Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern

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Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
Bibliotheksforum
                                Magazin
                                4 / 2021
Bayern

                                           Co.Libri –
                                           ein Literaturfestival
                                           bekommt (virtuelle) Flügel
 15. Jahrgang | November 2021
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
Die Medizinische Lesehalle der
                                         Universitätsbibliothek der Ludwig-
                                         Maximilians-Universität München
                                         am Beethovenplatz

                                         Schwarz sind die Wände des Kuppel­
                                         saals der Medizinischen Lesehalle.
                                         Sie spiegeln sich in den abertausen­
                                         den Kristallkugeln des Lüsters und
                                         verleihen dem Raum mit seinen Licht­
                                         kuppeln schlichte Eleganz und Moder­
                                         nität. Zugleich verweisen sie auf die
                                         Geschichte des Gebäudes, das 1913
                                         von dem Architekten Emanuel von
                                         Seidl für den Theaterdirektor und
Beschreibung von                         Kunstsammler Franz Joseph Brakl als
Dr. Klaus-Rainer Brintzinger, Direktor
                                         Galerie errichtet wurde. In der Welt­
der Universitätsbibliothek der Ludwig-
Maximilians-Universität München          wirtschaftskrise notleidend geworden,
                                         musste Brakl das Gebäude 1930 ver­
                                         äußern, das dank der Stiftung einer
                                         amerikanischen Mäzenatin von der
                                         Universität übernommen wurde und
                                         fortan als „Medizinische Lesehalle“
                                         eine Außenstelle der Universitäts­
                                         bibliothek bildete.

                                         Über neun Jahrzehnte hinweg hat
                                         der Jugendstilbau seine Funktion als
                                         Bibliothek beibehalten. Den Glanz
                                         vormaliger Zeiten brachte aber erst
                                         eine Kernsanierung in den Jahren
                                         2011 – 2013 zurück. Die besondere
                                         Historie dieses Jugendstil-Gebäudes
                                         zu würdigen, aber seine Nutzung mo­
                                         dern zu interpretieren, war das Ziel.
                                         Seitdem präsentiert sich die Medizi­
                                         nische Lesehalle als eine moderne
                                         und zugleich besonders ästhetische
                                         Bibliothek, deren 165 Leseplätze den
                                         unterschiedlichen Lern- und Arbeits­
                                         bedürfnissen mit Loungezonen und
                                         Einzelarbeitsplätzen genügen, die
                                         mit Selbstverbuchungsautomaten
                                         und RFID-Technologie alle Anforde­
                                         rungen zeitgemäßer Bibliotheksnut­
                                         zung erfüllt und heute wegen ihrer
                                         besonderen Aufenthaltsqualität einer
                                         der attraktivsten und meist frequen­
                                         tierten Standorte der Universitäts­
                                         bibliothek ist. Die Medizinische Lese­
                                         halle ist ein Lernort und erzählt
                                         dabei viel von ihrer Geschichte.
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
Bibliotheksforum Bayern                                                                           3

Liebe Leserin,
lieber Leser
       Lese !
Noch im Sommer und Frühherbst schien die Welt
aus der Starre zu erwachen, in die uns die Corona-
Pandemie seit über 18 Monaten bereits zwingt:
allerorten wurde wieder geplant und organisiert.
Zwischenzeitlich meinten wir fast, ein Ende der
epidemischen Lage sei möglich. So waren auch die
staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pan­
demie erheblich gelockert worden. Ganz gleich,
was die nächsten Wochen bringen: Es wird Zeit für
Rück- und Ausblicke. So liefert das vorliegende
Bibliotheksforum Bayern viele Beispiele für das
Anwachsen digitaler, aber auch für das Wiederer­
wachen analoger Bibliotheks­angebote aller Art –
und der Mischung von beidem: So hat im April mit
einem Jahr Verspätung das Straubinger Literatur­       Darüber hinaus gibt es neue Initiativen zur Förde­
festival ‚Co.Libri‘ stattgefunden. Nicht nur später,   rung von Demokratie in der Gesellschaft und der
sondern angesichts der jüngsten Erfahrungen in er­     Rolle der Bibliotheken in diesem Kontext; diese
weitertem Format, als Hybridveranstaltung. Biblio­     haben aufmerksamkeitsstarke Titel wie ,Bitte stö­
theken haben in der Pandemie den Kopf nicht in den     ren!‘, siehe Tom Beckers Bericht in diesem Heft.
Sand gesteckt, sondern neu gedacht. Genauso die        Und nicht zuletzt bringen verschiedene Projekte
Staatsbibliothek Bamberg, welche die „Krise als        neues Forschungsmaterial hervor, z. B. ermöglicht
Chance“ sah und Online-Vorträge jetzt verstärkt zur    die DFG-Förderung einer bundesweiten Kooperation
Vermittlung von Wissen nutzt und Hybridformate         umfangreiche Digitalisierungen von Kinder- und
für die Zukunft ebenfalls schon in den Blick nimmt.    Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts, zu der die In­
                                                       ternationale Jugendbibliothek als Beteiligte einen
Statt im Lockdown in Lethargie zu verfallen, nutzten   Artikel beisteuert.
viele Häuser die Zwangspause: Einige stellten z. B.
auf eine benutzerfreundliche Klartext-Systematik       Zu aller Betriebsamkeit gehören auch Abschiede.
um, andere verbesserten ihre technische Ausstat­       So wird zum Eintritt in den Ruhestand zwei regen
tung, boten Lieferdienste oder ‚Click & Collect‘ an    Persönlichkeiten der BSB Tribut gezollt: Dr. Helga
u. v. m., wie Ute Palmer in ihrem Bericht ,Verände­    Rebhan und Klaus Kempf, zu denen der Begriff
rung ad hoc‘ aufzeigt. Das Spektrum der Aktivitä­-     „Ruhestand“ allerdings nicht wirklich passt.
ten reicht von Renovierungen – eine solche führte
etwa die Gemeindebibliothek Neubiberg durch und        Lassen auch Sie sich nicht den Elan nehmen – pla­
rea­lisierte zusätzliche Räume für Kleinkinder und     nen Sie weiter! Denn irgendwann wird die Pandemie
Jugendliche – bis zur Verleihung von Förderpreisen,    ein Ende finden! Jetzt wünsche ich Ihnen aber erst­
gestiftet z. B. vom Bayernwerk für Kinderbibliothe­    mal viel Spaß beim Lesen dieses Heftes. Es zeigt ein­
ken. Zeugnisse für die Vitalität der Bibliotheken      drucksvoll auf, was in unseren Bibliotheken in den
gibt es also reichlich.                                vergangenen Monaten trotz aller Herausforderun­
                                                       gen möglich gemacht wurde!

                                                       Ihr Peter Schnitzlein
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
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Inhalt
                                                                                 32
                                           28 Aschaffenburger Kulturerbe
                                              in bavarikon
                                              Florian Sepp

                                           32 Co.Libri – ein Literaturfestival
                                              bekommt (virtuelle) Flügel
                                              Straubinger Festival fand
                                              aufgrund von Corona online statt
                                              Regina Herbst

                                           36 „Wer macht mir meinen
                                              Schaden gut?“

21                                             Der Sekretär der Münchner
                                               Kunstakademie Rudolf Marggraff
                                               und seine Sammlung von
      6 Colibri – Corpus Libri et Liberi      ­Künstlerbriefen
                                              Dr. Maximilian Schreiber
        Digitalisierung von
        Kinder- und Jugendliteratur
        des 19. Jahrhunderts –
        ein DFG-gefördertes Projekt
        Katja Wiebe und Jutta Reusch

     10 Gemeindebibliothek
        Neubiberg – frisch renoviert
        und neu ­gestaltete Kinder­
        bibliothek
        Claudia Hagel

     14 Facing the Balkans
        Südosteuropa in Fotografien
        von Harald Schmitt
        Caroline Finkeldey
                                              10
     21 Corona –
        die Krise als Chance
        Online-Vorträge der Staats­
        bibliothek Bamberg
        Prof. Dr. Bettina Wagner

     24 Veränderung ad hoc
        Die Pandemie als Katalysator
        für Veränderung
        Ute Palmer
                                                                                      28
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Bibliotheksforum Bayern                                                                       5

                                                                59 Klaus Kempf zum Abschied
                                                                   Dr. Monika Moravetz-Kuhlmann

                                                                62 Bitte stören!
                                                                   Warum demokratiepolitisches Engagement
                                                                   ganzjährig wichtig ist
                                                                   Dr. Tom Becker

                                                                66 Kurz notiert

                           56                                   73 Termine

                                                                74 Impressum und Bildnachweise
40 ,,Der Erwählte“
   Hans Ludwig Helds Wahl zum                                   75 Autorinnen und Autoren der Ausgabe
   Stadtbibliothekar vor 100 Jahren
   Dr. Gerhard Hölzle
                                                                                                            49
44 Bayernwerk Kinderbibliothekspreis
   Engagement bayerischer Bibliotheken
   wird ausgezeichnet
   Norbert Hellinger, Christin Stegerhoff, Susanne Zacharias,
   Sabine Adolph und Christina Schnödt

49 Ein Interview zum Abschied
   Helga Rebhan und Dorothea Sommer
   im Gespräch

56 Sichtbar im Touchpoint
   Die Gandersheimer Barockbibliothek
   aus dem Kloster Brunshausen
                                                                „Eine wehrhafte Demokra-
   Dr. Silvia Pfister                                            tie braucht Institutionen,
                                                                 die Debattenkultur unter-
                                                                 stützen und Position
                                                                 bezie­hen. Bibliotheken
                                                                 sind hier aufgerufen, sich
                                                                 aktiv als Institution der
                                                                 politischen Bildung zu
                                                                 verstehen.“
                                                                 Tom Becker

                                       59

                                                                                                  40
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
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Colibri –
Corpus Libri et Liberi
Digitalisierung von Kinder-
und Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts –
ein DFG-gefördertes Projekt

Ausgaben von „Brauseköpfchen“
von Hedwig Prohl von 1899 und 1900
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
Bibliotheksforum Bayern                                                                                             7

              Im Rahmen des Projekts ‚Colibri: Digitalisierung von       i­nteressierte Nutzerinnen und Nutzer aus aller Welt
              Kinder- und Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts‘           die Möglichkeit haben, Zugang zu umfangreichen
              bauen die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer          kinder- und jugendliterarischen Datenmengen zu
              Kulturbesitz, die Universitätsbibliothek der Techni­        ­erhalten und diese auszuwerten.
              schen Universität Braunschweig und die Univer­
              sitätsbibliothek Bielefeld sowie die Internationale        Das Projektkonsortium wird von einem neunköp­
              ­Jugendbibliothek München eine digitale Sammlung           figen Beirat unterstützt, der den antragstellenden
               deutschsprachiger historischer Kinder- und Jugend­        Einrichtungen in bibliothekarischer, literatur- und
               literatur auf. Das Projekt wird von der Deutschen         buchwissenschaftlicher, sprachtechnologischer und
               Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und                informationstechnischer Hinsicht beratend zur Seite
               ­startete im Juni 2021 mit einem virtuellen Kick-­Off-­   steht. Darüber hinaus wird das gesamte Projekt mit
                Meeting.                                                 seinem Fokus auf die Literatur- und Informations­
                                                                         versorgung der Wissenschaft von Literaturwissen­
              Der Projektrahmen                                          schaftlerinnen und -wissenschaftlern der Univer­
            Die vier oben genannten Einrichtungen und Projekt­           sitäten Bielefeld und Leipzig begleitet.
            partner verfügen auf dem Gebiet der histori­schen
            Kinder- und Jugendliteratur deutschlandweit über             Voraussetzungen und praktische Umsetzung
            sehr umfangreiche und wertvolle Buchbestän­de. Für           des Colibri-Projekts
            das ‚Colibri‘-Projekt sollen aus diesen Kollektionen         Ein solches Kooperationsprojekt von vier Bibliothe­
            15.000 bibliographische Einheiten digitalisiert wer­         ken bedarf guter Planung und Vorbereitung. Seit
            den. Der Erscheinungszeitraum der Einheiten liegt            März 2020 tauschen sich die Kooperationspartnerin­
            zwischen 1801 und 1914. Damit knüpft das Projekt             nen regelmäßig in Videokonferenzen untereinander,
                                          einerseits an die von der      aber auch mit Mitgliedern des Beirats aus. Die Pro­
                                          DFG ­geförderte Digita­-       jektpartnerinnen legten Arbeitsschritte sowie Re­
                                          li­sierungsstrategie für       geln für die Erfassung und Bearbeitung der 15.000
 Sie werden in einem                      Drucke des 18. Jahrhun­­       zu digitalisierenden Kinder- und Jugendbücher fest.
­Online-Portal zusammen-                  derts im Rahmen des
                                          ‚Verzeichnisses der im
 fließen, das die digita­                 deutschen Sprachraum
 lisierten historischen                   erschienenen Drucke

 Kinder- und Jugendbücher des                   18. Jahrhunderts
                                          (VD 18)‘ an; andererseits
 präsentiert und damit                    schließt es eine L­ ücke
                                          zu den im Projekt ‚Euro­
 sichtbar und uneinge-                    peana Collections
 schränkt frei nachnutzbar                1914 – 1918‘ digitalisier­
                                          ten Kinder- und Jugend­
 macht.                                   büchern.

              Die Ergebnisse des Colibri-Projekts leisten damit
              ­einen wichtigen Beitrag zur Bildung eines Korpus
               zur Erforschung deutschsprachiger historischer Kin­
               der- und Jugendliteratur des sogenannten ‚Langen
               19. Jahrhunderts‘ 1 mittels Methoden der ‚Digital
                                                                            Auswahl historischer Bücher für das Colibri-Projekt
               ­Humanities‘. Sie werden in einem Online-Portal zu­
                sammenfließen, das die digitalisierten historischen
                Kinder- und Jugendbücher präsentiert und damit
                sichtbar und uneingeschränkt frei nachnutzbar
                macht. Die Digitalisate der historischen Kinder- und
                Jugendbücher werden mit Meta- und Strukturdaten
                versehen, auch sollen durch Optical-Character-­
                Recognition-Verfahren (OCR-Verfahren) Volltexte
                erstellt werden, um umfassende Recherchemittel
                für die wissenschaftliche Analyse des Korpus bereit­
                zustellen. Auf diese Weise sollen Forschende und
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
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                                                                                           Bilderbuch-ABC von ca. 1880

    Allen Arbeitsschritten des Projekts liegen die ‚Praxis­    Zu Beginn des Projekts führen die Bibliotheken in
    regeln Digitalisierung‘ der DFG zugrunde 2. Die Pro­       Berlin, Bielefeld, Braunschweig und München in
    duktion und Speicherung der kinder- und jugend­            ­Abstimmung zunächst eine Dublettenkontrolle der
    literarischen Digitalisate erfolgen in den Digitalisie­     ­für das Projekt ausgewählten Bestände durch. Mit
    rungs-Workflow-Systemen Kitodo bzw. Goobi. Beide             der Überprüfung soll sichergestellt werden, dass
    Plattformen basieren auf den XML-basierten LOC-­             identische Exemplare aus den verschiedenen Ein­
    Metadaten-Standards METS und MODS, implemen­                 richtungen nicht doppelt digitalisiert werden. Die
    tieren weitgehend identische Strukturdatenregel­             ausgewählten Bestände werden weiterhin darauf
    sätze und sind beide mit dem ‚DFG-Viewer‘ 3 ­kom­pa­-        geprüft, inwieweit bereits im Web frei zugängliche
    ­t­­ibel, in dem die digitalisierten Kinder- und Jugend­     und qualitativ hochwertige Digitalisate vorhanden
     bücher angezeigt werden.                                    sind, sodass die entsprechenden Kinder- und
                                                                 ­Jugendbücher für das Colibri-Projekt nicht ein
    In das Colibri-Projekt fließen nur Buchbestände ein,          ­zweites Mal gescannt werden müssen.
    die bereits nach bibliothekarischen Standards er­
    fasst worden sind, sodass die zu digitalisierenden         Darüber hinaus wird überprüft, in welchem Umfang
    Bestände der vier Bibliotheken eingegrenzt, gesich­        mit urheberrechtlich geschütztem Material bzw.
    tet und verglichen werden können. Damit wurde              Material, dessen urheberrechtliche Situation nicht
    ­sichergestellt, dass Katalogdaten vorhanden sind,         eindeutig zu klären ist, gerechnet werden muss,
     die in den jeweiligen Verbundsystemen nachgenutzt         da dieses Material für das geplante Projekt ausge­
     werden können.                                            schlossen werden sollte.
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
Bibliotheksforum Bayern                                                                                                9

             An diese Vorabkontrollen schließt sich dann die          Die teilnehmenden Bibliotheken freuen sich, im
             ­Vorbereitung der Bestände an, die in mehreren Lie­      ­Zuge des Colibri-Projekts erstmals ein umfang­
              ferungen an einen Scan-Dienstleister gehen und           reiches spezifisch kinder- und jugendliterarisches
              dort nach und nach digitalisiert werden sollen.          Text-Korpus aus dem ‚Langen 19. Jahrhundert‘
              Nach dem Ausheben der Bücher aus den jeweiligen          ­bereitstellen zu können, das im Rahmen der Digi­
              Lagern und Magazinen müssen die Bücher auf ihren          tal-Humanities-Entwicklung in der deutschsprachi­
              konservatorischen Zustand geprüft werden, d. h.           gen Forschungslandschaft als Quelle für die histo­
              ­daraufhin, ob der Zustand eine Digitalisierung über­     rische Kinder- und Jugendliteraturforschung sowie
               haupt zulässt. Lose Blätter oder Buchlagen sowie         verwandte Forschungsbereiche dienen kann.
               ein eingeschränkter Öffnungswinkel der Bücher
               ­erschweren oder verhindern gar die Eignung.           Von Katja Wiebe und Jutta Reusch
                                                                      Katja Wiebe ist die Koordinatorin des Colibri-­
                                       Nach dem Scannen der
Die voraussichtlich 5.000              Bücher bei den Dienst­
                                                                      Projekts für die Internationale Jugendbibliothek.
                                                                      Jutta Reusch ist Leiterin der Bibliothekarischen
Bände, die die Internatio-             leistern werden jeweils        Dienste in der Internationalen Jugendbibliothek.
nale Jugendbibliothek aus eine               Qualitätskontrolle
                                       und möglicherweise
ihren großen Beständen                 Reklamationen fehler­

zu dem Projekt beisteuern hafter              Scans durch die
                                       Bibliotheken erfolgen.
wird, sollen nicht nur auf             Als weitere Arbeits­
                                       schritte schließen sich
dem Projekt-Portal, son-               die Meta- und Struktur­
dern auch in der Virtuellen datenerfassung der
Bibliothek Bayern gehostet Digitalisate             sowie das
                                       Implementieren einer
und präsentiert werden.                automatischen Text­
                                       erkennung auf Basis von
                                       optischer Zeichenerken­
           nung an. Es folgen die Präsentation der digitalen
           Ausgaben mittels des DFG-Viewers sowie die Lang­
           zeitsicherung der Daten.

             Zur ersten Präsentation der Digitalisate, Metadaten
             und Volltexte soll in den letzten Abschnitten des
             Projekts ein ­Online-Portal angelegt werden. In die­
             sem Projekt-Portal werden die Daten aller beteilig­
             ten vier Bibliotheken zusammengeführt. Bereits
             jetzt verfügt das Projekt über eine eigene Website
             (www.colibri-portal.eu). Die voraussichtlich 5.000
             Bände, die die Internationale Jugendbibliothek aus
             ihren großen Beständen beisteuern wird, sollen
             nicht nur auf dem Projekt-Portal, sondern auch in
                                                                                    1
                                                                                        Der Erscheinungszeitraum der Einheiten
                                                                                        liegt zwischen 1801 und 1914, also in dem
             der Virtuellen Bibliothek Bayern gehostet und prä­
                                                                                        Zeitraum des sogenannten ,Langen
             sentiert werden. Ein Workshop, der die Ergebnisse                          19. Jahrhunderts‘.
             der Forschenden-Community vorstellt, wird zum                          2 www.dfg.de/formulare/12_151/12_151_
             Abschluss des Projekts stattfinden.                                      de.pdf
                                                                                    3
                                                                                        http://dfg-viewer.de
Co.Libri - ein Literaturfestival bekommt (virtuelle) Flügel - Magazin - Bibliotheksforum Bayern
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                 Gemeindebibliothek Neubiberg –
                 frisch renoviert und
                 neu gestaltete Kinderbibliothek

Kinderbereich für die Kleinsten

                                                  Die Gemeindebibliothek Neubiberg befindet sich
                 Nach Abschluss der umfassenden   seit 1980 im ,Haus für Weiterbildung‘ in zentraler
                 Sanierung ist die Gemeinde­      ­L age am Rathausplatz. Der Zugang zur Bibliothek
                                                   und zu allen anderen Räumen im Haus ist barriere­
                 bibliothek wieder zurück am       frei. Das Gebäude fasst Gemeindebibliothek,
                 ­Rathausplatz                     ­Gemeindearchiv, Volkshochschule, Sitzungs-, ­­
                                                    Büro- und Veranstaltungsräume unter einem Dach
                                                    zu­sammen. In den nächsten Jahren wird auch die
                                                    Musikschule in das Bürgerhaus einziehen. Eine erste
Bibliotheksforum Bayern                                                                                      11

             Modernisierung der Bibliothek erfolgte 2004. Von          oder in Ruhe eine der drei Tageszeitungen lesen.
             2018 bis Frühjahr 2021 wurde das Haus für Weiter­         Des Wei­teren werden 75 Zeitschriften zum Lesen
             bildung ­generalsaniert. Während dieser Zeit bezog        vor Ort a
                                                                               ­ ngeboten.
             die Gemeindebibliothek ein Interimsquartier am
             Bahnhofsplatz.                                            Vom Lesecafé aus eröffnet sich der Blick auf das
                                                                       Herzstück der Bibliothek, die Regalreihen, bestückt
             Vorüberlegungen                                           mit rund 27.000 Medien unterschiedlicher Genres.
           Die Anforderungen an die Gestaltung und Einrich­            Romane, Sachbücher und Erzählungen sind nach
           tung der Bibliothek waren vielfältig: mehr Arbeits­         verschiedenen Interessensgebieten, z. B. ‚Tatort
           plätze, verbesserte technische Ausstattung, zahl­           Bayern‘, ‚Historisches‘, aufgestellt und alphabetisch
           reiche attraktive und bequeme Sitzgelegenheiten             sortiert. Zwischen den Regalbrettern finden sich im­
           zum Lesen und Stöbern, Lesecafé mit Lounge­                 mer wieder schräg angelegte Fächer, in denen Neu­
           bereich, separater Jugendbereich und eine erwei­            erscheinungen oder Bestseller besonders zur Gel­
           terte und völlig neu konzipierte Kinderbibliothek.          tung kommen. Für die Medienrecherche stehen zwei
           Die B­ esucher*innen sollen sich wohlfühlen und ihre        fest installierte Touchpads und ein Sitz-OPAC bereit.
           ­Bibliothek als offenen kulturellen und sozialen
            Treffpunkt erleben. Ausgehend von dieser Prämisse          Kleinere Veranstaltungen können in der Kinderbib­
            erarbeiteten Innenarchitektinnen ein passendes             liothek und im Bereich des Zeitschriften-Lesecafés
            Konzept, welches die unterschiedlichen Interessen          stattfinden. Für größere Veranstaltungen stehen der
            der Bibliotheksnutzer*innen berücksichtigt. Das            Bibliothek ein schöner und technisch voll ausgestat­
            Ganze wird unterstützt durch eine ausgeklügelte            teter Veranstaltungsraum im 2. Obergeschoss des
                                        Kombination an Materi­         Hauses sowie die Aula der Grundschule Neubiberg
                                        alien, Farben und Licht,       zur Verfügung.
Heute sind Bibliotheken                 die wunderbar mitein­
                                        ander harmonieren.             Zeitgemäßes Lernen
gesellschaftliche und kul-              Dies ist beim Betreten         Der Klassiker unter den Lernorten ist und bleibt
turelle Treffpunkte. Biblio- der Bibliothek sofort zu                  die Bibliothek. Daher war die Schaffung von mehr
                                        spüren: Ein modernes           Arbeitsplätzen bei der Raumplanung ein zentrales
theken sind Kommunika­                  und differenziertes            Thema. Für stilles Arbeiten, Lernen oder die Vor­
tionsorte und gefragte                  Raumkonzept sorgt für          bereitung eines Referats sind sieben Arbeitsplätze
                                        eine hohe Aufenthalts­         sowie zwei PC-Plätze samt Farbdrucker vorhanden,
Lernorte.                               qualität.                      selbstverständlich mit Stromanschluss und kosten­
                                                                       freiem Internet. Die Lernorte befinden sich etwas
             Ausleihen und Aktuelles erfahren                          versteckt hinter Regalreihen und somit abgeschirmt
              Beim Betreten der Bibliothek fällt sofort der groß­      von Geräuschen. Das ermöglicht ein konzentriertes
              zügige Thekenbereich auf. Dieser ist in einem            Arbeiten.
              ­ruhigen Grauton gehalten. Farbliche Akzente in
               Rot ­setzen sich ab und verleihen dem Raum Wärme
               und Lebendigkeit. Im Thekenbereich präsentiert
               die B
                   ­ ibliothek auf einem Flachbildschirm aktuelle
               ­Meldungen auf digitale Weise und gegenüber auf
                Präsentationsschienen ihre Neuerscheinungen
             ­klassisch analog.

             Treffpunkt Bibliothek
             Früher kamen die Leute nur zum Ausleihen in die
             ­Bibliothek. Das ist schon lange Geschichte. Heute
              sind Bibliotheken gesellschaftliche und kulturelle
              Treffpunkte. Bibliotheken sind Kommunikationsorte
              und gefragte Lernorte. Ein Pluspunkt der neuen
              ­Bibliothek ist das Zeitschriften-Lesecafé mit attrak­
               tiven Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich. Hier
               können die Besucher sich zwanglos bei einer Tasse
               fairem Kaffee mit Bekannten und Freunden treffen
                                                                          Großzügiger und einladender Eingangsbereich
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                                                                         Spielen, lesen und lauschen
     Kenndaten zur Gemeindebibliothek Neubiberg
                                                                         in der Kinderbibliothek
     Bibliothek            Gemeindebibliothek Neubiberg                  Ein absoluter Zugewinn für die neue Bibliothek
     Einwohner             15.026                                        ist ein eigens für Kinder gestalteter Bereich: die
                                                                         ca. 90 qm große Kinderbibliothek. Mit dem Kinder­
     Landkreis             München
                                                                         bereich erfährt die Bibliothek eine beachtliche Er­
     Bauherr               Gemeinde Neubiberg                            weiterung ihrer Fläche. Dort, wo sich früher Büros
     Bauplanung            BH Architekten                                der Beschäftigten der Bibliothek befanden, können
                           RS Ingenieure                                 nun Kinder – vom Krabbelalter an – spielen, Bücher
                           Innenarchitekturbüro Nett & Siebe             entdecken, sich vorlesen lassen oder schon selbst
     Bauzeit               Oktober 2018 – Dezember 2020                  ihre ersten Leseversuche starten. Die liebevolle
     Baukosten             anteilsmäßig ca. 650.000 Euro                 und kindgerechte Gestaltung lädt dazu ein, voll
                                                                         und ganz in die Welt der Bücher einzutauchen. Auf
     Gebäude               Haus für Weiterbildung –
                           Generalsanierung
                                                                         dem Boden, direkt in Greifhöhe, stehen farbige Trö­
                           UG: Volkshochschule und Gemeindearchiv        ge, in denen bunte Bilderbücher für die Kleinsten
                           EG: Gemeindebibliothek                        einsortiert sind. Dazwischen schlängelt sich der
                           1. OG: Gemeindeverwaltung
                                                                         ­Bücherwurm „Willy“ mit weiteren altersgerechten
                           2. OG: Veranstaltungs- und Sitzungssaal
                                                                          Büchern im Gepäck, die zum Durchblättern anre­
     Nutzfläche            420 m2
                                                                          gen. Die schon etwas größeren „Leselöwen“ können
                           Im Zuge der Sanierung wurde die Biblio­
                           theksfläche um ca. 100 m2 erweitert.           sich an kleinen Regalen ihre Lieblingsbücher aussu­
                                                                          chen und sich mit diesen an einen bequemen Platz
     Ist-Bestand           27.608 physische Medien
                                                                          zum Schmökern zurückziehen. Ein Lieblingsplatz
     Ziel-Bestand          erreicht                                       wird sicher die grün gepolsterte Sitznische werden,
     Technische Ausstattung Bibliothekssoftware WinBIAP.net               die in eine Bücherwand integriert wurde. Hier lässt
                            webOPAC                                       es sich wunderbar in die faszinierende Welt der
                            2 öffentliche Internet-PCs mit Drucker        Bücher eintauchen. Ein weiteres Novum: An einer
                            3 Benutzer-OPACs, davon 2 Touchscreens
                            2 Info-Monitore                               Wand ist ein großer Flachbildschirm angebracht,
                            1 Kopiergerät                                 der für Veranstaltungen und Präsentationen genutzt
                            freies WLAN                                   werden kann. Durch die flexible Möblierung mit
     Einrichtung           ekz:                                           fahrbaren Regalen und Trögen können kleinere Ver­
                           - Regalsystem DIO                              anstaltungen im Kinderbereich stattfinden. Hier
                           - Neumöblierung der Kinderbibliothek
                                                                          treffen sich die ‚Bücherbärchen‘ zum Spielen, die
                           - neue Zeitschriftenschränke
                             und Präsentationsmöbel                       Vorschulkinder zum monatlichen Bilderbuchkino
                           Schreinerarbeiten:                             und Grundschulkinder zum ‚Leserattenclub‘. Der
                           - Teilbereiche der neuen Kinderbibliothek
                                                                          Kinderbereich bietet auch Raum für Autorenlesun­
                           - Lesecafé, Theke, Info- und Präsentations-
                             bereich                                      gen, Bastelak­tionen, Workshops und Spielenachmit­
                           - eingebaute Sitzgelegenheiten                 tage.
     Einrichtungskosten    ca. 150.000 Euro
                                                                         Ein Rückzugsort für Jugendliche
     Personal              5 Stellen
                                                                         Auch Jugendliche wurden mit einem speziell für sie
     Öffnungszeiten        Di, Do, Fr 11 – 13 Uhr und 14 – 19 Uhr        eingerichteten Rückzugsort bedacht. Im neugestal­
                           Mi 11 – 13 Uhr und 14 – 16 Uhr
                                                                         teten Jugendbereich wird alles für die Zielgruppe
                           Sa 10 – 14 Uhr
                                                                         ab 13 Jahren präsentiert: Jugendromane, Mangas,
     Adresse               Rathausplatz 10, 85579 Neubiberg
                                                                         Jugendsachbücher, Konsolenspiele, Hörbücher und
     E-Mail                gemeindebibliothek@neubiberg.de               Musik-CDs. In einer gemütlichen Sitzecke lässt es
     Website               www.neubiberg.de/gemeindebibliothek           sich gut ‚chillen‘. In unmittelbarer Nähe gibt es zahl­-
                                                                         reiche Arbeitsplätze zum Lernen und Hausaufgaben
     Stand                 April 2021
                                                                         machen.

                                                                         Attraktive Arbeitsumgebung fördert die Kreativität
                                                                          Die Attraktivität der Arbeitsumgebung ist maßgeb­
                                                                          lich für das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen
                                                                          ­verantwortlich. Denn nur, wenn sich Menschen an
                                                                           ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, wird deren Kreati­
                                                                           vität angeregt. Dies gilt für den Bibliotheks- und
                                                                         ­Bürobereich gleichermaßen.
Bibliotheksforum Bayern                                                                                      13

Sitzecke mit Aussicht im Jugendbereich

Im Erdgeschoss des Hauses für Weiterbildung waren      Leseterrasse musste aus Kostengründen leider ver­
früher die Gemeindebibliothek und die Volkshoch­       schoben werden. Das Projekt werde, so der Erste
schule untergebracht. Im Zuge der Sanierung wurde      Bürgermeister Thomas Pardeller, zeitnah realisiert.
das Info-Zentrum der Volkshochschule ausgelagert,
und die Publikums- und Büroflächen der Bibliothek      Gelungenes Update
konnten erweitert werden. Der neue Bürobereich         Die Gemeindebibliothek Neubiberg ist eine fami­
für die fünf Mitarbeiterinnen umfasst ca. 75 qm.       lien- und bürgerfreundliche Einrichtung, in der
Es wurden zwei Doppelbüros mit 21 qm und 18 qm         ­Kundenservice und Informationskompetenz einen
­sowie ein Einzelbüro mit 14 qm eingerichtet. Ein ­     hohen Stellenwert haben. Sie ist bei Kindern und
 ca. 7 qm großer Infrastrukturraum ermöglichte das      ­Eltern sehr beliebt und ein gern besuchter Anzie­
 Auslagern der Drucker aus den Büros. Im erweiter­       hungspunkt für die ganze Familie.
 ten und offenen Flurbereich wurden eine Küchen­
 zeile mit Mikrowelle und Spülmaschine sowie ein       Nahezu alle Anforderungen, die an das Einrich­
 Ess- und Arbeitstisch integriert.                     tungskonzept gestellt wurden, konnten umgesetzt
                                                       werden. Die Bibliothek präsentiert sich modern, ein­
Leseterrasse wird noch gebaut                          ladend und offen mit zahlreichen Arbeits- und Sitz­
Zu den Grundüberlegungen der Planungen gehörte         gelegenheiten und guter technischer Ausstattung.
von Anfang an eine Leseterrasse mit Blick auf den
begrünten und autofreien Rathausanger. Ein „Frei­      Von Claudia Hagel
luft-Lesesaal“ für alle Besucher, die einen Leseort    Leiterin der Gemeindebibliothek Neubiberg
oder eine Tasse Kaffee unter freiem Himmel genie­
ßen möchten. Hier können auch kleinere Vorleseak­
tionen für Kinder stattfinden, Hochbeete aufgestellt
und bepflanzt werden. Die erforderliche Außentür
zur Terrasse wurde bereits eingebaut. Der Bau der
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Facing the Balkans
Südosteuropa in Fotografien von Harald Schmitt

Nordmazedonien: Grenzzaun zu Griechenland
Bibliotheksforum Bayern                                                        15

                          „Der Balkan ist nur ein
                           paar hundert Kilometer
                           entfernt von uns.
                           Grund genug, ihn zu
                           entdecken.“

                          Das sagte sich der ehemalige stern-Fotograf Harald
                          Schmitt im Jahr 2015 und machte sich auf den Weg,
                          die Länder Südosteuropas kennenzulernen. Das Ziel
                          seiner Reise: sich den eigenen Vorurteilen über den
                          Balkan zu stellen. Fünfmal reiste Schmitt schließlich
                          durch Südosteuropa. Unterwegs porträtierte er die
                          Menschen, die ihm begegneten: Kreative Unterneh­
                          mer*innen, verliebte Brautpaare, religiöse Würden­
                          träger, aber auch Menschen auf der Flucht über die
                          sogenannte Balkanroute. Mehr als 1.500 Aufnahmen
                          entstanden auf diesen Reisen.

                          Die Jahresausstellung 2021 der Bayerischen Staats­
                          bibliothek präsentiert vom 11. November bis 4.
                          März eine Auswahl dieser B ­ ilder. Unter dem Titel
                          ‚Facing the Balkans‘ zeigt sie die vielfältigen Gesich­
                          ter Südosteuropas und lädt gleichzeitig dazu ein,
                          eigene Vorstellungen über den Balkan zu hinter­
                          fragen.

                          Für die Bayerische Staatsbibliothek ist Harald
                          ­Schmitt ein alter Bekannter, gehört er doch zu den
                           renommierten Fotografen des Magazins stern, des­
                           sen analoges Foto-Archiv die BSB 2019 übernahm.
                           Mehr als 30 Jahre reiste Schmitt im Auftrag des
                           stern um die Welt und hielt unzählige Momente der
                           Zeitgeschichte fotografisch fest. Immer wieder führ­
                           te ihn seine Arbeit auch in die Länder des östlichen
                           Europas wie 1989, als er die ‚Samtene Revolution‘ in
                           der Tschechoslowakei dokumentierte, oder 1991,
                           als er den Augustputsch in Russland miterlebte.
                           Sechsmal wurde Harald Schmitt der wichtigste Preis
                           der Pressefotografie, der ‚World Press Photo Award‘,
                           verliehen. Dass er nicht bloß in einer, sondern in
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Nordmazedonien: Zentraler Platz in Skopje
Bibliotheksforum Bayern   17
18

                Wie reagieren wir auf große gesellschaftliche
                ­Umbrüche? Wie erinnern wir uns an vergangenes Leid?
                 Wie gehen wir mit Menschen auf der Flucht vor Krieg
                 und Armut um?

Albanien: Geburtstagsfeier
Bibliotheksforum Bayern                                                       19

                          fünf verschiedenen Kategorien – darunter Porträt,
                          Kunst und Nachrichtenfeature – ausgezeichnet
                          ­wurde, zeigt sein außergewöhnliches Talent. Dabei
                           hat Schmitt sich selbst nie als Künstler verstanden,
                           sondern verschrieb sich ganz dem Ethos des klas­
                           sischen Fotoreporters. Seine Bilder sollen den Be­
                           trachter*innen das aktuelle Weltgeschehen nahe­
                           bringen und Antworten geben.

                          Diesen Ansatz verfolgt Harald Schmitt auch in sei­
                          nem jüngsten Projekt, der fotografischen Erkundung
                          Südosteuropas. Immer wieder greift er in seinen
                          ­Bildern aktuelle politische Herausforderungen auf.
                           ­Daher schlägt auch ‚Facing the Balkans‘ einen Bogen
                            zu den großen Fragen unserer Zeit: Wie reagieren
                            wir auf große gesellschaftliche Umbrüche? Wie er­
                            innern wir uns an vergangenes Leid? Wie gehen wir
                            mit Menschen auf der Flucht vor Krieg und Armut um?

                          Aufgeteilt in sieben Themenblöcke zeigt die Aus­
                          stellung verschiedene Aspekte des Lebens in den
                          südost­europäischen Ländern: Wie sich die Gesell­
                          schaften seit dem Zusammenbruch des Sozialismus
                          wandelten, wird ebenso vorgestellt wie die diverse
                          Erinnerungskultur. Eindrückliche Bilder beleuchten
                          die schwierige Situation der Menschen, die über die
                          sogenannte Balkanroute fliehen. Es bleibt aber auch
                          Platz für Zwischenmenschliches und Alltägliches:
                          Zwei Themenblöcke erzählen vom Leben auf dem
                          Land und dem sozialen ­Miteinander im Alltag und
                          an Festtagen. Auch den vielfältigen Gesichtern des
                          Tourismus ist ein Ausstellungsteil gewidmet. Wie
                          Religion heute in den südosteuropäischen Ländern
                          praktiziert wird, behandelt ein weiterer Abschnitt.

                          Insgesamt präsentiert die Ausstellung Bilder aus elf
                          Ländern: von Slowenien im Norden bis Albanien im
                          Süden, von Kroatien im Westen bis Moldau im Osten.
                          In 100 Farbfotografien entspinnt sich ein vielfältiges
                          Panorama der Balkanländer. Ausgestellt werden
                          die hochwertigen Reproduktionen im Fürstensaal
                          und dem Prachttreppenhaus der Bayerischen Staats­
                          bibliothek.
20

                 Begleitend erscheint im Kerber Verlag ein Ausstel­
                 lungskatalog, der alle Fotografien vereint. Ergänzt
                 werden die Bilder von eigens für den Katalog ver­
                 fassten Texten: In einem ein­leitenden Essay skizziert
                 der wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts
                 für Ost- und Südosteuropastudien (IOS) in Regens­
                 burg, Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, die Geschichte der
                 Repräsentation des Balkans in Kunst, Medien und
                 Wissenschaft und weist auf kommende Herausfor­
                 derungen hin. Die einzelnen Kapitel werden durch
                 prägnante Themenessays von Prof. Dr. Ulf Brunn­
                 bauer (IOS), PD Dr. Heike Karge (Universität Regens­-
                 burg) und Dr. ­Edvin Pezo (IOS) kontextualisiert.

                  Zusätzlich wird ein reichhaltiges Begleitprogramm
                  angeboten, sofern die Pandemie Veranstaltungen
                  zulässt. Geplant sind regelmäßige Führungen, die
                  ergänzende Einsichten zu den historischen Hinter­
                  gründen und in die Geschichten hinter den Foto­
                                                                            Das Plakat zur Ausstellung zeigt ein Graffiti in einem
                  grafien geben. Schließlich können Besucher*innen          im Bosnienkrieg zerstörten Gebäude in Mostar.
                  auch einen Einblick in die Südosteuropastudien er­
                  halten: Beim Science Slam präsentieren Wissen­
                  schaftler*innen ihre aktuellen Forschungsprojekte       Südosteuropa ist viel mehr als die gängigen Klischees
                                      in unterhaltsamen Kurzvorträ­       vermuten lassen – das zeigt ‚Facing the Balkans‘.
                                      gen, um bei der anschließenden      Das lernte auch Harald Schmitt, der am Ende seiner
                                      Applausabstimmung die Gunst         ersten Reise ein persönliches Fazit zog: „Die Idee
     Katalog zur Ausstellung
     Facing the Balkans
                                      des Publikums zu gewinnen.          ­eines einigen, großen Europas haben wir erst hier
     Südosteuropa in Fotografien      Orts- und pandemieun­abhängig        so richtig verstanden.“
     von Harald Schmitt               können Interessierte die Aus­
     Herausgegeben von der            stellung auch virtuell auf der      Von Caroline Finkeldey
     Bayerischen Staatsbibliothek
     Kerber Verlag, Bielefeld
                                      We­bsite der Bayerischen Staats­    Co-Kuratorin der Jahresausstellung 2021
     176 Seiten, 35 Euro              bibliothek besuchen.                und Mitarbeiterin der Osteuropaabteilung
     ISBN: 978-3-7356-0774-4                                              der Bayerischen Staatsbibliothek

                                                                                          Montenegro: Luxus-Tourismus
Bibliotheksforum Bayern                                                                                        21

Corona –
die Krise als Chance
Online-Vorträge der Staatsbibliothek Bamberg

             Für Regionalbibliotheken eröffnen Online-Veran­         Lokal, regional …
             staltungen die Chance, ihre Vermittlungsangebote        Als Kooperationspartner bieten sich lokale Bildungs­
             über die traditionellen Formate hinaus erheblich        einrichtungen (wie Volkshochschule und Univer­
             auszuweiten. Entscheidend dafür ist eine gute Ver­      sität) sowie regionale Geschichtsvereine an. In
             netzung mit etablierten Kooperationspartnern.           Oberfranken entschied sich Dr. Günter Dippold,
                                                                     ­Bezirksheimatpfleger und Vorstand des Colloquium
           Mehrere hundert Teilnehmer bei einer Veranstaltung         Historicum Wirsbergense (CHW), eines 1924 gegrün­
           einer Bibliothek? Und das zu Zeiten der COVID-19-          deten Vereins mit über 1.750 Mitgliedern, schon
                                         Pandemie? Was zu­            ­Anfang 2021 dazu, digitale Veranstaltungen anzu­
                                         nächst so klingt, als ob      bieten. Dies erleichterte der Staatsbibliothek den
Ein wesentlicher Vorteil                 sich eine verantwor­          Einstieg ins virtuelle Vortragsprogramm: Da eine
ist dabei, dass Online-­                 tungslose Bibliotheks­        Ausstellung über den Bamberger Kunstliebhaber

Veranstaltungen weit mehr leitung                über alle Vor­
                                         schriften der Infektions­
                                                                       und Dürerforscher Joseph Heller (1798 – 1849)
                                                                       ­verschoben werden musste, stellte Dr. Anna Scher­
Zuhörer erreichen als Ver-               schutzmaßnahmenver­            baum, Kunsthistorikerin und Leiterin der Volkshoch­
                                         ordnung hinweggesetzt          schule Bamberg Stadt, bei einem CHW-Vortrag
anstaltungen in Präsenz.                 hätte, verdankt sich           ­einige Objekte aus Hellers Sammlung vor, darunter
So kann die Reichweite auf dem digitalen Schub,                          eine der beiden erhaltenen Abschriften von Dürers
                                         den das V­ irus auch im         Tagebuch zur Reise in die Niederlande (1520/1) und
die gesamte Region und                   Kultur­bereich ausgelöst        die einzige erhaltene Druckplatte (s. Abb. S. 23) für
sogar darüber hinaus                     hat. Nie war es so ein­         eine Radierung Dürers. Mittels einer Dokumenten­
                                         fach wie heute, virtuelle       kamera konnten die Originale aus der Staatsbiblio­
ausgedehnt werden, ohne                  Veranstaltungen durch­          thek live zugeschaltet werden und so die Zuschauer
dass der Lesesaal in einen               zuführen. Die coronabe­         drei­dimensionale Sammlungsobjekte in dynami­
                                         dingten Distanzregeln           scher Sicht erleben: Vor den Augen des Publikums
Vortragsraum umgebaut                    erhöhten allenthalben           blätterte die Hand einer Bibliothekarin in Dürers
werden muss.                             den Wunsch, wenigs­             Tagebuch und brachte die Druckplatte zum Glit­
                                         tens auf elektronischem         zern. Der ­Vortrag kann online abgerufen werden,
                                         Wege in Verbindung zu           was die ­Zugriffszahlen zusätzlich erhöht.
           bleiben, und trugen so dazu bei, dass sich auch Älte­
           re an die neuen Techniken annäherten. Ein wesentli­       … und international
           cher Vorteil ist dabei, dass Online-Veranstaltungen       Aber auch weit über die Region hinaus lassen sich
           weit mehr Zuhörer ­erreichen als Veranstaltungen          neue Partner gewinnen: Die Staatsbibliothek Bam­
           in Präsenz. So kann die Reichweite auf die gesamte        berg, deren mittelalterliche Handschriften der
           Region und sogar darüber hinaus ausgedehnt wer­           ­Bistumsgründer Kaiser Heinrich II. aus ganz Europa
           den, ohne dass der Lesesaal in einen Vortragsraum          zusammentrug, ist eine Anlaufstelle für Wissen­
           umgebaut werden muss.                                      schaftler aus der ganzen Welt. Auf Initiative der
                                                                      ­Oxforder Mediävistin Prof. Dr. Henrike Lähnemann
                                                                       fand am 500. Todestag von Sebastian Brant ein
                                                                       internationaler Workshop statt, bei dem neben In­
                                                                       kunabelausgaben des ,Narrenschiffs‘ aus der Bod­
                                                                       leian Library Oxford und der British Library London
22

                                                                           Ein besonderes Highlight war ein Workshop am
                                                                           2. November 2021 zum Bamberger Drucker Albrecht
                                                                           Pfister, der schon in den 1460er-Jahren als erster in
                                                                           der Domstadt deutschsprachige Bücher druckte und
                                                                           mit Holzschnittillustrationen ausstattete. Die In­
                                                                           kunabeln Pfisters sind von allergrößter Seltenheit.
                                                                           Die Staatsbibliothek Bamberg besitzt nur vier Blät­
                                                                           ter des ,Ackermann von Böhmen‘; weitere Blätter
                                                                           verwahren die John Rylands Library in Manchester
                                                                           und die Scheide Library in Princeton. In Zusammen­
                                                                           arbeit mit ihnen kann das auseinandergerissene Ex­
                                                                           emplar virtuell rekonstruiert werden.

                                                                           Dank moderner Technik lassen sich Grenzen über­
                                                                           winden, die Corona dem persönlichen Kontakt
                                                                           setzt. Zwischen Bibliotheken, Wissenschaftlern und
                                                                           Kultur­interessierten haben sich neue Formen des
                                                                           Austauschs entwickelt, die traditionelle Vermitt­
Ein ungewöhnliches Sammelobjekt:                                           lungsformate ergänzen, ohne diese überflüssig zu
Ein mit Chinoiserien bemalter Fächer des 18. Jahrhunderts                  ­machen. Sobald wieder physische Zusammenkünfte
                                                                            mit größeren Gruppen zulässig sind, werden Aus­
                 auch zwei Bamberger Exemplare vorgestellt wur­             stellungseröffnungen, Vorträge und Seminare sicher
                 den. Ein Vortrag des Consortium of European Rese­          wieder in Bibliotheksräumen stattfinden – wenn
                 arch Libraries (CERL) bot zahlreichen Interessierten       auch vielleicht in hybrider Form ergänzt um eine
                 Gelegenheit, den außergewöhnlichen Hornplatten­            Live-Übertragung im Internet, die auf der Biblio­
                 einband des Bamberger Psalters kennenzulernen,             thekswebsite für diejenigen zugänglich gemacht
                 der 2019 faksimiliert wurde.                               wird, die nicht persönlich teilnehmen können.

                 Fortsetzung folgt                                         Von Prof. Dr. Bettina Wagner

                 Die positiven Reaktionen der Zuschauer waren              Direktorin der Staatsbibliothek Bamberg
                 ­Ansporn zu mehr: Im Herbst/Winter 2021/22 prä­
                  sentiert die Staatsbibliothek eine Vortragsreihe mit
                  dem Titel ,Bamberger Buch-Geschichten‘, in der
                  ­E xperten neue Erkenntnisse zu ganz unterschied­                      Aktuelle und virtuelle Ausstellungen,
                   lichen Objekten mitteilen. Vorgestellt werden mit                     ­aufgezeichnete Vorträge und Termine sind
                                                                                        ­abrufbar über
                   Buchmalerei ausgestattete Handschriften, Raritäten
                                                                                          www.staatsbibliothek-bamberg.de/
                   aus den Anfangsjahren des Buchdrucks, einzigartige                     kulturvermittlung/
                   Dokumente der frühen Neuzeit sowie Quellen zum                         www.staatsbibliothek-bamberg.de/article/
                   Musikleben des 18. und 19. Jahrhunderts. Zu ent­                       bamberger-buch-geschichten-online-
                                                                                          vortragsreihe/
                   decken sind auch Materialien, die man in einer Bi­
                   bliothek nicht vermuten würde: In der Graphischen
                   Sammlung finden sich Zeichnungen von hoher
                   künstlerischer Qualität, ja sogar ein Fächer (s. Abb.
                   oben), den ein bambergischer Geheimkanzlist mit
                   dekorativen C­ hinoiserien bemalte. Zwei Vorträge
                   ergänzten die Herbstausstellung, die dem Bamber­
                   ger Kunstsammler Joseph Heller gewidmet ist und
                   vom 27. September bis zum 18. Dezember 2021
                   gezeigt wird. Sie vertiefen Aspekte der Rezeption
                   Albrecht Dürers, dessen Werke im Mittelpunkt von
                   Hellers Sammlung standen. Die Vortragsreihe ver­
                   mittelt so auch einen Eindruck davon, wie die Be­
                   stände der Staatsbibliothek in ihrer über 200-jähri­
                   gen Geschichte ­angewachsen sind.
Bibliotheksforum Bayern                                23

Eine einzigartige Hinterlassenschaft Dürers:
Die Druckplatte seiner Radierung ‚Christus am Ölberg‘ von 1515
24

Lese- und Lebenswirklichkeit bei Kindern und Jugendlichen

Veränderung ad hoc
Die Pandemie als Katalysator für Veränderung

                2020: DAS Ausnahmejahr auch für die öffentlichen        vor Ort individuelle Lösungen. War die Öffnung für
                Bibliotheken in Bayern. Sie mussten flexibel reagie­    Bibliotheken generell erlaubt, war dies nicht immer
                ren, die neuesten Verordnungen beachten, sich mit       für alle Bibliotheken möglich. Und nach wie vor gibt
                Träger und dem zuständigen Landratsamt abstim­          es noch offene Fragen (z. B. „Quarantäne“ für Medi­
                men. Und nicht immer war sofort klar, wie die aktu­     en), die jedoch meist im Alltag in Rücksprache mit
                ellen Regelungen umzusetzen sind. Es war jedoch         den lokal zuständigen Instanzen geklärt werden
                bei aller Unsicherheit auch ein Verständnis zu spü­     können. In der Praxis wechselten sich Schließzeiten
                ren, dass in dieser volatilen Situation nicht alles     mit ‚Click & Collect‘ (am Anfang noch ‚Abholservice‘
                ­sofort und zu aller Zufriedenheit geklärt werden       genannt), dem etwas kontaktstärkeren ‚Click &
                 konnte. Zu viele Unwägbarkeiten, eine in jüngster      Meet‘, Bring- und Lieferdiensten und eigenen kreati­
                 Zeit nie dagewesene Situation, viele an den            ven ­Lösungen ab. Erfreulich für die meisten Biblio­
                 ­Beschlüssen beteiligte Personen und Institutionen     theken kam dann die inzidenzunabhängige Mög­
                  stellten den Rahmen für das Agieren dar. Dazu         lichkeit zur Öffnung – dies bot Planungssicherheit
                  ­erforderten die räumliche und personelle Situation   und verhinderte auch mancherorts Kurzarbeit.
Bibliotheksforum Bayern                                                                                                                      25

                                     Medien-Nutzungs-Trends                                                                           2019

                                                                                                                                      2020 (Corona)

                                     16.000.000

                                     14.000.000

                                     12.000.000

                                     10.000.000

                                      8.000.000

                                      6.000.000

                                      4.000.000

                                      2.000.000

                                             0
                                                   Sachliteratur   Belletristik     Kinder und Zeitschriften- Non-Book-   E-Medien   Download
                                                                                  Jugendliteratur  hefte       Medien                Streaming

Die E-Medien konnten
einen ­Zuwachs von 20 %
                                                     Einige Zahlen aus der Statistik
verbuchen. Die Nutzung                               Die Bibliotheksstatistik 2020 kann nicht mit den Zah­
von Streaming-­A ngebo­                              len des Vorjahres verglichen werden: Die Schließ­
                                                     zeit betrug mindestens zwölf Wochen, die Bibliothe­
ten stieg sogar um 32 %.                             ken hatten 139.500 Stunden (–27 %) weniger geöff­
                                                     net als 2019. Und dennoch ist eine Veröffentlichung
                                                     sinnvoll, zeigt sie doch neben den erwartbaren Er­
         Aber auch die Schließzeiten wurden          gebnissen wie Rückgang der Zahl der Veranstaltun­
         genutzt: Was Anfang 2020 noch im            gen und der Aus­leihzahlen physischer Medien die
         „Verschiebemodus“ bei vielen Biblio­        Leis­tungen, die von den Bibliotheksteams „trotz­
         theken war (nach der Devise: „Das ma­       dem“ erbracht worden sind.
         chen wir irgendwann! Das müssten wir
         auch mal angehen.“) wurde aufgrund          Die Ausleihzahl der physischen Medien ist um
         der Ausnahmesituation mancherorts           13,8 % zurückgegangen. In dieser Zahl sind bei eini­
         sehr schnell umgesetzt: Bestandspfle­       gen Bibliotheken die automatisch hinzuaddierten
         ge, Umstellung auf benutzerfreund­          Pauschalverlängerungen während der Schließzeit
         liche Klartext-Systematik, Aufstockung      enthalten. Ohne diese Serviceleistung während der
         der digitalen Angebote, verbesserte         Pandemie läge der Rückgang in diesem Bereich bei
         technische Ausstattung der Bibliothe­       20,1 %. Die E-Medien konnten einen Zuwachs von
         ken, Teilnahme an Webi­naren. Biblio­       20 % verbuchen. Die Nutzung von Streaming-Ange­
         theken wurden vermisst während der          boten stieg sogar um 32 %.
         Schließzeit: von Familien, die die Her­
         ausforderung des Homeschooling zu           Am dramatischsten zeigen sich die Auswirkungen
         bewältigen hatten, von Schüler*innen        der Pandemie bei den Veranstaltungen: Dort ist ein
         und Student*innen, d­ enen etwas mehr       Rückgang von zwei Dritteln (67,9 %), bei den Veran­
         Kontakt gutgetan hätte. Was der ge­         staltungsbesuchern von über der Hälfte (57,6 %) zu
         schlossene „Treffpunkt Bibliothek“ für      verzeichnen.
         Senioren, Alleinstehende, Geflüchtete,
         Kinder aus bildungsferneren Familien
         bedeutet hat, wie die soziale Schief­
         lage noch mehr ins Wanken geriet,
         können Sie, liebe Kolleg*innen in den
         Bibliotheken, am besten beurteilen.
26

                    Ergebnisse einer Corona-Umfrage                                         Selten ein Schaden ohne Nutzen: Was nehmen
           Doch waren die Bibliotheken kreativ: In einer Um­                                ­öffentliche Bibliotheken aus der Krise mit?
           frage der Landesfachstelle 1 gaben 93,5 % an, min­                               Die Bibliotheken, die sich bereits auf dem Weg der
           destens einen der beiden Services ‚Click & Collect‘                              Digitalisierung befanden, waren im Vorteil: Ihre
           oder Lieferdienst eingerichtet zu haben. Mehr als                                ­Nutzer*innen konnten von den Online-Angeboten
           70 % gaben an, dass die digitale Nutzung zugenom­                                 pro­fitieren, sei es die Ausleihe von E-Medien oder
           men hat. Durch die Digitalisierung des Angebots                                   auch das Streamen von Lesungen oder anderen
           konnten in fast 55 % der Bibliotheken neue Nut­                                   ­Veranstaltungen. Es wurden beispielsweise digitale
           zer*innen gewonnen werden. Über 80 % gaben an,                                     ­Klassenführungen entwickelt (Regionalbibliothek
           dass sie während der Pandemie neue digitale Ange­                                   Weiden in der Oberpfalz), Autorenlesungen oder
           bote aufgenommen haben. Darunter fallen sowohl                                      Vorlesestunden für Kinder gestreamt oder ganze
           Medienangebote wie Einstieg in die Ausleihe von                                     ­Literaturfestivals digital angeboten (s. Bericht über
           E-Medien als auch digitale Veranstaltungsformate                                     das Straubinger Lesefestival Co.Libri in dieser Aus­
                                        wie Rechercheschulun­                                   gabe). Bibliotheken, die bereits die Ausleihe über
                                        gen, Online-Lesungen,                                   Selbstverbuchung organisiert hatten, konnten diesen
Erfreulicherweise inves­                Vor­lesestunden. Einige                                 Vorgang nach dem Lockdown kontaktlos anbieten.
tieren viele kleinere Kom-              Bibliotheken starteten
                                        sogar mit einem eige­                               Auch profitierten viele bayerische Bibliotheken von
munen in neue Bibliothe-                nen YouTube-Channel.                                den beiden Bundesprojekten ‚Vor Ort für Alle‘ und
ken. Die gesellschaftliche              Mehr als 35 % planen                                ‚WissensWandel‘. Zum jetzigen Zeitpunkt sind beide

Bedeutung einer Ortsmitte ihr               digitales Angebot
                                        auch in Zukunft weiter
                                                                                            Projekte noch nicht abgeschlossen, deshalb ist
                                                                                            noch keine genaue Evaluation möglich. Förder­
mit einem konsumfreien                  auszubauen. Interes­                                schwerpunkte waren unter anderem: RFID-Selbst­
                                        sant sind hier die Grün­                            verbuchung, Erhöhung der Aufenthaltsqualität, Auf­
Raum, der mit attraktiven               de von ­Bibliotheken,                               stockung der E-Medien, Bereitstellung neuer Daten­
Angeboten die Bürger*in-                die dies nicht beabsich­                            bank- und Streaming-Angebote.
                                        tigen: geringer Medien­
nen erreicht, überzeugt                 etat und fehlende
viele Träger. Freuen Sie sich Zustimmung bei den
                                        ört­lichen Gremien.
 auf einige gelungene
­Beispiele!

      Veranstaltungen                                                                          2019

                                                                                               2020 (Corona)

     20.000

     18.000

     16.000

     14.000

     12.000

     10.000

      8.000

      6.000

      4.000

      2.000

         0
                                                                                                                          1
                                                                                                                              Es wurden 700 öffentliche
                Einführung in die    Veranstaltungen   Veranstaltungen       sonstige      Ausstellungen                      Bibliotheken ­angeschrieben,
              Bibliotheksbenutzung      für Kinder     für Erwachsene    Veranstaltungen                                      340 davon haben sich an
                                                                                                                              der Umfrage beteiligt.
Bibliotheksforum Bayern                                                                                        27

                                                                           Auch das laufende Jahr ist noch von der Ausnahme­

  WIE SCHÖN, DASS SIE                                                      situation geprägt. Nach und nach kehren Veranstal­
                                                                           tungen, Klassenführungen und andere Services

  WIEDER DA SIND!                                                          ­zurück. Und doch – ­Hygieneregeln und g   ­ ewisse
                                                                            ­Einschränkungen werden vorerst noch bleiben. Blei­
                                                                             ben wird der Zugewinn an digitalen Angeboten, den
  Bitte verhalten Sie sich umsichtig und beachten Sie einige Regeln!         ­Erfahrungen damit. Die Verbindung zwischen dem
              Halten Sie 1,50 m Abstand zueinander                            Analogen und Digitalen wird weiterhin eine große
              (auch wenn Sie warten müssen)!
                                                                              Rolle spielen, dafür muss vielerorts noch mehr
                                                                              als bisher in die technische Ausstattung investiert
              Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (ab 6 Jahren)
              ist Pflicht. Beachten Sie die allgemeinen Hygiene-          ­werden.
              empfehlungen! Desinfizieren Sie sich die Hände!

             Besuchen Sie uns nur, wenn Sie sich gesund fühlen.
                                                                          Viele Bibliotheken haben die Anschubfinanzierung
                                                                          aus den Bundesmitteln genutzt, um Aufenthalts­
                                                                          qualität, Technik, Infrastruktur, Kompetenzen zur
              Kindern unter 12 Jahren ist das Betreten der Regional-      Medienvermittlung zu erweitern. Und nach wie vor
              bibliothek nur in Begleitung eines Erwachsenen gestattet.   stehen die Fördermittel des Freistaats Bayern zur
                                                                          Verfügung: Neben den Mitteln, die über die Landes­
              Die Anzahl der maximal erlaubten Besucher wird über         fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen zur
              Bücherkörbe gezählt.
              Bitte pro Person einen Bücherkorb benutzen!                 Verfügung gestellt werden, stehen unter anderem
                                                                          noch Mittel aus der Städtebauförderung und dem
              Begrenzen Sie Ihren Aufenthalt auf ein Minimum:
              Sie können Medien zurückgeben, ausleihen,                   Kulturfonds bereit. Ein weiterer positiver Ausblick
              Vormerkungen abholen, den Kassenautomaten                   zum Schluss: Erfreulicherweise investieren viele
              benutzen, sich beraten lassen und sich anmelden.
                                                                          kleinere Kommunen in neue Bibliotheken. Die
                                                                          ­gesellschaftliche Bedeutung einer Ortsmitte mit
  Tageszeitungen, WLAN, Lesecafé, Arbeitsplätze, Spielecke sowie
  Veranstaltungen und Flohmarkt können wir zurzeit nicht anbieten!         ­einem konsumfreien Raum, der mit attraktiven
                                                                            ­Angeboten die Bürger*innen erreicht, überzeugt
  Wir bitten Sie um Ihr Verständnis                                          ­viele Träger. Freuen Sie sich auf einige gelungene
  und freuen uns auf Ihren Besuch!                                            Beispiele!

Hygieneregeln der Regionalbibliothek Weiden
                                                                          Von Ute Palmer
                                                                          Leiterin der Landesfachstelle
                                                                          für das öffentliche Bibliothekswesen
                Angebote der Landesfachstelle
                Auch die Kolleg*innen der Landesfachstelle haben
                auf die Krise reagiert. Die Webseite war das wesent­
                liche Kommunikationstool, um Bayerns Bibliothe­
                ken schnell über neue Beschlüsse und Verordnun­
                gen, aber auch über Best-Practice-Beispiele aus den
                Bibliotheken zu informieren. Die zahlreichen Fort­
                bildungen vor Ort mussten in den digitalen Raum
                verlegt werden. Es wurden Tutorials und Webinare
                ­angeboten – selbst die Buch- und Medientage
                 ­fanden auch virtuell großen Zuspruch. Schien dies
                  zu Anfang nur zweite Wahl, werden wir hier genau
                  ­evaluieren, was davon auch in die Zeit danach über­
                   nommen wird. Aber an dieser Stelle sei gesagt: Wir
                   freuen uns, wenn wir Sie wieder vor Ort sehen und
                   uns mit Ihnen austauschen können!
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 Aschaffenburger Kulturerbe
 in bavarikon
              Gleich zwei bavarikon-Projekte konnten am 25. Juni 2021 der Öffentlich-
              keit präsentiert werden. Die Bayerische Staatsministerin für Digitales,
              Judith Gerlach, schaltete bei einer Pressekonferenz im Ridingersaal
              des Aschaffenburger Schlosses Johannisburg die Projekte des Stadt- und
              Stiftsarchivs Aschaffenburg und der Hofbibliothek Aschaffenburg im
              Kultur­portal bavarikon online. Damit sind nun wichtige Dokumente
              zur Geschichte Aschaffenburgs und seiner Umgebung, aber auch zur
              ­Geschichte des Erzbistums Mainz weltweit zugänglich.

              Die Präsentation fand unter Berücksichtigung aller     Für die gastgebende Stadt Aschaffenburg bezeich­
              Corona-Maßnahmen statt – Anwesenheitslisten,           nete Bürgermeister Eric Leiderer die digitale Teil­
              Masken und Abstände. Prominenteste Rednerin der        habe im Kulturbereich als zentralen Bestandteil der
              Veranstaltung war Staatsministerin Judith Gerlach,     städtischen Digitalstrategie.
              deren Ministerium gemeinsam mit dem Bayerischen
              Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst           Die Präsentation der Bestände übernahmen
              ­bavarikon finanziert. Gerlach betonte vor allem den   Dr. ­Joachim Kemper vom Stadt- und Stiftsarchiv
               Aspekt der breiten Zugänglichkeit des Kulturerbes:    Aschaffenburg sowie die Leiterin der Hofbibliothek
               „Mit Hilfe der Digitalisierung kann jetzt jede und    Aschaffenburg, Karin Kuhn.
               ­jeder Interessierte immer und überall kostenlos in
                diese Historie eintauchen.“                          Das Kulturerbe von Kurmainz
                                                                     Bevor Aschaffenburg Anfang des 19. Jahrhunderts
                                           Die Bayerische Staats­    zu Bayern kam, war es jahrhundertelang Zentrum
„Mit Hilfe der Digitalisie-                bibliothek trägt die      des sogenannten ‚Mainzer Oberstifts‘, also eines
 rung kann jetzt jede und                  technische, administra­   Teiles des ­weltlichen Herrschaftsgebiets der Erz­
                                           tive und redaktionelle    bischöfe von Mainz. Diese waren die ranghöchsten
 jeder Interessierte immer                 Verantwortung für den     Reichsfürsten des Heiligen Römischen Reichs deut­
 und überall kostenlos in                  Betrieb von bavarikon     scher Nation und gehörten auch zum exklusiven

 diese Historie eintauchen.“ und                war andererseits
                                           über die ihr nachge­
                                                                     Kollegium der Kurfürsten, die den deutschen König
                                                                     wählten. Aschaffenburg war mit der Johannisburg
                                           ordnete Hofbibliothek     und ­anderen Schlössern eine der wichtigsten Ne­
           Aschaffenburg auch unmittelbar an den Digitali­           ben­­residenzen der Mainzer Erzbischöfe. Das im
           sierungsvorhaben beteiligt. Dr. Klaus Ceynowa,            10. Jahrhundert gegründete Kollegiatstift St. Peter
           ­Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek,        und Alexander war eng an das Mainzer Domkapitel
            betonte die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten           angebunden, seit dem 16. Jahrhundert war der
            ­digitalisierter Kulturobjekte – von virtuellen Aus­     Mainzer Erzbischof auch Stiftspropst und somit
             stellungen über digitale Forschungsumgebungen           Oberhaupt des Stifts.
             bis hin zum 3D-Druck.
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