Und wie kann ein echter,
                                                      Idee, sobald sie mehr als eine Skizze ist.   konstruktiver Dialog entstehen? Zum
                                                                                                   Glück werden wir dabei vom Prototype
                                                      Alle Welt zoomt, skypt, teamt jetzt. Wie     Fund gefördert, sonst müssten wir die
                                                      wird es weitergehen nach der Krise?          Arbeit am Tool auf Eis legen.
                                                      Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist
                                                      als dröge Powerpoint-Präsentationen:         Ihr persönlicher Lesetipp in Corona-
                                                      dröge Powerpoint-Präsentationen per          Zeiten?
                                                      Zoom. Als wir vor einem halben Jahr          Wer kreative Workshops mag, sollte den
                                                      versucht haben, eine Förderung für           Remote-Sprint-Guide von Kreativitäts-
                                                      innovative Remote-Bildung zu bekom-          guru Jake Knapp lesen. Da gibt’s Ideen,
                                                      men, sind wir noch abgeblitzt. Plötzlich     wie man mit Teams, die um den Globus
                                                      versteht jeder, warum das sinnvoll sein      verteilt sind, kreativ wird. Außerdem
                                                      könnte. Meine Hoffnung ist, wenn jetzt       empfehle ich den brandneuen Dialog-
     Hinter dem Mundschutz steckt Jakob Vicari,
                                                      alle die Technik zu Hause haben, lassen      Journalismus-Newsletter von meinen
     Start-up-Unternehmer mit tactile.news rund
     um das Internet der Dinge und Vorstandsmit-      sich auch Webinare leichter machen.          Kollegen Bertram Weiß und Astrid
                                                                                                                                                      FOTO: ASTRID CSURAJI

     glied der Freischreiber e. V., der Vereinigung                                                Csuraji. Und natürlich den exzellenten
     freier Journalistinnen und Journalisten.         Anfang März haben die Freischreiber im       Wissenschaftsjournalismus der
     Die „7 + 1 Ideen“ und weitere Tipps für Freie
     finden Sie unter: https://tinyurl.com/
                                                      „medium magazin“ ein Manifest                Riffreporter.
     Freienbibel-Ideen                                veröffentlicht, in dem sie die Medien-                                      Annette Milz

12                                                                                                                                         #02/2020
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
Titel. Zukunft

WAS BLEIBT VOM
TRAUMBERUF?
Warum machen                              Michael                  zige Form des Journalismus ist) durch die
                                                                   aktuelle Krise unter noch ärgeren wirt-
                                          Nikbakhsh
Sie Journalismus?                         (49)
                                                                   schaftlichen Druck geraten ist als vordem,
                                                                   ist eine Ironie der Zeitgeschichte.
Wie ist Ihre Lage?                        Wirtschaft Investiga-
                                          tion, „Profil“, Wien
Wie die Zukunft                                                                          Pascal Scheiber
nach Corona?                                                                             (21)
66 Journalistinnen   Wir registrieren gerade ein gesteigertes
                     Interesse an kritischem Journalismus. Das
                                                                                         Live-Reporter
                                                                                         bei Blick TV und
und Journalisten     ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die                          Co-Präsident der
                     Corona-Krise wird den Medienhäusern                                 Jungen Journalisten
geben Antwort.       wirtschaftlich große Probleme bereiten.                             Schweiz, Zürich
                     So oder so: Die Krise lehrt uns, dass guter
                     Journalismus sich nicht darin erschöpft,      Das ist der ultimativ spannendste Beruf! Ich
                     Politikern das Mikrofon zu halten.            möchte den Menschen zeigen, was in un-
                                                                   serem Land gerade passiert. Wer mit wel-
                                                                   chen Herausforderungen wie umgeht. Ich

                                                                                                                   FOTOS: FRANZ NEUMAYR, VOLKER WEIHBOLD, IMRE ANTAL, ROLAND SCHMID, PULS 4, WOLF LUX, ECO MEDIA
                                          Andreas Koller           bin oft unterwegs, so auch in Bergamo (Bild).
                                          (59)                     Die Recherchearbeit habe ich ins Homeof-
                                                                   fice verlegt. Wenn die großen Medienhäuser
                                          „Salzburger              keinen Mut zur Innovation im Lokaljour-
                                          Nachrichten“,            nalismus zeigen, dann wird es mehr Pro-
                                          Präsident des            jekte wie „Tsüri“ oder „Bajour“ geben.
                                          Presseclubs
                                          Concordia
                                                                                         Sabine
                     Die Corona-Krise hat hoffentlich jeder-                              Dahinden
                     mann vor Augen geführt, wie wichtig es
                     ist, zwischen in jedem Sinn des Wortes                              (52)
                     billigem 08/15-Content einerseits und re-                           Redakteurin/
                     cherchierendem Qualitätsjournalismus                                Moderatorin,
                     andererseits zu unterscheiden. Fake News                            Schweizer Radio und
                     in Zeiten einer Pandemie sind nicht bloß                            Fernsehen, Zürich
                     ärgerlich, sie wirken als Pandemiebe-
                     schleuniger und können Leben gefährden.       Ich möchte dem Publikum in gepflegter
                     Der gute alte klassische Journalismus hin-    Sprache und spannender Manier Horizont-
                     gegen analysiert und erklärt und ordnet       erweiterung bieten. Die eine Woche bin
                     ein und leistet so einen wesentlichen Bei-    ich derzeit auf Reportage oder im Studio,
                     trag zur Bewältigung der Krise – egal, über   die andere zu Hause zu „zwangsfrei“ ver-
                     welchen Vertriebsweg. Dass diese Form         knurrt. Die Krise holt das Publikum zu uns
                     des Journalismus (die in Wahrheit die ein-    zurück. Nun sollten wir damit aufhören,

18                                                                                                      #02/2020
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
uns gegenseitig für veraltet zu erklären,                                                    Barbara Hans (39)
wir sollten uns zitieren und respektieren.                                                   Chefredakteurin, „Der Spiegel“, seit Mitte
Das Publikum zieht es auf die Plattformen,                                                   März in Quarantäne mit Kleinkind, leitet die
über die wir schreiben und sprechen.                                                         Konferenzen vom Küchentisch aus

                                                                                             Der Traum vom Journalismus: Fragen
                     Nikolaus                                                                stellen, Menschen treffen, Informationen
                     Frings                                                                  sammeln, veröffentlichen. Journalismus im
                                                                                             April 2020: Recherchen vom Schreibtisch
                     (26)                                                                    aus im Kinderzimmer, Podcast-Aufnahmen
                     Lokalredakteur,                                                         im Kleiderschrank; die Produktion ist ins
                     „Kronen Zeitung“,                                                       Homeoffice verlagert. Doch ist auch das
                     St. Pölten                                                              gerade Luxus: einen Job zu haben, gesund
                                                                                             zu sein. Wenn es gut läuft, wird etwas
                                                                                             bleiben von der Demut dieser Tage: das
Ich bin Journalist geworden, weil ich als                                                    große Glück eines fantastischen Teams; die
interessierter Mensch kaum etwas span-                                                       Bereitschaft zu improvisieren; die Notwen-
nender finde, als zu schreiben, was ist. Die                                                 digkeit, Routinen über Bord zu werfen;
aktuelle Zwangsentschleunigung bietet der                                                    mehr Leser zu erreichen als je zuvor. Was
Branche die Chance, den Fluch der Ge-                                                        ein Traum war, ist jetzt „systemrelevant“.
schwindigkeit abzulegen und wieder mehr                                                      Es bedeutet: wenig Glitzer, viel Handwerk.
Mut zum Hintergrund zu haben. Das ge-
meinsame Erleben der Krise schweißt
schließlich auch die Medien und ihre Nutzer    Es gab keinen Masterplan in meinem Leben.                           Silvio Liechti
zusammen. Letztere würden es uns danken.       In den Journalismus bin ich reingerutscht.                          (40)
                                               Über Musik. Und Politik. Journalismus ist
                                               toll, um fremde Menschen kennenzuler-                               Leiter „Regionaljour-
                     Benjamin                  nen. Journalisten müssen rausgehen, sich                            nal Graubünden“ von
                     Rosch                     den Wind um die Nase wehen lassen. Ich                              Schweizer Radio und
                                               befürchte, dass viele im Homeoffice glau-                             Fernsehen, Chur
                     (31)                      ben, sie könnten künftig nur am Schreib-
                     Ressortleiter, „Schweiz   tisch arbeiten. Meine Hoffnung: Wissen-
                     am Wochenende“,           schaftsjournalismus wird wichtiger.           Weil mich interessiert, was die Welt bewegt
                     Ausgabe Basel,                                                          und warum die Dinge so sind, wie sie sind.
                     CH Media                                                                Ich arbeite zurzeit mehrheitlich im Home-
                                                                    Karin Zauner             office. Und ich muss sagen, es klappt er-
Ich wollte nicht Lehrer werden. Derzeit gilt                        (53)                     staunlich gut. Gegenwärtig zeigt sich, dass
Kurzarbeit, aber bei vollem Lohn– was ich                                                    guter Journalismus gerade in diesen Zeiten
ziemlich großzügig finde und bei der Kin-                           Redakteurin,             sehr gefragt und ein echtes Bedürfnis ist.
derbetreuung hilft. Der Journalismus wird                           „Salzburger              Ich hoffe, dass der Journalismus gestärkt
gestärkt aus der aktuellen Krise hervorge-                          Nachrichten“             aus der Krise gehen kann.
hen, da bin ich überzeugt. Er wird noch
hintergründiger, noch vielfältiger vermit-
teln. Denn ändern werden sich vor allem                                                                            Thomas
die (verlegerischen) Rahmenbedingungen.        Ich war sieben oder acht Jahre alt und habe                         Arnoldner
                                               eine Reportage über eine der ersten Jour-
                                               nalistinnen in New York, die über Football                          (51)
                     Stephan                   berichtet hat, gesehen. Das hat mich in-                            stellvertretender
                     Lamby                     spiriert. Zur Chance nach der Krise: Ein                            Chefredakteur der
                                               gewisser Innovationsschub in puncto Di-                             „OÖNachrichten“,
                     (61)                      gitalisierung ist durch die Redaktionen                             Linz
                     Dokufilmer, Gründer       gegangen. Lehren: In der Krise kommt das
                     Eco Media, dbate.de,      besonders Gute oder das besonders Nega-       Diese Krise führt den Menschen vor Augen,
                     Journalist des Jahres     tive in Menschen hervor. Man weiß mehr        was ihnen wichtig ist. Ihre Familien, Freun-
                     2018                      über die Mitarbeiter und wer die Zukunft      de, Gesundheit, das Nahe, Vertraute – und
                                               tragen wird.                                  damit auch die regionale Tageszeitung als

                                                                                                                                        19
WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
Beruf. Armin Wolf

INTERVIEW: GEORG TAITL | FOTO: DIETER BORNEMANN

Armin Wolf begab sich gemeinsam mit 70 ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern in Isolation im Sendestudio. 14 Nächte schlief er in seinem Büro. Besonders
vermisste der ORF-Anchor sein weiches Kissen von zu Hause. Sein Kollege Dieter Bornemann aus dem Wirtschaftsressort schoss das Foto.

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WOVON LEBE ICH? WOFÜR STEHE ICH? WIE ARBEITE ICH? - Magazin für Journalistinnen und Journalisten
„Nicht beruhigen, sondern
aufklären und informieren“
                                                                                           anders aufgestellt. Ich glaube zum Beispiel
Armin Wolf sieht in der Corona-Krise keine Änderung                                        nicht, dass viele Privatsender eine eigene
der Aufgabe von Journalisten. Kritisches Hinterfragen sei                                  Wissenschaftsredaktion haben. Und in
weiterhin essenziell. Im Tiroler Krisenmanagement ortet                                    Krisenzeiten wenden sich Menschen ten-
der ORF-Anchor ein „offensichtliches Chaos“. Und er                                        denziell eher an Institutionen und Gesich-
erklärt im Interview, was wichtiger ist als ein „People“-                                  ter, die sie kennen und denen sie seit Lan-
                                                                                           gem vertrauen. Unsere Quoten waren
Ressort.                                                                                   jedenfalls unglaublich, die Hauptnach-
                                                                                           richten um 19.30 Uhr hatten zeitweise 2,5
14 Tage waren Sie in Selbstisolation im      Was macht die Isolation psychisch mit ei-     Millionen Zuseher, die „ZIB 2“ fast jeden
ORF-Sendezentrum am Wiener Künigl-           nem?                                          Tag mehr als eine Million, das wären auf
berg. Wie haben Sie gearbeitet? Gab’s auch    Das war okay, das Mühsamste war, dass        die Größe Deutschlands umgerechnet 25
Freizeit?                                    es praktisch keine Ruhepausen gab.            beziehungsweise über 10 Millionen.
  Armin Wolf: Wir waren hier knapp 70 Men-
schen aus allen senderelevanten Teilbe-      Was haben Sie am meisten bereut, nicht        Sie sind besonders für Ihre harten, kriti-
reichen des ORF, vom Hauptkontrollraum       in die Isolation mitgenommen zu haben?        schen Interviews bekannt. Ist jetzt Zeit für
bis zu CvDs und Moderatorinnen und Mo-         Einen ordentlichen Kopfpolster (Anm.:       Kritik?
deratoren. Der Isolationsbereich wurde       österr., Kissen). Der auf meinem Notbett        In den ersten Tagen war das tatsächlich
rund um Sendeleitung und Newsroom            war gefühlt zu 150 Prozent aus Polyester      schwierig. Da gab es so ein Gefühl des kol-
abgesperrt, wir haben mehr oder weniger      und dünn wie eine Tageszeitung. Meine         lektiven Zusammenhaltens und Nicht-
normal gearbeitet, aber mit dem Rest der     Frau hat mir dann aber Polster von zu Hau-    infragestellendürfens. Das habe ich sehr
Redaktion im Homeoffice, in Außenstudios       se geschickt, das war meine Rettung.          stark nach meinem ersten Interview mit
und im nicht abgesperrten Teil der Redak-                                                  Bildungsminister Heinz Faßmann zu den
tionsräume im Stockwerk unter uns nur        Das Ganze ist ja fast wie „Big Brother“ ge-   Schulschließungen gemerkt. Ich habe da
via Skype Kontakt gehabt. Das war schon      wesen. War die Isolation nötig oder doch      ein paar sehr naheliegende Nachfragen
sehr strange. Ich bin ein sehr großer Fan    eine riesige Marketingshow für den ORF?       gestellt und es hat nicht nur der Minister
von redaktionellem Journalismus, wo eine      Die Isolation wäre sehr nötig gewesen,       ungewöhnlich „angepatzt“ reagiert, son-
Redaktion als Team gemeinsam Sendungen       hätte es in diesen Wochen in der Redakti-     dern ich habe auch eine Unzahl empörter
diskutiert, plant und produziert. Das geht   on mehrere Corona-Fälle gegeben und die       E-Mails von Zuseherinnen und Zusehern
derzeit durch die ganzen Sicherheitsmaß-     Behörden möglicherweise den Newsroom
nahmen nur sehr eingeschränkt.               unter Quarantäne gestellt hätten. Das ist
                                             nicht passiert, aber das konnte vor drei
Wo haben Sie geschlafen – in einem großen    Wochen niemand wissen.                          „Ich werde dafür
Schlafsaal?                                                                                  bezahlt, über Politik
  Wir haben in leer stehenden Büros ge-      Von rechts war der ORF – wie auch ARD,
schlafen, es gab Gemeinschaftsduschen        ZDF und SRG – in der Vergangenheit stark        zu berichten und
für die etwa 50 Männer und Duschen in        unter Beschuss. Gebührenfinanzierung            sie kritisch zu
Garderoben für die Frauen, einen Spei-       wurde hinterfragt. ORF 1 sollte gar priva-      hinterfragen, damit
sesaal, einen Aufenthaltsraum und prak-      tisiert werden. Das ist jetzt vom Tisch.
tischerweise lag in der Sperrzone auch der   Warum trauen in der Krise alle den Öffent-       sich das Publikum
kleine Fitnessraum und der Gymnastik-        lich-Rechtlichen – ihre private Konkurrenz      ein qualifiziertes
raum des ORF-Zentrums sowie ein kleiner      macht doch auch gute Information?               eigenes Urteil bilden
Innenhof, so dass man zumindest frische        Ich finde sehr beachtlich, was die Kolle-
Luft schnappen konnte. Freizeit gab’s aber   ginnen und Kollegen von den Privatsen-
                                                                                             kann.“
wenig, wir hatten jeden Tag zig Sendungen,   dern machen, aber wir sind in der Infor-        Armin Wolf
die auch alle deutlich länger waren als      mation – trotz aller Sparmaßnahmen der
sonst.                                       letzten Jahre – doch noch immer ganz

                                                                                                                                    33
Beruf. Armin Wolf

bekommen, wie ich in dieser Situation nur    hinterfragen“ im Interview mit Ihnen            Hatte Tilg Glück, nicht im Studio gewesen
solche Fragen stellen könnte. Das ist in     um?                                             zu sein? Interviews mit Außenstellen sind
den letzten Tagen wieder normaler gewor-      Ich stelle Fragen, die Gäste antworten         ja journalistisch schwieriger zu führen.
den – und natürlich müssen Journalisten      und wenn es notwendig ist, frage ich noch         Ich glaube nicht, dass Herr Tilg mit dem
und die Öffentlichkeit es kritisch hinter-    mal nach. Aber für die Antworten sind die       Interview Glück hatte.
fragen, wenn die Politik – auch in einer     Gäste zuständig und für das Urteil darüber
Krise – derart massiv in unseren Alltag      das Publikum.                                   Halb Europa soll sich von Ischgl ausgehend
und in unsere Grundrechte eingreift.                                                         infiziert haben. Wie schätzen Sie als ge-
                                             Welche Aufgabe hat Journalismus jetzt           bürtiger Tiroler das Vorgehen der Behörden
Ist der Eingriff in Grundrechte wegen der     generell?                                       ein?
Corona-Krise anders zu bewerten als ein       Keine andere als sonst: recherchieren,           Dass da einiges schiefgelaufen ist, ist ja
Eingriff wegen politischer Unruhen bei-       nachfragen, berichten, einordnen, erklä-        offensichtlich. Am 8. März, nach dem po-
spielsweise?                                 ren.                                            sitiven Test des Kitzloch-Barkeepers, hat
  Ich bin kein Jurist, aber journalistisch                                                   die Landessanitätsdirektion erklärt: „Eine
würde ich das wohl so sehen. Jedenfalls      Sollen Journalisten in dieser Ausnahme-         Übertragung des Coronavirus auf Gäste
gab es in Österreich seit vielen Jahrzehn-   situation nicht Menschen beruhigen, Zu-         der Bar ist aus medizinischer Sicht eher
ten keine politischen Unruhen, die derar-    versicht verbreiten und den Zusammenhalt        unwahrscheinlich.“ In einer Bar, in der
tige Grundrechtseingriffe gerechtfertigt      stärken?                                        das Personal sich mit Trillerpfeifen den
hätten. Und ich gehe davon aus, dass Op-       Medien sollten Menschen auch in nor-          Weg durch die Besuchermassen bahnen
position, Medien, Gerichte und die Zivil-    malen Zeiten nicht beunruhigen, sondern         muss, weil die dort dermaßen aneinander
gesellschaft sehr sensibel darauf achten     bestmöglich aufklären und informieren.          kleben. Das war wirklich atemberaubend.
werden, dass diese Eingriffe nicht über die   Oder in den Worten von Watergate-Le-            Auch die völlig überstürzte „Evakuierung“
Epidemie hinaus andauern.                    gende Carl Bernstein: „The best obtainable      aus St. Anton und den anderen Orten mit
                                             version of the truth“ – dafür sind wir zu-      Hunderten Touristen, die dann in Inns-
Wie definieren Sie Ihre persönliche Rolle    ständig. Ich finde, das ist schon eine ziem-    bruck in Hotels übernachtet haben, war
als ORF-Anchor und Journalist in der Co-     lich große Aufgabe.                             ein offensichtliches Chaos. Was da sonst
rona-Krise?                                                                                  noch schiefgelaufen ist, wird wohl die
 Nicht anders als sonst. Ich werde dafür     Kritik kommt in der Krise bei Zuseherin-        Staatsanwaltschaft klären.
bezahlt, über Politik zu berichten und sie   nen und Lesern nicht gut an. Den Großteil
kritisch zu hinterfragen, damit sich das     stören Zusammenhalt-Parolen und reine           Der „Spiegel“ und das ZDF beispielsweise
Publikum ein qualifiziertes eigenes Urteil   Regierungsinfos nicht. Wie kann Journa-         machten vorbildliche Aufklärungsarbeit
bilden kann.                                 lismus trotzdem kritisch sein?                  zu Ischgl. In Österreich war es erstaunlich
                                               Man muss vielleicht bei manchen Fragen        ruhig zur „Brutstätte“ Ischgl. War das
Wie gehen Sie mit Aussagen von Bundes-       mehr als sonst miterklären, warum man           Schockstarre oder braucht es Medien aus
kanzler Sebastian Kurz wie „Das begrün-      das fragt. Aber Politik ist nie alternativlos   dem Ausland, um die Missstände in Tirol
de ich nicht“ und „Das sollte man nicht      und in Demokratien muss immer öffent-            aufzudecken?
                                             licher Diskurs möglich sein.                      Ich würde dazu die Berichterstattung im
                                                                                             „Profil“, im „Standard“ oder im ORF emp-
                                             Im mittlerweile legendären Interview mit        fehlen. Gerade die „ZIB 2“-Reporter Patrick
                                             dem Tiroler Gesundheitslandesrat Bern-          Gruska und Martin Thür haben da hervor-
     „Die völlig                             hard Tilg zu Ischgl hatte ich den Eindruck,     ragende Recherchen produziert. Nicht zu
     überstürzte                             Sie haben sich sehr zurückgenommen.             vergessen der grandiose Film „Ausnah-
                                             Täusche ich mich?                               mezustand in Ischgl“, den Ed Moschitz für
     ,Evakuierung‘ aus                        Finden Sie?                                    die ORF-Reportagereihe „Am Schauplatz“
     St. Anton und den                                                                       gedreht hat.
     anderen Orten mit                       Den Landesrat mit seiner stereotypen Ant-
                                             wort „Alles richtig gemacht“ hätten Sie         Der ORF erlebt gerade seine Glanzstunde.
     Hunderten                               doch sonst in der Luft zerrissen …              Noch nie war das Öffentlich-Rechtliche so
     Touristen war ein                        … Ich zerreiße nie Gäste in der Luft. Und      wichtig. Warum werden gleichzeitig Mit-
     offensichtliches                        warum sollte man jemanden zerreißen             arbeiter in Kurzarbeit geschickt?
                                             wollen, der sich gerade coram publico von        Das müssen Sie die ORF-Geschäftsfüh-
     Chaos.“                                 selbst auflöst?                                 rung fragen, ich bin hier Journalist, nicht
     Armin Wolf                                                                              Personalchef.
                                             Sie waren knapp am Kopfschütteln. Rich-
                                             tig?                                            Der Verband Österreichischer Privatsender
                                               Richtig.                                      (VÖP) kritisiert die Kurzarbeit scharf. Der

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ORF werde mit Gebühren finanziert und          Ein erwarteter Gesamtumsatzverlust von         kommen manche auf die Idee, dass Wis-
brauche daher keine zusätzliche staatliche     lediglich 5 Prozent sei zu verkraften, meint   senschaft ein spannenderes und wichti-
Förderung durch das Kurzarbeitsmodell.         der VÖP …                                      geres Ressort wäre als „People“ oder
Wie sehen Sie das?                               … Ja, wenn der VÖP das sagt … Soweit         „Klatsch & Tratsch“.
  Der Verband Österreichischer Privatsen-      ich weiß, wird die Kurzarbeit nicht aus
der kritisiert grundsätzlich alles, was der    dem Vereinsbudget des VÖP finanziert,
ORF macht. Das ist sein Daseinszweck.          insofern verstehe ich ja die Debatte nicht
Möglicherweise ist dem Verband noch nicht      ganz. Aber wenn man sonst keine Sorgen
aufgefallen, dass der ORF ein Viertel seines   hat …
Budgets aus Werbung lukrieren muss, die
bei uns genauso zurückgeht wie überall         Lassen Sie uns in die Zukunft blicken. Wie
sonst. Aber ich habe auch Mails bekommen,      wird sich der Journalismus – wie die Me-
in denen Menschen unsere 14-tägige, nicht      dien – nach der Corona-Krise ändern?
sehr angenehme Newsroom-Isolation als           Ich fürchte, die Krise wird verheerende
„Ferienlager auf Gebührenkosten“ kriti-        Spuren in den Bilanzen und Budgets der
siert haben. In diesem Land neiden einem       meisten Medienbetriebe hinterlassen, auf
manche Leute sogar, wenn man im Büro           die wohl mit harten Sparprogrammen re-
eingesperrt wird. Warum dann nicht auch        agiert wird. Das wird auch die Redaktionen
                                                                                              GEORG TAITL
die Kurzarbeit? Wobei: 98 Prozent der Re-      treffen und das kann nicht gut für den         ist Herausgeber des
aktionen auf unsere Arbeit aus der Isola-      Journalismus sein. Es war ja leider schon      „Österreichischen Journalisten“.
tion waren extrem positiv! In Summe si-        vorher nicht so, dass die Redaktionen in
                                                                                              georg.taitl@oberauer.com
cher Tausende supernette Mails.                Geld geschwommen wären. Aber vielleicht

Voller Energie für
AlpinSolar

                                                                                                                   axpo.com/alpinsolar
Beruf. Freie Journalisten

TEXT: ALEXANDER GRAF

Erste Hilfe für Freie
Was bringen die staatlichen Corona-Soforthilfen freien                                                     9.000 Euro auf seinem Konto – die Unter-
                                                                                                           stützung für drei Monate. „Das beruhigt
Journalisten wirklich? Ein vorläufiges Stimmungsbild aus                                                   mich wirklich, weil ich genau in diesem
Deutschland, Österreich und der Schweiz.                                                                   Zeitraum mit geringerem Einkommen
                                                                                                           rechne“, sagt der 34-Jährige aus Bonn.
                                                                                                           Anders als viele Freie leidet Przybilla nicht
Es dauerte nicht lange, bis die Server auf-            oder der Schweiz – überall sahen sich Freie         darunter, dass plötzlich keine Veranstal-
gaben. Zehntausende Menschen hatten die                mit sinkenden Einkünften konfrontiert.              tungen mehr stattfinden. Sein Geschäft
Webpräsenz der Investitionsbank Berlin                 Und nicht immer wurde ihre spezifische              liegt aus einem anderen Grund brach: „Re-
an einem Freitag im März aufgerufen, an-               Situation bei den staatlichen Corona-Hil-           portagen aus dem Ausland und Stücke für
getrieben von der Aussicht auf unkompli-               fen ausreichend mitbedacht.                         das Reiseressort liegen in vielen Redakti-
zierte und schnelle Hilfe. Das Land hatte                                                                  onen derzeit komplett auf Eis“, sagt er.
bis zu 5.000 Euro für Selbstständige ver-              Deutschland                                           Mehrmals im Jahr fliegt der USA-Exper-
sprochen, die wegen der Corona-Krise                   Die Serverprobleme in Berlin sollten Start-         te in die Vereinigten Staaten, um von dort
unter heftigen Umsatzeinbußen litten.                  schwierigkeiten bleiben. Denn die Auszah-           Geschichten für überregionale Zeitungen
Doch die technische Infrastruktur war                  lung der Corona-Zuschüsse, die viele Bun-           und Magazine mitzubringen. Von seinem
dem Ansturm nicht gewachsen – den gan-                 desländer aus eigenen Mitteln aufgestellt           jüngsten Trip kam er gerade Mitte März
zen Tag über blieb die Seite unerreichbar.             hatten, lief meist erstaunlich reibungslos          zurück – nur um dann zu erfahren, dass
 Spätestens dieser Zusammenbruch ver-                  ab. Steve Przybilla kann das auch aus Nord-         ein Großteil der zuvor verkauften Texte
deutlichte, wie dringend die Lage gewor-               rhein-Westfalen berichten. Drei Tage nach           entweder geschoben oder komplett stor-
den war. Ob in Deutschland, Österreich                 Antragstellung hatte der freie Journalist           niert worden war. Seine derzeitigen Um-
                                                                                                           satzeinbrüche beziffert er auf „deutlich
                                                                                                           mehr als 50 Prozent“.
                                                                                                             Doch wie so vieles in der Corona-Krise
                                                                                                           bleibt auch das eine Momentaufnahme.
                                                                                                           Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe
                                                                                                           haben fast alle Bundesländer ihre
                                                                                                           Soforthilfen komplett in das Bundespro-
                                                                                                           gramm überführt – das gewährt Selbst-
                                                                                                           ständigen allerdings nur noch Unterstüt-
                                                                                                           zung für laufende Betriebskosten. Für die
                                                                                                           meisten Freien also ein absolutes Aus-
                                                                                                           schlusskriterium. Die Konsequenz: Bei ei-
                                                                                                           ner andauernden Krise stünden sie nach
                                                                                                           derzeitigem Stand ohne passendes Hilfs-
                                                                                                           programm da.
                                                                                                             Zudem bleibt es eine Herausforderung,
                                                                                                           im föderalen Kriterien-Dschungel durch-
                                                                                                           zublicken. Ungenaue Formulierungen,
                                                                                                           Änderungen im Minutentakt und falsche
                                                                                                           Informationen sorgten vor allem vonseiten
                                                                                                           der Berufsverbände für deutliche Kritik.
                                                                                                           Unklar bleibt auch, in welchem Ausmaß
                                                                                                           später tatsächlich überprüft wird, ob die
                                                                                                           Auszahlung gerechtfertigt war.

                                                                                                           Österreich
                                                                                                           „Es ist zumindest eine erste Hilfe, die etwas
                                                                                                           Sicherheit verschafft“, sagt Sonja Bettel.
DA WAR DIE WELT NOCH IN ORDNUNG:
Im schnittigen E-Auto durch die USA – Steve Przybillas Road-Trip-Story ist geschrieben, der Auftraggeber   Einmalig bis zu 1.000 Euro gab es in Ös-
aber hat sie storniert.                                                                                    terreich zu Beginn der Corona-Krise für

60                                                                                                                                              #02/2020
Beruf. Freie Journalisten

Selbstständige mit Umsatzeinbußen über            zweite Phase des österreichischen Härte-       fenden zum Teil leider noch überhaupt
50 Prozent. Bettel hat die Summe bean-            fallfonds – und erneut sind freie Journa-      nicht verstanden“, sagt Michael Moser von
tragt, die Auszahlung ging schnell und            listinnen und Journalisten antragsberech-      der Mediengewerkschaft Syndicom. So
reibungslos über die Bühne. „Prinzipiell          tigt. Über einen Zeitraum von drei             erhielten anfangs nur Personen ein Ent-
bin ich sehr froh, dass auch wir Freiberuf-       Monaten gibt es maximal 2.000 Euro mo-         schädigungs-Taggeld, die direkt von den
ler mitbedacht wurden“, sagt die 55-jäh-          natlich als Zuschuss. Bettel wird wohl         Corona-Regelungen betroffen waren –
rige Wienerin, die auch im Vorstand des           einen Antrag schreiben, je nachdem wie         etwa, weil Veranstaltungen abgesagt oder
Berufsverbands Freischreiber aktiv ist,           sich ihre Situation entwickelt. „Das Schö-     Geschäfte geschlossen wurden. Auch El-
über die staatlichen Hilfsangebote.               ne am Beruf ist leider gerade etwas ge-        tern bekamen Geld, wenn wegen geschlos-
  Bettel arbeitet seit fast 20 Jahren als freie   dämpft“, sagt sie. „Ich hoffe einfach, dass     senen Kindertagesstätten eine „Unterbre-
Journalistin für Print und Hörfunk. Man           das alles nicht so lange dauert.“              chung der Erwerbstätigkeit“ nötig war.
merkt ihr an, dass sie eigentlich nicht mehr                                                     Kleiner Haken dabei: Das galt nicht, „wenn
viel aus der Ruhe bringen kann. Aber auch         Schweiz                                        die Arbeit auch von zu Hause möglich ist“.
sie muss auf bereits eingeplantes Einkom-         Martina Huber will sich nicht beklagen.        So fielen die meisten freien Journalistinnen
men verzichten: Sendungen werden ver-             „Im Vergleich zu Kollegen, die über Sport-     und Journalisten schlicht durchs Raster.
schoben, Artikel verschwinden erst einmal         oder Kulturtermine schreiben, bin ich          Doch die Arbeit der Gewerkschaften und
auf unabsehbare Zeit im Stehsatz – gezahlt        privilegiert“, sagt die freie Wissenschafts-   Berufsverbände zeigte Wirkung: Am
wird dann natürlich erst bei Veröffentli-          journalistin aus Olten im Kanton Solo-         16. April weitete der Bundesrat den Kreis
chung. Die Spezialistin für Umwelt- und           thurn. „Außerdem habe ich ein Büro und         der Anspruchsberechtigten dann endlich
Nachhaltigkeitsthemen hatte erfolglos bei         kann dort gut arbeiten, was zu Hause we-       auch auf Selbstständige aus, die von den
einer Redaktion angefragt, ob bereits ge-         gen meiner Töchter eher schwierig wäre.“       Maßnahmen „nur indirekt“ betroffen
lieferte Texte sofort honoriert werden            Aber auch Huber spürt die Auswirkungen         waren.
könnten. „Das war schon enttäuschend“,            der Krise: Einige Aufträge kann sie auf-
sagt sie über die mangelnde Solidarität.          grund der geltenden Kontakteinschrän-
Dabei weiß sie natürlich auch, dass die           kungen nicht abarbeiten, andere wurden
Verlage von der Krise ebenso betroffen            geschoben, weil sie thematisch gerade
sind. „Aber wir Freien sind eben immer            nicht mehr in die Pandemie-Bericht-
das letzte Glied in der Kette.“                   erstattung passten.
  Doch die Bundesregierung hat weiter               Das größte Problem Hubers hat allerdings
nachgebessert. Ende April startete die            gar nichts mit ihrer Auftragslage zu tun.
                                                  Weil sie ihre beiden Töchter vorerst nicht
                                                  in die Tagesstätte bringen darf, teilt sie
                                                  sich mit ihrem Mann die Betreuungszeit
TIPP                                              und kann deshalb nur noch drei Tage die
                                                  Woche arbeiten. Zudem war Mitte April
Die wichtigsten                                   noch nicht klar, ob die Eltern die sehr ho-
Links zu Soforthilfen                             hen Kindertagesstätten-Kosten trotz ent-
                                                  fallener Betreuung auch im Mai zahlen
Deutschland:                                      müssen.
https://tinyurl.com/Soforthilfe-                    Wegen des einen Tages, den sie wöchent-
Deutschland                                       lich nun weniger arbeiten kann, hat Huber
Eine pointierte Übersicht liefert zudem           einen Antrag auf Erwerbsausfallentschä-
der Berufsverband Freischreiber unter:            digung gestellt. Als ziemlich hoch empfand
https://freienbibel.de/die-freien-faq-            sie dabei den bürokratischen Aufwand:
zur-corona-krise/                                 „Ich habe mich schon gefragt, ob ich die
                                                  Zeit, die ich gebraucht habe, um alle Un-
Österreich:                                       terlagen zusammenzutragen, nicht besser
https://tinyurl.com/Soforthilfe-                  in neue Geschichten gesteckt hätte“, sagt
Oesterreich                                       sie deshalb. Zumal das Taggeld wohl eher
                                                  gering ausfallen wird: Zur Berechnung wird
Schweiz:                                          das monatliche Durchschnittseinkommen
                                                                                                 ALEXANDER GRAF
https://tinyurl.com/Soforthilfe-Schweiz           durch 30 Tage geteilt – was natürlich nicht    ist Redaktionsmitglied des
Ausführlicher Überblick des Berufsver-            den tatsächlichen Arbeitstagen und damit       „medium magazins“ und arbeitet
bands Impressum: https://www.                     dem realen Erwerbsausfall entspricht.          als freier Journalist in Mannheim.
impressum.ch/mein-rechtgav/covid19-                 „In der Politik werden die speziellen Be-
                                                                                                 @AlexanderGraf_
hilfe-fuer-journalist-innen/                      lange von Selbstständigen und Freischaf-

62                                                                                                                                    #02/2020
Medien. Lokales

TEXT: ANTJE PLAIKNER

Auf Distanz zu mehr Lesernähe
Der „Bote der Urschweiz“: Wie arbeitet eine                                                 allein für den Lokalteil Artikel recherchie-
                                                                                            ren und schreiben können. Dazu kommen
Regionalzeitung, wenn die Gesellschaft fast stillsteht?                                     weitere Redakteurinnen und Redakteure,
                                                                                            die jeweils für ihre Ressorts (Küssnacht,
                                                                                            Gersau, Sport, Agenda) respektive Seiten
Mitte April: Draußen vor der Tür prahlt       Zeitung bei den Abonnenten im Hauptort        zuständig sind und dazu auch Artikel re-
der Frühling und lenkt ab. Er lenkt ab vom    Schwyz, wo die Redaktion und der Verlag       cherchieren und schreiben.“ In der Re-
Lockdown der Gesellschaft, die auf            zu Hause sind. Die Zeitung ist als Bote der   daktion selbst arbeiten nur mehr wenige.
Systemerhalt geschaltet hat, weil die Co-     Urschweiz AG unabhängig. Den überregi-        Der Redaktionsleiter Christoph Clavadet-
rona-Krise den Erdball und auch die           onalen Teil bezieht die Zeitung allerdings    scher produziert zusammen mit der Re-
Schweiz beherrscht. Schwyz ist mitten-        seit 2014 vom Verbundpartner „Luzerner        daktionspraktikantin Lea Langenegger die
drin. Hier wurzelt die Schweiz, hier in der   Zeitung“, die zur CH Media zählt und, wie     Zeitung, bei der „Print first“ gilt. Die bei-
Gemeinde Schwyz, die Teil des gleichna-       Auf der Maur präzisiert: „Wir arbeiten im     den und die Redaktionssekretärin Tanja
migen Bezirkes und Kantons ist, erscheint     nationalen Werbemarkt mit CH Media zu-        Hofer halten die Stellung. Platz für Distanz
seit 1858 der „Bote der Urschweiz“.           sammen.“ Da die Schweiz noch auf eine         ist genügend, denn fast alle nützen Ein-
  Der Name kündet von großer Geschich-        vergleichsweise lebendige Lokalmedien-        zelbüros. Die Kolleginnen und Kollegen im
te. Kein Wunder also, dass der „Bo-           landschaft blickt, bieten sich auch auf       Homeoffice kommunizieren intern und
te“-Chefredakteur Jürg Auf der Maur pro-      lokaler Ebene Werbepartner an. Im Fall        extern auf Distanz. Von Facetime, Whats-
movierter Historiker ist und bei dieser       des „Boten“ sind dies die kleine „Rigipost“   App, Zoom bis hin zu E-Mail, SMS und
Zeitung das journalistische Handwerk von      aus dem eigenen Verlagshaus oder das          Telefon werden alle möglichen Kanäle
der Pike auf gelernt hat. „Bote“-Chefre-      „Urner Wochenblatt“ und der „Einsiedler       genützt. Bis 9 Uhr plant Auf der Maur die
dakteur war er schon einmal, bevor er bei     Anzeiger“. Mit dem Anzeiger bestehe au-       Themen und vergibt die Arbeitsaufträge.
anderen Medien wie der „Neuen Luzerner        ßerdem ein „lockerer redaktioneller Aus-      Am späten Nachmittag entsteht die Front-
Zeitung“ oder dem „Blick“ arbeitete. 2014     tausch“.                                      seite, um etwa 18 Uhr übernimmt – meist
kehrte er zurück und übernahm ein zwei-                                                     schriftlich – der Abschlussredakteur, und
tes Mal die Chefredaktion der Tageszeitung.   Fast leere Redaktion                          zwischen 19 und 20 Uhr beendet Chefre-
Was für ein Selbstverständnis hat diese       Aktuell jedoch ist wenig „locker“. Der        dakteur Auf der Maur sein Tageswerk.
Zeitung? „Wir sind die größte Zeitung im      Inseratenmarkt ist eingebrochen, die Um-        Jürg Auf der Maurs Zwischenbilanz des
Kanton Schwyz, sind eine Regionalzeitung      fänge werden reduziert, am Publikations-      Krisenmodus fällt überraschend aus. „Mein
und sind die Nummer eins im Kanton und        rhythmus wird bis jetzt nicht gerüttelt.      Eindruck ist, dass wir zu Hause produk-
wollen das klar bleiben.“ Diese klare und     Wie bei vielen anderen gilt auch beim         tiver, aber am Abend auch müder sind.
selbstbewusste Ansage fußt auf guten und      „Boten“: Kurzarbeit und Homeoffice. Jürg        Tagsüber telefoniert man die ganze Zeit
bisher recht stabilen Zahlen, die auf dem     Auf der Maur ist noch zweimal in der Wo-      und switcht auf den verschiedenen On-
crossmedialen Auftritt und der starken        che in der Redaktion, sonst im Homeoffice.      linekanälen, WhatsApp oder Mails hin und
Verankerung beim Publikum basieren.           „Wir haben aktuell (16. April) über den       her, kann sich aber zwischendurch nicht
  Der „Bote“ ist einer von mehr als 300       gesamten Betrieb gerechnet 30 Prozent         im Austausch und Witzeln mit Kollegen
Zeitungstiteln in der Schweiz. Er kommt       Kurzarbeit.“ Der Chefredakteur und Mit-       auflockern.“
in seiner Normalauflage auf eine verkauf-     glied der Geschäftsleitung versammelt auf       Die komplexe Arbeitsweise erfordert
te Auflage von 15.362 Stück, die verbrei-     der Redaktion insgesamt 1.300 Stellenpro-     Kraft, auch die Situation des Einzelbüros
tete Auflage beziffert die WEMF (2019) mit     zent. Das entspricht 13 Vollzeitstellen.      daheim. Zwischendurch vertritt man sich
rund 17.000 Stück. 93,4 Prozent der ver-      Hinzu kommen „Korrespondenten, die            vielleicht die Füße, geht schnell einkaufen.
kauften Auflage sind Abonnements und          am Wochenende im Einsatz sind und dann        Außentermine sind Mangelware. Presse-
der Freemium-Onlineauftritt bote.ch wird      wohl weitere 500 Stellenprozent ausma-        konferenzen finden kaum statt, wenn,
als Unterangebot der „Luzerner Zeitung“       chen dürften“. So weit die Situation.         dann meist nur, um Neuigkeiten zur Co-
mit 2,5 Millionen Page Impressions aus-         Der „Bote“ ist eine Vollzeitung und deckt   rona-Krise zu verlautbaren. Dazu werden
gewiesen (Netmetrix 2/2020).                  die Bandbreite von lokalem bis zu inter-      großräumige Locations gesucht, die einem
  Das Verbreitungsgebiet der traditionellen   nationalem Geschehen ab. Die Redaktion        halben Dutzend Medienvertretern die ver-
Kaufzeitung bilden die drei Bezirke           in Schwyz konzentriert sich auf lokale und    ordnete Distanz ermöglichen: Die sonst
Schwyz, Gerau und Küssnacht am Rigi. In       regionale Berichterstattung. Zur täglichen    übliche Ereignisfülle weicht einer Ereig-
dieser Region leben rund 70.000 Men-          Zeitungsproduktion sagt Auf der Maur:         nisarmut. Die Zeitungsplanung erfolgt
schen. Am stärksten aufgestellt ist die       „Es sind täglich jeweils drei Leute, welche   langfristiger und Auf der Maur setzt die

70                                                                                                                               #02/2020
Jürg Auf der Maur, Chefredakteur „Bote“: „Die    Redaktionsleiter Christoph Clavadetscher produziert zusammen mit der Redaktionspraktikantin Lea
Dankesschreiben waren mir am Anfang fast         Langenegger täglich die Zeitung. Sie halten die Festung in der Redaktion.
unheimlich.“

Geschichten noch bewusster, die tägliche         unerwartet auf die krisenbedingte The-                lenkt werden können. Gottesdienste über-
Terminhetzerei entfällt und damit das Ge-        menmischung sowie Themendarstellung                   trägt der „Bote“ beispielweise online. Das
fühl, möglichst alles sofort ins Blatt zu        und überrascht sogar einen langjährigen               kommt an, denn das gibt Halt.
bringen oder online zu stellen.                  Zeitungsmann wie Auf der Maur: „Die Le-                 Noch näher an die Leser ran, ist das nicht
  Der Ereignismangel gibt den Journalisten       ser sind zurzeit extrem dankbar. Überspitzt           ohnedies ein Problem des Lokaljournalis-
Luft zum genaueren Recherchieren. Bau-           formuliert: Die Dankesschreiben waren                 mus? Das nimmt der „Bote“-Chefredak-
projekte beispielsweise und deren Bedeu-         mir am Anfang fast unheimlich. Im Nor-                teur durchaus wahr: „Das Grundproblem
tung für den öffentlichen Verkehr werden          malfall werden die Journalisten ja nicht              aller Lokaljournalisten ist, dass man die
ausgeleuchtet. Der Chefredakteur bilan-          mit solch einer Wertschätzung bedacht.“               Player persönlich kennt und praktisch
ziert positiv: „Der Zeitungsinhalt hat durch       Die Zeitung gibt sich in der Krise wesent-          täglich trifft, über die man schreibt. Ich
die Krise gewonnen, weil wir fokussierter        lich serviceorientierter, denkt mehr ans              denke aber nicht, dass wir eine Geschich-
und präziser arbeiten können.“                   Publikum und dessen Alltag. Ganze Fami-               te nicht machen, weil wir jemanden zu
  Die Krise wirft auch auf die Leser-Blatt-Be-   lien arbeiten und lernen zu Hause. Das                gut kennen.“ Dass Journalismus und lo-
ziehung ein positives Licht. Der „Bote“ ist      heißt, mehr Rätsel, Kinderseiten, Ratgeber,           kale Medien gefragt sind, das zeigt sich
für das Publikum Anlaufstation, Kummer-          Aufruf zur Teilhabe. Auf welche Ideen kom-            beim „Boten“ nicht nur in Dankesbriefen,
kasten, er wird um Hilfe gebeten. „Wir           men die Leserinnen und Leser zu Hause,                das zeigt sich auch am erhöhten Bedarf an
erhalten viele Tipps“, sieht der Chefredak-      wie machen sie aus der Not eine Tugend?               Probeabos.
teur eine funktionierende Leser-Beziehung.       Austausch via Zeitung ist angesagt: Ein                 Werden diese Abonnements Vollabos?
Der „Bote“ will die Krise nutzen und noch        „Aufsteller des Tages“ auf Seite 2, der eine          Wird sich nach der Krise die Beziehung
näher an die Leser ran, dabei erweitert er       nette Begebenheit abbildet. Oder: Die Jour-           zum Publikum wieder ändern? Wird der
das eigene Rollenverständnis. Das persön-        nalistinnen und Journalisten schreiben auf            „Bote“ Redakteure kündigen müssen?
liche Gespräch ist dabei eben nicht nur          Seite 4 von ihrem ganz persönlichen Kri-              Fragen, die in der Zukunft liegen. Zur Kün-
journalistisch das A und O, sondern grund-       senalltag. Das kann eine Geburtstagsfeier             digungsfrage sagt der Chefredakteur je-
sätzlich. Allerdings erweist sich die räum-      sein oder das Leben als Teil einer Risiko-            denfalls: „Das war bisher kein Thema.“
liche Distanz in diesem Nahraum erschwe-         gruppe.
rend, wie Auf der Maur erlebt: „Du triffst          Personalisierung lautet das magische
                                                                                                       ANTJE PLAIKNER
die meisten Leute nur telefonisch, das           Wort der Krisenzeitung: Dazu gehört, dass             ist freie Journalistin und
macht es nicht immer einfach.“                   Sportler erzählen, wie sie die Krise erleben,         Medienwissenschaftlerin in Innsbruck.
  Trotzdem scheint die Annäherung zu             oder wie Veranstaltungen und Kultur viel-
                                                                                                       plaiknera@gmail.com
funktionieren, die Leserschaft reagiert          leicht auf Online und Social Media umge-

                                                                                                                                                   71
Medien. Umfrage

UMFRAGE: ANNE HAEMING

Und wie arbeiten
Sie gerade?
Zwei Überlebensfragen an
sechs Medien-Start-ups.
                                      RICO GRIMM                           STEFAN LASSNIG, JULIA ORTNER,
                                      Chefredakteur Krautreporter (D)      SEBASTIAN KRAUSE
                                                                           Gründungsteam Missing Link (A)

1. Wie hat sich Ihr Geschäftsmodell   Wir hatten die ungewöhnliche
                                      Erfahrung, dass die Corona-Be-
                                                                           Unser Geschäftsmodell, in
                                                                           einem sehr diversifizierten
Corona-bedingt geändert?              richterstattung unserer Gesund-      Netzwerk von hochqualitativen
                                      heitsreporterin Silke Jäger uns      Podcasterinnen und Podcastern
                                      virale Reichweiten bescherte –       Werbekunden ein gutes Umfeld
                                      etwas, für das Krautreporter         für Werbung zu bieten, hat sich
                                      nicht gemacht ist und mit dem        Corona-bedingt nicht verändert.
                                      wir erst lernen mussten              Unsere Kunden gehen aber auf
                                      umzugehen. Viele der neuen           die vorherrschende Situation
                                      Besucher verstanden zum              ein: Unser aktueller Partner
                                      Beispiel gar nicht, dass man we-     Audible hat die Chance genutzt,
                                      der auf eine Paywall trifft noch     die Hörerinnen und Hörer mit
                                      Werbung sieht und dennoch            einer besonderen Aktion zu
                                      zahlen soll. Sie kamen schlicht      erreichen. Inhaltlich haben die
                                      nicht auf die Idee, Mitglied zu      meisten unserer Partner im
                                      werden, weil wir nicht gut           Netzwerk den Weg gewählt,
                                      darauf vorbereitet waren, unser      ihrem Format treu zu bleiben
                                      Geschäftsmodell „Mitglied-           und trotzdem die Corona-Pro-
                                      schaften“ ausreichend zu             blematik jeweils angepasst an
                                      erklären. Inzwischen haben wir       ihr Format zu berücksichtigen,
                                      gelernt, auch solche Besucher        etwa „Ganz offen gesagt“ oder
                                      besser zu konvertieren.              „Erklär mir die Welt“.

                                      Bleiben wird die Erkenntnis, dass    Wir sind optimistisch gestimmt,
2. Was davon wird bleiben –
                                                                                                                  FOTOS: MISSING LINK, KRAUTREPORTER, BJÖRN BEHRENS, LAUREN BURST, ANDREAS
                                      wir für unsere Mitglieder in so      was die Zukunft unseres
und warum?                            einer Krisensituation die erste      Mediums Podcast betrifft. Erste
                                      Anlaufstelle sind, und nicht ein     Auswertungen deuten darauf
                                      Zweitmedium, als das wir uns         hin, dass die Corona-Krise die
                                      bisher immer selbst wahrgenom-       Podcast-Nutzung befeuern wird.
                                      men hatten. Durch die enge           Dazu tragen auch in Corona-
                                                                                                                  CHUDOWSKI, HELLA WITTENBERG, CHRISTOPHER GLANZL

                                      persönliche Bindung an unsere        Zeiten extrem populäre Formate
                                      einzelnen Reporterinnen und          wie etwa jenes vom NDR/
                                      Reporter wenden sich die             Christian Drosten bei. Auch dass
                                      Mitglieder auf einer fast schon      Kanzlerin Merkel in ihrer Rede
                                      persönlichen Ebene an uns. Dazu      Podcasts erwähnte, sollte zu
                                      kommt die Erkenntnis, dass unser     einer weiteren Bekanntheitsstei-
                                      Geschäftsmodell – keine              gerung des Mediums beigetra-
                                      Werbung, enge vertrauensvolle        gen haben. Grund zum Pessimis-
                                      Beziehung zu unseren Mitgliedern,    mus liefert eigentlich nur die
                                      getragen von einer Genossen-         Aussicht auf eine wirtschaftlich
                                      schaft – ein krisensicheres,         sehr herausfordernde Zeit, die
                                      zukunftsfestes Modell ist, das uns   wohl zu Kürzungen in vielen
                                      gerade sehr gute Dienste leistet.    Marketing-Budgets führen wird.

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