MAGAZIN DER HÄNDEL-FESTSPIELE 25. MAI BIS 10. JUNI 2018 - Stiftung Händel-Haus
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MAGAZ I N D ER HÄNDEL-FESTSP I ELE 25. MA I BI S 1 0 . JUNI 2018 IM FOKUS FREMDE WELTEN DAS FESTSPIELTHEMA Händel in Halle 70 Jahre Museum Händel-Haus Auf einen Blick festspielKalender mit allen terminen
D I E S T I F T UN G H Ä NDE L- H AU S DA N K T IH REN Fö rde re rn un d S p o n s o r e n PA RT NERN M ED I ENPA RT NERN KULTURPARTNERN
INHALT FREMDE WELTEN GruSSworte 26 „Man wird in Zukunft wissen, dass die Händel- Oper zu den kostbarsten Gütern der musikalischen 2 Dr. Reiner Haseloff Kunst gehört …“ Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Karin Zauft 3Dr. Bernd Wiegand Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale), Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Händel-Haus 4 Clemens Birnbaum Direktor der Stiftung Händel-Haus, Intendant der Händel-Festspiele Halle IM FOKUS: FREMDE WELTEN 6 Der Wandernde, der heute kommt und morgen bleibt Annette Markert und Elisabeth Wilke in Händels Oper „Floridante“, Aufführung des Landestheaters Halle (heute Oper Halle) 1984 Prof. Dr. Thomas Seedorf © Stiftung Händel-Haus 10 So fremd, so nah Dr. Konstanze Musketa 30 Alles beginnt mit einer Idee … Fragen an den Grafiker Georg Schütze 14 Durch die Welt im Auftrag des Herrn. Reisen von Pietisten im 18. Jahrhundert Friederike Lippold IM FOKUS: Händel in Halle 16 Fremde Welten spezial 32 Zukunft braucht Herkunft im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Clemens Birnbaum Katrin Greiner 36 Das Händel-Haus Halle Musikmuseum seit 1948 – 70 Jahre Sammlung IM FOKUS: HÄNDEL-FESTSPIELE und Forschung 18 Joyce DiDonato – Grenzgängerin zwischen Kunst 40 Rekonstruktion statt Spielbarmachung – auf der und Wirklichkeit Spur des originalen Klanges Patricia Reese Christiane Barth … und sein Nachbau © Stiftung Händel-Haus Alt und Neu - das Ruckers-Cembalo im Händel-Haus … 46 Hören, sehen, informieren, erleben, erinnern KOMPENDIUM 51 Festspielkalender Joyce DiDonato, Foto: Brooke Shaden 60 Künstlerverzeichnis 61 Impressum 21 Der Händel-Preis der Stadt Halle 62 Veranstaltungsorte 23 Mit Händel in Krieg und Frieden 63 Museumsshop im Händel-Haus Ein Interview mit dem Regisseur Ralf Pleger H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 1
GRUSSWORT Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Sehr herzlich begrüße ich Sie zu den diesjährigen Händel-Fest- Seine Musik hat den europäischen Gemeinsinn befördert. Große spielen. Das Festival in Halle ist etwas Besonderes. An originalen kulturelle Leistungen entstehen stets im friedlichen Zusammenle- Schauplätzen erlebt man die Musik großer Komponisten sehr viel ben und Austausch der Völker und niemals durch eine engstirnige unmittelbarer und intensiver. Die künstlerische Qualität, die Aura Abkapslung. Musikalisch war das Publikum zu Händels Zeit ohne- von Authentizität und nicht zuletzt ihre zentrale Stellung in der hin europäisch gestimmt. Auch daran erinnern diese Festspiele, europäischen Händel-Pflege geben diesen Festspielen ihr unver- die Freunde der barocken Musik aus Europa und der ganzen Welt wechselbares Gepräge. Von Halle aus sind wesentliche Impulse für zusammenbringen. die Händel-Renaissance und –pflege ausgegangen. Die Händel- Festspiele sind das größte Festival klassischer Musik in Sachsen- Mein Dank gilt allen Förderern, Sponsoren und Partnern, deren Anhalt und leisten einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Wahr- Engagement die Festspiele in diesem Umfang ermöglichen. Den nehmung Sachsen-Anhalts weit über die Landesgrenzen hinaus. Händel-Festspielen 2018 wünsche ich Erfolg und eine große Re- In diesem Jahr stehen die Händel-Festspiele unter dem Motto sonanz. „Fremde Welten“. Und wer könnte dieses Motto besser verkör- pern als der Kosmopolit Georg Friedrich Händel? Fremde Welten waren für ihn eine Herausforderung. Händel hat den euro- päischen Gedanken einer ideellen – nicht politischen – Gemein- schaft verkörpert. Er lässt sich keiner nationalen Schule und keiner Nationalität ganz eindeutig zuordnen. Zu Recht gilt er vielen als „der Europäer“, als europäischer Künstler avant la lettre. Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Händel war überzeugt: „Man muss lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen“, und nach dieser Maxime han- delte er. Das klingt nicht nur sehr modern, das ist auch ganz mo- dern gedacht. Würde man nicht vielen jungen Menschen heute raten, zu lernen, zu reisen und Erfahrungen zu sammeln, um den Horizont zu erweitern? Händel war seiner Zeit voraus und sah früh, welche Möglichkeiten ihm Europa bot. Halle, Hamburg, Flo- renz, Rom, Neapel, Venedig, Hannover und natürlich London wa- ren wichtige Stationen in seinem Leben. Er war der Vermittler zwischen der mitteldeutschen und der italienischen, französischen und englischen Musiktradition. Seine Muttersprache war Deutsch, seine Konversationssprache Französisch, seine Alltagssprache Eng- lisch und seine Theatersprache Italienisch. Er schrieb als einer der ganz wenigen Komponisten Musik für die drei großen euro- päischen Glaubensgemeinschaften 2 H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
GRUSSWORT DR. BERND WIEGAND OBERBÜRGERMEISTER DER STADT HALLE (SAALE) UND VORSITZENDER DES KURATORIUMS DER STIFTUNG HÄNDEL-HAUS Liebe Hallenserinnen und Hallenser, dem großen Abschlusskonzert in der Galgenbergschlucht. Dazwi- liebe Gäste, liebe Musikfreunde, schen wartet ein reich gefülltes Programm, gespickt mit Stars und Neulingen der Barockmusikszene, aufgeführt an authentischen die Händel-Festspiele laden in diesem Jahr zu einer Reise in „Frem- Orten. Hinzu kommt schließlich das umfangreiche Rahmenpro- de Welten“ ein. Fremde Welten mögen uns einerseits neugierig gramm mit Führungen, Ausstellungen, Sonderkonzerten. machen, faszinieren und anziehen – sie können aber auch das Gegenteil bewirken, Ängste und Abwehrreaktionen auslösen. Vertraut sind schließlich die zahlreichen Partner, die erfreulicher- Händel selbst machte sich als junger Mann auf den Weg in Wel- weise wieder mit im Boot sind: die Franckeschen Stiftungen, das ten, die seinerzeit wohl durchaus als fremd empfunden wurden. Stadtmuseum, das Kunstmuseum Moritzburg, das Technische Als 18-Jähriger fuhr er zunächst nach Hamburg, später reiste er Halloren- und Salinemuseum; die Stadtmarketing Halle (Saale) mehrere Jahre durch Italien und zog schließlich nach London. In GmbH bietet diverse spezielle Angebote; als regionale Partner unserer globalisierten Welt mögen das keine bedeutsamen Ent- sind das Goethe-Theater Bad Lauchstädt, das Anhaltische Theater fernungen mehr sein – Anfang des 18. Jahrhunderts dürfte ein in Dessau und das Carl-Maria-von-Weber-Theater in Bernburg großes Stück Wagemut und Abenteuerlust dazu gehört haben, feste Größen. die Heimat hinter sich zu lassen, in die Fremde zu ziehen und dort im Umkehrschluss selbst ein Fremder zu sein. Nicht zuletzt zeigt sich Händels Beliebtheit auch 333 Jahre nach seiner Geburt in der großen Zahl der Förderer und Sponsoren, der Tatsächlich spielen viele von Händels großen Werke in fremden Medien- und Kulturpartner, denen für ihr Engagement zu danken Welten. Die Festspiele werden in diesem Jahr ausleuchten, wie ist. Als Hauptstifterin der Stiftung Händel-Haus gibt die Stadt sich die Erfahrungen des Komponisten mit und in der Fremde in Halle (Saale) ebenfalls ein klares Bekenntnis zur dauerhaften Pfle- dessen Werk widerspiegeln. Zu den mannigfachen Assoziationen ge von Händels Werk. des Festspiel-Mottos gesellen sich auch sehr aktuelle. Ein weiteres Mal beweist die Festspielleitung ein feines Gespür für die Stim- So darf ich Ihnen allen, liebe Hallenserinnen und Hallenser, liebe mungen und Themen der Zeit und schlägt unerwartete Bögen Gäste, harmonische, beglückende und inspirierende Festspiel- von der Vergangenheit in die Zukunft. Tage wünschen. Erleben Sie Musikerinnen und Musiker der Extraklasse, angeführt in diesem Jahr von der aktuellen Händel- Für Festspiel-Besucher gibt es also viel zu entdecken – nicht zu- Preisträgerin, der US-amerikanischen Mezzosopranistin Joyce letzt im doch eigentlich vertrauten Werk des großen Barockkom- DiDonato. Herzlich willkommen! ponisten. Es mag selbst Kenner erstaunen, aber es gibt immer noch eine Oper, die bislang nie in Halle (Saale) aufgeführt wurde Ihr – eine Lücke, die in diesem Jahr gleich mit der festlichen Eröff- nung geschlossen wird: Erstmals wird die in Ägypten spielende Händel-Oper „Berenice, Regina d‘Egitto“ zu erleben sein, als Neuproduktion am Opernhaus. Erzählt wird eine so packende wie einfallsreiche Geschichte um Irrtümer und Missverständnisse, um Rache, Macht und Liebe. Dr. Bernd Wiegand Freilich taucht im Festspiel-Programm auch Vertrautes auf – begin- Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale) nend mit der Feierstunde am Händel-Denkmal und endend mit Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Händel-Haus H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 3
GRUSSWORT CLEMENS BIRNBAUM DIREKTOR DER STIFTUNG HÄNDEL-HAUS UND INTENDANT DER HÄNDEL-FESTSPIELE Liebe Musikfreunde, so einer gewissen Beliebtheit. Auszüge aus einigen dieser mit dem vorliegenden Programm der Händel-Festspiele möchten Reiseberichte werden in der Jahresausstellung „So fremd, so wir Sie in fremde Welten entführen. Das Fremde klingt für viele nah“ im Händel-Haus gezeigt bzw. sind auszugsweise zu hören. Menschen spannend und aufregend. Es löst häufig einen unwi- derstehlichen Reiz des Exotischen aus. Man denkt an Reisen, Ur- Weil das Fremde einen so großen Reiz auf die Menschen ausübt, laub, vielleicht auch an Abenteuer. Positive Bilder und Erinnerun- wundert es nicht, dass die Oper diese Faszination nutzt. So spielt gen entstehen im Kopf, ungewöhnliche Gerüche steigen in die die Handlung vieler Opern Händels in fernen oder sogar auch Nase, man hört unbekannte, faszinierende Klänge, ja man kann phantastischen Orten: Im spanischen Sevilla ist „Rodrigo“ ange- sogar das Fremde schmecken. Das Fremde übt auf den Menschen siedelt, in Jerusalem der „Rinaldo“. Ort der Handlungen von „Be- von Heute weiterhin eine große Faszination aus, obwohl uns die renice“ und „Giulio Cesare“ ist Ägypten, und „Alessandro“ und modernen Medien wie Internet und Fernsehen sowie schnelle und „Poro“ spielen sogar im fernen Indien. „Alcina“ treibt ihr Unwe- bequeme Reisemöglichkeiten das Fremde ganz nah bringen. sen auf einer nicht näher bezeichneten Zauberinsel. Und die Schäferspiele wie im „Il Pastor fido“ sind im mythischen Arkadien Zu Händels Zeiten gab es den Reiz des Fremden ebenso, wenn- angesiedelt. gleich Reisen weit beschwerlicher und gefährlicher waren und man zudem hierfür sehr viel Zeit opfern musste. Trotzdem reisten die Das Fremde kann beim Menschen aber nicht nur positive Empfin- Menschen des 18. Jahrhunderts, waren in ganz Europa und darü- dungen, sondern auch Ängste auslösen und abwehrende Reakti- ber hinaus unterwegs - wenn man es sich leisten konnte. Händel onen hervorrufen. Begriffe wie „Fremdenangst“, „Fremdbestim- zählte zu diesem kleinen Kreis der Auserwählten. Sein Weg führte mung“ oder „Fremdkörper“ deuten darauf hin. Diese Angst ist ihn von Halle nach Hamburg, für mehrere Jahre mit einer sehr auch Gegenstand eines Opernlibrettos, das Händel vertont hat: In beschwerlichen Überquerung der Alpen nach Italien und schließ- der Oper „Oreste“ schottet König Toante sein Inselreich gegen- lich über Hannover nach England. Doch auch als er in London sein über allen Fremden ab und befiehlt, dass jeder Fremde, der sein neues Zuhause fand, reiste er weiterhin durch Europa. Zum Beispiel Land betritt, hingerichtet wird. Auch die Reaktionen einiger Men- nach Irland, wo sein „Messiah“ in Dublin seine erste Aufführung schen bei den Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre feierte. Wiederholt kam er, wenn er es einrichten konnte, auch in zeigen, dass man bei gleichzeitiger Faszination gegenüber dem seine Geburtsstadt zurück, beispielsweise im Jahr 1719, als er auf Fremden, wenn die Reise einen freiwillig in andere Länder führt, dem Weg nach Dresden war, um dort im Rahmen einer historisch den Fremden, die in das eigene Land kommen, reserviert gegen- bedeutsamen Hochzeitsfeierlichkeit am kursächsischen Hof Sänger übersteht. Diese Reserviertheit kann letztlich in Fremdenfeindlich- für seine Londoner Oper zu engagieren. keit und Fremdenhass münden. Der Weg in die Fremde findet seit Menschengedenken leider nicht nur aus exotischer Neugierde Der Reiz des Fremden drückt sich im 18. Jahrhundert auch darin statt, sondern auch notgedrungen durch Flucht oder Vertreibung. aus, dass in vielen zeitgenössischen Büchern über fremde Orte Auch hieran erinnert uns die Sprachgeschichte, denn das althoch- berichtet wird. Nicht alles, was in diesen Berichten zu lesen ist deutsche Wort „elilenti“, auf das das heutige Wort „Elend“ zu- und abgebildet wird, stimmt. Dies hängt stark davon ab, ob der rückgeht, bedeutete damals nichts anderes als „anderes Land“. Schreiber selbst vor Ort war und das Beschriebene bzw. Abgebil- dete selbst gesehen hat oder ob er nur laut Hörensagen darüber Das Fremde holt man sich auch gerne nach Hause. Kochbücher berichtet. Hier stimmt der alte Spruch, das Reisen bildet. Die ent- mit Rezepten aus allen Teilen der Welt zeugen hiervon. Exotische standenen und publizierten Reiseberichte, die häufig mit Kupfer- Blumen wie Strelitzien, Amaryllis oder die Flamingoblume ver- stichen illustriert wurden, erfreuten sich im 18. Jahrhundert eben- schönern mit ihren prachtvollen Blüten unsere Räume. Diese Vor- 4 H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
liebe für exotische Pflanzen hat es bereits im 18. Jahrhundert klangprächtige und internationale Koproduktion des „Jazziah – gegeben. Dies wissen wir beispielsweise von Händel, der seinem Händels Messiah reloaded“ unterstützt, sondern darüber hinaus Komponistenfreund und leidenschaftlichen Pflanzenliebhaber die Händel-Festspiele mit einem kostenfreien Barockfest auf dem Georg Philipp Telemann exotische Pflanzen („Plantes exotiques“) Domplatz bereichert. Weitere Unternehmen haben Konzertpaten- zum Geschenk machte. Hiervon erfahren wir aus Briefen Hän- schaften übernommen und die Veranstaltungen für Sie möglich dels, die er in den 1750er Jahren in französischer Sprache an gemacht: Hier danke ich der Total Raffinerie Mitteldeutschland Telemann schrieb: „Wenn die Liebhaberei für exotische Pflanzen GmbH, der GP Günter Papenburg AG, der Ströer Media AG, der und dergleichen Ihre Tage verlängern und die Ihnen eigene Leb- Stadtwerke Halle GmbH und der Kathi Rainer Thiele GmbH. In haftigkeit verjüngen könnte, so biete ich Ihnen mit aufrichtiger dieser vertrauten Familie begrüße ich als neues Fördermitglied Freude an, etwas dazu beizutragen. Ich mache Ihnen ein Ge- herzlich die Orbis Real Estate, die uns dankenswerterweise in die- schenk und sende Ihnen ... eine Kiste mit Blumen, von denen mir sem und den kommenden Jahren eine finanzielle Unterstützung Kenner versichern, sie seien auserlesen und von bezaubernder zugesagt hat. Im Hintergrund und für das Publikum nahezu un- Seltenheit.“ sichtbar wirken Mitglieder der Stiftungsgremien, die Mitarbeiter der Stiftung und zahlreiche Helfer mit, die zum Gelingen eines In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass auch Ihre „Lebhaftigkeit herausragenden Festes einen wichtigen Beitrag leisten. Auch ih- verjüngt“ wird durch unseren Streifzug durch das Fremde und nen gilt mein Dank. Ohne all dieses Engagement gäbe es die Exotische im diesjährigen Festspielprogramm. „Auserlesen“ ist Händel-Festspiele nicht, die von Thomas Schmoll im Musikmaga- zumindest die Schar der Musiker, die bei den Händel-Festspielen zin Orpheus im vergangenen Jahr „als eines der besten Festivals auftritt. Besonders hervorheben möchte ich dabei Joyce DiDona- für Alte Musik in Europa“ bezeichnet wurde. to, die in diesem Jahr mit dem Händel-Preis der Stadt Halle, ver- geben durch die Stiftung Händel-Haus, geehrt wird. In szenischen Ich wünsche uns interessante Begegnungen mit dem Fremden und konzertanten Opernaufführungen wird das Publikum in bei den Händel-Festspielen 2018. „exotisch-fremde“ Orte wie den Parnass („Parnasso in festa“), in das Jerusalem der Kreuzritter („Rinaldo“) oder in das alte Ägypten Ihr („Berenice“) entführt. Neben Barockmusik werden Brücken zu anderen Genres geschlagen, beispielsweise zur irischen Musik mit der Camerata Kilkenny oder zur Musik des Mittelmeeres mit der türkischen Sängerin Nihan Devecioğlu, zur elektronischen Musik in den Baroque Lounges und zum Jazz oder zur Pop-Rock-Musik (Bridges to Classics). Auch hier kommt es zu spannenden Begeg- Clemens Birnbaum nungen an sich fremder Musikstile und -genres. Direktor der Stiftung Händel-Haus Intendant der Händel-Festspiele Halle Wenig fremd, sondern nah und vertraut sind uns die langjährigen Förderer und Partner der Händel-Festspiele, die sich auch in die- sem Jahr beim größten wiederkehrenden Kulturereignis des Lan- des Sachsen-Anhalt engagieren. Neben der Stadt Halle und dem Land Sachsen-Anhalt danke ich der Bundesregierung, die ein Teil- projekt der Festspiele finanziell fördert und damit auch die über- regionale Bedeutung dieses Musikfestes anerkennt. Wie in den vergangenen Jahren steht uns auch Lotto Sachsen-Anhalt wieder zur Seite und präsentiert die traditionelle Aufführung des „Mes- siah“. In diesem Jahr erklingt das Oratorium aufgrund einer Bau- maßnahme nicht in der Marktkirche zu Halle, sondern im Dom. Dabei handelt es sich ebenso um einen authentischen Händel-Ort, denn der Komponist erhielt seine erste Musikeranstellung an der evangelisch-reformierten Domgemeinde. Mein Dank gilt ferner der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, die gemeinsam mit der Saa- lesparkasse ein Teilprojekt fördert und es uns u. a. ermöglicht, dass unser Publikum im Goethe-Theater Bad Lauchstädt die neu ent- stehende Produktion von „Parnasso in festa“ erleben kann. Vor genau 50 Jahren fand übrigens in diesem Theater, das wiederholt von der Saalesparkasse finanzielle Unterstützung erfährt, die erste Darbietung einer Oper Händels statt. Seit einigen Jahren sind wir dankbar für die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Halleschen Wohnungsgesellschaft mbH, die nicht nur in diesem Jahr eine H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 5
IM FOKUS: FREMDE WELTEN FREMDE WELTEN Der Wandernde, der heute kommt und morgen bleibt Thomas Seedorf Das Motto der Händel-Festspiele 2018 „Fremde Welten” spiegelt sich nicht nur in zahlreichen Konzerten oder Opernaufführungen wider. Die Jahresausstellung im Händel-Haus, Ausstellungen im Kunstmuseum Moritzburg Halle oder in den Franckeschen Stiftungen laden ein, sich dem Thema auf besondere Weise zu nähern. Kompetente Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern sowie aus den USA stellen ihre neuesten Forschungsergebnisse zum Thema der musikalischen Migrationsbewegungen in der Wissenschaftlichen Konferenz vor. Am 26. Mai 2018 wird Prof. Dr. Thomas Seedorf mit einem Festvortrag zu „Händel, der vertraute Fremde“ in die Thematik einführen. „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“. Der gleich ein Ort, an dem er sich unglücklich, wie verbannt und Wanderer, dessen Geschichte Wilhelm Müller erdichtet und Franz ausgestoßen fühlt – im Wort „Elend“ verbinden sich beide Be- Schubert in Musik gesetzt hat, erreicht auf seiner Winterreise deutungsebenen, von denen im weiteren Verlauf der Sprachge- kein Ziel, nirgendwo fühlt er sich als Gast willkommen, stets schichte nur eine überdauerte. drängt es ihn weiter zu ziehen. Im zwölften Lied („Einsamkeit“) verdichtet sich die Empfindung des Wandernden, an der Gemein- Auch der Wanderer Müllers und Schuberts ist ein Fremder, doch er schaft anderer Menschen nicht teil zu haben, einsam, mehr noch: erlebt sein „Elend“ nicht im Ausland. Der Winterreisende ist fremd elend zu sein. im eigenen Land, in der eigenen Gesellschaft, die ihn ausgrenzt. Damit drückt der Wanderer der „Winterreise“ ein Lebensgefühl Zur Zeit Müllers und Schuberts hatte das Adjektiv „elend“ bereits aus, das in der Restaurationszeit des frühen 19. Jahrhunderts viele jene Bedeutungen, die es noch heute besitzt: jämmerlich, bekla- Menschen erfasste. Die Befreiungskriege gegen Napoleon hatten genswert, armselig, schwach. Im frühen 19. Jahrhundert schwang für kurze Zeit die Utopie einer neuen Gesellschaft aufkommen las- aber noch die aus dem Mittelalter stammende Ursprungsbedeu- sen, die sich mit der Rückkehr zu den alten Machtstrukturen in tung des Wortes mit. Das mittelhochdeutsche „ellende“ ist zu Nichts auflöste. Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse übersetzen mit „aus der Fremde kommend“ oder auch „in der haben sich seither grundlegend verändert, die Erfahrung, allein zu Fremde lebend“. Als Substantiv bezeichnete das Wort einen sein inmitten einer Gesellschaft, zu der man eigentlich gehört, ist Fremdling, aber auch einen Vertriebenen oder Verbannten. „Aus- aber vielen Menschen geblieben, was vielleicht nichts drastischer land“ und „Elend“ hängen sprachlich zusammen, wie eines der zeigt als die Tatsache, dass es in Großbritannien künftig ein eigenes bekanntesten Lieder des 16. Jahrhunderts erkennen lässt: „Inns- Ministerium für Einsamkeit geben wird. bruck, ich muss dich lassen, / ich fahr dahin mein Straßen / in fremde Land dahin. / Mein Freud ist mir genommen, / die ich nit Wie die Geschichte des Wortes „Elend“ zeigt, ist die Erfahrung weiß bekommen, / wo ich im Elend bin.“ „Elend“ ist hier das des Fremdseins nicht erst in der jüngeren Neuzeit entstanden. „fremde Land“, in das der Singende ziehen muss, und es ist zu- Und doch gibt es große Unterschiede zwischen jüngerer und äl- 6 H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
terer Geschichte. Zum Teil lassen diese sich noch in Gesellschaf- Harlem, Stadtansicht, Stich von Chr. Mel. Roth nach G. A. Gründler, 1749 © Stiftung Händel-Haus, BS-IId, 8 ten unserer Zeit, die sich einige archaische Ursprünge bewahrt haben, beobachten. Dazu gehört etwa das in vielen Gegenden des Orients und Nordafrikas geübte Gastrecht, das Fremden für lichkeiten ist“. Das Fremde musste aber gar nicht aus fernen Welt- eine bestimmte Zeit Unterkunft und Verpflegung gewährt, sofern gegenden stammen, denn auch Europa selbst war so vielgestaltig, sie in friedlicher Absicht kommen. dass es reichen Stoff zur Begegnung mit Fremdem bot. Wer es sich leisten konnte, fuhr in ferne Länder, wie jene Aristokratensöhne, Ein Fremder ist oft ein „Wanderer, der heute kommt und morgen die seit der Renaissance auf einer Bildungsreise, der „Grand Tour“, geht“, wie es Georg Simmel, einer der Pioniere der modernen Mittel- und Südeuropa erkundeten. Andere reisten durch Europa Soziologie, 1908 in seinem „Exkurs über den Fremden“ aus- aus weitaus existenzielleren Gründen. Das Phänomen der Arbeits- drückte. Der Fremde kann aber nach Simmel auch jemand sein, migration, der Wanderung von Menschen, die Arbeit suchen, ist „der heute kommt und morgen bleibt“. Indem er nicht weiter- erst ab dem 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung zu ei- zieht, trägt er neue Qualitäten in eine Gemeinschaft, die nicht nem Massenphänomen geworden. Doch schon in den vorange- aus dieser „stammen und stammen können“. „Die Einheit von henden Jahrhunderten durchquerten Menschen Europa auf der Nähe und Entferntheit, die jegliches Verhältnis zwischen Men- Suche nach einer Anstellung, die sie in ihrem Heimatland nicht schen enthält, ist hier zu einer, am kürzesten so zu formulieren- fanden. Viele dieser arbeitssuchenden Wanderer waren Künstler: den Konstellation gelangt: die Distanz innerhalb des Verhältnisses Maler, Architekten und insbesondere Musiker. Als sich die italieni- bedeutet, daß der Nahe fern ist, das Fremdsein aber, daß der sche Oper im 18. Jahrhundert über ganz Europa verbreitete, waren Ferne nah ist.“ italienische Sänger, Instrumentalisten und Komponisten zwischen Lissabon und St. Petersburg gefragt. Armin Nassehi, einer der bedeutenden Soziologen unserer Zeit, hat Simmels Ideen aufgegriffen und weitergedacht. Erst „die Begeg- Auch Georg Friedrich Händel zählte zu den Musikermigranten. nung mit dem Fremden“ lasse „das Eigene als das Eigene“ erken- Schon seine Anstellung an der Hamburger Gänsemarktoper war nen. Diese Erkenntnis gehöre „zu den Grunderfahrungen Europas, eine Begegnung mit einer fremden Welt. Zu einer lebensprägen- das über die Konfrontation mit dem Fremden, mit fremden Erdtei- den Grunderfahrung wurde für ihn der mehrjährige Aufenthalt len und Lebensformen, Religionen und Kulturen usw., entdeckt in Italien, in London fand er schließlich den Ort, an dem er den hat, dass auch das Eigene nur eine Version unterschiedlicher Mög- größten Teil seines Lebens verbrachte. H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 7
Wir grüßen alle Gäste der Händel- Festspiele und wünschen gute Unterhaltung. LOTTO fördert Kunst und Kultur in Sachsen-Anhalt. LOTTO liebt Kultur 8 H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
Halle, Stadtansicht, Stich von Chr. Mel. Roth nach G. A. Gründler, 1749 © Stiftung Händel-Haus, BS-IIa, 9 Händel war nicht der erste deutsche Musiker, dem es gelang, in der englischen Hauptstadt Fuß zu fassen. Mitte der 1650er Jahre kam der deutsche Geiger Thomas Baltzar nach England und wur- de dort zu einem hoch geschätzten Mitglied der Chapel Royal. Kurz vor der Jahrhundertwende gelangte Johann Christoph Pe- pusch nach London. Pepuschs Nachruhm gründet vor allem auf seiner Beteiligung an der von John Gay gedichteten „Beggar‘s Opera“, die 1728 als erfolgreiche Alternative zu Händels Auffüh- rungen italienischer Opern im Rahmen der Royal Academy of Music Furore machte. Zu seiner Zeit war Pepusch aber ein über- aus angesehener Komponist, der vor allem durch Instrumental- werke auf sich aufmerksam machte. Die hohe Wertschätzung, die er in seiner Wahlheimat erfuhr, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Universität Oxford ihn 1713 zum „Doctor of Music“ ernannte. Prof. Dr. Thomas Seedorf absolvierte das Studium der Schulmusik und Germanistik sowie Musikwissenschaft Als der deutsche Komponist Johann Sigismund Kusser sich 1704 und Musikpädagogik in Hannover. Als Wissenschaft- nach London begab, hatte er sich im Vorfeld bei Jacob Greber, licher Mitarbeiter an der Universität Freiburg i. Br. (1988–2006) und als Professor für Musikwissenschaft an einem in England wirkenden Landsmann, nach den dortigen Ar- der Hochschule für Musik Karlsruhe (seit 2006) hat er beitsbedingungen für Musiker erkundigt. Neben Ratschlägen zur sich u. a. mit Fragen der Aufführungspraxis und Wohnsituation, zur Kleiderordnung und zu juristischen Fragen Interpretationsgeschichte und vor allem mit Geschichte gab Greber auch Empfehlungen, die als Maßnahmen zur Annä- und Ästhetik des Kunstgesangs auseinander gesetzt. herung zwischen dem Musiker aus der Fremde und den Kunst- (Foto: privat) freunden des Landes, in dem er sein Glück sucht, zu verstehen sind: Kusser solle so rasch wie möglich Englisch lernen sowie English Songs komponieren und selbst singen, um das Wohlwol- Händel, der vertraute Fremde len der kunstsinnigen Lords zu gewinnen. Auch solle er die Musik Samstag, 26. Mai 2018, 10.00 Uhr, Purcells über alles loben und damit zu verstehen geben, wie hoch Stadthaus am Markt er die englische Musik achte. Festvortrag: Prof. Dr. Thomas Seedorf (Karlsruhe) Eintritt frei – freie Platzwahl Ob Händel Grebers Hinweise kannte oder aus anderer Quelle Musikalische Migrationsbewegungen. ähnliche Ratschläge erhielt, ist zwar nicht bekannt, er verhielt sich Musik und Musiker aus der Fremde 1650–1750 aber ganz in deren Sinne: Er schuf Musik für den englischen Hof, 28. und 29. Mai 2018, 10.00 bis 17.00 Uhr, die unverkennbar auf das Vorbild Purcells verweist, er lernte Eng- Händel-Haus, Kammermusiksaal lisch, das er freilich zeitlebens mit einem Akzent sprach, der ihn Internationale Wissenschaftliche Konferenz, als Ausländer kenntlich machte, und er schaffte es, durch persön- Veranstalter: Institut für Musik, Medien- und liche Beziehungen Teil der englischen Gesellschaft zu werden. Sprechwissenschaft, Abteilung Musikwissenschaft Händel war ein Wanderer, der kam und dann blieb. der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gemeinsam mit der Stiftung Händel-Haus und der TIPP! Im Kalendarium ab Seite 51 finden Sie zahlreiche Veranstaltungen zum Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft e. V., Thema der Händel-Festspiele 2018 „Fremde Welten“ . Eintritt frei – freie Platzwahl H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 9
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IM FOKUS: FREMDE WELTEN FREMDE WELTEN So fremd, so nah Konstanze Musketa In der Jahresausstellung „So fremd, so nah“, die bis zum 6. Januar 2019 im Händel- Haus zu sehen ist, erwartet den Besucher manches Fremde, Seltsame, das ganz nah zu erleben ist. Zu den besonders sehenswerten Exponaten zählen handschriftliche Dokumente und Reiseberichte der Händel-Zeit, Noten-Erstdrucke und liebevoll illustrierte Libretti zu Händel-Opern sowie Grafiken und vor allem Musikinstrumente wie ein Schellenbaum oder ein Cembalo mit Chinoiserien, die vom Fernweh ihrer einstigen Besitzer zeugen. Was für Händel noch ganz reale Lebens- Händel musste sich immer wieder mit welt war, ist für uns heute schon eine Fremdem auseinandersetzen: Sein Auf- fremde Welt geworden. Städte wie Halle bruch in unbekannte Regionen war Wag- waren damals zum Schutz vor Fremden nis und Chance zugleich. Er lernte fremde noch mit einer Stadtmauer umgeben. Wer Sprachen, Länder, Kulturen und Religio- in die Stadt wollte, musste die Torwache nen kennen. Hamburg war für ihn, wie passieren und Gebühren entrichten. Mit für manch anderen auch, zunächst das den so genannten Torzetteln wurde doku- Tor zur Welt. Von hier aus war übrigens mentiert, wer ein- und ausgegangen war auch schon sein Vater, Georg Händel, in und welche Waren ein- oder ausgeführt jungen Jahren als Schiffsarzt bis nach Por- wurden. Mancher Dienstherr nutzte die tugal gereist. Gelegenheit, sein Personal zu kontrollieren, In der weltoffenen Metropole London, seiner indem er sich täglich die Torzettel bringen Wahlheimat, hatte Händel tagtäglich Ge- und vorlesen ließ. Im August 1729 begann legenheit, Menschen aus fremden Kulturen man, Torzettel von ankommenden und ab- zu begegnen und „gar sonderbare“ Dinge reisenden Personen in den Wöchentlichen zu erleben. Als sich 1718 ein Wal in die Hallischen Anzeigen zu veröffentlichen. Themse verirrte, war das eine Sensation. Die- Solche Listen wurden bis 1738 regelmäßig Merckwürdige Nachricht/ Von einen besondern und fast ses überaus große, fremdartige Tier wurde nie erhörten abscheulichen MeerWunder, Wien 1716 publiziert. Leider war Händel, als die ersten © Franckesche Stiftungen zu Halle an der Saale an der Londoner Brücke, dem Scheidepunkt Anzeigenblätter erschienen, gerade zum zwischen Fern- und Nahverkehr, ausgestellt Tor hinaus, nachdem er hier im Juni 1729 und war plötzlich ganz nah zu sehen. seine Mutter zum letzten Mal besucht hatte. Seine Aufenthalte in England profitierte wirtschaftlich von seinen globalen Handelsbe- Halle sind folglich nicht durch veröffentlichte Torzettel dokumen- ziehungen, aber auch von der Ausbeutung der Kolonien und vom tiert. Immerhin finden sich dort aber Spuren von Mitgliedern sei- Sklavenhandel. Wir wissen nicht, ob Händel diese Schattenseite ner Familie. Am 25. September 1733 passierte der Gothaer Hofrat des ökonomischen Aufschwungs bewusst wahrgenommen hat. Johann Ernst Flörcke, der Ehemann von Händels Nichte und Pa- Wie nur wenigen Menschen seiner Zeit war es Händel vergönnt, tenkind Johanna Friederica Flörcke geb. Michaelsen, das Klaustor. zu reisen und dadurch Informationen aus erster Hand zu sammeln. Der Besuch galt ihrem Vater Michael Dietrich Michaelsen, Händels Schwager, der im heutigen Händel-Haus wohnte. Möglicherweise linke Seite: „Nova Totius Terrarum Orbis Tabula“ von A. J. Bormeester, reiste der Hofrat nicht allein, sondern brachte seine Frau und die Niederlande um 1685 einjährige Tochter Ernestine Friederike mit. © Geographicus Rare Antique Maps H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 11
Im Laufe seines Lebens war er in weiten Teilen Europas zwischen Zu Händels Zeit frequentierten Woche für Woche rund zwanzig Hamburg, London, Dublin und Neapel unterwegs. Da er jedoch Schiffe den halleschen Hafen. Sie waren mit Gütern beladen und keine Aufzeichnungen hinterließ, müssen wir uns an seine mitteil- pendelten bis zur Saalemündung, dem so genannten Saalhorn, sameren Zeitgenossen halten, die auf ihren Touren alles „Merkwür- wo große Mengen Salz aus der halleschen Saline zwischengela- dige“ (das heißt, alles Bemerkenswerte und Sehenswürdige) no- gert und später auf Elbkähne verladen wurden. Auf dem Rückweg tierten. Daraus lassen sich vorsichtige Rückschlüsse ziehen. transportierten sie Brennmaterialien wie Steinkohle aus Wettin Reisen war damals noch mehr oder minder beschwerlich und und Holz, die in der Saline zum Beheizen der Siedepfannen ge- gefährlich und kostete ein Vermögen. Das Geld, das man in grö- braucht wurden. ßeren Mengen buchstäblich „mitschleppen“ musste, sollte min- Wäre Händel mit einem Segelschiff bis zum Saalhorn mitgefah- destens so lange reichen, bis der nächste Wechsel eintraf. Wer ren, hätte er von dort weiter auf der Elbe nach Hamburg reisen sich keine Reisen leisten konnte, war auf Berichte und Zeitungs- können. Ob er diese – prinzipiell sogar besonders kostengünstige meldungen angewiesen und machte sich dann sein eigenes, mit- – Reisemöglichkeit nutzte, wissen wir allerdings nicht. unter recht verzerrtes Bild von der fernen Realität. Wer mit der Kutsche unterwegs war, saß dort oft eingezwängt Händels erste Reise führte vermutlich nach Weißenfels. Sein Va- zwischen den Mitreisenden und im Dunkeln – wenn er Glück ter, der sich als herzoglicher Leibchirurg alle acht Wochen am hatte! Es konnte auch sein, dass der Wagen kein Verdeck besaß. dortigen Hof einzufinden hatte, wird ihn gelegentlich mitgenom- Dann war man Wind und Wetter ausgesetzt und froh, wenn man men haben. Wie eine Anekdote berichtet, lief der Junge der be- einen Regenmantel und einen breitkrempigen Hut bei sich trug. reits fahrenden Kutsche hinterher und holte sie ein, was bei der Ungemütlich wurde es auch, wenn die Kutsche keine Federung damals üblichen Fahrtgeschwindigkeit von zwei bis drei Kilome- besaß, denn die Wege waren großenteils noch unbefestigt und tern pro Stunde kein Problem gewesen sein dürfte. voller Schlaglöcher. Bei Regen verwandelten sie sich in eine nahe- Mit der Kutsche ging es in der Regel nur langsam voran, und wer zu unpassierbare Schlammwüste. Aufgrund der schlechten Stra- reisen wollte, musste viel Zeit investieren. Wenn man allerdings ßen und der instabilen Kutschenkonstruktion kam es häufig zu statt der „ordinären“ Postkutsche die „geschwind fahrende Post“ Unfällen, wenn die Achsen brachen, die Kutschen umstürzten (gegen Aufpreis) benutzte, konnte man die Fahrzeit deutlich re- oder die Pferde durchgingen. Dabei wurden nicht selten auch duzieren. Eine andere Möglichkeit, die Reisezeiten zu verkürzen, Passagiere verletzt. Händel erlitt im Sommer 1750 einen solchen war die „Extra-Post“. Ihre Passagiere waren nicht auf den regulä- Verkehrsunfall und hielt sich in der Folge längere Zeit unfreiwillig ren Fahrplan angewiesen und fuhren auch die Nacht hindurch. in der Gegend um Den Haag auf. Eine noch größere Geschwindigkeit als die Kutsche erreichten Se- Überall lauerten Gefahren. Wenn es möglich war, ging man ih- gelschiffe mit fast 20 km/h. Sie galten als echte Alternative gegen- nen aus dem Weg und nahm dafür teils beträchtliche Umwege über dem Reisen auf dem Landweg. in Kauf. Räuber und Banditen, feindliche Soldaten, wilde Tiere, „So fremd, so nah“ Thematische Sonderführung Jahresausstellung im Händel-Haus im WILHELM-FRIEDEMANN-Bach-Haus Kuratorinnen: Dr. Konstanze Musketa, Christiane Barth, Kurator: Karl Altenburg Sonntag, 27. Mai 2018, 11.30 Uhr „Durch mühsames Reisen erlangtes Thematische Sonderführungen Renommee: Hallesche Musikerbiografien im Händel-Haus zwischen Migration und Sesshaftigkeit“ Sonderführung durch die Ausstellung „Musikstadt Freitag, 1. Juni 2018, 15.00 Uhr Halle“ | Treffpunkt: Wilhelm-Friedemann-Bach- Freitag, 8. Juni 2018, 15.00 Uhr Haus, Museumskasse | Tickets: 7 € | Führung: „Halbmond, Drachen und Chinesenhut“ Dr. Konstanze Musketa (Leiterin der Wissenschaft- Sonderführung durch die Ausstellung „Historische lichen Bibliothek und der musikwissenschaftlichen Musikinstrumente“ und die Jahresausstellung Forschung der Stiftung Händel-Haus) „So fremd, so nah“ zu Chinoiserien und anderen fremden Elementen im europäischen Musikinstru- mentenbau | Treffpunkt: Händel-Haus, Museums- kasse | Eintritt: 7 € | Führung: Christiane Barth (Musemsleiterin Stiftung Händel-Haus) Samstag, 2. Juni 2018, 11.00 Uhr „Aufbruch in fremde Welten“ Kuratorenführung durch die Jahresausstellung | Treffpunkt: Händel-Haus, Museumskasse | Eintritt: 7 € | Führung: Dr. Konstanze Musketa (Kuratorin) Halle, Kupferstich von Gottfried August Gründler im ersten Band der „Beschreibung des Saal-Creyses“ von Johann Christoph Dreyhaupt, Halle 1749 Blick in die Jahresausstellung im Händel Haus, © Stiftung Händel-Haus, 200138 Foto: Patricia Reese 12 H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
sogar so ein kleines wie die Malariamücke in den Sümpfen um Rom, konnten lebensbedrohlich werden. Die Osmanen, die zu Händels Zeit fast den gesamten Balkan be- herrschten, wurden in unvorstellbar blutigen Schlachten allmäh- lich wieder zurückgedrängt. Im Februar 1716 soll an der dalma- tinischen Küste ein abscheuliches „Meer-Wunder“, ein etwa 15 Fuß (also 4 bis 5 Meter) großes Monster, von vielen tausend Menschen gesichtet worden sein. Dieses Ungeheuer drohte, die Osmanen zu rächen, die während der Türkenkriege auf dem Bal- kan getötet wurden. In Händels Werken spiegelt sich eine Sehnsucht nach fremden Welten. Es gibt so gut wie keine Oper von ihm, deren Handlung nicht in irgendeinem fernen Land und in einer längst vergange- nen Zeit angesiedelt ist. Händel nimmt sein Publikum mit auf Reisen quer durch Europa und Asien – zum größten Teil in Ge- genden, die weder er, noch seine Text-Autoren jemals betreten Aus dem Zyklus „Industry and Idleness“ (Fleiß und Faulheit), Anonymer Kupferstich haben. Mit dem Kreuzritter Rinaldo erobern wir Jerusalem, wir nach William Hogarth, London 1747, © Stiftung Händel-Haus, BS-IV, 38 begegnen dem gefürchteten Timur Lenk (Tamerlan), dem Herr- scher über ein riesiges Reich in Mittelasien, und folgen Alexander dem Großen und anderen Helden an den Bosporus, nach Ägyp- ten und bis nach Armenien, Persien und Indien. lässt uns die heile Welt Arkadiens spüren. Auch die Oratorien Händel entführt uns auch ins antike Rom, wo wir auf Kaiser Nero bewegen sich mit ihren Geschichten aus dem Alten Testament und seine Mutter Agrippina treffen, an Orte der griechischen My- räumlich und zeitlich weit entfernt vom Lebensalltag Europas im thologie oder sogar ins Übersinnliche, Märchenhafte. Und wir 18. Jahrhundert. So fremd und exotisch die Sujets aber auch sein müssen mit ansehen, wie Ritter Roland (Orlando) wahnsinnig mögen: In musikalischer Hinsicht bleibt Händel stets Europäer wird, weil er sich in eine chinesische Prinzessin (mit dem aller- und ein Komponist der Barockzeit. dings so ganz und gar nicht chinesisch klingenden Namen Ange- lica) verliebt hat, die ihrerseits einen afrikanischen Prinzen liebt. TIPP: Die Jahresausstellung „So fremd, so nah“ ist bis zum 06.01.2019 im Händel- Eine Oper wie „Il pastor fido“ und so manche Kantate, die Hän- Haus zu sehen. KuratorInnen der Sonderschau: Dr. Konstanze Musketa, Christiane del im Umfeld der römischen Accademia dell’Arcadia schrieb, Barth und Karl Altenburg Halleluja@Händel Ein besonderer Händel-Abend / 29. September 2018 Freuen Sie sich auf einen musika- ca hotoca .de .d tocase.d ase.d e lisch hochkarätigen Abend mit Aus- Pho o ey / Ph schnitten u. a. aus dem Coronation kmorl mor mo Anthem, Judas Maccabbaeus, Solo- mick © i© mi mon, Samson, Apollo e Dafne, Serse, Alexander’s Feast, Saul, der Ode for the Birthday of Queen Anne und dem Messiah. Sara Mengs, Sopran Richard Resch, Tenor Konzert-Chor aus nah & fern Kammerorchester musica juventa Leitung: Proinnsías Ó Duinn 19:30 Uhr / Moritzkirche Halle H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 13 Karten an den bekannten Vorverkaufsstellen Eine Veranstaltung des FÖRDERVEREIN E. V.
IM FOKUS: FREMDE WELTEN FREMDE WELTEN Durch die Welt im Auftrag des Herrn. Reisen von Pietisten im 18. Jahrhunder t Friederike Lippold Eine Spende von 4 Talern und 16 Groschen war das symbolische Startkapital, mit dem August Hermann Francke um 1700 eine Schulstadt gründete, die sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer der bedeutendsten protestantischen Bildungseinrichtungen Europas entwickelte. Franckes Schulen bildeten Kinder aller Gesellschaftsschichten aus, sie wurden zur Wiege des preußischen Tugendkanons und Vorbild für das preußische Schulwesen. Die blühende Schulstadt verfügte bereits im 18. Jahrhundert über wertvolle Lehrsammlungen, darunter eine bedeutende Bibliothek, Schulgärten sowie eine Kunst- und Naturalienkammer. Weggefährten, Mitarbeiter und Schüler des Stiftungsgründers bereicherten diese barocke Wunderkammer für den Realienunterricht an Franckes Schulen mit rund 3000 Naturalien, Kuriositäten und Artefakten aus aller Welt. Die Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen überrascht mit tenpunkten des sorgsam aufgebauten und intensiv gepflegten dem Ansatz, dass auch die Grundlagen einer modernen Reisekul- Transport- und Kommunikationsnetzwerkes wurden die halle- tur Anfang des 18. Jahrhunderts unter anderem durch den Hal- schen Reisenden, Emissäre oder Missionare versorgt, hier wurden leschen Pietismus gelegt wurden. Ausgesuchte Objekte aus den Informationen ausgetauscht und, ausgestattet mit dem Notwen- hauseigenen Sammlungen – der einzigen, am originalen Standort digsten, machten sie sich wieder auf den Weg. vollständig erhaltenen barocken Wunderkammer, der Bibliothek, Georg Friedrich Händel hat das Wachsen der Schulstadt Franckes die in ihrer Entstehungszeit zu den bedeutendsten ihrer Zeit zähl- Franckesche erlebt. Als er 1703 Halle Richtung Hamburg verließ, polarisierte Stiftungen te, und dem einzigartigen Archiv – liefern die Beweise. Das 2018 Franckes kürzlich vollendetes Waisenhaus vor dem Südtor Reisen liegt in der Geschichte des Halleschen Pietis- die Einwohner der Stadt Halle und ihrer Vororte. Bei mus fest verankert. Unter der Leitung von August dem Besuch des inzwischen berühmten Komponis- Hermann Francke (1663–1727) begann man an ten in seiner Heimatstadt im Jahr 1729 war die der Wende zum 18. Jahrhundert systematisch barocke Schulstadt mit ihrem vielgliedrigen Beziehungen bis in den sibirischen Teil Russ- Schulsystem für Jungen und Mädchen, dem lands, nach Südindien und Nordamerika aufzu- praxisorientierten Realienunterricht, den wert- bauen, die sich stabil über Jahrhunderte weiter- vollen Lehrsammlungen und Lehrgärten entlang entwickelten. Amsterdam zählte wie London, der südlichen Stadtmauer Halles rund um den Wien, Venedig oder Archangelsk zu den Relais- heutigen Lindenhof vollendet. Am Londoner Hof stationen des Halleschen Pietismus. An diesen Kno- war das Wirken Franckes längst bekannt, 1710 Durch die Welt Jahresausstellung 2018 18. März – 16. September im Auftrag des Herrn Franckesche Stiftungen Reisen von Pietisten Historisches Waisenhaus Di – So 10 – 17 Uhr 14 im 18. Jahrhundert www. francke-halle.de H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
Alltagserlebnisse halfen den halleschen Pietisten, ein reales Bild der Reise und des Zielorts zu zeichnen. Die aufmerksam verfass- ten Berichte kamen einem Reiseführer gleich. Georg Heinrich Neubauer (1666–1725) recherchierte auf einer Reise in die Nie- derlande 1697/98 in einem der fortschrittlichsten Staaten der Zeit Informationen zur Armenfürsorge und lieferte in seinem Bericht umfänglichste Informationen über das Reisen an sich. Die Schiffs- reise sei sehr bequem, doch „solle man in Holland mit dem Glockenschlag pünktlich bei der Schuyte sein, da diese dann nach ungefähr einer Minute des Läutens sofort ablegt. Zwar könne man hinterherrennen, das Boot einholen und noch aufgenom- men werden, allein sei man dann so verschwitzt, dass man sich auf dem Boot eine Erkältung zuziehe, die der Gesundheit einen ‚Stoß‘“ gebe, „den sie ihr Lebtage nicht wieder verwinden“ wer- de. Die Reise von Stephan Schultz (1714–1776) in den Orient Blick in die Ausstellung im Historischen Waisenhaus, Foto: Franckesche Stiftungen deckt in der Ausstellung die Entstehungsgeschichte und Langle- bigkeit einer Reiseroute auf. 1699 war der einflussreiche Diplo- hatte Queen Anne ein Haus für die englischen Schüler errichten mat am Englischen Hof, Heinrich Wilhelm Ludolf (1655–1712), lassen. Möglicherweise bewegte Händel das imposante Projekt in als Pilger in Jerusalem angekommen. Seine Route nahm 40 Jahre seiner Geburtsstadt dazu, 1749 das Anthem „Blessed are they später der hallesche Emissär Stephan Schultz (1714–1776). Mit- that considereth the Poor an Needy“ im Rahmen eines Konzertes bringsel wie der Reisepass des Sultans Mahmud I. (1696–1754) für das Londoner Foundling Hospital HWV 268, das sogenannte und eine erst kürzlich identifizierte Zeichnung der Grabeskirche „Foundling Hospital Anthem“, von Thomas Coram (1668–1751) in der Kunst- und Naturalienkammer belegen das Erreichen sei- aufzuführen. Dieser war mit Franckes Sohn Gotthilf August ner Reiseziele. Der Schutz der Gesundheit komplettierte die Vor- (1696–1769) als Direktor der Stiftungen in seiner Zeit als Treu- bereitung und Durchführung der Reisen hallescher Pietisten. Das händer der neu gegründeten Kolonie Georgia in Nordamerika in Hallesche Waisenhaus bot hier ein Set zur Selbstmedikation mit Kontakt. Die Treuhänder hatten 1732 die aus Österreich vertrie- Handbuch und kleiner Medizinauswahl feil. Diese Grundausstat- benen protestantischen Salzburger in die Neue Welt eingeladen. tung, die körperliches Wohlbefinden und seelische Gesundheit Betreut und begleitet wurden die Glaubensflüchtlinge von in Hal- miteinander verband, verkaufte sich äußerst erfolgreich gerade le ausgebildeten Pastoren. in den weit entfernten Gebieten Russlands und Nordamerikas, Wie das Reisen in fremde Welten das Leben der Menschen des wohin sie von halleschen Emissären transportiert wurde. 18. Jahrhunderts immer stärker prägte, zeigt die Ausstellung im So erzählt die Ausstellung in sieben Räumen anschaulich, wie Historischen Waisenhaus am Beispiel des Halleschen Pietismus. die Fülle an gesammelten Informationen und ein engmaschiges Wörterbücher für gängige und seltene Sprachen, Dialoge für den Netz von Kontakten gezielt und sehr erfolgreich für die Vorbe- Alltag in einer fremden Kultur und vor allem vielfältige authenti- reitung und Durchführung von Erkundungs-, Pilger- und Missi- sche Berichte mit ausführlichen Natur- und Ortsbeschreibungen, onsreisen eingesetzt wurden. Damit trug der Hallesche Pietis- Reflexionen über Religion und Mission, aber auch Beschreibun- mus aktiv zur Optimierung des Reisens auf dem Weg zur gen interessanter Begegnungen und scheinbar nebensächlicher modernen Reisekultur bei. Weltkarte mit der Reiseroute hallescher Missionare nach Indien, Halle, um 1740 © Franckesche Stiftungen zu Halle an der Saale Durch die Welt im Auftrag des Herrn. Reisen von Pietisten im 18. Jahrhundert Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen und Wunderkammer mit über 3000 Kuriositäten aus der ganzen Welt im Historischen Waisenhaus, Franckeplatz 1, Haus 1 Kuratorenführungen durch die Jahresausstellung „Von Halle in die Welt“ und die barocke Kunst- und Naturalienkam- mer der Franckeschen Stiftungen | Treffpunkt: Franckesche Stiftungen, Infozentrum im Francke-Wohnhaus | Dauer: ca. 45 Minuten | Eintritt: 6 € | zzgl. 2 € | Führungszuschlag Samstag, 26. Mai 2018, 14.00 Uhr Führung: Dr. Claus Veltmann Donnerstag, 31. Mai 2018, 15.00 Uhr Führung: Prof. Dr. Holger Zaunstöck Donnerstag, 7. Juni 2018, 15.00 Uhr Führung: Anne Schröder-Kahnt H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 15
IM FOKUS: FREMDE WELTEN FREMDE WELTEN Fremde Welten spezial im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Die Moritzburg – gegen Ende des 15. Jahrhunderts erbaut – präsentiert nur wenige Minuten vom Händel-Haus und Marktplatz entfernt, ihre Schätze inmitten der Stadt. Sie steht für 130 Jahre Museumssammlungen und ist eines der wichtigsten deutschen Kunstmuseen. Die „Burg der Moderne“ beherbergt in ihren 7 Sammlungsbereichen über ca. 250.000 Objekte aus dem Zeitraum von der Antike bis zur Gegenwart mit Schwerpunkt auf der Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts, insbesondere der Kunst der Klassischen Moderne. Mit dem neuen Erweiterungsbau ist im Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt einer der wichtigsten Ausstellungsorte für die Klassische Moderne entstanden. 2018 sind vielfältige Zeugnisse „Fremder Welten“ zu finden – sei es in der Dauerpräsentation oder in den Sonderausstellungen. 16 H ä n d el-Festspi ele Ma g a zin 2018
Ideale. Moderne Kunst seit Winckelmanns Antike Eine Sonderausstellung ist Johann Joachim Winckelmann (1717– 1768) gewidmet. Anlässlich seines 250. Todestages zeigt das Kunstmuseum Moritzburg unter dem Titel „Ideale. Moderne Kunst seit Winckelmanns Antike“ eine Ausstellung darüber, wie Winckelmann den Blick auf die Antike komplett veränderte und wie er die moderne Kunst prägte. Für die Sonderschau arbeitete Wege der Moderne. das Kunstmuseum Moritzburg eng mit der Martin-Luther-Univer- Kunst in Deutschland KUNSTMUSEUM KULTUR STIFTUNG SACHSEN- sität Halle-Wittenberg zusammen, um mehr als 200 Jahre Anti- 1900-1945, Foto: MORITZBURG ANHALT kenrezeption abzudecken. Zu sehen sind in der Schau Arbeiten Marcus-Andreas Mohr HALLE | SAALE von de Goya, Hans von Marées, Adolph Menzel, Max Klinger, Max Beckmann, Oskar Schlemmer, Arno Breker oder Georg Schrimpf. Sonderausstellung bis 10. Juni 2018 Ideale. Moderne Kunst seit Winckelmanns Europas Utopie – Chinoiserien Antike China eroberte im späten 17. Jahrhundert Europa und drang als In Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universi- „Chinoiserie“-Mode in alle Lebensbereiche ein. Sie verkörpert die tät Halle-Wittenberg. Die Ausstellung dokumentiert utopische Vorstellung von einer heilen Welt. Vor allem der um- und verfolgt die künstlerische Auseinandersetzung fangreiche Import der holländischen Ostindischen Kompanie bot um die Antike vom 18. Jahrhundert bis in die Vorbilder für die Adaption der chinesischen Stilistik. Zunächst Gegenwart. Die Ausstellung deckt mehr als 200 wurde das in Europa noch unbekannte Porzellan mittels Fayence Jahre Antikenrezeption ab. nachgeahmt. Der fernöstliche Einfluss zeigt sich besonders im Eintritt: 8 € / erm. 6 € typisch kobaltblauen Dekor. Vorgestellt werden neben Tellern FREMDE WELTEN SPEZIAL: auch Fächerplatten und Buckelschüsseln sowie wunderschöne Sonderführungen im Kunstmuseum prunkvolle Vasenvariationen und figürliche Darstellungen. Die Moritzburg Halle (SAALE) Formenvielfalt erstaunt und die Dekore versprechen einen regel- rechten Augenschmaus. Montag, 28. Mai 2018, 16.00 Uhr Europas Utopie – Chinoiserien. Eine Überraschend ägyptisch! Ägyptische Einflüsse auf die Mo- Spurensuche im Kunsthandwerk derne Kunst Führung in der Studiensammlung in deutscher Noch bisher wenig beachtet und oft hinter dem bereits besser Sprache | Treffpunkt: Kunstmuseum Moritzburg erforschten Einfluss der sogenannten „Primitiven Kunst“ aus Halle (Saale), Museumskasse | Eintritt: 6 €, erm. Ozeanien und Afrika zurücktretend, hatte auch die alt-ägyptische 4 €, 3 € für Personen mit freiem Museumseintritt | Anmeldung erforderlich bis 25.05.2018 unter Kunst einen bedeutenden Einfluss auf die Malerei und Plastik der Tel. +49 345 212 59 11 Moderne. Gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt sich, her- vorgerufen durch die Ausgrabungen in Ägypten, eine wahre Flut Samstag, 26.05.2018, 16.00 Uhr von Einflüssen feststellen, die Künstler in ihren Werken verarbei- (in deutscher Sprache) teten. Sie interpretierten neu oder schufen Werke in Anlehnung Donnerstag, 31.Mai 2018, 16.00 Uhr an alt-ägyptische Vorbilder. Das, was die Künstler der Moderne (in englischer Sprache) an Formvokabular oder als Ausdrucksmittel aus der alt-ägypti- Überraschend ägyptisch! Ägyptische schen Kunst entwickelten, war Vorbild auch für nachfolgende Einflüsse auf die Moderne Kunst Künstlergenerationen. Führung in der Dauerausstellung. Begeben Sie sich auf eine Spurensuche nach Ägyptischem in Auf den Spuren der griechischen Mythologie. Geschichten modernen und alten Kunstwerken | Treffpunkt: Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), von den griechischen Göttern und Sagengestalten Museumskasse | Eintritt: 7 €, erm. 5 €, Eintritt Dass Griechenland einen erheblichen Einfluss auf die Kunst aller zzgl. 2 € Führungsgebühr Zeiten hatte, ist bekannt. Besonders gern wurden die Mythen er- zählt oder genutzt, um zum Beispiel aktuelle politische oder gesell- Montag, 4. Juni 2018, 16.00 Uhr schaftspolitische Situationen antik verkleidet zu umschreiben. In (in deutscher Sprache) der Moderne wurden zwar die bekannten griechischen Figuren Donnerstag, 7. Juni 2018, 16.00 Uhr und Themen oft aus ihrem Kontext herausgelöst, aber dennoch (in englischer Sprache) waren sie stets präsent. Bekanntes wurde in neue Zusammenhän- Auf den Spuren der griechischen Mytho- ge gesetzt, die Mythen damit aber nicht getilgt, denn humanisti- logie. Geschichten von den griechischen sche Bildung verführte immer wieder dazu, sich die Geschichten Göttern und Sagengestalten ins Gedächtnis zu rufen. Auch wenn in der Moderne nicht beab- Führung in der Sonderausstellung. Lernen Sie einige Sagengestalten in ihrem Wesen, ihrer sichtigt war, die alten Mythen nicht noch einmal nachzuerzählen, Erscheinung und über ihre Geschichten kennen | kann man sich dennoch auf ihre Spuren begeben. Treffpunkt: Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Museumskasse | Eintritt: 8 €, erm. 6 €, Eintritt links: Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Falk Wenzel zzgl. 3 € Führungsgebühr H ä n d e l - F e s t s p i e l e Magazin 2 0 1 8 17
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