www.aaku.ch März 2020 Nr. 33 - Aargauer Kulturmagazin
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www.aaku.ch März 2020 Nr. 33 «AFRICAN MIRROR» Ein Film demontiert das Afrikabild von René Gardi – eine postkoloniale Kritik «SZENE MACHEN» Mit dem Figuren theaterfest feiert der Fabrikpalast Geburtstag KULTURPOLITIK Rolf Keller im Interview: zur Rollenteilung in der Kulturförderung
Museum Langmatt Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown Römerstrasse 30, CH-5401 Baden langmatt.ch 1.3. – Magis g ches i 16.8.20 Vened d r a Senn San .8.20 HERZ 1. 3.– 16 30 Jahre Museum Langmatt Foto: Lee Li; Design: Barbieri Bucher KAMMER AKKU-1seite-herzkammer-X4.indd 1 07.02.20 13:56
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau März 20 Aargauer Kulturmagazin Editorial Jubilieren und sinnieren Beim Planen des vorliegenden AAKUs sind wir etwas erschrocken: Es gibt so viele Michael Hunziker Jubiläen im März. Erschrocken, weil es immer schwierig ist, diesen Geburtstagen Redaktionsleiter journalistisch gerecht zu werden. Das Programm solcher Tage ist ja stets besonders michael.hunziker@aaku.ch aufwendig und dicht organisiert – wo kann man für die Leser*innen Schwerpunkte setzen? Hinzu kommen die Geschichten hinter den Macher*innen und den Häusern, auf die gleichzeitig zu blicken ist – mitunter komplexe Hintergründe – wie lassen sie sich vereinfachen, um sie auf dem knappen Platz adäquat darzustellen? Auch will der gegenwärtige Puls gefühlt und in die Zukunft geschaut werden: Wie steht es um die Finanzierung, um den Spiel- oder Ausstellungsort, was ist gesichert, was bleibt ungewiss? Am Beispiel vom Fabrikpalast (20 Jahre) und Hansueli Trübs Ensemble Theater-Pack, das sein 40-jähriges Bestehen feiert und auf eine wunderbare Entwicklung des Figurentheaters zurückblicken kann, wird deutlich: Auch wenn Kulturhäuser längst den Status einer Institution einnehmen, sind sie vor tiefgreifenden Veränderungen nicht gefeit. Was per se nichts Schlechtes sein muss, wenn wie hier dem Ende ein Neuanfang innewohnt: Der Fabrikpalast wird sich mit der Tuchlaube und der Theater- gemeinde zur Bühne Aarau zusammenschliessen. Das Kiff, bisherige Spielstätte des Fabrikpalasts, wird bald neu gebaut, die künftige Heimat Alte Reithalle – auch noch work in progress … Wo es künftig Figurentheater (in Aarau) zu sehen gibt, lesen Sie hier im AAKU. Kulturschaffen ist ein Unternehmen in volatilem Umfeld, bei dem viele Ungewisshei ten auszuhalten sind. Umso mehr kann den Häusern und den Vereinen gratuliert werden, wenn sie wie das Museum Langmatt (30 Jahre), der Verein Sonaare (25 Jahre) oder Jazz im Isebähnli (40 Jahre) ihr langjähriges Bestehen feiern. Um diese Unberechenbarkeit etwas einzugrenzen, unterstützt das Aargauer Kurato rium das kulturelle Schaffen (seit bald 51 Jahren). Im letzten AAKU haben verschie dene Kulturschaffende die Kulturförderpolitik des Aargaus kritisiert. Nicht zuletzt deshalb, weil der viertgrösste Kanton im nationalen Ranking auf einem der letzten Ränge stagniert – in Bezug auf die Pro-Kopf-Kulturausgaben. Rolf Keller, der die letzten acht Jahre Präsident des Kuratoriums war und das Amt Anfang Jahr abgegeben hat, geht im Interview auf die aufgeworfenen Diskussionspunkte ein. Um zum Abschluss vom Jubilieren ins Sinnieren zu kommen: Jubiläen sind Arbeit am kulturellen Gedächtnis. Doch haben nicht alle historischen Dynamiken ein genaues Datum, das regelmässig wiederkehrt und eine Auseinandersetzung fordert. So kennt das weitverbreitete Denken in einfachen Schemen und Stereotypen keinen Anfang – und einem Ende, auch wenn es kaum je absehbar scheint, kann nur unnachgiebig herbeigearbeitet werden. Etwa mit einer kritischen Auseinandersetzung, wie sie Regis- seur Mischa Hedinger am Werk von René Gardi ansetzt, der mit seinen Berichten das eindimensionale Afrikabild über Jahrzehnte prägte. 3
ODEON BRUGG VORSCHAU VORSCHAU HERBST: das Kulturhaus beim Bahnhof 21.09.2018 Taubitz/Dobler Swing Quartett BAR 22.09.2018 Crazy Diamond Montag 14 – 23 Uhr 19.10.2018 The Creole Clarinets CINEMA BÜHNE Di – Do 11.30 – 23 Uhr Info 056 450 35 65 Vorverkauf Freitag 11.30 – 24 Uhr 02.11.2018 20 Jahre Salzhaus Special Concert Tickets Mo – Fr ab 14 Uhr Samstag 17.30 – 24 Uhr 23.11.2018 Wawau Adler Group Sandor Roy odeon-brugg.ch Sa/So ab 10 Uhr Sonntag 17.30 – 22 Uhr 30.11.2018LEON 14.03.2020 8 x 15,NEWARS 8 Bands je 15 Minuten 25.03.2020 BLACK SEA DAHU CINEMA BÜHNE 27.03.2020 SWINGIN’LADIES PLUS 2 SAMSTAG 7. MÄRZ 11 UHR MITTWOCH 4. MÄRZ 19.15 UHR 28.03.2020 TROUBAS KATER SONNTAG 8. MÄRZ 11 UHR DEMIAN LIENHARD 24.04.2020 THE HARLEM SOUND Mit grosser Warmherzigkeit und FILMREIHE KUNST IM FILM DEGAS: LEIDENSCHAFT FÜR schelmischem Humor erzählt der 1987 25.04.2020 LÄSSER & LENZ PERFEKTION in Baden geborene Demian Lienhard 29.05.2020 ANNIE TAYLOR UK 2018 85 Min. ab 12 Jahren Regie: David Bickerstaff in seinem Debütroman «Ich bin die, Der Film zeigt die faszinierende vor der mich meine Mutter gewarnt Geschichte von Degas’ Streben hat» vom Leben der Ich-Erzählerin www.salzhaus-brugg.ch nach Perfektion, sowohl durch Alba in den achtziger und neunziger das Experimentieren mit neuen Jahren. Techniken als auch durch das Studium der alten Meister. SONNTAG 15. MÄRZ 11 UHR Aarauerstrasse 26 I 5200 Brugg DE CHLY DRACHE DONNERSTAG 12. MÄRZ 18 UHR ab 4 Jahren 50 Minuten Mundart MONTAG 16. MÄRZ 15 UHR Eine spannende Geschichte über die KLASSIKER AUS LATEINAMERIKA Freuden und Enttäuschungen auf der FR 27/03/20 SARAH CHAKSAD UN CUENTO CHINO Suche nach einer Freundschaft, immer Der exzentrische Roberto kriegt sein ganz nah am Leben der Kinder und ganzes Leben auf den Kopf gestellt, der Eltern. als der junge Chinese Jun nach Argentinien kommt. FREITAG 20. MÄRZ 20.15 UHR SIMON CHEN – TYPISCH! SONGLINES DIENSTAG 17. MÄRZ 20.15 UHR KABARETT FÜR EINZELFÄLLE Sie schreibt kraftvolle und FIDELIO Im zweiten Kabarettprogramm wird gleichzeitig gefühlsbetonte Mu- Dirigent: Antonio Pappano Libretto: Joseph Sonnleithner, tüchtig über den Kamm geschert, sik. Dies gilt auch für ihre neuen Stephan von Breuningen und Georg Friedrich ohne aber den Einzelfall und andere Kompositionen. Im kleineren Beethovens einzige Oper ist ein Minderheiten zu verschonen. Denn Format und durch die ausge- Meisterwerk, eine erhebende ganz generell gesagt: wir kämpfen wählten Musikerinnen und Mu- Geschichte von Wagnis und Triumph. alle auf individuelle Art und Weise mit siker erhalten ihre Stücke noch- Pauschalisierungen und Vorurteilen. mals einen zusätzlichen Esprit, DONNERSTAG 19. MÄRZ 20.15 UHR noch mehr Dringlichkeit, gestei- KUNSTSCHAFFENDE ZEIGEN FILME gerte Lust und Intensität. EAST OF EDEN BAR AB 20 UHR | KONZERT 21 Uhr | C H F 2 0 / 15 USA 1955 115 Min. E/d ab 12 Jahren Regie: Elia Kazan Ein Klassiker mit James Dean in PETZI-TICKET kaufen auf: WWW.DAMPFSCHIFFBRUGG.CH seiner ersten grossen Rolle nach dem gleichnamigen Roman von John Steinbeck. FREITAG 27. MÄRZ 20.15 UHR ZIMMERMANN HAUS01.05. BRUGG DOUG MACLEOD VORSCHAU KUNST & MUSIK Bei seinen Auftritten zählt nicht nur die Musik. Der Mann ist auch AUSSTELLUNG «SINE GREY VOL. 2» — 07.06.2020 KUNST&MUSIK ein exzellenter Erzähler von kleinen Anekdoten und Alltagsweisheiten. MARTIN LORENZ SONNTAG 29. MÄRZ 11 UHR SILVA REICHWEIN BENEFIZVORSTELLUNG KAMMERMUSIK VI: CELLOABEND ALA KACHU – TAKE AND RUN Benefizvorstellung mit dem ZIMMERMANNHAUS 25.04.2020 Dokumentarfilm auf Initivative von BRUGG KUNST&MUSIK MAXIMILIAN HORNUNG Soroptimist International Club Brugg Baden. Die Regisseurin Maria VORSTADT 19 HISAKO KAWAMURA Brendle will Frauen Mut machen, für 5200 BRUGG sich und ihre Rechte einzustehen. WWW.ZIMMERMANN T 056 441 96 01, INFO@ZIMMERMANNHAUS.CH HAUS.CH MI–FR 14.30–18, SA–SO 11–16
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau März 20 Aargauer Kulturmagazin Inhalt VORSCHAU «Szene machen!» 6 MAGAZIN Die Aarauer Theaterszene ist im Wandel begriffen. Mit einem Figuren- und Objekttheaterfest feiert der Fabrikpalast sein 20-Jahr- 26 Eurozentristisches Zerrbild Jubiläum und die Fusion mit der Tuchlaube zur Bühne Aarau. Der Reiseschriftsteller und Filmemacher René Gardi prägte seit den 50er-Jahren das Bild Afrikas der Schweizer*innen. Mischa Hedinger hat sich in seinem Film «African Mirror» kritisch mit dessen Schaffen auseinandergesetzt. AAKU hat sich mit dem Regisseur zum Interview getroffen. Lyrikfestival 10 «Neonfische» im Aargauer Literaturhaus Lenzburg Lena Friedli im Interview 11 Das Forum Schlossplatz erhält eine neue Leitung Jubiläumssaison 12 32 «Camille» Die Konzertreihe «Sonaare» feiert das 25-jährige Bestehen Regisseur Boris Lojkine verfilmte das Leben der jung verstorbenen Kriegsfotografin Camille Lepage Känzig-Känzig 12 Jazziger Pop in der Konservi Seon 34 Aargauer Kulturpolitik Der abtretende Präsident des Aargauer Kuratoriums, Rolf Keller, Musikalische Kapitalismuskritik 13 im Interview Der Berner Rapper Tommy Vercetti im Kiff in Aarau 36 Kurator*innen gesucht Christina Daletska 14 Neues Kulturvermittlungsprojekt im Badener Bäderquartier Die Sängerin ist zu Gast in der Stadtkirche Aarau 37 Das Bild 30 Jahre Langmatt 15 Aus dem Ringier Bildarchiv Josef Bürge schaut in die Vergangenheit und Zukunft des Museums 38 Navids Welt Paul Haller 16 Kolumne Veranstaltungen zum 100. Todestag des Aargauer Literaten 38 Das Objekt Black Sea Dahu 17 Sammlerstücke von Rudolf Velhagen Die Zürcher Band spielt im Salzhaus Brugg 39 Skizzen «verdeckt» 18 Von Christoph Unternährer Das neue Stück des Theaters Marie 39 Jens Nielsen Sinfonia Baden 19 Kolumne Das Orchester spielt Werke mit Bezug zum Mittelland 40 Held im Hintergrund: Hannes Burger Kultursplitter 20 Von Benjamin von Wyl Familienseite 21 Hörtipps 22 AGENDA Lesetipps 23 Filmtipps 25 42 Kultur im Aargau auf einen Blick Veranstaltungen im März Cover: René Gardi. Ton und Bild GmbH 5
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin TEXT PHILIPPE NEIDHART | FOTOS ZVG Ein Fest zum Aufbruch in eine neue Ära Die Aarauer Theaterszene ist im Wandel. Mit dem Figuren- und Objekttheaterfest «Szene machen!» feiert der Fabrikpalast in Zusammenarbeit mit der Tuchlaube sein 20-Jahr-Jubiläum und leitet die Fusion zum Projekt «Bühne Aarau» ein. 6
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Für Figurentheaterspieler*innen war es lange Zeit nicht einfach, geeignete Auftrittsorte zu finden. Deshalb entschloss sich Hansueli Trüb vor zwanzig Jahren, im Aarauer Kiff den Fabrik- palast ins Leben zu rufen: «Es war schon immer ein Traum von mir, ein eigenes Haus zu haben», so der gebürtige St. Galler. Bald schon wurde der Fabrikpalast zu einem festen Begriff der Objekt- und Figurentheaterszene – unzählige Künstler*innen aus dem In- und Ausland durfte Hansueli Trüb. Foto: Sandra Ardizzone der Ort seither beherbergen. Mit dem Spek- takel «Szene machen!» und einer Ausstellung zum 40-jährigen Schaffen des Theater-Packs Profil: Vielfalt von und mit Hansueli Trüb schliesst das Haus im März in Ursprünglich war die Fusion auf die Wiedereröffnung der fulminanter Weise für immer seine Tore. Alten Reithalle hin geplant, aufgrund der baulichen Ver- spätung erfolgt sie nun noch in den alten Räumlichkeiten. «Back to the roots» Auch wenn für die Theaterszene in Aarau eine neue Ära Diesem Moment sieht er mit einem lachenden und bevorsteht, setzte der Kanton und die Stadt dabei bewusst einem weinenden Auge entgegen: «Es freut mich, wieder auf Kontinuität. Unter der künstlerischen Leitung von Peter mehr Zeit zu haben, um an eigenen Projekten zu arbeiten», Kelting (bisher Theater Tuchlaube) bereitet sich das Mehr- so Trüb. In den vergangenen Jahren habe er viel Zeit in die spartenhaus nun auf die Zukunft vor. «Unser Profil ist die Organisation und Programmation des Fabrikpalasts gesteckt. Vielfalt – die Koexistenz aller Formen der darstellenden Nach dieser Routinearbeit gehe es nun «back to the Roots», Kunst», so Kelting. «Mit dem Mehrspartenhaus eröffnet sich so der Theaterschaffende. Aber natürlich werde er es ver- für uns die Chance, die verschiedenen Publika zusammen- missen, das Publikum im Foyer zu empfangen und die Stim- zuführen.» Auch existieren seitens des Schauspiels als auch mung im Saal zu geniessen. Immerhin, ganz wird sich Trüb des Figurentheaters Ansätze, die engen Grenzen der eige- nicht von den Räumlichkeiten im Kiff trennen: «Für neue nen Sparte aufzulösen. Hinzu kommt vermehrt die Involvie- Projekte brauche ich einen Proberaum; da eignet sich der rung neuer Medien, Film oder der Robotik in den Produk- Fabrikpalast ideal», sagt Trüb. Mit dem Kiff wurde gemein- tionen. «Mich interessieren die Spannungen, die auf diese sam eine Lösung für die kommenden vier Jahre erarbeitet. Weise entstehen», sagt Kelting. Doch mit der Fusion wird es Das Kulturhaus übernimmt die Technik und wird den Raum in Zukunft gesamthaft weniger Veranstaltungen geben als Artists in Residence zur Verfügung stellen. Gleichzeitig bisher. Der Fokus liegt zum einen auf der Aargauer Szene, kann der Theaterschaffende den Raum weiternutzen, wobei die Bühne Aarau als Produktionspartnerin zur Verfü- wann immer dieser frei ist: «Das ist eine absolute Win-win- gung stehen wird. «Aber wir werden weniger Produktionen Situation», freut sich Trüb. Wenn der für seine professionelle aus der restlichen Schweiz haben, dafür mehr internatio- und innovative Programmation bekannte Fabrikpalast auf nale Produktionen – gerade im Bereich des Figuren- und Ende März geschlossen wird, bedeutet dies nicht, dass es Objekttheaters», sagt Kelting. Bis zur Eröffnung der Reithalle in Zukunft kein Figuren- oder Objekttheater mehr in Aarau werden die Vorstellungen in der Saison 20 / 21 weiterhin in geben wird: Das Theater Tuchlaube, der Fabrikpalast sowie der Tuchlaube stattfinden, grössere Produktionen hingegen die Theatergemeinde Aarau und der Kampagnenverein werden im KuK gezeigt. «Wir befinden uns in einer selt- Freunde Alte Reithalle werden neu unter dem Label Bühne samen Situation: Einerseits ändert sich alles, andererseits Aarau auftreten und ihre Kräfte bündeln. «Wir haben in den bleibt räumlich, bis zur Eröffnung der Alten Reithalle, alles vergangenen Jahren eine Szene aufgebaut, die wir erhalten beim Alten.» Nun gilt es zunächst, den neuen Namen Bühne wollen», sagt Trüb. «Mit dem Fest soll nun gezeigt werden, Aarau zu etablieren. dass es auch ohne Fabrikpalast weitergeht.» Deshalb finden die Vorstellungen nicht nur dort, sondern ebenfalls in der Tuchlaube und auf den Aarauer Strassen statt: «So kann das AARAU Das Figuren- und Objekttheaterfest. Publikum sehen, in welche Richtung es in die Zukunft geht.» Vom 13.–21. März in Aarau 7
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin Foto: André Wirsig Foto: Femke Teussink FREAKSHOW – THE BEST IN TOWN EIN UNBEMERKTER AUGENBLICK Cie. Freaks und Fremde (D) Tamtam objektentheater (NL) Spektakulär, anrüchig und fremd – so präsentierten sich die Side Nichts ist, wie es scheint, nichts bleibt, wie es ist. Auf beinahe ma shows ab den 1920er-Jahren auf Jahrmärkten und Zirkusveranstal- gische Weise hauchen die beiden Künstler*innen Gérard Schiphorst tungen in den Vereinigten Staaten. Willkommen und hereinspaziert und Marije van der Sande der Compagnie Tamtam dem Baumstrunk in die Welt des Grotesken! «Freakshow – The Best in Town» ist eine einer hundertjährigen Linde Leben ein. Das knorrige Baumwesen Hommage an das Fremde und Absonderliche, hier wird lautstark am entfaltet im Zusammenspiel mit animierten Objekten und gefunde- Konzept der Normalität gerüttelt und ein lustvolles Spiel mit dem nen Gegenständen eine völlig eigene Bildsprache. «Ein unbemerkter Voyeurismus betrieben. Besuchen Sie den Menschenzoo, erleben Augenblick» erzählt eine Geschichte in Bildern ganz ohne Worte, Sie die Fischdame oder die schwebende Jungfrau. Cie. Freaks und dafür mit einer eingängigen Musik. Ab 6 Jahren. phn Fremde experimentieren bei ihrer Show der fantastischen Kuriosi- täten mit diversen Formen des Objekt-, Figuren- und Körperthea- ters und verführen das Publikum in eine schaurig-schöne Welt des AARAU Fabrikpalast Abnormen. Ab 16 Jahren. phn Sa, 14. März, 15 Uhr, So, 15. März, 11 Uhr AARAU Fabrikpalast, Fr, 13. März, 22 Uhr, Festeröffnung PUNCH AGATHE Stefanie Oberhoff (D) Sie ist eine Superheldin – unberechenbar, rebellisch und albern: Punch Agathe, der grösste Kasper der Welt. Geboren in Mel- bourne, aufgewachsen in Kinshasa, kommt sie nun nach Aarau. Bewaffnet mit Brennlanze, Bohrmaschine und Sprengstoff über- nimmt sie die Kirche, stellt die Uhren nach ihrer Zeit und bricht auf, die Welt zu retten, und hinterlässt eine Spur der Verwirrung und Verwüstung. Begleitet wird sie dabei vom Militärspiel der Schweizer Armee. phn AARAU Igelweid Sa, 14. März, 11 / 13.30 Uhr Foto: Florian Feisel 8
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU - G URE N DAS FI N D O BJEK T U T E RFE S THE AT Mä rz 13.–21. palast.ch br ik w w w.fa Foto: Helmut Pogerth HÔTEL DE RIVE Figurentheater Tübingen, D, Compagnie Foto: Bjørn Jansen Bagages de Sable, (F) Sein Markenzeichen sind lange, schlanke Skulpturen – der Bildhauer, Maler und Schriftsteller Alberto Giaco- metti gehört wohl zu den bedeutendsten Schweizer KLANK Künstler*innen des 20. Jahrhunderts. «Hôtel de Rive» Rahel Wohlgensinger, (CH) versucht sich mit Wort, Klang, Material und Bewegung dem Schaffen Giacomettis zu nähern. Ausgangspunkt «Everything we do is music», sagte einst der US-amerikanische bilden die wenig bekannten surrealen Texte des Künst- Künstler und Komponist John Cage. Wohl wahr – und jedes Ding hat lers. Frank Soehnle macht mit seinem Figurenspiel die seinen ganz eigenen Klang. Mit «Klank» präsentiert die Thurgauer Gestalten des Textes sichtbar – fragile, skelettartige Ma- Puppenspielerin Rahel Wohlgensinger unter der Regie von Andrea rionetten umflattern den Künstler, ein lebendes Hemd Kilian ein Stück für die kleinsten Zuschauer*innen. Wie klingt Stein? wirft sich mit Knochenarmen um dessen Hals. Szenen, Und wie Holz? Materialien werden zum Klingen gebracht und entfal- so rätselhaft und mysteriös wie Giacometti selbst. Der- ten ihre eigenen Geräusche, Töne und Rhythmen, werden zu Musik. weil begleiten die beiden Musiker Jean-Jacques Pedretti Es knackt und raschelt, knuspert und brummt. Es überrascht und und Robert Morgenthaler das faszinierende Treiben mit verblüfft und animiert zum Lauschen und Horchen. Ab 2 Jahren. phn raunenden Alphörnern, wispernden Muschelhörnern und fantasievoller Perkussion. Hier vereinen sich bilden- de Kunst mit Literatur, Musik und Theater. phn AARAU Tuchlaube, So, 15. März, 17 Uhr AARAU Tuchlaube, Fr, 20. März, 19 Uhr, Sa, 21. März, 20.15 Uhr 9
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin Nora Gomringer, eine unter vielen grossen Neonfischen am Lyrikfestival Lenzburg. Foto: Judith Kinitz Neonfische, leuchtende Poesie LITERATUR Top-Shots der Poetry-Szene, Jungdichter*innen, «Grandes Dames» der Lyrik, geduldige Schwerarbeiter*innen im Sprachbergwerk: Alle sind sie im Literaturhaus Aargau am ersten Märzwochenende anzutreffen – und zu entdecken! Im Frühling schwimmt zum vierten Mal eine erlesene Schar haben. Zu entdecken sind die jungen Lyrikerinnen Eva Maria glimmernder Neonfische den Aabach gen Lenzburg hinun- Leuenberger und Flurina Badel, die den Klang des Räto ter, um ihren jährlichen Halt im Müllerhaus einzulegen. Sie romanischen mit sich bringt. Texte von ihnen wie auch bringen Poesie. von der Aargauerin Nathalie Schmid sind auch auf Fran Zum Leuchten bringen auch in diesem Jahr renommierte zösisch zu hören – von Camille Lüscher exklusiv übersetzt Dichter*innen, Neuankömmlinge, literarische Übersetzer*in- für die Neonfische. Pulsangeber für das Festival sind die nen und kundige Moderator*innen das Sammelbecken, in Werkstattgespräche. Jeweils drei Lyriker*innen in wechseln- dem Autor*innen und Leserschaft die Freude an lebendiger der Besetzung lesen aus ihren Texten und diskutieren mit Spracharbeit teilen. einander und mit dem Publikum das Entstehen ihrer Gedich- Befreit vom Zwang, schnell, laut, und leicht verdaubar te. Zweimal sogar treten vier «Grandes Dames» der Lyrik, zu sein, lassen sich hier in Ruhe lyrische Texte hören, lesen, Ilma Rakusa, Zsuzsanna Gahse, Esther Kinsky und Marion spüren. Das Festival ist eine Einladung zum Eintauchen und Poschmann, gewichtige literarische Frauenstimmen, in vertieften Sinnieren – in einer Gesprächswerkstatt und auch diesen Gesprächen in Erscheinung – ganz so wie es sein bei einem Glas Wein. Für Bettina Spoerri, Leiterin des Lite muss, passend zum Wochenende des 8. März, der mittler- raturhauses Aargau, sind die Arbeit an Wort und Klang weile seit vielen Jahrzehnten als Frauentag gefeiert wird. und die Versuche, mit der Sprache zu jonglieren – kurz: Von Kristin T. Schnider Lyrik –, das Spannendste und literarisch Innovativste über- haupt. Mit Nora Gomringer und Bas Böttcher treten gleich zwei Sprachkünstler*innen solo auf, die die mittlerweile arri- LENZBURG Literaturhaus vierte Slam-Poetry-Szene geprägt, wenn nicht gar erfunden Sa, 7. März, 10.30 Uhr, bis So, 8. März, 17.30 Uhr Transmediterrane Kooperation In Kairo nämlich lernte Patricia Draeger zwei Musiker ken- nen, zu denen sie sofort einen Draht hatte und das Musizie- SOUNDS Mit unterschiedlichsten Musiken hat sie reichlich ren leichtfiel. Amr Darwish und Yamen Abdallah spielen Vio Erfahrung, die Zuger Akkordeonistin Patricia Draeger: Mit line und Qanun, eine orientalische Variante der Zither. Dazu Corinne Curschellas tauchte sie in die Bündner Liederwelt kommen beim «Ala Fekra Projekt» der wunderbare Bassist ein, mit Christy Doran in den Jazz, mit dem Klarinettisten André Pousaz und der Perkussionist Samuel Baur. Neue und Daniel Häusler in neue Schweizer Volksmusik, auch Klezmer unerwartete Musik aus der Schweiz und Ägypten! bb spielte sie, und mit ihrem Langzeitkomplizen Albin Brun streckt sie ihre musikalischen Fühler in immer wieder andere Weltgegenden aus. Jetzt nach Ägypten. BADEN Stanzerei, Mi, 11. März, 20.15 Uhr 10
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Lust auf Begegnungen AUSSTELLUNG Das Forum Schlossplatz in Aarau erhält nach zehn Jahren eine neue Leitung: die 34-jährige Lena Friedli. Das erste von ihr kuratierte Projekt «Residenz Residenz» macht im März den Auftakt zum Jahresprogramm. Lena Friedli, Sie sind seit Dezember die neue Leiterin vom Forum Schlossplatz – woher kommen Sie? Lena Friedli: In den letzten zehn Jahren habe ich in Ins- titutionen und Räumen der bildenden Kunst gearbeitet und Kunstgeschichte wie auch Kulturwissenschaften studiert. Meine zweite Leidenschaft gilt dem Theater und der Per- formance, die als Schnittstelle zwischen den darstellenden und den bildenden Künsten betrachtet werden können. Ich habe mich schon immer für gesellschaftsrelevante Themen interessiert, denn Kunst und Gesellschaft schliessen sich nicht aus – im Gegenteil. So sehe ich es als eine spannende Herausforderung, ein so thematisch breites Haus mit mei- nem Hintergrund zu bespielen. Wird sich der Fokus in Richtung Kunst verschieben? Ich werde kein Kunsthaus daraus machen, aber der bilden- Die neue Leiterin vom Forum Schlossplatz, Lena Friedli. Foto: Janette Lussmann den Kunst einen grösseren Schwerpunkt geben, das bestimmt. Mein primäres Ziel ist es, Schwellen abzubauen und das Haus für ein diverseres Publikum offen zu gestalten. In den letzten Was wird sich im Forum Schlossplatz ändern? Jahren wurde es durch das Format Ausstellung vielleicht zu «Residenz Residenz» ist ein Startpunkt und vielleicht sehr als Museum gesehen – das will ich aufbrechen! exemplarisch für ein mögliches weiteres Programm von mir. Auf dem von der Künstlerin Sarina Scheidegger gestal- Wie können wir uns das vorstellen? teten Ausstellungsplakat steht: «ich belle», «du bellst», «wir Die Institution ist in einer Villa mit Park und Gittertoren – bellen» und ich finde dieses soziale Moment sehr schön. viele getrauen sich gar nicht hinein. Ich weiss, dass ich das Aber ich habe nicht vor, alles komplett über den Haufen nicht von heute auf morgen ändern kann, aber das Projekt zu werfen. Durch meinen Hintergrund, meine Lokalbezogen- «Residenz Residenz» ist ein erster Versuch von meiner heit und mein Alter wird es automatisch anders werden. Ich Seite. Man soll sich willkommen fühlen, und dafür will ich habe Lust auf mehr Begegnungen. Der eigentliche Grund- als Gastgeberin sorgen. Es hat mir schon immer gefallen, in gedanke eines «Forums» ist ja ein Treffpunkt, ein Diskus verschiedene Rollen zu schlüpfen und nicht nur Kuratorin sionsraum. Klingt intellektuell, kann heruntergebrochen aber oder Leiterin zu sein. Ich bin eine Macherin. Das hat mich euch ein Bier trinken und miteinander sprechen bedeuten. auch dazu motiviert, mich für die Stelle zu bewerben. Und Interview Gianna Rovere ich komme ja aus Aarau, das ist besonders schön, weil ich zwar im Haus neu anfange, aber nicht in der Stadt selbst. ZU BESUCH SEIN KUNST Sechs Kunstschaffende werden von März bis Mai jeweils rund eine Woche eingeladen, im Rahmen des Projekts «Residenz Residenz» in der Villa zum Schlossgarten zu residieren. Das ehe malige Privat- und spätere Bundeshaus wird so zur Gaststätte, zum Veranstaltungsort und Experimentierraum zugleich. Der Start- schuss macht der Künstler Elias Kurth. Nach ihm zieht die Zeichnerin Karoline Schreiber Ende März in die Räumlichkeiten ein. gro AARAU Forum Schlossplatz, Vernissage: Do, 19. März, 18.30 Uhr Aus der Performance «Signs of Ffff …» von Elias Kurth. Foto: Elias Kurth Auss tellung bis So, 29. März, www.forumschlossplatz.ch 11
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin Konzerte für Entdecker*innen KLASSIK Gibt es einen Anfang und ein Ende? Nicht bei der Aarauer Kammerkonzertreihe «Sonaare». Sie feiert in diesem Jahr das 25-Jahr-Jubiläum mit erlesenen Konzertraritäten. Mit dem pensionierten Kantonsschullehrer und passionier- verpflichtet: Die Jubiläumssaison überrascht mit Konzertrari- ten Musikliebhaber Hans Ulrich Ganz hat alles begonnen: täten. Das Motto der nächsten Veranstaltung in der Aarauer Er hat 1995 die Sommerabendkonzerte im stimmungsvollen Pauluskirche, «Glanzlichter», steht stellvertretend für die ver- Golatti-Keller in Aarau gegründet. gangenen und künftigen Konzerte. Das Besondere daran waren einer- Nicht umsonst haben die vier seits der Zeitpunkt im sogenann- Tenöre, die sich zu I Quattro ten Sommerloch, andererseits der gefunden haben, das Thema frühe Beginn um 19 Uhr sowie die gewählt. Auch sie feiern nämlich – Präsentation junger Talente, die wie «Sonaare» – ein Jubiläum: Das heute zu den Grossen der Klas- Vokalensemble wird zehn Jahre alt, sikszene zählen. Mit «Sonaare» was es mit den «schönsten Melo- gab sich die Konzertreihe einen dien aus zehn Jahren I Quattro» in Namen, der rasch zum Marken Aarau feiern will. Das Repertoire zeichen wurde. Neben den Som- der vier ist mit Volksliedern, Ever- merkonzerten kamen später die greens und populären Melodien Reihen «Podium der Jungen» und aus der Schweiz weit gespannt, «Gäste bei Sonaare» hinzu, in de- was aber auch für das Trio Artemis nen etwa die Cellistin Sol Gabetta, gilt. Dieses wird am 24. April den die Pianisten Oliver Schnyder und musikalischen Bogen von Johann Andrei Gavrilov sowie der Klarinet- Sebastian Bach bis Astor Piazzolla tist Fabio di Casola spielten. Nach spannen und dabei dem Motto 250 Konzerten übergab Hans «Bekannte Miniaturen» Rechnung Ulrich Ganz dann den Stab an das tragen. Von Elisabeth Feller Musikerpaar Kristina Rohn-Mad zarac und Florian Rohn, auf das später die heutige künstlerische AARAU Pauluskirche Leiterin, Daniela Roos-Hunziker, Das Vokalensemble I Quattro schaut auf die Sa, 21. März, 19 Uhr folgte. Auch sie fühlt sich den schönsten Melodien der letzten zehn Jahre zurück. zvg Konzerten für Entdecker*innen Familiensache SOUNDS Der Name hätte daraufhin deuten können, dass die beiden etwas mitein- ander zu tun haben – die Musik, die sie je spielten, kaum. Denn die Sängerin Anna Känzig hat sich mit elektronisch angehauchten Popsongs einen Namen gemacht, während Heiri Känzig seit Jahrzehnten mit seinem Bass die Welt bereist und mit vielen Jazzgrössen gespielt hat. Zwei Mal Känzig und zwei Mal Musik – die beiden mussten irgendwann zusammenspannen! Getroffen haben sie sich in der musikalischen Mitte: Das Duo Känzig-Känzig singt und spielt jazzige Popsongs oder poppige Jazzsongs, luftig und leicht und auf höchs- tem Niveau, wie es bei Künstler*innen dieses Formats nicht anders zu erwarten ist. Begleiten lassen sie sich von zwei Brüdern im Geiste, dem Basler Pianisten Jean-Paul Brodbeck und dem Schlagzeuger Dominik Burkhalter. Musik zum Zurücklehnen und Geniessen! Von Beat Blaser SEON Konservi, Fr, 13. März, 20.15 Uhr Nichte und Onkel: Känzig-Känzig. zvg 12
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Musikalische Wege aus dem Kapitalismus SOUNDS Wortgewandt und mit unersättlichem Ideenreichtum bewegt sich der Berner Rapper Tommy Vercetti zwischen Kunst, Kultur und Politik. Mit seinem neuen Album im Gepäck macht er in Aarau halt. Der treibende Bass lässt die Synapsen zwischen den Ohren auf Hochtouren laufen, während man sich zu der Zeile «U chum: we dir schwindlig isch, dänksch d Wäut geit rund / bisch du froh, geil, satt, gsund, de frag nid nachem Grund» um die eigene Achse drehen möchte. Allerdings ist klar, Tommy Vercetti kann es nicht lassen, diesen Grund zu hinterfragen. Er analysiert und exploriert in seinen Texten unsere Gesellschaft, was durchaus unbequem und beklemmend werden kann – besonders dann, wenn bei den Hörer*innen die Selbstreflexion einsetzt. In «Na 3 Nächt Rapper und Träger des Berner Literaturpreises Tommy Vercetti. Foto: Moritz Keller bis Morn» betreibt der Träger des Berner Literaturpreises aber nicht ausschliesslich Kritik am Ist-Zustand des Wirt- schaftssystems, sondern denkt weiter und deutet verträumt nicht nur eingesottenen Rap-Fans das eine oder andere und erwartungsvoll auf eine Zukunft, die aus dem Heute Kopfnicken. gelernt hat. Die einmalige Kombination von genreübergreifenden Dass er weiterdenkt, zeigt sich nicht erst in den an- Klangwelten, treffender Gesellschaftsanalyse und lyrischen spruchsvollen Zeilen, sondern auch darin, dass die Texte von Exzessen wird dadurch noch bereichert, dass sie mit einer einer herausragenden Klangkulisse getragen werden, die Band umgesetzt wird. Wer wissen will, wie «öppis, wo für Rap mit ihrem Abwechslungsreichtum besticht. Die von Hoffnig git, vorwärts luegt» live tönt, der kann dies im Kiff in Pablo Nouvelle komponierten Stücke harmonieren mit der Aarau erleben. Von Tobias Ackermann Stimme von Vercetti, der in einigen Stücken sogar zu singen beginnt. Die Beats unterstreichen die Schwere der Lyrics, wo es nötig ist, um uns dann mit Soul- und Elektroelementen AARAU Kiff eine Pause zu gönnen. Musikalisch entlockt das Werk somit Sa, 14. März, 21 Uhr Grenzen transzendieren Sarah Chaksad. zvg SOUNDS Sarah Chaksad wird das Potenzial einer Durch- starterin nachgesagt, die sowohl als Orchesterleiterin einer Big Band als auch in kleinen Formationen international zu überzeugen vermag. Wir wagen zu sagen, dass die gebürtige Wohlerin längst durchgestartet ist und auf den Bühnen dieser Welt sicher gelandet ist. Sie transzendiert mit ihren Werken die Grenzen von Jazz, Klassik und Worldmusic und überzeugt durch einen eigenständigen kreativen Stil, dem orientalische Einflüsse herauszuhören sind. Die Saxofonistin macht im Dampfschiff mit ihrem illustren Septett Songlines Zwischen- halt: rhythmisch, verspielt und melodiös. mh BRUGG Dampfschiff Fr, 27. März, 21 Uhr 13
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin «Ich lasse mich in keine Schublade stecken» KLASSIK Christina Daletska ist 35 Jahre jung, steht auf internationalen Podien als Sängerin und als offizielle Botschafterin von Amnesty International. Nun tritt die gebürtige Ukrainerin in ihrer Wahlheimat Schweiz auf – in Aarau. Ihre Stimme ist eine besondere Mischung zwischen Hell in sieben Sprachen führen kann. Nach wie vor tritt Christina und Dunkel, weshalb man keine stimmliche Einordnung Daletska nicht in Ländern auf, die die Todesstrafe kennen. wagt. Christina Daletska lacht: «Ich bin ein Mezzosopran, Singt sie nun mit den Aargauer Vokalisten ein neues Werk aber ich beherrsche ein Instrument, das über drei Oktaven des 22-jährigen Gaudenz Werner Wigger sowie Mozarts umfasst, worüber ich sehr glücklich bin.» Denn dies, so die Requiem, will sie damit auch an jene Menschen erinnern, die Sängerin, erlaube ihr gerade im zeitgenössischen Bereich, Ungerechtigkeit und Gewalt ausgesetzt waren oder sind. auch hochliegende Partien zu singen. Hört man der gebür- Von Elisabeth Feller tigen Ukrainerin zu, die in Lemberg (Lviv) aufgewachsen ist, wird man mitgerissen. Denn die Worte sprudeln nur so heraus aus einer Frau, die als kleines Mädchen zunächst AARAU Stadtkirche, Fr, 6. März, 19.30 Uhr; Sa, 7. März, exzellent Violine spielte. Aber die Liebe zum Gesang wurde 16.30 Uhr und 19.30 Uhr immer stärker, sodass aus Christina Daletska schliesslich eine Sängerin wurde, die auf internationalen Konzert- und Opernpodien zu Gast ist. Mit welchen Partien? «Oh», sagt sie, «ich lasse mich in keine Schublade stecken.» Das heisst: Christina Daletska pflegt eine breite Repertoirevielfalt, in die stetig neue Werke von zeitgenössischen Komponist*innen Eingang finden. Wieder dieses ansteckende Lachen. Doch dann wird die Sängerin ernst, weil sie auf das zu sprechen kommt, was sie bereits als Kind umgetrieben hat: Gerech- tigkeit, Menschenrechte. «In wie vielen Ländern werden sie mit Füssen getreten? Schlimm. Man darf Ungerechtig- keit nie gelten lassen. Deshalb steht jeder von uns in der Pflicht, etwas zu tun.» Sie, die schon in ganz jungen Jahren als «Anwältin» bekannt war, tut etwas, indem sie seit 2013 als Botschafterin für Amnesty International fungiert und in dieser Funktion nicht müde wird, das Publikum bei Konzer- Auf politischer Mission: Klassikstar Christina Daletska.zvg ten auf Missstände hinzuweisen. Oder in Gesprächen, die sie Eine gute Dosis Jazz SOUNDS Jazz von zwölf bis zwölf? Eine Überdosis Jazz im Isebähnli? Ganz so arg ist es nicht, wenn der Verein Jazz in Baden seine vierzigste Saison feiert. Erstens kann man von Jazz keine Überdosis bekommen, improvisierte Musik ist immer neu und spannend. Und zweitens ist es nicht eine Band, die diesen langen Halbtag bestreitet, es sind deren sechs. Das Besondere daran ist, dass in jeder Band Vorstandsmitglieder des Vereins dabei sind. Denn Jazz ist seit jeher Musik der Selbsthilfe, wer spielen will, organisiert am besten seine eigene Konzertreihe. 1980 nahm man diese Idee in Baden wahr, anfangs im Trudelhaus, nachher an verschiedenen anderen Orten, und seit 27 Jahren wird im Stadtbistro Isebähnli während des Winterhalbjahres am Montagabend gejazzt. Mittler- weile ist Jazz in Baden einer der ältesten Jazzveranstalter der Schweiz – wirklich ein guter Grund, um einen halben Samstag lang zu jazzen, was das Zeug hält! bb Ursula Bachmann spielt mit «While Building Our Future» im Isebähnli. zvg BADEN Isebähnli, Sa, 7. März, ab 14.30 Uhr 14
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Von der Geburt eines Museums AUSSTELLUNG Das Museum Langmatt in Baden feiert sein 30-jähriges Bestehen. Josef Bürge, ehemaliger Stiftungspräsident und Stadtammann von Baden, schaut zurück und nach vorn. Das Museum Langmatt mit seinen vielbeachteten Sammlun- gen und den Sonderausstellungen ist ein lebhafter Zeuge des Kunstsinns von Unternehmerfamilien im 20. Jahrhun- dert. Vergleichbare Institutionen finden sich in Winterthur, dem Zürcher Oberland und im süddeutschen Raum. Ingenieur Sidney W. Brown und seine Gattin Jenny Brown- Sulzer pflegten eine private Sammlerleidenschaft. Ihre von Karl Moser erbaute Villa Langmatt wurde mit Kostbarkeiten Vor 30 Jahren wurde die Villa Langmatt in ein öffentliches Museum überführt. zvg des französischen Impressionismus, mit venezianischen Veduten, asiatischer Töpferkunst und Werken der Welt literatur ausgestattet. Aber der breiten Öffentlichkeit blieb Dem Stadtrat war es vergönnt, mit John A. Brown den der seit 1902 bis 1938 fortlaufend erweiterte Kunstschatz Erbgang vorzubereiten und nach seinem Hinschied den weitgehend verborgen. klaren Intentionen zu folgen. Viele engagierte Personen halfen dabei mit. 1990 wurde das «Impressionisten- und Baden erbt Kunstschatz und Verantwortung Wohnmuseum Langmatt» mit der ersten Konservatorin, Frau Dies änderte sich 1990 grundsätzlich. John Alfred Brown, Dr. Eva-Maria Preiswerk-Lösel, eröffnet. Mit der Hilfe weiterer zweiter der drei kinderlos gebliebenen Söhne des Samm- Freiwilliger wurde überzeugende Spurarbeit geleistet und lerehepaars, hatte die Langmatt testamentarisch der Einwoh- das Museum etabliert. nergemeinde Baden vermacht. Dies mit dem Auftrag, eine Stiftung zu gründen, die Langmatt zu öffnen und die Samm- Gesellschaftliche Einbindung lungen wissenschaftlich zu erschliessen. Respekt vor der Nach der anfänglichen Fokussierung auf die hauseige- Bevölkerung und Vertrauen in die Stadt Baden kennzeichnen nen Sammlungen öffnete sich die Stiftung Langmatt. Mit seine Entscheidung. dem internationalen Werkaustausch und dem zunehmen- den Einbezug zeitgenössischen Kunstschaffens erlangte sie eine gefestigte Stellung im Kunstbetrieb. Der Kunsthistoriker Dr. Markus Stegmann fördert mit MIT KRÄFTIGEM HERZSCHLAG seinem Team die eingeschlagene Ausrichtung und die bewusste Sein 30-Jahre-Jubiläum begeht das Museum Langmatt mit einer gesellschaftliche Einbindung der Ausstellung aus seiner reichen Sammlung mit dem sprechenden Titel Langmatt nach Kräften. «Herzkammer». Zu sehen sind neben Meisterwerken des französi- Der Dialog zwischen Überkomme- schen Impressionismus (Cézanne, Degas, Gauguin, Monet …), histo- nem und Neuem ist ein wichtiger risch relevantes Kunsthandwerk und Mobiliar, asiatische Keramik und Teil des Potenzials der Langmatt. Schenkungen zeitgenössischer Künstler*innen der letzten Jahre. Eine nach 30 Jahren fällige sorgsa- Zum Jubiläum setzt sich das Museum mit der eigenen Identität aus me Gesamtrenovation mit allfälliger einander und fragt nach dem «Spirit» des Hauses, dem Kern der Erweiterung kann die Vorausset- Sammlung und nach dem Pioniergeist seiner «Eltern»: Sidney und zungen dafür schaffen, dass in Jenny Brown haben die zu ihrer Zeit kontroversen Werke gesammelt, Zukunft die gesellschaftliche und ohne auf deren Wertentwicklung zu spekulieren – nach dem kulturelle Vernetzung in Musik, Herzen eben. mh Tanz, Theater und Literatur noch verstärkt zum Tragen kommen Petersburger Hängung in der «Herzkammer». zvg wird. Von Josef Bürge BADEN Museum Langmatt Vernissage: Sa, 29. Februar, 17 Uhr, bis 16. August, www.langmatt.ch 15
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin Ungeschönte Geschichten aus dem Arbeitermilieu LITERATUR Paul Haller schrieb ungeschönte, in der sozialen Wirklichkeit verankerte Geschichten. Verschiedene Veranstaltungen gedenken seines 100. Todestages und rufen sein bedeutendes Werk wieder in Erinnerung. Paul Haller wurde 1882 in Rein bei Brugg geboren. Als Pfarrstelle auf und begann ein Zweitstudium in Germanistik, Pfarrer lernte er auf Kirchberg in Küttigen die schwierigen Geschichte, Pädagogik und Psychologie. Er wurde Gymna Lebensumstände der einfachen Landbevölkerung kennen. siallehrer in Schiers und am Lehrerseminar Wettingen. Das Schicksal der Kleinbauern und Fabrikarbeiterinnen Paul Haller schrieb seit seiner Studienzeit – 1912 gelang beeindruckte ihn tief. Er sah sich zunehmend ausserstande, ihm der Durchbruch mit dem 1700 Verse umfassenden der Bevölkerung von der Kanzel herab orthodoxe Moral Epos «s Juramareili». In der Mundart der Region Brugg – sei- zu predigen, während Alkoholsucht und prekäre Arbeits ner Muttersprache – erzählt Haller das Leben der jungen verhältnisse viele Familien bedrängten. 1910 gab er die Fabrikarbeiterin Mareili, die sich tapfer gegen ihre Schwind- sucht wehrt und trotz aller Hoffnung stirbt. Im Gegensatz zu rührseligen zeitgenössischen Romanen mit ähnlichem Inhalt ist dieses Epos hart und sozialkritisch, dabei aber von einer beeindruckenden literarischen Qualität. Zeitlos und eindringlich Auch Hallers zweites grosses Werk, das Theaterstück «Marie und Robert», spielt im Kleinbauern- und Arbeitermilieu. Es handelt ebenfalls von Hoffnung und endet tragisch. Zusammen mit dem «Juramareili» gehört dieser Text zum Besten, was im 20. Jahrhundert in der Schweiz geschrieben wurde. Zusammen mit Hallers Mundartgedichten sind die beiden zentralen Werke auch heute noch lesens- und hörenswert. Sie zeichnen ein Bild der sozialen Lage Anfang des 20. Jahrhunderts, aber sie weisen weit darüber hinaus. In ihrer Ein- dringlichkeit und Tiefe sind sie zeitlos. Hallers literarisches Werk beeinflusste Nachfahren wie Hermann Burger, Hansjörg Schneider, Otto F. Walter oder Peter Bichsel. Paul Haller konnte sein Potenzial nicht ausschöpfen, er starb bereits mit 38 Jahren. In seinem 100. Todesjahr rufen Lesungen, Lesewanderungen und Theater seine Texte wieder in Erinnerung. Beginn ist der Gedenk anlass zum 100. Todestag am 10. März im Literaturhaus Lenzburg. Daneben wurden die wichtigsten Werke Hallers als E-Book verfüg- bar gemacht und ein Wortfächer mit den zent- ralen Mundartausdrücken herausgegeben. Von Dominik Sauerländer LENZBURG Literaturhaus Di, 10. März, 18.45 Uhr Paul Haller schrieb literarisch hochstehende Weitere Veranstaltungen: Sozialkritik. Foto: Staatsarchiv Aargau www.paulhaller.ch 16
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Soundtrack der Gelassenheit SOUNDS Emotionalität und Authentizität dominieren die musikalische Klangwelt von Black Sea Dahu. Nach einer komplett ausverkauften Herbsttour präsentieren die Zürcher*innen im Salzhaus Brugg ihr neues Album. Längst kann Black Sea Dahu nicht mehr als Neuentdeckung gestreamt und verschaffte der Band weit über die Schweizer bezeichnet werden, hat sich die Folkband doch innerhalb Landesgrenzen hinaus eine grosse Bekanntheit; öffnete da- kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Musikexpor- bei Tür und Tor für Auftritte im In- und Ausland. Nach mehr te der Schweiz gemausert. Doch woher der Hype um die als über 100 Konzerten alleine im Jahr 2019 präsentieren Zürcher Combo? «In Case I Fall for You» liefert die Antwort. Black Sea Dahu nun in ihrer «No Fire in the Sand»-Tour das Der Song wurde auf Spotify bereits über vier Millionen Mal neuste Werk. Stillstand scheint also nicht ihr Ding zu sein, vielmehr ist die sechsköpfige Band um Sängerin Janine Ca- threin mit ihrer tief-dunkle Stimme ständig auf Achse. Kaum verwunderlich, dass sich die Musik der Zürcher*innen ideal als Reisebegleiterin eignet. Atmosphärisch und mit Span- nungsbögen versehen, laden die teils überlangen und doch nie langweiligen Stücke zum Schwelgen ein und befeuern das Kopfkino. Gleichzeitig zelebrieren sie die Entschleuni- gung und bieten einen Gegenpol zur Hektik des Alltags. Dabei oszillieren die Songs zwischen Melancholie und Zuversicht, sind treibend und schwebend zugleich. Genauso zweideutig wie die Musik präsentiert sich der Bandname: Black Sea verweist auf Janines Liebe zum Surfen, Dahu bezeichnet ein Fabelwesen aus den jurassischen Bergen mit unterschiedlich langen Beinen, damit es an den steilen Hängen einen besseren Halt findet. Von Philippe Neidhart BRUGG Salzhaus Mi, 25. März, 20 Uhr Janine Cathrein ist der kreative Kopf hinter Black Sea Dahu. zvg Sehnsucht nach Ungebrochenheit SOUNDS Die Theatergemeinde Aarau hat das Ensemble des Altonaer Theaters zu Gast, und gespielt wird eine Romanadaption von Joachim Meyerhoff: «Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war» ist ein Werk mit stark autobiografischen Anlehnungen. Meyerhoff, seinerseits selbst Schauspieler (Burgtheater Wien, Ensemblemitglied Theater Hamburg), wuchs ähnlich auf wie sein Hauptprotagonist: in einer Anstalt. Hier setzt denn auch das Stück an und führt direkt in den Familienalltag in einer psychiatrischen Klinik, die der Vater als konservatives Familienoberhaupt leitet. Dieses Setting garantiert Absurditäten zur Genüge und stellt Normalitätsvorstellungen humorvoll in Frage. Das Familienidyll wird zerbrechen, so viel sei schon verraten. Der Vater, aber auch die Mutter brechen aus der «eigenen» Anstalt aus, der Tod kommt, und alles ändert sich – ein Familiendrama mit beinahe buddenbrookschen Dimensionen. mh AARAU KuK Das Altonaer Ensemble zu Gast in Aarau. Foto: G2 Baraniak Di, 10. März, 20 Uhr 17
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin Schauprozess Nadine Schwitter und Sandra Utzinger in der Rolle der Verena Lehner (v. l.). zvg gegen eine starke Frau BÜHNE Angeklagt wegen Giftmord, trotz frag würdiger Faktenlage verurteilt und öffentlich diffamiert: Das Theater Marie beleuchtet im Stück «verdeckt» das bewegte Leben der Kartenlegerin Verena Lehner aus feministischer Perspektive. Die Geschichte von Verena Lehner hört sich an, als hätte sie sich im Mittelalter ereignet, erinnert an einen Hexenprozess. Doch alles, was jetzt folgt – und mit dem sich die Schauspie- lerinnen Sandra Utzinger und Nadine Schwitter nach dem Text von Ariane Koch mit den Mitteln der Kunst auseinan- dersetzen –, hat sich in den 1920er-Jahren in Suhr ereignet (wie zwei faktenbasierte Publikationen von Rösy von Känel und Kurt Badertscher zeigen). Verena Lehner, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, Mutter von 16 Kindern, Frau eines trunksüchtigen Mannes, lebt durch geschickten Umgang mit Erspartem und durch die erkämpfte Gütertrennung im Ehevertrag in bescheide- nem Wohlstand auf einem Hof im Rynetel, zwischen Suhr- xund Gränichen. Hat sich von der Taglöhnerin zur Hausbe- sitzerin hochgearbeitet. Sie pflegt für ein Nebeneinkommen betagte Menschen, verdient am Kartenlegen für die «besse- re Gesellschaft» aus Aarau gutes Geld und gewinnt an sozi- 1929 wird Verena Lehner wegen Giftmord an zwei ihrer alem Einfluss, der ihr das Wissen über ihre Klientel einbringt. Kostgänger*innen angeklagt. Sie soll ihnen das Essen mit Das macht sie, wie Autorin Ariane Koch beschreibt, «zur Arsen vergiftet haben. Das Gift wird in den Leichen zwar emanzipatorischen Bedrohung für die patriarchale, konser- nachgewiesen, doch der Tatzeitpunkt liegt bereits einige vative Gesellschaft». Zeit zurück. Verena Lehner ist nicht geständig, das Gerichts- verfahren läuft auf einen Indizienprozess hinaus, der grosses öffentliches Interesse weckt – durch sensationalistische Zei- tungsberichte geschürt: Zu Hunderten versammelten sich PODCAST ZUM FALL VERENA LEHNER die Menschen vor dem Rathaus, in dem das Gericht tagt. Ariane Koch, die sich bereits in verschiedenen Produkti- Im mehrteiligen True-Crime-Podcast «Die Giftmörderin von Suhr» onen mit der Frauengeschichte und -verfolgung auseinan- verfolgt der Journalist Pascal Nater die Spuren von Verena Leh- dergesetzt hat, und der Regisseur Oliver Keller beleuchten ner. Er spricht mit dem Autor Kurt Badertscher, der sich durch die Verena Lehners Schicksal aus feministischer Perspektive. vorhandenen Gerichtsakten arbeitete, mit den Schauspielerinnen Mit ihrem Stück ergründen sie Machtbeziehung zwischen und der Autorin Ariane Koch, die sich ebenfalls intensiv mit dem Erzählung und Wahrheit und geben Verena Lehner das Wort, Stoff und den Fakten auseinandersetzen, und den Nachkommen von das sie nie ergreifen konnte. Ihre Haft war lebenslänglich. Verena Lehner. Fakten, Gerüchte und Dokumente werden zu einer Von Michael Hunziker packenden Erzählung verwoben. Der Podcast «zwischen Hörspiel und Dokumentarfilm für die Ohren» (Nater) ergründet das sozial geschichtliche Umfeld und fragt, was es damals bedeutet hat, wenn AARAU Tuchlaube Anfang 19. Jahrhundert eine einfache Frau zu Wissen, Geld und Mi, 4. März, 20.15 Uhr, weitere Spieldaten: Macht gekommen ist. Über allem schwebt die Frage: War es eine www.theatermarie.ch Verschwörung? Man darf gespannt sein, zu welchen Schlüssen die Produktion kommt. mh 18
März 20 Aargauer Kulturmagazin VORSCHAU Werke aus der Backstatt KLASSIK Die Lenzburger Pianistin Judith Flury und der Cellist Andreas Müller führen mit ihrem Programm in das Paris des 20. Jahrhunderts: Sie spielen Werke der berühmten Kompositionslehrerin Nadia Boulanger und ihrer Schwester Lili und zeigen deren «Verwandtschaftsbeziehungen» auf. So galten etwa Gabriel Fauré und Johann Sebastian Bach als Vorbilder für Nadia Boulanger. Mit Igor Strawinskys berühmter «Suite italienne» und Liedern von Claude Debussy und Charles Kochelin erhalten auch andere zur gleichen Zeit aktuelle musikalische Einflüsse ihren Raum. Moderiert wird die Soirée von Andreas Müller-Crepon (Radio SRF 2). Der Abend lässt die legendären Treffen in der «Boulangerie», bei denen die Komponistin, Pianistin, Organistin, Dirigentin und Pädagogin regelmässig Student*innen und Mu sikerpersönlichkeiten um sich versammelte, wiederaufleben. mh Judith Flury, Andreas Müller. zvg NIEDERWIL Reusspark, Fr, 20. März, 19 Uhr «Der böse Onkel» von Urs Odermatt. Foto: Filmstill Provokative Radikalität SOUNDS Die alleinerziehende Mutter Trix ist vor zwölf Jah- ren in ein Aargauer Dorf gezogen. Als ihre Tochter berichtet, wie der allseits beliebte Sportlehrer seine Schülerinnen angafft und sie im Schwimmunterricht begrabscht, beginnt für die Zugezogene ein schier aussichtsloser Kampf gegen die herrschenden Missstände. «Der böse Onkel» des Filme- machers Urs Odermatt setzt sich auf grotesk-witzige Weise mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs auseinander und zelebriert die Radikalität sowohl in der collagenartigen Erzählweise als auch in der Montage; idealer Stoff also für das Royal Scandal Cinema. Eingeführt wird der Abend durch Claus Löser, Filmwissenschaftler und Kurator in der Brot fabrik Berlin. phn BADEN Royal, Do, 5. März, 20 Uhr, So, 15. Oktober, 17 Uhr Zwei Wiederentdeckungen nen an dem Abend Mendelsohn und dem Innerschweizer Joachim Raff, der seinerzeit von Mendelsohn gefördert KLASSIK Ein hochstehendes Amateurorchester, das Werke wurde. Ein Hör-Erlebnis! mh spielt, die selten bis nie aufgeführt werden: Das tönt nach einem Geheimtipp. Für das Orchester Sinfonia Baden selbst trifft dieses Attribut zwar nicht zu – seit Jahrzehnten macht BADEN BBB Aula Martinsberg es sich mit der Förderung junger Nachwuchstalente einen Sa, 21. März, 19.30 Uhr guten Ruf –, umso mehr aber für sein aktuelles Programm. Im Rahmen des Zyklus «Heimat» präsentieren Roman Blum und das Orchester mit der Ennetbadener Solistin Fränzi Frick Werke mit Bezug zum Schweizer Mittelland. Dabei stehen zwei (Wieder-)Entdeckungen im Zentrum: Robert Blums Vio linkonzert und Stücke von Hans Jelmoli. Blum war berühmt für seine Filmmusiken, etwa zu «Matto regiert» und «Ueli der Pächter». Der aus der Warenhausdynastie stammende Jelmoli schrieb Werke, die durch die damalige Volksmusik inspiriert waren. Die Stücke der beiden Komponisten begeg- Roman Blum und das Orchester Sinfonia Baden. zvg 19
VORSCHAU März 20 Aargauer Kulturmagazin Free Jana! Zum Neunzigsten die Siebziger Abheben Die Udo-Jürgens-Story Im Nachgang zu ihrer Reportage Zum 90. Geburtstag von Franz Da Abstecher in luftige Höhen Diese aussergewöhnliche Hom- aus einer Hausbesetzung in Luzern Gertsch schenkt das Museum heuer ökologische Gewissensbisse mage an den Grandseigneur wurde Journalistin Jana Avanzini im Franz Gertsch dem Burgdorfer en masse mit sich bringen, bietet der Unterhaltungsbranche Udo letzten Jahr wegen Hausfriedens- Künstler die Ausstellung «Franz das Gewerbemuseum Abhilfe für Jürgens ist verpackt in einen bruch erstinstanzlich verurteilt. Die Gertsch. Die Siebziger». Zu sehen Flugfanatiker*innen. Anna Rubins kurzweiligen und unterhaltsamen Journalistin kämpft nun vor dem sind einflussreiche Werke wie «Ma- Installation «In die Luft gebaut» Konzertabend. «Die Udo Jürgens Kantonsgericht für ihr Recht auf rina schminkt Luciano», «Medici» lässt Fliegerherzen höher schla- Story» ist in Schaan zu Gast. freie Berichterstattung. Doch oder das Porträt von Patti Smith. gen. Künstlerin und Drachenbau- Ein grosser Erinnerungsabend für Rechtbekommen ist nicht gratis, Zeitgleich sind Werke des Künst- erin Rubin kombiniert mit ihren alle Udo-Jürgens-Fans, der begeis- deshalb steigt im Luzerner Parterre lers Luciano Castelli zu sehen, Flugobjekten Handwerk und tert und verzaubert. nun eine Benefizparty. Diskussions- einem der wichtigsten Protagonis- Tradition. In zwei Workshops kann podium, Konzert und Party; so ten auf Gertschs Bildern der 70er. man zudem auch selbst lernen, SCHAAN SAL, Do, 26. März, macht der Kampf für Pressefreiheit schwerelos abzuheben. 19.30 Uhr Spass! BURGDORF Museum Franz Gertsch, Vernissage: Fr, 20. März, WINTERTHUR Gewerbemuseum, LUZERN Parterre 18.30 Uhr, bis 16. August Vernissage: Sa, 29. Februar, Sa, 7. März, 19 Uhr bis So, 16. August Blicke auf den Klimawandel Wohnideen wiederbeleben Frühling! Fortschritte im Toggenburg Die Zukunft unseres Planeten und Das Vitra Design Museum blickt Zum vierten Mal organisieren der Vor einem Jahr öffnete das damit der Menschheit scheint in mit «Home Stories» auf die Ent- Verein Waldstock und die Zuger «Rathaus für Kultur» seine Türen. Gefahr. Dass sich das Klima verän- wicklung des Interieurs seit 1920 Gastrobetriebe das Frühlingsfestival Viele Ausstellungen, Konzerte und dert, ist ein Fakt. Aber was genau zurück und beleuchtet dabei das und ermöglichen Kulturgenuss Lesungen fanden seither statt, im wissen wir über den Klimawandel? Phänomen Einrichtungsgestaltung zum Spottpreis, nämlich gratis. Keller wurde getanzt, im Estrich Welchen Prognosen können wir sowohl historisch als auch mit aktu- Seit seinen Anfängen im Jahr 2017 Kunst bestaunt – mit Gästen aus vertrauen? Welche Auswirkungen ellen Ansätzen. Anhand von Fotos, mit neun beteiligten Beizen hat aller Welt. Das soll gefeiert werden, hat der Klimawandel auf uns und Filmen, Dokumenten, Objekten und sich das Festival mittlerweile auf mit einer grossen Sause, einer unseren Lebensstil? Mit Fachleu- Modellen startet die Suche nach 15 Veranstaltungsorte ausgeweitet. Plakatausstellung und einer fetten ten wird der Klimawandel an den einer Antwort auf die Frage, wohin Das Konzept ist genauso simpel Afterparty. Der Sound dazu kommt öffentlichen Ringvorlesungen die Wohntrends sich entwickeln wie gut: Durch die Altstadt von Rapper Daif, MoreEats, den aus verschiedenen Perspektiven angesichts von Bevölkerungszu- flanieren, etwas essen und KulturKonsumenten und beleuchtet. nahme und Ressourcenknappheit. gute Musik hören. DJ Nexus 2000. OLTEN FHNW, jeden Dienstag, WEIL AM RHEIN Vitra Design ZUG Altstadt, LICHTENSTEIG März–Mai, 17.15 Uhr, Di, 24. März: Museum, bis 23. August Fr, 27. März, 17 Uhr Rathaus für Kultur, Laurin Buser, Slampoet Sa, 7. März, 19 Uhr 20
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